Die Erde, die Sonne und der Mond. Zeitmessung. 15 Zum Verständnis dieses wunderbaren Wechsels der Erscheinungen reicht offenbar die Annahme nicht aus, daß die Sonne wie die übrigen Himmelskörper, die wir bisher betrachteten, ein Stern am unbeweglichen Himmelsgewölbe fei, deffen scheinbarer Lauf durch die Umdrehung der Erde um ihre Achse in 24 Stunden erklärt worden ist. Die Sache ist bedeutend weniger einfach; sie zu verstehen lehrt uns die Betrachtung des Mondes. 3. Innerhalb der Zeit von 29J/2 Tagen sehen wir den Mond seine Gestalt und seine Stellung zur Sonne und Erde regelmäßig ändern. Beobachteu wir z. B. an einem beliebigen Tage, wie seine vollbeleuchtete Scheibe (Vollmond) im Osten aufgeht, fo geschieht dies um die Zeit, in welcher die Sonne im Westen eben untergeht. Die Erde steht also zwischen den beiden genannten Himmelskörpern. In den folgenden Tagen wird die beleuchtete Scheibe immer kleiner, nach etwa einer Woche ist die Mondscheibe zur Hälfte (letztes Viertel), wieder eine starke Woche später ist sie ganz verdunkelt (Neumond). Gleichzeitig ist der Mond aber zwischen die Sonne und Erde gerückt. In den nächsten zwei Wochen wächst die be- leuchtete Scheibe wieder zur Hälfte (erstes Viertel) und schließlich zum Vollmond, so daß nach 29Va Tagen derselbe Vorgang von neuem beginnt. Während des Umlaufs ändert der Mond seine Größe nicht wesentlich, er hat daher offenbar von der Erde stets eine annähernd gleiche Entfernung. 4. Lichtwechsel und Stellung des Mondes zur Erde und Sonne erklären sich hiernach dadurch, daß wir sagen: Der Mond ist ein Himmelskörper, welcher eine kreisförmige Bahn um die Erde als Mittelpunkt beschreibt. Er wird wie die Erde von der Sonne beleuchtet und kehrt während seines Umlaufes der Erde naturgemäß eine bald mehr, bald weniger beleuchtete Fläche zu. Kommen zur Zeit des Vollmondes Sonne, Erde und Mond genau iu eine gerade Linie zu liegen, so haben wir eine Mondfinsternis; stellt sich bei Neumond Sonne, Mond und Erde in eine gerade Linie, so haben wir eine Sonnenfinsternis (Atlas, 1). 5. Da^es dem Monde möglich ist, auf feiner Bahn zwischen Erde und Sonne zu treten, so hat er von der Erde eine kleinere Entfernung als die Sonne. Erscheint er uns dennoch ebenso groß als die Sonne, so folgt daraus, daß diese viel größer als der uns wesentlich näherliegende Mond sein muß. Da wir weiterhin bei einer Sonnenfinsternis die Sonne vor den Sternen vorbeiziehen sehen,^ so folgt, daß die Himmelskörper überhaupt von der Erde verschiedene Entfernungen haben, also nicht an einem Gewölbe sich angeheftet finden, wie es uns bisher scheinen mochte. Vielmehr schweben sie als nngehener große kugelförmige Körper frei im Himmelsranme, der uach allen Seiten unendlich groß ist. Nur ihrer großen Entfernung wegen erscheinen uns die meisten unter ihnen punktartig klein.