Verlag von Ferdinand Kirt in Breslau, Königsplatz l.
Ferdinand Airks Neues Realienbuch
bearbeitet von
Heinrich Kerp, Otto Kohlmeyer, vr. Theodor Krausbauer (Odo Twiehausen),
Hermann und Robert Priewe, Adelberk Schiel, Kermann Schmidt, Friedrich
Tromnau, Robert Waeber und Richard Werner.
Große Ausgabe.
Mit 12 Buntbilderv, 3 farbigen Karken und 329 Abbildungen im Text.
Gesamtausgaben für die Oberstufe.
Nr. 1s. Für evangelische Schulen. Mit
Nr. 1. Fürevangelische Schulen.(Enth.
die Nrn. 4, 8. 9, 10 u. 11.)
Leinwandband 2,20 Mk.
Nr. 2. Für katholische Schulen. (Enth.
die Nrn. 5, 8. 9.10 u. 11.)
Leinwandband 2,20 Mk.
Nr. 3. Für kons, gemischte Schulen.
(Enth. die Nrn. 6, 8. 9, 10 u. 11.)
Leinwandband 2,20 Mk.
atter Geschichte.
Leinwandband 2,40 Mk.
Nr.2». Für katholische Schulen. Mit
alter Geschichte.
Leinwandband 2,40 Mk.
Nr.3s. Für konfessionell gemischte
Schulen. Mit alter Geschichte.
Leinwandband 2,40 Mk.
Einzelausgaben für die Oberstufe.
Nr. 4.
£u. u,
Geschichte für evangel. Schulen
von Schulrat Friedrich Trom-
't 3 farbigen Karten
dildungen und Skizzen
IV u. 136 S.
Kart. 80 Pf.
für kathol. Schulen
rat Friedrich Trom-
ektor Adelberk Schiel,
z wie Nr. 4.
Kart. 80 Pf.
für konfessionell
Schulen von Schulrat
Tromnau und Rektor
Schiel. Ausstattung wie
Kart. 80 Pf.
Geschichke des Alker-
Schulrat Friedrich
Mit 6 Abbildungen.
20 Pf.
vonSchulratKeinrich
Kerp. Mit 4 Buntbildern und
46 Abbildungen im Text. II u.
136 S. Kart. 80 Pf.
Nr. 9. Pflanzenkunde von Schulra! Dr.
Theodor Krausbauer und Schul-
rat R. Waeber. Mit 5 Bunt-
bitdern u.70Abbildungen imTexl.
II u. 94 S. Kart. 65 Pf.
Nr. 10. Tier- und Menschenkunde von
Kreisschulinspektor Otto Kohl-
meyer u. Schulrat R. Waeber.
Mit 3 Buntbildern u. 73 Abbild,
im Text. II u. 114 S. Kart. 65 Pf.
Nr. 11. Naturlehre: Physik, Chemie
und Mineralogie von Semi-
narlehrer Richard Werner. Mit
98 Abb. II u. 127 S. Kart. 80 Pf.
Nr.23. Naturbeschreibung nach natür-
lichen Gruppen bearbeitet von
Lehrer Robert Priewe u. Rektor
Kermann Priewe in Stettin. Mit
8Buntbitdern u. 1I3Abb. im Text.
IV u. 134 S. Kart. 1,40 Mk.
Nr.24. Naturlehre: Physik, Chemie
und Mineralogie von Rektor
Kerm.Schmidt in Stettin. Mit 163
Abb.IVu.159S. Kart. 1,20Mk.
Nr. 12. Geschichte von Stadtschulinspek-
tor Friedrich Tromnau. Mit
28 Abbildungen. II und 48 S.
Kart. 35 Pf.
Ausgaben für die Mittelstufe.
Nr. 13. Geographie von Schulrat Kein-
rich Kerp. Mit 2 Buntbildern
und 26 Abbildungen. II u. 64 S.
Kart. 45 Pf.
T. 1. XII. 15.
Ferdinand Hirts
Neues Realienbuch
Nr. 8: Geographie
Nach den methodischen Forderungen der Gegenwart und
den Bestimmungen des Ministerial-Erlasses v. 31.1. 1903
bearbeitet von
Heinrich Kerp
Mit vier Vuntbildern und
46 Abbildungen im Tert
Dritte Auflage
rrlmrr tm*—*"*
lOr International»
Behutbuchtorschun#
Braunscfiweic
Schul buchdibiK)th«#d
SSlSBSl
Ferdinand Hirt
Königliche Universitäts- und Verlagsbuchhandlung
Breslau, am Kömgsplatz 1
191«
Inhaltsübersicht.
Geogr
Erster
Die deutschen Landschaften.
Einleitung............
I. Das nördliche Vorland der
Alpen............
1. Das Schweizer Hügel- und
Flachland..........
2. Die Schwäbisch-Bayrische Hoch-
fläche...........
3. Die Staatenbildung.....
Seite
1
2
2
6
II. Das Südwestdeutsche Becken 8
1. Die Oberrheinische Tiefebene. . 9
2. Das Schwäbisch-Fränkische Stu-
fenland ....................11
3. Das Lothringische Stufenland . 13
4. Die Staatenbildung..........13
Buntbild: Helgoland . .........
aphie.
Teil.
III. Die Mitteldeutsche Gebirgs-
schwelle........... 15
1. Das Rheinische Schiefergebirge
und die Cölner Bucht .... 15
2. Das Weser-Bergland nebst dem
Münsterscheu Becken und Harz 19
3. Das Thüringisch - Sächsische
Hügelland......... 22
4. Das Sudeten-Gebirge und die
Schlesische Bucht...... 26
5. Die Staatenbildung..... 29
IV. Das Norddeutsche Tiefland . 31
1. Der östliche Teil des Nord-
deutschen Tieflandes..... 31
2. Der westliche Teil des Nord-
deutschen Tieflandes..... 37
3. Die Staatenbilduug..... 41
V. Der Staatenbund des Deut-
scheu Reiches........ 43
..........zwischen S. 40 u. 41
Zweiter Teil.
Die Landschaften Europas.
Eurova im allgemeinen.......
I. Mitteleuropa........
1. Das Hochgebirge der Alpen. .
2. Das Österreichisch - Ungarische
Donau- und Karpateulaud nebst
dem Böhmischen Becken. . . .
3. Das Französische Mittelgebirge
und Flachland........
4. Das Mündungsland der Scheide,
der Maas und des Rheins . .
Buntbild: Zell am See.......
45
45
45
50
55
58
II. Die Insel- und Halbinselwelt
Nordeuropas.......
1. Das Britische Juselreich . . .
2. Die Halbinsel Skandinavien und
die Dänische Jnselflur ....
III. Das Osteuropäische Tiefland
1. Das Russische Flachland . . .
2. Das Rumänische Tiefland. . .
IV. Die Halbinseln Südeuropas
1. Die Balkan-Halbinsel.....
2. Die Apennin-Halbinsel ....
3. Die Pyrenäen-Halbinsel . . .
..........zwischen S. 48 u.
61
61
64
68
68
71
72
72
76
79
49
Dritter Teil.
Die außereuropäischen Erdteile.
I. Asien........................84
II. Australien und Ozeanien . . 92
III. Amerika......................95
IV. Afrika ......................106
Vierter Teil.
Die deutschen Kolonien.
I. Die afrikanischen Besit-
zungen.......... .
II. Die Kolonien im Großen
Ozean...........
III. Das Pachtgebiet Kiautschöu.
113
117
118
Buutbilder: Tropischer Urwald in Brasilien . .'........zwischen ®. 102 u. 103
Aus der Sahara................' „ S. 106 u. 107
Fünfter Teil.
Deutschlands Welthandel und
Weltstellung.
I. Die Schätze des Welthandels
und Deutschlands Anteil . . 119
II. Der Weltverkehr und Deutsch-
lands Anteil........121
III. DeuMlands Weltstellung. . 122
Sechster Teil.
Elementare mathematische
Geographie.
I. Diescheinbare Bewegung der
Gestirne um die Erde . . .
II. Die Erde als Himmelskörper
III. Das Sonnensystem und der
Sternenhimmel.....• .
IV. Der Kalender........136
125
129
132
II. Geographie
von Schulrat Heinrich Kerp, ÄgI. Kreisschulinspektor.
Erster Teil.
Die deutschen Landschaften.
Einleitung.
Lage. Deutschland liegt in Europa. Im Antlitz dieses Erdteils bildet
das Hochgebirge der Alpen den Hauptzug. Nach allen Seiten rinnen
von ihnen die Ströme, die Abdachung der Länder anzeigend. Die Alpen scheiden
also die Gewässer und die Länder. Westeuropa wird durch sie in viele Länder
gegliedert, während Osteuropa eine große, ungegliederte Landmasse bildet. Die
meisten deutschen Ströme fließen nach N. Deutschland bildet also die nördliche
Abdachung der Alpen. Es reicht zwar nach N. bis an das Meer; da aber
in diesem noch große Inseln und Halbinseln auftauchen, ist Deutschland in
Wirklichkeit der Kernstaat Europas. (Weise dies nach!)
1. Die natürlichen Hauptteile der deutschen Landschaften.
(1 cm der Kartenbreite - 128 km in der Natur.)
1. Schweizer Hügel- und Flachland. — 2. Schwäbisch-Bayrische Hochfläche. — 3. Oberrheinische Tiefebene. —
4. Schwabisch-Franklsches Stufenland. — 5. Lothringisches Stufenland. — 6. Rheinisches Schiefergebirge und
Eolner Bucht. — 7. Weser-Bergland und Münstersches Becken. — 8. Thüringisch-Sächsisches Hügelland. —
9. Sudetengebirge und Schlesische Bucht. — 10. Norddeutsches Tiefland.
Hirts neues Realienbuch. Geographie. 1 b
2
Geographie.
II
I. Das nördliche Vorland der Alpen.
Eigenart der Landschaft. Das Hochgebirge besitzt gewaltige Natur-
kräfte. Donnernd fahren die Lawinen zu Tal, und langsam schieben sich die
Gletscher zur Tiefe hinab. Auf ihrem Rücken und in ihren Eismassen tragen
diese gewaltige Felsblöcke mit sich fort, und auf ihrem Grunde zerreiben sie
das Gestein. Die Gletscherbäche aber reißen auf ihrem ungestümen Laufe allen
lockern Felsschutt mit sich fort, durchwühlen die Täler und überschütten das
Land mit Geröll. In einem früheren Zeitabschnitte, der Eiszeit, reichten
die Gletscher viel tiefer als heute. Ein weites Vorland der Alpen war da-
mals v erglets ch ert und empfing von den Gletschern und den Gletschergewässern
die obere Bodendecke. Auch seine klimatischen Verhältnisse werden von dem
Hochgebirge beeinflußt. Dieses sperrt den warmen Südwinden den Weg, die
feuchten und kühlen Nordwestwinde aber stauen sich an ihm.
In dem nördlichen Vorlande der Alpen lassen sich zwei Gebiete unterscheiden,
das Schweizer Hügel- und Flachland westlich vom Bodensee und die
größere Schwäbisch - Bayrische Hochfläche östlich von diesem.
1. Das Schweizer Hügel- und Flachland.
Die Alpen; der St. Gotthard. Im Alpenvorlande westlich vom Boden-
see schaut man zu den schneegeschmückten Alpenketten empor, die vom Ge-
birgsstock des St. Gotthard nach SW., N. und NO. ausstrahlen und das
Schweizerland so herrlich schmücken. Der St. Gotthard, benannt nach einem
Hospiz, bildet zwischen den hochragenden Alpenketten ein eingesenktes Plateau
von etwa 2000 m Höhe. Bor Erbauung der Gotthardbahn (Gotthard-Tunnel
15 km) war er eine wichtige Übergangsstelle über das Gebirge, da Flußtäler den
Anstieg zu ihm erleichtern. Eine solche Senkung des Gebirgskammes heißt Paß.
Alpenslüsse. Auf dem St. Gotthard oder in seiner Nähe entspringen vier
Alpenflüsse, deren tiefe Täler die Alpenketten voneinander scheiden. Nach
SW. fließt der Rhone, der den großen Genfer See (580 qkm) durchströmt.
(Welche Richtuug hat der Rhone zuerst? Wo ändert er dieselbe? Welche von
den beiden Strecken ist die längere? Welche Gestalt hat der Genfer See? Wo
tritt der Rhone wieder aus dem Genfer See heraus?) Nach NO., in nmge-
kehrter Richtung als der Rhone, fließt der Rhein, der auf dem St. Gotthard
selbst einem kleinen See entströmt. Dieser Abfluß, Vorderrhein genannt^
nimmt noch den Mittel- und Hinterrhein auf. Der vereinigte Fluß strömt
dann nach N. dem Bodensee (540 qkm) zu. Noch zwei andre Flüsse entstehen
am St. Gotthard oder in dessen Nähe, die Aare, die nach NW., und die Reuß,
die nach N. fließt. Die Aare durchströmt den Brienzer und den Thuner
See, die Reuß den Vierwaldstätter See, dessen Gestade den Schauplatz
der Tell-Sage bilden.
Alpenketten. Mit Hilfe der genannten Alpenflüsse können wir die Schweizer
Alpenketten begrenzen. Zwischen Rhone und Aare erhebt sich die mächtige
II
Geographie.
3
Finsteraarhorn-Gruppe, zwischen Aare und Reuß dieTitlis-Gruppe und
zwischen Reuß und Rhein die Tödi-Gruppe. Alle drei Gruppen sind be-
nannt nach ihrem höchsten Berge. (Finsteraarhorn 4275 m.) Sie sind stark
vergletschert, besonders die Finsteraarhorn-Gruppe (auch Berner Alpen genannt),
und bestehen vorwiegend aus Urgestein (Gneis, Granit, Glimmerschiefer).
Voralpen. Von den genannten Alpenketten steigt man nicht unmittelbar
in das Hügel- und Flachland der Schweiz hinab. Zahlreiche niedrige Berg-
gruppeu sind ihnen noch vorgelagert. Diese werden Voralpen genannt.
Sie sind nicht mit ewigem Schnee und Eis bedeckt, sondern mit ausgedehnten
Grasmatten bekleidet. Diese dienen zur Viehzucht, die in der Form der
Alpenwirtschaft betrieben wird. Die Milch wird meist zur Bereitung von
Käse, Butter und Dauermilch benutzt.
Von den Voralpen genießt man herrliche Fernsichten auf die schneebedeckten,
gipfelreichen Hauptalpen. Besonders die an den Gestaden des Vierwaldstätter Sees
sich erhebenden Berggruppen des Rigi (1800 m) und des Pilatus (2080 m) sind
berühmte und vielbesuchte Aussichtspunkte. Im Schmucke der grünen Wiesenmatten,
an die sich nach unten Wald anschließt, besitzen die Voralpen auch selbst viele land-
schaftliche Schönheiten. Lieblich klingt das Schellengeläute der grasenden Rinder an
unser Ohr.
Alpenseen. Den herrlichsten Schmuck des Schweizerlandes bilden die blin-
kenden Seen. Sie sind gleichsam die Spiegel des Schweizerlandes. Ihre
Entstehung verdanken sie der Eiszeit. Die mächtigen Gletscher, die damals
bis weit in das Vorland der Alpen reichten, furchten sie dort, wo sie auf eine
weniger steile Bahn gelangten, aus. Als dann die Gletscher in einem wärmeren
Zeitabschnitte abschmolzen, blieben die Seen an den ausgemuldeten und über-
tieften Stellen zurück. Für das Schweizerland haben die Seen eine große
Bedeutung. Sie sind die Klärungsbecken der Alpenflüsse, in denen diese
den mitgeschleppten Felsschutt ablagern. Zur Zeit der Schneeschmelze aber
nehmen die Seebecken große Wassermassen auf. Dadurch wird die Über-
fchwemmuugsgefahr vermindert. Auch auf das Klima üben die größeren
Seen einen günstigen Einfluß aus, indem sie im Sommer abkühlend, im Winter
aber erwärmend wirken. Endlich dienen die Seen der Schiffahrt. Daher sind
die Seen von einem Kranz von Ansiedlungen umgeben. (Nenne die größeren
Seen der Schweiz!)
Das Alpenvorland der Schweiz; sein Boden. Über die Seen am Alpen-
rande blicken wir in das eigentliche Schweizerland, in das Hügel- und
Flachland der Schweiz hinein. Seinen Boden bilden die lockern Ab-
lagerungen der Eiszeit, teils fruchtbarer Lehm, sog. Geschiebelehm, den
die Gletscher zerrieben, teils Sand und Gerölle, die durch das fließende Wasser
ausgespülter wurden und weniger fruchtbar sind. In großer Zahl sind diesen
Ablagerungen größere und kleinere Felsblöcke, sog. Findlingsblöcke, die von
den Gletschern weither getragen wurden, eingebettet. Am Fuße der Alpen ist
das Land zunächst stark hügelig, da die Gletscher und ihre Gewässer Mulden
und Rinnen eingruben. Die heutigen Alpenflüsse setzten die Talbildung fort.
lb*
4
Geographie.
II
2. Panorama des Starnberger
Links im Vordergrunde am See liegt der stattliche Ort Starnberg. Das Ufer des klaren Wasserbeckens schmücken
Hintergrund von gewaltigster Wirkung. Über die Vorberge erheben sich die wild zerrissenen, steilen
Klima und Anbau. Während auf den Alpen nur die Viehzucht betrieben
wird, wurde das Schweizer Hügel- und Flachland der Sitz eines blühenden
Ackerbaues. Da das Gebiet viel tiefer liegt, durchschnittlich nur noch 400 m hoch,
ist das Klima bedeutend mild er.^ Auch empfängt es weniger Regen als das
Hochgebirge. Obst- und Weinbau werden daher mit gutem Erfolge betrieben.
Durch den Weinbau können auch die weniger fruchtbaren Kieshügel ausgenutzt
werden. Der meiste Wein wächst in der Umgebung der Seen, besonders
des Genfer und des Neuenburger Sees. Neben dem Ackerbau wird auch
die Viehzucht stark betrieben.
Abdachung; Richtung der Flüsse. Wie der Lauf der Gewässer anzeigt,
senkt sich das Schweizer Hügel- und Flachland nach NW. Die Aare und ihre
beiden Zuflüsse, die Reuß und die Limmat, schlagen diese Richtung ein.
Auch der Rhein wird, nachdem er den Bodensee verlassen hat, nach W. ab-
gelenkt. Er bildet bei Schaffhaufen den berühmten, 19 m hohen Wasser-
fall und nimmt dann die Aare auf. Diese fließt an Bern (70 000 E.)
vorbei und wird durch die hohe Gebirgsmauer des Schweizer Jura nach NO.
abgelenkt.
Besiedlung. Im Gegensatz zu den Alpen und dem Jura, deren Bewohner
meistens Viehwirtschaft treiben, ist das Schweizer Hügel- und Flachland
1 Auf je 170 m nimmt die Wärme nach der Tiefe um 1°C zu.
IX Geographie. _5
Zugspitze (2960 m).
Sees und der deutschen Kalkalpen.
freundliche Dörfer, Sommerfrischen, Villen und Schlösser. An hellen Tagen erhält das liebliche Bild einen
Wände der Bayrischen Alpen. Sie schließen rechts mit ihrer höchsten Erhebung, der Zugspitze, ab.
dicht bewohnt. (Wie erklärt sich dies?) Auch Städte entstanden, weil Ver-
kehr nach allen Seiten hin möglich ist. Die Städte blühten an Flußläufen und
Seen und dort auf, wo Alpentäler ausmünden. (Nenne solche Städte!)
Gewerbliche Tätigkeit. Die Bevölkerung des Schweizerlandes nahm
immer mehr zu; denn der Schweizer liebt seine Heimat so sehr, daß er nicht
gern auswandert und, wenn er ausgewandert ist, meistens wieder zurückkehrt.
Um leben zu können, mußten die ursprünglich nur Land- und Viehwirt-
schaft treibenden Schweizer sich noch andern Erwerb suchen. Solchen boten die
Gewerbtätigkeit und die Bewirtung der Fremden, die das schöne Land
besuchen. Blühende Industrien und großartige Verkehrsanlagen, wie
die Gebirgsstraßen und Eisenbahnen (Tunnelbauten!), geben Zeugnis von der
Tatkraft, dem Unternehmungsgeiste und dem Scharfsinn des Schweizervolkes.
Der Kampf mit einer feindseligen Natur weckte diese Eigenschaften. Von
Industriezweigen seien der Maschinenbau von Zürich (190 000 E.) und Winter-,
thnr, das Baumwollgewerbe, das in den Voralpen zwischen dem Vier-
waldstätter und Bodensee betrieben wird, das Seidengewerbe von Zürich
und Basel (130 000 E.) sowie die Uhrensabrikation von Gens (120 000 E.)
und La Chanx de Fond (spr. scho-d'foNgl, 40 000 E.) genannt.
1 Ein tiefer gestelltes, kleiner gedrucktes „g" zeigt an, daß der vorangehende Laut „n"
als Nasallaut zu sprechen ist.
6
Geographie.
II
2. Die Schwäbisch-Bayrische Hochfläche.
Die Kalkalpen. Den südlichen Rahmen der Schwäbisch-Bayrischen
Hochfläche bilden die zackigen Linien der Kalkalpen, hinter denen die Schnee-
Häupter der Hauptalpen hervorschauen (Bild 2). In dem bayrischen Kalkalpen-
gebiet liegt der höchste der deutschen Berge, die 2960 m hohe Zugspitze, und am
Ufer des herrlichen Königssees erhebt sich der dreizackige Watzmann (2710m).
Bodendecke, Abdachung. Ihre Bodendecke empfing die Schwäbisch-Bayrische
Hochfläche wie das Schweizer Alpenvorland durch die Gletscher der Eis-
zeit. Sehr mächtig sind die Gletscherablagerungen im S. Die Gletscher, die
Gletschergewässer und die heutigen Flüsse verwandelten den Alpenrand in
ein abwechslungsreiches Hügelland. Nach N. verflacht sich die Landschaft,
indem sie sich gleichzeitig senkt, den Gewässern den Weg zeigend.
Seen. Eigentümlich sind der bayrischen Hochfläche eine Menge von
Seen. Viele von ihnen liegen noch im Gebirge oder unmittelbar am Fuße
desselben, wie der Bodensee, Tegernsee, Schliersee und Königssee. Der
größte davon ist der Bodensee (540 qkm), der aber nur mit einem kleinen
Teile zu Bayern gehört. Eine Anzahl von Seen findet sich noch weiter
nördlich in der Ebene, von denen der Ammersee, Starnberger See (Bild 2)
und Chiemsee die bedeutendsten sind.
Flüsse. Aus den Alpen kommen die vier Flüsse: Jller, Lech, Isar (--die
reißende) und Inn. Alle streben nach N. Der Inn, der längste und Wasser-
reichste, entspricht in seinem Laufe dem Rhein. Er fließt zuerst nach NO.,
dann, außerhalb der Alpeu, nach N. Während aber der Rhein nach W. ab-
gelenkt wird, fließt der Inn nach NO. und vereinigt sich mit der Donau
(•= Fluß, Wasser). Diese kommt vom Schwarzwalde und führt den ganzen
Wasserabfluß der Landschaft nach O. ab.
Deutscher Jura. Die Donau, der Hauptstrom der Landschaft, folgt zuerst in
nordöstlicher Richtung dem Abhänge des Schwäbischen Jura, der die Schwäbisch-
Bayrische Hochfläche im NW. abschließt. Schroff fällt dieser Gebirgszug nach
NW. ab, sanft aber nach SO. zur teilweise sumpfigen Niederung der Donau. Er
besteht aus Jurakalk. Der weiße Jurakalk, aus dem sich der obere Teil des Ge-
birg es aufbaut, läßt das Wasser schnell einsinken. Die Oberfläche des Jura ist
daher trocken. Aber am Fuße des Gebirges treten die Wasseradern der starken
Quellen, Töpfe genannt, zutage. An den Schwäbischen Jura setzt sich nach
NO., durch die Einfenknng der Ries von ihm getrennt, der niedrige Fränkische
Jura an. Beide Gebirge zeichnen sich durch ihren Höhlenrei chtum aus. Der
ganze Gebirgszug, Deutscher Jura genannt, bildet auf der Karte eine
8-Form. Nur bis Regensburg folgt die Donau demselben nach NO. Dann
muß sie vor dem Böhmisch-Bayrischen Waldgebirge nach SO. um-
biegen. Gleichzeitig nimmt sie die Naab und den Regen auf, nachdem sie
sich vorher schon durch die Altmühl verstärkt hat. (Quelle und Lauf dieser
Flüsse! In welcher Richtung verläßt die Donau die Landschaft? Zwischen
welchen Gebirgen?)
II
Geographie.
7
Das Böhmisch-Bayrische Waldgebirge. Dieses Gebirge zieht sich vom
Fichtel-Gebirge, das die Landschaft im N. abschließt und die Form eines Huf-
eisens hat (höchster Berg der Schneeberg, 1050 in), nach SO. Es ist im SO.
am breitesten und höchsten und erreicht dort im Arber eine Höhe von 1460m.
Der nördliche Teil des Gebirges ist von dem breiten und höheren südlichen
durch eine Senke getrennt. Diesem ist im SW. noch ein Gebirgszug, der
Bayrische Wald, vorgelagert. Dem vom Atlantischen Ozean kommenden
Wolkenzuge zugekehrt, empfängt das Böhmisch-Bayrische Waldgebirge be-
deutende Nied erschlage (sog. Steigungsregen, welche die Wolken beim Auf-
steigen zu den kühleren Höhen abgeben). Es ist daher sehr waldreich. Zahl-
reiche Sägemühlen und Fabriken beuten den Holzreichtum und Glas-
Hütten den Quarzreichtum aus. Das Vordringen des Menschen wurde
aber durch die geringe Tiefe der Gebirgstäler erschwert. Das Gebirge wurde
daher zu einer Völker- und Sprachenscheide zwischen Osterreich und Bayern.
Die Hochfläche, Bolksstämme. Die Alpen im S., Schwäbischer und Frän-
kischer Jura im NW., Fichtel-Gebirge im N. und Böhmisch-Bayrisches Wald-
gebirge im NO. fassen die große Schwäbisch-Bayrische Hochfläche ein;
diese liegt durchschnittlich 500 m hoch (München 520 m). Im W. ist sie vom
schwäbischen, im N. vom fränkischen, sonst vom bayrischen Volks-
stamme bewohnt.
Klima und Anbau. Für den Anbau ist die Schwäbisch-Bayrische Hochfläche
weniger geeignet als das Hügel- und Flachland der Schweiz, schon des großen-
teils unfruchtbaren Bodens wegen. Dazu ist das Klima rauher, weil die
kalten Nordwest-, Nord- und Ostwinde freieren Zutritt haben. In dem höher
gelegenen südlichen Teile der Hochfläche ist Roggen das Hauptgetreide. Nach
N., auf die Donau zu, wird der Boden besser und das Klima milder. Zwar kann
der Weinbau nicht betrieben werden; aber Weizen und Gerste liefern gute
Ernten, und in der Holledan (Hallertau) zwischen Freising und Ingolstadt
wird viel Hopsenbau betrieben. Viele Landstriche sind auch reich an Vieh.
Die Rindviehzucht wird besonders im Algäuer Lande stark betrieben, und
Kempten führt viel Käse aus.
Städte. Da die Bewohner der Schwäbisch-Bayrischen Hochfläche fast aus-
schließlich Ackerbau und Viehzucht treiben, gibt es in ihr nur wenige große
Städte. Am Jsarübergange erblühte die bayrische Hauptstadt München
(595 000 (*.), berühmt als Kunststadt; sie ist ein Hauptsitz der bayrischen
Bierbrauerei. Die Hauptbrückenstadt am Lech ist Augsburg (fast 105000 E.).
Es war im Mittelalter ein wichtiger Platz für den Handelsverkehr mit Italien
und besitzt heute zahlreiche Baumwollfabriken, welche die Wasserkräfte des
Lech ausnützen. Mehrere Städte erwuchsen noch an der Donau. Die auf der
nordöstlichen Donaustrecke entstandenen Städte, wie Ulm (55000 E.), liegen
auf der linken Donauseite, weil das rechte Stromufer sumpfig ist. Auf der süd-
östlichen Stromstrecke entstanden dagegen Regensburg (55000E.) und Passau
auf der rechten Seite, wo sie den Handelsverkehr mit einem größeren Hinter-
lande pflegen konnten.
8
Geographie.
II
3. Die Staatenbildung.
In das nördliche Vorland der Alpen teilen sich hauptsächlich zwei Staaten,
der Bundesstaat der Schweiz (s. 2. Teil, Landschaft I) und das Königreich
Bay ern. Die Schweiz nimmt den Westen, Bayern den Osten des Gebiets ein.
Ferner haben an diesem noch Anteil das Königreich Württemberg, das
Großherzogtum Baden, die Höhenzollernschen Lande, die zu Preußen
gehören, und Österreich-Ungarn.
Das Königreich Bayern ist benannt nach dem Volksstamme der Bay ern.
Die Sprachengrenze zwischen diesen und den westlich von ihnen wohnenden
Schwaben bildet der Lech. Die schwäbischen Ortsnamen auf „ingen"
kommen nur westlich von diesem Flusse vor. Der Staat Bayern reicht aber
nach W. über den Lech hinaus bis an die Jller, nach O. bis zum Inn und zu der
Salzach, nach NO. bis zum Böhmisch-Bayrischen Waldgebirge und nach S.
bis zu den Hauptketten der Kalkalpen. Er umfaßt also den größten Teil der
Schwäbisch-Bayrischen Hochebene und hat auf weiten Strecken Naturgrenzen.
Zu Bayern gehört ferner außer dem Donaugebiete der größte Teil des
Maingebiets. Dieser nördliche Teil des Staates ist jedoch von Franken be-
wohnt. Endlich gehört zu Bayern noch ein linksrheinisches Gebiet, die
Rheinpfalz. Es ist demnach das im O. gelegene Hauptland und das im W.
gelegene Nebenland zu unterscheiden. (Grenzen?)
Bayern bildete in alter Zeit eins der selbständigen deutschen Herzogtümer.
Später erlangte es die Kur würde und durch die Gunst Napoleons I. den
Rang eines Königreichs. Bayern bildet eine eingeschränkte Monarchie.
Es ist 76 000 qkm groß (fast zweimal so groß als die Provinz Brandenburg)
und zählt Mill. E. (auf 1 qkm 90 E.). Für die Verwaltung ist es in
die 8 Bezirke (Kreise) Oberbayern (Verwaltungssitz München), Nieder-
bayern (Landshut), Schwaben und Neuburg (Augsburg), Oberpfalz
(Regensburg), Oberfranken (Bayreuth), Mittelfranken (Ansbach), Unter-
franken (Würzburg) und Rheinpfalz (Speyer) eingeteilt. Die Haupt-
und Residenzstadt München ist Sitz einer Universität, einer Techni-
schen Hochschule und einer Malerakademie. Die Stadt ist mit herrlichen
Kunstbauten geschmückt. Zwei andre bayrische Universitäten befinden sich
zu Würzburg und Erlangen. Von der Bevölkerung Bayerns sind f katho-
lisch, | ist evangelisch.
II. Das Südwestdeutsche Becken.
Von Basel ab fließt der Rhein bis Mainz durch die Oberrheinische
Tiefebene. Er nimmt zugleich von den beiden Nachbarlandschaften Gewässer
auf. So bildet das südwestliche Deutschland ein zusammengehöriges Becken,
das wir das Südwestdeutsche Becken nennen wollen.
II
Geographie.
9
1. Die Oberrheinische Tiefebene.
Der Rhein. Der Rhein ist auf seinem Laufe durch die Oberrheinische
Tiefebene ein ganz andrer Strom als in der Schweiz. Seine Ufer sind nun
niedrig und flach. Ungehindert kann er sich in die Breite ausdehnen. Er führt
noch viel Geröll mit sich fort, das er stetig umlagert. So häufte er Inseln auf,
und es bildeten sich zahlreiche Nebenarme. Von Überschwemmungen aber
blieben breite Sumpfstreifen zurück. Vor der Rheinregulierung bildete der
Strom ein Labyrinth von Stromläufen und Sumpflachen.
Besiedlung der Rheinufer. Bis unterhalb Straßburg bleiben die Ufer des
Rheins niedrig und sumpfig oder sandig. Darum entstand auf dieser Strecke
keine bedeutende Stadt an seinen Ufern. Weiter nach N. hat der Rhein
ein tieferes Bett. Bedeutende Städte, wie Mannheim, Ludwigshafen,
Speyer, Worms und Mainz, konnten an seinen Ufern erblühen.
Rheinebene, Nebenflüsse des Rheins. Die Rheinebene ist wohlangebaut
und dicht bewohnt. Sie hat durchschnittlich eine Breite von 30—40 km. Ihre
Länge von S. nach N. aber beträgt etwa 250 km, also das 6—7fache. Einst
bildete die Ebene ein Seebecken; denn den Rheingewässern war der Abfluß
nach N. durch Gebirge versperrt. Erst als der Rhein über die Gebirge einen
Abfluß gefunden hatte, entleerte sich das Seebecken, eine schöne Ebene wurde
sichtbar, und nur die Stromrinne des Rheins blieb übrig. Die waldesdnnkeln
Massen eines hohen Gebirgszuges fassen die Rheinebene auf beiden Seiten
ein. Viele kleine, aber wasserreiche Gewässer, die von diesen Gebirgen herab-
fließen, verstärken den Rhein. Von größeren Flüssen nimmt dieser links die
Jll, die eine lange Strecke parallel zu ihm fließt, und die Lauter, rechts den
Neckar und Main auf. Die meisten Nebenflüsse werden vor ihrer Ein-
mündung eine Strecke weit vom Hauptstrom mitgeschleppt. Daran ist zu
erkennen, daß der Rhein viel Geröll und Schlamm ablagert, wodurch er den
Nebenflüssen den Weg verbaut.
Die beiderseitigen Gebirgswälle. Die beiden Gebirgswälle, welche die Ober-
rheinische Tiesebene einfassen, sind im S. höher als im N. Im S. liegen
sich Wasgenwald (auch Bogesen genannt) und Schwarzwald, im N. Hardt
(= Waldgebirge) und Odenwald einander gegenüber. Der Wasgenwald
(Sulzer Belchen 1420 m) reicht bis zur Lauter, der Schwarzwald (Feld-
berg 1490m), wenn man das niedrige Hügelland des Kraichgaues hinzu-
rechnet, bis zum Neckar. Jener ist durch den Einschnitt von Zabern unterbrochen.
In ihrem Bau zeigen die Gebirge eine große Übereinstimmung. Alle
fallen nach dem Rhein hin steil ab, während sie sich nach der andern Seite all-
mählich abdachen. Der steile Abfall der Gebirge nach dem Rhein hin läßt er-
kennen, daß die Oberrheinische Tiefebene durch eine Grabensenkung ent-
standen ist. Es bilden sich Bruchlinien, und zwischen dem Schwarzwalde
und dem Wasgenwalde, sowie zwischen dem Odenwalde und der Hardt
sanken die Gesteinsschichten ein, während gleichzeitig diese Gebirge empor-
gepreßt wurden.
Hirti neues Aealienbuch. Geographie. »
10
Geographie.
n
Klima und Anbau. Die GebirgswäNe bieten der Oberrheinischen Tief-
ebene von W. und O. her wirksamen Windschutz. Auch die kalten Nordwinde
werden durch ein quer vorgelagertes Gebirge, den Taunus, abgehalten. Die
wärmeren Südwinde haben aber freieren Zutritt, und die Mittagsonne be-
strahlt die ganze Länge der Landschaft. Die Oberrheinische Tiefebene hat daher
ein mildes Klima. Sie ist ein großer Fruchtgarten, der auf fruchtbarem
Boden reiche Erzeugnisse liefert: Getreide, Obst, Wein, Hopfen, Hanf,
Spargel und andres. Ein echtes Sonnenland ist besonders die Pfalz am
Ostsuße der Hardt (Bild 3), geschmückt mit Rebenhügeln und Hopfen,
3. Weinbau bei Deidesheim an der Hardt. Im Frühling wird der Boden um die Wurzel gelockert
und gedüngt, die Rebe beschnitten und aufgebunden, im Oktober die Traubenlese, der .Herbst", gehalten.
gärten. Die Gebirge dienen nur wenig zum Ackerbau, zeichnen sich aber,
da sie bedeutende Steigungsregen empfangen, durch Holzreichtum aus.
Städte. Schon aus der Fruchtbarkeit der Oberrheinischen Tiefebene erklärt
sich die Entstehung zahlreicher Städte. Das Aufblühen derselben wurde femer
gefördert durch die günstige Verkehrslage der Landschaft. Diese bildet eine
große Verkehrsstraße, die von S. nach N. führt. Die Burgundische Pforte
im S., der Einschnitt von Zabern im W., das Rheintal im NW., die Wetterau
zwischen Taunus und Vogelsberg im NO. und das Main- und Neckartal im O.
ermöglichen den Handelsverkehr mit Nachbargebieten. Große Bedeutung
hat die Schiffahrtstraße des Rheins. Da die Rheinschiffahrt stromauf-
wärts hauptsächlich nur bis Mannheim (fast 200000 E.) geht, wurde diese Stadt
der wichtigste Handelsplatz Süddeutschlands und mit großartigen
Hafenanlagen ausgestattet. In neuster Zeit wurde der Schiffahrtsbetrieb
II
Geographie.
11
mit kleineren Dampfern bis Straßburg und selbst bis Basel ausgedehnt. Eine
sehr bedeutende Handelsstadt ist ferner Frankfurt am Main (415 000 g.); es
ist namentlich als Geldmarkt wichtig. Andre größere Städte sind Mül-
hausen (95000 E.), Freiburg (85000 E.), Straßburg (180000 E.), Karls-
ruhe (135000 (*.), Pforzheim (70000 E.), Heidelberg (60000 E.), Speyer
(25 000 E.), Ludwigshafen (85 000 (£.), Kaiserslautern (55 000 E.),
Worms (50 000 E.), Darmstadt (90 000 E.), Mainz (115 000 E.) und
Wiesbaden (110000 E.). Die meisten dieser Städte sind gewerbtätig. Eine
bedeutende Fabrikstadt ist besonders Mülhausen; ein Hauptsitz des
deutschen Baumwollgewerbes. Auch in den sehr gewerblichen Vogefen-
tälern, wo die Wasserkraft der Gebirgsbäche ausgenutzt werden kann, ist diese
Industrie verbreitet. Auf dem Schwarzwalde fand die Uhrenindustrie
große Verbreitung. (Schwarzwälder Kuckucksuhren!) Wiesbaden ist die
besuchteste Badestadt und die vornehmste Villenstadt Deutschlands.
2. Das Schwäbisch-Fränkische Stusenland.
Neckargebiet. Überschreiten wir den Schwarzwald, so gelangen wir in
das Gebiet des Neckars. Dieser kommt vom Schwarzwalde und fließt zu-
erst im allgemeinen nach NO. In schönem Tale folgt er dem Nordfuße des
hochragenden Schwäbischen Jura. Von vielen Höhen vor diesem Gebirge
schauen Burgen, wie Burg Hohenstaufen und Hohenzollern, herab. Der
Neckar biegt nach N. um und fließt durch ein Hügelland, das mit Reb-
gärten und Obsthainen geschmückt ist, durch das eigentliche Neckarland.
Von rechts nimmt der Neckar zwei Nebenflüsse, den Kocher und die Jagst,
auf. Etwas abseits vom Neckar liegt in anmutiger Landschaft Stuttgart, die
Hauptstadt Württembergs. In N. muß der Fluß vor der Bergmasse des
Katzenbuckels nach W. umbiegen. Durch Gebirgsmassen hat er sich ein
tiefes Durchbruchstal gebildet, an dessem Ausgange, in herrlichster Lage, die
Stadt Heidelberg entstanden ist.
Stufenförmiger Bau der Landschaft. Kocher und Jagst kommen vom
Schwäbischen Jura. Sie durchbrechen einen Höhenrücken, der sich parallel
zum Jura erstreckt und vom Neckar bis zum Main zu verfolgen ist. Sein
nördlicher Teil wird Steiger Wald genannt. Er fällt gleich dem Jura nach
NW. steil ab und bildet vor diesem eine niedrigere Erhebungsstufe. Wegen
dieses stufenförmigen Abfinkens wird die Landschaft als ein Stufenland
und, da sie im SW. von Schwaben, im NO. von Franken bewohnt ist,
als Schwäbisch-Fränkisches Stufenland bezeichnet.
Maingebiet. Auch der Main, der zweite größere Fluß der Landschaft,
folgt der allgemeinen Abdachung, die nach NW. geht. Da er aber im O. auf
demFichtel-Gebirge entspringt, ist ihm ein westlicher Lauf vorgeschrieben.
Die Höhenplatten der Landschaft zwangen ihn zu großen Biegungen.
Auf dem oberen Laufe macht der Main eine Ausbiegung nach S. und ähnelt
der Gestalt eines auseinandergezogenen W. Dann folgen zwei größere
2»
12
Geographie.
II
Ausbiegungen nach S., eine dreieckige vor den Ausläufern der Rhön und eine
viereckige um den Spessart. Zuletzt muß der Main zwischen diesem und dem
Odenwalds durchbrechen, um die Rheinebene zu erreichen. Fortwährend
wechseln Verengungen und Ausweitungen des Tales. Der größte
Nebenfluß ist die Rednitz. Sie heißt auf dem Oberlaufe Rezat und nimmt
unterhalb Nürnberg, bei Fürth, noch die Pegnitz auf.
Randgebirge. Wie der Schwarzwald und Odenwald das Schwäbisch-
Fränkische Stufenland im W. und der Schwäbische und Fränkische Iura im SO.
abgrenzen, so bilden Spessart und Rhön seine nordwestliche und Franken-
und Thüringer Wald seine nordöstliche Umgrenzung. Im Rahmen
dieser Gebirge bildet die Landschaft ein großes Dreieck. Spessart und Rhön
setzen die Erhebungsreihe des Schwarzwaldes und Odenwaldes fort. Franken-
und Thüringer Wald bildeu eine fortlaufende, im NW. wallartige Erhebung,
die sich vom Fichtel-Gebirge nach NW. erstreckt. Nur ein kleines Gebiet der
Landschaft im NO. wird nicht zum Rhein, sondern durch die Werra nach N. hin
entwässert.
Der Spessart bildet ein vielkuppiges, waldreiches Bergland. Er besteht
meist aus Buntsandstein, der überall an den steilen Gehängen des Main-
tales zum Vorschein kommt und als wertvoller Baustein in zahlreichen Stein-
brüchen gewonnen wird. Die Rhön (Wasserkuppe 950m) ist zum Teil
ein vulkanisches, und zwar ein Basalt - Gebirge. Die südliche Hohe Rhön
ist felsig-kahl, die im N. gelegene niedrigere Vorder-Rhön ein freundliches
Bergland. Der Franken-Wald (Wetzstein 825 m) bildet ein breites, aus
schiefrigem Gestein bestehendes, waldreiches Plateau. Große Schiefer-
brüche sind in ihm in Betrieb. (Über den Thüringer Wald s. Landschaft III 3.)
Klima und Anbau. Während die Randgebirge wegen ihres rauhen Klimas
nur wenig zum Anbau geeignet sind, zeichnen sich das Maintal und das Neckar-
land durch ihr mildes Klima, durch Fruchtbarkeit und daher auch durch
reichen Anbau aus. Außer Getreidebau sind Wein- und Obstbau viel
verbreitet, und an der Rezat und im Neckargebiet gibt es größere Hopsen-'
Pflanzungen. Der beste Neckarwein wächst bei Heilbronn, der beste Main-
oder Frauken-Wein bei Würzburg, in jedem Falle auf Kalksteinboden. Im
Talkessel von Bamberg (50 000 E.) wird bedeutender Gemüse- und
Gartenbau betrieben.
Städte. Die in der Mainlandschaft liegenden Städte sind fast alle
ge werbtätig. Die Entwicklung der Gewerbtätigkeit reicht ins Mittelalter zurück
(Nürnberg) und ist hauptsächlich auf den Unternehmungsgeist der Bewohner
zurückzuführen. Die Steinkohle fehlt in der Landschaft und muß aus Böhmen
eingeführt werden. Neckar und Main haben für die Schiffahrt nur wenig Be-
dentung. Letzterer ist zwar mit der Donau durch den Ludwigs - Kanal ver-
Kunden; auf diesem können jedoch nur kleine Lastkähne fahren. Es lassen sich
drei Jndustriebezirke unterscheiden. In den Städten des Neckar-
land es, das sich auch durch seinen Salz reich tum auszeichnet, blühen
II
Geographie.
13
Spinnerei und Weberei, in Heilbronn (50 000 E.) das Metallgewerbe,
und Stuttgart (290000 E.) ragt durch seinen Buchdruck und Buchhandel
sowie durch die Eisenindustrie hervor. Den zweiten Jndustriebezirk
bilden die Städte Nürnberg (335000 E.), das eine vielseitige Industrie
besitzt, und Fürth (70 000 E.), wo femer die Spiegelglasbereitung be-
trieben wird. (Die Nürnberger Spielwaren werden dagegen nicht in
Nürnberg selbst hergestellt, sondern kommen meistens aus dem Franken- und
Thüringer Walde.) In den Städten des oberen Maingebiets sind wieder
Spinnerei und Weberei verbreitet, z. B. in Bayreuth und Bamberg.
3. Das Lothringische Stusenland.
Abdachung, Flüsse. Überschreiten wir den Wasgenwald, so gelangen wir
in das Lothringische Stufenland, das dem Schwäbisch-Fränkischen Stufen-
lande entspricht. Aus einem waldreichen Berglande steigen wir hinab
in ein gut angebautes Hügelland. Der Lauf der Flüsse zeigt deutlich die
Abdachung der Landschaft nach N. an. Dorthin fließen die Maas, die
Mosel und die Saar. Die Mosel nimmt später die Saar auf und fließt zum
Rhein. Auch die Maas tritt zuletzt mit den Rheingewässern in Verbindung.
Randgebirge. Gleich dem Schwäbisch-Fränkischen Stufenlande ist das
Lothringische Stufenland von Gebirgen umgeben, im O. vom Was gen-
wald und der Hardt, im S. vom Plateau von Langres und den Sichel-
bergen, im W. vom schmalen Höhenzuge des Argonnenwaldes, im N.
von dem großen Gebirgsplateau der Ardennen und der Eisel.
Anbau und Bergbau. Während sich die südlichen Gebiete der Land-
schast durch ihren großen Holzreichtum auszeichnen, liefern die nördlichen
viel Getreide. Bei Metz (70 000 E.) wächst an den Usern der Mosel auf
Jurakalk auch Wein, und zwar Rotwein. Die größte Bedeutung aber haben
die reichen Eisenerzlager im nördlichen Lothringen und im angrenzenden
Luxemburg. Der lothringisch-luxemburgische Eisenerzbergbau liefert einen
großen Teil des deutschen Bedarfs an Eisen.
4. Die Staatenbildung.
Von dem Schwäbisch-Fränkischen Stufenlande gehört der größere, nördliche
Teil zu Bayern (s. S. 8), der kleinere, südwestliche Teil zum Königreich
Württemberg. Dieses greift nach S. auch in die Schwäbisch-Bayrische Hoch-
ebene hinüber. An der Oberrheinischen Tiefebene haben vier Staaten Anteil,
das Großherzogtum Baden, das Großherzogtum Hessen, Bayern
und das Reichsland Elsaß - Lothringen.
Das Königreich Württemberg. Dieser Staat wird fast ganz von Bayern
im O. und von Baden im W. umschlossen. Im S. stößt er mit einem schmalen
Landstreifen an den Bodensee. Württemberg umschließt selbst fast völlig die
14
Geogiaphit.
II
Hohenzollernschen Lande. In natürlicher Hinsicht zerfällt es in vier Gebiete,
in das Neckargebiet im N., in das Donaugebiet im S., in das Gebiet
des Schwäbischen Jura und in das Schwarzwaldgebiet und ist dement-
sprechend in vier Kreise eingeteilt.
Württemberg ist 19 500 qkm groß (halb so groß wie die Provinz Branden-
bürg) und zählt fast 21 Mill. E. (auf 1 qkm 125 E.). Es umfaßt einen Teil
der Gebiete, die im Mittelalterdas Herzogtum Schwaben gebildet haben.
Im Jahre 1803 wurde es zum Kurfürstentum und 1806 zum Königreich
erhoben. Gleich Bayern ist es eine eingeschränkte Monarchie. Die
Haupt- und Residenzstadt ist Stuttgart, der Mittelpunkt des süd-
deutschen Buchhandels und der Sitz einer Technischen Hochschule.
Die württembergische Universitätsstadt ist Tübingen. Das vorwiegende
Bekenntnis ist das evangelische.
Das Großherzogtum Baden grenzt im O. an Württemberg, im S. an die
Schweiz, im W. an Elsaß-Lothringen und die bayrische Rheinpfalz und im N.
an Hessen und Bayern. Im S. und W. bildet der Rhein auf langer Strecke
die Grenze. Als zwei sehr verschiedenartige Naturgebiete sind die fruchtbare
Rheinebene und das Gebirgsland des Schwarzwaldes zu unterscheiden.
Baden hat eine Größe von 15 000 qkm (ist also etwas mehr als £ so groß
wie Brandenburg) und über 2 Mill. E. (auf 1 qkm 140 E.). Der Großherzog
residiert in Karlsruhe. Für die Verwaltung ist Baden in 4 Landes-
Kommissariatsbezirke und weiter in 11 Kreise eingeteilt. Universitäts-
städte sind Heidelberg und Freiburg. Karlsruhe ist Sitz einer
Technischen Hochschule. f der Bevölkerung sind katholisch, ^ ist
evangelisch.
Das Großherzogtum Hessen. Von diesem Staate haben nur zwei Gebiete,
Starkenburg auf der rechten und Rheinhessen auf der linken Rheinseite,
an der Oberrheinischen Tiefebene Anteil. Etwas nördlicher liegt, getrennt von
diesen, das gebirgige Oberhessen. Hessen hat eine Größe von 7700 qkm,
ist also nur etwa i so groß als Brandenburg, und 1TV Mill. E. (auf 1 qkm
170 E.). Die Haupt-und Residenzstadt Darmstadt besitzt eine Tech-
nische Hochschule, während sich die hessische Universität in Gießen
befindet, f der Bevölkerung sind evangelisch, ? ist katholisch.
Die bayrische Rheinpfalz umfaßt das Gebirgsland der Hardt und die
fruchtbare Pfälzer Rheinebene. (Bayern s. S. 8.)
Das Reichsland Elsaß-Lothringen. Dieses Land ist seit 1871 wieder
deutsch; es wurde durch den Deutsch-Französischen Krieg zurückgewonnen.
Die Ausübung der höchsten Regierungsgewalt steht in Elsaß-Lothringen
dem Deutschen Kaiser zu; ein Statthalter, der in Straßburg residiert,
vertritt ihn. Straßburg ist Sitz einer Universität und gleich Metz eine
sehr starke Festung. Elsaß-Lothringen ist 14500 qkm groß (so groß wie
Baden) und hat lA Mill. E. (auf 1 qkm 130 E.). * der Bevölkerung sind
katholisch.
II
Geographie.
15
III. Die Mitteldeutsche Gebirgsschwelle.
An die süddeutschen Stufenländer, denen nach O. noch das Böhmische
Becken oder Stufenland anzugliedern ist, schließen sich nach N. Landschaften
an, die von bedeutenden Gebirgen durchzogen werden. Mitteldeutschland bildet
also eine Gebirgsschwelle zwischen Süddeutschland und dem Norddeutschen
Tieflande.
1. Das Rheinische Schiefergebirge und die Cölner Bucht.
Bildung des Rheintales. Auf dem Wege nach N. stößt der Rhein bei
Mainz gegen die hohen Gebirgsmassen des Rheinischen Schiefergebirges. Er
Das Durchbruchstal des Rheins bei Oberwesel. Mit Burgen und Schlössern gekrönte, reben-
reiche Talwände begleiten den Strom. Am Ufersaum ziehen sich altertümliche Städtchen und die Land-
strotzen hin, während die Eisenbahn oft in Tunneln verschwindet. Um der belebten Flußjchiffahrtstratze
oodj mehr Tiefe zu geben, ist durch Buhnen dem Strome Land abgewonnen und zur Anlage von Häfen
oder zur Anpflanzung von Weiden verwandt.
muß nach W. umbiegen und verschwindet bald darauf bei Bingen wie in einer
Spalte des Gebirges. Das tiefe Tal, durch das der Strom jetzt fließt, hat
er sich selbst geschaffen. Einst floß er hoch über das Gebirge. Wie gelangte
aber der Strom oben auf das Gebirge? Entweder war einst das Rheinische
Schiefergebirge nicht so hoch wie heute, oder die Oberrheinische Tiefebene war
nicht so tief eingesunken. Wir können auch beides annehmen. Zuerst mußte
der Rhein den Höhenunterschied zwischen dem Rheinischen Schiefergebirge und
der Oberrheinischen Tiefebene ausgleichen. Er staute sein Wasser zu einem
16
Geographie.
n
See auf. Die Oberrheinische Tiefebene bildete nun ein langes Seebecken.
Immer höher stieg das Wasser in diesem See, bis der Rhein bei Bingen
einen Abfluß über das Gebirge fand. Nach NW. ergossen sich jetzt die
Wassermassen des Rheins, dem Meere entgegen. Sie flössen über das Gebirge
anfangs in sehr breitem Tale. Mit Hilfe seiner Gefällkraft vertiefte aber
der Strom sein Bett immer mehr. So wurde er ein Strom mit schönen,
hohen Bergufern. (Bild 4.)
DieAusbildung des Rheintales ging nicht gleichmäßig vor sich. Es wechselten
Zeiten, in denen es sich schneller und langsamer vertiefte, miteinander ab. Wenn
eine stärkere Vertiefung des Tales begann, bildeten die trockengelegten Bodenmassen
des älteren und breiteren Strombettes eine Terrasse. Es sind im Rheintale besonders
zwei Terrassen, eine obere und eine untere, deutlich zu erkennen. Auf ihnen
lagert Rheinkies, auf der oberen Terrasse also in bedeutender Höhe über dem jetzigen
Strome. Zur schnelleren Vertiefung seines Tales konnte aber der Rhein nur durch
eine Hebung des Rheinischen Schiefergebirges angeregt werden; denn dadurch wurde
seine Gefällkraft größer. Die Terrassen des Rheintales beweisen also, daß das Rhei-
nische Schiefergebirge sich in späterer Zeit noch gehoben hat.
Die Gebirgsscholle« der Rheinischen Schieferplatte. In gleichem Maße
wie der Rhein vertieften auch dessen Nebenflüsse ihre Täler. Durch die
größeren Flußtäler wurde das Rheinische Schiefergebirge in mehrere Gebirgs-
schollen zerlegt. Die Gebirgsscholle östlich vom Rhein und südlich von der
Lahn (wo mündet diese? wo liegt ihre Quelle? beschreibe ihren Lauf!) heißt
Taunus. Ihm gegenüber liegt auf der linken Rheinseite zwischen Rhein,
Nahe, Saar und Mosel der Hunsrück (= Hünenrücken, hoher Rücken). (Wo
mündet die Nahe? Beschreibe ihren Lauf! Welche Richtung hat die Saar,
und wo mündet sie in die Mosel? Welche Richtung hat diese? Was fällt
in ihrem Laufe auf? Wo mündet sie?) Durch das Moseltal wurde die Eise!
(= Wasserland, Land der Quellen) vom Hunsrück abgetrennt. Der Eifel
gegenüber liegt zwischen Rhein, Lahn und Sieg (Quelle, Lauf, Mündung?)
der Westerwald. Nördlich von der Sieg breitet sich bis zur Ruhr (Quelle,
Lauf, Mündung?) noch die Gebirgsscholle des Sauerlandes aus, dessen westlicher
Teil „Bergisches Land" genannt wird. (Welche Gebirgsschollen liegen
also auf der linken, welche aus der rechten Rheinseite?) Die Ruhr wird auf
der rechten Seite noch von einem niedrigen Höhenzuge, dem Haarstrang,
begleitet.
Oberfläche und Höhe des Rheinischen Schiesergebirges. Die Oberfläche
des Rheinischen Schiefergebirges ist heute meist einförmig wellig. Aber
einst überragten es gewaltige Gebirgsfalten. Im Laufe der Zeit wurden
diese Gebirgsketten zerstört und abgetragen. Von dem einst weit höheren Ge-
birge ist nur noch der Sockel vorhanden. Die Oberfläche des Rheinischen
Schiefergebirges würde noch einförmiger sein, wenn sein Gestein überall von
gleicher Härte wäre. Da aber das härtere Gestein weniger zerstört wurde,
bildeten sich neue Höhenunterschiede. Besonders der südliche Taunus und der
südliche Hunsrück treten als hohe Rücken hervor. Diese bestehen aus hartem
Quarzitgestein. Der Große Feldberg (880 m) im südlichen Taunus ist die
II
Geographie.
17
höchste Erhebung des Rheinischen Schiefergebirges. Die mittlere Höhe des
Rheinischen Schiefergebirges beträgt etwa 500 m.
Senkungsgebiete. Im Gebiete des Rheinischen Schiefergebirges fanden
auch Senkungen statt. Es entstanden dadurch Talbecken. Das größte von
diesen ist das Neuwieder Becken, das zwischen den Gebirgsschollen des
Taunus, des Hunsrücks, der Eisel und des Westerwaldes einsank. Am Nordrande
des Rheinischen Schiefergebirges aber sank die Cölner Bucht ein, die durch
einen schmalen Höhenzug, Vorgebirge der Eisel oder Ville genannt, in
ein östliches (Rheinbecken) und ein westliches (Erstbecken) geteilt wird.
Bulkangebiete. Auf den Bruchlinien, die sich im Gebiete des Rheinischen
Schiefergebirges bildeten, entstanden an manchen Stellen Vulkane. Besonders
in der Eisel und auf dem Westerwalds waren einst viele Vulkane tätig.
Noch heute schmücken viele stolze Kuppen, die aus vulkanischem Gestein (Basalt,
Trachyt) bestehen, diese Gebiete. Oberhalb Bonns ragt auf der rechten Seite
des Rheins das vulkanische Siebengebirge auf. Über weite Gegenden
wurde durch Schlammströme vulkanische Asche getragen. In der Eifel
treffen wir die Maare an, kleine Seen, die sich in früh erloschenen Kratern
gebildet haben. Das größte Eiselmaar ist der Laacher See.
Die Niederrheinische Tiefebene und ihre Gewässer. Die Cölner Bucht
geht nach N. in die Niederrheinische Tiefebene über. (In welcher Richtung
durchfließt der Rhein diese? Welche Richtung hat ihr Lauf?) In der Nieder-
rheinischen Tiefebene nimmt der Rhein rechts noch drei Nebenflüsse auf, die
Wupper (aus dem Oberlaufe Wipper genannt, wegen ihres schnellen Laufes),
die Ruhr und die Lippe. (Lauf dieser Flüsse! Mündung?) Der westliche
Teil der Niederrheinischen Tiefebene wird durch Nebenflüsse der Maas nach
W. hin entwässert.
Klima und Anbau des Rheinischen Schiefergebirges. Für den Anbau
haben die Hochflächen des Rheinischen Schiefergebirges, dessen Täler sowie
die Niederungen der Cölner Bucht und der Niederrheinischen Tiefebene einen
sehr ungleichen Wert. Die Hochflächen haben ein kälteres und regen-
reiches .Klima; auch wehen die Stürme ungehemmt über sie dahin. Nur die
etwas tiefer gelegenen Gebirgsgegenden können für den Ackerbau benutzt
werden; große Wälder oder kahle Heiden überziehen die höher gelegenen.
Das Hohe Venn im nördlichen Teile der Eifelfcholle ist mit ausgedehnten
Moorsümpfen bedeckt (Venn = Sumpf). Der stark befeuchtete Nordwest-
rand hat weite und fette Wiesen und Weiden. Daher blüht die Rindvieh-
zucht in diesem „Butterlande".
Klima und Anbau der Gebirgstäler; Wein- und Obstbau. Die tiefen
Täler des Rheinischen Schiefergebirges sind warm und trocken. Für den
Ackerbau bieten sie zwar wenig Raum; dagegen liefern sie reichen Ertrag durch
einen bedeutenden Weinbau, zu dem dort, wo die Täler weiter sind, ein
bedeutender Obstbau tritt. Wein- und Obstbau werden begünstigt durch das
milde Meeresklima Westdeutschlands. Dieses Klima mildert Kälte und Hitze.
18
Geographie.
II
Zu dem ausgedehnten und berühmten Weinbau werden besonders die steilen
Talwände benutzt; denn auf diesen fallen die Sonnenstrahlen senkrecht auf.
Auch die dunkle Farbe des Schiefergesteins fördert eine schnelle Erwärmung.
Die besten Weine liefern der Rheingau, das Rheintal bis Koblenz sowie
das Moseltal, das untere Saartal und das Nahetal bei Kreuznach
(25 000 E.). An der Ahr wird Rotwein gewonnen.
Klima und Anbau der Niederungen. Die Niederungen der Cölner
Bucht und der Niederrheinischen Tiefebene sind nicht nur durch ein mildes und
feuchtes Klima, sondern auch durch meist sehr fruchtbaren Boden aus-
gezeichnet. Weizen und Zuckerrüben gedeihen überall vorzüglich, wo der
Boden nicht sandig ist. Stellenweise wird auch starker Obst- und Gemüsebau
betrieben, besonders auf dem östlichen AbHange des Vorgebirges zwischen
Bonn und Cöln. Am Niederrhein ist der Tabakbau verbreitet. Weite
Wiesenflächen gestatten dort auch den Betrieb einer bedeutenden Rind-
Viehzucht.
Bergbau. Wichtiger noch als die Erzeugnisse des Pflanzenbaues und der
Viehzucht sind die Schätze des Bodens. Die Landschaft ist reich an Erzen
(Eisen-, Blei-, Silber- und Kupfererzen) und besonders an Kohlen. Das
Kohlenlager an der Ruhr ist nicht nur das größte in Deutschland, sondern hat
auch eine sehr günstige Lage in der Mitte volkreicher Länder und in der Nähe
des schiffbaren Rheinstromes. Eisenerze können aus dem benachbarten Sieger-
lande von der Lahn, aus Luxemburg und auf dem Wasserwege auch aus andern
Ländern (Nordspanien und Nordschweden) bezogen werden. Daher blühte
zusammen mit dem Kohlenbergbau, der an der Ruhr etwa 300 000 Bergleute
beschäftigt, auch die Eisenindustrie auf. Die kleineren Kohlenlager an
der Saar und bei Aachen riefen dieselbe Gewerbtätigkeit hervor, weil Eisen
und andre Erze in der Nähe gewonnen werden. Die Kleineisenindustrie
von Solingen und Remscheid verdankt ihr Aufblühen dagegen den reichen
Wasserkräften des Bergischen Landes und der Betriebsamkeit der
Bewohner.
Industrie und Handel; Städte. Der Kohlenreichtum rief das Aufblühen
von vielen Industriezweigen hervor. Von großer Bedeutung war serner
die günstige Lage der Landschaft für Handel und Verkehr. Sie
liegt nicht weit vom Meere und ist mit diesem und dem südwestlichen Deutsch-
land durch den Rheinstrom verbunden. An ihrem Nordwestrande entlang
führt eine alte Völkerstraße, die bei Cöln den Rhein überschreitet. So blühten
Weltindustrien auf, wie die Großeisenindustrie von Essen (295 000 E.),
wo sich die Kruppsche Gußstahlfabrik, die größte Fabrik der Welt, befindet,
Dortmund (220 000 (*.), Bochum (140 000 E.), Duisburg (230 000 E.), Düssel-
dorf (360000 E>), in der Gegend von Aachen (155000 E.) und an der Saar,
die bereits erwähnte Kleineisenindustrie von Solingen (50000 E.) und Rem-
scheid (75000 E.), die Metallindustrie der Gegend von Hagen (90000 E.),
das Seidengewerbe von Krefeld (130 000 E.), die Baumwollweberei von
II
Geographie.
19
München-Gladbach (65000 E.) und Rheydt (45000 E.), die Flachsspinnerei
von Viersen (30 000 E.), die Tuchindustrie von Aachen, Eupen, Mül-
heim a.d. Ruhr (110000 E.) und Lennep und die Industrien der Wupper-
talstädte Elberfeld (170 000 E.) und Barmen (170000 E.) (Fabrikation von
Stoffen für Damenkleidung, chemische Industrie und Fabrikation von Bändern,
Schnüren und Knöpfen). Von andern größeren Orten seien noch Gelsenkirchen
(170 000 E.), Hamborn (110000 E.), Oberhausen (90000 E.), Reckling-
hausen (55000 E.) und die große Landgemeinde Borbeck (70000 E.) ge-
nannt. Folgende wichtigeren Städte sind noch zu nennen: Wesel (25000 E.),
Neuß (40000 E.), Mülheim a. Rh. (55 000E.), Cöln (515000 C.), Bonn
(90000 E.), Düren (35 000 E.), Koblenz (60000 E.), Trier (50000 E.),
Saarbrücken (nach Eingemeindung von St. Johann und Malstatt - Bur-
dach 105000 E.) und Neunkirchen (35 000 E.).
Cöln als Verkehrsmittelpunkt. Für Handel und Verkehr ist Cöln die
wichtigste Stadt. Es liegt günstig in der Mitte der Landschaft und am
schiffbaren Rheinstrom. Dieser bildet eine wichtige Schiffahrtstraße. Bis
Cöln können sogar Seeschiffe gelangen. (Nenne die Eisenbahnlinien, die in
Cöln zusammenlaufen!)
2. Das Weser-Vergland nebst dem Münsterschen Becken und
der Harz.
Das Rheinische Schiefergebirge bricht nach O. ziemlich schroff ab. Die oft-
liche Nachbarlandschaft ist tief abgesunken. Sie gehört zum Stromgebiet
der Weser. Nach S. reicht dieses bis zum Vogelsberg und zur Rhön, nach
O. bis zum Thüringer Walde.
Die Gebirge des Hessenlandes. Der Vogelsberg (Taufstein 740 m) und
Teile der Rhön (Bild 5) (Wasserkuppe 950 m) bestehen aus vulkanischem Ba-
salt. Der Vogelsberg ist das gewaltigste Vulkangebirge Deutschlands,
aber stark abgetragen und war einst bedeutend höher. Das Land, das die
Hessische Senke bildet, lag früher höher. Seine Schollen sind mannigfach
geborsten, versunken und gefaltet, und so quellen viele kleine, meist kegel-
förmige Vulkanberge, deren Basaltmasse nicht bis zur Oberfläche durch-
gedrungen war, empor. Diese wurden dadurch sichtbar, daß das weichere,
nicht vulkanische Gestein über und neben ihnen stark abgetragen wurde.
Der eigentümliche Lauf der Flüsse. Auf den südlichen Vulkangebirgen, als
den höchsten Punkten des Landes, nahmen die Hauptgewässer ihren Ur-
sprung. Auf der Rhön entspringt die Fulda, auf dem Vogelsberg ein wasser-
reicher Zufluß von ihr. Der Lauf dieser Flüsse ging nach N., vielleicht ur-
sprünglich geradliniger als heute. Als aber die oberen Gesteinsschichten nach
und nach zerstört und von den Flüssen fortgetragen wurden, trafen diese hier und
da auch auf härteres Gestein und wurden dadurch zum Ausbiegen gezwungen.
So erklären sich die eigentümlichen Biegungen der Fulda und auch der
20
Geographie.
II
Werra, die weiter östlich auf dem
J| Thüringer Walde entspringt und
ebenfalls den Weg nach N. sucht.
C-J (Beschreibe den Lauf der beiden
KZ Flüssegenauer!) Die härteren Ge-
J j steinsmassen treten heute als Ge-
birge hervor. Die Fulda weicht
ndem Knüll-Gebirge und dem
Habichts-Walde aus und die
Werra dem Hohen Meißner (750 m).
sf (Gib die Lage dieser Gebirge ge-
GZ nauer an!) Zwischen den Gebirgen
breiten sich größere und kleinere
gjj Talebenen aus. Daher wird das
% L Gebiet der Fulda und der Werra
r-I als Bergland, und zwar nach seinen
UR . Bewohnern als Hessisches Vera-
all land bezeichnet.
®§| Die Weser und das Weser-
f-s J Bergland. Fulda und Werra der-
H I einigen sich bei Münden und bilden
° die Weser. Der eigentliche Quell-
^11 sluß ist die Werra; denn Werra
und Weser sind dieselben Namen
wiesenreicher Fluß). Die vor-
U» wiegende Nordrichtung behält die
ZIZ Weser bei. In der Landschaft, die
s Z * sie durchfließt, wechseln ebenfalls
Gebirge und Talebenen mitein-
f » ander ab. Aber in diesem Weser-
II Berglande sind die Gebirge
L-a meist langgestreckt, verlaufen also
ZA kammartig. Nur der Solling,
ZG welcher der Weser auf der rechten
* | Seite zuerst entgegentritt, bildet
noch ein Massengebirge. Aber
-ZA schon das Egge-Gebirge auf der
^ t linken Weserseite zeigt einen deut-
KZ lichen, nach N. gerichteten Kamm
- | (daher der Name, von eggja =
schärfen). An das Egge-Gebirge
- L fetzt sich nach NW. der langgestreckte
2 j Teutoburger Wald an, der in dem
Bielefelder Paß einen wichtigen
II
Geographie.
21
Einschnitt hat. Gegen die parallel zu ihm gerichtete nördlichere Gebirgskette
stößt die Weser. Diese muß in großem Bogen nach W. umbiegen, wendet sich
aber dann unter scharfem Winkel plötzlich wieder nach N. und durchbricht die
Gebirgskette. Durch diesen Durchbruch der Weser wurde das Wichen-
Gebirge im W. von der Zerstückelten Weserkette im O. getrennt. Diese be-
steht hauptsächlich aus dem Tuntel, dem noch im NO. der Deister vorge-
lagert ist. Durch die Westsälische Psorte, die Porta Westphalica, tritt die
Weser in das Norddeutsche Tiefland hinaus.
Holzreichtum, Anbau und Bodenschätze. Wie in dem Hessischen und Weser-
Berglande Gebirge und Talebenen miteinander wechseln, so auch dunkle Waldes-
Pracht und grüne Saatgefilde. Die Gebirge zeichnen sich durch ihren
Holzreichtum, die an der Weser sehr fruchtbaren Talebenen durch ihren
Reichtum an Getreide und Vieh aus. An Bodenschätzen liefert das
Hessische Bergland Basalt und Braunkohle, das Weser-Bergland Bunt-
sandstein und Steinkohlen; letztere werden am Deister (und bei Jbben-
büren) gewonnen.
Industrie, Städte. Das Vorkommen von Braunkohlen und Steinkohlen
und die Nähe des Kohlengebiets der Ruhr ließen die Eisenindustrie von
Kassel (155 000 ©.), Bielefeld (80 000 E.) und Osnabrück (70 000 E.)
erblühen. Das Leinengewerbe von Bielefeld und Herford (35 000 E.) ist
aus dem in der Umgegend betriebenen Flachsbau hervorgegangen. Die
Weser hat für die Schiffahrt bei weitem nicht die Bedeutung wie der Rhein;
doch ist in jüngster Zeit die Schiffahrtstraße bis Münden eröffnet worden.
Die wichtigste Stadt an der mittleren Weser ist Minden (30 000 E.).
Münstersche Bucht. Der Teutoburger Wald im NO., das Egge-Gebirge
im O. und der Haarstrang im S. umfassen das große Tiefland der Münster-
schen Bucht. Nach W. ist dieses also offen, so daß die milden und feuchten
Seewinde Zutritt haben. Da auch der Boden meist fruchtbar ist, konnte das
Münstersche Becken, das von der Lippe und Ems entwässert wird, ein
wichtiges Bauernland werden. Am fruchtbarsten ist ein Landstrich im S.,
die Soester Börde. Die bedeutendsten Städte sind Münster (90 000 E.) und
Paderborn (30 000 E.).
Leinegebiet. Auf der Ostseite der Weser können wir dem Weser-Berg-
lande noch ein Gebiet angliedern, nämlich das Leinegebiet nebst dem Harz.
Die Leine kommt vom Eichsseld, dessen südlicher Teil wenig fruchtbar ist. In
einem grabensörmig eingeschnittenen Tale fließt sie nach N., an der Stadt
Görtingen (40000 E.) vorbei. Links und rechts von ihr schmücken anmutige
Berge die Landschaft. Südlich von Hannover durchbrach die Leine die letzte
Bergkette, und ähnlich wie die Weser bei Minden tritt sie wie aus einem Tore
in die Norddeutsche Tiefebene ein. Die Landschaft bleibt aber zunächst noch
hügelig; an die letzten Hügel hat sich die große Stadt Hannover (hon overe -
hohes Ufer, 300 000 E.) angelehnt. Die Stadt wurde, zuerst infolge der Nähe
des Kohlenlagers am Deister, gleich der benachbarten Stadt Linden (75000 E.)
ein bedeutender Jndustrieplah.
22
Geographie.
II
Harz und Vorland. Nach O. hin wird das Leinegebiet von dem hochragen-
den Harz ( = Waldgebirge), einem Massengebirge, abgeschlossen. Man
kann den höheren Oberharz im NW. und den niedrigeren Unterharz im
SO. unterscheiden. Der durchschnittlich 600m hoheOberharz wird vom Brocken
(1140 m) überragt. Reiche Niederschläge (Brocken 170 cm Regen) ließen die
Waldespracht des Harzes entstehen. Obschon neben der Forstwirtschaft nur
etwas Viehzucht, aber kein Ackerbau auf dem Oberharze betrieben werden
kann, ist dieser verhältnismäßig dicht bewohnt. In lustiger Höhe liegen die
7 Harzer Bergstädte, unter denen Clausthal die bedeutendste ist. Die dichte
Besiedlung verdankt der Oberharz seinem früheren Reichtum au Erzen, be-
sonders an Blei und Silber. Die Ergiebigkeit des Bergbaues hat aber be-
deutend nachgelassen. Viele Bewohner finden jetzt ihren Lebensunterhalt in
der Zucht von Singvögeln und der Bewirtung der Fremden, die
alljährlich zu Tausenden in den herrlichen Wäldern des Harzes Erholung
suchen. Der Unterharz, der wie ein Schemel zu den Füßen des Oberharzes
liegt, zeigt im Gegensatz zu dem Waldbau des Oberharzes meist Feld- und
Wiesenbau.
Ein Gebiet reichen Anbaues ist besonders die fruchtbare Niederung,
die den Harz rings umgibt. Zuckerrübenbau, Spargel- und Samenzucht
werden dort stark betrieben, und es erblühten bedeutende Städte. In dem
Städtekranz, der den Harz im N. umgibt, treten Hildesheim (50000 E.),
Braunschweig (145000 E.), die alte Kaiserstadt Goslar, Quedlinburg
(80 000 E.) und Halberstadt (50 000 E.) als die wichtigsten Orte hervor.
3. Das Thüringisch-Sächsische Hügelland.
Thüringer Wald. Aus dem anmutigen Werratale steigt man empor zum
Thüringer Walde. Dicht bewohnte Täler führen hinauf zur Höhe. Oben
empfängt uns herrliche Waldespracht. Der Thüringer Wald ist schmäler und
höher als der Franken-Wald. Er hat mit diesem gleiche Richtung, ist aber
doppelt so lang. Aus breitem Unterbau steigt er jäh empor, ein langes
Kammgebirge bildend. Unter den Gipfeln erhebt sich am höchsten der
Beerberg (980 m). Freier tritt aber der nördlicher gelegene, vielbesuchte
Jnselsberg (915 in) hervor. Zur östlichen Seite des Thüringer Waldes
hinabsteigend, staunen wir wieder über die dichtbewohnten Täler. Nur
durch gewerbliche Tätigkeit können die meisten Bewohner den Lebens-
unterhalt verdienen. In den zahlreichen Fabriken und Werkstätten werden be-
sonders Spielwaren (Mittelpunkt dieser Industrie ist Sonneberg), Glas-,
Porzellan-, Ton- und Meerschaumwaren und Instrumente (Thermo-
meter, Barometer) verfertigt.
Thüringisches Hügelland. Vom Thüringer Walde schaut man nach
NO. in ein freundliches Hügelland, das Land Thüringen hinab. Es
ist ein fruchtbares, reich angebautes Land, überall lugen aus den sonnigen,
n
Geographie.
23
warmen Talmulden die Dörfer, Städtchen und Städte hervor. Ackerbau,
Obst- und Gartenbau, Blumen- und Samenzucht stehen auf hoher Stufe.
Der Hauptsitz des Gartenbaues ist der Talkessel von Erfurt.
Von NW. nach SO. wird das Thüringer Land von felsigen Gebirgs-
rücken durchzogen, unter denen der Kysfhäufer (460m) der bekannteste
ist. Zwischen dem Thüringer und dem Franken-Walde im SW. und dem Harz
im N. ist das Land größtenteils einst abgesunken, und es entstand die Form
eines nach O. geöffneten Beckens.
Saalegebiet, Bodenschätze. In der eingesunkenen Landschaft mußten sich
die Gewässer sammeln. Im S. entspringt auf dem Fichtel-Gebirge die
Saale. Diese fließt am Ostfuße des Franken- und Thüringer Waldes vorbei
und nimmt die Ilm und die dem Eichsfelde entströmende Unstrut auf. Das
Saale- und Unstrutgebiet ist von großer Fruchtbarkeit, besonders die
Goldene Aue südlich vom Harz. Auch an mineralischen Schätzen ist das
Gebiet reich. Die Saalegegend bei Halle besitzt die reichsten Braunkohlen-
lager Deutschlands, das untere Saalegebiet bei Staßfurt sehr reiche Salz-
lager, die besonders für die Landwirtschaft und die chemische Industrie wich-
tigen Kalisalze liefern, und im Mansfelder Berglande findet der
bedeutendste Klchserbergbau in Deutschland statt.1
Industriestädte. Die Fruchtbarkeit des Bodens und sein Reichtum an
Bodenschätzen ließen viele Industriestädte aufblühen. Die bedeutendsten sind
Halle (180 000 E.), Erfurt (115 000 E.), Mühlhausen (35000 E.) und
Nordhausen (35 000 E.).
Sächsisches Hügelland. Das Thüringische Hügelland geht nach O. fast un-
merklich in das Sächsische Hügelland über. Die Saale überschreitend, ge-
langen wir zuerst zur Weißen Elster. Diese nimmt von rechts noch die
Pleiße auf, an der Leipzig liegt. Weiter östlich sammeln sich die Flüsse in
der Mulde. Diese bildet sich aus zwei Quellflüssen, aus der Zwickauer und
der durch die Zschopau verstärkten Freiberger Mulde. Noch weiter
wandernd, gelangen wir zu einem großen Strome, der Elbe, die alle bisher
genannten Flüsse aufnimmt. Ihre Richtung ist zuerst nordwestlich, dann west-
lich, geht aber bald wieder in eine nördliche über.
Elster-, Erzgebirge und Elb-Sandsteingebirge. Wie der Lauf der Flüsse an-
zeigt, senkt sich das Land nach N. Das Sächsische Hügelland bildet die nördliche
Abdachung eines langen Gebirgszuges, der sich vom Fichtel-Gebirge nach NO.
erstreckt. An das Fichtel-Gebirge setzt sich zuerst das waldrei che Elster-Gebirge
an, das auch Hohes Vogtland genannt wird. Auf diesem entspringt die
Weiße Elster. Es folgt dann der lange Zug des höheren Sächsischen Erz-
gebirges, das nach seinem früheren Erzreichtumso benannt worden ist. Beide
Gebirge haben eine auffallend einseitige Erhebung. Besonders das Sächsische
Erzgebirge, dessen höchster Punkt der Keilberg (in Böhmen; 1240 m) ist,
1 Sin Kalisalzen, die zur Düngung und in der chemischen Industrie gebraucht werden,
besitzt Deutschland den größten Reichtum unter allen Ländern der Erde.
24 Geographie. II
fällt nach SO., nach Böhmen hin, sehr schroff und tief ab, so daß man dort den
Eindruck einer hohen Gebirgsmauer empfängt. Der tiefe Absturz ist durch Ab-
bruch und Sinken der böhmischen Landscholle entstanden. Nach NW. dacht
sich das Sächsische Erzgebirge dagegen sanft ab, und es bietet Raum zum
Sammeln der Gewässer in einzelne Hauptrinnen. Vom wald- und wiesen-
reichen Oberen Erzgebirge steigt man, den Flüssen folgend, zu dem wärmeren
und mit Ackerfluren bedeckten Unteren Erzgebirge hinab. Dieses schließt
bei Zwickau und westlich von Dresden (im Plauenschen Grunde) Stein-
kohlenschichten ein.
An das Ostende des Sächsischen Erzgebirges schließt sich noch ein drittes Ge-
birge, das Elb-Sandsteingebirge, an (Bild 6). Es besteht aus Sandstein, uud
6. Die Bastei im Elbsandsteingebirge mit dem Blick auf den Lilienstein.
Die schanzenähnliche Bastei erhebt sich 200 m über den Elbspiegel.
zwar Quadersaudstein, der bei der Verwitterung blockartige Tafelberge mit
senkrechten Felswänden, hohe Türme und Säulen bildet. Die wagerechte Ober-
fläche der Tafelberge zeigt die einstige Höhe des stark verwitterten und ab-
getragenen Gebirges an. Durch das Durchbruchstal der Elbe, das auf
ähnliche Weise wie das Rheintal entstanden ist, wurde es in eine westliche und
eine östliche Hälfte geteilt.
Lechziger Becken. (Welche Gebirge bilden die südliche Umrahmung des
Thüringisch-Sächsischen Hügellandes? Was für einen Winkel bilden sie? Wo
stoßen die beiden Schenkel zusammen?) Indem sich das Thüringische Hügel-
land nach NO., das Sächsische nach NW. senkt, muß in der Mtte, in der
Gegend von Leipzig, ein flaches Becken entstehen. Dieses Leipziger Becken
ist der natürliche Sammelpunkt der Straßen und ist dadurch ein blutgedüngter
II
Geographie.
25
Kriegsschauplatz (Schlachten bei Lützen, Roßbach, Gr.-Görschen und Völler-
Macht bei Leipzig) geworden.
Industriezweige des Oberen Erzgebirges. Obschon das Obere Erzgebirge
und das Hohe Vogtland nur wenig Ackerbau (Kartoffeln) gestatten, sind diese
Gebirgsgegenden dicht bewohnt. Ursprünglich lockten den Menschen die
Erzschätze des Erzgebirges, besonders reiche Silberadern. Als diese ziemlich er-
schöpft waren, kehrte die Not bei den Bewohnern ein. Beschäftigungen, mit
denen früher die Mußestunden ausgefüllt wurden, mußten nun als Erwerbs-
quelle dienen. So entwickelten sich vielerlei Hausgewerbe, wie die Spitzen-
klöppelei, deren Hauptsitz Annaberg ist, die Geigenverfertigung von
Markneukirchen im Vogtlande, die Spielwarenfabrikation, die Stroh-
flechterei, Korbmacherei und Stuhlfabrikation, die Herstellung
von Blech- und Bürstenwaren und die Handschuhnäherei. Die Holz-
schätze des Erzgebirges werden von zahlreichen Holzstosfabriken ausgenutzt.
Industriezweige des Unteren Erzgebirges. Im Gegensatz zum Oberen
Erzgebirge und Hohen Vogtlande sind das Untere Erzgebirge und Untere
Vogtland fruchtbar. Ackerbau und Viehzucht stehen in Blüte. Eine noch
wichtigere Erwerbsquelle ist die Industrie. Aber nicht das Hausgewerbe,
sondern das Fabrikwesen blühte auf, da neben der Wasserkraft der Flüsse auch
Kohlenlager zur Verfügung standen. Die bedeutendsten Fabrikstädte
wurden Chemnitz (290000 E.), mit großen Maschinenfabriken und Strumpf-
Wirkereien, Zwickau (75 000 E.), Gera (50 000 E.), mit großen Spin-
nereien und Webereien, und Plauen (120 000 E.), das ein Hauptsitz der
Gardinenverfertigung wurde.
Aufblühen von Dresden, Leipzig und Magdeburg. Durch große Frucht-
barkeit zeichnen sich der Talkessel von Dresden, der Talkessel von
Leipzig, das Gebiet an der unteren Mulde und die Magdeburger
Börde aus. In den beiden letztgenannten Gebieten wird viel Zuckerrübenbau
betrieben. Die Fruchtbarkeit der Umgebung und die günstige Verkehrslage
erklären das Aufblühen der großen Städte Dresden (550 000 E.), Leipzig
(590 000 E.) und Magdeburg (280 000 E.). Dresden verdankt als Haupt-
stadt Sachsens seine Bedeutung ferner der Fürsorge der sächsischen Herrscher;
es ist heute zugleich eine bedeutende Industriestadt. Leipzig wurde ein
Hauptsitz des Handels. Alljährlich werden dort drei große Handels-
messen abgehalten. Magdeburg ist eine bedeutende Industriestadt; es
besitzt besonders große Eisenwerkstätten und Zuckerfabriken und ist der
Hauptzuckermarkt Deutschlands.
Städtelinien. An Städten ist die Landschaft reich, sowohl in dem säch-
fischen als auch in dem thüringischen Teile, ja sie ist nächst dem rheinisch-west-
fälifchen Industriegebiete das städtereichste Gebiet Deutschlands. Die meisten
Städte blühten als Sitze der Industrie, viele jedoch als Residenzstädte
auf. Es können mehrere Städtelinien unterschieden werden, nämlich
1, eine westöstliche Städtereihe in Thüringen, 2. eine nordöstliche Städtereihe
am Fuße des Sächsischen Erzgebirges, 3. eine Städtereihe des Saaletales,
Hirt? nkukt SReallctibud). Geographie.
26
Geographie.
II
4. eine Städtereihe an der Elster, 5. eine Städtereihe an der Elbe und
6. eine halbkreisförmige Stüdtelinie am Ostfuße des Harzes. (Welche Städte
gehören zu diesen Städtelinien?)
Verkehr. Für den Verkehr besitzt die Landschaft in der Elbe eine wichtige
Schiffahrtstraße. Diese bildet nicht nur eine Zufuhrstraße von S., sondern
öffnet auch nach N. einen Weg zum Meere, wodurch die Teilnahme am Welt-
Handel erleichtert wird. Das Eisenbahnnetz ist sehr dicht. (Warum? Wo fand
es im S. seinen Anschluß an das Verkehrsnetz der Nachbargebiete?)
4. Das Sudeten-Gebirge und die Schleiche Bucht.
Sudeten. An das Elb-Sandsteingebirge fügen sich nach SO. die langgestreckten
Sudeten an. Diese bilden keinen einheitlichen Gebirgszug, sondern bestehen
aus zahlreichen Gebirgszügen und -gruppen. Da auch ihre Gesteins-
masse sehr verschieden ist, zeigen die Oberflächenformen einen reichen Wechsel.
7. Die Schneekoppe (rechts vorn die Riesenbaudc).
Glieder der Sudeten. Das erste Glied der Sudeten ist das Lausitzer Ge-
birge. Es bildet nur im S. einen geschlossenen Gebirgszug (Jeschkenberg
1010 m) und geht nach N. in ein regelloses Bergland über. Höher und mächtiger
ist das zweite Glied der Sudeten, das im westlichen Teile Jser-, im östlichen
Riesengebirge heißt. Namentlich das letztere besitzt einen mächtigen, breiten Gc-
birgskamm und von allen deutschen Mittelgebirgen die bedeutendste Durch-
II
Geographie.
27
schnittshöhe von 1200—1400 m. Sein höchster Gipfel, die Schneekoppe
(1600 m), ist zugleich die bedeutendste Erhebung Preußens und Mittel-
deutschlands (Bild 7).
Die gewölbeartige Kammform des Jser- und Riesengebirges und ihre ab-
gerundeten Bergformen lassen erkennen, daß die Gebirge sehr alt und schon stark
abgetragen sind. Der Kamm des Riesengebirges war in der Eiszeit vergletschert,
und in die Täler senkten sich kleine Gletscher hinab. Die Bildung der tief abstürzenden
Großen und Kleinen Schneegrube erfolgte in jener Zeit. Die tief eingeschnittenen
Quertäler des Riesengebirges, die den Namen „Gründe" führen, sind durch große
landschaftliche Schönheit ausgezeichnet.
Nach NO. senkt sich das Riesengebirge zu dem schönen, vom Bob er
durchslossenen Hirschberger Talkessel, einem Einbruchsbecken, das auf
der andern Seite von dem Katzb a ch-G ebi rg e abgeschlossen wird. Die südöstliche
Fortsetzung des langen Sudetenzuges bilden Gebirge, die den Glatzer Gebirgs-
kessel umgeben. Die Randgebirge desselben gruppieren sich zu einem Rechteck,
dessen Längslinien nach SSO. gerichtet sind. Den nordwestlichen Abschluß des
Glatzer Gebirgskessels bildet das anmutige und steinkohlenreiche Waldenburger
Bergland, den südlichen die Erhebungsmasse des Schneeberges (1420m).
Im westlichen Gebirgsrahmen tritt besonders das Henscheuer-Gebirge mit
seinen wunderlichen, durch Verwitterung wunderbar schrosf ausgestalteten
Sandsteinbildungen hervor, im östlichen das Eulen - Gebirge. Die
Glatzer Neiße, die den Glatzer Gebirgskessel entwässert, durchbricht den nordöft-
liehen Gebirgsrahmen im Wartha-Passe. Im SO. schließt sich das Altvater-
Gebirge (Altvater 1490m) an den Glatzer Kessel an. Das letzte Glied der
Sudeten bildet das Mährische Gesenke (= Eschengebirge).
Anbau, Bergbau und Industrie in den Sudeten. Das Sudeten-Gebirge
umschließt viele Talkessel und tiefgehende Täler, in denen die Menschen Viehzucht
und Ackerbau treiben können. Besonders der Hirschberger Talkessel und
der Glatzer Gebirgskessel sind fruchtbare, dicht bewohnte Gegenden. Die
tiefen Einfenkungen in dem langen Gebirgszuge gestatten auch den Verkehr
zwischen den beiden Gebirgsseiten. Das Sudeten-Gebirge wurde daher keine
Sprachen- und Völkerscheide wie das Böhmisch-Bayrische Waldgebirge,
sondern auf beiden Seiten wohnen vorwiegend Deutsche. Der Kohlenberg-
bau, der imWaldeuburger Berglande betrieben wird, förderte das Fabrik-
wefen. Noch mehr konnte dieses aus der Wasserkraft der Gebirgsbäche
Nutzen ziehen. Die Anhänglichkeit der Bewohner an die liebgewonnene, aber
an fruchtbarem Boden und unterirdischen Schätzen arme Gebirgsheimat förderte
die Gewerbtätigkeit. So wurden die Gebirgstäler die Sitze einer betrieb-
samen Bevölkerung. Am meisten blühten Spinnerei und Weberei auf.
Berühmt ist die schlesische Leinenindustrie; dieselbe konnte sich auf den
Flachsbau stützen. Im Gebirge gibt es zahlreiche Glasfabriken.
Borberge der Sudeten. Als das Sudeten-Gebirge emporgehoben wurde,
sank nordöstlich (und auch südwestlich) von ihm das Land tief ein. Man gelangt
nach O. zuerst in eine Tiefebene, die etwa 20 km breit ist. Dann erscheinen ein-
drucksvolle Erhebungen, die Vorberge der Sudeten. Sie bestehen meist aus
3*
28
Geographie.
II
vulkanischem Gestein. Indem das übrige Land immer mehr abgetragen
wurde, traten diese Vorberge allmählich höher hervor. Am höchsten ragt der
Zobten (720m)r wie eine hohe Warte des schleichen Landes, hervor.
Vorland der Sudeten, Fruchtbarkeit. Der Boden des Sudeten-Vor-
landes ist sehr fruchtbar; denn er besteht teils aus der Verwitterungserde
der vulkanischen Gesteine, teils wurde er von den Sudetenbächen angeschwemmt
und teils als feiner Staub, Löß genannt, vom Winde angeweht. Da auch das
Klima infolge der tiefen Lage des Landes günstig ist, steht der Alierbau in
hoher Blüte. In den zahlreichen Städten, die in solch fruchtbarem Lande
entstehen konnten, entwickelten sich, ähnlich wie in den Sudetentälern, vielerlei
Gewerbe. Die bedeutendsten Siedlungen sind: Neiße (25 000 E.), Glatz,
Schweidnitz (35 000 E.), Waldenburg, Hirschberg (20 000 E.), Zittau
(40 000 E.) und Görlitz (85 000 E.).
Oberschlesische Platte; Bergbau und Industrie, Städte. Ostlich von
den Vorbergen der Sudeten senkt sich das Land immer mehr. An dem ruhigen
Laufe der im Oberlaufe so stürmischen Sudetenflüsse erkennen wir, daß das
Land ziemlich eben und tief gelegen ist. Den Flüssen nach O. folgend, stehen
wir bald am Ufer eines größeren Stromes, der Oder, welche die Sudetenflüsse
aufnimmt. Auch wenn wir die Oder überschreiten, führt uns der Weg oft-
wärts zuerst durch tiefgelegenes Land, das sich aber langsam erhebt. Besonders
da, wo der aus Basalt bestehende St. Annaberg dicht am Strome aufsteigt,
liegt das Gebiet auf der rechten Oderseite schließlich ziemlich hoch. Dort dehnt
sich die etwa 300m hochgelegene Oberschlesische Platte aus. Sie stellt ein
einförmiges und wenig fruchtbares, im S. waldreiches Land dar, das in seinem
Inneren große Bodenschätze birgt. Oberschlesien besitzt in der Gegend von
Königshütte und Beuthen das zweitgrößte Kohlenlager Deutschlands. Da
es auch reich an Eisen ist, konnte sich eine großartige Eisenindustrie entwickeln.
Femer wird viel Zink gewonnen; von diesem Metall, das aus Galmeierzeu
ausgeschmolzen wird, besitzt Oberschlesien sogar den größtenReichtum unter
allen Ländern der Erde. Auch Blei und Silber werden gewonnen. So
waren vielerlei Erwerbsgelegenheiten geboten. Bergbau, Industrie, Handel
und Verkehr konnten sich entwickeln, und zahlreiche Städte, wie Königs-
Hütte (75000 E.), Beuthen (70000 E.), Gleiwitz (70000 E.), Kattowitz
(45 OME.) und der Ort Zabrze (60 000 E.), blühten schnell auf. Dem
Kohlenverfand dient der kleine Klodnitz-Kanal.
Oberschlesischer Landrücken. Nach NW. verschmälert sich die Oberschlesische
Platte zum Oberschlesischen Landrücken. Dieser biegt schließlich nach W.
um, die Trebnitzer Höhen bildend. Auf der linken Oderseite taucht er als
Niederschlesischer Landrücken wieder auf. Der Schlefische Landrücken
ist, wie fast das ganze schlefische rechte Oderuferland, wenig fruchtbar. Einige
Landstriche, wie der Bezirk um Kreuzburg, machen eine Ausnahme. In der
Gegend von Trebnitz und bei Glogau gibt es auch umfangreiche Obst-
anlagen, und bei Grünberg (25000 E.) liegt das nördlichste größere Weinbau-
gebiet Deutschlands.
II
Geographie.
29
Schleiche Bucht, Stromnetz der Oder. Zwischen dem Sudeten-Vorlande
im SW. und dem Oberschlesischen Landrücken im O. brach die Schlesische
Bucht ein, die nach NW. in das Norddeutsche Tiefland übergeht. Durch diese
Mitte nahm der Hauptstrom, die Oder, den Weg nach NW. Auf dem
Mährischen Gesenke entspringend und zuerst in einem Doppelbogen nach W.
fließend, mußte sie vor der Oberschlesischen Platte nach N. umbiegen. Schon
bald tritt sie in das Tiefland ein. Von links gehen ihr die Nebenflüsse Oppa,
Glatzer Neiße, Katzbach, der Bober und die Görlitzer Neiße, von rechts
die Klodnitz, Malapane und Bartsch zu. (Wo münden diese Nebenflüsse?
Beschreibe ihren Lauf!) Vor der Einmündung werden die meisten Neben-
flüffe vom Hauptstrom mitgeschleppt, weil dieser viel Schutt ablagert und
dadurch das Einmünden erschwert.
Anbau. Das Tiefland der Schlesifchen Bucht ist ein sehr fruchtbares
Gebiet, ein Hauptgebiet des deutschen Ackerbaues, mit bedeutendem Weizen-
und Zuckerrübenbau. In Niederschlesien breitet sich dagegen am Mittellaufe
des Bober und der Görlitzer Neiße die große Nieder schlesische Heide aus,
deren Sandboden meist mit dunkeln Kiefernwäldern bepflanzt ist.
Städte, Verkehr. Zu bedeutenden Städten haben sich an der Oder
und in der Schleichen Bucht entwickelt: Ratibor (40 000 E.), Oppeln
(35 000 E.), Brieg (30000 E.), Breslau (515000 E.), Liegnitz (70000 E.)
und Glogan (25000 E.). Als Mittelpunkt des Verkehrs und des Handels
ragt unter ihnen Breslau hervor. Seine Lage ähnelt der von Cöln, ist aber
nicht so günstig, weil Schlesien für den Weltverkehr keine so vorteilhafte Lage
wie das Rheinland hat. Auch hat die Oder als Schiffahrtstraße bei weitem
nicht die Bedeutung wie der Rhein.
5. Die Staatenbildung.
An Mitteldeutschland haben viele Staaten Anteil. Diese reiche staatliche
Gliederung entspricht dem reichen Wechsel, den das Oberslächenbild dieses Teiles
von Deutschland zeigt. Der größte Teil Mitteldeutschlands gehört aber zum
Königreich Preußen. Mit 6 Provinzen ist dieses an ihm beteiligt, mit der
Rheinprovinz, Westfalen, Hessen - Nassau, Hannover (Bezirk Hildes-
heim), Sachsen und Schlesien. (Königreich Preußen siehe Abschnitt IV.)
Noch ein zweites Königreich liegt in Mitteldeutschland, nämlich Sachsen.
Ferner haben an ihm zahlreiche kleinere Staaten Anteil, die Staaten des
mittleren Wesergebiets und die thüringisch-sächsischen Staaten.
Das Königreich Sachsen. Dieser Staat, dessen Dreiecksform auffällt,
umsaßt das Erzgebirge und dessen nordwestliche Abdachung; nach O. schließt
sich noch das Gebiet in der Oberlausitz, nach NW. das fruchtbare Leipziger
Becken an. Nach SO. hat Sachsen eine starke Naturgrenze. Die Elbe durch-
fließt den Staat so, daß f seiner Fläche auf der linken Stromseite liegen.
Sachsen ist nur 15 000 qkm groß (die Provinz Brandenburg ist fast
dreimal so groß), zählt aber 4f Mill. E. (auf 1 qkm 320 E.). Für die
30
Geographie.
II
Verwaltung sind die 5 Kreishauptmannschaften Dresden, Bautzen,
Chemnitz, Leipzig und Zwickau eingerichtet. Die schöne Residenzstadt
Dresden ist auch bekannt durch seine Technische Hochschule und seine
Akademie der bildenden Künste. Leipzig ist Hauptort des deut-
scheu Buchhandels. Es besitzt eine stark besuchte Universität und eine
Akademie der bildenden Künste. In Freiberg befindet sich eine be-
rühmte Bergakademie. Die Bevölkerung Sachsens ist fast ganz evange-
lisch, das Herrscherhaus aber katholisch.
Die thüringisch-sächsische Staatengruppe. Das Land Thüringen ist in
viele Staaten geteilt. Die Karte dieses Gebiets zeigt daher ein sehr buntes
Bild, wie vor etwas mehr als 100 Jahren der größte Teil unsers Vaterlandes.
Die politische Zerrissenheit hat in Thüringen jedoch auch Vorteile gehabt.
Manche Fürsten waren eifrig bestrebt, die Kultur in ihren Ländern zu fördern.
Das thüringische Volk hat daher ebenfalls eine hohe Kulturstufe er-
reicht. Manche Residenzstädte wurden Stätten der Kunst und Wissen-
schaft, wie besonders Weimar, wo einst Goethe und Schiller lebten.
Die in Sachsen-Weimar gelegene Stadt Jena ist Sitz einer Universität.
An der Elbe liegt das Herzogtum Anhalt.
Übersicht über die thüringisch-sächsische Staatengruppe.
Nr. Namen Rang Hauptstädte Größe in qkm Einw in Taus. ohner auf 1 qkm
I. Sachsen-Weimar . . Großherzogtum Weimar 3600 420 117
2. Sachsen-Meiningen Herzogtum Meiningen 2470 290 119
3. Sachsen-Altenburg . . Altenburg 1320 220 166
4. Sachsen-Koburg-Gotha Koburg 1980 250 127
5. Anhalt....... Dessau 2300 340 148
G. Schwarzburg-Sonders-
hausen ...... Fürstentum Sondershausen 860 90 104
7. Schwarzburg-Rudol- 100
stadt ...... Rudolstadt 940 106
8. Reuß Älterer Linie . Greiz 315 72 228
9. Reuß Jüngerer Linie. „ Gera 825 150 180
Die kleinen Staaten des mittleren Wesergebiets. Unter ihnen ist das
Herzogtum Braunschweig der bedeutendste. Es besteht aus drei größeren
Gebieten und mehreren kleineren. Das Hauptgebiet, in dem die Hauptstadt
Braunschweig liegt, breitet sich zu beiden Seiten der Oker nördlich vom
Harz aus. Die beiden andern größeren Gebiete haben am Harz selbst Anteil.
Das westliche zieht sich bis zur Weser hin. Braunschweig ist 3700 qkm groß
und zählt 505 000 E. (auf 1 qkm 137 E.). Die Hauptstadt Braunschweig
ist Sitz einer Technischen Hochschule.
Im mittleren Wesergebiete liegen die drei Fürstentümer Waldeck
(1120 qkm, 60 000 E.) mit der Hauptstadt Arolsen, Lippe-Detmold (1215 qkm,
150 000 E.) mit der Hauptstadt Detmold und Schaumbnrg-Lippe (340 qkm,
46 000 E.) mit der Hauptstadt Bückeburg.
n
Geographie.
31
IV. Das Norddeutsche Tiefland.
An die mitteldeutschen Gebirgslandschaften schließt sich nach N. das Nord-
deutsche Tiefland an, das sich in ein östliches und ein westliches Gebiet
teilen läßt. Diese unterscheiden sich hauptsächlich durch das Klima und durch
die Kulturverhältnisse. Die Grenze bildet die Elbe, die jedoch mit
ihrem untersten Laufe zum westlichen Gebiete gehört.
1. Der östliche Teil des Norddeutschen Tieflandes.
Der östliche Teil des Norddeutschen Tieflandes umfaßt den Raum zwischen
den nördlichsten deutschen Mittelgebirgen und der Ostsee. Nach W. kann man
das Gebiet bis zur mittleren Elbe rechnen. Es ist ein weites, tiefgelegenes
8. Dünen an der Küste der Ostsee.
Land, das zwar keine eigentlichen Gebirge trägt, aber doch nicht völlig
eben ist. Es machen sich sogar zwei ziemlich bedeutende Aufwölbungen des
Bodens, sog. Landrücken, bemerkbar. Der südliche Landrücken zieht sich nach
NW., der nördliche oder Baltische Landrücken, vorwiegend nach W. hin.
Der südliche Landrücken. Teile des südlichen Landrückens, der in nicht
zu weiter Entfernung vom Nordrande der deutschen Mittelgebirge hinstreicht,
32
Geographie.
II
lernten wir schon im Oberschlesischen und Niederschlesischen Landrücken kennen.
Die Fortsetzung des letzteren bildet der Lausitzer Grenzwall und dessen
Fortsetzung wieder der Fläming (benannt nach dort angesiedelten Flamländern),
der bis an die Elbe reicht. Der Landrücken ist durchschnittlich 100—150 m
hoch. Er bildet keine fortlaufende Erhebung, sondern die ziemlich breiten Täler
der nach N. fließenden Gewässer unterbrechen ihn.
Der Baltische Landrücken. Der nördliche Landrücken streicht längs der
Küste der Ostsee, des Baltischen Meeres, hin und wird deshalb Baltischer
Landrücken genannt. Durch die Täler der großen Ströme wird er in
mehrere Glieder geteilt. So heißt der Landrücken östlich von der Weichsel
Preußischer, zwischen Weichsel und Oder Pommerscher, zwischen Oder und
Elbe Mecklenburgischer und in Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinscher
!
I \
9. Panorama von Plön und den Plöner
Landrücken. Die Höhe des Landrückens nimmt von O. nach W. ab und sinkt
von 300—200 m schließlich auf 100-50 m. Die höchsten Erhebungen sind der
Turmberg bei Danzig (330 m) und die Kernsdorfer Höhe (310 m). Ein
großer Reichtum an Seen zeichnet alle Glieder des Baltischen Landrückens
aus, weshalb diese auch als Seenplatten bezeichnet werden.
Ostseeküste. Der Baltische Landrücken bestimmt die allgemeine Richtung
der Ostseeküste. Vorsprünge des Landrückens riefen auch Ausbiegungen
der Küste hervor. Am deutlichsten zeigt dies die Küste Hinterpommerns.
Dreimal greift die Ostsee tief in das Land ein, die Danziger, Pommersche
uud Lübecker Bucht bildend. Den drei Buchten entsprechen drei westlich
von ihnen gelegene Landvorsprünge, die noch durch eine Halbinsel oder
Insel verlängert erscheinen. So hängt sich an die hinterpommersche Halbinsel
die Landzunge von Hela, während der vorpommerschen die schöne Insel
Rügen (- zerrissenes Land) (Bild 8) und der dritten Halbinsel die Insel
II
Geographie.
33
Fehmarn vorgelagert ist. In die Danziger Bucht mündet die Weichsel, die ein
Mündungsdelta bildet (in welche Arme teilt sie sich?), in die Pommersche Bucht
die Oder und in die Lübecker Bucht die Trade. Im O. der Danziger Bucht
springt noch eine vierte Halbinsel, die von Samland, vor. Diese liegt
zwischen zwei Haffen, zwischen dem Kurischen und dem Frischen Haff
und entsendet ebenfalls Landzungen. Das Kurische Haff wird durch die
Kurische Nehrung, das Frische Haff durch die Frische Nehrung vom Meere
fast ganz abgeschlossen. (Wie liegen diese Haffe zueinander? In welches
Haff mündet der Pregel, in welches die Memel?) Auch von der Pommer-
fchen Bucht ist ein Haff, das Stettiner Haff, und zwar durch die Inseln
Usedom und Wollin abgetrennt. Die Oder hat sich drei Mündungs-
Pässe geöffnet, die Peene, Swine und Dievenow.
Seen in der „Holsteinischen Schweiz",
Deltabildung. Von den deutschen Strömen, die in die Ostsee fließen, bilden
Weichsel und Memel ein großes Delta, d. h. sie teilen sich in Arme, die ein
dreieckiges Stück Land umfassen. Dieses Land besteht ganz aus den Schwemmstoffen
der beiden Flüsse, es ist also von ihnen abgelagert worden, dort, wo einst Meer war.
Durch die Schlammassen mußte sich der Fluß einen Weg bahnen, er teilte sich in
Arme und öffnete sich Mündungspässe. Das neue Land wuchs nach dem Meere
immerfort, und die Mündungspässe wurden immer mehr vorgeschoben.
Die Ablagerungen der Eiszeit. Die obere Bodendecke erhielt das
Norddeutsche Tiefland von Gletschern der Eiszeit. Wie in der Eiszeit die
Alpen stärker als heute vergletschert waren, so trug damals auch fast ganz Nord-
europa eine mächtige Eisdecke. Die riesigen Gletscher nahmen ihren Ausgang
von dem hohen Rücken der Skandinavischen Halbinsel und von Finnland. Sie
bedeckten diese Länder vollständig, füllten das Becken der Ostsee aus und über-
zogen noch ganz Norddeutschland bis zum Rande der deutschen Mittelgebirge.
Als sie sich in einem wärmeren Zeitabschnitte wieder zurückzogen, ließen sie
34
Geographie.
n
zahlreiche Felsblöcke, viel Geröll und lehmigen Schlamm, den sie zer-
rieben hatten, zurück. Die Gewässer aber, die von den abschmelzenden Gletschern
abflössen, lagerten große Sand Massen ab.
Die Ablagerungen der Eiszeit sind sehr mächtig, in Südschweden etwa 200 m,
in ?!orddeutschland in der Nähe der Ostseeküste etwa 60 und selbst am Südrande der
Vergletscherung noch 10 m. Viel Gletscherschutt häufte sich aus den beiden Land-
rücken, besonders auf dem Baltischen Landrücken an. Der Mckzug der Gletscher
mußte sich auf ihnen langsamer vollziehen, da die Höhenrücken schon ein kühleres
Klima haben. Auf der Nordseite der Landrücken lagerten die Gletscher vor-
wiegend fruchtbaren Schlamm, Geschiebelehm genannt, auf der Südseite die
Gletschergewässer aber große Sandmassen ab, die weite Gebiete, wie das südliche
Masuren, die Tucheler Heide und das südliche Mecklenburg, bedeckten. Nach einem
10. Die Urstromtäler des Norddeutschen Flachlandes.
Teil der Findlingsblöcke läßt sich feststellen, wo die Gletscher ihren Ursprung ge-
nommen hatten. An der Lagerung der Erdschichten läßt sich ferner erkennen, daß
nicht eine einmalige, sondern eine mehrmalige Vergletscherung stattgefunden
hat. Durch die Tätigkeit der Gletscher und Gletschergewässer wurde die Oberfläche
des Landes wesentlich umgestaltet. Es entstanden Mulden und Täler, Löcher und
Rinnen, so daß manche Landschaften, die einst vergletschert waren, wie eine „buck-
lige Welt" aussehen. In Mulden und in den alten Tälern aber, durch die einst
die Gletschergewässer abflössen, blieben zahlreiche Seen übrig. Der Baltische Land-
rücken verdankt also seinen Seenreichtum der Eiszeit (Bild 9).
Die Nrtäler. Die gewaltigen Massen der Gletscherschmelzwasser flössen
vor dem Eisrande her nach W. und NW. Hierbei vereinigten sie sich zu großen
Urströmen, die also nach W. oder NW. gerichtet waren. Die Urtäler geben
mit den heutigen Flußtälern zusammen dem Norddeutschen Tieflande eine
ziemlich reiche Gliederung (Fig. 10).
Die jetzigen Flußtäler. Als die Gletscher der Eiszeit abtauten und sich zurück-
zogen, wurde für die deutschen Flüsse der Weg nach N. frei. Der Weg war ihnen
II
Geographie.
35
schon gebahnt; denn durch das untere Oder- und Weichselta! waren mächtige
Gletscher vorgestoßen, die den Boden breit ausgemuldet hatten. Durch diese
großen Offnungen in dem Baltischen Landrücken flössen die beiden Ströme,
Oder und Weichsel, ab, während die Elbe weiter einem alten Urstromtale nach
NW. folgte. Die Elbe empfängt im Norddeutschen Tieflande von rechts die
Havel, die noch die Spree aufnimmt und dann eine lange Seenkette durch-
fließt. Der bedeutendste Nebenfluß der Oder ist die Warthe, die noch die
Netze aufnimmt. (Beschreibe den Lauf der Ströme und Flüsse!) Die nord-
östlichsten Gebiete werden durch den Pregel und die Memel entwässert.
(Laufrichtung?)
Sumpf- und Sandstrecken. Im Norddeutschen Tieflande wechseln
also breite Flußtäler mit Plateau-Jnseln und den Abschnitten der beiden Land-
rücken ab. Die Flußniederungen sind für den Ackerbau sehr geeignet,
soweit sie aus fruchtbarem Schwemmboden bestehen. Früher nahmen Sumpf-
gebiete einen großen Raum ein. Diese sind aber meistens entwässert
und dadurch in die fruchtbarsten Gegenden verwandelt worden, wie das
Oder-, Obra-, Netze- und Warthebruch, das Havelländische Luch u. a.
Die brandenburgisch-preußischen Herrscher haben sich um die Entwässerung
dieser Gebiete große Verdienste erworben. In dem übrigen Lande wechseln
fruchtbarer Gletscherlehm und wenig fruchtbarer Sandboden, sog. Deck-
sand, miteinander ab. Wie früher gezeigt wurde, breiten sich die fruchtbaren
Lehmstrecken vorwiegend auf der Nordseite, die unfruchtbaren Sandstrecken
dagegen auf der Südseite der Landrücken aus. (Wie erklärt sich diese Ver-
teilung?) Die Sandstrecken nehmen in Norddeutschland einen großen
Raum ein. Da sie für den Ackerbau wenig Wert haben, dienen sie meist der
Forstwirtschast. Infolgedessen besitzt Norddeutschlaud ausgedehnte Waldungen,
besonders Kiefernwaldungen. Da das Holz immer teurer geworden ist,
haben sie großen Wert.
Klima. Das Klima des Norddeutschen Tieflandes ist infolge der tiefen
Lage des Gebiets nur wenig kälter als das der Schwäbifch-Bayrischen Hoch-
ebene. Nach N. nimmt aber die Wärme ab. Ein rauhes Klima besitzen die
Hochflächen des Baltischen Landrückens. Auch nach O. nimmt die Jahres-
wärme sowie die Regenmenge ab, weil die Entfernung vom Atlantischen
Ozean größer wird. Dieser bildet die Hauptregenquelle. Die Ostsee ist zu klein,
um eine ähnliche Wirkung ausüben zu können. Am kältesten muß der Preu-
ßische Landrücken sein, da er am höchsten ist und am weitesten nach N. und
O. vorgerückt liegt. Ein Klima, dem der Meereseinfluß fehlt, wird Landklima
oder kontinentales Klima genannt. Ihm sind kalte Winter und warme
Sommer eigentümlich. Auch ist es trockener als das See- oder ozeanische
Klima.
Ackerbau und Pichzucht. Dem kühlen Klima und dem meist magern Boden
entsprechend, ist Roggen das Hauptgetreide Norddeutschlands. Auch
Weizen und Zuckerrüben können auf weiten Strecken mit Erfolg angebaut
36
Geographie.
II
werden. In der Umgebung der großen Städte werden auch Gemüse- und
Obstbau stark betrieben. Besonders das Aufblühen von Berlin rief diese Zweige
der Landwirtschaft in weiter Umgebung hervor. Für die Rindviehzucht sind
außer den entwässerten Sumpfgegenden die Niederungen der unteren Oder,
der unteren Weichsel und des unteren Pregel, für die Pferdezucht die obere
Pregelgegend wichtige Gebiete.
Industrie. Da die Landschaft arm an mineralischen Schätzen ist, und
vor allem die wichtige Steinkohle fehlt, konnte die Industrie sich nicht so ent-
wickeln wie in Mitteldeutschland. In fast allen größeren Städten blühten
aber doch mancherlei Gewerbe auf, weil für die Erzeugnisse ein guter
Absatz vorhanden war. Besonders wurde Berlin, indem es sich als Haupt-
stadt Preußens und des Deutschen Reiches zu einer Zweimillionenstadt
(mit 2180000 E.) entwickelte, der Sitz einer sehr regen Gewerbtätigkeit, die
bedeutendste Industriestadt Deutschlands. Durch die günstige Ver-
kehrslage Berlins in der Mitte des Norddeutscheu Tieflandes wurde das
Aufblühen seiner Industrie sehr gefördert. Sowohl der Bezug der Rohstoffe,
als auch der Versand der fertigen Ware war erleichtert. Von Haupt-
zweigen der Berliner Industrie, die mehr als | Mill. Menschen be-
schäftigt, seien der Maschinenbau, die Verfertigung von elektrischen Apparaten
und die Herstellung von Bekleidungsgegenständen genannt. Inden Städten
der Lausitz blühte die Tuchindustrie auf, die durch die früher stärker
betriebene Schafzucht hervorgerufen wurde. Eine bedeutende Industrie ent-
stand auch in den meisten Küstenstädten. Diese können Rohstoffe und
Kohlen auf dem Wasserwege beziehen. Vor allem blühte der Schiffbau auf,
für den es große Betriebe in Stettin (Schiffbauwerft Vulkan), Dauzig
(Kaiserliche und Schichan-Werft) und Elbing (Schichan-Werft für den Bau
von Torpedobooten) gibt.
Verkehrslinien. Für den Verkehr liegen die Verhältnisse im Norddeutschen
Tieflande sehr günstig. Elbe, Oder und Weichsel sind schiffbar und bilden
Verkehrswege nach N. hin. Die alten westöstlichen Täler der Eiszeit aber er-
möglichten den Bau zahlreicher Kanäle, welche die Ströme miteinander in
Verbindung setzen. Aus diesen westöstlichen Kanalverbindungen kann besonders
Berlin großen Nutzen ziehen. (Nenne die wichtigsten Kanäle!) Durch einen
Großschiffahrtskanal soll Berlin mit Stettin und dadurch mit dem
Meere verbunden werden. (Welche Eisenbahnlinien laufen in Berlin zu-
sammen?)
Städte. An dem Anwachsen Berlins nahmen auch seine Vor- und
Nachbarstädte Charlottenburg (300000 E.), Rixdorf (240000 E.), Schöneberg
(175000 E.), Wilmersdorf (110 000 E.) und Spandau (85000 E.) teil.
Andre bedeutende Siedlungen im östlichen Norddeutschland sind: Potsdam
(75000 E.), die Sommerresidenz der preußischen Könige, Brandenburg
(55000 E.), Frankfurt a. d. Oder (70000E.), Posen(155000E.), Bromberg
(60000 E.), Thorn (50000 E.), Graudenz (40000 E.), Tilsit (40000 E.),
II
Geographie.
37
Königsberg (250 000 (*.), Elbiug (60 000 E.), Danzig (170 000 E.), Stettin
(235000 E.), Greifswald (25000 E.), Stralsund (35000 E.), Rostock
(65 000 E.), Wismar (25 000 E.) und Schwerin (45 000 E.).
2. Der westliche Teil des Norddeutschen Tieflandes.
Klima. Den westlichen Teil des Norddeutschen Tieflandes kann
die Linie Magdeburg—Havelmündung—Lübecker Bucht nach O. begrenzen.
Der Atlantische Ozean und die Nordsee spenden diesem Gebiete mehr Feuchtigkeit
und Wärme. Die Landschaft hat also ein feuchtes und mildes ozeanisches
oder Meeresklima. Sowohl die Sonnenhitze als auch die Winterkälte
werden durch die westlichen Winde gemildert.
Landrücken, Moorbildung, Gewässer. Auch in andrer Hinsicht weicht das
westliche Norddeutschland von dem östlichen ab. Die beiden Landrücken
setzen sich bis in dasselbe fort; aber sie sind im W. viel niedriger. Auch biegen
beide nach NW. um. Der südliche Landrücken bildet auf der linken Elbseite
die flache Erhebung der Alt mark und erreicht sein Ende in der Lüneburger
Heide (Wilseder Berge 170 m). Der Baltische Landrücken biegt als
Schleswig-Holsteinscher Landrücken schließlich sogar nach N. um. Alles übrige
Land ist sehr tief gelegen und meist eben. Darum können die Wasser nur
langsam abfließen, zum Teil sogar entbehren sie des Abflusses. So bildeten
sich an vielen Stellen, wo der Boden undurchlässig wurde, große Moore.
Von größeren Flüssen durchziehen außer der Elbe noch zwei die Land-
schaft, die Weser, die in breiter Trichtermündung östlich vom Jade-Busen
in die Nordsee fließt, und die Ems, die in den Dollart-Bnfen mündet. Die
Weser nimmt rechts die Aller und links die Hunte auf; der Ems geht die
Haase zu.
Sandschollen. Neben den sumpfigen Mooren hat im nordwestlichen Deutsch-
land auch die sandige Heide große Verbreitung. Die großen Sandmassen
stammen wie im östlichen Norddeutschland von Gletschergewässern. Sie breiten
sich ebenfalls vorwiegend auf der Außenseite, der Südwestseite der Land-
rücken aus. Auf der andern Seite lagert dagegen vorwiegend fruchtbarer
Gletscherlehm. So entspricht der Schleswig-Holsteinschen Heide im W.
das fruchtbare, seenreiche Hügelland im O. Schleswig-Holsteins. Eine dritte
Sandscholle, die des Hümlings, breitet sich noch auf der Ostseite der unteren
Ems aus. Die Heiden dienten früher fast nur zur Schafzucht, oder sie
wurden aufgeforstet. In jüngster Zeit geht in der Bewirtschaftung des
Heidelandes eine große Änderung vor sich. Der Acker- und Wiesenbau
dringt, seitdem man künstliche Düngemittel verwendet, immer weiter in die
Heide ein und damit zugleich die Rinder- und Schweinezucht. Die Schaf-
Zucht dagegen geht schnell zurück, und die Herden der Heidschnucken werden
immer seltener. Die ganz trockenen Sandlagen werden zuerst mit Birken
und Kiefern, später vorwiegend mit Eichen aufgeforstet.
38
Geographie.
II
Die Marschen; ihre Entstehung. Am Unterlauf der Flüsse und längs der
Nordseeküste breiten sich die aus sehr fruchtbarem Schlamm abgesetzten Marschen
aus. Sie sind Neuland, das von den Flüssen und vom Meere abgelagert
worden ist und noch immerfort neu entsteht. Die Marschbildung an der
Küste ist eine Folge der Ebbe- und Flutbewegung des Meeres.* Da
11. Panorama des Hamburger Hafens. (Nach der Heliogravüre des Bildes von Ernst Hesmert. Verlag
Ihr überwiegender Teil gehört dem Freihafengebiet, in welchem vom Ausland kommende Waren zollftei lagern.
Segelfchiffshafen <vorn rechts) 110 grotze Seeschiffe anlegen. Die Ufer sind mit Schuppen bebaut, vor denen
ein 34 m hohes Eisengebäude, das
die Ostsee, weil ihr die offene Verbindung mit dem Ozean fehlt, keine Ebbe-
und Flutbewegung hat, können an ihrer Küste auch keine Marschen entstehen.
In die breit geöffnete Nordsee kann sich dagegen diese Bewegung vom
Atlantischen Ozean her fortpflanzen. Sobald die Flut steigt, wird das Wasser
1 Der Spiegel großer Meere senkt und hebt sich täglich zweimal. Alle 6 Stunden
wechseln also ein Steigen und ein Fallen des Meeresspiegels miteinander ab. Das Steigen
wird Flut, das Fallen Ebbe genannt. Da diese Bewegung des Meeres, die durch die
Anziehung des Mondes und der Sonne hervorgerufen wird, in regelmäßigen Zeitabschnitten
vor sich geht, wird sie auch Gezeitenbewegung genannt.
n
Geographie.
39
der einmündenden Flüsse gestaut. Es überflutet weite Strecken Landes und
lagert auf diesen Schlamm ab. So wächst neues Land, so entstehen die Fluß-
Märschen längs des Unterlaufes der Flüsse. Auch das Meer selbst überflutet
zur Zeit der Flut weite Landstrecken und lagert aus diesen den vom Flußwasser
weithin fortgeführten Schlamm ab. Das Land wächst in die Höhe, bis es von
von Boysen & Maajch, Hamburg.) Die Hafenanlagen erstrecken sich mehr als 8 km zu beiden Seiten der Elbe,
bis sie verkauft werden. An den Kaimauern und den im Wasser eingerammten Pfählen können allein im
zahlreiche Kräne die Frachten aus dem Schiff in die Schuppen und umgekehrt heben. Der größte Kran ist
3000 Zentner zu heben vermag.
der Flut nicht mehr erreicht wird. Dann zieht der Mensch um diese Marschen
hohe Wälle, sog. Deiche, damit das Hochwasser der Flüsse und die Sturm-
fluten des Meeres abgehalten werden.
Fruchtbarkeit der Marschen. Die Marschen sind sehr fruchtbar. Die
niedrigsten, noch sehr sumpfigen Marschen dienen dem Graswuchse und der
Viehzucht, die weiter vom Meere abgelegenen, trockeneren aber sind auch mit
Getreide und andern Feldfrüchten bestellt. Einige Marschen, wie die Vier-
lande und das Alte Land bei Hamburg, dienen vor allem dem Gemüse- und
40
Geographie.
II
Obstbau und der Blumenzucht. Die Menschen haben ihre Wohnungen in den
Marschen vielfach an erhöhten und dann sandigen Stetten angelegt, die von deu
Sturmfluten nicht erreicht werden.
Nordseeknste. Die Nordseeküste setzt sich aus einer ostwestlichen und einer
südnördlichen Strecke zusammen. (Wo laufen die beiden Strecken auseinander?
Wo münden Flüsse, und welche?) Das jetzige Bild der Nordseeküste ist ein
Werk des Meeres. Früher reichte das Land viel weiter in das Meer hinein.
Aber Sturmfluten rissen viele Strecken Landes ab. Durch Einbrüche des
Meeres entstanden der Jade-Busen und der Dollart-Busen und in Holland
die große Zuidersee (spr. seudersee). Die lange Reihe der Friesischen
Inseln zeigt den früheren Verlauf der Küste an. Zwischen ihnen und dem
Festlande spielt jetzt zur Flutzeit das seichte Wattenmeer. Zur Zeit der
Ebbe ist das Wattenland frei vom Meere. — Vor der Elbmündung liegt, etwa
45km vom Festlande entfernt, die Insel Helgoland, eine hohe Buntsand-
steinklippe (s. das Buntbild).
Seefischerei, Schiffahrt, Hafenstädte. Da die Nordsee mit dem Ozean
in offener Verbindung steht, hat ihr Wasser einen hohen Salzgehalt (von 3,3 %,
gegenüber 0,6 % der Ostsee). Auch besitzt sie ein reiches Tierleben. Von der
deutschen Küste aus wird eine bedeutende Hochseefischerei betrieben, deren
Sitz hauptsächlich Geestemünde ist. Noch größere Bedeutung hat die Nord-
see für die Schiffahrt. Die Nordseehäfen bleiben während des ganzen
Winters eisfrei. Zur Anlage von Handelshäfen waren die Mündungen
der schiffbaren großen Flüsse am geeignetsten. Die einströmende Flut gestattet
auch großen Seeschiffen weit aufwärts die Einfahrt in diese. An der unteren
Elbe erblühte Hamburg (940 000 E.), an der unteren Weser Bremen
(245000 E.), und an der Emsmündung liegt Emden (25 000 E.), das mit
dem Hinterlande durch den Dortmund-Ems-Kanal verbunden ist. Dieser
soll durch den Mittelland-Kanal, der zunächst bis Hannover ausgebaut
wird, mit Berlin in Verbindung gesetzt werden. Am meisten von den drei
Handelsstädten ist Hamburg begünstigt; denn die Schiffahrtstraße der Elbe
führt in das Herz Deutschlands hinein. Alle drei Hafenstädte sind mit
großartigen Hasenanlagen ausgestattet worden, besonders Hamburg
(Bild 11) und Bremen. Die beiden Städte sind die Haupthäfen für die
Ein- und Ausfuhr Deutschlands. Ihre Vorhäfen sind Cuxhaven und
Bremerhaven (25 000 E.). Die Entwicklung der Schiffahrt rief um Ham-
bürg und Bremen zugleich einen bedeutenden Schiffbau und die des Handels
eine bedeutende Industrie hervor; letztere verarbeitet hauptsächlich ausländische
Rohstoffe. Wilhelmshaven (35 000 E.) ist der deutsche Kriegshafen für
die Nordsee mit einer Kaiserlichen Werft.
In Hamburg und Bremen haben .die beiden größten Schiffahrtsgesell-
schaften der Erde ihren Sitz, in Hamburg die Hamburg-Amerika-Linie,
in Bremen der Norddeutsche Lloyd. Jede Gesellschaft besitzt eine größere
Handelsflotte als z. B. Staaten wie Italien, Spanien, Österreich-Ungarn und
Rußland.
Helgoland. 50 km vom Festland entfernt, erhebt sich die 0,5 qkm große Sandsteinscholle der Insel, der Nest des „Heiligen Landes", aus den grünblauen
Wogen der Nordsee. Wir erblicken von NW das 50 m hohe, jäh ansteigende Nordkap und die von der Insel abgelöste „Lange Anna". Die mit dem Kabel
verankerte Telegraphenboje und das mächtige Kriegsschiff reden von der neuen Bedeutung, die das stark befestigte Eiland für den Schutz unserer Küste ge-
wonnen hat. Das Segelboot umfährt in weitem Bogen die dem Nordkap vorgelagerten, gefährlichen Klippen und wendet dann nach SO, um das Unterland,
das niedrige, engbewohnte Ostgestade, zu erreichen. Segelboote der Badegäste, die sich auf der östlich vorgelagerten Düneninsel im erfrischenden Naß des Salz-
wassers erquickt haben, streben ebenfalls dahin zurück.
II
Geographie.
41
Ostseelüste, Hafenstädte. Die Ostseeküste Schleswig - Holsteins ist
reich gegliedert. Viele Buchten, Föhrden genannt, greifen tief in das Land
ein. Der Betrieb der Fischerei und der Schisfahrt wird durch diesen Bau
der Küste begünstigt. Die wichtigsten Hafenstädte sind die alte Hansestadt
Lübeck (100000 E.), Kiel (210000 E.) und Flensburg (60000 E.). Lübeck
ist mit der Elbe durch den Elbe - Trade - Kanal verbunden. Wichtiger ist
der Kaiser Wilhelm - Kanal, der Ost- und Nordsee, die Kieler Bucht
mit der unteren Elbe verbindet. Kiel ist der Kriegshafen für die Ostsee.
Es verdankt diese Bedeutung seinem herrlichen Naturhafen. Als stärkster
deutscher Kriegshafen besitzt es eine große Kaiserliche Werft für den Bau
von Kriegsschiffen. Der Kaiser Wilhelm-Kanal wurde hauptsächlich erbaut,
damit die Kriegsflotte der Ostsee sich schnell mit der der Nordsee vereinigen
kann.
Andre Städte. Von größeren Städten sind in dem westlichen Teile
des Norddeutschen Tieflandes außer den schon erwähnten Hafenstädten noch zu
nennen: Schleswig (20 000 E.), Altona (175 000 E.), Harburg (70 000 E.),
Lüneburg (30000E.), Geestemünde (25000E.) und Oldenburg (30000E.).
3. Die Staatenbildung.
Der größte Teil Norddeutschlands gehört zum Königreich Preußen,
und zwar haben an ihm 8 Provinzen Anteil: Ostpreußen, Westpreußen,
Posen, Pommern, Brandenburg, Sachsen, Hannover und Schleswig-
Holstein. In Norddeutschland liegen ferner noch die 3 Großherzogtümer
Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg - Strelitz und Oldenburg und
die 3 Freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck.
Das Königreich Preußen. Dieser größte deutsche Staat konnte nur in
dem ausgedehnten Norddeutschen Tieflande entstehen. In der Mitte des-
selben lag Preußens Wiege. Aus der kleinen Mark Brandenburg ist dieser
Staat hervorgewachsen, zuerst zum Kurfürstentum Brandenburg, dann
im Jahre 1701 zum Königreich Preußen emporgestiegen. Der räumlichen
Gunst entsprach nicht die Gunst der übrigen natürlichen Verhältnisse. Weite
Gebiete waren unfruchtbar. Aber die hohenzollernschen Herrscher waren
eifrige Förderer der Wohlfahrt ihres Volkes, und Preußen wurde der
führende deutsche Staat.
Preußen hat eine Größe von 350 000 qkm, ist also neunmal so groß als
die Provinz Brandenburg und hat 40 £ Mill. E. (auf 1 qkm 113 E.). Für die
Verwaltung ist es in 12 Provinzen eingeteilt.
HirtS nsueö Nealienbuch. Biographic.
4
Geographie.
II
Übersicht über die Provinzen Preußens.
Nr. Namen Größe in qkm Einw in am ohner auf 1 qkm Regierungsbezirke
1. Ostpreußen....... 37000 2 55 Königsberg, Gumbinnen, Allenftein.
2. Westpreußen....... 25500 U 68 Danzig, Marienwerder.
3. Brandenburg ...... 40000 6 150 (Stadtbezirk Berlin), Pots- dam, Frankfurt a. d. Oder.
4. Pommern........ 30 000 n 56 Stettin, Köslin, Skalsund.
5. Posen......... 29000 2 69 Posen, Bromberg. Breslau, Liegnitz, Oppeln.
6. Schlesien........ 40 300 132
7. Sachsen......... 25 300 128 Magdeburg, Merseburg, Erfurt.
8. Schleswig-Holstein .... 19000 1! 92 Schleswig.
9. Hannover........ 38 500 3 77 Hannover, Osnabrück, Hil-
desheim, Lüneburg,Stade, Aurich.
10. Westfalen........ 20200 4 198 M ü n st e r, Minden,Arnsberg.
II. Hessen-Nassau...... 15 700 2i 143 Kassel, Wiesbaden.
12. Rheinland mit Hohenzollern . 28000 258 Koblenz, Trier, Cöln, Aachen, Düsseldorf.
Zusammen 350000 40^ 113
Preußen ist eine eingeschränkte Monarchie. Der König von Preußen
ist zugleich Deutscher Kaiser. Die Vertretung des Volkes heißt der Land-
tag. Dieser zerfällt in das Abgeordnetenhaus und in das Herrenhaus.
Die Haupt-und Residenzstadt Preußens ist Berlin, der Sitz der größten
Universität Deutschlands, einer Landwirtschaftlichen und Tierärztlichen
Hochschule, einer Bergakademie, einer Akademie der bildenden Künste
und einer Akademie der Wissenschaften. Preußische Universitäten gibt
es ferner in Breslau, Königsberg,Greifswald, Halle, Kiel,Göttingen,
Münster, Marburg und Bonn und in Posen eine wissenschaftliche Aka-
demie. Technische Hochschulen gibt es in Charlottenburg, Danzig,
Hannover und Aachen. Kiel besitzt eine Marineakademie, Clausthal
eine Bergakademie und Eberswalde eine Forstakademie. Von der
Bevölkerung Preußens sind sast f protestantisch und | katholisch.
Die kleineren norddeutschen Staaten. Zwischen den preußischen Provinzen
Pommern und Schleswig-Holstein liegen die beiden Großherzogtümer
Mecklenburg - Schwerin (13 000 qkm und 640 000 E., auf 1 qkm 49) und
Mecklenburg- Strelitz (2900 qkm und 105000 E., auf 1 qkm 36). Die Haupt-
städte der beiden Staaten sind Schwerin und Neu-Strelitz. Die beiden
Mecklenburg haben einen gemeinsamen Landtag. Die mecklenburgische
Universitätsstadt ist Rostock. Das Großherzogtum Oldenburg (6400 qkm
und 475 000 E., auf 1 qkm 74), dessen Hauptstadt den gleichen Namen trägt,
liegt auf der linken Seite der unteren Weser. Gleich Mecklenburg-Schwerin
stößt es ans Meer. Zu Oldenburg gehören noch die kleineren Fürsten-
tümer Birkenfeld und Lübeck.
II
Geographie.
43
Zu den drei Freien Städten Hamburg, Bremen und Lübeck gehören auch
kleine Landgebiete. Der Staat Hamburg ist 415 qkm groß und zählt 950 000 E.,
Bremen ist 260 qkm groß und hat 300 000 E., Lübeck zählt auf 300 qkm
115 000 E. Die Freien Städte haben eine republikanische Verfassung. Die
Staatsgewalt liegt in den Händen des Senats und der Bürgerschaft.
Zwei Senatoren heißen Bürgermeister. In Hamburg wurde die Deutsche
Seewarte gegründet.
V. Der Staatenbund des Deutschen Reiches.
Staaten. Das alte Deutsche Reich, an dessen Spitze die österreichischen
Kaiser standen, löste sich 1806 auf. Nach dem siegreichen Deutsch-Französischen
Kriege von 1870/71 schlössen die deutschen Fürsten den „ewigen Bund"
des Deutschen Reiches. Zu ihm gehören 26 Staaten, und zwar 4 Königreiche,
6 Großherzogtümer, 5 Herzogtümer, 7Fürsteutümer, 3 Freie Städte
und 1 Reichsland, wie folgende Übersicht zeigt:
Übersicht über die Staaten des Deutschen Reiches.
Nr.
Namen
Rang
Hauptstädte
Größe
in qkm
Einwohner
auf
1 qkm
tri
Taus.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
Preußen.....
Bayern.....
Sachsen.....
Württemberg . .
Baden......
Hessen......
Sachsen-Weimar
Mecklenburg-Schwerin
Me cklenburg-Strelitz
Oldenburg ....
Braunschweig . . .
Sachsen-Meiningen
Sachsen-Altenburg .
Sachsen-Koburg-Gotha
Anhalt ......
Schwarzburg-Rudolstadt
Schwarzburg-Sondershaus
Reuß Alterer Linie
Reuß Jüngerer Linie
Waldeck.....
Lippe-Detmold . .
Schaumburg-Lippe
Hamburg ....
Bremen.....
Lübeck ......
Elsaß-Lothringen .
Königreich
Großherzogtum
Herzogtum
Fürstentum
Freie Stadt
Reichsland
Berlin
München
Dresden
Stuttgart
Karlsruhe
Darmstadt
Weimar
Schwerin
Neu-Strelitz
Oldenburg
Braunschweig
Meiningen
Altenbnrg
Koburg
Dessau
Rudolstadt
Sondershausen
Greiz
Gera
Arolsen
Detmold
Bückeburg
Hamburg
Bremen
Lübeck
Straßburg
350000
76000
15000
19500
15000
7 700
3 600
13000
2900
6400
3 700
2470
1320
1980
2300
940
860
315
825
1120
1215
340
415
260
300
14 500
40 250
6 850
4 800
2 450
2160
1300
420
640
105
475
505
290
220
255
340
100
90
72
150
60
150
46
950
300
115
1910
113
90
320
125
144
170
117
49
36
74
137
117
166
128
148
106
104
228
181
53
123
135
2289
1171
385
131
540000 65000 120
44
Geographie.
II
Ubersicht über die deutschen Großstädte nach derZählung vom 1. Dez. 1910.
1. Berlin . . .
2. Hamburg . .
3. München . .
4. Leipzig . . .
5. Dresden. . .
6. Breslau . .
7. Cöln ....
8. Frankfurt a. M
9. Düsseldorf . .
10. Nürnberg . .
11. Hannover . .
12. Charlottenburg
13. Essen . . . .
14. Stuttgart . .
15. Chemnitz . .
16. Magdeburg .
17. Königsberg
2180000
940000
595000
590 000
550000
515000
515000
415 000
360000
335000
300000
300000
295 000
290000
290000
280000
250000
18. Bremen
19. Rixdors . .
20. Stettin . .
21. Duisburg .
22. Dortmund .
23. Kiel . . .
24. Mannheim.
25. Halle . . .
26. Straßburg .
27. Altona . .
28. Schöneberg
29. Gelsenkirchen
30. Danzig . .
31. Elberfeld .
32. Barmen. .
33. Aachen . .
34.
245000
240000
235000
230000
220000
210000
200000
180 000
180000
175000
175 000
170000
170000
170000
170000
155000
155 000
35. Posen. . .
36. Braunschweig
37. Bochum . .
38. Karlsruhe .
39. Creseld . .
40. Plauen . . .
41. Erfurt. . .
42. Mainz . .
43. Wilmersdorf
44. Wiesbaden.
45. Mülheim
a. Ruhr . .
46. Hamborn. .
47. Augsburg .
48. Saarbrücken
49. Lübeck . .
155 000
145000
140000
135000
130000
120000
115000
115000
110000
110000
110000
110 000
105000
105000
100000
Bevölkerung. Unter den 65 Mill. Einwohnern des Deutschen Reiches
befinden sich über 60 Mill. Deutsche. Man zählt 40f Mill. Protestanten,
23} Mill. Katholiken, 200000 andre Christen und fast 600000 Israeliten.
Fast H der Bevölkerung bekennen sich also zur evangelischen, etwas mehr
als i zur katholischen Kirche, und auf 100 Einwohner kommt 1 Israelit.
Die Verfassung des Deutschen Reiches. Nach der Bundesverfassung
des Deutschen Reiches hat der jedesmalige König von Preußen zugleich den
Titel, die Würde und die Rechte eines Deutschen Kaisers. Als solcher hat
er das Reich völkerrechtlich zu vertreten, ist der Oberbefehlshaber des deutschen
Kriegsheeres und der Kriegsmarine. An der Gesetzgebung nehmen der
Bundesrat und der Reichstag teil. Der Bundesrat ist eine Vertretung
der deutschen Bundesstaaten; von den 58 Stimmen desselben entfallen auf
Preußen zwar nur 17, aber 17 Stimmen genügen verfassungsgemäß, um einen
Beschluß unmöglich zu machen. Der Reichstag ist die Vertretung des deutschen
Volkes; er besteht aus 397 Mitgliedern, die aus 5 Jahre durch geheime, unmittel-
bare Wahl bestimmt werden. Die Verwaltungsgeschäfte des Deutschen Reiches
leitet der Reichskanzler, der meist zugleich preußischer Ministerpräsident ist.
Heer und Flotte. Das deutsche Heer hat eine Friedensstärke von
620 000 Mann. Es ist in 23 Armeekorps eingeteilt. Die Kriegsmarine
zählte am 1. April 1908 50500 Mann und 130 Kriegsschiffe (ohne Torpedo-
boote). Starke Festungen sind Straßburg, Metz, Cöln, Posen, Thorn und
Königsberg. Die Hauptkriegshäfen sind Kiel und Wilhelmshaven.
Zollgebiet; Außenhandel. In das Zollgebiet des Deutschen Reiches
(zum deutschen Zollgebiet gehört auch Luxemburg) wurden i. 1.1908 Waren im
Werte von 7660 Mill. Mark eingeführt und im Werte von 6400 Mill. Mark ausge-
führt. An der Einfuhr waren am meisten Rußland, die Vereinigten Staaten,
Großbritannien, Österreich-Ungarn, Frankreich und Argentinien beteiligt. Die
Hauptabnehmer der deutschen Erzeugnisse waren Großbritannien, Osterreich-
Ungarn, die Vereinigten Staaten, die Niederlande, die Schweiz und Rußland.
Zweiter Teil.
Die Landschaften Europas.
Europa im allgemeinen.
Größe und Lage. Unter den 5 Erdteilen ist Europa der zweitkleinste. Es
ist etwa 10 Mill. qkm groß und hat über 400 Mill. E. Mit Asien hängt es im
O. zusammen; im Vergleich zu diesem riesigen Erdteile erscheint es fast wie
eine Halbinsel. Gleich Asien liegt es auf der Nördlichen Halbkugel. Zu Afrika
liegt Europa nördlich. Beide werden durch das Mittelländische Meer getrennt.
Um nach Amerika zu gelangen, muß man den Atlantischen Ozean durchfahren.
Im N. wird Europa vom Nördlichen Eismeere bespült.
Gliederung der Küste. Europas Küste ist reich gegliedert. An seinen
Rumpf, der sich nach W. stark verschmälert, hängen sich große Halbinseln an,
und zahlreiche Inseln umgeben ihn. Auf die Halbinseln und Inseln entfällt
ein Drittel der Oberfläche des Erdteils. (Suche auf der Karte die größeren
Halbinseln und Inseln und die Meeresteile dazwischen auf!)
Gliederung der Oberfläche. Auch die Oberfläche Europas ist reich
gegliedert. In Westeuropa erhebt sich das Hochgebirge der Alpen, und die
Halbinseln und Inseln tragen hohe Gebirge. Osteuropa aber ist Verhältnis-
mäßig eben, tiefgelegen und wenig gegliedert. Die mittlere Erhebung Europas
beträgt etwa 300 m.
I. Mitteleuropa.
Übersicht. Als Mitteleuropa können wir den westlichen, schmäleren Teil
des Rumpfes von Europa bezeichnen; denn er wird fast ringsum von andern Land-
massen des Erdteils umgeben. Beinahe in seiner Mitte, etwas nach S. gerückt,
erhebt sich das Hochgebirge der Alpen. Nach vier Seiten dacht sich von ihm
das Land ab. Die nördliche Abdachung bildet Deutschland, die westliche
das Französische Mittelgebirge und Flachland und die östliche das
Donau- und Karpatenland. Die südliche Abdachung ist sehr kurz. An
das Französische Flachland schließt sich noch das Mündungsland des Rheins,
der Maas und Schelde an.
1. Das Hochgebirge der Alpen.
Gliederung und Einteilung der Alpen. Das Hochgebirge der Alpen setzt
sich aus vielen Gebirgsfalten und Gebirgsgruppen zusammen.
46
Geographie.
n
Man kann die Alpen auf zweierlei Weise einteilen, von N. nach S.
und von W. nach O. Bei der ersten Einteilungsweise entstehen Längszonen.
Man unterscheidet die niedrigeren Voralpen im N. und S. und die höheren
Hauptalpen in der Mitte. Auch in der Gesteinsart weichen die Alpenketten
voneinander ab. Die Hauptalpen bestehen meist aus dem harten Urgestein der
Erde (Gneis, Granit und Glimmerschiefer), die Voralpen vorwiegend aus
Kalkgestein, weshalb sie auch im O. Kalkalpen genannt werden. Die Haupt-
alpen sind stark vergletschert, während die Voralpen nur in einigen Punkten
die Schneegrenze erreichen.
12. Die drei Zinnen (3000 m) in den Dolomiten.
Nach der zweiten Einteilungsweise der Alpen kann man die Westalpen
und die Ostalpen unterscheiden. Der Splügenpaß bildet die Grenze zwischen
beiden. Die Westalpen sind höher als die Ostalpen. Einen bedeutenden Unter-
schied zeigen sie in ihrer Richtung. Die Westalpen haben zuerst eine südnörd-
liehe Richtung und schwenken allmählich nach NO. um. Die Ostalpen haben
eine östliche Richtung und strahlen zuletzt nach NO. und SO. auseinander. Den
Westalpen fehlt die südliche Voralpenzone.
Alpenzüge und Alpengipfel. Ein wichtiger Gebirgsstock in den West-
alpen ist der St. Gotthard. Von ihm strahlen viele Alpenzüge und Flußtäler
aus. Die mächtigsten Hochgebirgsgruppen der Westalpen sind die Finster-
aarhorn-, Monterosa- und Montblanc-Gruppe (spr. monbla« Montblanc --
weißer Berg). Montblanc (4800 m) und Monterosa (4640 m) sind die
beiden höchsten Alpenberge. Der stolzeste Alpengipfel aber ist das Matter-
Horn (4480 m) und einer der berühmtesten die Jungfrau (4165 m) im Bern er
II
Geographie.
47
Oberlande. In den Ostalpen sind die Bernina-Gruppe, die Ortler-Gruppe,
die Ötztaler Alpen und die Hohen Tauern die mächtigsten Gebirgsglieder, die
auch am stärksten vergletschert sind. Die beiden höchsten Berge im östlichen
Alpengebiete sind der Piz Bernina (4050 m) und der Ortler (3900 m),
einer der bekanntesten ist der Groß-Glockner (3800 m, Bild 13). Durch
unvergleichliche Schönheit zeichnen sich die Dolomiten in der südlichen Kalk-
alpenzone aus, die in den kühnsten Felsformen emporsteigen (Bild 12).
Die Entstehung der Alpen. Nicht immer schmückte das He chgsbirge der Alpen
den Boden Europas. Einst war das jetzige Alpengebiet vom Meere bedeckt. Dieses
13. Pasterzengletscher am Erotz-GIockner (3800 m).
Der größte Gletscher der österreichischen Alpen ist die von den Firnfeldern der Glocknergruppe gebildete
10 km lange Pasterze. Am Futze des stolz hervorragenden Groß-Glockners zieht sich ihre von Längs- und
Querspalten zerrissene Eismasse vom Kamme der Tauern hinab,
lagerte durch die Kalkschalen winziger Tierchen mächtige Kalkschichten ab. Das Kalk-
gebirge hob sich, und das Meer verschwand. Die Erde, die sich einst in einem wär-
meren Zustande befand, schrumpfte bei der Abkühlung immer mehr zusammen. Wie
sich auf einem gebratenen Apfel, wenn er erkaltet, Runzeln bilden, so auch auf der
Erde. Diese Erdrunzeln aber bildeten mächtige Gebirge. Auch auf dem jetzigen Alpen-
gebiete entstand eine solche Erdrunzel. Hierbei wurden Schichten der Erdrinde,
die sich einst in tiefer Lage befanden, emporgewölbt! Sie bilden jetzt die Haupt-
alpen. Die Kalkschichten und die wieder zusammengekitteten Gesteiustrümmer aber
wurden nach S. und N. geschoben und dabei ebenfalls hoch aufgerichtet; sie bilden
heute die Voralpen.
Mit der Aufrichtung der Alpen begann auch gleich deren Zerstörung. Besonders
die sprengende Tätigkeit des Frostes förderte die Verwitterung des Gesteins. Die
Gewässer, die Gletscher und Flüsse, trugen nicht bloß das lockere Erdreich fort, sondern
furchten auch Mulden und tiefe Täler aus. Von der gewaltigen Erdmnzel der Alpen
blieb nur ein Trümmergebirge übrig, wie wir es heute sehen.
43
Geographie.
n
Klima und Pflanzenwuchs. Infolge ihrer bedeutenden Höhe haben die
Alpen ein kaltes Klima. Nur die tiefen Täler sind warm, da sie auch vor den
Winden geschützt sind. Mit der Höhe nimmt die Wärme immer mehr ab. Bei
1800 ni Höhe verschwinden im allgemeinen die Wälder, und nur noch ein
krüppelhafter Holzwuchs bekleidet den felsigen Boden. Bald verschwinden die
Holzgewächse ganz. Nur noch Gräser und kleine Kräuter dauern aus. Herr-
lich schmückt die rote Alpenrose die höher gelegenen Matten, und auf fast
unzugänglichen Flächen wächst das Edelweiß. In einer Höhe von 2600 m liegt
die Schneegrenze an der Nordseite.
Während die Wärme mit der Höhe abnimmt, nimmt die Regenmenge
zu. Die Zunahme hält aber nicht an. Über 2000 m Höhe fallen wieder
weniger Niederschläge, weil der Feuchtigkeitsgehalt der Lust zum Teil ver-
zehrt ist. Große Schneemengen gehen auf dem Hochgebirge nieder.
Die Gletscher der Alpen. Den herrlichsten Schmuck der Alpen bilden die
Gletscher. Das Gletschereis entsteht aus dem Schnee, der tagsüber an der
Oberfläche taut und nachts wieder gefriert. Mehr noch wird durch den ge-
waltigen Druck, den die Schneemassen aufeinander ausüben, ihre Umwandlung
in den körnigen Firn und in das schmiegsame Gletschereis gefördert.
Allmählich würde sich auf den Alpen eine mächtige Gletscherdecke bilden, wenn
kein Abgang des Firns stattfände. Auf geneigter Bahn aber müssen Schnee
und Eis unter dem Druck der höher liegenden Massen in der weiten Firn-
mulde langsam nach der Tiefe rücken. Beim Talwärtsgleiten schließen sie sich
immer mehr zusammen. So bildet sich ein langsam nach der Tiefe vorrückender
Eisstrom, die Gletscherzunge. Diese besteht aus klarem Eis, das hierund da
blau schimmert und von tiefen Spalten durchsetzt ist. Immer tiefer gleitend,
gelangt der Eisstrom in wärmere Luftschichten. Wo das Schmelzen des Eises
schneller vor sich geht als die Bewegung des Eises, liegt das Ende des Gletschers.
Das von der Oberfläche durch Spalten auf den Grund strömende Schmelz-
Wasser bricht dort als starker Bach aus dem Gletschertore hervor. Die
Gletschergewässer haben anfangs eine milchig-trübe, nach ihrer Klärung
aber eine grünliche oder bläuliche Färbung. Im Sommer sprudeln sie in
reicher Wasserfülle (warum?). So bilden die Gletscher die nie versiegenden
Quellen der Flüsse.
Moränenbildung. Alles Gestein, das sich von den hohen Bergwänden löst,
rollt in die Firnmnlden und auf die Gletscher; diese schleppen die Gesteins-
trümmer fort. Es bilden sich auf der Gletscheroberfläche Streifen von Fels-
blocken; viele Felsblöcke aber fallen in die Spalten des Gletschers. Sie werden
allmählich durch den Widerstand von Eis und Gestein abgerundet oder ganz zer-
rieben. Auch die Felsflächen, über die der Gletscher rutscht, werden abgescheuert,
„abgehobelt". Auf diese Weise bildet sich am Grunde desselben fein zerriebenes
mit kleineren Steinen durchsetztes Erdreich, die Grundmoräne. Sie stellt ge-
wissermaßen die Walze dar, auf der die riesige Eismasse sich vorwärts schiebt. An
seinem Ende lagert der Gletscher sowohl die Felsblöcke der Oberflächenmoräne als
die auch aus fruchtbarem Schlamm und aus Sand bestehende Grundmoräne ab.
3cH am See. Nahe dem linken Ufer der reißenden Salzach blinkt aus den grünen Matten eines schmalen Tales ein mit allen Reizen der Alpcnroclt
ausgestatteter Seespiegel hervor. Der liebliche Ort Zell schmückt die Halbinsel, die von Eießbächen der aussichtsreichen Schmittenhöhe in den See hinein-
gebaut ist. Auf der Mitte des Sees und am östlichen Ufer erschließt sich ein überwältigender Blick auf die im silbernen Eletscherschmuck glänzenden Hohen
Tauern. Die nördlichen Vorposten des Großglockners beherrscht die kühngeformte Pyramide des Äitzsteinhornes (3204 m).
II
Geographie.
49
Die Alpenslüsse. Von der Gletschermilch, dem weißlichtrüben Gletscher-
Wasser, trinken die Alpenbäche, die in alle Täler hinabtosen. Die wilden
Gletscherbäche sammeln sich und bilden Flüsse und Ströme. Nicht überall der-
breiten sie Segen; denn sie führen auch viel Geröll mit sich. Manche bedecken
damit den Boden der Täler und nehmen diesen alle Fruchtbarkeit.
Die bedeutendsten Alpenflüsse sind der Po, der Rhöne, der Rhein,
(= Fluß), der aus den Alpen durch die Aare und Reuß, die Donau, die
durch den Inn, die Drau und die Sau verstärkt wird, ferner die Etsch.
Die Alpenseen. Sowohl den nördlichen wie auch den südlichen Alpenrand
schmücken zahlreiche Alpenseen. (Über deren Entstehung vgl. S 3. Nenne
die größten Alpenseen!)
Der Mensch in den Alpen. Der Mensch kann in den Alpen fast nur die
warmen Täler bewohnen. Auf den Alpenmatten aber weidet er während
des Sommers sein Vieh; er treibt Alpenwirtschaft. Im Gebiete der Vor-
alpen wird die Alpenwirtschaft stärker betrieben als in den Hauptalpen. Außer
der Viehzucht bilden auch Holzschnitzerei und allerlei andre Gewerbe Er-
werbsquellen der Alpenbewohner. Zwischen dem Vierwaldstätter und dem
Bodensee blüht die Baumwollweberei, in Basel und Zürich die Seiden-
industrie, in Genf und auf dem Jura-Gebirge, das den Alpen im NW. vor-
gelagert ist, die Uhrenherstellung, in Zürich und Winterthur der Maschinenbau.
Auch dieBewirtung der vielen Fremden, welchedieAlpenbesuchen, ernährt
viele Menschen. Ackerbau kann nur in den breiteren Tälern und im Vorlande
der Alpen betrieben werden. Viel verbreitet ist der Obstbau, und in vielen
Tälern, besonders den südlichen, spielt auch der Weinbau eine wichtige Rolle.
An mineralischen Schätzen, wie Salz, Eisen, Quecksilber, sind die Ost-
alpen ziemlich reich; auch kleine Lager von Steinkohlen kommen vor.
Im Verkehr mit der großartigen Natur des Hochgebirges hat derAlpenbewohner
sich zu einem eigenartigen Menschen entwickelt. Er ist tatkräftig, unternehmend
und erfinderisch; er zeigt ferner eine starke Heimat- und Vaterlandsliebe
und hängt treu an dem von den Vätern Ererbten. Infolgedessen konnten sich auch
alte Volksfeste und Volkstrachten bis heute erhalten. Bekannt ist die Gast-
freundschaft der Alpenbewohner, ihre Liebe zur Poesie, Malerei und Kunst.
Das Wohnen in abgeschlossenen Tälem hat günstige und ungünstige Wirkungen
ausgeübt. Mit der Frömmigkeit ist oft ein starker Aberglaube verbunden. Neuerungen
ist der Alpenbewohner, abgesehen vom Schweizer und Franzosen, wenig zugänglich.
Handel und Verkehr. Da es den Alpen an Getreide und gewerblichen Roh-
stoffen fehlt, ist ein bedeutender Handelsverkehr erforderlich. Dem Verkehr
stehen große Schwierigkeiten im Wege. Mit Scharfsinn und Tatkraft wurden
aber in den Alpen großartige Verkehrsanlagen geschaffen, die zugleich
dem starken Reiseverkehr dienen. Neben den Saumpfaden, die über die
Alpenpässe führen, entstanden schöne Kunststraßen und Eisenbahnlinien
mit großartigen Brückenbauten und Tunnels. Auch zahlreiche Drahtseil- und
Zahnradbahnen wurden erbaut.
Die wichtigsten Pässe der Alpen sind Mont Eenis-, Simplon-,
St. Gotthard-, Splügen-, Brenner- und Semmering - Paß. Alle
50
Geographie.
II
genannten mit Ausnahme des Splügen-Passes sind jetzt mit Eisenbahnen aus-
gestattet. (Zwischen welchen Ländern vermitteln diese den Verkehr?) Nörd-
lich und südlich von den Alpenpässen blühten sog. Paßstädte auf. (Nenne
solche!)
Staatenbildung. Die Alpen scheiden Länder und Völker. Wo die Bewohner
mehrerer Täler leichter in Verkehr treten konnten, entstanden kleine Alpen-
staaten. Diese fielen meist den Nachbarstaaten zur Beute. Nur die Schweiz
blieb selbständig. In das übrige Alpengebiet teilten sich Italien, Frankreich,
das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn.
Die Schweizer Eidgenossenschaft ist ein Bundesstaat, der aus 22 Kan-
tonen besteht und etwas größer als die Provinz Brandenburg ist. Auf
41 400 qkm zählt sie 3| Mill. E. (auf 1 qkm 75 E.). An der Spitze des
Staates steht ein Präsident. Im größten Teile der Schweiz wird deutsch, im
W. französisch, im S. italienisch gesprochen.
Städte. Die Bundesstadt der Schweiz ist Bern (70000 E.). Andre Städte
sind Gens (120000 E.), Lausanne (50000 E.), Luzern (30000 E.), Basel
(130 000 E.), Zürich (190 000 E.) und St. Gallen (50000 E.).
Als Alpenstaat kann neben der Schweiz auch Österreich-Ungarn gelten,
zu dem das Gebiet der Ostalpen mit den Städten Innsbruck (30 000 E.),
Salzburg (35 000 E.), Bozen, Trient und Graz (140 000 E.) gehört.
2. Das Österreichisch-Ungarische Donau- und Karpatenland
nebst dem Böhmischen Becken.
Umfang und Gliederung der Landschaft. Fast den ganzen Wasserabfluß
des östlichen Alpengebiets sammelt die Donau. Sie führt ihn nach SO. ab.
Zwischen dem Böhmisch-Bayrischen Waldgebirge und den Alpen durchbrechend,
erreicht sie ein großes Tiefland. Dieses ist zwischen dem östlichen Alpenrande
und den Karpaten eingesenkt, welche die große Landschaft im N., O. und SO.
einschließen. Das weite Tiefland wird nach seinen Bewohnern Ungarische
Tiefebene genannt; es zerfällt wieder in die Kleine oder Oberungarische
Tiefebene im NW. und in die Große oder Niederungarische Tiefebene
im SO. Dem Donau- und Karpatenlande ist im NW. noch das Böhmische
Becken anzugliedern, das von der Elbe nach N. hin entwässert wird.
Das Böhmische Becken bildet ein Gebirgsviereck. (Nenne die deutschen
Gebirge, die es umgeben!) In SO. wird es von dem sanft ansteigenden
Mährischen Landrücken abgeschlossen. Seine Seiten sind also nach den
Neben-, seine Ecken nach den Haupthimmelsgegenden gerichtet. Am tiefsten
liegt das Land im N. Dort hat einst ein tiefer Abbruch vom hochragenden
Erzgebirge stattgefunden. Nach der tiefen Senke drängten sich die Gewässer
hin und wurden einst zu einem See aufgestaut, bis die Elbe im N. einen Ab-
fluß über das Elb-Sandsteingebirge gefunden hatte. Indem sie ihr Durch-
n
Geographie.
51
bruchstal immer mehr vertiefte, entleerte sich der große See. Seine fruchtbaren
Ablagerungen aber blieben zurück. Die Elbe kommt vom Riesengebirge und
macht zuerst einen Bogen nach S., ehe sie die Richtung nach N. einschlägt.
Von S. fließt ihr die Moldau, von W. die Eger zu. (Quelle dieser Flüsse?)
Während der sehr waldreiche S. des Böhmischen Beckens vorwiegend der
Forstwirtschast und dem Ackerbau dient, zeichnet sich der an Braunkohlen über-
aus reiche N. durch vielseitigen Anbau aus. In seinem westlichen Teile wird
viel Hopsen-, im mittleren Obst-, im östlichen Zuckerrüben- und Flachsbau
betrieben. Auf den Hopfenbau gründet sich die Blüte der böhmischen Bier-
brauerei, deren Hauptsitz Pilsen (50000 E.), im Mittelpunkte eines wichtigen
Steinkohlenbeckens, ist. Das Obst aus dem mittleren Böhmen wird in großen
Mengen versandt, besonders nach Berlin, und der Flachs des östlichen Böhmens
wird von einer bedeutenden Flachsindustrie verarbeitet, der die Kohlenlager
die Betriebskraft liefern. Sie blüht hauptsächlich am Sudetenrande, wo auch
andre Zweige der Weberei und die Glasindustrie wichtig geworden
sind. Ein wichtiger Fabrikplatz ist dort Reichenberg. Das mittlere Böhmen
ist reich an Eisen und Kohlen; daher konnte die Eisenindustrie aufblühen.
Hauptsitz des Handels und der Industrie wurde das herrlich gelegene Prag
(mit den Vororten 520 000 E).
DaS Stromnetz der Donau und die Ungarische Tiesebene. Die Donau
behält von Linz (60000 E.) ab zunächst eine vorwiegend östliche Richtung bei.
Bei Wien (fast2Mill.E.) tritt sie in das Tiefland des Wiener Beckens ein. In
diesem empfängt sie von N. die aus Mähren kommende March, die zuletzt das
unfruchtbare Marchfeld durchzieht. Bei Preßburg (über 50 000 E.) treten
die Kleinen Karpaten an die Donau heran, die das Wiener Becken im O.
abschließen. Nun öffnet sich dem Strome die Kleine oder Oberungarische Ties-
ebene. Die Donau teilt sich in drei Arme und umfließt die fruchtbaren Niede-
rungert der Großen und Kleinen Schütt. Links empfängt sie die Waag.
Dann engen der Bakonyer Wald (spr. bäkonjer) und Ausläufer der Kar-
Paten den Strom ein, und bald biegt die Donau unter rechtem Winkel nach
S. um. Sie beginnt nun den Lauf durch die Große oder Niederungarische
Tiesebene. Prächtig ist das Bild der glanzvollen ungarischen Hauptstadt Buda-
Pest (950000 E.), die sich zu beiden Seiten der Donau ausbreitet. Die Große
Ungarische Tiefebene nimmt die neunfache Fläche der Kleinen Ungarischen Tief-
ebene ein. Da ihre Oberfläche wenig geneigt ist, fließt die Donau nur
träge dahin. Breite Sumpfstreisen begleiten ihren Lauf. Nach Aufnahme
der Drau wendet sie sich nach SO. Von N. geht ihr die Theiß zu, dann
von rechts die Sau. In der großartigen Stromschlucht von Kazan durch-
bricht die Donau das Endstück der Karpaten und fließt dann über die der
Schiffahrt sehr hinderlichen Felsklippen des Eisernen Tores. Sie
mündet in das Schwarze Meer.
Während die Donau die Große Ungarische Tiefebene an ihrem Westrande
durchfließt, durchzieht die Theiß ihre Mitte. Sie ist also eigentlich der Haupt-
ström der Landschaft. Auf den Karpaten entspringend, eilt sie auf dem
52
Geographie.
II
Oberlaufe schnell dahin (daher Theiß = rascher Fluß). Mit dem Eintritt in die
Tiefebene nimmt sie aber gleich der Donau einen trägen, schleichenden Lauf
an. Die Stauung der Donaugewässer im Engpaß von Kazan bewirkt, daß
Donau und Theiß bei Hochwasser ihre User häufig überschwemmen.
Klima und Steppennatur der Großen Ungarischen Tiesebene. Nur die
breiten Sumpfstreifen der Flüsse sind feucht; das übrige Land ist trocken. Endlos
breiteten sich früher die mit hartem Gras oder Heide und Büschen bewachsenen
ungarischen Pußten aus (Bild 14). Es war ein Steppenland, das all-
mählich mit der Zunahme des Ackerbaues an Umfang abgenommen hat. In-
folge der weiten Entfernung vom Ozean und seiner tiefen Lage ist Ungarn vom
Meereseinfluß abgeschnitten. Es hat ein echtes Landklima. Der Sommer
ist sehr heiß und trocken, der Winter kalt. Sowohl die Sommerhitze als auch
die Winterkälte hemmen deü Holzwuchs. Ein weites Gebiet zu beiden Seiten
der Theiß ist ohne Holzwuchs, hat also echte Steppennatur. Nach den
Rändern des Landes hin nimmt mit den Niederschlägen auch der Baum-
wuchs zu.
Der Mensch in der Großen Ungarischen Tiefebene und seine Erwerbs-
quellen. Vor etwas mehr als 1000 Jahren wanderte in die Ungarische Tief-
ebene das Reitervolk der Ungarn ein. Es kam aus den Steppen Asiens.
Die neue Heimat war der alten ähnlich. Auf den weiten Pußten blieb es
ein Reitervolk. Noch heute liebt der Ungar vor allem sein feuriges Roß,
und auf die Pferdezucht wird großes Gewicht gelegt. Auch große Schas-
Herden werden gehalten, und desgleichen sind Schweine- und Geflügelzucht be-
deutend. Der Rindviehbestand ist erst mit der Verbreitung des Ackerbaues
größer geworden. Der Getreidebau wird jetzt stark betrieben; denn der
Boden ist meist recht fruchtbar. Viel verbreitet ist der Löß, d. i. eine vom
Winde aus Steppenländern als feiner Staub zugetragene oder von Flüssen
angeschwemmte, tonige und kalkige, durch Sandkörner gelockerte Erdart. Die
Hauptgetreidearten sind Mais und Weizen. Das warme Klima begünstigt
auch den Weinbau, der stark betrieben wird. Der Obstbau hat sich nur in
den Randgebieten verbreiten können. (Warum nicht in der Steppe?)
Die Ortschaften sind in der Großen Ungarischen Tiefebene auffallend
groß und wenig zahlreich. Sie gleichen an Ausdehnung und weitläufigem
Bau noch den riesigen Zeltlagern der Vorfahren. An die Stelle des Zeltes
ist nur das feste Haus getreten. Das flinke Roß trägt die Bewohner schnell
nach den entlegenen Feldern.
Die Karpaten. Den langen Bogen der Karpaten teilen wir in drei
Gebirgsabschnitte, in die West-, die Ost- und die Südkarpaten.
Die Westkarpaten bestehen aus mehreren parallelen Gebirgszügen, die
bogenförmig angeordnet find. Der äußere Zug, der von den Beskiden ge-
bildet wird, ist der mächtigste, die südlich von ihm gelegene Hohe Tatra
aber der höchste. Diese bildet den Kern der Westkarpaten. Als eine ge-
waltige Felsmauer steigt sie stell empor und erreicht in der Gerlsdorfer
54
Geographie.
n
Spitze eine Höhe von 2660 m. Der bogenförmigen Anordnung der Gebirgs-
znge entsprechend, haben die Flüsse auch einen bogenförmigen Lauf, be-
sonders die Waag. Nach S. strahlen die Westkarpaten breit aus.
Die Ostkarpaten bilden einen fast ungegliederten Gebirgswall von
1000—1200 m Durchschnittshöhe, der nach SO. gerichtet ist. Wegen ihres
reichen Waldschmucks werden sie auch Waldkarpaten genannt.
Die Südkarpaten sind wieder vielgestaltiger. Sie umrahmen das
400—600 m hoch gelegene Hochland von Siebenbürgen. Namentlich
dessen Südrand wird von einem mächtigen, mauerartig aufsteigenden Kamm-
gebirge, den Transsilvanischen Alpen, gebildet. Diese erheben sich im
Negoi bis zu 2560 m, senken sich aber im Roten Turm-Paß bis zu 350 m.
Der Aluta oder Alt, der Siebenbürgen entwässert, fließt durch diese Lücke ab.
Die Karpatenländer besitzen außer großen Wäldern auch einen bedeuten-
den Reichtum an Bodenschätzen. Die West- und die Südkarpaten sind
reich an Eisen; auch gold- und silberhaltige Erze werden gewonnen. Der
Hauptreichtum der Karpaten besteht aber in riesigen Salzlagern. Diese
werden in Siebenbürgen und auf der Nordseite des Karpatenzuges abgebaut
(Steinsalzwerk Wieliczka, spr. wjelitschka). Der Nordost- und Ostrand der Kar-
Paten liefert ferner viel Erdöl, also Petroleum, und Erdwachs. Das Hoch-
land von Siebenbürgen dient vorwiegend dem Ackerbau und der Vieh-
zu cht. Statt Mais und Weizen wird aber hauptsächlich Roggen angebaut.
Wein gedeiht nur noch in den westlichen Tälern.
Staatenbildung. Die Landschaft bildet zusammen mit dem östlichen Alpen-
gebiete die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Dieselbe zerfällt in das
Kaiserreich Österreich und das Königreich Ungarn, die ziemlich selbständig
nebeneinander stehen. Der ganze Staat hat einen Flächeninhalt von 675 000 qkm,
ist also um i größer als das Deutsche Reich und zählt 49 Mill. E. (Bosnien
und Herzegowina mitgerechnet.)
Städte. Die Hauptstadt Österreichs ist Wien (2 Mill. Cr.). Da die Stadt
an der Donau den Handelsverkehr zwischen West- und Osteuropa und zwischen den
südlichen und nördlichen Ländem vermittelt, wurde sie ein bedeutender Handels- und
Jndustrieort. Andre bedeutende Städte in der österreichischen Reichshälste sind Prag
(mit den Vororten 520 000 E.), Brünn (110 000 E.), Graz (140 000 E.), die in
Galizien gelegenen Städte Krakau (75000 E.) und Lemberg (160000 E.) und
der Ausfuhrhafen Trieft (190000 E.) am Adriatischen Meere.
Die Hauptstadt von Ungarn ist Budapest (950000 E.), das an der Donau
ebenfalls eine günstige Lage hat und in jüngster Zeit zu einer sehr glanzvollen Stadt
erblüht ist. Von andem Städten in der ungarischen Reichshälfte seien noch Preß-
bürg (über 50 000 E.), die alte ungarische Krönungsstadt, Szegedin (spr. ßegedin,
90000 E.), Debreczin (spr. debrezen, 75000 E.), Agram (60000 E.), die Haupt-
stadt von Slawonien, die siebenbürgischen Städte Kronstadt, Hermannstadt und
Klausenburg und am Adriatischen Meere die Hafenstadt Fiume genannt.
Volksstämme. Die Bevölkerung Osterreich - Ungarns bildet ein buntes
Völkergemisch. In der österreichischen Reichshälfte steht den Deutschen,
die besonders die Alpenländer, das Donaugebiet und den NW. und NO. Böhmens
bewohnen, eine an Zahl stärkere slawische Bevölkerung gegenüber. Letztere setzt
sich besonders aus den Tschechen in Böhmen lind Mähren und den Polen und
n
Geographie.
55
Ruthenen in Galizien zusammen. In der ungarischen Reichshälfte bilden
die Ungarn nicht ganz die Hälfte der Bevölkerung. Im SW. sitzen Slowenen, im
SO. Rumänen und Deutsche. Letztere sind besonders in Südungarn, in der
Oberungarischen Tiefebene, in Nordungarn und in Siebenbürgen vertreten.
3. Das Französische Mittelgebirge und Flachland.
Das Rhönegebiet und die Riviera. Die Gewässer des westlichen Alpen-
gebiets sammelt der Rhöne. Er führt dieselben nach SW. fort. Vor einem
Gebirgswalle muß er bei Lyon nach S. umbiegen. Hier nimmt er die
Saöne (spr. ßön) mit dem Doubs (spr. duh) auf. Die Richtung nach S.
behält der Rhöne bei. Auf beiden Seiten wird er von Gebirgen begleitet.
Westlich von Marseille (spr. marßefj, 590 000 E.) mündet er, ein Delta
bildend, in das Mittelländische Meer.
16. Nizza an der französischen Riviera Zu den anmutigsten und vornehmsten Städten der stanzt
sischen Riviera gehört das einst italienische Nizza, das seit seiner Zugehörigkeit zu Frankreich einen auher-
ordentlichen Aufschwung genommen hat und im Winter und im ersten Frühjahr der Lieblingsaufenthalt
zahlreicher Kurgäste aus allen Ländern ist.
Von herrlicher Schönheit ist die Küstenlandschaft des Mittelländischen
Meeres östlich von Marseille und dem französischen Kriegshafen Toulon
(spr. tuloNg, 100 000 E.). Die Ausläufer der Alpen treten dort unmittelbar
an das Meer und gestalten zusammen mit diesem die großartigen Landschafts-
bilder der Riviera. Durch den Zauber des künstlich hierhin eingebürgerten
südländischen Pflanzenlebens wird ihre Schönheit noch erhöht. Namentlich
die Umgebung der Rosenstadt Nizza (110 000 E.) ist mit einem großen Palmen-
und Rosengarten zu vergleichen (Bild 15).
56
Geographie.
n
Das Französische Mittelgebirge. Der hohe Gebirgswall, der das Rhönetal
im W. abschließt, bildet den Ostabfall der großen Gebirgsscholle Mittel-
frankrei chs. Im S. führt er den Namen Cevennen. Diese ragen als eine wild-
zerrissene, 1000—1500 in hohe Felsmauer auf. Nach N. setzen sich an diese
niedrigere Waldgebirge an. So entsteht eine Gebirgsreihe von 5001cm
Länge. Von der Garonne im S. erstreckt sich dieselbe bis zum Südende des
Wasgenwaldes, eine 8-Form zeigend. Die kohlen- und eisenreichen Senken
von St. Etienne (spr. etiann, 150 000 E.) und Le Creuzot (spr. lö kröso)
bilden für den Verkehr wichtige Lücken.
Nach NW. senkt sich die Gebirgsscholle Mittelfrankreichs langsam. Sie
bildet weite, eintönige Hochflächen. Nur die tief eingeschnittenen Täler
der Loire (spr. war') und des Allier (spr. alje) sowie der nach W. ziehenden
Flüsse unterbrechen den einförmigen Bau der Oberfläche. In dem Gebiete
der Auvergne (spr. owerns) ist das Land jedoch auch mit kegelartigen oder kup-
pigen Bergformen geschmückt. Stolze Vulkankuppen ragen dort empor, wie
der Cantal (spr. kaNgtall, 1860 m), der Mont Dore (spr. moNg dohr, 1890m)
und der Puy de Dome (spr. püi dö döm', 1460in). Nach W. und NW. geht
die Gebirgsscholle Mittelfrankreichs allmählich in Hügellandschaften über,
und diese säumen das flache Tiefland.
Das Französische Tiefland. Ein weites Tiefland schließt sich an die
Gebirgsscholle Mittelfrankreichs nach W. und NW. an. Nicht überall ist dieses
so eben wie in der eigenartigen Heide- und Waldlandschaft der Landes (spr.
lah"d') westlich von der unteren Garonne. Eine wellige Hochlandsplatte
bildet die weit vorspringende Halbinsel Bretagne. Auch das Gebiet im
weiten Umkreise von Paris ist nicht ganz eben. Die Hauptstadt Frankreichs
wird an der Ostseite von mehreren Reihen von Erhebungen halbring-
artig umgeben. Da auch im W. und NW. einzelne Erhebungen sich finden,
so entsteht ein Becken, das Pariser Becken, in dessen Mitte ungefähr die
Hauptstadt liegt.
Die Randgebirge Frankreichs. Das große westliche Abdachuugs-
gebiet der Alpen, das wir Frankreich nennen, reicht im S., W. und NW. bis
zum Meere. Im SW. und im O. aber wird es durch Gebirge abgegrenzt. Im
SW. erhebt sich die Gebirgsmauer der Pyrenäen, deren Zug vom Mittel-
ländischen Meere bis zum Busen von Biskaya, also zum Atlantischen Ozean
reicht. So schließt dieses Hochgebirge Frankreich vollständig von Spanien
ab. Man unterscheidet Mittel-, Ost- und Westpyrenäen. Die Mittel-
Pyrenäen, eine mächtige Hochgebirgskette, sind der höchste Teil des Gebirges.
Die Ostpyrenäen verzweigen sich; die Westpyrenäen bilden ein waldiges
Bergland.
Die östliche Gebirgsgrenze Frankreichs wird durch die Westalpen, den
Schweizer Jura, der auf der französischen Seite nur allmählich aufsteigt, den
Wasgenwald, den Argonnenwald und die Ardennen gebildet.
Die Ströme Frankreichs. Der in den Alpen entspringende Rhone ist der
einzige große französische Strom, der in das Mittelländische Meer mündet.
II
Geographie.
57
Alle andern Ströme Frankreichs fließen nach NW. in den Atlantischen Ozean.
Loire und Seine (spr. ßähn' - sanfter Fluß) entspringen auf dem Fran-
zösischen Mittelgebirge, die Garonne auf den Pyrenäen. Der bedeutendste
Nebenfluß der Loire, die einen großen Bogen nach N. bildet, ist der Allier,
der wichtigste Nebenfluß der Seine die Marne. Die Garonne bildet einen
östlichen Bogen; ihre Trichtermündung heißt Gironde (spr. g wie in logieren).
Die Quellen des französischen Reichtums. Frankreich ist ein reiches
Land. Es verdankt seinen Reichtum teils der günstigen Natur des Landes,
teils den Vorzügen des französischen Volkes. Dieses zeichnet sich durch Fleiß
und Tüchtigkeit, Genügsamkeit und Sparsamkeit aus.
Die Hauptquelle des französischen Wohlstandes ist der Pflanzenbau. Das
milde und feuchte ozeanische Klima Westfrankreichs und das warme
Klima Südfrankreichs begünstigen denselben. Auch der Boden der meisten
Gegenden Frankreichs ist fruchtbar. Besonders das Garonnebecken, die Tal-
landschaft der oberen Loire und des oberen Allier, Niederburgund, die Land-
schasten um Paris und das ganze nordwestliche Frankreich zeichnen sich durch
große Fruchtbarkeit aus. Den ersten Rang unter den Pflanzenkulturen nimmt
der Weinbau ein. Frankreich ist das erste Weinland der Erde. Das Gebiet der
unteren Garonne liefert den edlen Bordeaux (spr. bordö, genannt nach dem
Ausfuhrplatz, der Stadt Bordeaux, 260000 E.), Niederburgund, besonders
der Abhang der Cöte d'or (spr. köt' bot = goldene Seite), den feurigen
Burgunder und die Champagne den schäumenden Champagner. Auch der
Obstbau wird in Frankreich stark betrieben. Im unteren Rhonegebiet ist der
Olivenbau heimisch. Mit der berühmten Blumenzucht der Riviera bildet
dieser die Grundlage für die Fabrikation von wohlriechenden Olen
und Seifen, die ihren Hauptsitz in Marseille hat. Auf den Anbau des
Maulbeerbaumes gründet sich die Entwicklung der berühmten französischen
Seidenindustrie, die ihren Hauptsitz in Lyon nahm.
An Steinkohlen ist Frankreich zwar nicht reich; die kleinen Lager sind
jedoch günstig verteilt, und in ihrer Nähe liegen meist auch Eisenerze. So
konnte die Eisenindustrie aufblühen, wie in Le Creuzot und St. Etienne,
wo es berühmte Waffenwerkstätten gibt. Am kohlenreichsten ist Nordost-
frankrei ch. Die rheinischen und belgischen Steinkohlenlager setzen sich dorthin
fort. Nordfrankreich wurde daher derHauptfitz der französischen Industrie.
In Lille (spr. lil, 225 000 E.) entwickelte sich die Baumwoll-, in Ronbaix
(spr. rübäh, 150 000 E.) die Woll- und in Amiens (spr. amiäNg, 100 000 E.)
die Leinenindustrie. Auch die französische Hauptstadt Paris (2 700 000 E.)
wurde ein bedeutender Jndustrieplatz, besonders für kunstgewerbliche
Arbeiten und füt Putz- und Modewaren.
Der wichtigste Ausfuhrhafen für Nordfrankreich ist Le Havre (spr. lö
äwr'--der Hafen, 130 000 E.), für Südfrankreich Marseille.
Staatenbildung. Für die Entstehung eines einheitlichen Staates waren
die Landschaft und die Bevölkerung geeigneter als die Verhältnisse des Donau-
und Karpatenlandes. So entstand eine nach Sprache und Glauben einheitliche
Hirts neues Realienbuch. Geographie. 5
58
Geographie.
II
Republik Frankreich. Ein starkes Nationalgefühl, eine opferfreudige
Vaterlandsliebe zeichnet die Franzosen aus. Ungünstig ist, daß die Be-
völkerung Frankreichs kaum noch zunimmt. Das Land zählt bei einer Größe
von 536 000 qkm nur 39 Mill. E., d. i. auf 1 qkm 73 E. (das Deutsche Reich
auf 540 000 qkm 64 Mill. E., d. i. auf 1 qkm 113). Zu Frankreich gehört nur
ein nichtfranzösisches Gebiet, die von Italienern bewohnte Insel Korsika.
Städte. Wie in der Bevölkerungszahl, so steht Frankreich auch in der Zahl der
großen Städte hinter Deutschland zurück. Paris, die Hauptstadt, übertrifft mit
2 700000 E. nur scheinbar Berlin, das mit seinen nicht eingemeindeten Vororten
über 3 Mill. E. zählen würde. Frankreich besitzt nur noch 1 Stadt mit \ Mill. E.,
nämlich Marseille (500000 E.), Deutschland dagegen noch 4. Mehr als 100000 E.
zählen in Deutschland 41 Städte, in Frankreich dagegen nur 14, nämlich außer den
genannten noch Lyon (460 000 E.), Bordeaux (260 000 E.), Lille (225 000 E.),
Toulouse (160000E.), St.Etienne (150000 <$.), Nantes (fpr. nä»t', 140000 E.),
Roubaix (150 000 E.), Le Havre (130 000 E.), Rouen (fpr. ruäng = Übergang,
120 000 E.), Nancy (spr. nangßi, 110 000 E.), Nizza (110 000 E.) und Toulon
(100 000 E.).
4. Das Mündungsland der Scheide, der Maas und des Rheins.
Gliederung. Wir unterscheiden zwei Gebiete, ein südliches, das die
Staaten Belgien und Luxemburg, und ein nördliches, das den Staat
Holland umfaßt.
Das südliche Gebiet (Belgien nebst Luxemburg). Das Gebiet wird im S.
vom Ardeuueu-Gebirge gebildet. Die ziemlich eintönigen Hochflächen der
Ardennen sind von riesigen Wäldern bedeckt. Die tief eingeschnittenen
Täler entfalten große landschaftliche Pracht. Besonders das nordwärts ge-
richtete Durchbruchstal der Maas ist von großer Schönheit, ebenso die nach
NO. gerichtete Stromstrecke von Namur (spr. uamür) bis Lüttich. Bei der
letzten Stadt wendet sich die Maas nach N., um dann nach W. umzubiegen.
Am Nordwestrande der Ardennen lagern reiche Kohlenschätze. Da
auch Eisen vorkommt, konnte sich mit dem bedeutenden Kohlenbergbau
auch die Eisenindustrie entwickeln. Ihren Hauptsitz nahm diese in Lüttich
(180 000 E.) und Seraing (spr. ßerä"), die durch ihre Waffenfabriken hervor-
ragen. Auch andre Industriezweige erblühten. So entstanden in Char-
leroi (spr. scharlr^a) Glashütten, in Möns (spr. mo*s) Woll- und
Baum Wollwebereien und in Verviers (spr. wärwie) Tuchfabriken.
In dem Küstengebiet, das von der Schelde durchflössen wird, bilden ein
musterhaft betriebener Pflanzenbau und eine stark betriebene Viehzucht
die Quellen des Wohlstandes. Die Städte aber sind seit alter Zeit gewerb-
tätig. Mit dem Flachsbau entstand frühzeitig die Leinenindustrie, der sich
die Baumwollweberei zugesellte. Beide haben ihren Hauptsitz in Gent
(170 000 E.), wo zugleich die Blumenzucht stark betrieben wird. Brüssel
(niit Vororten fast 600 000 E.) zeichnet sich durch Spitzen- und Teppich-
sabrikation aus. Ausfuhrhafen des industriereichen Landes wurde die
II
Geographie.
59
bedeutende Hafenstadt Antwerpen (300 000 E.) an der unteren Scheide.
Obschon diese 80 km vom Meere entfernt liegt, können sie zur Flutzeit die
größten Schiffe erreichen.
Das nördliche Gebiet (Holland). Von der Mündungsbucht der Scheide
nimmt das große Delta der in Holland in das Meer mündenden Ströme
seinen Anfang. Ein Labyrinth von Mündungsarmen und Inseln zeigt
die Karte. Die Ströme teilen sich schon eine beträchtliche Strecke vor der
Mündung. Der Rhein, der als mächtiger Strom sein Mündungsland erreicht,
16. Landschaft im früheren Haarlemer Meer. Dampfpumpen und Windmühlen heben das
Wasser aus den fruchtbaren, tiefer liegenden Fluren und Nebenkanälen in den hochliegenden Hauptkanal.
der es ins Meer leitet.
teilt sich in den Rhein und die links abzweigende stärkere Waal. Diese ver-
bindet sich mit der Maas. Der Rhein entsendet nach N. in die Zuidersee
(spr. seudersee = Südsee) die Assel (spr. eißel) und die Vechte, nach W.
den Lek. So bleibt vom stolzen Rheinstrom nur ein schwacher Arm übrig,
der „Alte Rhein". Bei Leiden erreichte dieser früher das Meer; durch eine
Schleuse wird er dort jetzt bei Ebbe ins Meer gelassen. Der größte Teil
des Rheinwassers flutet unter dem Namen der Maas in das Meer.
Außer den Strömen durchziehen zahlreiche Kanäle das Land. Auch
die Ströme selbst sind eigentlich künstliche Wasserläufe. Hohe, gewaltige
Dämme, Deiche genannt, halten sie in ihren Ufern. Ohne die Deiche würden
sie das Land überfluten; denn der Spiegel der Ströme und Kanäle liegt höher
als dieses. Ein Viertel von Holland liegt tiefer als der Meeres-
5'
60
Geographie.
II
spiegel und ein weiteres Viertel nur bis Im hoch, so daß zur Flutzeit die
Hälfte des Landes sich unter der Meereshöhe befindet. Das Meer und die
Flüsse lagerten das Land ab als See- und Flußmarschen x. Diese schützt
der Mensch durch hohe Dämme, die zugleich als Straßen dienen. Ferner
zieht er Kanäle, die das Land entwässern und der Schiffahrt dienen.
Offnungen in den Deichen, Siele genannt, werden mit Toren versehen, die
sich zur Flutzeit durch den vom Meere kommenden Wasserandrang von selbst
schließen; zur Zeit der Ebbe aber öffnen sie sich selbsttätig und lassen die
Binnengewässer ab. An erhöhten Stellen des Landes legt der Mensch
sein Wohnhaus an, die trockeneren Flächen besät und bepflanzt er, die
feuchteren benutzt er als Grasland. Der Raum innerhalb der Deiche, die
oft zu mehreren hintereinander liegen, bietet ein schönes Bild: goldgelbe
Weizen-, grüne Hafer-und bunte Kleefelder in buntem Wechsel. Das
Meer sendet zuweilen Sturmfluten, die schon große Strecken Landes fort-
gerissen haben. Sie schufen die große Zuidersee und trennten die Reihe
der Friesischen Inseln vom Lande. So hat das holländische Volk einen
steten Kampf mit dem wilden Elemente des Wassers geführt und
führt ihn noch heute. Verlorenes Land sucht es wiederzugewinnen, das Ge-
wonnene zu beschützen. Auch ein Binnensee, das frühere Haarlemer Meer,
wurde trockengelegt (Bild 16); es ist heute von 20000 Menschen bewohnt. Als
ein noch großartigeres Werk ist die Entwässerung eines Teiles der großen
Zuidersee gePlaut. Solche Werke kosten viel Geld; aber das Erworbene
ist der Kosten wert. Denn das Marschland ist sehr fruchtbar. Es lohnt
durch fette Viehweiden und reiche Ernten. Viehzucht und Pflanzenbau stehen
daher in Holland in höchster Blüte. Der weitverbreitete Gartenbau hat be-
sonders Haarlem durch die Blumenzucht, namentlich durch die Zucht von
Blumenzwiebeln, berühmt gemacht.
Eine weitere Quelle des holländischen Wohlstandes ist der Handel. Aus
dem Handelsverkehr mit seinen Kolonien und aus dem Durchgangshandel
nach dem Deutschen Reiche zieht Holland großen Nutzen. Die beiden be-
deuteudsteu Handelsstädte sind Amsterdam (570 000 E.) und Rotter-
dam (390 000 E.).
Staatenbildung. In die Landschaft teilten sich drei Staaten so, daß
Belgien und das kleine Luxemburg den S. nahmen, der N. aber in den Besitz
Hollands kam. Das Königreich Belgien ist nur 30 000 qkm groß, also nur
s so groß als Brandenburg, zählt aber 6-f Mill. E. (auf 1 qkm 225). Das
Königreich der Niederlande (in Deutschland oft fälschlich Holland genannt)
zählt auf 33 000 qkm 5f Mill. E. (auf 1 qkm 165). Das Großherzogtum
Luxemburg ist 2600 qkm groß und zählt \ Mill. E. (auf 1 qkm 96).
Belgien und die Niederlande waren früher als Burgundischer Kreis des
Deutschen Reiches vereinigt. Die nördlichen Niederlande rissen sich von der spanisch-
Habsburgischen Herrschaft los. Die große Verschiedenheit der Sprache, Religion und
der wirtschaftlichen Verhältnisse führte zur verschiedenen Entwicklung. Belgien,
1 Siehe S. 38 bis 40.
II
Geographie.
61
vorwiegend ein Industriestaat, ist fast ganz katholisch. Es ist zum geringen Teile,
im S-, von den französisch redenden Wallonen bewohnt; die in der nördlichen
Hälfte wohnenden Flamen reden eine deutsche Mundart. Die Niederlande
sind vorwiegend protestantisch, ein Handels-, Fischer-und Bauernstaat. Die hol-
ländische Sprache entwickelte sich aus einer plattdeutschen Mundart.
Städte. Belgien zählt außer der schönen Hauptstadt Brüssel (mit Vororten
fast 600 000 E.) an größeren Städten: Antwerpen (300 000 E.), Lüttich
(180 000 E.) und Gent (170 000 E.).
Die bedeutendsten Städte der Niederlande sind: die Hauptstadt Amsterdam
(570000 E.), die Residenzstadt Haag (220 000 E.), Rotterdam (390 000 E.) und
Utrecht (100 000 E.).
Die Hauptstadt von Luxemburg ist Luxemburg.
II. Die Insel- und Halbinselwelt Nordeuropas.
1. Das Britische Jnselreich.
Gliederung und Größe. Von der Stadt Calais (spr. kaläh) an der Küste
Frankreichs erreicht man in kurzer Überfahrt Großbritannien. Der südliche
Teil dieses Jnsellandes wird England, der nördliche Schottland genannt.
Westlich von Großbritannien, das zusammen mit vielen kleineren Inseln
230 000 qkm groß ist, liegt Irland, das etwas größer als Bayern ist.
Großbritannien, südlicher Teil. Großbritannien verschmälert sich von S.
nach N. Die südenglische Küste läuft im allgemeinen von O. nach W. Sie
begrenzt im N. einen Meeresarm, der den Namen Ärmel-Kanal führt,
meist aber nur der Kanal genannt wird. Gleich der Ostküste Englands,
die sich nach NNW. hinzieht, sind die südlichen Gestade teils flach, teils hoch
und steil, wie bei Dover (Bild 17). Die Flachküste deutet an, daß auch das
Küstenland niedrig gelegen ist, die Steilküste aber, daß dort Höhenketten das
Meer erreichen. Das ganze südöstliche England bildet ein Tiefland, das von
mehreren niedrigen Höhenketten durchzogen wird. Die südlichen von
diesen sind nach O., die nördlichen nach NO. gerichtet. Eine große Tieflands-
bucht breitet sich um London aus, das Londoner Becken. Es wird vom
größten Strom Englands durchflössen, von der Themse. Unterhalb Londons
mündet diese in einem weit geöffneten Mündungstrichter.
Das englische Tiefland ist der Hauptsitz des englischen Ackerbaues. Das
milde und feuchte ozeanische Klima und ein fruchtbarer Boden des Landes
begünstigen diesen. Da jedoch andre Länder das Getreide billiger liefern
können, so sind an die Stelle der gelben Weizenfelder seit einigen Jahr-
zehnten meist grüne, durch Hecken und Baumgruppen getrennte Weidegründe
getreten, die zur Viehzucht benutzt werden.
Im Gegensatz zu dem flachen südöstlichen England ist der nordwestliche
Teil gebirgig. Drei Gebirgsgruppen lassen sich unterscheiden. Diese
bilden drei große westliche Halbinseln. Am weitesten springt die südlichste,
die spitz auslaufende Halbinsel von Cornwall (spr. kornuöl), in das Meer vor.
62
Geographie.
n
Die mittlere und breite Halbinsel
K von Wales (spr. uöls) entsendet zwei
& westliche Vorsprünge. Auf ihrer Nord-
westecke erhebt sich der Snowdon (spr.
ff ßnödn = Schneeberg, 1090 m). Der
■£ S zweitgrößte Fluß Englands, der
Z v Severn (spr. ßewern), entwässert das
11 Gebirgsland von Wales. Die nörd-
II liehe Halbinsel von Cumberland
(spr. kamb^länd) ist die kleinste. Der
^ Z nördliche, schmälste Teil von England
31 wird vom breitrückigen Penninischen
~ Z Gebirge von N. nach S. durchzogen.
Dieses bildet gleichsam das Rückgrat
der mittleren Insel. Nach S.
läuft es in ein Hügelland aus.
ZSehr reiche Kohlenschätze zeichnen
den gebirgigen Teil Englands aus.
gj Reiche Kohlenlager besitzt auch das
Z n Schottische Tiefland. Endlich wird
Z g- im südlichen Wales eine vorzüg-
liche Steinkohle gewonnen,
f f Großbritannien, nördlicher Teil.
^ Schottland, der nördliche Teil von
Großbritannien, ist im Vergleich zu
England viel gebirgiger, ein wil-
des, zerrissenes Land. Hohe
J® Gebirgsmassen, die meist von SW.
GZ nach NO. zu Gebirgsketten ange-
«^ ordnet sind, erfüllen das Land. Sie
■s t streichen zur Ost- und Westküste hin und
JJ rufen ihre reiche Gliederung, be-
Z Z sonders der Westküste, hervor. Denn
f I in die Tallandschaften, welche die Ge-
D-s birgszüge trennen, drang das Meer
ein und bildete tief einschneidende
I55 Buchten. In den an Kohlen und
ZI Eisenerzen reichen und darum dicht
ZL bevölkerten Schottischen Nieder-
«.2 landen liegt Edinburg (320000 E.),
»Z die Hauptstadt Schottlands. Aus
° ihnen schaut man nach N. zu den
Schottischen Hochlanden empor, zu
einem fast menschenleeren, wilden
II
Geographie.
63
Gebirgslande. Eine tiefe Talfurche, welche der Kaledonische Kanal be-
nutzt, teilt dieses in zwei Teile. Im W. und NO. Schottlands liegen zahlreiche
gebirgige Inseln. Sie sind abgetrennte Teile des Gebirgslandes. Im W.
Schottlands liegt die Inselgruppe der Hebriden, im NO. liegen die Orkney-
(spr. örkne) und Shetlands-Jnseln (spr. schetländ).
Die Insel Irland. Durch die Irische See werden Großbritannien und
Irland voneinander getrennt. Irland hat die Gestalt einer Raute und ist
vorwiegend Tiefland. Nur an seiner Küste ragen Gebirge auf, die aber keinen
Zusammenhang miteinander haben. Am höchsten erheben sich die Berge
südlich von Dublin (spr. döbliu) und im SW. der Insel. In die tiefen und
engen Täler des südwestlichen Gebirges drang das Meer ein, felsige Vor-
gebirge umbrausend. Das Innere Irlands bildet eine flache Mulde. Der
größte irländische Fluß, der Shannon (spr. schämten --- großer Fluß), der eine
Kette von Seen durchfließt, findet aus dieser nach SW. einen Weg zum
Meere. Das Klima Irlands ist feucht, da die Insel rings vom Meere um-
geben ist. Der Boden neigt sehr zur Sumpfbildung. Für den Ackerbau ist
er vielfach zu feucht. Ausgedehnte Weiden ermöglichen aber eine bedeutende
Viehzucht. Im Nordosten der Insel wird ein vorzüglicher Flachs gezogen.
Bon der englischen Industrie. Haupterwerbsquellen des britischen
Volkes bilden die Industrie und der Handel. Sehr reiche Kohlenlager
und andre Mineralschätze wie der Erfindnngs- und Unternehmnngs-
geist und der zähe Fleiß des englischen Volkes förderten ihr Aufblühen. Die
Engländer wurden auf gewerblichem Gebiete die Lehrmeister der Völker.
Manche englischen Industrien wurden Weltindustrien; denn ihre Erzeug-
nisse beherrschen den Weltmarkt, werden in der ganzen Welt gekauft. In erster
Linie ist die englische Eisenindustrie zu nennen; ihre Hauptsitze sind die
Städte Birmingham (spr. börming'äm, 550000 (*.), Sheffield (spr. scheffild,
420000 E.), Newcastle (njukäß'l) und Manchester (spr.mäntschest'r, 550000 E.).
Die erste Stelle nimmt der Schissbau ein. Auf britischen Werften werden
jährlich mehr Schiffe gebaut als auf der ganzen übrigen Erde. Große Schiffs-
werften befinden sich namentlich bei Liverpool (spr. liwerpül, 750000 E.) in
England, bei Glasgow (spr. gläßgö, 800 000 E.) in Schottland und bei Belfast
(350 000 E.) in Irland. Größe Bedeutung haben ferner das Baumwoll-,
Woll- und Leinengewerbe. Hauptsitz der Baumwollweberei ist Manchester,
Hauptsitze der Wollverarbeitung sind Leeds (spr. lids, 450 000 E.) und Brad-
ford (spr. bräddford --breite Furt, 280 000 E.), der Leinenindustrie Leeds,
Dundee (spr. döndi, 160 000 E.), Aberdeen (spr. äbberdm, 160000 E.) und
Belfast. Auch die englische Porzellan- und Töpferwarenherstellung
ist sehr bedeutend.'
Bon der englischen Schiffahrt und vom englischen Handel. Die Insel-
natur Großbritanniens verwies das britische Volk auf das Meer. Sie forderte
und begünstigte die Schiffahrt. Gute Häfen waren zahlreich vorhanden,
Fischerei und der Küstenverkehr entwickelten zuerst die Schiffahrt. Mit dem
Aufblühen der Industrie erwuchs ihr aber eine wichtige Aufgabe. Sie hatte
64
Geographie.
n
nun dem Handel zu dienen. Dieser vertrieb die Erzeugnisse der Industrie
bald in alle Länder der Erde und nahm dadurch einen gewaltigen Ausschwung.
Britische Schiffe durchkreuzten alle Meere. Sie fuhren mit einheimischen
Waren fort und kehrten mit fremden Schätzen zurück. Um den dauernden
Besitz wichtiger Schätze der Erde zu sichern, wurden zahlreiche englische
Kolonien gegründet, und um diese zu schützen, mußte neben der Handels-
flotte auch eine starke Kriegsflotte geschaffen werden. So wuchsen Reichtum
und Macht und damit wieder Industrie und Handel. Heute besitzt das Bri-
tische Reich die größte Handels- und die größte Kriegsflotte („das
meerbeherrschende Albion"). Es ist das reichste und mächtigste Reich
der Erde.
Der wichtigste englische Kriegshafen ist Portsmonth (spr. pörtsm'ß,
200 000 E.). Unter den Handelshäfen nehmen Liverpool und die eng-
lische Hauptstadt London (5 Mill. E.) den ersten Rang ein. Ferner haben
Bristol (spr. brist'l, 330 000 E.), Plymouth (spr. plim'ß, 110000 E.),
Southamptou (spr. ßaußämtn) und Hull, (260 000 E.) große Bedeutung.
Cardiff (185 000 E.) ist der Hauptausfuhrhafen für die englische Steinkohle.
Der wichtigste Überfahrtsplatz ist Dover.
Staatenbildung. Aus den drei Staaten England, Schottland und
Irland hat sich das vereinigte Königreich Großbritannien und Irland ge-
bildet. Dasselbe hat eine Größe von 315 000qkm (ist also fast so groß wie
Preußen) und zählt 45 Mill. E. (auf 1 qkm 142). Als Jusellaud und im Besitz
der stärksten Kriegsflotte ist es fast unangreifbar.
Städte. London, die Hauptstadt des Königreichs und des britischen Weltreichs,
ist die größte Stadt, die es je auf der Erde gegeben hat; es zählt 5 Mill. E.,
Groß-London sogar über 7 (7^) Mill. E. Die Hauptstadt von Schottland ist Edin-
bürg (320000 E.), die von Irland Dublin (spr. dablin, 400000 E.). Andre große
Städte sind in England Liverpool (759 000 6.), Manchester (550000 E.), Birming-
ham (550 000 E.), Leeds (450 000 E.), Sheffield (420 000E.), Bristol (330 000 E.)
und Bradford (280 000 E.), in Schottland Glasgow (800 000 E.), Dnndee
(160000 E.) und Aberdeen (160000 E.), in Irland Belfast (350000 E.). Während
Engländer und Schotten ganz überwiegend Protestanten sind, bekennen sich die
Jrländer zum katholischen Glauben.
2. Die Halbinsel Skandinavien und die Dänische Inselflur.
Lage und Gliederung. Nordöstlich von Großbritannien taucht aus dem
Meere der hohe Bau der Halbinsel Skandinavien auf. Diese hängt nur
im NO. mit dem Festlande Europas zusammen. Dem riesigen Lande streckt
sich von S. die kleine Halbinsel Jütlaud entgegen, die sich vom mitt-
leren Norddeutschland abzweigt. Die Brücke zwischen den beiden Halbinseln
bilden die dänischen Inseln.
Durch die Halbinsel Skandinavien und die Dänische Jnselslur werden die
Nordsee und die Ostsee geschieden. Nur drei schmale Meeresstraßen, der
II
Geographie.
Sund, der Große und der Kleine Belt, stellen die Verbindung der beiden
Meere her. Durch sie gelangt man aus der Ostsee zuerst in das Kattegatt
und dann ins Skagerrak.
Der hohe Rücken und die Westküste der Halbinsel Skandinavien. Der
westliche Teil Skandinaviens ist ein hohes Land. Sein Rücken liegt
durchschnittlich etwa 1000—1200m hoch. Er bildet eine wenig gegliederte,
gewaltige Erhebungs masse. Am breitesten ist er im S., wo sich die
Halbinsel nach W. hin verbreitert. Von tiefen Talfurchen ist er durchschnitten.
Erhebungen sind ihm dagegen nur hier und da aufgesetzt. Das umfangreichste
Gebirge ist das Gletschergebiet von Jotuuheim, das den höchsten Berg
Skandinaviens trägt, den Galdhöpig (spr. gallhöppig, 2560m).
18. Der Sogne Fjord in Norwegen.
Infolge seiner nördlichen und hohen Lage hat der Gebirgsrücken Skandi-
naviens ein kaltes Klima. Der wärmende Einfluß des Meeres fehlt. Die
höchsten Flächen tragen dauernd eine Schnee- und Eisdecke. Die
baumlosen Hochflächen des norwegischen Fjelds sind menschen-
leer. Fast nur in den Tälern trifft der Wanderer Wohnungen an. Den
Verkehr nach der Westküste hin vermitteln vorwiegend Landstraßen. Nur
vier Eisenbahnlinien wurden bisher über den Gebirgsrücken geführt; zwei,
die von Kristiania und Stockholm kommen, erreichen bei Drontheim die
Westküste, die dritte, die Ofotenbahn, endet in Narvik am Westfjord im
hohen N., eine vierte verbindet Kristiania und Bergen. Die Eisenbahn-
linie Drontheim—Kristiania durchschneidet im S. waldreiche Landschaften.
66
Geographie.
II
Einen sehr großen Raum nehmen die Waldungen im südlichen Norwegen
ein, das daher der Sitz eines bedeutenden Holzhandels wurde. Im nörd-
lichen Norwegen dagegen weiden die Lappen ihre Renntierherden.
Jäh bricht der skandinavische Gebirgsrücken nach W. zum Atlantischen Ozean
ab. Wie eine hohe Gebirgskette erscheint sein steiler Abfall. Die hohen
Felswände tauchen unmittelbar in die Meeresflut hinab. Kein flaches Vorland
säumt den Gebirgsfuß. Das Meer flutet sogar in den früheren Tälern des
gesunkenen Landes und bildet die tief einschneidenden, engen Fjorde. Diese sind
von großartiger Schönheit (Bild 18). Die ihnen zueilenden kurzen Flüsse
bilden herrliche Wasserfälle. Aus dem Meere ragen zahlreiche felsige
Inseln hervor. Die niedrigen umlagern die Küste oft in großer Zahl. Sie
werden Schären genannt, und eine Gruppe von ihnen heißt Schärenhof.
Unter den höheren Inseln bildet die Losot-Gruppe die bedeutendste. Die
Inseln werden von keinem Strande umsäumt. Als gewaltige Felskolosse
ragen sie empor. So ruft Skandinavien an der Westküste überall den Ein-
druck eines untergetauchten Landes hervor. Das Meer füllte alle Tiefen.
Selten erblickt man einen grünen Strand, obfchon das milde Meeresklima den
Pflanzenwuchs in den tieferen Lagen begünstigt. Auch die Bergwände sind
meist felsig und kahl. Frühere Gletscher schliffen sie glatt. Dunkel
tauchen die gewaltigen Berge der Inseln und des Landes aus den Fluten
des Meeres auf; wie die Gestalten eines Totenreiches stehen sie da.
Die Westküste Norwegens ist wenig bewohnt. Sie würde fast ganz von
den Menschen verlassen sein, wenn nicht das Meer große Schätze darböte.
Ungeheure Fischscharen erscheinen alljährlich an der Küste Norwegens, um
dort zu laichen. Der Fang der Fische beschäftigt über 100 000 Menschen.
Besonders Dorsche, und zwar Kabeljaue, fernerHeringe werden gefangen.
Der Dorschfang findet besonders an der Losot-Gruppe, der Heringsfang bei
Stavanger statt. Die getrockneten und eingesalzenen Fische werden Haupt-
sächlich nach den katholischen Ländern Europas als Fastenspeise gesandt. Durch
den Handel mit den Fischereiprodukten erblühten hier Handels- und
Hafenstädte. Die bedeutendste unter ihnen ist Bergen (70000 E.). Auch
die an der Südküste Norwegens gelegene norwegische Hauptstadt Kristiania
(230 000 E.) treibt bedeutenden Handel. Günstig ist für die Schiffahrt,
daß die norwegischen Häfen bis über das Nordkap hinaus nicht zufrieren,
weil die Westküste Norwegens unter dem Einflüsse des warmen Golf-
ström es steht.
Mit den nördlichsten Gebieten Skandinaviens hat die unter 65° n. Br. gelegene
Insel Island große Ähnlichkeit. Sie ist über lOOOOOqkm groß, aber stark
vergletschert. Nur ein kleines Gebiet ist bewohnbar. Die vulkanische
Tätigkeit hat großartige Spuren hinterlassen und dauert noch an.
Das Niederungsgebiet Schwedens. Nach O. senkt sich der breite Gebirgs-
rücken Skandinaviens nicht plötzlich wie an der Westküste Norwegens, sondern all-
mählicher, und zwar stufenförmig. Die Flüsse haben dort nicht solch einen
kurzen, an Wasserfällen reichen Lauf wie die nach W. fließenden. Die meisten
n
Geographie.
67
von ihnen durchströmen mehrere Seen. Im südlichen Schweden liegen
in einer Senke drei große Seen, der Wener-, Wetter- und Mälar-See.
Schön und eigenartig ist auch dieses Niederungsland Schwedens. Seinen
Hauptschmuck bilden die schönen, riesig ausgedehnten Wälder. Wald,
wohin das Auge schaut! Dem langsamen Wachstum verdankt das nordische
Holz seine Festigkeit und Güte. Viel schwedisches Holz wird ausgeführt.
Nach S. werden mit dem wärmeren Klima und dem besseren Boden
die Lichtungen mit Wiesen und Ackern größer, und Viehzucht und Ackerbau
wichtiger. Während das mittlere Schweden, dem der skandinavische Gebirgs-
rücken den klimatischen Einfluß des Meeres abschneidet, ein Landklima mit
kaltem Winter und warmem, aber kurzem Sommer hat, steht das südliche
Schweden unter dem Einflüsse des Meeres; es hat ein ozeanisches Klima.
Sein Boden ist nicht felsig, sondern mit lockern, teils sehr fruchtbaren
Gletscherablagerungen bedeckt. Besonders die südschwedische Landschaft
Schonen zeichnet sich durch die Ergiebigkeit ihres Bodens aus. Im nörd-
lichen Schweden, wo die Lappen ihre Renntierherden weiden, ist
weder Forstwirtschaft noch Ackerbau und Viehzucht in größerem Umfange
möglich. Das Gebiet ist aber, wie das mittlere Schweden, sehr reich an
vorzüglichen Eisenerzen. Um diese wegschaffen zu können, wurde die
Ofoten-Bahn gebaut.
Die bedeutendsten schwedischen Städte sind die Hauptstadt Stock-
Holm (300 000 E.) und die Hafenstädte Gotenburg (130 000 E.) und
Malmö (60 000 E.).
Die Dänische Jnselflur. Eine kurze Fahrt über den 4 km breiten Sund
führt uns von der Küste Südschwedens hinüber nach der dänischen Insel
Seeland. Durch den Großen Belt ist sie von der zweitgrößten dänischen Insel
Fünen (Fyen = Viehweide) getrennt. Südlich von diesen beiden großenJnseln
bilden kleinere eine Jnselbrücke. Der Kleine Belt scheidet Fünen von
der Halbinsel Jütland.
Große Fruchtbarkeit zeichnet die Dänische Jnselflur aus. Das Klima
ist ozeanisch, mild und feucht, und der Boden besteht wie in Südschweden
aus fruchtbaren Gletscherablagerungen. Ackerbau und Viehzucht stehen
daher in hoher Blüte und werden musterhaft betrieben.
Auf Seeland liegt die dänische Hauptstadt Kopenhagen (400 000 E.).
An der wichtigen Schiffahrtstraße des Sundes konnte sie zu einer be-
deutenden Hafen- und Handelsstadt erblühen.
Die Eiszeit in Nordeuropa. In einer früheren Zeit herrschte ein viel kälteres
Klima als heute. Da entstanden riesige Gletscher. Auf dem Gebirgsrücken
Skandinaviens nahmen sie ihren Anfang. Von dort flössen sie hinab in tiefere
und wärmere Länder. Allmählich bedeckten sie nicht nur das Niederungsgebiet
Schwedens und die dänischen Inseln, sondern füllten auch die Ostsee aus und drangen
nach S. bis zum Nordrande der deutschen Mittelgebirge vor. Hervortretende Fels-
klippen schliffen sie ab; Eisschrammen auf diesen bezeichnen noch heute ihren Weg.
Um die Bergkuppen hemm wurde der Boden ausgemuldet, und die Täler der
Flüsse wurden verbreitert. Wo aber die Gletscher auf eine flachere Bahn gelangten,
68
Geographie.
II
tieften sie den Boden aus. Sie gaben den Flußtälern ihre heutige Gestalt und gruben
die Becken der Seen aus. So gestalteten sie die Oberfläche des Landes viel-
fach um. Auch trugen sie große Felsblöcke zuerst aus ihrem Rücken, ferner im
Inneren der Eismasse und auf dem Grunde fort und zermalmten dabei vieles
Gestein zu fruchtbarem Erdreich. Dieses trugen sie nach tiefer gelegenen Ländern
im S. So nahmen sie dem kalten Norden die Fruchtbarkeit und gaben sie dem
wärmeren Süden.
Staatenbildung. In die Halbinsel Skandinavien teilen sich die Königreiche
Norwegen und Schweden, und zwar so, daß auf Norwegen der gebirgige Westen,
auf Schweden das östliche Niederungsgebiet entfällt. — Für ein drittes Reich,
das Königreich Dänemark, blieben nur die dänischen Inseln und die Halbinsel
Jütland übrig. Norwegen zählt auf 320 000 qkm nur 2| Mill. E. (auf
1 qkm 7), Schweden auf 450 000 qkm 5-g- Mill. E. (auf 1 qkm 12), Däne-
mark auf 40 000 qkm 2|- Mill. E. (auf 1 qkm 66). Norwegen ist also fast
so groß wie Preußen, Schweden nicht viel kleiner als das Deutsche Reich
und Dänemark so groß wie Brandenburg.
Städte. Fast alle größeren Städte der drei nordischen Königreiche liegen am
Meere. In Norwegen sind außer der Hauptstadt Kristiania (230000 E.) Bergen
(70 000 E.) und die Krönungsstadt Drontheim wichtig, in Schweden außer der
Hauptstadt Stockholm (300 000 E.) Gotenburg (130 000 E.), Malmö (60 000 E.),
Helsingör und die Universitätsstadt Upsala, in Dänemark außer der Haupt-
stadt Kopenhagen (400 000 E.) die Stadt Odense.
III. Das Osteuropäische Tiefland.
1. Das Russische Flachland.
Die Größe des Landes. Westeuropa ist für seine Völker ein enges Land,
Osteuropa ein weites Land. Von der Ostsee und den Karpaten im W. bis
zum Ural-Gebirge im O., von dem Nördlichen Eismeere bis zum Schwarzen
und Kaspischen Meere und demKaukasus im S. dehnt sich das große Russische
Flachland aus, das die zehnfache Größe des Deutschen Reiches hat.
Der Norden Rußlands. Das nördliche Drittel des Russischen Flachlandes
ist für menschliches Wohnen wenig geeignet. Der Boden ist im N.
vorwiegend mit Moosen und Flechten bewachsen. Nach S. schließen sich
waldreiche Gegenden und Ackerbaugebiete an. Finnland gewährt
dem fleißigen und tüchtigen Volk der Finnen ein schönes Heimatland. Das
meist felsige, zum Teil waldbedeckte Land ist reich an Seen; man nennt es
daher das „Land mit den tausend Seen". An seinem Südostrande liegen
zwei große Seen, der Lädoga- und Onega-See, deren Abfluß Newa
heißt. Die Newa fließt in den Finnischen Meerbusen. An ihr liegt die
russische Hauptstadt St. Petersburg. Nordrußland entwässem Haupt-
sächlich die Dwina und die Petschora. Sie münden in das Nördliche Eis-
meer, und zwar die Dwina in das buchtenreiche Weiße Meer. Beide ent-
springen auf dem Nordrussischen Landrücken, der sich vom Ural abzweigt.
II
Geographie.
69
Für den Handel bietet Nordrußland wertvolle Felle von Pelztieren und
Holz dar. Archangel an der Mündung der Dwina, die Hauptstadt Finnlands
Helsingfors (100000 E.) und besonders St. Petersburg (1500000(5:.) an der
Newa vermitteln den Seehandel.
Die mittleren Gebiete Rußlands. Der Nordrussische Landrücken setzt
sich nach SW. fort. Er bild et die Hauptwasserscheide Rußlands. B esond ers
das umfangreiche Gebiet der niedrigen Waldai-Höhe entsendet nach allen
Seiten große Ströme, so die Düna, die Wolga und den Dnjepr. Südlich
von der Waldai-Höhe schwillt eine nach S. gerichtete Bodenwelle, der Mittel-
russische Landrücken, zu breiter, niedriger Masse an; auf diesem entspringt
19. Der Kreml in Moskau. Der älteste Teil Moskaus ist die ehemalige Burg der Stadt, der Kreml,
früher der Herrschersitz, heute der Krönungsort der Zaren. Hier stehen glänzende Paläste und buntfarbige
Kirchen, die in der asiatischen Mannigfaltigkeit von seltsamen Türmen, Mauem und vergoldeten Kuppeln
einen überwältigenden Eindruck machen.
der Don. Ostlich von diesem Flusse erhebt sich die Landmasse wieder ganz
allmählich nach O. zu einer Bodenwelle, die am rechten Wolgaufer steil
abbricht.
Fast allen südrussischen Strömen und Flüssen ist ein ziemlich hohes und steiles
westliches und ein niedriges und flaches östliches Ufer eigentümlich. Das hohe Ufer
wird Bergufer, das niedrige aber Wiesenufer genannt. Wahrscheinlich bewirken
vorherrschende Ostwinde, daß die Strömung der Flüsse etwas nach W. abgelenkt und
dadurch das westliche Ufer am meisten angegriffen wird.
Das mittlere Rußland hat, da es mehr nach S. gerückt ist, ein wärmeres
Klima als Nordrußland. Heiße Sommer und kalte Winter, die der Mensch
infolge der Trockenheit und Windstille gut ertragen kann, kennzeichnen sein
Klima. Die Niederschläge sind geringer als in Deutschland. Sie nehmen
70
Geographie.
n
nach O. und S. immer mehr ab, weil die Entfernung vom Meere wächst.
Mit zunehmender Trockenheit und Hitze nimmt der Waldreichtum ab. Für den
Ackerbau sind aber überall im mittleren Rußland günstige Verhältnisse vor-
handen. Der Boden ist fast überall für Körnerbau geeignet. Bis zu einer
Linie, die über Tula nach NO. läuft, besteht er aus Gletscherablagerungen.
Dann folgt nach S. fruchtbarer Löß. Vorwiegend wird Getreidebau be-
trieben. In den russischen Ostseeprovinzen baut man viel Flachs, in Polen
viel Zuckerrüben. Bei Tula (110000 E.) werden Steinkohlen gewonnen.
Tula und Moskau (1200 000 E.), die alte Hauptstadt Rußlands, konnten daher
bedeutende Industriestädte werden (Bild 19.). Die Nähe der ober-
schlesischen Kohlenlager, die sich noch weit auf russisches Gebiet fortsetzen,
förderte die Gewerbtätigkeit in den westrussischen Städten. So sind die meisten
Städte Polens gewerbtätig, besonders Warschau (780 000 E.) und Lodz
(spr. ludsch, 330 000 E.). In dieser Stadt gibt es große Baumwollsabriken.
Auch die einst vorwiegend deutsche Hafen- und Handelsstadt Riga
(290 000 E.), die englische Kohle auf dem Seewege beziehen kann, ist gewerb-
tätig. An der großen Schiffahrtstraße der Wolga erblühten ebenfalls
Handelsplätze, wie Kasan 140000 E.) und Nischuij-Nowgorod (100000E.).
In dieser Stadt findet alljährlich eine große Handelsmesse statt.
Der Süden Rußlands. Die Ströme Dujepr und Don zeigen bei ihrem
Laufe nach S. eine große Ähnlichkeit in der Richtung. Beide weichen in
einem spitzwinkligen Knie nach O. aus. Der Dnjepr mündet bei Cherson
(spr. kherßön) in den nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres, der Don
in das seichte Asowsche Meer. Durch die Halbinsel Krim wird dieses
Meeresbecken abgetrennt. Es steht durch die Straße von Kertsch mit dem
übrigen Schwarzen Meere in Verbindung. Die Südküste der Krim wird von
dem Jäila - Gebirge begleitet, das als eine Fortsetzung des mächtigen
Kaukasus zu betrachten ist. Der Kaukasus ist ein höheres und längeres
Gebirge als die Alpen. Er erhebt sich im Elbrus zu 5630 m und reicht vom
Schwarzen bis zum Kaspischen Meere. In dieses münden der Ural-Fluß,
der vom Ural-Gebirge kommt, und die Wolga, der größte von allen
Strömen Europas. Drei Strecken sind in ihrem Laufe zu unterscheiden.
Die oberste Strecke geht nach £).; bei Kasan biegt der Strom rechtwinklig
nach S. um, endlich im Tieflande noch einmal nach SO. Hier beginnt die
große Deltabildung. Nach vielen Stromteilungen mündet die Wolga unter-
halb Astrachans ins Kaspische Meer.
Der Boden Südrußlands besteht großenteils aus fruchtbarem Löß. Ein
hoher Gehalt an verwesten Pslanzenstoffen gibt ihm eine dunkle Färbung.
Besonders das Schwarzerdegebiet zwischen Charkow (spr. kharkösf) und
Saratow (spr. ßarätoff) zeichnet sich durch große Fruchtbarkeit aus. Trotz-
dem geht hier der Ackerbau zurück, weil der russische Bauer wenig zur Ver-
besserung der Äcker tut. Ost leiden die Saaten auch unter der starken Kälte
des Winters oder unter der zuweilen alles Pflanzenleben verdörrenden
Trockenheit des Frühsommers.
II
Geographie.
71
Der größte Teil Südrußlands bildet eine baumlose Steppe. Ein
großer Teil davon wird jetzt von Großgrundbesitzern als Ackerland benutzt.
Die wichtigsten Anbaugewächse sind Weizen und Mais. In Bessarabien
wird viel Wein und in der Krim daneben auch gutes Obst gezogen. Weite
Gebiete Südrußlands aber dienen vorwiegend oder ausschließlich zur Rinder-
zucht. Wie in ganz Rußland, so wird auch hier die Geflügelzucht stark
betrieben. Ferner ist das südliche Rußland an mineralischen Schätzen
reich. Zwei wichtige Bergbaugebiete sind zu unterscheiden, das des süd-
lichen Urals und das Donezgebiet. Der Ural liefert Eisen, Gold und das
seltene Platina, das Donezgebiet bei Charkow außer großen Mengen Stein-
kohlen auch fast alle Arten von Erzen. So ist Südrußland ein reiches
Land. Bedeutende Industriestädte, wie Charkow (180 000 E.) und Kiew
(spr. kieff, 250 000 E.), und Handelsstädte, wie Odessa (420 000 E.), Rostow
(spr. rostöff, 125 000 E.) und Astrachan (120 000 E.), konnten aufblühen.
Hauptsitz des Getreidehandels ist Odessa.
Staatenbildung. Im Osteuropäischen Flachlande entstand das große Kaiser-
reich Rußland. Dieses hat sich noch weit nach Asien hinein ausgebreitet.
Das europäische Rußland bedeckt eine Fläche von 5400000 qkm (10 mal so
groß wie das Deutsche Reich) und hat etwa 112 Mill. E. (auf 1 qkm 21 E.).
Der Kaiser, Zar genannt, war bis vor kurzer Zeit Alleinherrscher. Im Jahre
1905 hat er dem Volke eine Teilnahme an der Beratung der Gesetze gestattet.
Städte. Die alte Hauptstadt Rußlands ist Moskau (1 200000 E.), die neue
St. Petersburg (1500000 (£.). Moskau, das günstig in der Mitte des Landes liegt
und sich zur ersten Handels- und Industriestadt wie zum Mittelpunkte der Eisen-
bahnen des großen Reiches entwickelt hat, ist noch heute die Krönungsstadt. Die
Krönung findet im kirchenreichen Kreml statt. St. Petersburg wurde von Peter dem
Großen an der Newa erbaut, wo die Stadt am Seehandel teilnehmen kann. Andre
bedeutende Städte Rußlands sind Warschau (780000 E.), Odessa (420000 E.), Lodz
(330 000 E.), Riga (290000 E.), Kiew (250000 E.), Charkow (180000 E.), Kasän
(140000 E.), Saräto w (140 000 E.), Astrachan (120000 E.), Tula (110000 E.),
Rostow (125000 E.), Nischnij - Nowgoro d (100000 E.) und Helsingfors
(100000 E.). Der Hauptkriegshafen Rußlands für die Ostsee ist Kronstadt, für
das Schwarze Meer Sewastopol.
2. Das Rumänische Tiefland.
Lage, Größe, Natur- und Kulturverhältnisse. Das Rumänische Tief-
land ist viel kleiner als das Russische Flachland, stimmt aber mit dessen süd-
lichem Teile in bezug auf Klima, Boden und Anbau ziemlich überein. Eine
Eigenart besitzt es jedoch als Mündungsland der Donau. Diese umfließt,
nachdem sie den Felsklippen des Eisernen Tores enteilt ist, das Rumänische
Tiefland in einem südlichen Bogen und bezeichnet dort die Südgrenze des
Staates durch einen breiten Sumpfstreifen. Dann nach N. und endlich nach O.
umbiegend, nimmt sie den Prnt auf, beginnt bei Galatz die Bildung eines
großen Deltas und mündet in drei Armen ins Meer.
72
Geographie.
II
Ursprünglich war das Rumänische Tiefland fast ganz eben. Die zahlreichen
Zuflüsse der Donau, die von den Transsilvanischen Alpen kommen, haben es
aber zerschnitten, abgetragen und in ein Hügelland verwandelt. Der Boden
besteht wie in Südrußland aus fruchtbarem Löß. Das Klima der auf drei
Seiten von hohen Gebirgen umrahmten Landschaft ist dem der südrussischen
Steppe ähnlich und ein echtes Landklima. Der Sommer ist heiß und
trocken. Der Weizen, der neben dem Mais das Hauptgetreide bildet, reift
so früh, daß die Sommerdürre wenig schadet. Rumänien erzielt so bedeutende
Ernten, daß es jährlich viel Weizen, Mais und Gerste ausführen kann. Für
die Ausfuhr steht der Wasserweg der Donau zur Verfügung. Die Donau-
städte treiben besonders Getreidehandel. Am Ostfuße der Karpaten werden
reiche Petroleumquelleu ausgebeutet.
Staatenbildung. Die Landschaft ist das Gebiet des Königreichs Rumänien.
Dieses hat überall Naturgrenzen. Im W. und N. werden diese durch die
Karpaten, im O. durch den Prut und das Meer und im S. durch die Donau
gebildet. Rumänien ist 130 000 qkm groß, also \ so groß als das Deutsche
Reich und hat 6 Mill. E. (auf 1 qkm 46).
Städte. Die bedeutendste Stadt Rumäniens ist die günstig in der Mitte des Landes
gelegene Hauptstadt Bukarest (300 000 E.). Neben ihr haben noch Jassy
(80 000 E.) für den N. und Galatz (70 000 E.) für die Donauschiffahrt und den
Getreide- und Holzhandel Bedeutung.
IV. Die Halbinseln Siideuropas.
1. Die Balkan-Halbinsel.
Lage und Gliederung. Südlich vom Donaulande hängt sich an den Rumpf
Europas die große Balkan-Halbinsel an, die sich in ihrem Südteile be-
deutend verschmälert und schließlich in der kleineren Halbinsel des Pelo-
ponnes fortsetzt. Auch zahlreiche Inseln umgeben die Halbinsel, besonders
im NW. und im SO.
An drei Seiten bilden Meeresteile die Grenzen der Balkan-Halbinsel:
im W. das Adriatische Meer, im SW. das Jonische, im SO. das Ägäische
und im NO. das Schwarze Meer. Das Ägäische und das Schwarze Meer
werden durch zwei schmale Meeresstraßen, durch die Dardanellen-Straße
oder den Hellespont und durch die Straße von Konstantinopel oder den
Bosporus, verbunden. Nur diese beiden Meeresstraßen sowie das zwischen
ihnen gelegene Marmara-Meer trennen die Balkan-Halbinsel von Klein-
asien.
Das Balkangebiet oder der Nordosten der Halbinsel. Die Südkarpaten
biegen zuletzt nach S. um. An dieses südwärts gerichtete Gebirge, das die
Donau durchbricht, schließt sich ein breites, niedriges, nach S. sich ausdehnendes
Gebirgsland an, dem von O. her der mächtige Gebirgszug des Balkans ent-
gegensteigt. Gleich den Alpen und Karpaten ist dieser ein Faltengebirge^
ri
Geographie.
73
durch eine Faltung oder Runzelung der Erdrinde entstanden. Am Schwarzen
Meere ist die Gebirgsfalte abgebrochen, versunken; aber auf der Krim-Halbinsel
und im Kaukasus taucht sie wieder aus. Der Zusammenhang des Balkans mit
diesem ist durch den Einbruch des Schwarzen Meeres unterbrochen worden.
Am höchsten erhebt sich der sanft ansteigende und an mehreren Stellen bequem
zu überschreitende Balkan im mittleren Teile, wo er bis zu 2375 m ansteigt.
Für den Verkehr wichtig sind das Tal des Jsker, an dem Sofia zur Haupt-
stadt des nord- und südbalkanischen Landes erwachsen ist, und der Schipka-
Paß (1330 m). Im N. des Balkans liegt Bulgarien, das bis zur Donau
reicht, im S. Ostrumelien. Dieses wird durch die Maritza entwässert, die
zuletzt die Landschaft Thrazien durchfließt. Fast ringsum wird Ostrumelien
von Gebirgen umgeben. Besonders im W. ragen hohe Gebirge auf. Bei
Sofia erhebt sich der gewaltige Witosch als eine vereinzelte Bergmasse.
Südlich von ihm türmt sich der Rila Dagh (2730 m) auf, und von diesem
strahlen andre Gebirge nach SO. aus.
Da die Gebirge den Meereseinfluß abhalten, haben die Tiefländer des
Balkangebiets ein kontinentales Klima. Die am weitesten nach S. gelegene
Landschaft Thrazien hat schon dasselbe trockene, heiße Klima mit regen-
armem Sommer wie die Mittelmeerländer. Bulgarien und Ostrumelien
sind für den Getreidebau wohl geeignet. Auch Wein- und Obstbau sind
viel verbreitet. Zum Zwecke der Rosenölgewinnung wird die Rosenzucht
stark betrieben.
Unter den Städten sind Sofia (70000 E.), Philippopel, Adrianopel
(80 000 E.), besonders aber Konstantinopel (1150 000 E.) hervorzuheben
(Bild 20). Sie alle berührt die Orientbahn. Konstantinopel hat eine
wichtige Lage. Es liegt an der Stelle, wo sich der Verkehr zwischen zwei
Erdteilen, Europa und Asien, und zwischen zwei Meeren, dem Schwarzen und
Mittelländischen Meere, kreuzt. Es hat daher seit alters als Handelsstadt
große Bedeutung.
Die nordwestlichen Gebiete der Halbinsel. Westlich vom Balkan und süd-
lich von der Donau und Drau liegt das Serbisch-Bosnische Bergland. Herr-
liche Eichenwälder, die zu ausgedehnter Schweinezucht Veranlassung
geben, schmücken diese Landschaft; in den Tälern und Ebenen aber gedeiht
Getreide, Obst (Pflaumen) und Wein. Der bedeutendste Fluß ist die
Mörawa, die in die Donau fließt. Oberhalb ihrer Einmündung liegt Belgrad
(75 000 E.).
Westlich vom Serbisch-Bosnischen Berglande tauchen Gebirgszüge auf, die
von NW. nach SO. gerichtet sind. Sie bilden scheinbar die Fortsetzung der östlichen
Alpen und werden Dinarische Alpen genannt. Da sie aus durchlässigem Kalk-
g est ein bestehen, sickert der Regen schnell ein und erlaubt daher nur einen
geringen Pflanzenwuchs. Nach SW. fallen sie steil zur dalmatischen Küste
ab. Die letzte Stufe des Abfalles ist in Inseln aufgelöst. In diesem vor den
rauhen Nordostwinden geschützten Küstenlande gedeihen Weinstock und Öl-
baum, Zitronen- und Apfelsinenbäume.
Hirtö neue« Realienbuch Geographie. a
74
Geographie.
II
Das Pindusgebiet und der Peloponnes. Die nach SO. gerichteten breiten
und welligen Gebirgsmassen, die nahe der dalmatischen Küste hinstreichen,
werden durch Einbrüche des Landes und zwei quer von W. nach O. gerichtete
Gebirgshorste unterbrochen, durch das Nordalbanische Gebirge und den bis
2700 m hohen Schar Dagh. Südwärts schließt sich wieder ein parallel zur
Küste von N. nach S. gerichtetes Gebirge, der Pindus, an. Dieser bildet
gleichsam das Rückgrat des mittleren Teiles der Balkan-Halbinsel. Westlich
und östlich von ihm erfüllen andre Gebirgsmassen das Land. Der tief ein-
gesunkene Talkessel von Thessalien ist ringsum von hohen Gebirgen um-
Ausgang des Goldenen Horns. Sultanspalast.
20. Panorama von Konstantinopel.
geben. In seinem NO. erhebt sich der Olymp (2985 m), der höchste Berg
der Balkan-Halbinsel. Vom Pindus zweigen sich nach SO. Gebirgszüge ab.
Dadurch, daß das Land sich senkte und das Meer die tieferen Gebiete über-
flutete, bildeten sich gebirgige Halbinseln und Jnselreihen.
An der Nordseite des Meerbusens von Korinth erhebt sich der Parnaß
zu imposanter Höhe, und an die Südseite treten die nördlichen Gebirge der
Halbinsel des Peloponnes nahe heran. Von dem Hochlande von Arkadien,
das die Mitte des Peloponnes einnimmt, strahlen fingerartig vier gebirgige
Halbinseln aus. Die zahlreichen Inseln bilden die Gruppen der Jonischen
Inseln, derKykladen und der Sporaden. Ein größeres und das südlichste
abgetrennte Stück der Balkan-Halbinsel taucht als die Insel Kreta oder Kandio
aus dem Meere auf.
II
Geographie.
75
In dem sehr gebirgigen und infolge des durchlässigen Kalkgesteins meist
unfruchtbaren Gebiete konnte der Ackerbau nur wenig Verbreiwng finden.
Wichtiger wurde die Viehzucht. Die Gebirgsbewohner sind vorwiegend Hirten-
Völker. In den Mstengegenden und auf den Inseln spielen Wein- und
Olivenbau eine große Rolle. Wichtige Handelsstädte sind Saloniki
(110000 E.) und Athen (115 000 E.), dessen Vorhafen Piräus ist. Den
Verkehr der Küsten- und Inselbewohner vermittelt die Schiffahrt, die daher
eine große Bedeutung hat. Um den Schiffahrtsweg von der Ost- zur Westküste
abzukürzen, wurde der Kanal von Korinth erbaut.
Sophienlirche, Hohe Psorie.
Blick von Ealata nach Süden.
Staatenbildung. Die gebirgige Natur der Balkan-Halbinsel, ihre Zer-
gliederung in einzelne, abgesonderte Landschaften bewirkte, daß sich viele
Staaten bildeten. Die Türkei, an deren Spitze der Sultan steht, be-
herrschte früher zwar die ganze Halbinsel; allmählich haben sich aber viele
Staaten wieder losgerissen, so das Königreich Rumänien, das Königreich
Serbien, das Fürstentum Montenegro, das Königreich Bulgarien und das
Königreich Griechenland. Bulgarien hat sich auch die türkische Provinz Ost-
rumelien einverleibt. Bosnien und Herzegowina gehören zu Osterreich-
Ungarn. Die Insel Kreta erstrebt den Anschluß an Griechenland.
6*
76
Geographie.
II
Abersicht über die Balkanstaaten.
Nr. Namen Hauptstädte Größe in qkm Einwo? >ner auf 1 qkm
1. 2. 3. 4. 6. 6. 7. Türkei............. Bulgarien (mit Ostrumelien) . . . Serbien............ Montenegro........... Bosnien und Herzegowina .... Griechenland.......... Kreta............. Balkan-Halbinsel (mit Dalmatien) . Konstantinopel Sofia Belgrad Cetinje Athen 163 000 97000 50000 9000 50000 65000 8 500 6000000 3300000 2400000 250000 1800000 2500000 300000 36 34 52 25 31 39 35
rund 455000 17000000 37
Städte. Außer Konstantinopel (115V 000 E.), das infolge seiner günstigen Lage
als bedeutende Handelsstadt zu einer Millionenstadt erblühte, zählen nur noch Athen
(115 000 (5.) und Saloniki (110000 E.) mehr als 100 000 E. Von den andem
Städten sind Adrianopel (80 000 E.), Belgrad (75 000 E.), Sofia (70 000 E.),
Philippopel und Sarajewo, die beide noch nicht 50 000 E. zählen, die wichtigsten.
2. Die Apennin-Halbinsel.
Lage und Gliederung. Südlich von den Alpen hängt sich an den Rumpf
Europas die schmale Apennin-Halbinsel, auch Jtalieu genannt, an.
Sie hat die Form eines Stiefels und endet in zwei Landzungen. Vor sehr
langer Zeit bildete die Apennin-Halbinsel ein größeres Land. Ein umfang-
reiches Gebiet im SW. brach ein und bildete das Tyrrhenische Meer. Die
großen Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika blieben als Reste übrig.
Im O. wird die Apennin-Halbinsel vom Adriatischen, im W. vom Ligu-
rischeu und Tyrrhenischen Meere bespült.
Norditalien. Nördlich von der Apennin-Halbinsel und südlich von den
Alpen bildete sich eine Tiefebene. Am Südfuße der Alpen war nach der
Aufrichtung dieses Hochgebirges ein tiefer Einbruch entstanden. Das Meer
überflutete das eingesunkene Gebiet und bildete eine Bucht. Die Gletscher
und Gewässer der Alpen trugen aber in diese Bucht ungeheure Mengen
Schutt, Geröll und Schlamm. Sie wurde allmählich zugeschüttet. So eut-
stand die Lombardische Tiefebene. Der Po sammelt nun die Alpengewässer,
welche die herrlichen oberitalienischen Seen durchfließen, und die vom Apen-
nin abfließenden Flüsse und führt ihr Wasser nach O. ab. Noch immer
schüttet er neues Land auf. An seinen Ufern lagert er so viel Schlamm ab,
daß er den einmündenden Nebenflüssen den Weg verbaut. Er schleppt fast
alle eine Strecke weit neben sich her. Die Etsch, die jetzt eine lange
Strecke neben ihm stießt, war einst ebenfalls ein Nebenfluß des Po. Das
Mündungs - Delta des Po wächst schnell.
n
Geographie.
77
Das Klima der Lombardischen Tiefebene ist ein echtes Landklima, da
die hohen Randgebirge den Meereseinfluß abschneiden. Während der Winter
noch ziemlich bedeutende Kälte bringt, ist der Sommer so heiß, daß selbst Reis
gezogen werden kann. Die Bewässerung der Reisfelder wird durch die
Alpenflüsse ermöglicht. Das kalte Gletscherwasser wäre hierzu aber nicht geeignet,
wenn es nicht in den Seen zuerst erwärmt würde. Für den Reisbau wurden
viele Bewässerungskanäle angelegt, besonders südlich von Mailand. In
der ganzen Lombardei steht der Getreidebau in hoher Blüte. In den wiesen-
reichen Po-Niederungen wird die Rinderzucht stark betrieben. Wichtige
Erwerbszweige sind ferner die Geflügel- und die Seidenraupenzucht.
Die Fruchtbarkeit der Landschaft und ihre wichtige Lage für den mittel-
europäischen Verkehr haben eine große Zahl von Städten ins Leben ge-
rufen. Diese sind, dank der Betriebsamkeit der Bewohner, der Sitz vieler
Gewerbe geworden. Namentlich sind Mailand (= Stadt der Mitte, 500000 E.)
und Turin (350 000 E.) bedeutende Industriestädte. Beide Städte haben
auch für den Handel eine günstige Lage; Mailand liegt an der Gotthard-
straße, Turin an der Mont Cenis-Bahn. An der „Überlandbahn" nach Brin-
disi liegt Bologna. Als Hafenstädte blühten Genua (250 000 E.) und
Venedig (160 000 E.) auf.
Mittelitalien. Während Norditalien eine Tiefebene bildet, hat Mittel-
italien durch den Apennin ein gebirgiges Gepräge. Der Apennin streicht
als ein steiler Gebirgszug zuerst in der Nähe der Westküste hin, wodurch an
dieser Küste die schönen Landschaften der italienischen Riviera entstehen.
Er zieht dann aber zur Ostküste. Nordöstlich von der Tibermündung er-
reicht der Apennin in dem wilden Gebirgslande der Abruzzen seine be-
deutendste Höhe (Gran Sasso 2920 m). Der breite Raum zwischen dem
mittleren Apennin und der Westküste wird durch niedrigere und abgesonderte
Erhebungen ausgefüllt. Südlich vom Flusse Arno dehnt sich das freundliche
Hügelland von Toskana aus. Nach S. schließt sich zu beiden Seiten des
Tibers ein vulkanisches Gebiet mit schönen Vulkangebirgen an.
Die Ostküste Mittelitaliens ist fast hafenlos; sie besitzt als einzigen Hafen
nur den Kriegshafen Ancona. Die Westküste ist dagegen mit guten
Naturhäfen ausgestattet.
Das Klima Mittelitaliens ist wärmer als das Norditaliens. Besonders
die Westseite des Apennins hat ein herrliches Klima, während es auf der Ostseite
im Winter recht kalt ist. Da die Regenmenge nach S. hin immer mehr ab-
nimmt, und hier der Winter die Hauptregenzeit ist, muß in Mittelitalien der
Anbau schon vielfach mit Hilfe künstlicher Bewässerung erfolgen. Das Land
ist daher fast gartenmäßig bebaut. Die Felder sind meist mit Hülsen-
fruchten, Gemüse, Kartoffeln, Obst, Tabak und Hanf bepflanzt. Auch
Wein- und Olivenbau werden stark betrieben. Getreide wird wenig mv
gebaut. Für die Volksernährung hat die edle Kastanie mehr Bedeu-
tung als dieses. Geflügel- und Seidemaupenzucht sind noch wichtiger als
78
Geographie.
II
in Norditalien. Bedeutende Städte sind Florenz (210000 E.), Livorno
(110 000 E.) und Rom (500 000 E.). Florenz blühte dort auf, wo die von
S. kommenden Handelsstraßen den Apennin überschreiten, Livorno ist der
Ausfuhrhafen der reichen Landschaft Toskana, und Rom, am schiffbaren Tiber,
ist infolge seiner günstigen Lage der Eisenbahnknotenpunkt Mittelitaliens ge-
worden.
Süditalien und die Inseln. Auch Süditalien hat durch den Apennin
ein vorwiegend gebirgiges Gepräge. Seine Ostküste ist wie bei Mittel-
italien hafenarm, seine Westküste aber mehr gegliedert und mit Buchten
21. Die Bucht von Neapel mit dem Vesuv. Über Neapel und das tiefblaue Meer schweift der
Blick zu dem majestätischen Berge, der die schönste Landschaft Italiens beherrscht. Unterhalb der Aschen-
und Lavawüste des Gipfels umkränzen den Berg üppige Weingärten, Obfthaine und malerische Dörfer.
Durch den Ausbruch von 1906 wurde die Kuppe des Vesuv auf knapp 1200 m erniedrigt.
und Häfen gut ausgestattet. An der herrlichen Bucht von Neapel liegt der
Vesuv (1200 m), ein noch tätiger Vulkan (Bild 21). Die beiden Halbinseln,
in die Italien ausläuft, werden durch den Golf von Tarent getrennt. Die
westliche Halbinsel wird vom Apennin durchzogen. Auf der Nordseite der
Insel Sizilien, die durch die Straße von Messina vom Festlande Italien ge-
trennt wird, setzt sich der Apennin fort. Fast die ganze Insel ist gebirgig. Auf
ihr liegt ebenfalls ein tätiger Vulkan, der gewaltige, 3310 m hohe Ätna.
Auch die Inseln Sardinien und Korsika sind fast ganz von Gebirgen erfüllt.
Da Wärme und Trockenheit nach S. immer mehr zunehmen, ist in Süd-
italien künstliche Bewässerung noch viel nötiger als in Mittelitalien. Die große
n Geographie._79
Wärme gestattet aber allgemein Kulturen, die in Mttel- und Norditalien nur
an einigen günstigen Stellen möglich sind. Neben dem Wein- und Oliven-
bau hat besonders die Zucht von Apfelsinen und Zitronen hohe Bedeutung.
Von großer Fruchtbarkeit, einem herrlichen Garten vergleichbar, ist die Cam-
pagna bei Neapel. Sizilien und Sardinien liefern viele mineralische
Schätze, Sizilien besonders Schwefel.
Südlich von Sizilien liegt die englische Insel Malta, die als Stützpunkt
der englischen Kriegsmarine Bedeutung hat.
Staatenbildung. Die ganze Apennin-Halbinsel gehört zum Königreich
Italien. Dieses hat seine einzige Landgrenze im N. bis zum Alpenwalle
vorgeschoben. Die beiden großen Inseln Sizilien und Sardinien und die
kleine Insel Elba gehören ebenfalls zu Italien, die Insel Korsika dagegen
zu Frankreich. Italien hat eine Größe von 290000 qkm (das Deutsche Reich
ist also fast doppelt so groß) und zählt 33 Mill. E.
Städte. Die Haupt- und Residenzstadt Italiens Rom (500 000 E.) ist zu-
gleich der Sitz des Papstes, des Oberhauptes der katholischen Kirche. Andere
bedeutende Städte sind Neapel (570 000 E.), Mailand (500 000 E.), Turin
(350 000 E.), Palermo (320 000 E.), Genua (250 000 E.), Messina (160 000 E.),
Catania (160 000 E.), Bologna (160 000 E.), Venedig (160 000 E.) und Livorno
(110 000 E.).
3. Die Pyrenäen-Halbinsel.
Lage und Gliederung. Noch eine dritte Halbinsel hängt sich im S.
an den Rumpf Europas an, und zwar an Frankreich. Nach den Pyrenäen,
die diese Halbinsel abtrennen, wird sie Pyrenäen-Halbinsel genannt. Auf
ihr liegen die Staaten Spanien und Portugal. Die Halbinsel bildet eine
große und wenig gegliederte Erhebung, ein eigenartiges Hochland.
Eigenartig ist auch ihre Lage zwischen dem Mittelländischen Meere und
dem Atlantischen Ozean. Nur die schmale Meeresstraße von Gibraltar
verbindet die beiden Meere. Das Südufer dieser Meeresstraße gehört zum
Erdteil Afrika.
Das Ebro-Becken. Wenn man die Pyrenäen übersteigt, so blickt man in ein
tief gelegenes Becken von dreieckiger Gestalt hinab. Auch auf den andern Seiten
ist dieses von Gebirgen umschlossen, im SW. vom Iberischen Scheidegebirge,
im SO. vom Katatonischen Küstengebirge. In der tiefsten Senkung
des Beckens blitzt der Spiegel eines Stromes, des Ebro, auf. In der Richtung
von NW. nach SO. schlängelt er sich durch die ebene Landschaft, die man nach
ihm Ebro-Becken nennt. Nach dem Durchbruch durch das Katatonische
Küstengebirge mündet der Ebro in das Mittelländische Meer.
Weil das Ebro-Becken zwischen hohen Gebirgen eingesenkt ist, hat es ein
kontinentales Klima. Der Sommer bringt Hitze und Dürre. Stellenweise
hemmt auch ein hoher Salzgehalt der Bodenschichten, der von der früheren
Meeresbedeckung des Gebiets herrührt, die Entfaltung des Pflanzenlebens.
80
Geographie.
n
Infolge künstlicher Bewässerung sind weite Strecken längs der Flüsse
jetzt in ergiebige Garten- und Obstfluren verwandelt, die besonders Hülsen-
fruchte und Oliven liefern. Sonst jedoch bildet das Ebro-Becken ein dürf-
tiges Steppenland, das von grünen Gebirgslandschaften umrahmt ist.
Die Steppe liefert die nützliche Halfa, ein hartes Gras, das zur Papier-
bereitung dient. Sehr wertvoll sind die Korkeichenwaldungen der Gebirge.
Spanien führt jährlich für etwa 25 Mill. Mark Kork aus. An der Küste wird
viel Wein gezogen. An ihr liegt die bedeutendste Industrie- und Handels-
stadt Spaniens, Barcelona (spr. barßelöna, 540000 E.). Im Ebro-Becken aber
ist Zaragoza (spr. ßaragößa, 100 000 E.) die größte Stadt.
Das Iberische Tafelland. Nach SW. senkt sich das Iberische Scheidegebirge
bei weitem nicht so tief wie nach dem Ebro-Becken hin. Wir blicken dort über ein
weites Hochland hinweg. Wohl die Hälfte der Halbinsel nimmt dieses Kastilische
Hochland ein. Nach N. reicht es bis zum Kantabrischen Gebirge, der westlichen
Fortsetzung der Pyrenäen, nach S. bis zur Sierra Morena, die tief zum
Andalusischen Tieflande abbricht. Durch das Kastilische Scheidegebirge
wird das Hochland in das Hochland von Alt-Kastilien im N. und das von
Neu-Kastilien im S. geteilt. Das Hochland wird durch tiefeingeschnittene
Flüsse entwässert, Alt-Kastilien durch den Dnero (spr. duero, portugiesisch
Döuro), Neu-Kastilien durch den Tajo (spr. tacho, portugiesisch Tejo, spr. teschu)
und Gnadiana.
Das Iberische Tafelland hat ein Landklima. Im Sommer herrscht große
Hitze und Trockenheit, im Winter große Kälte. Die Seewinde können das hoch-
gehobene Land nicht befeuchten, da dieses von höheren Randgebirgen um-
geben wird. Der Getreidebau ist aber im NW. möglich, so daß dieser Teil
Kastiliens eine Kornkammer Spaniens bildet. Vorzugsweise wird auf den
Hochflächen die Zucht der Merinoschafe betrieben.
In Neu-Kastilien liegt am Südfuße des Kastilischen Scheidegebirges die spa-
nische Hauptstadt Madrid (550000 E.), die als Mittelpunkt des noch spärlichen,
aber planmäßig angelegten Eisenbahnnetzes bedeutenden Handel treibt und
jüngst zu schnellerem Aufschwung gelangt ist.
Das nordwestliche und westliche Küstengebiet. Während das Iberische
Tafelland vom Meereseinfluß abgeschnitten ist, verdanken die nordwestlichen
und westlichen Küstengebiete der Pyrenäen-Halbinsel dem Atlantischen
Ozean ein gleichmäßiges und feuchtes Klima. Namentlich die gebirgigen
Landschaften Galiciens und Nordportugals prangen in frischem Grün. Die
Rindviehzucht steht dort in Blüte. Im Gebiete des unteren Döuro
und Tejo sind Wein- und Olivenbau wichtige Kulturen. Auch Reis wird
angebaut. Im südlichen Portugal ist dagegen das Klima trocken, und
die Halfasteppe nimmt einen großen Raum ein. Durch diese dürren Land-
schasten zieht der Guadiana zum Meere. Die bedeutendsten Städte Portugals
sind Porto am unteren Douro (170 000 E.) und die Hauptstadt Lissabon am
unteren Tejo (360 000 E.).
II
Geographie.
81
DaS südliche und südöstliche Küstengebiet. Diese Küstengebiete sind vor-
wiegend gebirgig. Im S. erhebt sich sogar das höchste Gebirge der Halb-
insel, die Sierra Nevada (- Schneegebirge). Ihr höchster Gipfel ist der
Mulahacsn (3480 m). Südspanien umschließt anderseits auch das größte Tief-
land und fruchtbarste Gebiet der Halbinsel, das Andalusische Tiesland. Dieses
breitet sich zu beiden Seiten des Guadalquivirs aus.
Das Klima der südlichen und südöstlichen Küstengebiete ist trocken, Anda-
lusien den feuchten Seewinden geöffnet, und die Sierra Nevada empfängt
22. Gibraltar. Eine schmale, an Dünen reiche Landzunge verbindet den jähen Kalkfelsen (425 m) mit
dem Festlande. An die sanftere Abdachung des Felsens schmiegt sich die Stadt, der feste Flottenstützpunkt,
von dem aus die britischen Schiffe die Meeresstrabe sperren können. Im Hintergrunde links zeigen sich die
Gebirge von Marokko in Afrika
reiche Niederschläge, so daß ihre Abflüsse weithin zur Bewässerung der Tal-
landschaften dienen können. In der Landschaft Murcia breiten sich große
Halfasteppen aus. Der Anbau der meisten Gewächse kann fast überall nur
mit Hilfe künstlicher Bewässerung erfolgen. Die bewässerten Flächen, Huertas
oder Vegas genannt, geben reiche Ernten, besonders an Apfelsinen, Zi-
tronen, Oliven und Wein. Die Wälder liefern Kork. Bei Elche in der
Nähe von Murcia liegt der größte Dattelpalmenhain Europas. Inmitten
der Huertas liegen auch die größten Städte, wie Sevilla (spr. ßewilja
~ Niederung, 150 000 E.), Granäda (75 000 E.), Malaga (130 000 E.),
Murcia (110 000 E.) und Valencia (220 000 E.). An der Küste liegen die
spanischen Kriegshäfen Cadiz (spr. kadiß) und Cartagena (100 000 E.)
82
Geographie.
II
und der englische Kriegshafen Gibraltar (Bild 22). — Zu Spanien ge-
hört auch die Inselgruppe der Balearen.
Staatenbildung. In die Pyrenäen-Halbinsel teilen sich die beiden König-
reiche Spanien und Portugal so, daß auf letzteres nur das westliche Küstengebiet
entfällt. Spanien ist 500 000 qkm groß, also fast so groß wie das Deutsche
Reich und hat 19 Mill. E. (auf 1 qkm 38), Portugal mißt 90 000 qkm und
zählt 5 Mill. E. (auf 1 qkm 56).
Städte. Die größte Stadt Spaniens ist die in der Mitte des Landes gelegene
Hauptstadt Madrid (550000 E.); andre bedeutende Städte sind Barcelona
(540 000 (£.), Valencia (220 000 E.), Sevilla (150 000 E.), Malaga (130 000 (5.),
Zaragoza (100 000 E.) und Cartagena (100 000 E.). In Portugal sind nur die
Hauptstadt Lissabon (360 000 E.) und Porto (170 000 E.) von Bedeutung.
Übersicht über die europäischen Großstädte.
(Mit mehr als £ Mill. Einw.)
1. London (Groß-London) . .7200000
2. Paris.......... 2700000
3. Berlin ......... 2 180 000
4. Wien.......... 2000000
5. Petersburg ....... 1500000
6. Moskau......... 1200000
7. Konstantinopel...... 1150000
8. Budapest ........ 950000
9. Hamburg ........940000
10. Glasgow ......... 800000
11. Warschau ........ 780000
12. Liverpool........ 700000
13. Brüssel (mit Vororten) . . . 600000
14. München.......• .595000
15. Leipzig ..................590000
16. Neapel ..................570000
17. Madrid ..................550000
18. Manchester................550000
19. Birmingham..............550000
20. Amsterdam................550000
21. Dresden..................550000
22. Barcelona................540000
23. Rom ....................500000
24. Mailand..................500000
25. Marseille .....500000
Übersicht über die Staaten Europas.
Staatsform Hauptstadt Größe Einwohner
Nr. Namen Machtstellung in qkm in Mill. aus lqkm
1. Rußland............ Großstaat Kaiserreich Petersburg 5400000 112 21
2 Deutsches Reich......... Berlin 540000 65 120
3. Österreich-Ungarn (mit Bosnien und Wien und Budapest 675000 49
Herzegowina)......... 71
4. Großbritannien und Irland .... Königreich London 315000 43 137
5. Frankreich........... Republik Paris 536000 39 73
6. Italien............. Königreich Rom 290000 33 114
7. Spanien............ Mittelstaat Madrid 500000 184 37
8. Belgien ............ Brüssel 30000 6ü 225
9. Türkei (europäische mit Kreta) . . . Kaiserreich Konstantinopel 171000 36 <3
(Sultanat)
10. Rumänien........... Königreich Bukarest 130000 6 46 CO
11. Holland ............ Amsterdam 33000 6* 165 0
12. Schweden ........... Stockholm 450000 öi 10 -er
13. Portugal............ Lissabon 90000 5 56 P
14. Schweiz............ Republik Bern 41400 34 75
16. Dänemark ........... Königreich Kopenhagen 40000 n 65
(Island)........... (105000) (80000)
16. Norwegen........... Kristiania 320000 24 7
17. Bulgarien (mit Ostrumelien) . . . Kleinstaat Sofia 97000 34 34
18. Griechenland.......... Athen 65000 24 39
19. Serbien............ Belgrad 50000 2* 52
20. Montenegro........... Fürstentum Cetinje 9000 I 25
21. Luxemburg........... " Großherzogtum Luxemburg 2 600 4 in Taus. 96
22. Monaco............ Zwergstaat Fürstentum — 1,5 15 10000
23. Liechtenstein .......... „ — 160 94 60
24. Andorra............ Republik — 450 54 12
25. San Marino.......... » — 60 94 160
9900000 411 | 42 00 CO
Dritter Teil.
Die außereuropäischen Erdteile.
ASIEN AMERIKA 42 MIEL qkm. AFRIKA 30MÜLqkm.
EUROPA lOMill. qkm. AUSTRALIEN 9M111. qkm.
23. Größe der Erdteile.
I. Asien.
Gliederung, Größe und Lage. Von allen Erdteilen ist Asien der größte;
es mißt über 44 Mill. qkm, also fast 4£ soviel als Europa. Mit Europa hat es
viel Ähnlichkeit. Mit einem großen Tieflande grenzen die Erdteile aneinander.
In der Mitte erhebt sich jeder am höchsten. Der Westküste Europas entspricht
die reichgegliederte Ostküste Asiens, und jeder Erdteil entsendet nach S. drei
große Halbinseln. Beide Erdteile liegen auf der nördlichen Halbkugel, aber
infolge seiner riesigen Größe reicht
Asien viel weiter nach S. Alles
ist in Asien riesenhafter. Durch-
schnittlich liegt es 700 m hoch.
Hoch- oder Zentralasien. Auf
dem großen Erdteile Asien erhebt
sich eigentlich ein zweiter, kleinerer.
Der Aufstieg zu diesemHochasien
wird durch riesenhafte Gebirge er-
schwert. Am bedeutendsten ist das
südliche Randgebirge, der Himä-
laja (= Schneesitz) (Bild 24) mit
dem Mount Everest (8840 m),
dem höchsten Berge der Erde.
Von dem 4000 m hohen Pamir-
Plateau zieht es sich bogenförmig
nach SO.; eine mächtige Neben-
kette, der Transhimälaja be-
gleitet ihn. Vom Pamir-Plateau
zweigen noch andre Hochgebirgs-
ketten ab. Eine kurze Nebenkette
des Himalaja ist das Karakornm-Gebirge (- schwarzes Gebirge), mit dem
zweithöchsten Berge der Erde, dem Dapsang (8600 m). Nach O. zieht sich der
24. Der Htmalaja von DardichMng au» ge>ehen. Dard-
schiling liegt nördlich von Kalkutta, in 2200 m Höhe zwischen
Tee-, Kaffee- und Chinarinden-Pflanzungen und bietet eine
großartige Aussicht über mehrere Ketten de» Himalaja.
II
Geographie.
Kuenlun. Zwischen ihm und dem Himalaja liegt das durchschnittlich 4000 m
hohe Hochland von Tibet. Nach N. senkt sich der Kuenlun zu dem viel tiefer,
nur etwa 1000 m hoch gelegenen Hochland von Ost-Turkestan. Auf drei
Seiten von hohen Gebirgen umgeben, im N. von dem mächtigen Tienschan
(= Himmels-Gebirge), erscheint es fast wie ein Becken. Nur im O. ist es offen;
dort schließt sich das größere Hochland der Mongolei an. Dieses liegt durch-
schnittlich 1200 m hoch und ist ebenfalls auf drei Seiten von Gebirgen umrahmt.
Als ein hochgelegenes und von Randgebirgen umgebenes Gebiet ist
Zentralasien vom Meereseinfluß abgeschnitten. Es hat Landklima mit
großen klimatischen Gegensätzen. Tibet und das Pamir-Plateau sind in-
folge ihrer hohen Lage im Winter sehr kalt, so daß sie dann Eiswüsten bilden.
In den tiefer gelegenen Gebieten, besonders in Ost-Turkestan und der süd-
lichen Mongolei, entwickelt sich dagegen im Sommer eine furchtbare Hitze.
Diese hat zusammen mit der Trockenheit große Stein- und Sandwüsten
entstehen lassen. In den Wüsten verdunsten die Flüsse, die wasserreich von den
schneebedeckten Hochgebirgen herabstürzen; selbst der bedeutende Tarim ermattet
und wird von dem Sande aufgezehrt. Ein großer Teil Zentralasiens ist also
abflußlos. Den Randgebieten aber entfließen große Ströme.
Durch Trockenheit, Hitze und Kälte, durch Stein- und Sandwüsten wird das
Pflanzenleben gehemmt und das Wohnen des Menschen erschwert. Die Ge-
biete Zentralasiens sind also pflanzenarm und fast nur von Nomadenvölkern
bewohnt. Wo sich am Rande der Wüsten durch den Staubniederschlag der Wüsten-
stürme fruchtbarer Löß abgelagert hat, findet mit Hilfe künstlicher Bewässerung
ein lohnender Anbau statt. Hier entstanden Oasenstädte, deren Bewohner
auch eifrig Handel treiben. Die bedeutendsten sind Kaschgar (80 000 E.)
und Jarkand (100 000 E.) in Ost-Turkestan. Die Hauptstadt des Priester-
staats Tibet und Sitz des Dalai-Lama ist Lhasa (- Sitz Gottes).
Nordasien oder Sibirien. Nach NW. senkt sich Hoch- oder Zentralasien
zu dem viel tiefer gelegenen Sibirien. Eigentliches Tiefland ist nur
Westsibirien, das durch das Ural-Gebirge von dem Russischen Tieflande ge-
schieden wird. Ostsibirien ist ein höher gelegenes Tafelland, das sich nach O.
hin verschmälert. Als ein Ausläufer der Hochgebirge Zentralasiens erstreckt sich
nach NO. das Stanowoi - Gebirge. Es bildet das Gerippe einer breiten
Halbinsel, an die sich nach S. die gebirgige Halbinsel Kamtschatka hängt.
Auf den nordwestlichen Randgebirgen Zentralasiens nehmen die drei
Riesenströme Sibiriens ihren Ursprung, der Ob, der Jenissei und die Lena.
Der Ob nimmt noch den Jrtysch auf, der Jenissei die Obere Tnnguska,
die den großen Baikal-See durchfließt.
Sibirien hat infolge seiner nördlichen Lage ein kaltes Klima. Die nörd-
lichste Zone des riesigen Landes, etwa bis zum 60? n. Br., bildet im Winter eine
Eiswüste, im Sommer eine bäum- und strauchlose Moos- und Flechten-
steppe. Nach S. schließt sich eine Waldzone an. Dann folgt nach S. ein
Ackerbaugebiet, dessen Boden aus fruchtbarer Schwarzerde besteht. Da
Sibirien ein Landklima hat und nur den trockenen nördlichen Winden geöffnet
86
Geographie.
II
ist, so nimmt nach S. nicht nur die Wärme, sondern auch die Trockenheit zu.
Das südlichste Sibirien ist daher Steppe, die der Viehzucht dient. Sibirien
besitzt bedeutende Bodenschätze, besonders Gold und Steinkohlen. Um
Ackerbau, Viehzucht und Bergbau zu heben, hat Rußland, dem das riesige Land
gehört, die Sibirische Eisenbahn gebaut. Diese führt von Europa über
Jrkutsk (55 000 E.) nach Wladiwostok am Stillen Ozean. Abseits von ihr
liegen Tobolsk und Tomsk (55 000 E.).
Westasien. Vom Pamir-Plateau nach W. erstreckt sich die Hochgebirgskette
des Hinduküsch. Dieser reicht bis zum Kaspischen Meere; seine Fort-
setzung ist das Elburs - Gebirge. Der Hindukusch bildet die südliche Um-
rahmung des Tieflandes von West-Turkestan und zusammen mit dem Elburs-
Gebirge die nördliche Umrahmung des Hochlandes von Iran.
Das Tiefland von West-Turkestan hängt durch die teilweise hochgelegene
Kirgisensteppe mit dem Tieflande von Westsibirien zusammen. Nach
W. reicht es bis zum Kaspischen Meere. Im S. besteht es aus großen Sand-
wüsten. Zwei Ströme, der Amü-Darjä und der Shr-Darjä, ergießen sich in
den großen Aral-See (4- 48 m).
Das Hochland von Iran ist auch im O. und SW. von Gebirgen umrahmt.
Es setzt sich nach W. fort in dem Hochland von Armenien, und dieses geht
wieder in das Hochland von Kleinasien über, das sich Europa entgegen-
streckt. Das Schwarze Meer, die Manytsch-Niederung und der Kaspische
See (—26 m, d. h. sein Spiegel liegt 26 m unter dem des Meeres)
trennen Europa und Asien. Südwestlich vom Hochlande von Iran und
südlich vom Hochlande von Armenien ist das Land tief eingesunken. Die
Ströme Euphrat (= sehr breit) und Tigris (= der Fluß) fließen diesem
Tieflande zu, bewässern Mesopotamien (= Zwischenstromland), vereinigen sich
und münden in den Persischen Meerbusen. Westlich von Mesopotamien
aber erhebt sich das Hochland von Syrien, dessen südlicher Teil das Land
Palästina bildet. Dieses wird vom Jordan durchflössen, der vom Libanon
(- weißer Berg) kommt und in das Tote Meer (— 394 m!) mündet. Nach
SO. schließt sich an Syrien die große Halbinsel Arabien an, eine hochgelegene
Platte, die meist von Wüsten und Steppen erfüllt ist. Diese wird im W. vom
Roten Meere, im O. vom Persischen Meerbusen begrenzt.
Sowohl die Hochländer als auch die Tiefländer Westasiens sind vom Meeres-
einflusse abgeschnitten. Daher herrscht hier ein trockenes Klima. Die meisten
Gebiete bilden Steppen, und in Arabien, auf dem Hochlande von Iran und im
Tieflande von West-Turkestan breiten sich große Sandwüsten aus. Nur die dem
Wolkenzug zugekehrten Gebirgsabhänge empfangen reichliche Niederschläge und
zeigen ein üppiges Pflanzen- und Waldkleid. In den übrigen Gebieten reicht
der Regenfall für den Anbau nicht aus; künstliche Bewässerung ist nötig.
Westasien vermag daher keine große Bevölkerung zu ernähren. Aber schon
im Altertum gab es in Westasien blühende Kulturreiche. Dieses Gebiet
gilt als die Heimat vieler Kulturpflanzen, wie des Weizens, des Wein-
stocks, des Ölbaums, der edlen Kastanie, des Flachses und der Dattel-
II
Geographie.
87
palme. Haupterwerbsquellen sind Olivenbau und Viehzucht, besonders
Schaf- und Ziegenzucht. Auch die Seidenraupenzucht wird viel betrieben.
Die künstlich bewässerten Landflächen könnten besonders in Mesopotamien noch
sehr vergrößert werden. Die alten Bewässerungsanlagen von Babylon sind
jetzt zerfallen. Auch in West-Turkestan gibt es viele Oasenstädte. Die
Russen haben dort in neuster Zeit besonders den Baumwollbau gefördert.
Unter den Bodenschätzen Westasiens sind vor allem die reichen Petroleum-
quellen von Baku (120 000 E.) hervorzuheben.
Für den Handel hat Westasien eine bevorzugte Lage. Es ist den stark
bevölkerten Gebieten Europas, Afrikas und Südasiens am nächsten gelegen.
Auch stoßen seine Gebiete an fünf Meeresteile. Wichtig ist ferner, daß durch
Westasien die großen Landstraßen von Europa nach Süd- und Ostasien führen.
Für den Handel sind schon Eisenbahnen gebaut, wie die Anatolische
Bahn und die russischen Bahnen. Weitere sind geplant, wie die Bagdad-
bahn. An Städten ist Westasien sehr reich. Wichtige Hafenplätze sind in
Kleinasien Smyrna (220000 E.), in Syrien Beirut (120000 E.), in Arabien
die englische Stadt Aden (50000 E.), in Mesopotamien Basra, am Kaspischen
Meere Baku und am Schwarzen Meere Batüm. Andre wichtige Städte sind
in Syrien Damaskus (200 000 E.), in Palästina Jerusalem (50 000 E.), in
Arabien Mekka und Medina, die heiligen Städte der Mohammedaner, in Per-
sien Teheran (200 000 E.) und Täbris (200 000 E.), in Afghanistan Kabul
(50 000 E.), in Kaukasien Tiflis (180000 E.) und in West-Turkestan Buchara
(80000E.) und Taschkent (160 000 E.). Die bedeutendsten Volksstämme
Vorderasiens sind die Perser, Araber und Türken.
Die Monsungebiete SUdasieus. Im Gegensatz zum übrigen Asien sind
Süd- und Ostasien feuchte Gebiete; denn sie sind dem Einflüsse großer
Meeresgebiete ausgesetzt. Wenn im Sommer Asien stark erwärmt wird, steigt
über ihm die warme Lust empor. Zum Ersatz für diese aufsteigende Luft werden
kühlere Meereswinde ins Land angezogen. Im Winter ist dagegen das Meer
wärmer als das Land, und es entsteht eine umgekehrte Luftströmung vom Lande
zum Meere hin. Da diese beiden Winde regelmäßig eintreten, werden sie Jahres-
zeit- oder Monsunwinde genannt. Der Sommermonsun ist, da er vom
Meere kommt, feucht und warm, der Wintermonsun, weil er vom Lande
kommt, trocken und kalt. Durch den Sommermonsun empfangen besonders
die südlichen Abhänge der Gebirge reiche Niederschläge.
Südasien besteht aus den beiden großen Halbinseln Borderindien und
Hinterindien und zahlreichen großen und kleineren Inseln der Malaiischen
Inselwelt. Vorderindien liegt südlich vom Himalaja. Steil fällt dieses
gewaltigste Hochgebirge der Erde zum Tieflande ab. Drei große Ströme sendet
es diesem zu, den Indus, den Brahmaputra (= Sohn des Brahma) und den
Ganges. Brahmaputra und Ganges vereinigen sich zu einem großen
Delta, in dessen Sumpfwildnis, den Dschungeln (Bild 25), sich mit Vorliebe
der Tiger aufhält. Auch der Indus bildet an der Mündung ein Delta.
Aus dem Tieflande dieser Ströme steigt die große, dreieckige Gebirgsplatte
88
Geographie.
II
Von Dekan (= der Süden) auf, die der Halbinsel die Gestalt gibt. Sie senkt
sich nach O. Ihr höherer Westabfall wird Westghats, der niedrigere Ostabfall
Ostghats genannt. Die Westghats werden von der Küste Malabar, die
Ostghats von der Küste Koromandel umsäumt. Ein abgetrennter Teil von
Vorderindien ist die gebirgige Insel Ceylon.
Hinterindien verdankt seine Gestalt mächtigen Hochgebirgsketten,
die von Tibet in diese Halbinsel ausstrahlen und hierbei nach SO. umbiegen.
Die längste Gebirgskette gestaltet die weit vorspringende schmale Halbinsel
Malakka. Die plattenartig breiten Gebirgsketten Hinterindiens sind durch tiefe
Talfurchen geschieden. In diesen fließen große Ströme. Die beiden längsten
25. Dschungel im Delta des Ganges bei Ebbezelt. Bäume mit Luftwurzeln, Mangroven gc>
mmnt, große Farnkräuter, Palmen und Lotospflanzen bilden eine fast undurchdringliche Wildnis, die von
zahlreichen Tieren belebt ist.
von ihnen, Mekong und Salnen, kommen aus Tibet. Der Mekong bildet
an der Mündung ein großes Delta.
Die Malaiische Inselwelt setzt sich aus den vier Großen Sunda-Inseln:
Sumatra, Java, Börneo und Celebes, den zahlreichen Kleinen Sunda-
Inseln, den Philippinen und den Gewürz - Inseln oder Moluffen zusammen.
Alle großen Inseln sind gebirgig, viele mit Vulkanen, zum Teil noch mit
tätigen, besetzt. Sie sind Reste einer großen Landscholle.
Der Anbau wird in Südasien durch ein hohes Maß von Wärme und
Feuchtigkeit und in den Flußniederungen durch einen sehr fruchtbaren
Boden begünstigt. Die meisten Gebiete bringen sehr reiche Ernten. Südasien
ist daher sehr stark bevölkert. Ein wichtiges Nahrungsmittel ist der Reis,
der in den sumpfigen Niederungen angebaut wird. Auch viele Handelsgewächse
werden gezogen, so Kaffee auf Java und Sumätra, Tee auf Ceylon und in
II
Geographie.
89
Assam, Gewürze auf den Gewürz-Inseln, Zucker auf Java und den Philippinen,
Tabak auf Sumatra, Java und den Philippinen, Jute in Bengalen und Hanf
auf den Philippinen. Bei diesem Reichtum Südasiens an Erzeugnissen konnte
der Handel lebhaft aufblühen. Die bedeutendsten Handels-- und Hafen-
städte sind in Vorderasien Kalkutta (1100000 E.), Bombay (750000 E.) und
Madras (460 000 E.), auf Ceylon Colombo (130 000 E.), in Hinterindien
Rangun (180 000 E.), Bangkok (600 000 E.) und die wichtige englische Handels-
stadt Singapore (150000 E.), auf Java Batavia (100000E.) und aus den
Philippinen Manila (270000 E.). Große Städte gibt es besonders noch in
26. Lößlandschaft an einem Nebenflusse des Hoangho. Der Löh ist als Staub vom Winde
auf die Erasmatten mehr als 600 m mächtig aufgetragen, hat die Gebirgszüge überdeckt und die einge-
ebnete Landschaft gelb gefärbt. Er verwittert in senkrechtem Absturz zu seltsamen Burgen, Türmen, Säulen
und Höhlen. (Die Talwände sind bis 150 m hoch.) Die mit Äckern bedeckten Terrassen bilden den Eingang
zu den Höhlenwohnungen. Unten im Tal wird Reisbau getrieben.
Vorderindien, z.B. Benares (230000 E.), die indisch-englische Krönungs-
stadt Delhi (200 000 E.) und Haidarabäd (430 000 E.).
Vorderindien ist vorwiegend von den Indern, die mit den europäischen
Völkern verwandt sind, die Malaiische Inselwelt von Malaien, Hinterindien
von Mischvölkern zwischen Mongolen und Malaien bewohnt.
Die Monsungebiete Ostasiens. Die Gebirgsketten des östlichen Tibet
strahlen nach SO. und O. weit auseinander. Der Kuenlun hält die gerade
Richtung nach O. bei. Er bildet gleichsam das Rückgrat Ostasiens, zugleich
die Wasserscheide zwischen zwei großen Strömen, dem Jangtsekiang
(= Sohn des Ozeans) und dem Hoangho (-- Gelber Fluß). Der Jangtse-
kiang tritt durch eine großartige Schlucht in das Chinesische Tiefland ein.
Hirtt neue» Realtknbuch. Geographie. 7
90
Geographie.
II
Der Hoangho erhält die gelbe Färbung seines Wassers in dem großen nord-
chinesischen Lößgebiet (Bild 26), in das er und seine Nebenflüsse tiefe
Schluchten gerissen haben. Er mündet in das Gelbe Meer; den Ort
seiner Mündung hat er mehrmals gewechselt. Das Gelbe Meer wird im NO.
von der gebirgigen Halbinsel Korea abgeschlossen. Vor der Küste Ostasiens
tauchen viele Inseln aus dem Ozean auf. Die wichtigsten sind die Japanischen
Inseln. Von der Insel Formosa im S. ziehen sie sich in zwei Bogen bis
zur Insel Sachalin gegenüber der Mündung des Amurs, des dritten
großen Stromes von Ostasien, hin. Die größte Insel Hondö wird von
27. Der Fudschijama <3760 m). Vor 200 Jahren erfolgte der letzte Ausbruch. Der Fudschijama ist dev
heilige Berg der Japaner, eine blendend weiße Schneehaube krönt ihn. Er wird viel von buddhistischen
Pilgerscharen besucht. Im Vordergrunde eine japanische Stadt mit niedrigen, aus Holz gebauten und mit
Stroh gedeckten HZusern, rechts Schirmtannen.
den Japanischen Alpen durchzogen. Unter den zahlreichen Vulkanbergen
Japüns ist der Fudschijama der höchste (3760 m, Bild 27).
Das Klima Ostasiens ähnelt dem Klima Südasiens. Der Sommer-
monsun bringt ebenfalls Wärme und viel Feuchtigkeit. Die nördlichen Gebiete
sind aber wesentlich kühler. Eine wichtige Klima- und Pflanzenscheide
bildet der Kuenlun. Nördlich von ihm treten an die Stelle der immergrünen
Wälder solche mit blattwechselnden Holzgewächsen. Auch das südliche
Japan hat noch immergrüne Wälder. Unterden Anbaugewä chsen spielt eben-
falls der Reis eine große Rolle. Im südlichen China und im südlichen Japan
ist der Teebau sehr wichtig (Bild 28). Eine Haupteinnahmequelle bildet ferner die
Seidenraupenzucht. Während der Reis für die Ernährung der zahlreichen Be-
völkerung sehr wichtig ist, bilden Tee und Seide Schätze für den Handel.
II
Geographie.
91
Für die Volksernährung ist auch der Fischreichtum des Japanischen Meeres
von großer Bedeutung. Der ungeheure Reichtum Chinas an Boden-
schätzen, besonders anKohlen, wird erst wenig ausgebeutet. Während das alte
Kulturvolk der Chinesen in der Kultur nicht mehr fortgeschritten ist, haben
die Japaner, die einstigen Schüler der Chinesen, von den Europäern viel
gelernt. Sie sind heute das wichtigste und mächtigste Kulturvolk Asiens.
Von den großen Handelsstädten, die in den dicht bevölkerten und reichen
Ländern Ostasiens erblüht sind, liegen in China die englische Hafenstadt
Hongkong (260 000 C.), Canton (1 MiN. E.), Schanghai (600 000 E.),
Tientsin (1 Mill. E.) und die deutsche Stadt Tsingtau, in Japan Jokohama
28. Tee-Pflanzung in China. Der Tee wird als niedriger Strauch gezogen und beschnitten, damit die
Zweige buschig werden, Er verlangt reichliche Bewässerung. Die Blätter werden bis fünfmal jährlich ge-
erntet, an der Sonne getrocknet, auf Feuer in eisernen Pfannen geröstet und noch heiß zwischen den Händen
gerollt, dann sortiert und verpackt.
(200 000 E.) und Nagasaki (spr. nangasaki, 75 000 E.). Von den vielen andern
großen Städten Chinas seien die Hauptstadt Peking (1 Mill. E.), die alte
Hauptstadt Singan (1 Mill. E.), Hankou (800 000 E.) und Nanking
(250 000 E.), von den großen Städten Japans die Hauptstadt Tokio (= Ost-
hauptstadt, Ii Mill. <*.), die alte Hauptstadt Kiöto (= Westhauptstadt,
350 000 E.) und die Industriestadt Osaka (spr. ösaka, 800 000 E.) genannt.
Die Hauptstadt von KorSa ist Söul (200 000 E.).
Staatenbildung. Die staatliche Gliederung Asiens hat sich meist
der natürlichen angepaßt. Zentralasien gehört fast ganz zu China. Über
Nordasien herrscht Rußland. Von Westasien gehört der größte Teil zur
Türkei; selbständige Staaten bilden das Kaiserreich Persien, das Emirat
7'
92
Geographie.
n
Afghanistan und ein Teil Arabiens; Aden und Belntschistan gehören zu
England, Kaukasien und West-Turkestan zu Rußland. Südasien ist größten-
teils im Besitze Englands; selbständige Staaten sind das Königreich
Siam und die Himälajastaaten Nepal und Bhutan; ein Teil Hinterindiens
gehört den Franzosen, der größte Teil der Malaiischen Inselwelt den Hol-
ländern, die Philippinen den Vereinigten Staaten. In Ostasien teilen
sich zwei selbständige Staaten, das Kaiserreich China und das Kaiserreich
Japan; das frühere Kaiserreich Korea ist jetzt ein Schutzstaat Japans;
Hongkong ist englisch, Kiautschöu deutsch.
Übersicht über die Staaten Asiens.
Staaten
Hauptstadt
Größe
in qkm
Einwohner
auf
in Mill.
I qkm
Selbständige Staaten.
Unabhängiges Arabien.......
Persien..............
Afghanistan............
Himälaja-Staaten (Nepal und Bhutan)
Siam ..............
China ..............
(Eigentl. China).........
(Nebenländer: Mandschurei, Mongolei,
Westland und Priesterstaat Tibet) .
Japän . . . . : .........
Korea (Schutzstaat von Japän) ....
Besitzungen fremder Staaten.
Britisch..............
Türlisch .............
Russisch..............
Niederländisch...........
Französisch............
Der Vereinigten Staaten Nordamerikas
Portugiesisch............
Deutsch............ • ■
Teheran
Kabul
Bangkok
Peking
Tökio
Söul
Zusammen rund:
2500000
1650000
550000
200000
630000
11000000
(4000000)
(7000000)
420000
220000
5000000
1800000
17300000
1500000
900000
290000
20000
500
44000000
2z 1
9 5
H 8
3 15
H 10
430 40
(410) (102)
(20) (3)
51 123
6 27
300 60
17 9
28 1,6
37 25
25 28
7 24
1 50
0,035 66
920 21
II. Australien und Ozeanien.
Größe und Gliederung. Die Malaiische Inselwelt bildet die Brücke zu dem
Erdteile Australien. Dieser ist der kleinste Erdteil. Er ist nur Mill. qkm
groß, mit den Inseln etwas über 9 Mill qkm (Europa 10Mill.). Australien liegt
auf der südlichen Halbkugel. Die zahlreichen Inseln, die noch zu ihm gehören,
Ozeanien genannt, verteilen sich im Großen Ozean auf einen riesigen Raum.
Das Festland Australien. Im Vergleich zu Europa und Asien hat Austra-
lien einen einförmigen Bau. Es wird nur in unmittelbarer Nähe der Ost-
küste von einem mächtigen Gebirge durchzogen, das sich am höchsten im S., in
den Australischen Alpen, erhebt. Nach W. senkt sich der Erdteil zu einem Tief-
n
Geographie.
93
lande; dann steigt er wieder etwas an. Auch seine beiden andern Ränder
liegen etwas höher als das Innere. So bildet Australien eine flache Mulde
mit höheren Rändern. Seine mittlere Erhebung beträgt etwa 400 m. Das
Gebiet des Eyr-Sees (spr. är) senkt sich sogar bis unter den Meeresspiegel;
dasselbe ist infolgedessen abflußlos. Der einzige größere Strom Australiens
ist der Murrah (spr. mörre), der den noch längeren Darling (spr. därling)
aufnimmt. Alle übrigen Flüsse, die das Meer erreichen, sind nur Küstenflüsse.
Dem einförmigen Bau der Oberfläche Australiens entspricht die geringe Gliede-
rung seiner Küste. Der Golf von Carpentaria im N. und die Große
australische Bucht im S. sind die einzigen größeren Einbuchtungen der Mste.
In unmittelbarer Nähe der Südostküste Australiens liegt die Insel Tasmania.
2S Pfahlbauten an der Küste von Neu-Guinea. Die Eingebornen an den Küsten von Neu-
Guinea und des Bismarck-Archipels wohnen noch vielfach in Pfahlbauten. Bambusstämme bilden die Pfähle,
Bambuslatten die Wände, Palmzweige das Dach. Das Haus hat nur eine Tür und einen großen dunkeln
Raum. Über den Latten des Fußbodens liegen meist Matten.
Das Klima Australiens muß infolge der Lage des Erdteils unter dem süd-
lichen Wendekreise ein warmes sein; ein großes Gebiet liegt noch in der heißen
Zone. Im größten Teile Australiens ist ferner das Klima sehr trocken; denn
die erhöhten Ränder des Erdteils halten den Meereseinfluß vom Inneren ab.
Nur die nördlichsten Gegenden und die hohe Südostküste sind feuchter. Jene
erhalten Niederschläge durch Tropenregen und Monsunwinde, diese empfängt
Steigungsregen. An der Westküste verhindern kalte Auftriebwasser des Meeres
die Regenbildung. Australien ist das Land großer Dürren. Selbst die großen
Ströme im SO. lösen sich im Sommer in Ketten langgestreckter Lachen aus;
alle kleineren Flüsse aber trocknen fast vollständig aus. Der Trockenheit des
94
Geographie.
II
Klimas entspricht das Pflanzenkleid. Im Inneren Australiens wiegt die
Steppe vor. Diese ist fast unwirtlicher als die Wüste; denn sie besteht
vielfach aus undurchdringlichem Dornbusch, dem Scrub (spr. skröb), oder
aus dem harten Stachelschweingras, das östliche Gebirge ist bewaldet.
Zum Anbau ist höchstens ein Viertel des Erdteils zu verwenden, Haupt-
sächlich im SO. und N. Es wird Weizen, Zuckerrohr, Wein und Obst
gezogen. Von der Viehzucht können dagegen zwei Fünftel der Oberfläche be-
nutzt werden. Die Viehzucht ist daher der wichtigste Erwerbszweig, und zwar
die Schafzucht. Australien besitzt ferner einen großen Reichtum an mine-
ralischen Schätzen, an Gold, Silber, Blei, Kupfer, Zinn und Kohlen.
Das ganze Festland von Australien nebst der Insel Tasmania gehört zu
England. Es bildet einen Staatenbund von 5 Kolonien. Diese sind:
Viktoria mit der Hauptstadt Melbourne (spr. melbörn, 500 000 E.), Neu-
Süd-Wales (spr. uels) mit Sydney (ßidne, 530 000 E.), Queensland (spr.
quinsländ) mit Brisbane (spr. brisben, 130000 E.), Südaustralien mit Ade-
laide 170000 und Westaustralien mit Perth (spr. pörß'). Ihre Gesamt-
bevölkerung beträgt 4 Mill.; davon entfallen -f auf Viktoria und Neu-Süd-
Wales, die aber nur ^ der Oberfläche einnehmen.
Die Australische Inselwelt oder Ozeanien. Man kann drei Jnselhalb-
kreise um Australien unterscheiden. Der am nächsten gelegene Insel-
Halbkreis umfaßt die große Insel Neu-Guinea (Bild 29), die Doppelinsel Neu-
Seeland und zahlreiche kleinere Inseln. Der zweite Jnselhalbkreis besteht
nur aus kleinen Inseln; er beginnt mit den Palau-Jnseln und Marianen
im W. und endet mit den Kermadek-Inseln. Der dritte Jnselhalbkreis
hat große Lücken; die Hawaii-Jnseln sind in ihm die wichtigste Gruppe.
Die Inseln Ozeaniens erheben sich auf Gebirgsrücken des Meeres. Sie
sind teils Reste eines früheren Festlandes, von dem jetzt nur noch die Gebirgs-
rücken hervorragen, also Festlandsinseln, teils sind es vulkanische Inseln
oder Koralleninseln. Die vulkanischen Inseln sind hoch, wie die Hawaii-
Inseln, auf denen sich riesenhafte Vulkanberge erheben, die Koralleninseln
dagegen sehr niedrig und flach. Die vulkanische Tätigkeit dauert auf vielen
Inseln noch fort.
Da die australischen Inseln von allen Seiten dem Meereseinflusse ausgesetzt
sind, haben sie ein feuchtes und gleichmäßiges, infolge ihrer Lage in der
Nähe des Äquators aber ein warmes Klima. Nur Neu-Seeland liegt
schon in dem kühlen Gebiete der gemäßigten Zone. Die hohen Inseln sind meist
bis zum Gipfel mit dichtem Urwalde bewachsen, auf den niedrigen ist häufig
die Kokospalme der einzige Baum. Diese ist in allen ihren Teilen nutzbar,
besonders ist der getrocknete Kern, die Kopra, die zur Olgewiunung dient,
ein wichtiger Gegenstand des Handels. Auf manchen Inseln wird Zuckerrohr
und Kakao angebaut. Neu-Seeland, das allein eine starke europäische
Einwanderung erhalten hat, liefert besonders Schafwolle; es ist ferner reich
an Gold und Kohlen. Die eingeborne Bevölkerung Ozeaniens teilt man in
Melanesier, Polynesier und Mikronesier ein.
n
Geographie.
95
Der größte Teil der Inselwelt von Ozeanien ist im Besitze Englands;
ihm gehören Neu-Seeland, der südliche Teil von Neu-Guinea und zahlreiche
Gruppen der kleineren Inseln. Der westliche Teil Neu-Guineas ist Holland-
ischer, der östliche deutscher Besitz. Deutschland besitzt ferner den Bismarck-
Archipel, die nördlichen Salomon-Inseln, den größten Teil der Samoa-Jnseln,
die Marschall-Inseln, Palau-Jnseln, Karolinen und Marianen. Den Franzosen
gehört Neu-Kaledonien, und im Besitze der Vereinigten Staaten Nord-
amerikas befinden sich die Hawaii-Jnseln mit dem Hafen Honolulu.
III. Amerika.
Lage, Gliederung und Größe. Amerika, auch die Neue Welt^ genannt,
liegt auf der westlichen Erdhälfte. Der Erdteil erstreckt sich von N. nach
S. fast über die ganze Erde. In der Mitte ist aber die Ländermasse ein-
gebrochen; nur eine schmale Landbrücke und eine Jnselbrücke blieben übrig.
So kann man ein Nord-, ein Süd- und ein Mittelamerika unterscheiden.
Sowohl Nord- als auch Südamerika haben eine dreieckige Gestalt. Die
Langseite liegt bei jedem Dreieck im W.; Südamerika ist jedoch mehr nach O.
verschoben. Beide haben auch einen ähnlichen Oberflächenbau, da jedes
im W. von einem hohen Faltengebirge durchzogen wird. Dieses hohe Gebirge
bewirkt, daß in Amerika die Klimazonen nicht bloß von N. nach S., sondern
auch von O. nach W. wechseln. Schon Nordamerika ist wenig gegliedert, noch
weniger aber Südamerika. Ganz Amerika ist 42 Mill. qkm groß (mehr als
viermal so groß als Europa). Die Durchschnittshöhe Nordamerikas beträgt
700, die von Südamerika 600 m.
Die nördlichen Gebiete Nordamerikas und die Kanadische Seenplatte.
Die Nordseite Nordamerikas ist die am meisten gegliederte Küstenstrecke
Amerikas. Das Insel- und Halbinselgebiet liegt aber zum Teil in der kalten
Zone. Am weitesten ist die riesige Landmasse von Grönland nach N. vor-
geschoben. Sein hoher Felsrücken ist noch von einer wohl 1000 m dicken Eis-
kappe überzogen. So bildet es eine furchtbare Eiswüste, wahrscheinlich
ein Rest der Vergletscherung der Eiszeit. Nur an den südlichen Küsten
Grönlands zeigt sich etwas grünes Land, wie der Name fälschlich für das
ganze Land andeutet. Die grönländischen Gletscher fließen bis hinab in das
Meer; die abbrechenden gewaltigen Gletscherzungen treiben als Eisberge fort.
Südwestlich von Grönland liegt das ebenfalls sehr lange Bassinsland (spr.
bäffin). Südlich von diesem greift die Hudson-Bai (spr. höds'n) tief in die
Landmasse Nordamerikas ein. Sie schnürt die große Halbinsel Labrador ab,
der wieder im O. die Insel Neu-Fundland vorgelagert ist. Von der übrigen
Insel- und Halbinselwelt sei noch die Halbinsel Boothia Felix (spr. buß'ie)
genannt, auf der John Roß den magnetischen Nordpol entdeckt hat.
1 Christoph Kolumbus entdeckte Amerika i. I. 1492; viel früher, etwa um das
Jahr 1000, hatten aber schon die Normannen von Grönland aus den Erdteil erreicht.
Die Kunde hiervon war aber verloren gegangen.
96 Geographie. n
Das mächtige Hochgebirge, das Nordamerika im W. durchzieht, bildet
im W. zuletzt die Halbinsel Alaska. Im Eliasberge (5500m) und Mac
Kinley (spr. mäk kinle, 6240 m) erreicht dasselbe noch sehr bedeutende Höhen.
Die übrige Landmasse ist ein muldenförmiges Tiefland. Dem felsigen
Boden sind zahlreiche große Seen eingebettet. Sie entstammen der Eis-
zeit, m welcher der Norden Nordamerikas und Europas von riesigen Gletschern
bedeckt war, so wie
heute noch Grön-
land. Die größten
Seen liegen südlich
von der Hudson
Bai, nämlich
Oberer, Michigan-
(spr. mi(t)schigän),
Huron-, Erie- (spr.
tri) und Ontario-
See (spr. onterio).
Diese 5 kanadi-
schen Seen bil-
den die größte An-
sammlung von
Süßwasser auf der
Erde. Sie stehen
in Verbindung.
Erie- und Ontario-
See sind durch den
Niagara - Fluß
verbunden, der die
berühmten Nia-
gara-Fälle bildet
(Bild 30). Das
30. Die Niagara-Fälle. Born der 300 m breite „Amerikanische Fall", hinten Wasser der kanadi-
der 900 m breite kanadische „Hufeisenfall." In neuerer Zeit werden die Fälle von rx GZoon MfirtSor
elektrischen Kraftanlagen stark ausgenutzt. JUIJtluei
große St. Lorenz-
strom gegenüber der Insel Neu-Fuudland in den Atlantischen Ozean.
Der Mackenzie (spr. mäkkensi), der ebenfalls große Seen entleert, mündet in
das Nördliche Eismeer. Alaska wird von dem Jukon durchströmt.
Die kältesten Gebiete des Nordens gestatten dem Menschen nur Fisch--
fang und Jagd aus Pelztiere. An der Küste des Eismeeres wohnen nur die
Eskimos. Nach S. nimmt mit der Wärme der Holzwuchs zu; riesige Wälder
breiten sich aus. Dann folgen Grassteppen, Prärien genannt, die nicht
nur für die Viehzucht, sondern auch für den Getreidebau vorzüglich geeignet
sind. Dieses wertvolle Gebiet nimmt einen breiten Streifen ein, der von den
kanadischen Seen sich nach NW. erstreckt. Weizen und Mais gedeihen vor-
n
Geographie.
97
züglich. Infolgedessen findet in diesem Teile Kanadas zurzeit eine bedeutende
Einwanderung statt. Auch bedeutende mineralische Schätze besitzt dasnörd-
liche Nordamerika. Alaska ist ein reiches Goldland, und in den südlichen
Gebieten wird viel Eisen und Kupfer gewonnen. Erwähnt sei noch der
bedeutende Fischsang, der an der Bank von Neu-Fundland stattfindet.
Pelze, Holz, Getreide, Vieh und Mineralschätze sind die Gegenstände
eines bedeutenden Handels geworden. Durch die natürlichen Wasser-
straßen, die die kanadischen Seen und der Lorenzstrom bilden, wurde der
Handelsverkehr begünstigt. An dieser Verkehrsstraße entstanden bedeutende
81. Baumwoll-Pklanzung. Die Baumwolle kommt als Baum oder Strauch und als hohes Kraut tu
tropischen Ländern vor. Sie verlangt bis zur Reife viel Wasser. Regen in der Ernte dagegen ist schädlich.
Die Samen werden in Löcher gesät, die Pflanzen beschnitten, und in mehreren Ernten jedesmal die reifen
Kapseln abgepflückt. Dann wird die Wolle von den Hülsen und den Samenkörnern getrennt und
durch Maschinen zusammengepreßt und verpackt. Die Samenkörner liefern ein brauchbares Hl. Die Wolle
wird größtenteils nach Europa verschickt.
Handels- und Industriestädte, wie Chicago (2 Mill. E.), Milwaukee
(spr. miluöki, 300000 E., mit vielen Deutschen), Detroit (spr. detröit, 350000 E.),
Bussalo (spr. bösfelu, 400 000 E.), Toronto (220 000 E.), Montreal (spr.
montriöl, 280 000 E.) und Quebec (spr. kuibek, 70 000 E.). Die drei letzt-
genannten Städte liegen in Kanada, die übrigen in den Vereinigten
Staaten.
Das Gebiet des Mississippi und das östliche Küstenland. Vom untern
St. Lorenzstrom erstreckt sich nach SW. der Gebirgszug der Alleghanies
(älligenis). Im südlichen Teile bestehen diese aus zwei parallelen Ketten,
die ein großes Tal einfassen. Die zahlreichen Küstenflüsse, die sie mitsenden,
98
Geographie.
II
haben meist eine trichterförmige Mündung. Von der Westseite der
Alleghanies fließt der Ohio (spr. oheio = schöner Fluß) ab. Er ist ein Neben-
fluß des Mississippi, der westlich vom Oberen See entspringt und auf seinem
nach S. gerichteten Laufe noch den längeren Missouri aufnimmt. An der
Mündung bildet der Mississippi, der einer der größten Ströme der Erde
ist, ein großes Delta. Die Stadt New Orleans (spr. nju orlins) hat sich
vor seinen Überschwemmungen durch lange Deiche schützen müssen. Der Golf
von Mexiko, in welchen der Mississippi mündet, wird im O. durch die
Halbinsel Florida abgeschlossen.
Das Klima des Gebiets, das den wertvollsten Teil der Vereinigten Staaten
umfaßt, wird nach S. infolge der größeren Nähe des Äquators immer wärmer,
nach W. infolge der wachsenden Entfernung vom Atlantischen Ozean immer
trockener. Die wärmste Zone im S. gestattet den Baumwollbau (Bild 31);
sie liefert f aller Baumwolle, die auf der Erde gezogen wird. Nach N. folgt
eine Maiszone, dieser eine Weizenzone und zuletzt eine Haferzone. Die
Maisernte der Vereinigten Staaten beträgt -f, die Weizenernte \ der
Welternte. Auch viel Tabak, Flachs und Hopfen wird in den Vereinigten
Staaten gezogen, Tabak besonders zu beiden Seiten der Alleghanies.
Die Zunahme der Trockenheit nach W. hin übt einen noch stärkeren
Einfluß aus als die Wärmezunahme nach S. hin. Die Dürre des Sommers."
läßt den Baumwuchs verschwinden, und nur Gräser halten aus. Westlich vom
Mississippi breiten sich die endlosen Grasebenen der Prärien bis zu den'
Felsengebirgen aus. Früher belebten große Büffelherden dieselben, heute
leben in ihnen noch größere Herden von Rindern, Schafen und Pferden.
Im N. wird auch die Schweinezucht stark betrieben. Anbau ist jedoch nur mit
Hilfe künstlicher Bewässerung möglich. So ist das Gebiet westlich vom
Mississippi ein ganz andres Land als das östlich von ihm gelegene. Die Ameri-
kaner nennen dieses das „Gottesland", jenes aber den fernen Westen.
Ein Gottesland ist das östliche Mississippigebiet in der Tat. Es liefert
auch reiche Bodenschätze, besonders Steinkohlen, Eisenerze und Petroleum.
Das wichtigste Gebiet des Bergbaues ist Pennsylvanien.
Bei dem großen Reichtum der Vereinigten Staaten an Erzeugnissen
aller Art konnten Industrie und Handel mächtig aufblühen. Auch die Tatkraft
und der Unternehmungsgeist der aus Europa, und zwar meist aus den germanischen
Ländern, eingewanderten Bevölkerung förderten das Aufblühen. Für den
Handel stehen zwei Weltmeere offen, die durch den Panama-Kanal
verbunden werden sollen. Besonders die Ostküste der Vereinigten Staaten,
wo die Scharen der Auswanderer landeten, hat für den Handel eine günstige
Lage. Dort erblühten bedeutende Städte, wie New Jork, als Groß-New Jork
4 Mill. E. zählend, Philadelphia (H Mill. E.), Baltimore (550 000 E.),
Washington (spr. uöschingten, 300 000 E.), die Bundeshauptstadt der
Vereinigten Staaten, und Boston (spr. böst'n, 600 000 E.). Von andern Städten
des Gebiets seien noch die Fabrikstadt Pittsburg (350 000 E.), Cincinnati
(spr. ßinßinsti, 350 000 E.) am Ohio, St. Louis (spr. ßent lüis, 650 000 E.)
n
Geographie.
99
am Mississippi und New Orleans (300 000 E.) an der Mündung dieses Stromes
genannt. Letztere Stadt ist die wichtigste Hafenstadt am Golf von Mexiko.
In dem Baumwollgebiete der Vereinigten Staaten wohnen viele Neger,
die einst als Sklaven aus Afrika eingeführt worden sind. Den Ureinwohnern,
den Indianern, wurden Gebiete westlich vom Mississippi zugewiesen, doch
stirbt diese Rasse aus.
Das Hochgebirge im Westen
Nordamerikas. Das Hochge-
birge der Kordilleren, das
N.-Amerika im W. durchzieht, besteht
aus zwei Ho chgebirgszügen, die
weite Hochflächen umrahmen.
Die östliche Hochgebirgskette wird
Felsengebirge genannt. Höhen von
fast 5000 m kommen in ihr vor.
Durch große landschaftliche Schön-
heit zeichnet sich das vulkanische
Gebiet am oberen Jellowstone-
Fluß, der Nationalpark der Nord-
amerikaner, aus. Die westliche
Hochgebirgskette setzt sich aus den
Seealpen, dem Kaskaden-Gebirge,
der Sierra Nevada (= Schnee-
gebirge) (Bild 32) und Küstenge-
birgen zusammen. Es kommen
Höhen von 4000 m vor.
Die Hochflächen zwischen den
beiden Randgebirgen liegen durch-
schnittlich 2000 m hoch. An das
Große Becken, das sich im Todes-
Tale bis unter den Meeresspiegel
senkt, schließt sich nach SO. das
Colorado-Plateau, an dieses das Hochland von Mexiko an. Letzteres bricht
besonders im W. mit einem gewaltigen Steilabsall zum Meere ab. Im S.
endet es ebenfalls mit einem Querbruche, auf dem gewaltige Vulkane, wie.
der Citlatepetl (--- Sternberg, 5600 m), hervorgebrochen sind. Ein großes
Gebiet der Hochflächen im N. um den Großen Salzsee und ein kleineres im
S. auf dem Hochlande von Mexiko haben keinen Abfluß zum Meere. Das
Colorado-Plateau hat der Colorado-Fluß in einer großartigen, fast 2000 m
tiefen Schlucht durchbrochen.
Da die hohen Randgebirge den Meereseinfluß abhalten, haben die Hoch-
flächen ein trockenes, fast regenloses Klima' Sie bilden daher Steppen
und sogar Halbwüsten. Auch die Westküste hat wenig Regenfall, weil kalte
Auftriebwasser des Meeres die Regenbildung verhindern. Der Anbau
32. Das Posemitetal in Kalifornien. Der Glanz»
punkt der durch kühne Bergformen und Reichtum anGlet-
schein und Seen berühmten Sierra Nevada ist das ?)ose>
mitetal. Gewaltige, teilweise senkrecht abstürzende Wände
rahmen es ein. Das Tal bricht in Stufen ab, über die das
Wasser in Fällen hinabfließt.
100
Geographie.
n
ist meist nur mit Hilfe künstlicher Bewässerung möglich, dann aber sehr
lohnend. Besonders die Gebiete Utah und Kalifornien sind durch Be-
Wässerungsanlagen in einen großen Garten verwandelt worden. In Mexiko
unterscheidet man drei Höhen- und Klimazonen, die zugleich Pflanzen- und
Kulturzonen sind, nämlich die untere oder heiße Zone, die mittlere oder ge-
mäßigte und die obere oder kühle Zone. Inder heißen Zone, den Küsten-
gegenden, wird Kaffee, Tabak, Zuckerrohr und Baumwolle gezogen.
Das Hochland dient dem Getreidebau und der Viehzucht. Einen großen
Reichtum besitzen die Kordilleren an Gold und Silber. Namentlich Kali-
fornien und Mexiko lieferten eine große Ausbeute.
Während der Osten der Vereinigten Staaten schon sehr volkreiche Gebiete
hat, ist der Westen no ch wenig bevölkert. Der Handelsverkehr zwischen
den beiden Gebieten ist aber so bedeutend, daß schon vier sogenannte Pazifik-
bahnen zwischen der Ost- und Westküste der Vereinigten Staaten erbaut
wurden, ebenso in Kanada und Mexiko (im ganzen neun). Die bedeutendste
Hafen- und Handelsstadt an der Westküste ist San Franziska (360000 E.).
In Utah, dem Lande der Mormonen, liegt am Großen Salzsee die Salzsee-
stadt, auf dem mexikanischen Hochlande die Stadt Mexiko (360 000 E.)
und am Golf von Mexiko die Hafenstadt Veracruz (spr. werakruß).
Mittelamerika. Die Landbrücke von Mittelamerika kann man von
der 200 km breiten Landenge von Tehuantepec bis zu der nur etwa 59km
breiten Landenge von Panama rechnen. Die Kordilleren sind auf der
Landenge von Panama nur noch 80 m hoch. Nach NO. springen aus Mittel-
amerika die beiden Halbinseln Jucatan und Honduras vor; durch die
Bucht von Honduras werden dieselben getrennt. Ducatan zeigt nach der Insel
Kuba hin. Mit den Inseln Haiti, Puertorico und Jamaica bildet dieses
die Gruppe der 4 Großen Antillen. Die zahlreichen Kleinen Antillen setzen
diese Jnselbrücke bis zum Festlande von Südamerika fort; so schließen sie das
Karibische Meer im O. ab. Wie Kuba nach Mcatan, so weist Jamaica nach
Honduras hin. Nach der Halbinsel Florida aber stellen die Bahäma - Inseln
eine Jnselbrücke her. Die Großen Antillen sind von hohen Gebirgen
durchzogen; sie bilden die Reste einer gesunkenen Landscholle. Die
Kleinen Antillen sind meist vulkanisch, und auf einigen Inseln dauert die
vulkanische Tätigkeit noch an. Die Bahama - Inseln sind dagegen niedrige
Koralleninseln.
Infolge seiner Lage in der heißen oder tropischen Zone hat Mittelamerika
ein sehr heißes, infolge seiner Lage inmitten eines großen Meeresgebiets
aber ein sehr feuchtes Klima. Wie in Mexiko unterscheidet man nach
der Höhenlage drei, und zwar die nämlichen Klimazonen. Die tropischen
Kulturen gedeihen vorzüglich. Kuba liefert besonders Zuckerrohr und den
besten Tabak der Erde; auf Haiti, Puertorico und dem Festlande von Mittel-
amerika ist der Kaffeebau (Bild 33) die wichtigste Kultur; von Jamaica und den
Bahama-Jnseln werden große Mengen Bananen nach den Vereinigten Staaten
versandt. Ferner zieht man Mais, Reis, Kakao und andre Gewächse. Da
II
Geographie.
101
alle Gebiete sehr fruchtbar sind, liefert Mittelamerika dem Handel große Reich-
tümer. Die bedeutenste Handelsstadt ist Habana (210 000 E.) auf Kuba.
Die nördlichen Gebiete Südamerikas und die Ebene des Amazonen-
stromes. Gleich Nord- und Mittelamerika wird Südamerika auf der Westseite
in der Nähe der Küste von einem Hochgebirge durchzogen; dessen Ketten
Kordilleren oder Anden genannt werden. Im nördlichsten Teile Südamerikas
ist das Hochgebirge in drei Ketten geteilt, die durch das Caucatal und das Tal
des oberen Mag dalenenstromes geschieden werden. Die mittlere Gebirgskette
trägt stattliche Vulkanberge, wie den stolzen Tolimo (5584 m). Die östliche
33. Kaffee-Plantage in Costa Rica. Der Kaffeebaum bedarf bis zur Blüte viel Feuchtigkeit, dazu
in sehr heihen Ländern schattenspendender Schutzbäume. Im Fleisch der kirschenartigen Steinfrüchte sitzen
in pergamentartiger Haut zwei Samen. Die reifen, violetten Früchte werden zwischen den unreifen heraus-
gepflückt, auf einen Haufen geschüttet, damit das Fleisch in Gärung gerät und sich leichter ablöst; dann
werden sie durch strömendes Wasser nach dem Gewicht sortiert und hierauf getrocknet. Auf Quetschmaschinen
entfernt man das Fleisch, unter der Walze wird die Pergamenthaut abgeschält. Zum Schlich werden die
Früchte ausgelesen und verpackt.
verbreitert sich zu der Hochebene von Bogota. Sie endet mit der mächtigen
Gebirgsgruppe der Sierra Nevada de Santa Marta (bis 5000 in hoch) und
entsendet nach NO. eine andre Kette. Diese umfaßt den See von Maracaibo
und ist in der Jnselreihe der Kleinen und Großen Antillen weiter zu verfolgen.
Nach SO. fällt sie zum Tieflande des Orinoco ab. Dieser große Strom ent-
springt auf dem Hochlande von Guayana, umfließt dieses in einem östlichen
Bogen und teilt sich vor der Mündung in viele Arme. Viel größer noch als das
Tiefland des Orinoco ist das des Amazonenstromes. Dieser ist der wasserreichste
unter allen Strömen der Erde und entwässert ein Gebiet, das llmal so
groß wie das Deutsche Reich ist. Sein Oberlauf heißt Maranon (spr.
102
Geographie.
II
maranjon). Der Amazonenstrom hat eine breite Trichtermündung. Unter
seinen großen Nebenströmen befinden sich 17, die länger als der Rhein sind.
Das nördliche Südamerika hat infolge seiner Lage in den Tropen ein heißes
und durch die Tropenregen ein feuchtes Klima. Namentlich das Tiefland
des Amazonenstromes, das fast unter dem Äquator liegt, empfängt bei
großer Hitze sehr reichliche Niederschläge. Die große Wärme und Feuchtigkeit
haben einen ungeheuer üppigen Pflanzenwuchs hervorgerufen. Die großen
Niederungen des Stromes nimmt ein einziger, riesiger Urwald ein, Selvas,
d.h.Wälder, genannt. Dieses Urwaldgebiet ist das größte auf der ganzen Erde.
Es enthält viele wertvolle Gewächse, von denen die verschiedenen Kautschuk-
pflanzen am wichtigsten geworden sind. Das Tiefland des Amazonenstromes
grenzt im N. an das des Orinoco, das ein trockenes Klima hat, weil es
im Regenschatten des Hochlandes von Guayana liegt. Es bildet das Steppen-
land der Llanos (fpr. ljanos), auf dem große Viehherden sich tummeln. In
den heißen Küstengegenden des nördlichen Südamerikas wird Kakao und
Zuckerrohr, in höheren Lagen vorwiegend Kaffee gezogen.
Amazonenstrom, Orinoco und Magdalenenstrom bilden wertvolle Verkehrs-
straßen. Die geringe Besiedlung des nördlichen Südamerikas hemmt aber
die Entwicklung des Handels und der Schiffahrt. Der Ausfuhrhafen des
Amazonenstromgebiets ist Parä (100 000 E.). Von andern Städten seien
Caracas (75 000 E.) und Bogota (90 000 E.) genannt.
Das Tiefland des La Plata und das Hochland von Brasilien. Die süd-
lichen Nebenflüsse des Amazonenstromes sammeln ihr Wasser auf dem Hoch-
lande von Brasilien. Dieses bricht nach SO. steil zum Meere ab. Die Hoch-
flächen des Inneren liegen im Quellgebiete der Flüsse durchschnittlich 1000 m
hoch. Nach NO. entsenden sie noch den fast 3000 km langen Strom San
Franzisko und nach SW. den Paranä. Dieser sammelt in einem großen
Tieflande zahlreiche Gewässer. Ein linker Nebenfluß, der Muassü, bildet groß-
artige Wasserfälle. Rechts empfängt der Paranä den Paraguay, dessen süd-
lichen Lauf er annimmt. Auf der linken Seite geht ihm kurz vor der Mündung der
Uruguay zu. Die breite Mündungsbucht des Paranä heißt Rio dela Plata.
Das Gebiet liegt schon in größerer Entfernung vom Äquator, zum Teil
sogar in der gemäßigten Zone. Es hat daher kein solch heißes Klima wie
das Gebiet des Amazonenstromes. Da sowohl das Hochland von Brasilien als
auch das Tiefland des Paranä vom Meereseinfluß ziemlich abgeschnitten sind,
haben diese Gebiete ein trockenes Klima. Sie bilden Grassteppen. Die Gras-
steppen des Hochlandes werden Campos, die des nördlichen Tieflandes Gran
Chaco, die des südlichen Pampas genannt. Sie dienen hauptsächlich der
Viehzucht, doch hat in den Pampas von Argentinien auch der Ackerbau, besonders
der Weizenbau große Fortschritte gemacht. Auch andre Gebiete sind für den
Ackerbau wohl geeignet, so das südliche Brasilien, wo viele Deutsche wohnen.
In den Küstengebieten westlich von Rio de Janeiro gedeiht auf der sog. roteu
Erde der Kaffeestrauch so vorzüglich, daß Brasilien das Hauptkasseeland der
Erde wurde; dasselbe liefert $ der Welternte an Kaffee.
ltrh)(llö in Brasilien. Die Urwälder im Gebiet des Amazonenstromes prangen in der zum Licht drängenden Fülle tropischen Pflanzenwuchses üppiger
und farbenprächtiger als irgendein anderer Urwald der Erde. Die Baumriesen werden von Kletter- und Schlinggewächsen umstrickt, und manche Pflanzenarten
senken ihre Wurzeln in die vom Regen ausgeweichte Ninde. Der Boden bildet einen dichten Teppich von Farnen, Orchideen und anderen Pflanzen. So
dringt nur an einzelnen Stellen, wo Gewässer sich Bahn durch den Urwald brechen oder wo ein Baumriese im Todessturze weithin alles schwächere Gewächs
erschlug, das Sonnenlicht in das bläulich-schwarze Dunkel des Unterholzes. Fast nie sieht der Reisende hier ein Tier. Bei seiner Annäherung flieht alles, besonders
die durch ihre schreckenden Schreie sich verratenden Papageien, und so wird er in all der Pflanzenherrlichkeit fast erdrückt von dem Gefühl trostlosester Einsamkeit.
II
Geographie.
10g
Da die Erzeugnisse meist nach andern Ländern ausgeführt werden müssen,
entwickelte sich ein bedeutender Handel, und große Städte entstanden. Die
wichtigsten sind Rio de Janeiro (800 000 E., Bild34), Buenos Aires (d.h. gute
Lüfte, über 1 MM.E.), Montevideo (270000E.), Pernambuco (200000(5.),
Bahia (220 000 E.) und Sautos, der Hauptausfuhrhafen für Kaffee.
34. Die Hafenbucht von Rio de Janeiro (vom Luftballon aufgenommen). Zwischen den Ausläufern
des unmittelbar ans Meer tretenden Gebirges ist eine weite, vor Stürmen sichere Bucht von herrlichster
Schönheit entstanden. Nur ein schmales Eingangstor verbindet sie mit dem Meere. Unter den 8V felsigen
Inseln der Hafenbucht bildet der Zuckerhut, ein einzelner fast 400 m hoher Eranitkegel, das Wahrzeichen
von Rio. In dem trefflichen Hafen weht neben der englischen und der amerikanischen besonders die deutsche
Flagge.
Das Hochgebirge im Westen von Südamerika. Gleich den Hochgebirgen
von Nordamerika bestehen auch die Kordilleren oder Anden Südamerikas
meist aus zwei Hauptketten, selten wie im N. aus drei oder wie im S. nur
aus einer Hauptkette. Die beiden Hauptketten fassen ebenfalls ein Hochland
ein, das in der Mitte am breitesten ist. An dieser breitesten Stelle
machen die Kordilleren eine Schwenkung nach O. Hierbei biegt die östliche
Hauptkette stärker nach O. aus. Dadurch entsteht ein breiteres Hochland, das
in Peru den Namen Puna führt. Nach der Schwenkung setzen sich die Kordilleren
in ganz gerader Richtung nach S. fort. Das Hochland wird immer schmäler
und verschwindet schließlich ganz, weil im S. nur eine Hauptkette vorhanden
ist. Der großartige Eindruck der Anden Südamerikas wird erhöht durch ihr
unmittelbares und plötzliches Aufsteigen aus dem Meere. In ihrem nördlichen
Abschnitte ist der Chimborazo (spr. tschimborasso, 6250 m), im mittleren der
Sorata (ßoräta, 6550 m), im südlichen der Aconcagua (7035 m) der be-
deutendste Gipfel. Letzterer ist der höchste Berg Amerikas. Zu den Füßen
104
Geographie.
II
des Sorata liegt in 3800 m Höhe der große Titicaca - See. Im S. tauchen die
Anden unter das Meer, indem sie sich in einem Schwärm von felsigen Inseln
auflösen. Die größte unter diesen ist das Feuerland.
Die hohen Randgebirge halten auch vom Hochlande der südamerikanischen
Anden den Meereseinfluß ab; dieses hat daher ebenfalls ein trockenes und
infolge seiner bedeutenden Höhenlage zugleich ein kühles Klima. Doch ist
die Puna als Weidegebiet und zum Teil auch für den Anbau zu gebrauchen.
Für diesen kommen aber besonders die tief eingeschnittenen Täler in Betracht.
Die Küste ist ebenfalls wie in Nordamerika auf einer großen, und zwar der
mittleren Strecke sehr regenarm oder fast regenlos. Kalte Auftriebwasser des
Meeres machen nämlich die Regenbildung unmöglich; es kommt nur zur Nebel-
bildung. Wo künstliche Bewässerung möglich ist, wird in den Küstengegenden
Zuckerrohr angebaut. Der Ostfuß der Anden ist regenreich und fast ganz mit
Urwald bewachsen. In den nördlichen Urwaldgebieten haben viele wertvolle
Gewächse ihre Heimat, wie der Kakaostrauch und der Chinarindenbaum.
Auch die Kauts chukpslanze kommt wild vor. Im S. ist Chile ein wertvolles
Anbaugebiet für Weizen, Obst und Wein. An mineralischen Schätzen ist
das südamerikanische Hochgebirge wohl ebenso reich wie das nordamerikanische.
Besonders Peru und Bolivia haben viel Silber und Gold geliefert. Chile
besitzt reiche Kupfer- und Salpeterlager.
Für den Handel hat die Westküste Südamerikas eine weniger günstige Lage
als die von Nordamerika. Sie ist allen Erdteilen zu sehr entlegen. Mit der
Eröffnung des Panama-Kanals wird die Lage aber günstiger. Die beiden
wichtigsten Hafenstädte sind Valparaiso (130 000 E.) und Callao (spr.
kaljao), ersteres für die chilenische Hauptstadt Santiago (280 000 E.), letzteres
für die peruanische Hauptstadt Lima (110 000 E.). Es sei ferner noch die fast
unter dem Äquator gelegene Stadt Quito (60—80 000 E.) genannt.
Staatenbildung. Die Staaten, die schon die auf hoher Kulturstufe stehenden
Ureinwohner gegründet hatten, wie Mexiko und das Jnkareich in Peru, wurden
von den Spaniern zertrümmert. Europäische Staaten gründeten Kolonien in
Amerika. Aber die meisten derselben rissen sich von ihrem Mutterlande los.
So entstanden zahlreiche neue Staaten, die alle die Staatssorm der Repu-
blik angenommen haben. Nur England, Frankreich, Holland und Däne-
mark haben noch Besitzungen in Amerika, und zwar besitzt England in Kanada
fast den ganzen nördlichen Teil von Nordamerika. Der wichtigste Staat Ame-
rikas sind die Verewigten Staaten von Nordamerika. An sie schließt sich nach
S. die Republik Mexiko an. Mittelamerika zerfällt in zahlreiche Republiken
(f. Übersicht!); die Insel Jamaica, die Bahama-Jnseln und die meisten Inseln
der Kleinen Antillen gehören zu England. In Südamerika ist Brasilien
der größte Staat; Argentinien und noch mehr Chile sind recht lebenskräftige
Staaten. An Chile schließen sich nach N. Bolivia, Peru, Ecuador, Colombia
und Venezuela an. Diese Staaten haben nur zum Teil natürliche, zum Teil
ganz geradlinige Grenzen.
n Geographie. 105
Übersicht über die Staaten Amerikas.
Staaten
Hauptstadt
Größe
in Mill. qkm
Einwohner
auf
in Mill.
I qkm
Nordamerika
a. Unabhängige Staaten:
Vereinigte Staaten (Union) . .
Mexiko...........
b. Kolonialbesitz von:
England ..........
Dänemark..........
Frankreich..........
Mittelamerika
a. Unabhängige Staaten:
Guatemala.........
San Salvador........
Nicaragua..........
Honduras ..........
Costarica..........
Panamä..........
Domingo..........
Haiti ............
Kuba............
b. Kolonialbesitz von:
England ..........
Vereinigte Staaten Nordamerikas
Frankreich..........
Holland...........
Dänemark..........
Südamerika
a. Selbständige Staaten:
Colombia........
Venezuela .......
Brasilien........
Paraguay........
Uruguay ........
Argentinien.......
Chile..........
Bolivia.........
Peru..........
Ecuador . .......
b. Kolonialbesitz von:
England ........
Frankreich........
Holland .........
Washington
Mexiko
zusammen rund
Guatemala
San Salvador
Managua
Tegucigalpa
San Jose
Panamü
Santo Domingo
Port au Prince
Habana
zusammen rund
Bogota
Caracas
Rio de Janeiro
Asuncion
Montevideo
Buenos Aires
Santiago
La Paz
Lima
Quito
zusammen rund
Ganz Amerika rund
9,210
1,990
9,460
2,000
0,000240
23,000
82,000
13,600
6,800
0,010
0.006
101,400
0,125
0,021
0,124
0,120
0,054
0,090
0,048
0,029
0,120
0,056
0,009
0,003
0,001000
0,000360
1,600
0,900
0,500
0,400
0,330
0,300
0,400
1,300
1,600
1,600
0,900
0,340
0,055
0,035
0,800
1,110
1,044
8,360
0,250
0,180
2,900
0,775
1,335
1,140
0,306
0,240
0,080
0,130
10,260
3,900
2,500
16,500
0,630
0,930
5,000
3,300
2,000
4,500
1,500
0,300
0,030
0.090
18,000
42,000
42,000
154,000
9
6.8
0,6
4,4
13
45
4
3,3
6,5
3,3
8
45
13
30
3,2
2,5
2
2,5
5
1,7
4
1,5
4
5
2,3
3,7
Hirt« neues Realienbuch, Geographie.
106
Geographie.
n
IV. Afrika.
Lage, Größe und Gliederung. Afrika hing vor Erbauung des Snes-
Kanals mit Asien zusammen. Von Europa wird es durch das Mittelländische
Meer und die schmale Straße von Gibraltar getrennt. (Von welchen
Meeren wird es bespült?) In der Größe nimmt Afrika unter den fünf Erd-
teilen den dritten Rang ein; es mißt rund 30Mill. qkm, ist also dreimal so groß
als Europa und hat etwa 150 Mill. E. Der Äquator durchschneidet den Erdteil
so, daß die größere Landmasse noch nördlich von ihm liegt. Mit Südamerika,
dem östlichen Teile Australiens und Hinterindien hat Afrika das dreieckige
Auslaufen nach S. gemeinsam. Gleich diesen Landmassen ist es auch
wenig gegliedert. Der großen Einbuchtung des Meerbusens von Guinea
entspricht eine Ausbuchtung auf der Ostseite des Erdteils, das sog. Osthorn
Afrikas. Man kann ein Nord- und ein Südafrika unterscheiden. Nordafrika
hat annähernd die Gestalt eines Halbkreises, Südafrika die eines Dreiecks. Die
mittlere Höhenlage Afrikas beträgt etwa 650m.
Die Atlasländer. In der nordwestlichen Landecke Afrikas erhebt sich ein hohes
Faltengebirge, der Atlas. In alter Zeit glaubten die Menschen der Mittel-
meerländer von ihm, daß er das Himmelsgewölbe trage. Dem Seefahrer erschien
er als ein gewaltiges Gebirge. Aber nur an Länge übertrifft der Atlas die Alpen,
nicht an Höhe. Seine Richtung geht von SW. nach NO. So zeigt er nach
der Insel Sizilien hin. Nur durch einen Einbruch des Meeres ist der Zusammen-
hang mit dieser verloren gegangen. Der Atlas bildet also eine Fortsetzung
der europäischen Faltengebirge, der Alpen und des Apennin. Die Sierra
Nevada im südlichen Spanien bildet wieder die Fortsetzung einer nördlichen
Atlasfalte. Man unterscheidet den Großen Atlas im S. und den Kleinen
Atlas im N. Beide fassen ein Hochland ein, das nach O. schmäler wird.
Seine tiefsten Stellen nehmen große Salzsümpfe ein, die den Namen Schotts
führen. Es gibt auch eine südliche Reihe von Schotts; sie liegen am Süd-
rande des östlichen Atlas in einer Senkung tiefer als der Meeresspiegel. Der
westliche Teil des Atlas wird Hoher Atlas genannt. In seiner Verlängerung
liegen im Meere die Kanarischen Inseln. Nördlich von diesen taucht die Insel
Madeira, südlich von ihnen die Gruppe der Kap Verdischen Inseln aus.
Alle diese Inseln sind vulkanisch.
Gleich den südlichen Gebieten Europas haben die Atlasländer ein trockenes,
aber noch wärmeres Klima. Dem Atlas fehlt daher der reiche Gletscher-
schmuck und ebenso das üppige Pflanzenkleid der Alpen. Große und wasser-
reiche Flüsse konnten nicht entstehen. Der längste, der Wadi Dräa, ist zwar
so lang wie der Rhein, führt aber nur in der Regenzeit Wasser.
Wie im Klima, so stimmen die Atlasländer auch im Anbau mit Süd-
spanien ziemlich überein. Die künstliche Bewässerung ist ebenso nötig wie dort,
und Oliven- und Weinbau sind ebenfalls wichtige Kulturen; auch Kork und
Halfagras werden gewonnen. Zu diesen Nutzgewächsen treten noch zwei
echt afrikanische, die Dattelpalme und die Mohrenhirse. Für den Handel
Brunnen in der Snhara südlich tonn Algerien. Wo das Grundwasser der Wüstenoberfläche nahekommt, bedeckt sich die Erde mit Grün. Dort grub
man nach Wasser, gründete, wenn das erquickende Nasz in genügender Menge sich fand, eine Siedlung und pflanzte Dattelpalmen. Kamele ziehen das Wasser in
einem Schöpfeimer am Dattelbastseil aus dem Brunnen empor. Nur die Wasserstellen ermöglichen die Durchquerung der Wüste. Im Zickzack von Brunnen zu
Brunnen legen daher die Karawanen ihren Weg zurück. Als Wegweiser dienen ihnen die klippenartigen Felsen, zwischen denen der Sand vom Winde bald zu
zeltähnlichen Wellen, bald zu langen Dünenreihen aufgetürmt wird.
n
Geographie.
107
haben fast nur die beiden französischen Kolonien, Algerien und Tunesien,
Bedeutung. Die beiden Hauptstädte derselben sind Algier (über 90000 E.)
und Tunis (170 000 E.). Das im W. gelegene Marokko bildet zwar einen
selbständigen Staat, ist aber infolge seiner schlechten Verwaltung ein armes
Land, obschon es von Natur reich ist. An den traurigen Zuständen in diesem
Lande trägt die Religion des Islam die Hauptschuld. Die wichtigsten Städte
in Marokko sind Fes (150 000 E.), Marokko (80000 E.) und die Hafenstadt
Tanger; letzteres liegt an der Straße von Gibraltar. An der tunesischen Küste
haben die Franzosen den starken Kriegshafen Biserta angelegt. — Die wichtigsten
Völker der Atlasländer sind die Berber oder Kabylen und die Araber.
Die Sähara (s. das Buntbild). Südlich von den Atlasländern breitet sich
das größte Wüstengebiet der Erde, die Sähara (= Ausdehnung, weites
Land), aus. Dieselbe reicht von der Westküste Afrikas bis zum Roten Meere und
nimmt einen Raum fast von der Größe Europas ein. Aber nicht dieses ganze
riesige Gebiet ist Sandwüste. Auch die Felswüste und die Steinwüste nehmen
einen weiten Raum ein, und nicht überall ist die Sahara ganz pflanzenlos. Am
Tage wird der Boden der Wüste sehr stark erhitzt; nachts aber kühlt er sich schnell
ab. Infolge der schnellen Temperaturänderungen zerspringt das Gestein. Der
meist sehr starke Wind schleift die kleineren Felsstücke über den Boden. Sandstein
wird hierbei ganz zerrieben. So bildeten sich die Stein- und Sandwüsten.
Die Sandmassen der letzteren werden vom Winde fortwährend umgelagert.
Die Oberfläche der Sähara ist nicht überall gleichförmig. Ihr mittlerer
Teil trägt sogar hohe Gebirge, wie das 2700 m hohe Tibesti - Gebirge.
Die ganze Sähara bildet ein hochgelegenes Tafelland. Einzelne Schollen
desselben brachen aber tief ein. Dort tritt das Wasser näher an die Oberfläche
oder gar als Quell hervor. So entstanden die zahlreichen Oasen. An Wasser
ist die Wüste durchaus nicht arm. Zuweilen treten auch Regengüsse ein; aber
das Wasser versinkt schnell in den Boden. Auch Flußläufe besitzt die Sähara,
jedoch unterirdische, die nur in der Tiefe Wasser führen. Die Trockenbetten
derselben werden Wadis genannt. Sie zeigen gewöhnlich ein etwas reicheres
Pflanzenleben als die Wüste. Am Rande der Sähara aber breiten sich Gras-
steppen aus, die den Übergang zu den pflanzenreicheren Nachbarländern bilden.
Nur in den Oasen der Wüste kann der Mensch wohnen. Ihre Zahl läßt
sich durch den Bau von artesischen Brunnen noch bedeutend vermehren.
Besonders die Franzosen haben im südlichen Algerien auf diese Weise viele
neue Oasen entstehen lassen. Die wichtigste Kulturpflanze in den Oasen ist die
Dattelpalme. Diese stammt aus Arabien und liefert den Wüstenbewohnern
das meiste zum Leben Nötige. Da aber noch manches fehlt, müssen die Oasen-
bewohner Tauschhandel treiben. Zu diesem Tauschhandel kommt noch ein
bedeutender Durchgangshandel, der sich von der Mittelmeerküste nach den
Gebieten Jnnerasrikas bewegt. Die Waren werden auf Kamelen fortgeschafft.
Nur das Kamel vermag die Durststrecken der Wüste zu überwinden. Es
werden immer große Karawanen ausgerüstet, da die Bewohner der Sähara
sehr räuberisch sind. Die meisten Karawanenwege lausen von N. nach S.
8*
108 Geographie. II
Die Nilländer (ohneAbessinien). Der östlichsteTeil derSühara wird von einem
großen Strome, dem Nil, in nördlicher Richtung durchflössen (Bild 35). Obschon
die Glut der Wüste an dem Strome zehrt, erreicht er doch das Mittelländische
Meer. Alle Jahre schwillt er einmal mächtig an, so daß er weite Gebiete
überschwemmt. Der Nil muß also aus sehr regenreichen Gebieten kommen.
Er bildet sich aus dem Weißen und dem Blauen Nil. Von den beiden hat
35. Landschaft am mittleren Nil. Die Ortschaften bestehen aus niedrigen Lehmhäusern. Ost liegt
eine Zuckerfabrik in der Nähe. Links sieht man einen Hebebaum, mittels dessen das Wasser in Absätzen
hochgeschöpft wird. Der Strom ist von Segelschiffen, auch von Touristen- und Regierungsdampfern belebt.
Oer Weiße Nil den längeren Lauf. Er entfließt dem großen Viktoria - See,
der unter dem Äquator liegt und etwas größer als Bayern ist. Der Blaue
Nil kommt vom Hochlande von Abessinien, wo er dem Tana-See entfließt.
In die Wüstentafel der Sahara hat sich der vereinigte Strom ein tiefes, breites
Tal gegraben. Zahlreiche Stromschnellen oder Katarakte unterbrechen
aber seinen Lauf. An der Mündung bildet der Nil ein großes Delta.
Die Hochflut des Nils wird durch starke Regengüsse im Gebiete seines
Oberlaufes hervorgerufen. In der heißen oder Tropen-Zone der Erde tritt mit
dem höchsten Stande der Sonne die Regenzeit ein. Im Quellgebiete des
Weißen Nils setzt diese gegen Ende März ein. In den nördlicher gelegenen
Gebieten tritt sie etwas später ein; man sagt, die Tropenregen wandern.
Als gewaltige Fluten sammeln sich die abfließenden Regenmengen in der Strom-
rinne des Nils. Zuletzt erreichen die Tropenregen das Hochland von Abessinien.
Stoßartig schwillt nun der Blaue Nil an. Schlammige Fluten sind es, die er dem
Nil zuführt. Dieser tritt über die Ufer, und das schlammige Nilwasser
II
Geographie.
109
überflutet die Felder. Langsam fällt dann der Nil wieder, die Wasser treten
zurück, den Schlamm aber ließen sie auf den Feldern zurück. Diese sind nun
gedüngt, und im Niltal und Nildelta kann die Aussaat beginnen. Bei der
Wärme des Klimas tritt die Ernte rasch ein. Nach der Haupternte kann
nochmals oder gar noch zweimal geerntet werden. So verdankt das Nilland,
das Land Ägypten, dem Nil seine große Fruchtbarkeit. Die alten Ägypter
verehrten deshalb den Nil als einen heiligen Strom. Sie schufen schon umfang-
reiche Bewässerungsanlagen. In neuerer Zeit wurden große Stau-
dämme gebaut, um das Überschwemmungsgebiet zu vergrößern. Wie in den
Oasen der Sahara, so spielt auch im Niltal die Dattelpalme eine wichtige Rolle.
Im Nildelta wird eine vorzügliche Baumwolle gewonnen.
Der Nil ist zugleich eine wichtige Schisfahrtstraße. Durch die Strom-
schnellen wird diese aber mehrmals unterbrochen. Deshalb wurde längs des
Stromes die Nilbahn gebaut. Die Engländer, die Beherrscher des Nillandes,
wollen dieselbe als afrikanische Zentralbahn bis zur Südspitze Afrikas
fortsetzen. Die bedeutendste Stadt in Ägypten ist Kairo (700 000 E.), wo der
Khedive residiert. AmMeere liegt dieHandelsstadt Alexandria (400000 E.),
und am Sues- Kanal liegen Sues und Port-Said.
Das Hochland des Sudans. Die Wüstentafel der Sahara geht nach S.
in das Hochland des Sudan über. Mit der Zunahme der Regenmenge
nach S. wird das Land grüner. Aus den trockenen Randsteppen der Sahara
gelangt man in baumbesetzte Grassavannen. Schließlich erscheint in manchen
Küstengegenden das Bild des Urwald.es. Reiche Niederschläge fast während
des ganzen Jahres und große Hitze riefen das Wachstum des Urwaldes hervor.
Einige Küstenstriche, wie von Togo, sind jedoch trocken, weil kalte Auftrieb-
Wasser des Meeres die Regenbildung verhindern.
Man kann den Sudan in das westliche Nigergebiet, in das Gebiet
des Tschad-Sees in der Mitte und in die Nillandschaften im O. ein-
teilen.. Der Niger entspringt in der Nähe der Westküste. In der nämlichen
Gegend entsteht der Senegal. Während dieser aber in einem Bogen nach W.
fließt, wendet sich der Niger in einem größeren nördlichen Bogen nach O. Mit
dem nördlichsten Bogenstück des Laufes berührt er bei Timbuktu die Wüste.
Sein unterer Lauf ist wie beim Nil durch Stromschnellen unterbrochen.
Von O. nimmt der Niger den wasserreichen Benue auf. Jetzt ist er ein be-
deutender Strom. Er mündet, ein großes Delta bildend, in den Busen von
Guinea. Die nach W. gerichtete Küste dieses Meerbusens wird Oberguinea,
die nach S. gerichtete Niederguinea genannt. Wo die beiden Küstenstrecken
zusammentreffen, erhebt sich das gewaltige Kamerun-Gebirge. Der im mittleren
Teile des Sudans gelegene Tschad-See ist eigentlich ein riesiger Sumpf.
Ihm fließt der Schari zu. Der östli che Sudan wird zum Nil hin entwässert.
Die nördlichen, trockenen Gegenden des Sudans sind hauptsächlich zur
Viehzucht geeignet. Sie sind von Hirtenvölkern bewohnt, die sich zum
Islam bekennen. Die Waldgebiete des südlichen Sudäns besitzen wertvolle
Gewächse, wie die Olpalme und die Kautschukpflanze. Auch zum Anbau
110
Geographie.
n
von Kaffee, Tabak, Tee, Baumwolle und Kakao ist diese Zone geeignet.
An den trockenen Küstenstrecken gedeiht nur die Kokospalme.
Das Kongo-Becken. An der Küste von Niederguinea mündet der Kongo.
Erst seit 1877 ist der Lauf dieses bedeutendsten afrikanischen Stromes,
der eine Länge von 4200 km hat, bekannt. Der Kongo entwässert ein großes
Becken, das den Raum zwischen dem langgestreckten Tanganjika - See und
der Westküste Afrikas einnimmt. Er bildet sich aus dem Luapula und Lnalaba.
Nach der Vereinigung beider nimmt der Strom noch den Abfluß des Tanganjika-
Sees auf. Beim Eintritt in das Becken unterbrechen Stromschnellen seinen
Lauf. In einem großen nördlichen Bogen durchfließt er dasselbe. Unter
seinen riesigen Nebenflüssen sind der Ubangi und der Kassai die bedeutendsten.
Um das Meer zu erreichen, muß der Kongo sich noch über den Westrand des hoch-
gehobenen Erdteils hinabstürzen. So entsteht eine zweite Reihe von Strom-
s chnellen. Die Mündung des Kongo ist trichterförmig und von riesiger Breite.
Da das Kongo-Becken ganz in den Tropen liegt, ist sein Klima heiß und
regenreich. Große Hitze und große Feuchtigkeit förderten das Pflanzenleben
so, daß ein riesiger Urwald entstand. Dieser nimmt fast das ganze Kongo-Becken
ein und enthält viele wertvolle Gewächse. Besonders der Kautschukbaum
und die Olpalme bringen dem belgischen Kongostaat große Einnahmen. Da
das Kongogebiet auch sehr reich an Erzen, besonders an Kupfer und Eisen
ist, dürfte es eine große Zukunft haben. Für den Verkehr steht ein großartiges
Netz von Schiffahrtstraßen zur Verfügung. Durch viele Eisenbahn-
bauten wurde das natürliche Verkehrsnetz vervollständigt.
Das Seenhochland von Ostafrika. Das Gebiet östlich vom Kongo-Becken
bildet ein Ho chland, das durchschnittlich 1000—1200 vi hoch liegt. Auf diesem
fanden grabensörmige Einbrüche statt, die von S. nach N. laufen. In einem
solchen Graben liegt der Tanganjika-See, in einem andern der Njassa- und der
Rudolf-See. Der Viktoria-See liegt dagegen auf dem Hochlande selbst. Eine
Folgeerscheinung der grabenförmigen Einbrüche des Bodens war die Entstehung
von Vulkanen und Vulkanbergen. So entstand z. B. der gewaltige Kili-
mandscharo (6000 m, Bild 38). Dieser höchste Berg Afrikas liegt in Deutfch-Ost-
asrika. Auch das Hochland von Abessinien, ein schönes Alpenland, mit dem das
Hochland Ostafrikas im N. abschließt, ist durch vulkanische Ausbrüche entstanden.
Das Hochland von Ostafrika hat ein trockenes Klima, weil der Einfluß
des Meeres fehlt. Das Pflanzenkleid der Steppe herrscht vor. Die Äquator-
gebiete haben durch die Tropenregen ein feuchteres Klima. Mit der Entfernung
vom Äquator nach S. und N. werden die Trockenzeiten länger. Die Hitze
wird durch die bedeutende Höhenlage des Hochlandes von Ostafrika
gemildert. Die höchsten Berge, wie der Kilimandscharo, und das Hochland
von Abessinien ragen sogar bis in die Schneeregion empor. Die tief-
gelegenen Gebiete sind dagegen sehr heiß. So ist das Gebiet von Massaua
auf der Ostseite des Hochlandes von Abessinien die heißeste Gegend der Erde.
Die dem ostafrikanischen Hochlande aufgesetzten Erhebungen empfangen auch
mehr Niederschläge als dieses selbst. Sie bilden Klima-, Pflanzen- und
n Geographie_III
Kulturoasen inmitten der dürren Steppe. Sie können zum Anbau von
Kaffee, Tabak, Hanf, Baumwolle und andern Gewächsen benutzt werden.
Auch manche Gegenden des Hochlandes sind zum Anbau recht geeignet, be-
sonders das Seengebiet. Ander Küste ist die Kokospalme verbreitet. In
Abessinien unterscheidet man drei Pflanzenzonen, die feuchtheiße unterste
Zone mit Palmenwäldern, die mittlere Zone mit Weizen- und Gersten-
feldern und die obere Zone, die vorwiegend der Viehzucht dient, während
eines langen Teiles des Jahres aber mit Schnee bedeckt ist.
Für den Handel ist Sansibar (60 000 E.) der wichtigste Platz. Die Stadt
liegt auf der Insel gleichen Namens und ist in englischem Besitz. Nach der
reichen Landschaft Uganda bauten die Engländer die Uganda-Bahn. Sie
suchen femer durch das Seengebiet die Zentralbahn, die Nord- und Südafrika
verbinden soll, fortzuführen. Deutfch-Ostasrika steht mit seinen Bahnbauten
noch weit zurück. Nach Abessinien, dessen Hauptstadt Addis-Abeba (etwa
50 000 E.) ist, wurde von den Franzosen eine Bahn gebaut. Die Bevölkerung
Ostafrikas besteht teils aus hellfarbigen Völkern, teils aus Negervölkern.
Das Tafelland Südafrikas nebst der Insel Madagaskar. Gleich Ostafrika
bildet auch Südafrika ein Hochland, ein Tafelland, das in Stufen zum
Meere abbricht. Besonders im S. sind diese Stufen deutlich ausgebildet.
Der sehr schroffe Ostabfall führt den Namen Drakensberge. Der Westabfall
des Tafellandes tritt am wenigsten als Gebirge hervor. Die weiten Hoch-
flächen des Inneren liegen 1000—1500 m hoch. Sie werden vom Sambesi
und Oranje entwässert. Der Sambesi bildet den großartigen Viktoria-Fall.
Das Klima der Hochflächen ist trocken. Die Hauptregenquelle ist der
Indische Ozean. Die Regenwolken geben aber auf dem hohen Ostrande des
südafrikanischen Tafellandes ihre meiste Feuchtigkeit ab. Die Winde erreichen
also das Hochland als trockene Winde. Nach W. nimmt die Regenmenge immer
mehr ab. Infolgedessen entstand die Wüste Kalahari. An der Westküste
Südafrikas hindern kalte Auftriebwasser des Meeres die Regenbildung. Die
Küste von Deutsch-Südwestafrika empfängt fast keine Niederschläge, während
das höher gelegene Innere von O. her Regen erhält.
Wegen seines trockenen Klimas ist Südafrika weniger für den Ackerbau als
für die Viehzucht geeignet. Mit Hilfe künstli cher Bewässerung kann jedoch
auch dem Ackerbau eine größere Verbreitung gegeben werden. Im Kaplande
haben deutsche Winzer den Weinbau eingeführt. Hauptzweig der Viehzucht
ist die Schafzucht. Die trockensten Gebiete eignen sich noch zur Straußenzucht.
Eine größere Rolle als die Viehzucht spielt aber in Südafrika noch der Berg-
bau. Bei Johannesburg (200 000 E.) werden sehr reiche Goldgruben
und bei Kimberley und andem Orten reiche Diamantengruben ausgebeutet.
Das Aufblühen des Bergbaues begünstigte die Entwicklung des Handels
und förderte den Bau von Eisenbahnen. Als bedeutendste Handelsstadt
erblühte Kapstadt (175 000 E.). Die ersten europäischen Ansiedler in Süd-
afrika waren die meist aus Holland eingewanderten Buren. Es entstanden
112
Geographie.
n
später zwei Buren - Republiken, die aber im Jahre 1902 von England ein-
verleibt wurden. Die ursprüngliche Bevölkerung Südafrikas setzt sich aus
dunkelfarbigen Negervölkern und den hellfarbigen Hottentotten zusammen.
Ostlich vom Festlande Südafrikas liegt die fast 600 000 qkm große Insel
Madagaskar. Die Insel ist ein abgetrenntes Stück des südafrikanischen Fest-
landes. Auf der Ostseite steigt sie hoch und steil auf, nach W. senkt sich ihre
Oberfläche etwas. Während die Ostseite wie bei Afrika reiche Niederschläge
empfängt, sind das Hochland und die Westseite trocken. An der feuchtheißen
Ostküste gedeihen Reis, Zuckerrohr und Kaffee, das Hochland ist mehr
für die Viehzucht geeignet. Der Ausfuhrhafen der Insel, die eine fran-
zöfifche Kolonie bildet, ist Tamatave, die Hauptstadt die im Inneren
aus dem Hochlande gelegene Stadt Tananarivo (100000 E.). Die Be-
wohner Madagaskars sind mit denen der malaiischen Inseln verwandt. —
Ostlich und nördlich von Madagaskar liegen noch zahlreiche kleinere Inseln.
Staatenbildung. Das Innere Afrikas war bis vor 50 Jahren nur wenig
bekannt. Man hielt Afrika für ein wüstes Land. Als man fruchtbare Gebiete
kennen lernte, suchten die europäischen Staaten Teile Afrikas zu erwerben.
Den Hauptanteil sicherten sich England und Frankreich. Auch Deutsch-
land, Belgien, Portugal und die Türkei besitzen große Gebiete; letztere
übt jedoch nur eine Scheinherrschaft aus. Ferner haben Italien und Spanien
afrikanische Besitzungen. Selbständige Staaten sind nur noch die Kaiser-
reiche Abessinien und Marokko und die Neger-Republik Liberia.
Ubersicht über die Staaten Afrikas
Staaten
Hauptstadt auf
M:ll. qkm m SM. i qkm
Größe in Einwohner
a. Unabhängige Staaten:
Abessinien .
Marokko . .
Liberia . .
Addis-Abeba 0,675 4,500 6,6
Fss 0,620 6,000 9,7
Monrovia 0,250 1,200 4,8
b. Kolonialbesitz von:
Frankreich
England .
Deutschland....
Belgien (Kongostaat)
— 9,600 35,000
— 6,265 42,050
— 2,360 11,700
— 2,300 17,000
Portugal
Türkei .
Italien
Spanien
— 2,250 7,700
— 2,000 8,000
_ 0,670 1,800
— 0,510 0,450
Zusammen rund: | 30,000 | 147,000 4,9
Vierter Teil.
Die deutschen Kolonien.
Die Erwerbung der Kolonien. Das Deutsche Reich hat erst spät mit
der Erwerbung von Kolonien begonnen. Zuerst wurde i. I. 1884 das
Lüderitzland, das der Hamburger Kaufmann Lüderitz erworben hatte,
unter deutschen Schutz gestellt; es ist die jetzige Kolonie Deutsch - Südwest-
asrika. Im Jahre 1885 wurden Togo und Kamerun im Auftrage des
Deutschen Reiches durch den Generalkonsul und verdienstvollen Afrikaforscher
Dr. Nachtigal in Besitz genommen. Fast gleichzeitig setzte Dr. Peters die
Erwerbung uusrer größten Kolonie Deutsch - Ostafrika ins Werk. In den
Jahren 1884 und 1885 wurden auch die meisten der Kolonien im Großen
Ozean erworben. Durch Verträge mit den Nachbarstaaten wurden die
Grenzen der deutschen Kolonien festgestellt. In dem Vertrage mit England
überließ das Deutsche Reich diesem einige Gebiete in Ostafrika im Tausch gegen
die Insel Helgoland. In jüngster Zeit erwarb es noch als Pachtgebiet
von China Kiautschöu (1898), ferner durch Kauf von Spanien die Insel-
gruppeu der Karolinen und Marianen und durch Vertrag mit England
und den Vereinigten Staaten Nordamerikas den größten Teil der Samoa-
Inseln.
deutsch:
OST-AERIKA.
lMill.qknx
DEUTS CK-
SrWÄFBIKÄ.
835000c£km
DEUTSCHES
HEICK
54.0 000 qkin
kamerun
500000 qlan.
-r-- TOGO ELÄDTSCSOTT
STJDSEE ARCHE 87000 cfkm ssocTon.
245 000 qlrui ' 1
36. Vergleich der Grötzenverhältnisse der deutschen Kolonien mit der Bodenfläche
des Deutschen Reiches.
I. Die afrikanischen Besitzungen.
1. Togo (d. h. Hinter der Lagune). Diese kleinste unsrer afrikanischen Kolo-
nien liegt an der Küste von Oberguinea in der heißen Zone. Sie ist etwa
80000 qkm groß (doppelt so groß als Brandenburg) und hat etwa I Mill. E.
Ein ungünstiger Umstand ist, daß Togo nur mit einer kurzen und dabei Hasen-
losen Küste ans Meer stößt. Als ein schmales Land von durchschnittlich 2001cm
Breite zieht es sich 600 km weit (= der Strecke Cöln-Stettin) in das Innere
des Erdteils hinein. Die Natur dieses langgestreckten Landes ist sehr verschieden.
Es sind hauptsächlich vier Naturgebiete zu unterscheiden: der Strand, die
Küstenebene, das Gebirgsland und die Hochebenen des Inneren.
Der Strand ist eine mit Kokospalmen besetzte sandige Nehrung, welche
die hinter ihm liegenden Strandseen oder Lagunen vom Meere trennt. Er
ist sehr regenarm und daher sehr trocken. Eine furchtbare Brandung umtost
die hafenlose Küste. Damit Schiffe landen können, mußte bei Lome, dem
Regierungssitze, eine lange Landungsbrücke erbaut werden. Nach dem
114
Geographie.
n
Inneren Togos nimmt die Regenmenge zu. Die Küstenebene ist daher frucht-
bar und gut angebaut, besonders reich an Ölpalmen. Es folgt dann der Aufstieg
zum Fetisch-Gebirge. Reichliche Steigungsregen haben auf seinen Abhängen
einen üppigen Waldwuchs hervorgerufen. Die Plateauflächen des Hinter-
landes sind wieder trockener und vorwiegend zur Viehzucht geeignet.
Die Bewohner von Togo haben schon eine verhältnismäßig hohe Kultur-
stufe erreicht. Die Kolonie liefert Palmkerne, Palmöl, Kautschuk und
Baumwolle. Besonders durch den Baumwollbau der Eingebornen kann
sie für Deutschland eine wertvolle Kolonie werden. Von Lome bis Palime
wurde eine Eisenbahn erbaut; ferner ist eine Küstenbahn im Betrieb.
37. Der Kamerunberg (4070 m) und der Ort Viktoria, Dualaboote, Faktoreien. (Nach
Wünsche, Deutsche Kolonialwandbilder. Verlag von Leutert <fc Schnetdewind, Dresden.) Der kleine
Kamerunberg (1775 m) bildet nahe der Küste einen kühngeformten Kegel.
2. Kamerun. Die Kolonie liegt im Winkel des Meerbusens von
Guinea, östlich von Togo, also ebenfalls in der heißen Zone. Die Küste
des Landes ist im Vergleich zu seiner Größe ebenfalls nur kurz, aber doch 300 km
lang. Nach dem Inneren verbreitert sich Kamerun fächerförmig. Mit dem
nördlichsten Zipfel erreicht es den Tschad-See. Mit einer Fläche von rund
500 000 qkm ist die Kolonie fast so groß wie das Deutsche Reich. Die Be-
völkerung wird auf 3£ Mill. geschätzt. Auch bei Kamerun kann man vier,
und zwar die nämlichen Naturgebiete unterscheiden.
Die Küste zeigt ein ganz andres Bild als die von Togo. Wer sich zu Schiff
dem Lande nähert, erfreut sich an dem Anblick des gewaltigen Kamerun-Gebirges
(Bild 37). Mit der hochragenden portugiesischen Ins elFernandoPöo bildet dieses
n Geographie. 116
die Pfeiler eines riesigen Tores. Den Schiffen öffnen sich dann zahlreiche breite
Mündungsarme von Flüssen. Von Mangrovedickichten sind die Muß-
Mündungen umwachsen. Die Küstenebene Kameruns ist ein feuchtheißes
Gebiet und daher mit einem riesigen Urwald bewachsen. Dieser bekleidet
auch mit seiner Pracht die Abhänge des Kamerun-Gebirges, das wie ein
Regensammler wirkt, so daß stellenweise bis über 9rri Regen (15mal so viel
wie in Deutschland) jährlich fallen. Auf die waldreiche Küstenebene folgt wie
bei Togo ein steiler Gebirgsaufstieg. An diesem endet die Schiffbarkeit der
Flüsse, die alle Wasserfälle bilden. Nach dem Aufstieg hat man wie bei
Togo die trockeneren Hochflächen des Inneren erreicht. Von den Wasser-
reichen Flüssen Kameruns ist der Sanaga der bedeutendste.
Termitenhagel, verfallen und frisch Schirmalazien Affenbrotbaum
38. Der Kilimandscharo, links der Kibo (6000 m), rechts der Mawensi (5350 m),
der Sattel (4700 m).
Dornbüsche und Steppe schmücken sich zu Beginn der Regenzeit mit frischem ffirün. Im Garten der Mission«,
station prangen Bananen und Sykomoren. Ein auch die kleinsten Hindernisse meidender Karawanenpfad
führt an dem riesigen Affenbrotbaum vorüber. Rechts hängt an diesem eine von den Eingebornen zur Ge-
winnung wilden Honigs angebrachte Röhre.
Die Kolonie liefert die nämlichen Erzeugnisse wie Togo, ferner Elfen-
dein, Kakao und Tabak. Für tropische Kulturen ist sie hervorragend geeignet.
Der Sitz der Regierung ist Buea. Mit dem Bau einer Eisenbahn von der
Küste nach den Manenguba-Bergen ist begonnen worden.
3. Deutsch-Ostafrika. Mit einer Fläche von 960 000 qkm ist diese größte
Kolonie 12/4mal so groß wie das Deutsche Reich. Sie reicht von der Sansibar-
küste bis zum Viktoria-, Tanganjika- und Nfassa-See. Die Bevölkerung beträgt
etwa lOMill. Man kann ebenfalls vier Naturgebiete unterscheiden.
Die Küste hat gute Häfen und empfängt mehr Niederschläge als die von
Togo. Die Kokospalme ist viel verbreitet. An den Mündungen der Flüsse,
116
Geographie.
n
besonders des Pangani und des Rufidschi, ist viel fruchtbares Land vor-
Händen, das für den Anbau von Reis, Zuckerrohr, Baumwolle, Sisal-
Hanf und andern Gewächsen geeignet ist. Die Küstenebene ist trocken. Im
Gegensatz zur Küste ist sie dünn bevölkert, hauptsächlich infolge früherer Sklaven-
jagdeu. Es folgt wie bei Togo und Kamerun ein regenreicher Gebirgsabfall
und als viertes Naturgebiet das trockenere Steppenhochland des Inneren. Auf
diesem erheben sich vereinzelt gewaltige Vulkanberge, wie der 6000 m hohe
Kilimandscharo (Bild 38). Diese Berggebiete bilden, da sie mehr Regen
empfangen, Klima-, Pflanzen- und Kulturoasen inmitten der Steppe.
Zur Besiedlung mit Europäern eignen sich vorwiegend die Gebirgs-
landschasten. In denUsambära-Bergen wurden große Kafseepflanzungen
angelegt. Eine Eisenbahn wurde von Tanga dorthin gebaut. Die Eisen-
bahn von Daressaläm (= Friedenshaus) nach Mrogoro soll bis Tabora
(35000 E.) fortgeführt werden, um die wichtigen Seengebiete mehr an
die Küste anzugliedern. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes ist unbedingt nötig,
wenn Ostafrika für Deutschland eine wertvolle Kolonie werden soll. Es kann
außer Palmöl, Kautschuk und Elfenbein große Mengen Baumwolle,
Kaffee, Sifalhanf und andre Erzeugnisse liefern. Die Küstenbevölkerung
setzt sich aus indischen Kaufleuten, aus Arabern und den Suaheli (fpr.
fwaheli, d. h. Küstenbewohner), einer Mischrasse von Arabern und Negern, zu-
sammen. Aufblühende Hafenplätze sind Daressaläm (10000 E.), Tanga
und Lindi.
4. Deutsch-Südwestafrika. Die Kolonie liegt zum Teil noch in der heißen
Zone, zum Teil schon in der gemäßigten. Europäer, also auch deutsche
Auswanderer, können in ihr leben. Ungünstig ist jedoch, daß das Klima des
Landes sehr trocken ist. Es sind zwei Naturgebiete zu unterscheiden, das
Küstenland und die Hochflächen und Gebirgsländer des Inneren.
Die Küste hat ein noch viel trockeneres Klima als die Togoküste; sie ist fast
regenlos. Ein breiter Landstreifen längs der Küste, der es auch an guten
Häfen fehlt, ist daher wüstenartig. Wer mit dem Schiffe ankommt, erblickt
zuerst nur Sanddünen, die nicht einmal den Flüssen einen Weg zum Meere
freilassen. Der erste Eindruck, den man von Deutsch-Südwestafrika erhält, ist
also ein sehr wenig erfreulicher. Nach dem Inneren wird aber das Land, je mehr
es ansteigt, um so grüner. Zum Ackerbau im großen sind aber nur die nörd-
lichen, noch wenig bekannten Gebiete geeignet. In dem übrigen Lande ist
künstliche Bewässerung nötig. Es müssen also artesische Brunnen erbohrt
und Staudämme angelegt werden. Am besten eignet sich die Kolonie jedoch zur
Viehzucht, besonders zur Schafzucht und zur Zucht der Angoraziegen.
Auch mineralische Schätze sind vorhanden, besonders Kupserlager.
Vor dem Hererokriege hatten sich in Deutsch-Südwestafrika schon Hunderte
deutscher Farmer angesiedelt. Von den deutschen Kriegern sind viele im
Lande zurückgeblieben. So verspricht die Kolonie nach den großen Opfern,
die das deutsche Volk für dieselbe bringen mußte, ein deutsches Land zu werden.
Alle Fortschritte werden von den Eisenbahn- und Wasserbauten abhängen
II
Geographie.
117
Der Regierungssitz Windhuk (Bild 39) ist schon seit mehreren Jahren durch
eine Eisenbahn mit dem Hafenplatz Swakopmund verbunden. Zum
Zwecke der Ausbeutung der reichen Kupfererzlager von Otawi und
Tsumeb wurde ferner die Otawi-Bahn erbaut. Eine dritte Bahnlinie
83. Wtndhuk (1600 m) in Deutsch-Südwestafrika. Von der Dornbuschsteppe gleitet der Blick über
die Ziegenherde, die Akazien und die Werften der Eingebornen zu dem freundlichen Städtchen am Ge-
birgsrand, das in wasserreicher, grüner Landschaft liegt. Die Straßen sind gut gepflegt und beleuchtet.
Die Stadt ist der wirtschaftliche und politische Mittelpunkt der Kolonie.
erschließt von der Lüderitz-Bucht aus den Süden der Kolonie. Die
wichtigsten Völkerschaften Deutsch-Südwestafrikas, das 835 000 qkm mißt,
also 1-|mal so groß als das Deutsche Reich ist, sind die Hereros und die
Hottentotten. Ihre Zahl betrug vor dem Kriege etwa 200 000.
II. Die Kolonien im Großen Ozean.
Die Besitzungen im Großen Ozean sind zwar sehr weit von Deutschland
entfernt. Auch eignen sie sich wegen ihres tropischen Klimas nicht zur Be-
siedlung durch Deutsche; für den Handel haben sie jedoch große Bedeutimg.
Sie liefern manche Erzeugnisse und sind für die Schiffahrt wichtige Stütz-
punkte.
1. Kaiser-Wilhelmsland nebst dem Bismarck-Archipel und den nördlichen
Salomon-Inseln. Von diesen Gebieten ist das Kaiser-Wilhelmsland,
das den nordöstlichen Teil der großen Insel Neu - Guinea umfaßt, das um-
fangreichste. Es mißt 180 000 qkm, ist also halb so groß als das Königreich
118
Geographie.
n
Preußen und hat etwa 300000 E. Urwald bedeckt den größten Teil des
Gebiets. Dieser enthält wertvolle Gewächse, wie die Kokos- und Sago-
Palme usw. Für tropische Kulturen, die vorzüglich gedeihen, ist besonders
die Ebene um die Astrolabe - Bai geeignet.
Die Inseln des Bismarck-Archipels haben die gleiche Natur und den
gleichen Wert wie Kaiser-Wilhelmsland. Die größten sind Neu-Pommern,
Neu - Mecklenburg und Neu - Hannover. Zusammen sind sie 52 000 qkm
groß; ihre Bevölkerung wird auf 200 000 geschätzt. Herbertshöhe auf Neu-
Pommern ist der Sitz des Gouverneurs.
Von den beiden Inseln der Solomon-Gruppe, die zu Deutschland ge-
hören, mißt die größere etwa 10 000 qkm. Ihre Bewohner sind sehr kriegerisch.
2. Die Karolinen, Palau-Jnseln, Marianen- und Marschall-Jnseln. Diese
Gruppen bilden ein echtes Kleininselgebiet (Mikronesien). Die meisten
Inseln sind sehr flache Koralleninseln, die man erst in der Nähe an den
Reihen der Kokospalmen erkennt. Von diesen wird als einziges Erzeugnis
für den Handel die Kopra gewonnen, indem man die Stirnschale der Kokos-
nüsse zertrümmert und den ölreichen Nußkern zerschneidet und trocknet. Be-
deutend ist die Kopraaussuhr von den meist ringförmigen Marschall-Jnseln.
Die Insel Jaluit (spr. dschalüt) ist der Sitz des Landeshauptmanns.
3. Die Samoa-Jnseln (spr. ßämöa). Ein wertvollerer Besitz als das Klein-
inselgebiet ist die Gruppe der Samoa - Inseln. Sie setzt sich aus den beiden
großen vulkanischen Inseln Sawaii (1710 qkm) und Upölu (850 qkm) und
zwei sehr kleinen Inseln zusammen. Die Gesamtfläche beträgt 2590 qkm, die
Einwohnerzahl 33 000. Die Samoa-Jnseln sind durch große landschaftliche
Schönheit ausgezeichnet und zugleich sehr fruchtbar. Der Anbau von
Kokospalmen und der von Kakao sind auf ihnen die wichtigsten Kulturen.
Die Samoaner sind ein schöner Menschenschlag. Seit langer Zeit
sind sie Christen. Der Sitz des Gouverneurs ist Apia.
III. Das Pachtgebiet Kiautschou.
Im Jahre 1898 hat das Deutsche Reich von China die Kiautschöu - Bu cht
auf 99 Jahre als Stützpunkt des deutschen Handels in Ostasien gepachtet.
Das Pachtgebiet liegt an der Süstostküste der Halbinsel S chantung. Es
mißt einschließlich der Bucht 920 qkm und ist noch von einer neutralen Zone
von 50 km Breite umgeben.
Die Hoffnungen, die auf Kiautschöu gesetzt wurden, haben sich bisher erfüllt.
Die neue deutsche Niederlassung Tsingtau ist eine aufblühende Hafenstadt,
deren Handel mit jedem Jahre bedeutend zugenommen hat. Auch die Eisen-
bahn, die von Tsingtau nach Tsinan am unteren Hoangho erbaut wurde
und Kohlenlager aufschließt, hat einen bedeutenden Verkehr an sich gezogen.
Fünfter Teil.
Deutschlands Welthandel und
Weltstellung.
I. Die Schätze des Welthandels und Deutschlands
Anteil.
Fast jedes Land der Erde liefert eigenartige Schätze auf den Weltmarkt.
Die Bedürfnisse der Menschen stimmen mehr überein und werden mit höherer
Kultur immer einheitlicher. So fehlt manchem Lande, was seine Bewohner be-
dürfen. Die Kulturvölker haben sich an viele Bedürfnisse gewöhnt und wollen
diese befriedigen. Darum streben sie nach Reichtum. Der Handel hat die
Aufgabe, das Fehlende vorteilhaft einzukaufen und das Überflüssige vorteilhaft
zu verkaufen. Der Welthandel vermittelt den Güteraustausch der
Völker. Wichtige Handelsvölker sind die Engländer, Nordamerikaner,
Deutschen, Franzosen, Holländer, Belgier, Japaner und Chinesen.
Die Handelsgüter sind entweder Rohstoffe oder fertige Waren. Letztere
sind ungeheuer mannigfaltig. Die Rohstoffe lassen sich nach ihrer Verwendung
in Nahrungsmittel und gewerbliche Rohstoffe, nach ihrem Ursprünge
in pflanzliche, tierische und mineralische Rohstoffe teilen.
Nahrungsmittel (Genußmittel). Die wichtigsten Nahrungs- und Genuß-
mittel, die das Pflanzenreich liefert, sind Getreide, Zucker, Kaffee,
Tee, Kakao, Wein, Obst, Ol und Tabak. Das meiste Getreide können die
Vereinigten Staaten Nordamerikas, Rußland, Argentinien, Österreich-Ungarn,
Rumänien und Hinterindien (Reis) ausführen. Deutschland hatte i. I. 1908
eine Mehreinfuhr von Getreide im Werte von fast 700 Mill. Mark. In der
Gewinnung von Rübenzucker ist es dagegen das erste Land; i. I. 1908 führte
es für 180 Mill. Mark Rübenzucker aus. Rohrzucker liefern die Tropenländer.
Das wichtigste Kaffeeland ist Brasilien, das f der Welternte an Kaffee liefert.
Auch Mittelamerika (besonders Guatemala) und Holländisch-Jndien (besonders
Java) sind wichtige Kaffeeländer. Deutscher Kaffee wird in Deutsch-Ost-
afrika (Ufambara-Kaffee) gezogen. Doch mußte Deutschland 1908 für 160 Mill.
Mark an diesem Genußmittel einführen. Den besten und meisten Tee liefern
China, Japan, Ceylon und Affam (in Vorderindien), den meisten Kakao
Venezuela und Ecuador. Deuts cher Kakao wird in Kamerun und auf Samoa
gezogen. 1908 gab Deutschland für Tee 7, für Kakao 45 Mill. Mark aus. Wein
und Obst bringt Deutschland zwar selbst in bedeutender Menge hervor; dennoch
hatte es 1908 eine Mehreinfuhr von Wein und Trauben im Werte von über 40
und von Obst und Südfrüchten im Werte von 120 Mill. Mark. Den Bedarf
120
Geographie.
n
an Wein und Südfrüchten könnten später unsre Kolonien liefern. Ol wird
von vielen Gewächsen, besonders vom Ölbaum, von Flachs, Raps, Erdnuß und
mehreren Palmenarten gewonnen. Das beste Speiseöl liefert der Ölbaum,
der namentlich in den Mittelmeerländern angebaut wird; sein Anbau wäre
auch in Deutsch-Südwestasrika möglich. Palmöl wird aus den deutschen
Kolonien in bedeutender Menge ausgeführt. Den besten Tabak liefern
Kuba, der O. der Vereinigten Staaten Nordamerikas und Niederländisch-Jndien.
Deutschland erzeugt nur geringwertigen Tabak, könnte aber in seinen
Kolonien auch bessere Tabaksorten gewinnen. 1908 mußte es über 120 Mill. Mark
für Tabakerzeugnisse ausgeben.
Von tierischen Nahrungsmitteln sind besonders Fleisch der Tiere,
Eier, Butter, Käse, Schmalz und Talg, ferner Fische zu nennen. Wie
Deutschland nicht genügend Getreide hervorbringt, so auch nicht genügend
Fleisch. Es mußte 1908 für eingeführtes Vieh, Fleisch, Federvieh, Eier,
Butter, Käse, Schmalz und Talg zusammen fast 600Mill. Mark ausgeben.
Die viehreichsten Gebiete der Erde sind die trockenen Grasländer Nordamerikas,
Südamerikas, Südafrikas und Australiens. Die Rinderzucht ist ferner in Däne-
mark, Südschweden, Finnland, Rußland und Sibirien bedeutend. Der Ertrag
der deutschen Seefischerei beträgt etwa 25 Mill. Mark, wovon auf die
Nordsee 22, auf die Ostsee nur 3 Mill. Mark entfallen. 1908 mußte Deutschland
noch für 75 Mill. Mark Fischereiprodukte einführen, besonders aus Norwegen.
Außer der Westküste Norwegens gehören noch das Chinesische Meer und die
Bank von Neu-Fundland zu den Hauptfanggebieten der Erde.
Von mineralischen Nährstoffen ist hauptsächlich das Salz zu nennen,
das aber weniger Gegenstand des eigentlichen Welthandels ist. Deutschland
besitzt an Salz einen großen Reichtum.
Gewerbliche Rohstoffe. Die wichtigsten gewerblichen Rohstoffe, die
das Pflanzenreich liefert, sind die Gespinststoffe: Baumwolle, Flachs,
Hanf, Sifalhanf und Jute, ferner Kautschuk, Ol und Holz. Deutsch-
land hat an diesen Stoffen einen Ungeheuern Bedarf. Von Gespinststoffen
erzeugt es selbst nur geringe Mengen von Flachs und Hanf. Auch die Ol-
gewinnung ist nicht bedeutend; es war 1908 eine Mehreinfuhr im Werte von
200 Mill. Mark nötig. An Holz ist Deutschland zwar reich; doch mußte es
i. I. 1908 noch für mehr als 250 Mill. Mark Holz einführen. Sisalhanf wird
in Deutsch - Ostafrika schon in bedeutenden Mengen gewonnen. Auch der
so wichtige Baumwollbau wird in den deutschen Kolonien, besonders
in Togo, jetzt eifrig gefördert. Dies ist von größter Bedeutung; denn Deutsch-
lands Bedarf an Baumwolle ist so groß, daß es für diesen Gespinststoff jährlich
400—500 Mill. Mark ausgeben muß, ferner für Flachs fast 30, für Hanf 20
und für Jute 50 Mill. Mark. Kautschuk liefern zwar ebenfalls die deutschen
Kolonien, besonders Deutsch-Ostasrika, Togo und Kamerun; es ist jedoch noch
eine Einfuhr im Werte von etwa 70 Mill. Mark nötig.
Die wichtigsten tierischen Rohstoffe, die in der Industrie verwandt werden,
sind Häute, Wolle, Pelzwerk und Seide. Deutschland führte 1908 für
II
Geographie.
121
180 Mill. Mark Häute, für 270 Mill. Mark Wolle und für 150 MM. Mark Seide
mehr ein als aus. Einen großen Teil dieser Waren könnten die Kolonien liefern.
An mineralischen Schätzen besitzt Deutschland einen ziemlich großen
Reichtum. An Steinkohlen konnte es 1908 für 190 Mill. Mark mehr aus-
als einführen, während an Braunkohlen eine Mehreinfuhr im Werte von
85 Mill. Mark stattfand. In der Kohlenförderung steht es nur hinter den Ver-
einigten Staaten Nordamerikas und England zurück. An Gold führte Deutsch-
land 1908 für über 300, an Kupfer für 190, an Blei für 35, an Eisenerzen
für 110, an Erdöl für 110, an Salpeter für 100 Mill. Mark und an Kalk für
50 Mill. Mark ein, dagegen an Salzen, besonders Kalisalzen, für 20 Mill.
Mark aus. Ein bedeutendes Kupferlager wurde in Deutsch - Südwest-
afrika ausgeschlossen.
Fertige Erzeugnisse. Auf dem Gebiete der Industrie nimmt Deutsch-
land eine hervorragende Stellung ein; es wird nur von England und den
Vereinigten Staaten Nordamerikas übertroffen. In der Eisengewinnung
steht es sogar mit einer Erzeugung von fast 13 Mill. t i. 1.1907 gleich hinter den
Vereinigten Staaten Nordamerikas, die allerdings 26 Mill. t Roheisen erzeugten,
und vor England, das 10^ Mill. t erzeugte. An Eisen und Eisenwaren konnte
Deutschland 1908 für 500, an Maschinen für 400, an Gold-und Silberwaren für 90
und an Kupferwaren ebenfalls für 80 Mill. Mark mehr ausführen. Große
Werte für die Ausfuhr lieferten ferner die Textil- oder Faserindustrie und
die chemische Industrie, nämlich erstere für 220 Mill. Mark Baumwollwaren,
für 200 Mill. Mark Wollwaren und für 130 Mill. Mark Seidenwaren,
letztere für über 100 Mill. Mark Farbstoffe. Einige wichtige Warengruppen für
die Ausfuhr sind noch Leder und Lederwaren, wovon für 150 Mill. Mark,
und Kautschuk- und Gummiwaren, wovon für 30 Mill. Mark mehr aus-
als eingeführt wurden.
II. Der Weltverkehr und Deutschlands Anteil.
Der Welthandel verlangte großartige Verkehrseinrichtungen. Die
wichtigsten derselben sind das Schiff, die Eisenbahn, die Börse, die Post,
die Telegraphie und die Fernsprechanlagen.
Schisfahrtslinien. Das Schiff ist das älteste unter den genannten Ver-
kehrsmitteln. Aber erst als Dampfschiff hat es die Weltmeere für den Welt-
verkehr erobert. Im Altertum beschränkte dieser sich fast ganz aus das Mittel-
ländische Meer und im Mittelalter auf die europäischen Meere. Mit der
Erfindung der Dampfmaschine und dem Bau von Dampfschiffen begann
die Entwicklung eines wirklichen Weltverkehrs. Auch der Atlantische,
Indische und zuletzt der Große Ozean wurden in den Weltverkehr mit ein-
gezogen.
Die wichtigsten Schiffahrtslinien sind heute die atlantische von Nord-
Westeuropa nach Nordamerika, die mittelamerikanische, die südamerikanische,
ferner die süd- und ostasiatische, die durch das Mittelländische Meer und den
Hirt« neues Realicnbuch. Ceogravhie. 9
122
Geographie.
II
Su es-Kanal nach Süd- und Ostasien führt. Weniger Bedeutung haben die
westafrikanische, ostafrikanische, australische und pazifische Linie; letztere durch-
quert den Großen Ozean. Eine Schiffahrtslinie rings um die Erde kann
erst nach Fertigstellung des Panama - Kanals eröffnet werden.
An der Ozean - Schiffahrt sind am meisten England und Deuts chland
beteiligt. Diese beiden Staaten besitzen auch die größten und schnellsten Schiffe.
Die deutschen Schiffahrtsgesellschaften „Hamburg - Amerika - Linie" und
„Norddeutscher Lloyd" sind die größten der Erde. In neuster Zeit hat
auch die japanische Schiffahrt einen bedeutenden Aufschwung genommen.
Die Vereinigten Staaten Nordamerikas besitzen zwar ebenfalls eine be-
deutende Handelsflotte; diese steht aber hauptsächlich im Dienste der Küsten-
schissahrt und der Schiffahrt auf den kanadischen Seen.
Eisenbahnlinien. Von den Eisenbahnlinien der Erde haben nur einige
für den eigentlichen Weltverkehr eine größere Bedeutung. Solange eine durch-
gehende Schiffahrtslinie rings um die Erde fehlt, muß dieser streckenweise Eisen-
bahnlinien benutzen. Die nordamerikanischen Pazifik-Bahnen und die
große Sibirische Bahn sind Abschnitte der heutigen Welthandelsstraße rings
um die Erde. Als Zufuhrlinien zu dieser westöstlichen Verkehrsstraße dienen
Eisenbahnlinien, die von N. nach S. oder von S. nach N. die einzelnen Erdteile
durchziehen, wie die die Alpen durchschneidenden Bahnen und die Orientbahn
in Europa und die von den Engländern geplante und zum größten Teil schon
fertige Eisenbahnlinie Kapstadt—Kairo in Afrika.
Die andern Mittel des Weltverkehrs. Aus den Geldverkehr haben die
Börsen in London, New Jork, Paris, Berlin und Wien den größten
Einfluß. London ist zugleich Mittelpunkt des Nachrichtenwesens der
Erde, da die Engländer über fast alle unterseeischen Kabel, die nach allen
Küsten der Erde hinführen, verfügen. Deutschland hat erst in neuster Zeit
einige längere Kabellinien eingerichtet. Für den Postverkehr ist ein Welt-
postverein gegründet worden, dem die meisten Länder der Erde beigetreten
sind. Derselbe hat seinen Sitz in Bern. Im Fernsprechwesen steht Deutsch-
land an der Spitze aller Länder.
III. Deutschlands Weltstellung.
Deutschland nimmt unter den Staaten der Erde eine geachtete Stellung
ein. Das Deutsche Reich gehört zu den mächtigsten Staaten.
Seine Weltstellung beruht auf vielerlei Umständen. Sie ist abhängig
von der Lage, von der Größe des Landes und dem Werte seiner Kolonien,
von der Zahl und Tüchtigkeit des Volkes, von der Fülle der Landes-
erzeugnisse, von der Ausdehnung des Handels und der Größe der
Handelsflotte (Bild 40), endlich von der Macht des Staates, d. h. von der
Stärke und Tüchtigkeit des Kriegsheeres und der Kriegsflotte. Die
Gunst oder Ungunst der Weltstellung Deutschlands erkennen wir am klarsten,
wenn wir diese mit der Weltstellung der wichtigsten Erdenstaaten vergleichen.
II
Geographie.
123
Die Lage Deutschlands. Deutschlands Lage ist nicht sehr günsttg. Die
unangreifbare Lage Englands geht ihm ab. Es ist vielmehr fast ringsum
von mächtigen Staaten umgeben, während z. B. Frankreich nur im O. an
mächtige Nachbarn grenzt. Rußlands Lage ist, seitdem ihm im O. das mächtige
Japan erwachsen ist, der Lage Deutschlands ähnlicher geworden; es ist wegen
seiner riesigen Größe aber nicht so leicht anzugreifen. Die Vereinigten Staaten
Nordamerikas haben ebenfalls eine gesicherte Lage. Auch die Meereslage
Deutschlands ist weniger günsttg als die Englands, Frankreichs und
Nordamerikas, aber doch günstiger, als man gewöhnlich annimmt. Im N.
stößt Deutschland an die Ostsee und an die Nordsee; letztere steht mit dem
Atlantischen Ozean in offener Verbindung. Im W. aber ist Deutschland nur durch
das schmale holländisch-belgische Zwischenland vom Atlantischen Ozean getrennt.
40. Moderner Schnelldampfer (Doppelschraubendampfer).
Die Größe Deutschlands und sein Kolonialreich. Deutschland wird an
Größe unter den europäischen Staaten nur von Rußland und Osterreich-
Ungarn, ferner unter den Weltmächten von den Vereinigten Staaten
Nordamerikas übertroffen. Diese und Rußland sind allerdings viel größere
Staaten. Frankreich hat etwa die gleiche Größe wie Deutschland, England
ist viel kleiner. Letzteres besitzt aber ein riesiges Kolonialrei ch, das die frucht-
barsten und wertvollsten Gebiete der Erde umfaßt. Auch Frankreich und
Rußland haben größere und wertvollere Kolonien als Deutschland. Selbst
das kleine Holland besitzt zwar nicht größere, aber reichere Kolonien. Es
124
Geographie.
II
fehlt dem deutschen Volke, dessen Zahl jährlich um fast 1 Mill. zunimmt,
an Raum. Es darf sich daher von andern Staaten nicht einengen lassen.
Volkszahl und Volksbildung. In der Volkszahl steht Deutschland
mit seinen 64 Mill. E. unter den europäischen Staaten nur hinter Rußland,
allerdings weit, zurück. Osterrei ch - Ungarn kommt ihm am nächsten; dann
folgen in Europa England, Frankreich und Italien. Frankreich ist in
der Volksvermehrung sehr hinter Deutschland zurückgeblieben. Während es
1870 noch so viel Einwohner wie Deutschland hatte, zählt es heute noch nicht -f
so viel. In 15 Jahren dürfte Deutschland doppelt so viel Einwohner wie Frank-
reich haben. Unter den Welthandelsmächten wird es auch von den Vereinigten
Staaten Nordamerikas an Volkszahl weit übertroffen, während Japan
wenig zurücksteht. Von großer Bedeutung ist die verhältnismäßig hohe Volks-
bilduug in Deutschland. Dieselbe ist eine Folge der allgemeinen Schul-
Pflicht und der Fürsorge für das Schulwesen. Durch die höhere Volksbildung
in Deutschland wird der Vorsprung Rußlands in der Volkszahl aufgehoben.
Deutschlands Erzeugnisse und sein Handel. Es ist von großer Bedeutung,
daß in Deutschland die Erträge des Pflanzenbaues und der Viehzucht
noch immer weiter gestiegen sind. Wenn die Bevölkerung nicht so stark
zunähme, könnte unser Land den Bedarf an Getreide und Fleisch beinahe decken.
Frankreich und Osterreich - Ungarn sind hierzu imstande. England muß
dagegen den größten Teil der Nahrungsmittel aus dem Auslande beziehen.
Für Deutschland ist es sehr wichtig, daß die Versorgung der Bevölkerung
mit Nahrungsmitteln im Falle eines Seekrieges auf dem Landwege er-
folgen kann. Die deutsche Industrie hat sich in den letzten Jahrzehnten so
entwickelt, daß Deutschland auf dem Gebiete des Handels mit allen Staaten,
auch mit England und den Vereinigten Staaten Nordamerikas, erfolgreich
in Wettbewerb treten kann. Hinter diesen drei Welthandelsmächten, von denen
England den ersten, Deutschland den zweiten und die Vereinigten Staaten den
dritten Rang einnimmt, stehen alle andern Handelsvölker weit zurück.
Deutschlands Heer und Flotte. Die deutsche Armee, deren Friedens-
stärke einschließlich Offiziere und Unteroffiziere 620000 Mann beträgt, Pflegen
auch die andern Staaten als die beste der Erde zu bezeichnen. Ohne eine
starke Armee würde Deutschland bald seine Machtstellung einbüßen,
würde das deutsche Land wieder die Beute andrer Völker werden.
Um den deutschen Handel und die deutschen Kolonien zu schützen, hat Deutsch-
land ferner eine starke Kriegsflotte nötig. Diese ist trotz ihres Wachsens
im Vergleich zu den Flotten andrer Staaten doch noch klein. Sie steht besonders
hinter der englischen, doch auch hinter der französischen und der Flotte der
Vereinigten Staaten Nordamerikas zurück. Auch Japan besitzt eine mächtige
Flotte. Es folgen dann hinter der deutschen und japanischen Flotte der Stärke
nach die russische, italienische und österreichische.
Mögen stets ein starkes Heer und eine starke Flotte der Stolz
des deutschen Volkes sein! Denn Macht bringt den Völkern Wohl-
stand und Wohlstand Glück.
Sechster Teil.
Elementare mathematische Geographie.
I. Die scheinbare Bewegung der Gestirne um die Erde.
1. Der Horizont und der scheinbare Tageslauf der Gestirne;
die Tageszeiten.
Wenn wir auf freiem Felde oder auf einem hohen Berge stehen, so haben
wir den Eindruck, wir befänden uns im Mittelpunkte der sichtbaren Welt.
Kreisförmig breitet sich um uns das sichtbare Stück der Erdoberfläche
aus, und über uns wölbt sich die Halbkugel des Himmels. Die Himmels-
halbkugel scheint auf der kreisförmigen Erdoberfläche zu ruhen. Am fernen
Horizonte scheint die Berührung stattzufinden. Die Horizontlinie (d. h. die
begrenzende Linie, weil sie unsre Aussicht begrenzt) ist, wenn das Land eben
ist, von unserem Standpunkt überall gleich weit entfernt. Auch sämtliche
Punkte des Himmelsgewölbes scheinen von uns gleich weit entfernt zu sein.
In der Ansicht, daß wir uns im Mittelpunkt des Weltalls befinden, werden
wir auch durch die Bewegungen der Himmelskörper bestärkt. Wir
sehen morgens die Sonne aufgehen, d. h. über den Horizont treten, wir sehen
sie höher steigen, mittags erreicht sie den höchsten Stand am Himmel, den
Gipfelpunkt ihrer täglichen Bahn, und abends geht sie wieder unter, d. h.
sie tritt unter den Horizont. Dies wiederholt sich täglich. Die Sonne
scheint sich täglich um die Erdscheibe in einem Kreise zu bewegen.
Vom Morgen bis zum Abend beleuchtet und erwärmt sie dieselbe, und es ist
Tag, vom Abend bis zum Morgen ist sie untergetaucht, ist sie unsichtbar, es
ist Nacht.
Gleich der Sonne sehen wir nachts den Mond und die meisten Sterne
auf- und untergehen. Auch am Tage stehen Sterne am Himmel, die sich
ebenso bewegen; wegen des hellen Sonnenlichts sind sie jedoch nicht sichtbar.
Nur am nördlichen Himmel erblicken wir Sterne, die nicht auf- und unter-
gehen, sondern nachts immer sichtbar sind. Auch sie führen eine kreisförmige
Bewegung aus, die der Bewegung der andern Gestirne gleich gerichtet ist.
Alle Gestirne, Sonne, Mond und Sterne bewegen sich von O. nach W. So
scheint sich die ganze Himmelskugel um die Erdscheibe von O.
nach W. zu drehen. Jedes Gestirn durchläuft täglich einen Kreis am
Himmel, seinen Tageskreis, der schräg zur Horizontfläche geneigt ist. Ein
Stern, der am Nordhimmel steht, nimmt an dieser Bewegung kaum bemerkbar
teil. Er muß also dem nördlichen Ende der Achse, um welche die Drehung
126
Geographie.
II
„ 3 stattfindet, sehr nahe stehen.
Man nennt diesen Stern
°0 Ig den „Nördlichen Polar-
ZZ stern". Die Achse, um die
Ä Ig sich scheinbar täglich die
^ 1 a Himmelskugel dreht, ist die
Welt-oderHimmelsachse;
s ihre beiden Endpunkte sind
^ »I. die Himmelspole, und
Z [ « zwar heißt der über dem
j] i^J, Horizont gelegene derNord-
w pol, der unter ihm gelegene
s || der Südpol der Himmels-
»■§ kugel. Eine im Standpunkt
s I errichtete lotrechte gerade
Ij Linie, die Standlinie,
Z | schneidet die Himmelskugel
^ g| in zwei einander gegenüber-
TZ liegenden Punkten, von
g-J denen der über dem Be-
.-> UZ obachter stehende Scheitel-
.1 1? i Punkt (Zenit), der unter
1° ?^z an ^er unsichtbaren
»Ä? Himmelskugelhälfte besind-
ZI liche Fußpunkt (Nadir)
Z e genannt wird.
•g #■§ Die kreisförmige Bahn,
-1 die ein jedes Gestirn wäh-
rend einer Umdrehung der
^.g Himmelskugel beschreibt, ist
!• sein Tageskreis. Die
°8 Tageskreise sämtlicher Ge-
süme sind untereinander
0 11 parallel, und ihre Bahn-
m ebenen stehen rechtwinklig
. I s | zur Himmelsachse. Je näher
t'f ein Gestirn einem der beiden
«ff Himmelspole steht, um so
Z ZK kleiner ist sein Tageskreis.
1 s g Den größten Tageskreis hat
.J ZI ein Gestirn, das von beiden
II Polen gleich weit entfernt
• J ist; seine Bahn ist der
Himmelsäquator, der die
n
Geographie.
127
Himmelskugel in eine nördliche und eine südliche Hälfte teilt. Die Tages-
kreise der auf- und untergehenden Gestirne werden von dem Horizont geschnitten.
Der über dem Horizont, also auf der sichtbaren Himmelshälfte gelegene Teil
des Tageskreises heißt Tagbogen, der übrige Teil der Nachtbogen des
Gestirnes. Die Tagbogen der Gestirne auf der Nordhälfte der Himmelskugel
sind größer als ihre Nachtbogen; die Tagbogen der Gestirne auf der andern
Hälfte sind kleiner als ihre Nachtbogen. Bei einem im Himmelsäquator
laufenden Gestirn sind Tagbogen und Nachtbogen gleich lang.
Die Gipfelpunkte der Tageskreise sämtlicher Gestirne liegen in einem
Kreise an der Himmelskugel, der senkrecht auf dem Horizont steht und durch
den Scheitelpunkt geht. Es ist dies der Mittagskreis, der seinen Namen
davon hat, daß die Sonne ihn täglich in der Mitte des Tages (mittags)
durchschreitet. Der Mittagskreis durchschneidet den Horizontkreis in zwei
Punkten, im Südpunkt und im Nordpunkt. Die gerade Linie, die Nord-
Punkt und Südpunkt verbindet und dabei durch den Standpunkt geht, heißt
Mittagslinie; sie teilt den Horizont in die Osthälfte und die West-
Hälfte. In die Mittagslinie fällt stets täglich der Schatten einer von
der Sonne belichteten lotrechten geraden Kante.
Zieht man in der Horizontebene eine gerade Linie, die die Mittagslinie
im Standpunkt rechtwinklig schneidet, so halbiert diese die Osthälste des
Horizontes im Ostpunkt, die Westhälfte im Westpunkt. Ostpunkt, Süd-
Punkt, Westpunkt und Nordpunkt, die vier Hauptpunkte des Horizontes
und Mittelpunkte der betreffenden Himmelsgegenden, teilen den Horizont
in vier gleiche Teile. Wird jeder dieser Viertelkreise wiederum halbiert, so
erhalten wir die Mittelpunkte der Nebenhimmelsgegenden: Nordost,
Südost, Südwest und Nordwest.
So oft die Sonne einen Rundlauf beendet hat, beginnt ein neuer Tag. Dieser
dauert 24 Stunden und zerfällt wieder in den eigentlichen Tag und die Nacht.
Da die Stunde des Sonnenaufgangs wechselt, rechnet man den Tag von Mitter-
nacht bis Mitternacht. Wenn die Sonne den höchsten Stand am Himmel er-
reicht, was täglich zur selben Zeit geschieht, so ist Mittag. Die Zeit des Sonnen-
ausgangs wird Morgen, die des Sonnenuntergangs Abend, die Zeit vom
Morgen bis zum Mittag Vormittag, vom Mittag bis zum Abend Na ch mittag
genannt.
2. Die scheinbare Jahresbewegung der Sonne; die Jahreszeiten.
Die Sonne durchläuft täglich nicht immer die gleiche Bahn am Himmel
(Fig. 41). Im Winter steht sie mittags bei weitem nicht so hoch am Himmel wie
im Sommer; auch finden Aufgang und Untergang der Sonne nicht immer an
den nämlichen Punkten des Horizontes statt. Nur an zwei Tagen des Jahres
geht die Sonne genau im Ostvunkt auf und im Westpunkt unter, nämlich am
128
Geographie.
II
21. März und 23. September. Während des Frühlings schreitet ihr Auf-
gangspunkt täglich nach N. hin, ebenso ihr Untergangspunkt. Die Sonne hat
vormittags einen weiteren Weg zurückzulegen, bis sie den höchsten Stand im
S. erreicht, und ebenso nachmittags einen weiteren Weg, bis sie wieder unter-
geht. Ihr Tagbogen wird täglich größer. Am 21. Juni hat sich der Auf-
gangspunkt der Sonne am weitesten nach N. hin vom Ostpunkt entfernt,
zugleich erreicht sie an diesem Tage den höchsten Stand am Himmel. Ihr
Tagbogen ist jetzt am größten, ihr Nachtbogen am kleinsten; der Tag ist sehr
lang, die Nacht sehr kurz. Vom 21. Juni ab rückt der Ausgangspunkt und der
Untergangspunkt der Sonne täglich nach Süden zu gegen den Himmels-
äquator; auch steigt sie täglich nicht mehr so hoch am Himmel. Die Tag-
bogen nehmen also an Länge ab, der Nachtbogen zu. Am 23. September
geht die Sonne wieder genau im Ostpunkt auf und im Westpunkt unter wie
am 21. März, und Tag- und Nachtbogen sind einander gleich wie am Frühlings-
tage. Vom 23. September ab wandert die Sonne täglich auf der Südhälste
der Himmelskugel und schreitet nach S. Ihr Aufgangspunkt und Untergangs-
Punkt rücken allmählich täglich weiter nach S. vor, die Sonne steigt auch nicht
so hoch am Himmel, die Tagbogen werden nach und nach kleiner, die Nacht-
bogen größer. Am 21. Dezember ist die Sonne am weitesten nach S. hin
gelangt, sie steht an diesem Tage mittags am tiefsten, ihr Tagbogen ist am
kleinsten und ihr Nachtbogen am größten. Dann wendet sie sich wieder nord-
wärts, bis sie am 21. März wieder im Himmelsäquator steht und einen
neuen Jahreslauf beginnt.
Genau genommen sind die Tageskreise keine Kreise, sondem Teile einer
aufsteigenden und einer absteigenden Spirale. Der mittelste Ring in
diesen beiden Spiralen ist der Sonnenlauf vom 21. März und der vom
23. September. Die äußersten Ringe sind der Sonnenlauf vom 21. Juni
und der vom 21. Dezember. Bei jenem ist der Tagbogen, bei diesem der
Nachtbogen sehr groß.
Die Sonne spendet der Erde die Wärme. Je länger sie täglich scheint,
um so mehr kann sie die Erdoberfläche erwärmen. Die Kraft der Sonnen-
bestrahlung ist aber nicht immer gleich groß. Je schräger die Sonnenstrahlen
ausfallen, um so schwächer ist ihre Wirkung, je steiler sie auffallen, um so stärker
ist sie. Darum ist es mittags wärmer als in den andern Tagesstunden, und
daher nimmt die Wärme im Laufe eines Jahres zu in dem Maße, wie die
Sonne höher steigt und zugleich täglich länger scheint. Die Jahreszeit des
höchsten Standes der Sonne nennt man Sommer. Die Zeit, in der die
Sonne am tiefsten steht, wird Winter genannt. Die Übergangszeiten
zwischen beiden heißen Herbst und Frühling. Astronomisch bestimmt, be-
ginnt der Frühling am 21. März, der Sommer am 21. Juni, der Herbst am
23. September und der Winter am 21. Dezember.
II
Geographie.
129
II. Die Erde als Himmelskörper,
l. Die wirkliche Gestalt und Größe der Erde.
Die Erde erscheint uns als eine Scheibe. Verschiedene Wahr-
nehmungen rufen Zweifel in uns hervor, ob sie wirklich eine Scheibe ist.
An den Küsten sehen wir immer zuerst den Mast der sich uns nähernden
Segelschiffe und den Rauch der hereinkommenden Dampfschiffe; erst nach
und nach wird auch der Rumpf des Schiffes sichtbar. Reisen wir nach O.,
so geht die Sonne früher auf, reisen wir aber nach W., so geht sie später
auf. Bei einer Reise nach N. oder S. machen wir eine andre Beobachtung.
Wir sehen bei einer Reise nach Süden uns fremde Sterne am Südhimmel
erscheinen, und bekannte Sterne suchen wir am Nordhimmel vergebens. Alle
diese Erscheinungen wären unmöglich, wenn die Erde wirklich eine Scheibe
wäre. Sie erklären sich aber von selbst, wenn wir annehmen, daß sie eine
kugelförmige Gestalt hat (Bild 42). Diese Annahme wird durch eine andre
42. Zur Kugelgestalt der Erde.
Beobachtung bestätigt. Bei einer Mondfinsternis wirft die Erde stets einen
kreisförmigen Schatten auf die Mondscheibe; einen solchen Schatten kann aber
bei jeder Lage des beschattenden Körpers nur ein kugelförmiger Körper
werfen. Daß die Erde wirklich eine kugelförmige Gestalt hat, haben endlich
die vielfachen Reisen um die Erde bestätigt.
Die Erde ist jedoch keine vollkommene Kugel. Sie ist an den beiden
Polen etwas abgeflacht, in der Richtung des Äquators dagegen etwas
ausgebaucht. Die Ausdehnungen der Erde sind genau festgestellt. Es
beträgt die Länge
des Durchmessers vom Äquawr ) (= 12 mal die Strecke . . 12 754,8 km
die der Erdachse......j Cöln—Königsberg) . . 12 712,2 km
Unterschied also 42,6 km
Abplattung mithin...............1 :299
Umfang des Äquawrs . . . j (= 40mal die Strecke . . . 40 070,4 km
Umfang der Meridianellipse j Cöln—Königsberg) ... 40 003,4 km
2. Die Bewegungen der Erde.
Die Sonne scheint sich täglich einmal um die Erde zu bewegen. Sie ist aber
so weit von uns entfernt, daß hierzu eine ungeheure Geschwindigkeit nötig wäre.
Die Sonne müßte, da sie sich in 149,5 Mill. km Entfernung von der Erde
befindet, in einer Sekunde fast 11 000 km, täglich 939 Mill. km zurücklegen.
Die Entstehung von Tag und Nacht erklärt sich in ungezwungener Weise,
130
Geographie.
II
wenn wir annehmen, daß die Erde sich um sich selbst dreht. Während
eines Jahres durchläuft die Sonne an der Himmelskugel scheinbar einen Kreis,
der den Himmelsäquator im Winkel von 23| Grad schneidet, indem sie
scheinbar täglich um ein Bogenstück, das den 365. Teil eines Kreises aus-
macht, von Westen nach Osten vorrückt. Die ungeheure Größe der Sonne
im Vergleich zur Erde läßt es auch unwahrscheinlich sein, daß die Sonne sich
um die Erde dreht, da die Sonne 1300000 mal größer ist als die Erde. Wahr-
scheinlicher ist es daher, daß sich die kleine Erde um die große Sonne
bewegt, als umgekehrt. Um den Wechsel der Jahreszeiten erklären zu können,
müssen wir eine schräge Stellung der Erdachse zur Erdbahnebene annehmen.
Während ihres Jahreslaufes wendet infolgedessen die Erde der Sonne nicht
immer die nämlichen Teile ihrer Oberfläche zu. Es erhält abwechselnd die
43. Beleuchtung der Erde zur Zeit der Sommer- und Winter-Sonnenwende
und der Tag- und Nachtgleichen.
nördliche und die südliche Erdhälfte eine steilere und längere Bestrahlung.
Hiermit stimmt die höhere Stellung und das tägliche längere Scheinen der
Sonne im Sommer, die tiefere Stellung und das kürzere Scheinen der Sonne
im Winter überein. Es ist festgestellt, daß die Erdachse im Winkel von
66|° zur Erdbahnebene geneigt ist; die Ebene des Erdäquators schneidet
die Erdbahnebene mithin im Winkel von 23 £°.
Die Erdbahn hat eine Länge von 939 Mill. km. In einer Sekunde legt also
. . ~ ^ 939 000 000 km on 0 , S f. r-^
die Erde einen Weg von--—————— = 29,8 km zurück. Indem sie sich
365 x 24 x 60 x 60
im Weltenraum um die Sonne fortbewegt, muß uns diese immer an einer
andern Stelle der Himmelskugel erscheinen. Dies würde gut zu beobachten
sein, wenn neben der Sonne am Tage auch die Sterne sichtbar wären. Wir
würden dann die Sonne von einem Sternbilde ins andre schreiten sehen.
n
Geographie.
131
Die Sonne durchwandert also scheinbar, infolge der Fortbewegung der Erde,
einen Kreis von Sternbildern, den sog. Tierkreis.
Die schräge Stellung der Erdachse ist für die Erdenbewohner von großer Be-
deutung. Stände die Erdachse senkrecht auf der Erdbahnebene, so würde jeder
Punkt der Erdoberfläche während des ganzen Jahres zur Sonne eine un-
veränderliche Stellung einnehmen, die Sonne würde scheinbar immer den
nämlichen Kreis am Himmel beschreiben, und es würde an allen Tagen
gleich warm sein. Ein Wechsel der Jahreszeiten fände also nicht statt. Die
Erdachse kann auch nicht parallel zur Erdbahnebene liegen; denn alsdann
müßten auch die Pole einmal senkrechtes Sonnenlicht bekommen, was nicht
der Fall ist. So bleibt uns nur übrig, eine schräge Stellung der Erdachse
anzunehmen. Indem die Erde bei ihrem Umlaufe um die Sonne infolge dieser
Achsenlage nacheinander wechselnde Teile ihrer Oberfläche der stärkeren Sonnen-
beftrahlung aussetzt, entsteht der Wechsel der Jahreszeiten (Fig. 43).
3. Das Gradnetz der Erde.
Es ist schwer, sich auf der Erdoberfläche zurechtzufinden und die Lage
jeder Ortlichkeit klar und verständlich anzugeben. Damit dies erleichtert
werde, denkt man sich kreisförmige Richtungslinien über die Erde gezogen,
und zwar von S. nach N. und von W. nach O. Die nordsüdlichen
Richtungslinien durchschneiden alle die beiden Pole der Erde, nähern sich
also vom Äquator aus nach S. und N. einander, die westöstlichen umkreisen
die Pole und bleiben von diesen und untereinander gleich weit entfernt.
Weil letztere parallel zueinander sind, werden sie Parallelkreise genannt.
Der Parallelkreis, der genau in der Mitte zwischen den beiden Polen liegt, die
Erdoberfläche also in eine südliche und eine nördliche Hälfte teilt, heißt Glei cher
oder Äquator. Die Orte, die auf der nämlichen nordsüdlichen Richtungslinie
liegen, haben zu gleicher Zeit Mittag. Man nennt diese Linien Mittagskreise
oder Meridiane (vom lateinischen Worte meridies = der Mittag). Eigentlich
müßte man sagen „Mittags-Halbkreise"; denn nur die Orte, die auf der einen
Hälfte eines Meridians liegen, haben Mittag, die auf der andern Hälfte liegen-
den dagegen zur selben Zeit Mitternacht.
Es sind unzählig viele Meridiane und Parallelkreise möglich. Man be-
schränkt sich aber auf die Zahl von 360 Meridianen und 180 Parallelkreisen,
die das Gradnetz der Erde bilden.
Die Meridiane und die Parallelkreise durchschneiden sich gegenseitig recht-
winklig. Jeder Meridian wird durch die Parallelkreise also in 180 Stücke
oder Bogengrade, jeder Parallelkreis durch die Meridiane in 360 Stücke
oder Bogengrade eingeteilt. Von den genannten Ausdehnungen der Erd-
oberfläche wird die westöstliche als Länge, die nordsüdliche als Breite
bezeichnet. Demgemäß nennt man die Grade eines Parallelkreises Längen-
grade und die eines Meridians Breitengrade. Ein Parallelkreis zerfällt also
in 360 Längengrade, ein Meridian in 180 Breitengrade. Jeden Bogengrad
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Bchulbuc Worsc hun»
132_«r^unschwe.v Geographie.
n
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teilt man wieder in 60 Bogenminuten, jede Bogenminute in 60 Bogen-
seknnden ein. Die Grade werden durch eine höher gestellte kleine Null, die
Minuten durch einen Strich, die Sekunden durch zwei Striche bezeichnet. Bei-
spiel: 5° 7 10".
Die Meridiane zählt man entweder rings um die Erde in östlicher
Richtung bis 360 oder von einem bestimmten Punkte nach O. und W. bis
je 180. Ebenso zählt man die Längengrade. Als Null-Meridian gilt auf
den meisten Karten und im Weltverkehr der von Greenwich (spr. grin-
nitsch), der die dortige große Londoner Sternwarte durchschneidet. Die
180 Parallelkreise zählt man vom Äquator aus nach N. und nach S. je 90.
Ebenso zählt man auf jeder Erdhälfte die Breitengrade.
Außer den 180 Parallelkreisen enthält das Netz der Erde noch vier wichtige
westöstliche Linien. Diese dienen dazu, die astronomischen Klimazonen der
Erde zu begrenzen. Zu beiden Seiten des Äquators liegt zwischen dem Wende-
kreise des Krebses im N. und dem Wendekreise des Steinbocks im S.
die heiße Zone. Nur in dieser findet eine senkrechte Bestrahlung durch die
Sonne statt. Die beiden Wendekreise sind je 23^° vom Äquator entfernt,
die heiße Zone ist also 47 Breitengrade breit. An die heiße Zone schließt sich
nach N. und S. je eine gemäßigte Zone an. Die nördliche gemäßigte
Zone reicht bis zum Nördlichen Polarkreise, die südliche bis zum Süd-
lichen Polarkreise. Diese beiden Kreise sind von den Polen ebenfalls 23|°
entfernt. Sie umschließen die nördliche und die südliche kalte Zone. Inder
nördlichen kalten Zone findet am 21. Dezember, in der südlichen am 21. Juni
keine Sonnenbestrahlung statt.
III. Das Sonnensystem und der Sternenhimmel.
Die Erde ist, obschon sie dem Menschen ungeheuer groß erscheint, nur
ein winziger Ball im Weltenraum. Die Sonne und die unzähligen Sterne
sind größere Weltkörper. Die meisten Sterne sind gleich der Sonne glühend,
sind ebenfalls Sonnen, die uns daher so klein erscheinen, weil sie fast alle
unmeßbar weit von uns entfernt sind. Nur sehr wenige haben wie die Erde
kein eigenes Licht, sondern empfangen dieses ebenfalls von der Sonne. Diese
Sterne gleichen der Erde auch darin, daß sie sichtbar bestimmte Bahnen
wandeln, während die selbst leuchtenden Sterne ihre Stellung zueinander nicht
zu verändern scheinen. Die Weltkörper der letzteren Art, die also glühen
und festzustehen scheinen, werden Fixsterne, die andern, die fremdes Licht
haben und sichtbar bestimmte Bahnen wandeln, Planeten genannt (Fig. 44).
Man nimmt an, daß die Weltkörper einst in überhitztem Zustande befind-
liche Nebelmassen waren. Infolge einer durch irgendwelche Ursache er-
zeugten Umdrehung nahmen diese eine spiralförmige Gestalt an, oder es
gliederten sich Nebelringe ab. Von den Spiralen oder von den Nebelringen
konnten sich Teile der Nebelmasse ablösen. Diese bildeten für sich neue Welt-
körper, die Planeten, die aber um die Hauptmasse weiter kreisten. An den
II
Geographie,
133
Planeten konnte sich der Vorgang wiederholen. So bildeten sich die Monde,
die als frühere Teile der Planeten diese und mit ihnen zusammen die Sonne
umkreisen. Je mehr sich die Weltkörper abkühlten, desto mehr schrumpften ihre
Massen zusammen. Die größeren Weltkörper, die Fixsterne, glühen noch heute.
An ihrer verschiedenen Färbung kann man aber erkennen, daß sie sich nicht in
6
44. Größenverhältnis der Planeten zueinander,
l. Merkur, 2. Venus 3. Erde und Mond, 4 Mars, 5, Jupiter, 6. Saturn. 7 Uranus 8. Neptun.
gleichem Glühzustande befinden. Die Fixsterne mit weißem Licht glühen
in einem höheren Hitzegrade als die mit rotem. Die Planeten und Monde
haben, da sie verhältnismäßig klein sind, ihre Eigenwärme längst in den kalten
Weltenraum ausgestrahlt. Sie mögen im Inneren noch glühen; ihre Ober-
fläche aber hat ausgeglüht und bildet gleichsam eine Schlacke. Auch Erde
und Mond sind erkaltete Weltkörper.
134
Geographie.
II
Jeder Fixstern bildet mit seinen Planeten und Monden ein Sonnen-
fystem. Durch die Anziehung des Zentralkörpers und die Fliehkraft der
Planeten werden letztere in bestimmten Bahnen gehalten; auch empfangen
sie von ihm Licht und Wärme. Zum Sonnensystem unsrer Sonne
gehören 8 große Planeten, nämlich Merkur, Venus, Erde, Mars,
Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Dieselben sind nach ihrer Ent-
fernung von der Sonne aufgezählt. Der Merkur ist dieser am nächsten, der
Neptun am weitesten. Die Erde ist von ihr fast 149,5 Mill. km entfernt. Das
Sonnenlicht gebraucht 8^ Minuten, um diese Strecke zu durchlaufen. Der
größte Planet ist Jupiter, der den 11 fachen Durchmesser der Erde hat. Der
Durchmesser der Sonne ist 109 mal so groß als der der Erde.
Zwischen Mars und Jupiter ziehen die Asteroiden ihre Bahnen. Es sind
dies kleine Planeten, deren Leuchtkraft so gering ist, daß sie mit bloßem Auge
nicht gesehen werden können. Ihre Zahl ist wahrscheinlich sehr groß. Bis jetzt
sind von Himmelsforschem etwas mehr als 600 aufgefunden worden.
Letztes Viertel
45. Lichtgestalten des Mondes.
Erde und Neptun werden je von einem Monde, Mars von 2, Uranus von 4,
Jupiter von 7 und Saturn von 10 Monden umkreist. Letzterer ist von einem aus
unzähligen unter sich leicht v erschiebbaren Mass enteilen gebildeten Ri n g e umgeben.
Unser Mond ist vom Mittelpunkt der Erde 384 000 km entfernt. Da sein
Durchmesser | von dem der Erde beträgt, erscheint er uns als ein großer
Himmelskörper. Gleich der Erde empfängt der Mond sein Licht von der Sonne.
Je nachdem er nun der Erde die dunkle oder beleuchtete Seite und diese ent-
weder ganz oder nur zum Teil zuwendet, ändert sich das Bild des Mondes.
Von den beständig wechselnden Mondgestalten oder Mondphasen unter-
scheidet man folgende vier Hauptphasen, nämlich Neumond, wenn der
Mond uns seine unbeleuchtete Seite zuwendet und also gar nicht sichtbar ist,
erstes Viertel, wenn er von rechts beleuchtet ist, Vollmond, wenn er der
Sonne gegenübersteht und voll beleuchtet ist, und letztes Viertel, wenn er von
links beleuchtet ist (Fig. 45). Bei seiner täglichen scheinbaren Bewegung bleibt
der Mond hinter der Sonne etwas zurück, und zwar durchschnittlich 12° täglich.
II
Geographie.
135
Der ganze Wechsel der Mondphasen beansprucht 29H Tage; auf jede
Phase kommt also etwas mehr als eine Woche. Wenn der Mond als Neumond
zwischen Erde und Sonne tritt und eine derartige Stellung einnimmt, daß alle
drei in einer geraden Linie stehen, so entsteht eine Sonnenfinsternis (Fig. 46).
Tritt aber der Mond als Vollmond in die gerade Verbindungslinie von Erde
und Sonne, wobei die Erde zwischen Sonne und Mond steht, so wird der
Mond verdunkelt, und es entsteht eine Mondfinsternis.
Außer den großen Planeten umkreisen noch zahlreiche sehr kleine dunkle
Himmelskörper die Sonne. Wenn sie in den Luftkreis der Erde eintreten,
leuchten sie als Sternschnuppen auf, infolge von Erhitzung, die der Wider-
stand der atmosphärischen Luft erzeugt. Manche erscheinen auch als Feuer-
kugeln oder fallen als Meteore nieder. Zum Sonnensystem gehören ferner
die eigenartigen Schweifsterne oder Kometen, die sich der Sonne bald nähern
und dann sichtbar werden, bald sich von ihr weit entfernen.
Unzählbar sind die Sterne am Himmel. Etwa 5000 Sterne sind in unseren
Breiten mit bloßem Auge sichtbar. Mit Hilfe des Fernrohrs aber sind viele
Hunderte Millionen gezählt worden. Ein Streifen am Himmel ist so mit
Sternen übersät, daß er uns als Milchstraße heller gefärbt erscheint. Die Fix-
sterne sind Sonnen wie unsre Sonne. Bei vielen derselben ist eine Eigen-
bewegung nachgewiesen, und es ist wohl anzunehmen, daß alle Sterne
sich bewegen. So bewegt sich unsre Sonne samt Planeten und Monden
im Weltenraum vorwärts. Durch Beobachtung dunkler Sonnenflecken ist er-
mittelt worden, daß die Sonne sich von W. nach O. um eine Achse dreht, und
zwar in 25 [ Tagen einmal.
136
Geographie.
n
IV. Der Aalender.
Wie der Mensch, um sich auf der Erdoberfläche zurechtzufinden, eines
allgemein gültigen Längenmaßes bedarf, so hat er für sein Leben, für seine
Tätigkeit auch ein Zeitmaß nötig. Er will wissen, wann er mit einer
Tätigkeit anfängt und aufhört. Das wichtigste Zeitmaß ist der Tag. Er
wird in Stunden, Minuten und Sekunden eingeteilt. Das größere Zeit-
maß ist das Jahr. Die Zeiteinteilung aber nennen wir Kalender.
Als Sterntag bezeichnen wir die Zeit einer Umdrehung der Erde um sich
selbst, als Sonnentag die Zeit eines scheinbaren Umlaufs der Sonne um die
Erde. Im bürgerlichen Leben bedient man sich ausschließlich des Sonnen-
tages als Zeitmaß. Man rechnet den Tag von Mitternacht bis Mitternacht und
teilt ihn in 24 Stunden ein. Im engeren Sinne heißt Tag die Zeit, in der
es hell ist, die Zeit aber, in der es dunkel ist, Nacht. In einem Orte, der
östlich von uns gelegen ist, geht die Sonne früher auf als bei uns. Die
Ortszeit ist also für alle Orte nach O. und W. hin verschieden. Für jeden
Längengrad beträgt der Unterschied 4 Minuten (24 Stunden oder 1440 Mi-
nuten: 60 = 4). Liegt also ein Ort 5° östlicher als ein andrer, so geht für ihn
die Sonne 5 x 4 --- 20 Minuten früher auf. Diese Verschiedenheit der Ortszeit
ist namentlich im Eisenbahnverkehr störend. Deshalb hat Deutschland die Orts-
zeit des 15.Meridians östlich von Greenwich als mitteleuropäische Einheits-
zeit eingeführt, und andre Staaten Mitteleuropas haben sich ihm angeschlossen.
Das größere Zeitmaß, das Jahr, ist nach der Umlaufszeit der Erde um die
Sonne festgesetzt worden. Man rechnet das Jahr im allgemeinen zu 365 Tagen.
Die Erde gebraucht aber zu ihrem Umlaufe 365 Tage, 5 Stunden, 48 Mi-
nuten und 47 Sekunden. Der Eintritt des neuen Jahres beginnt also etwas
später als nach 365 vollen Tagen. In 4 Jahren beträgt die Verschiebung schon
fast einen Tag. Sie mußte durch einen Schalttag ausgeglichen werden. Da-
her hat man schon in ältester Zeit Schalttage eingeschoben. Der julia-
nische Kalender, der von Julius Cäsar angeordnet wurde, setzte die
Dauer des Jahres zu 365^ Tagen fest und bestimmte, daß jedes 4. Jahr
ein Schaltjahr mit 366 Tagen sein sollte. Es wurde hierbei aber etwas zu-
viel gerechnet, nämlich 4x11 Minuten und 13 Sekunden. Deshalb bestimmte
der Papst Gregor XIII., indem er den noch heute gültigen gregorianischen
Kalender einführte, daß nur die Hundertjahre, bei denen die Anzahl der
Hunderte durch 4 teilbar ist, Schaltjahre sein sollen, also 1600 und 2000, die
übrigen, z. B. 1900, aber nicht. In Rußland hat man bis auf den heutigen
Tag den juliauischen Kalender beibehalten. Die russische Zeitrechnung ist in-
solgedessen um 13 Tage zurück.
Man teilt das bürgerliche Jahr, das am 1. Januar beginnt, in 12 Monate
ein. Von diesen haben vier Monate, nämlich April, Juni, September
und November, 30 Tage, sieben, nämlich Januar, März, Mai, Juli,
August, Oktober und Dezember, 31 Tage, während der Februar nur 28,
in Schaltjahren 29 Tage zählt.
Verlag von Ferdinand Kirt in Breslau, Königsplatz l.
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