Geistesleben, Bildungswesen und Religion. 389 das Geistesleben noch unter den unruhigen politischen Verhältnissen. Am wenigsten hat die Kultur in den Gebirgsgegenden Eingang finden können, wo der Freiheitskampf eigentlich nie aufhörte. In den meisten der Balkanstaaten ist der Bildungsstand des Volkes noch ein sehr tiefer. In der Türkei bestehen wohl Gesetze, die die Gemeinden verpflichten, Schulen zu errichten, und den Schulzwang vom 6. bis 11. Jahre vorschreiben. Aber ihre Ausführung wird nicht überwacht. In Bulgarien ist dagegen der obligatorische Schulunterricht überall durchgeführt. Das Land besitzt in Sofia auch eine Universität. In Serbien besteht zwar kein Schulzwang, aber es giebt doch viele Schulen und in Belgrad auch eine Universität. Desgleichen giebt es in Mon¬ tenegro in fast allen Bezirken Schulen, aber die geistige Bildung, besonders der Bergbewohner, ist noch sehr gering. In Griechen¬ land besteht dem Gesetze nach Schulzwang für Kinder vom 5. bis 12. Jahre. Es besuchen jedoch nur 4 % der Bevölkerung wirklich die Schule (in Deutschland 15%). Auf den meisten Inseln ist für den Unterricht besser gesorgt. In Athen besteht eine Universität. In der Türkei ist der Islam Staatsreligion, doch ist auch den Anhängern eines andern Glaubensbekenntnisses, sofern es anerkannt ist, freie Religionsübung gestattet. Jede Kirche, die in Betracht kommt, hat in Konstantinopel einen hohen Vertreter. In Bulgarien gab es 1893 2 600000 Orthodoxe, 650000 Moha- medaner, 23000 Katholiken und 28<'00 Juden. In Serbien ist die griechisch-orthodoxe Kirche die Landeskirche, die aber andere Bekenntnisse nicht ausschliesst. Es gehören ihr jedoch alle Serben an. Demselben Religionsbekenntnis gehören die meisten Montenegriner an. In Griechenland ist ebenfalls die grie¬ chisch-orthodoxe Religion die herrschende; neben ihr zählt auch die römisch-katholische Kirche zahlreiche Anhänger. 12. Rückblick auf frühere Kulturzeiten. In der ältesten Zeit, von der wir ziemlich verbürgte Nach¬ richten haben, teilten* sich in die Balkanhalbinsel drei Völker¬ schaften. Im SO wohnten die Thraker, im NW die Illyrier und im S die Griechen. Um das Kulturbild früherer Zeiten wieder vor unsern Augen erstehen zu lassen, wollen wir jede derselben in ihren Lebensschicksalen verfolgen. Tliracien liegt den Einfällen von SO, von Asien her, und von NO, vom grossen osteuropäischen Tieflande her, gleich offen. Wie von jener Seite her sich einst die Riesenheere der Perser, nachdem sie den Hellespont überschritten hatten, heranwälzten, so drangen von dieser in späterer Zeit, vom 3. Jahrhundert n. Chr. an, die Sia ven ein. Hunderttausende von ihnen, in den Augen der Römer Barbaren, wurden in Tliracien angesiedelt, und bald