— 111 — kurze Kräuter und dienen zur Weide für Pferde und wandernde Herden von Schafen. Die Hitze des Sommers ist da erstickend, die dürftigen Flüffe versiegen fast ganz, und die Trockenheit spaltet den Boden oft mehrere m tief. Vereinzelt liegt der Monte Gargano mit seinen rauhen Felsgipfeln. d) Neapel und seine Umgebung. Die campanische Ebene heißt auch das Paradies von Europa; sie wird sehr sorgfältig ange- baut und ist mit zahlreichen Städten und Dörfern überfät. In ver¬ schwenderischer Fülle hat die Natur ihren Segen über die glückliche Ebene (campagne felice) ausgegossen. Es gibt hier immergrüne Wiesen und große Mais- und Weizenfelder, Feigen und Oliven. Dichte Kastanienwälder bedecken die Berge, an deren Abhängen die Traube reift. Der Italiener bezeichnet die blühende Landschaft als ein Stück Himmel, das auf die Erde gefallen ist. Die größte Stadt der Ebene und von ganz Italien ist Neapel (564000 Einw.). Sie liegt an dem gleichnamigen Golf. Die natürlichen Grenzmauern des- selben bilden im Nordwesten eine Halbinsel mit dem Kap Miseno und die Inseln Jschia (iskia) und Pro cida (protschida), im Südosten eben- falls eine Halbinsel mit dem Kap Campanella und die Felseninsel Eapri. In dem Kalkgestein der Jnfel haben sich zahlreiche, teilweise sehr große Höhlungen gebildet, von denen besonders die Blaue Grotte genannt zu werden verdient. Durch die angegebene Umgrenzung wird der Golf von Neapel gegen die Stürme des offenen Meeres gefchützt. Der Nordrand des Golfes wird durch den vorspringenden Höhenzug des Posilipo, an dem eine der herrlichsten Straßen der Welt durch Villen und Gärten sich hinschlängelt, in zwei Buchten geteilt. An dem kleinern westlichen liegt die Stadt Pozzuoli (poddsuoli) mit ihren kleinen Häusern, die von den Ruinen alter römischer Pracht und Herrlichkeit überragt werden. Nördlich davon liegen die mit kleinen Vulkankegeln übersäten phlegräischen Felder (b. i. Brandfelder, wegen der Vulkane). Östlich vom Posilipo baut sich die unübersehbare, hell- schimmernde Häusermasse Neapels stufenweise an den Hügeln auf. Die Umgebung der Stadt ist ein immer blühender Wundergarten; der Italiener sagt daher auch: „Sieh Neapel und stirb!" Der Himmel erscheint hier monatelang ununterbrochen wolkenlos und so blau wie bei uns in den schönsten Frühlingstagen. Die Luft ist so rein, daß weit entfernte Dörfer ganz nahe erscheinen. Die Häuser der Stadt sind weiß, hellgelb oder rötlich angestrichen und fast alle mit Balkonen und flachen Dächern versehen. Letztere tragen nicht selten ganze Gärten mit Blumen, Zitronen- und Myrtenbäumen, ja sogar Lauben und Weinreben, deren Stämme von der Erde herausgewachsen sind. In der Stadt selbst finden sich viele Parkanlagen. Herrliche Promenaden ziehen sich am Meeresufer entlang und durch die hügeligen Stadtteile. Nicht so schön ist es in dem östlichen Teile Neapels. Hier sind die engen, schmutzigen, übervölkerten und ungesunden Stadtviertel. Kaum eiu Sonnenstrahl dringt in die engen Gassen mit den hohen Häusern und fensterlosen Wohnungshöhlen, in denen alt und jung. Mann und Weib, Gesunde und Kranke, oft auf bloßer Erde zusammengepfercht.