26 Bilder aus der Heimatkunde Pommerns. der Festung. Hierbei zeichneten sich besonders der Hauptmann von Waldenfels und der Bürger Joachim Nettelbeck aus. Als der letztere mit Gneisenan zusammentraf, fiel er auf die Knie und rief: „Ich bitte Sie um Gottes willen, verlassen Sie uns nicht, wir wollen Sie auch nicht verlassen, sollten auch unsre Häuser zu Schutthaufen werden!" Auf Nettelbecks Betreiben waren die Festungswälle ausgebessert und neue Schanzen angelegt worden. Unaufhörlich ließ Gueiseuau Ausfälle machen und tat dem Feinde großen Schaden. Trotzdem die Franzosen die Stadt aufs heftigste bestürmten und mit Bomben beschossen, gelang es ihnen nicht, die Festung zu erobern. Als die Not aufs höchste gestiegen war, brachte ein preußischer Offizier die Nachricht von dem Waffen- stillstände. Kolberg war gerettet. Friedrich Wilhelm III. bildete aus den tapfern Bataillonen zwei Regimenter. Das eine führt den Ehrennamen „Regiment Kolberg". Es ist das jetzt in Stargard stehende 9. Jnsanterie-Regiment. In seinen Fahnen und auf den Helmen der Soldaten prangt die Inschrift: „Kolberg 1807." 4. Die Zeit zwischen dem Unglücks- und dem Befreiungskriege. Nach dem Tilsiter Frieden blieb Pommern noch zwei Jahre von den Franzosen besetzt, bis die Kriegskosten bezahlt waren. Auch während dieser Zeit hörten die Be- drückungen nicht auf. Die französischen Truppen mußten von den besetzten Landes- teilen gänzlich unterhalten werden. Man hat berechnet, daß die Besatzung Pommern über 25 Millionen Taler gekostet hat. Nach zwei Jahren räumten die Franzosen endlich das Land. Stettin aber blieb in den Händen des Feindes und mußte eine Besatzung von 10 000 Mann unterhalten. Aber auch nach dem Abzüge der Franzosen wurden die Abgaben nicht viel geringer; denn die eigene Regierung mußte dem Lande hohe Steuern auferlegen, um die großen Kriegskosten bezahlen zu können. Ms in den Jahren 1811 uud 1812 Napoleon seine Kriegsrüstungeu gegen Rußland begann, hörten die Einquartierungen in Pommern nicht auf; denn die eine der großen Militärstraßen führte durch unsre" Provinz. 5. Befreiung des Landes. Nachdem das Heer Napoleons auf den Schnee- feldern Rußlands seinen Untergang gefunden hatte, schlug auch für Pommern die Stunde der Befreiung. Als der König sein Volk zu den Waffen rief, blieben auch die Pommern die Antwort nicht schuldig. Reich und arm beteiligte sich an der Ausrüstung der Freiwilligen. Städte, Edellente und Bürger zahlten Geldbeträge oder übernahmen Lieferungen. Schivelbeiu, damals der kleinste und ärmste Kreis Pommerns, war der erste, der anzeigte, daß er 30 Reiter stellen, ausrüsten und aus 3 Monate be- solden wolle. Stolp zahlte zur Ausrüstung der freiwilligen Jäger sogleich 1000 Taler. Stargard hatte zu dem gleichen Zweck 6169 Taler gesammelt. Ein Stettiner Lotterie- einnehmer und seine Frau waren die ersten, die ihre goldenen Trauringe einsandten. Doch wer kann alle die Gaben aufzählen, die in jenem unvergeßlichen Frühjahr dem Vaterlande geopfert wurden. Die Königlich Preußisch - Pommersche Zeitung, die damals in Stargard erschien, brachte in jeder Nummer eine lange Liste von freiwilligen Geschenken. Aus allen Kreisen der Bevölkerung eilten junge und ältere Leute zu den Fahnen. Selbst aus der Festung Stettin stahlen sich viele Bürger heimlich fort, um sich in Stargard zum Dienste zu melden. Mutig und tapfer wie in den früheren Kriegen haben die Pommern sich auch im Befreiungskriege geschlagen. Sie kämpften mit bei Großbeeren, Bennewitz, Wartenburg, Leipzig und Belle-Alliance. 6. Belagerung Stettins. Während draußen diese Siege erfochten wurden, begann die Einschließung Stettins durch preußische und russische Truppeu. Den Oberbefehl über das Belagerungsheer führte zuerst der General Tauentzien, später der General von Plötz. Es bestand zum größten Teil aus schlecht ausgerüsteten Land-