154 Das dritte Schuljahr, Ziegeldach gleicht einem hängenden Garten. Allerdings findet man in diesen Gärten weder riesenhafte Bäume, noch prächtige Sträucher, aber wunderbar schöne Pflänzchen, zwar klein und niedlich, aber nicht minder schön als die prächtigste Blume im Garten jener Königin. 1. Hier zeige ich euch einen Ziegelstein von dem Dache eines Stalles. Wie sah der Ziegelstein aus, als er neu war? Welche Farbe hat er an- genommen? Woher kommt diese Farbe? Diese kleinen, unscheinbaren Pflänzchen heißen Flechten. Seht hier diese fleckenartigen Gebilde! Wie sind sie geformt? Kreis- rund. Sie bilden ein Lager von kleinen Schuppen. In der Mitte dieser unscheinbaren Schuppen seht ihr kleine schwarze und dunkelgelbe Pünktchen. Diese Pünktchen sind die niedlichen Früchte des kleinen Pflänzchens. Sie sehen aus wie kleine Schüsselchen, und darum wird diese Flechte Mauer- schüsselflechte genannt. Nur bei trockenem Wetter zeigt diese schöne Flechte ihre leuchtende, gelbe Farbe; anhaltend feuchte Witterung verändert dieselbe in ein helles Grün, so daß man diese Pflanze kaum für dieselbe halten möchte. Die Schüsselflechte kann sich allmählich zu solcher Ausdehnung aus- breiten, daß sie die Stämme mancher Bäume völlig überkleidet. 2. Wenn der Dachdecker das Dach ausbessert, so habt ihr wohl vom Dache mit dem Schutte auch grüne Flocken herabfallen sehen. Hier habe ich einige dergleichen mitgebracht. Wie sehen sie aus? Sie geben oft dem ganzen Dache eine grüne Farbe, daß es wie ein grüner Rasenplatz aussieht. Wie fühlen sich diese Pflänzchen an? Sie stehen dicht beisammen und bilden einen weichen, polsterähnlichen Rasen. Dieses Pflänzchen heißt Mauer- schraubenmoos. Wovon nähren sich diese Pflanzen auf dem Dache, da ihnen der Stein doch keine Nahrung geben kann? Sie leben in der Hauptsache nur von Luft uud Sonnenschein und von den in der Luft schwebenden Stoffen, welche vom Regen aus der Luft mit auf das Dach genommen und dann beim Herab- fließen des Regenwassers den Pflänzchen zugeführt werden. Wenn es lange nicht geregnet hat, so ist das Dach staubig. Ein Regen spült nun das Dach rein, und dieses schmutzige Regenwasser fließt an den Wurzeln der Pflänzchen vorbei. Der Schmutz bleibt hängen, ernährt dieselben und das Wasser fließt rein ab. Man sagt deshalb, die Moose sind Staubfänger. Seht, Kinder, so erzählt jedes Winkelchen von Gottes Macht und Herr- lichkeit! Auch im entlegensten Winkel wohnen noch kleine Geschöpfe; sie alle kleidet und speist Gottes Hand. Sprach musterstück: Gott sorgt auch für das Kleinste. A, Krummacher.