- 32 - in der Meinung, einen wirklichen Feind vor sich zu haben, mit dem Schwert auf ihn. Er nannte seinen Namen und flehte um sein Leben. Vergebens. Kunigunde glaubte, der böse Feind verstelle sich, um sie zu betören, und stach zu. Zu spät erkannte sie, daß sie ihren eigenen Gemahl getötet hatte. Ihre Trauer war unbeschreiblich groß. Weder ihre lieben Kinder, noch der freundliche Geistliche vermochten sie zu trösten. Sie ging als Nonne in das Kloster zu Gräfrath und verbrachte hier den Rest ihres Lebens. 20. Wie der starke Hermel unser Vergisches Land von den Heiden befreite. Vor vielen, vielen Jahren kamen große Heidenheere den Rhein herabgezogen. Wo sie ans Land stiegen, da nahmen sie, was ihnen gefiel. Sie sahei? das Land ringsum als ihr Eigen- tum an, und die Leute, die darin wohnten, mußten ihnen als Knechte dienen. Sie kamen auch in unser Bergisches Land und machten sich da zu Herren. Die Leute wehrten sich zwar gegen die fremden Heiden, aber weil die Fremdlinge stärkere Schilde und Schwerter hatten, wurden die Einwohner des Bergischen Landes geschlagen und zu Knechten gemacht. Sie murrten aber und dachten immer darüber nach, wie sie wieder srei werden könnten. Endlich gelang es ihnen. Das ging aber so zu. In den Bergen unseres Heimatlandes wohnte ein großer, Parker Jüngling, der überall der starke Hermel hieß. Der war wohl sechs Ellen hoch, breitschultrig und stark gebaut, dabei aber so gutmütig, daß er keinem .Kinde etwas zuleide tun konnte. Auch schien er so willig, daß er alles tat, was man ihm auftrug. Als der starke Hermel zwanzig Jahre alt war, sollte er den fremden Herren dienen, und die sreuten sich schon auf den starken Knecht und dachten, er werde ihnen ein schön Stück Arbeit ver- richten. Als der erste Arbeitstag anbrach, machten sich die Leute ans Werk. Sie waren tüchtig beim Dreschen, aber der starke Hermel lag noch im tiefen Schlafe auf dem Strohlager und schnarchte, denn er war sehr müde von der Reise. „Fauler Tage- dieb," riefen sie ihm zu, „wir werden mit dem Dreschen fertig sein, wenn du ausgeschlafen hast." Ter Schläser rieb sich die Augen, sah an, was schon an Arbeit getan war, betrachtete das Getreide, das noch zu dreschen war, und sagte ganz ruhig: „Um