Georg-Eckert-Institut
* £
Karl August Engelhardts
Vaterlaudskund
für
Schule und Haus
im
Königreiche Sachsen.
Elfte Auflage.
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Der neuen Bearbeitung
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durch
Dr. Theodor Floths
Professor an der königlichen Landesschule zu Meißen,
dritte Ausiage.
Hierzu eine iithographirte Schulkarte
gezeichnet und neu berichtigt
Keury <Lange.
--
Leipzig, 1877.
Verlag von Johann Ambrosius Barth.
j Georg Eckert-Institut j
j für Internationale j
: Schulbuchfor'schung j
Braun schweig j
Bibliothek
% <*3
GL- 11
•fülfi,
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Vorrede zur nennten Auflage.
Seit dem Jahre 1842, in welchem die achte, von Hofrath
Dr. G. Klemm in Dresden besorgte Auflage von Engelhardts
Vaterlandskunde für Schule und Haus im Königreiche
Sachsen erschien, haben sich in unserem Lande nicht nur so viele
und so tief eingreifende Umgestaltungen und Neubildungen aller
Art vollzogen, sondern auch die Hilfsmittel zur Keuntniß desselben
sich so vervollkommnet und selbst die Gesichtspunkte, welche die Be-
trachtung einzunehmen hat, sich so verändert und vermehrt, daß
eine Beschreibung Sachsens in seinem gegenwärtigen Zustande
uothwendigerweise ein von dem damaligen sehr abweichendes Bild
ergeben muß. Vielleicht mag es darum zweifelhaft erscheinen, ob
mit Recht das vorliegende Buch sich als neunte Auflage von
Engelhardts Vaterlandskunde ankündigt, denn in der That wird
ein Vergleich zwischen beiden überall einen so durchgreifenden
Unterschied ergeben, daß ich dasselbe wohl als eine im wesentlichen
neue und selbständige Arbeit bezeichnen darf. Wenn es aber
trotzdem den Namen Engelhardt auf seiner Stirn trägt, so ist
dies hauptsächlich aus drei Gründen geschehen: zunächst weil den
äußeren Anlaß zu seiner Entstehung der Wunsch der Verlags-
Handlung gab, jenes einst mit Recht hochgeschätzte, nunmehr aber
schon seit etlicher Zeit gänzlich vergriffene Buch in verjüngter Ge-
stalt der Gegenwart vorzuführen, zumal da wohl behauptet wer-
den darf, daß die Stelle desselben von keinem in der Zwischen-
zeit erschienenen Werke ähnlichen Inhalts vollständig ausgefüllt
worden ist; sodann weil sich das vorliegende nach Form uud In-
halt, soweit irgend thunlich, an jenes anlehnt, so daß bei aller
Verschiedenheit ihre Verwandtschaft doch unverkennbar bleibt; end-
lich, weil mir bei meiner Arbeit stets der Wunsch vorgeschwebt
Vorrede zur neunten Auflage.
hat, daß es mir gelingen möge, unser Sachsen in einer dem Be-
dürfnisse unserer Zeit ebenso entsprechenden Weise zu schildern,
wie es unleugbar einst Engelhardt für die seinige gethan hat.
Noch erinnern sich Viele mit Freuden an den gemnthreichen, herz-
lichen Ton, in welchem er vertraulich wie eiu lieber Hausfreund
zu erzählen verstand, und der jedenfalls nicht unwesentlich dazu
beigetragen hat, daß sein Buch in Schulen und Familien so
vielfach Eingang fand und die Kunde von unserem Lande ver-
breiten half.
Vieles ist seitdem in unserer Anschauung anders geworden.
Insbesondere ist es unverkennbar, daß durch die ausgleichende
Macht des Weltverkehrs, durch die großartige Eutwickeluug der
materiellen Interessen, nicht minder durch das Erwachen des natio-
nalen Geistes unsere Augen vou den engen Verhältnissen unserer
Heimat viel weiter abgelenkt worden sind als dies früher geschah;
haben wir ja doch selbst mit dem Namen Vaterland noch einen
anderen, früher kaum beachteten Sinn verbinden gelernt. Fern
sei es von mir, den unwiderstehlichen Gang dieser Eutwickeluug
zu beklagen! Wie sehr wir es aber auch als eine der wichtigsten
Errungenschaften des letzten Menschenalters anerkennen müssen,
daß mit dem Kreise unserer Interessen die Weite unseres Blickes
gewachseu ist, daß der Einzelne, aus seiner früheren Vereinzelung
heraustretend, sich als Glied eines größeren Ganzen hat fühlen
lernen, so ist es doch weder gerecht noch ersprießlich, wenn dar-
über das eigene Heimatland, in welchem und für welches wir zu-
nächst wirken und welchem der unmittelbarste Theil unserer Pflichten
gehört, nicht nach Gebühr beachtet und geschätzt wird. Irre ich
nicht, so ist diese allgemeine Richtung nicht ohne Einfluß auch auf
unsere Schulen, und zwar insbesondere auf die höhereu, gebliebeu.
Ein großer Theil unserer Jugend weiß jetzt iu fremden Erdtheilen
besser Bescheid als in Sachsen selbst. Und doch, verdient irgend
ein Land die Theilnahme und Liebe seiner Kinder, so ist es unser
kleines und doch so reiches, so schönes Sachsen! In diesem Sinne
ist das vorliegende kleine Buch geschrieben. Fände dasselbe Ein-
gang in Schule und Haus, trüge es dazu bei,, dort die Kunde
von unserem Vaterlande zu fördern und durch das Bild, welches
es davon entwirft, die Anhänglichkeit an dasselbe zu beleben, so
hätte es damit seine Absicht vollständig erfüllt.
Da Vollständigkeit des Materials von vorn herein aus-
Vorrede zur neunten Auflage.
x
geschlossen blieb, so galt es, überall nur das Wichtigste und das
vorzugsweise Charakteristische hervorzuheben, und sollte hierbei
nicht immer die richtige Grenze getroffen sein, so möge mir die
Schwierigkeit, eine solche zu finden, zur Entschuldigung gereichen.
Besondere Sparsamkeit war in Bezug auf die eigentlich statistischen
Angaben geboten, sollte nicht der Charakter des ohnehin schon an
Umfang unvermeidlich angewachsenen Buches als eines lesbaren,
gemeinfaßlichen und für die Jugend brauchbaren dadurch beein-
trüchtigt werden. Dagegen wird hoffentlich das Buch selbst den
Beweis liefern, daß ich bemüht gewesen bin, mir die zuverlässigsten
Daten zu verschaffen. Ich erfülle eine ebenso dringende als an-
genehme Pflicht, indem ich hier Allen, dre mich dabei mit so großer
Bereitwilligkeit unterstützt haben, den wärmsten Dank sage; Denen
namentlich, deren Gefälligkeit sich der Ausfüllung der ihnen zu-
geschickten Fragebogen unterzogen hat. Es sind mir auf diesem
Wege von verschiedenen Seiten die werthvollsten Mittheilungen
zugegangen, einige so erschöpfend und mit so vielem Verständniß
zusammengestellt, daß ich es nur zu beklagen hatte, wenn die Rück-
ficht auf die Gleichmäßigkeit des Ganzen mir verbot einen noch
umfassenderen Gebrauch davon zu machen. Viele werden daher
ihren eigenen Worten hie und da in dem Buche begegnen. Mögen
andererseits Diejenigen nicht zürnen, welche ihre Angaben nicht in
dem Maße benutzt finden, wie sie vielleicht erwartet haben; auch
hier zog die Rücksicht auf das Ganze bestimmte Grenzen und
selbstverständlich war nicht Jeder in der Lage, von seinem Wohn-
orte Merkwürdiges zu berichten. Doch haben unstreitig auch solche
Mittheilungen die Gesammtfärbung des Bildes bestimmen helfen.
Mit besonderem Danke habe ich ferner der Zuvorkommenheit zu
gedenken, mit welcher das kgl. Statistische Büreau durch dessen
Herrn Secretär mir auf meine Anfragen Auskunft ertheilt und
überhaupt meiner Arbeit die wesentlichste Unterstützung gewährt
hat. Daß außerdem, abgesehen von den Ergebnissen der eigenen
Anschauung, auch eine große Zahl literarischer Hilfsmittel benutzt
worden ist, bedarf kaum der Erwähnung; auch habe ich mich nicht
gescheut, dieselben so auszubeuten, wie es für den vorliegenden
Zweck dienlich erschien. Eine Fülle des schätzbarsten Materials
boten die Berichte der Handels- und Gewerbekammern, neben
diesen die Zeitschrift des Statistischen Büreaus, ferner die treff-
lichen Schilderungen, welche der leider früh verstorbene Berthold
VI
Vorrede zur neunteil Auflage.
Sigismund von dem Erzgebirge, der Lausitz und dem Vogtlande
entworfen hat, H. Lange's Atlas von Sachsen, Leupold's Wan-
deruugeu durch Sachsen, vieler anderen Quellen zu geschweigen,
deren vollständige Aufzählung hier unmöglich ist.
Die von bewährter Hand als Beilage zu dem Buche eut-
worfene Schulkarte, die sich aufs engste an dasselbe anschließt,
wird gewiß Allen willkommen sein.
Zum Schluß aber richte ich uoch an Alle, welche dem kleinen
Buche Gunst und Freundlichkeit znwmden wollen, die Bitte, diese
Gesinnung auch dadurch zu bethätigeu, daß sie mir Bemerkungen
über dasselbe, Zusätze, wo solche nöthig erscheinen, Berichtigungen,
wo es deren bedürfen sollte, zukommen lassen mögen, damit, wenn
es ihm beschieden sein sollte, in dieser seiner verjüngten Gestalt
neues, frisches Leben zu gewinnen, solche Mittheilungen einer
künftigen Auflage zu gute kommen können. Meines herzlichen
Dankes für solche Förderung möge Jeder zum voraus ver-
sichert sein.
Plauen i. V., im October 1865.
Dr. Th. Flathe.
Vorrede zur zehnten Auflage.
Bedürfte es der Beweise, daß in dem sächsischen Volke die
alte Liebe zu seiner Heimat in ungeschwächter Kraft fortdauert,
so könnte als solcher auch das Wohlwollen dienen, mit welchem
es meine Bearbeitung der Engelhardt'schen Vaterlandskunde auf-
genommen hat und welches sich am besten darin bekundet, daß
gegenwärtig, nach einem Zwischenraum von drei Jahren, das
Erscheinen einer neuen Auflage derselben nöthig geworden ist.
Daß es mein eifrigstes Bestreben gewesen ist, dem Buche
die möglichste Zuverlässigkeit zu geben, Jrrthümer zu beseitigen,
neue bemerkenswerthe Erscheinungen zu berücksichtigen, wird dem
aufmerksamen Leser nicht entgehen. Was die eben jetzt in einem
Uebergangsstadium begriffenen Verfassungsverhältnisse unseres
Landes betrifft, so schien es zweckmäßig dieselben, obgleich die
betreffenden Gesetze noch nicht publicirt sind, so darzustellen, wie
sie sich nach den Beschlüssen des Landtags von 1868 in nächster
Zukunft gestalten werden. Neu hinzugekommen sind außer eiui-
gen interessanten statistischen Notizen die Höhenangaben verschie-
dener Städte, die freilich noch keineswegs Anspruch auf unbe-
dingte Richtigkeit machen können; dieselben beruhen auf der mit
der mitteleuropäischen Gradmessung verbundenen Nivellirung, so-
weit deren Resultate veröffentlicht sind, wobei der Nullpunkt des
Dresdner Elbpegels nach Bruhns zu 339,5 Fuß über der Ostsee
angenommen ist, im Uebrigen auf der in Lange's Atlas von
Sachsen nach Obereit, Wiemann u. a. zusammengestellten Tabelle.
Auch diesmal liegt mir die angenehme Pflicht ob, Behörden
wie Privatpersonen für die Zuvorkommenheit, mit welcher sie
mich bei meiner Arbeit unterstützt haben, meinen wärmsten Dank
auszusprechen.
St. Afra, im October 1868.
Dr. Th. Flathe.
Vorrede zur elften Auflage.
Obgleich Engelhardts Vaterlandskunde bereits seit zwei Iah-
reit im Buchhandel vollständig vergriffen ist, so hat sich doch das
Erscheinen einer neuen Auflage derselben in Folge äußerer zu-
fälliger Umstände, die zu beseitigen außer der Macht des Unter-
zeichneten lag, bis jetzt verzögert. Er kann nur wünschen, daß
das kleine Buch in seiner gegenwärtigen, den neuesten Verhält-
nissen angepaßten Gestalt dieselbe freundliche Aufnahme finden
möge wie früher.
Es lag die Erwägung nahe, ob es nicht an der Zeit sei,
de» in me'hr'7nf~eni°er Beziehung nicht mehr geeigneten Titel
entsprechend 'abzuändern. Allein trotz der tiefgretfenSen Umge-
staltung des Inhalts in den drei letzten Bearbeitungen, durch
welche aus dem Buche fast eiu ganz neues, selbständiges gewor-
den ist, hat doch die Rücksicht aus die dem ersten Verfasser schul-
dige Pietät für die Beibehaltung des ursprünglichen Titels
entschieden.
Auch diesmal fühlt sich der Unterzeichnete für die außer-
ordentliche Zuvorkommenheit, welcher seine Bitten um Auskunft
bei Behörden und Privaten begegnet sind, zum lebhaftesten Danke
verpflichtet. Muß er auch zu seinem Bedauern daraus verzichten,
an dieser'Stelle aller Derjenigen, welche ihm ihre freundliche
Beihilfe geliehen, mit Namen zu gedeukeu, so kann er wenigstens
nicht unterlassen die vielfache Förderung, welche ihm bei seiner
Arbeit vou feiten des kgl. Statistischen Büreans und seines ver-
ehrten Vorstaudes zu Theil gewordeu ist, mit besonderer Erkennt-
lichkeit hervorzuheben.
St. Afra, im October 1876.
Dr. Th. Flöthe.
Theuer, wie dem Kinde das Vaterhaus, ist gewiß dem Sachsen
sein Land. Wie viel theurer aber wird es ihm sein und bleiben,
wenn er es genau kennt; denn es ist reich an Schönheiten
der Natur und Kunst, reich an Erzeugnissen zum Bedarf wie zum
Vergnügen, reich an Gewerbfleiß und Bildung, reich an Anstalten
zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit, wie zur Unterstützung
der Notleidenden, und erfreut sich nicht nur einer weisen und
gerechten Regierung, sondern auch einer die Rechte jedes ein-
zelnen Staatsbürgers gewährleistenden Verfassung. —Vater-
landsknnde ist daher ein vorzüglicher Theil der allgemeinen
Erdkunde; denn, wenn fremdes Land und Volk uns nicht fremd
sein darf, wie viel weniger die eigene Heimat; und wenn die Be-
trachtung fremder Vorzüge uns zur Nacheiferung anspornen soll,
so wird die Erkenutniß des Guten, das wir daheim besitzen, die
treue Bewahrung desselben uns zur Pflicht machen!
Die Vaterlandskunde aber gibt Nachricht I. von dem
Lande überhaupt, II. von den Bewohnern, III. von den
Regierungsbezirken, Städteu, denkwürdigsten Flecken
und Dörfern.
I. Von dem Lande überhaupt.
Das Königreich Sachsen liegt ziemlich in der Mitte Deutsch-
lands; es wird begrenzt: gegen Osten von der preußischen Pro-
vinz Schlesien und von Böhmen, gegen Süden von Böhmen
und Baiern, gegen Westen von den Fürsteuthümern Renß, dem
Neustädter Kreise des Großherzogthums Sachsen-Weimar, dem
Herzogthum Altenburg und der preußischen Provinz Sachsen,
welche, bis nach Schlesien hin, auch die Nordgrenze bildet. —
Es ist also zum größten Theile von Böhmen und Preußen um-
geben.
Der 51. Grad nördlicher Breite durchschneidet Sachsen
ungefähr auf einer Linie von Wechselburg über Tharand nach Klo-
ster Marienthal; der 31. Grad östlicher Länge von Ferro auf
einer Linie von Olbernhan über Freiberg und Lommatzsch nach
Riesa.
Seiner Gestalt nach bildet das Land ungefähr ein recht-
winkliges Dreieck, dessen längste Seite gegen Südosten, dessen
kürzeste gegen Westen gerichtet ist. Seine größte Länge, von West
nach Ost (zwischen Großdölzig und Dornhennersdorf), beträgt 210,
Engelhardt's Vaterlandskunde. Ii. Aufl. \
2 Von dem Lande überhaupt.
die größte Breite, von Norden nach Süden (zwischen Thammen-
Hain und Schönberg), 150, sein Umfang 1226 Kilometer; sein
Flächenraum 15.316,20 lUKilom. oder fast 272 HI Meilen.
Vom deutschen Reiche ist Sachsen ungefähr der 36ste, von aan;
Europa der 670ste Theil.
Sachsen ist im Süden am höchsten und wird je weiter nach
Norden desto niedriger. Es ist daher meist Berg- und Hügel-
land, das von vielen gegen Norden gerichteten Flußthälern durch-
furcht wird. Dieses Sächsische Hochland ist ein Glied des
großen Mitteldeutschen Gebirges, d. h. desjenigen, welches
Deutschlands Mitte von der Ost- bis zur Westgrenze, von der
Oderquelle bis jenseits des Rheins durchzieht.
Den tiefsten Einschnitt in die Grnndfeste des Landes bildet
das Elbthal, von dem es in nordwestlicher Richtung durchschnitten
und in zwei ungleiche Theile, einen nordöstlichen auf dem rechten
und einen südwestlichen etwa dreimal größeren auf dem linken
Ufer getheilt wird. Beide zeigen neben allgemeiner Uebereinstim-
muug ihres Baues doch so viele Besonderheiten, daß wir am besten
jeden für sich betrachten.
An der Südgrenze des größeren, südwestlichen Landestheiles
zieht sich das Erzgebirge hin, das Hauptgebirge des ganzen
Landes, ein zusammenhängender, einförmiger und breiter Kamm
von 127 Kilom. Länge, welcher seine höchste, 850m übersteigende
Erhebung in der Gegend von Ober- und Unterwiesenthal erreicht
und von da aus nach Westen wie nach Nord-Osten auf 700m
und darunter herabsinkt. Dort steigen der schon zu Böhmen ge-
hörende Keilberg (1240m), der höchste Berg des ganzen Ge-
birges, und die beiden höchsten Berge Sachsens, der Fichtelberg
(1213m) und sein Nachbar der ^Eisenberg (1029m) empor,
Gipfel, welche sogar die höchsten Spitzen des Thüringer Waldes
und zum Theil selbst des Harzes überragen, sich aber trotzdem
weniger stattlich ausnehmen als diese, weil nämlich ihr Fuß aus
einer viel höheren Unterlage ruht. Vereinzelter erhebt sich Sachsens
dritthöchster Berg, der Auersberg (1017m), bei Eibenstock.
Auf dem östlichen Flügel des Gebirgsrückens sind der Geising
(822m) und der Kahle Berg (894m) zwischen der Wilden
Weißeritz und der Müglitz zu merken. Gegen Süden fällt das
Erzgebirge steil wie eine Mauer ab, doch läuft die politische
Grenze dergestalt über den Kamm, daß der Südabhang nirgends
mehr zum Königreich Sachsen, sondern ganz zu Böhmen gehört.
Die Nordseite des Gebirges dagegen dacht sich ganz allmählich
als eine breite, schiefe, stellenweise durch stufenartige Absätze unter-
brocheue Hochfläche zum Tieflande ab. Man theilt es daher in
das obere und in das niedere Erzgebirge; jenes reicht etwa
bis Schneeberg, Thum, Wolkenstein, Frauenstein und Schmiede-
berg, dieses bis nach Zwickau, Mittweida, Hainichen, Siebenlehn
und Tharand.
Bodengestalt. 3
Auf der oberen Stufe der nördlichen Abdachung steigen
drei mächtige Basaltberge als hohe, freistehende Gipfel kahl und
schroff empor: der Bärenstein (900 m) westlich von Jöhstadt,
der Pöhlberg (843m) bei Annaberg, und der Scheibenberg
(805 m) bei Scheibenberg; bei Thum steht wie aus gewaltigen
Granitblöcken aufgemauert der Greifenstein (726m). — Die
untere Stufe des Erzgebirges ist auf weite Strecken nichts als
eine einförmige, fast wagerechte Hochstäche, die an vielen Stellen,
z. B. um Freiberg, gar nicht mehr als Gebirgsland erscheint, und
nur durch die Furchen der Flnßthäler sowie durch einige Anhöhen
von geringer Erhebung unterbrochen wird; zu letzteren gehören:
die Langenberg er Höhe (418m) bei Hohenstein, der Beuthig-
berg im Zeisigwalde bei Chemnitz, der Tanrastein (296m)
bei Burgstädt u. a. Die kleine Erhebung, welche östlich von
Glauchau bis etwa nach Reichenbrand hervortritt, bezeichnet man
als das Sächsische Mittelgebirge. Westlich von der Zwickauer
und nördlich von der Freiberger Mulde ragt nur noch hie und
da aus den immer niedriger werdenden Hügeln eine vereinzelte
Kuppe hervor, von ihrem Gipfel eine weite Rundschau über das
anliegende Flachland gewährend, wie besonders der Rochlitzer
Berg (341 m).
Gestalt und äußeres Ansehen eines Gebirges hängen von den
Gesteinsarten ab, aus denen es aufgebaut ist. Unser Erzgebirge
besteht hauptsächlich aus Thon- und Glimmerschiefer, Gneis und.
Granit. Gneis ist das herrschende Gestein im ganzen östlichen
Theile bis gegen Schlettau, Wolkenstein und Schellenberg hin,
und reicht nordwärts bis Tharand, Mohorn und Siebenlehn: ihm
sind zugleich die wichtigsten Erzgänge eingelagert, auf welchen
unser Bergbau betrieben wird. Der südwestliche Theil besteht aus
Glimmer- uud Thonschiefer, welchen Granit an mehreren
Stellen durchbricht, in der größten Ausdehnung um Eibenstock
und um Kirchberg. Porphyr tritt mehrfach aus dem Gneis zu
Tage und bildet ein größeres zusammenhängendes Gebiet an der
Mulde von Rochlitz und von der Zschopanmündnng an. Der
häufig vorkommende Basalt erinnert daran, daß auch hier einst
die vulkanischen Kräfte des Erdinnern thätig gewesen sind.
Im Südwesten bildet das Mittelglied zwischen dem Erzgebirge
und dem Frankenwalde jenseits der Saale: das Vogtland, ein
wellenförmiges, etwas eingesenktes Hochland, aus Thonschiefer be-
stehend und von der bairischen Grenze bis Elsterberg hin vielfach
von Grünstein durchsetzt. Auf der Grenze zwischen Erzgebirge
und Vogtland steht der Rammelsberg (842m) £>et Obersachsen-
berg, auf den der Höhe nach der Schneckenstein (652m) folgt,
in der Südspitze des Vogtlandes, auf dem kleinen, größtenteils zu
Böhmen gehörenden Elstergebirge derKapellenb erg (662 m).
An dem Nordostende dagegen geht das Erzgebirge in das Elb-
sandsteingebirge über, das sich noch weit auf das rechte Elb-
i*
4 Von dem Lande überhaupt.
ufer fortsetzt, und das wir beim Dresdner Regierungsbezirk genauem
kennen lernen werden.
Nur der nördlichste Theil Sachsens ist Tiefland. Denn
längs der Nordgrenze reicht die große Norddeutsche Tiefebene herein^
am weitesten, wie eine tiefeindringende Bucht, in der leipziger Ge-
gend, in geringerer Ausdehnung an der Mulde aufwärts bis nach
Grimma und Mutzscheu, sowie in der Mügeluer Bucht. Nirgends
erhebt sich hier die Ebene über 140m Meereshöhe, doch wird
sie von einigen Hügelgruppen unterbrochen, nämlich von den Höh-
burger Bergen (260 m) nördlich von Würzen, den Lübschütz er
Höhen bei Strehla und dem kleinen Osch atzer Grauwackeu-
gebirge mit dem gegen 314m hohen Collmberg. — Die
tiefste Stelle des ganzen Landes, welche nur noch 80m über
der Nordsee liegt, befindet sich unterhalb Strehla an der Elbe. —
Die Tiefebene besteht größtentheils aus Ablagerungen von Sand
und Lehm, die aus der Zeit herrühren, wo hier noch die Meeres-
wogen flntheten. Denn deutliche Merkmale weisen darauf hiu,
daß die niedrigeren Theile unseres Landes einst Meeresgrund ge-
wesen sind.
Wesentlich anders gestaltet erscheint der auf dem rechteu Elb-
ufer gelegene Landestheil. Zwar ist auch hier der Süden hoch und
der Norden niedrig, aber das Bergland steigt nur im äußersten
Südosten zu mehr als 85 m Höhe; auch hat es keinen, in be-
stimmter Richtung verlaufenden Hauptgebirgskamm wie das Erz-
gebirge, sondern zerfällt in eine Menge vereinzelter Berggruppen.
Das Lausitz er Gebirge, welches vom Elbsandsteingebirge
an bis an die Südostgrenze reicht und dort mit dem Gebirgszuge
der Sudeten zusammenhängt, besteht größtentheils aus Granit,
und bildet im ganzen betrachtet nur eine breite wellenförmige Hoch-
fläche von 310—330 m Höhe, auf welcher sich der Granit zu
einer Menge knppelförmigerBerge, z. B. dem Rottmar bei Herrn-
hut (581m) erhebt und an vielen Stellen von Basalt in Gestalt
spitzer Kegelberge durchbrochen wird. Die freistehenden Gipfel
dieser Kuppen gewähren weite, malerische Aussichten und machen
den landschaftlichen Hauptreiz der Lausitz aus. Außerdem über-
ragen drei, durch Thalsenkungen vou einander getrennte Höhenzüge
die Hochfläche um 120—150 m. Der erste, bei Kuunewalde west-
lich von Löban beginnend und zwischen Bischofswerda und Stolpeu
endigend, enthält den Valtenberg auf dem Hochwalde (581m)
und den Bieleboh (442m). Der zweite, ein schmaler, waldiger
Bergrücken, streicht von Jauernick westwärts und steigt im Czorne-
boh zu 572m Höhe; die dritte kleinere Kette zwischen Möschwitz
und Nauslitz erscheint dennoch von Norden aus gesehen als ein
stattliches Gebirge, da sie steil zu der bautzener Hügelebene abfüllt,
die sich dann in flachen Wellen zur völligen Tiefebene senkt. An
der Grenze derselben erheben sich nur noch einige vereinzelte Berge,
hoch im Verhältniß zu ihrer niedrigen Basis, südöstlich der Roth-
Gewässer. 5
stein bei Sohland und der Löbauer Berg (450m), westwärts
das Pulsnitzer Gebirge mit dem Sibyllenstein (458m)
und als letzte Vorsprünge der Keulen- oder Augustusberg
(412m) und die KamenzerBerge. — DasZittaner Gebirge
im Südosten ist ein Theil des großen Sächsisch-Böhmischen Sand-
steingebirges, welches vom linken Elbufer aus quer durch die Säch-
fische Schweiz und das nordöstliche Böhmen bis zum Riesengebirge
reicht. Hier sind die Basaltkuppen noch häufiger als im Granit;
zu ihnen gehören auch die höchsten Erhebungen des ganzen Gebirgs-
zngs: die Lausche (792m) und der Hochwald (729m) hei Zittau.
Den Gebirgshöhen entquellen zahlreiche Flüsse, Flüßchen und
Bäche, welche, der Senkung des Bodens folgend, allesammt der
nördlichen Ebene zufließen und entweder in Sachsen selbst oder jen-
seits der Landesgrenze von der Elbe aufgenommen werden. Daher
gehört Sachsen, bis auf einen kleinen Theil im Südosten, ganz
zum Gebiete der Elbe, die es als ein herrlicher, schiffbarer
Strom von Südost nach Nordwest durchfließt und uns dort mit
Böhmen, hier mit Magdeburg und Hamburg in Verbindung bringt.
— Sie entspringt am Südabhange des Riesengebirges im Elb-
brunnen, nordwestlich vom Hohen Rade, 1388m hoch, und nach-
dem sie, mit Ausnahme der Neiße, sämmtliche Flüsse Böhmens
in sich aufgenommen hat und von Melnik an schiffbar geworden
ist, berührt sie unser Vaterland zuerst oberhalb Schandau, durch-,
strömt es in mannichfachen Krümmungen 117 Kilom. lang, tritt
bei Krey nitz, unterhalb Strehla, aus Sachsen ins Preußische
und fällt bei Euxhafen unterhalb Hamburg in die Nordsee. Ihr
Eintritt in Sachsen liegt 117,5 m, ihr Austritt 79m hoch, also
beträgt ihr Gefälle auf dem Laufe durch Sachsen 38,5 m. Die
geringsteBreite aber größte Schnelle hat sie am sogenannten
Strand unterhalb Königstein, die mittlere Strombreite, früher
weit bedeutender, ist gegenwärtig durch großartige Corrections-
bauten, an denen man noch arbeitet, auf 113 m festgesetzt, beträgt
aber zur Zeit im Niederlande stellenweise noch 226 m und mehr.
Früher reichte sie in Dresden bis an das Georgenthor. Die größten
Elbflnthen in diesem Jahrhundert ereigneten sich 1821, 1845 und
4862.
Zu dem unmittelbaren Elbgebiete gehören diejenigen
Gewässer, die innerhalb Sachsens selbst in den Hauptstrom mün-
den; zu dem mittelbaren aber die, welche einem Nebenflüsse der
Elbe zufließen, der sich erst jenseits der sächsischen Grenze mit
ihr vereinigt. Jenes liegt in der Mitte des Landes, zu beiden Sei-
ten des Stroms; von rechts nimmt die Elbe 4 Nebenflüßchen auf:
die Kirnitzsch oberhalb, und den aus der Sebuitz und Polenz
gebildeten Lachsbach unterhalb Schandau, die Wesenitz, welche
vom Hochwalde kommt und der größte, ganz sächsische Nebenfluß
der Elbe ist, bei Praschwitz, und die Priesnitz bei Dresden.—
6 Von dem Lande überhaupt.
Von links strömen der Elbe in Sachsen 11 Nebenflüsse zu, dar-
unter als die bedeuteudsten: die Biela bei Königstein, die Gott-
lenba bei Pirna, dieMüglitz unterhalb Heidenau, die Weiße-
ritz in Dresden, die Triebisch in Meißen, die Jahna bei Riesa
und die Döllnitz bei Gröba.
Das mittelbare Gebiet der Elbe zerfällt auf dem linken
Ufer:
1) in das Gebiet der Mulde, fast 100 □ Meilen groß, das
größte unter allen sächsischen Flußgebieten, wie auch die Mulde
nächst der Elbe der größte sächsische Fluß ist. Sie entsteht aus zwei
Hauptarmen: der westlichen oder Zwickauer und der östlichen
oder Freiberger Mulde, welche sich bei dem Dorfe Klein-^
Sermuth vereinigen. Beide erhalten ihre Zuflüsse fast nur aus
dem Inneren des von ihnen gebildeten Winkels, die Zwickauer
Mulde also von der rechten, die Freiberger von der linken Seite. —
Die 119 Kilom. lange Zwickau er Mulde, auch die Vogtlandische
genannt, kommt aus dem Schönecker Wald und nimmt bei Aue das
Schwarzwasser, nördlich vonLuuzenan die Chemnitz, eutstan-
den aus der Zwöuitz und Würschnitz, auf. Im Sommer 1858
richtete die Mulde eine verheerende Überschwemmung an. — Die
Quelle der kürzeren, aber wasserreicheren Freiberger Mulde
liegt in dem böhmischen Dorfe Ullersdorf; von rechts nimmt sie
nur die Gimlitz und die Bobritzsch auf, von links aber die
Große Striegis und den bedeuteudsten Zufluß des ganzenMnl-
dengebietes, die 105 Kilom. lange Zschopau, welche auf dem
Fichtelberg entspringt, unter allen sächsischen Flüssen das stärkste
Gefälle hat und von rechts durch die Seh ma, die Pohl, die Preß-
uitz und die Flöha mit der Schwarzen Pockau verstärkt wird.
2) das Gebiet der Weißen Elster umfaßt den westlichsten Theil
des Landes, doch gehört diese nur mit ihrem Oberlaufe und einem
Theile des Unterlaufes dem Königreich Sachsen, im Mittellaufe
aber dem Fürstenthum Reuß und der Provinz Sachsen an. Ihre
beiden Quellflüsse, die Kleine und die Große Elster, vereinigen
sich bei Adorf, an der renßischen Grenze nimmt sie die Göltzsch
auf; vor Pegau tritt sie wieder nach Sachsen, verläßt es unterhalb
Lützschena zum zweiteumale und fällt zwischen Merseburg uud Halle
in die Saale. Auf dieser untern Strecke münden in die Elster: die
Schnauder und unterhalb Leipzig die Pleiße, beide theilweise
zum Herzogthum Alteuburg gehörig; mit der letzteren vereinigt sich
die Wyhra und kurz vor ihrer Mündung die Parth e. Bei Leipzig
bilden Elster und Pleiße ein sehr verwickeltes Flußnetz, welches
neuerdings regulirt worden ist.
Die meisten der genannten Flüsse durchfurchen in tiefen Ein-
schnitten die vom Gebirge sich abwärts senkende Hochebene, und ihre
reizenden Thalgründe bilden den schönsten landschaftlichen Schmuck
unseres Laudes. Keiner derselben kann sich freilich mit dem Herr-
lichen Elbthal messen, dem sich in ganz Deutschland nur wenige
Gewässer. 7
Landschaften vergleichen dürfen; aber auch die Thäler der Muglitz
und Weißeritz, der Zschopau und Flöha, der Zwickauer Mulde, der
oberen Elster und andere sind reich an anmnthigen und selbst groß-
artigen Naturschönheiten.
Zwei kleine Grenzgebiete, das der Zwota um Klingenthal
und die südlichste Spitze von Sachsen um Schönberg gehören zu der
Eger, ein kleiner Bezirk um Mühltrnff durch die Wiesenthal,
ebenso wie das Elstergebiet, zur Saale, sind also gleichfalls zum
Elbgebiete zu rechneu.
Auf dem rechten Elbufer, wo kein Hauptthal alle Quellen ver-
einigt, liegen:
1) das Gebiet der Schwarzen Elster, die am Sibyllenstein bei
Elstra entspringt, aber nur 22x/2 Kilom. weit zu Sachsen, mit dem
übrigen Lauf zu Preußen gehört; wichtiger für uns als sie selbst
sind ihre beiden Zuflüsse: die Röder und die Pulsnitz, Nieder-
ungsslüsse, die mit trübem Wasser träge zwischen flachen Ufern
dahinschleichend jenseits der sächsischen Grenze münden. Die zahl-
losen Windungen der Röder sind theilweise durch kostspielige Ufer-
bauten regnlirt worden.
2) das Gebiet der Spree, die auf dem Lausitzer Gebirge, im
Spreebrunnen bei Altgersdorf, entspringt, durch das Löbauer
Wasser verstärkt nach Preußen geht und durch die Havel der Elbe
zugeführt wird.
Nur der etwa 11 □ Meilen große südöstlichste Theil Sachsens
gehört zu dem Gebiete der Oder; denn zu dieser stießt die aus Böh-
mm kommende Lausitz er Neiße, welche von Zittau her dieMau-
dau, und auf der sächsisch-preußischen Grenze die Wittich auf-
nimmt. Also liegt hier in Sachsen ein Theil der Wasserscheide zwi-
schen Ost- und Nordsee.
Von Osten nach Westen folgen unsere größeren Flüsse also
neben einander: rechts von der Elbe: Neiße, Spree, Schwarze
Elster; links: Freiberger Mulde, Zschopau, Zwickauer
Mulde, Weiße Elster.
Sachsen überhaupt, insbesondere aber das Erzgebirge, zeichnet
sich demnach durch treffliche und reichliche Bewässerung aus, die
nicht bloß den Boden feuchtet und befruchtet, sondern auch unserem
Gewerbfleiß zahlreiche Wasserkräfte darbietet, um Mühlwerke und
Fabriken zu treiben und die besonders wichtig ist für nnsern Berg-
bau, der ohne sie gar nicht betrieben werden könnte, da er eine
Menge künstlicher Wasserleitungen bedarf. Um so bedenklicher ist
daher die Abnahme der Wasserfülle, die sich seit den letzten
Jahrzehnten in den Gewässern unseres Landes, namentlich auch in
der Elbe*) selbst bemerklich macht. Wo das Wasser als bewegende
*) Die durchschnittliche Elbhöhe betrug am dresdner Elbpegel (in Cen-
timetern unter dem Nullpunkte) 1874: — 106; 1875: — 74; der niedrigste
bisher jemals beobachtete Wasserstand war am 29. Nov. 1874 — 170 Ctm.
8 Von dem Lande überhaupt.
Kraft benutzt wird, beginnt schon der Mangel daran der Industrie
nachtheilig zu werden. Hauptursachen dieser Veränderung sind: die
fortschreitende Lichtung der Wälder, die Austrocknung der Gebirgs-
moore und das Drainiren der Felder; denn Wälder schützen den
Erdboden vor zu rascher Verdunstung; Moore besitzen die Eigen-
schaft, die Feuchtigkeit aus der Luft, das Regen- und Schneewasser
aufzusaugen und erst allmählich wieder abzugeben, so daß sie vor-
trefflich geeignet sind, auch bei trockuer Jahreszeit die Gewässer zu
speisen; Drainirung aber entleert den Ueberschuß an Wasser aus
Aeckeru und Wiesen so schnell in Bäche und Flüsse, daß diese zwar
nach Schneeschmelze und Regengüssen hoch aufschwellen, aber auch
dann desto rascher sinken.
Früher wurden die Flüsse viel zum Flößen des Holzes be-
nutzt, um den Ueberfluß des Gebirges an Holz den holzarmen Nie-
derungen auf billige Weise zuzuführen; seitdem jedoch das Holz
auch dort im Preise gestiegen ist, seitdem die Steinkohle das Holz
als Feuerungsmaterial ersetzt und Eisenbahnen den Transport er-
leichtern, ist dieses Verfahren als nicht mehr zeitgemäß soweit be-
schränkt worden, daß nur noch 5 Flößanstalten bestehen: die Schein-
dau er Flöße auf derKirnitzsch, dieWeißeritz-, dieFreiberger
Mulden- und Neugraben-Flöße, die Görsdorf-Blumeu-
auer auf der Flöha und die Zwickauer Muldenflöße bis zur
Eisenbahnstation Wiesenburg. Floßgraben verbinden die Göltzsch
mit der oberen Mulde, die Weiße Elster mit der Saale und der
Pleiße. Holzverschiffung war früher auch ein Hauptzweck des in
den 1740erJahren angelegten Grödeler Kanals, der bei Elster-
werda in Preußen anfängt und bei Gröd el in die Elbe mündet,
jetzt aber fast unbenutzt liegt und meist nur noch zur Entwässerung
der Umgegend dient. Neuerdings sind Elster und Pleiße bei Leipzig
durch einen schiffbaren Kanal verbunden worden; für einen von der
Elbe bei Riesa nach der Spree bei Berlin, desgleichen für einen von
Leipzig nach der Elbe bei Wallwitzhafen zu bauenden Kanal sind
Vorarbeiten im Gange.
Seen hat Sachsen keine, die so genannten sind nichts weiter
als große Teiche; von solchen findet sich jedoch eine ziemliche Anzahl
im Gebiete der schwarzen Elster, wo die Moritzburger Teiche,
und links von der Elbe zwischen Hubertusburg und Mutzschen, wo
der Horstsee die größten sind. Im Erzgebirge giebt es viele große
Berg- und Floßteiche.
Auch an Mineralquellen fehlt es nnsermVaterlande nicht,
denn es zählt deren über 30. Wie sich nämlich zu beiden Seiten des
ganzen Mitteldeutschen Gebirgszugs, vom Riesengebirge bis zur
Eifel, mineralische Quellen in großer Zahl vorfinden, so auch beim
Erzgebirge. Nur liegen hier die stärksten und wichtigsten auf der
Südseite, also in Böhmen. Wenn aber auch unsere sächsischen Quellen
mit den weltberühmten von Teplitz, Karlsbad und Franzensbad sich
nicht messen können, so sind doch unter ihnen einige nicht ganz nn-
Klima; Bodenbeschaffenheit. 9
bedeutende, die schon Tausenden von Kranken Heilung verschafft
haben. Die meisten sind kalt, einige nur lauwarm, die wärmste
unter allen, die zu Wolkenstein, hat 23% Grad R.; einige werden
zum trinken, fast alle zum baden benutzt. Das besuchteste unter
allen sächsischen Bädern ist Elster im Vogtlande, außerdem sind
nennenswerth: Schandau, das Augustusbad und das Her-
mannsbad bei Radeberg, Wiesenbad bei Annaberg, Hohen-
stein, Schmeckwitz bei Kamenz, Tharand, Neustadt bei
Stolpen, Berggießhübel, Lausigk, Grünthal, Pausa u. a.
— Bauwürdige Salzquellen hat man mehrmals, aber vergebens
gesucht; Sachsen muß daher seinen ganzen Salzbedarf von auswärts
beziehen.
Unser Klima ist weder warm noch beständig, denn die Lage des
Landes, welches dem kalten Norden die offene Seite zukehrt, von
dem warmen Süden aber durch hohe Gebirge getrennt wird, wirkt
auf dasselbe ungünstig. Seit 1863 ist von der Regierung Veran-
staltung getroffen, daß an 25 Orten des Landes (meteorologi-
schen Stationen), von denen der niedrigste, das Forsthaus zu
Gorisch im Elbthal, 93m. der höchste, Oberwiesenthal, 923m.
über der Ostsee liegt, alle Witterungserscheinungen genau beo-
buchtet und verzeichnet werden, woraus sich insbesondere die Ver-
schiedenheit des Klimas in den einzelnen Landestheilen ergibt.
Während im Allgemeinen die Wärme von Norden nach Süden steigt,
nimmt sie in Sachsen wegen des Ansteigens des Bodens nach Süden
hin ab. Das mildeste Klima haben die Tiefebene um Leipzig und
das durch seine hohen Wände gegen die rauhen Winde geschützte
Elbthal, in welchem Weintraube, Psirsisch und Aprikose sicher
reifen.
Dresden und Leipzig sind die wärmsten Orte in ganz Sachsen.
Doch reicht auch das milde Klima, längs der Flüsse stellenweise so-
gar bis tief in das Gebirge, hinauf so, daß z. B. in Gelenau bei
Thum, in Bertsdorf bei Zittau am unteren Dorfende die Ernte
vierzehn Tage früher beginnt als am oberen. Desto rauher sind
die kahlen Höhen des oberen Erzgebirges und Vogtlands, wo die
Natur nicht selten noch unter dem Eis- und Schneekleide des
Winters starrt, während sie in den sanften Thälern schon im schön-
sten Schmucke prangt und freundlich ihre milde Hand anfthut.
Denn lange Winter mit viel Schnee, späte Einkehr des Frühlings
und rascher^ Uebergang aus diesem zum Sommer, schöner klarer
Herbst, Spätfröste noch im Mai, frühzeitige schon im September,
— das sind die Hauptkennzeichen des Gebirgsklimas; ganz wesent-
lich hat zu dessen Verbesserung die Entwässerung der Sümpfe
im Gebirge beigetragen.*) — Hagelwetter, wie das, welches am
*) Bei 130-2 Meereshöhe beträgt Sachsens Mitteltemperatur -i- 6/87°
(die von Leipzig + 7/65, von Dresden + 7,68<>), bei 427® 5,97o, bei 778 m 3,96°,
10 Von dem Lande überhaupt.
27. August 1860 über Leipzig dahin zog uud iu Zeit von 4 Mi-
nuten einen Schaden von 1 Million Thaler anrichtete, gehören
zu den ganz außerordentlichen Naturerscheinungen.
Wenn auch nicht zu den fruchtbarsten, so gehört doch Sach-
sen zu den verhältnismäßig fruchtreichsten Theilen von Deutsch-
land. Die gehaltreichste Ackererde des Landes lagert auf einer 150
bis 250 m hohen Hügelfläche, welche sich am nordwestlichen Ab-
hange des Erzgebirges zwischen Elbe und Zwickauer Mulde von
Hainichen aus bis in die Gegend von Mutzschen und Mügeln hinab-
zieht und gegen Südosten bis in die Nähe von Pirna auf der an-
deren Seite bis Meerane und Crimmitschau sich erstreckt. Der
ärmste Boden deckt die höchsten und die niedrigsten Flächen, den
Gebirgsrücken längs der böhmischen und bairischen und die Ebenen
an der preußischen Grenze zwischen Elbe uud Spree, dort Gruß
und Steingetrümmer, hier Flugsand und Geschiebe. Den feuchtesten,
aber deshalb nicht unfruchtbarsten Boden haben die Niederungen
der Elster, der Pleiße und der Röder.
Da der Boden überall, wo er sich dazu eignet, dem Anbau
unterworfen ist, so haben die Kulturpflanzen die wildwachsenden,
die Hausthiere die wildlebenden großentheils verdrängt. Wir haben
daher keine wildwachsenden Pflanzen von besonderer Bedeutung;
doch fehlt es uns nicht an mancherlei Gesundheitskräutern,
wie Alant, Angelika, Arnika, Enzian, Waldmeister,
Huflattich, nnächtem Rhabarber, Melisse, Pfeffer- und
Krausemünze, Kümmel, Salbei, Baldrian, Camille?c.,
mit denen im Erzgebirge und in der Gegend von Borna Handel
getrieben wird. Isländisches Moos und Giftpflanzen, be-
sonders S chirling, Lolch und Belladonna sucht man nicht ver-
gebens in nnserm Hochgebirge. Den Boden seiner Wälder bedecken
Pilze und Schwämme, Erdbeeren, Preißelsbeeren,
Himbeeren und Heidelbeeren in großer Fülle, die von Frauen
und Kindern gesammelt und wagenweise, sogar bis nach Leipzig, ver-
kauft werden.
Fast der dritte Theil unseres Landes, nämlich 83 □ Meilen
(418.124 Hektaren), ist mit Waldungen bedeckt, welche jährlich
durchschnittlich für 9 Mill. M. Bau- und Brennholz liefern. Die
größten sind die Auerbacher und Schönecker im Vogtlande,
die Schwarzenberger und Crottendorfer im Erzgebirge,
die Hubertsburger im Leipziger Regierungsbezirke. Nadel-
holz ist ungleich häufiger als Laub holz, denn es herrscht im
ganzen Gebirge vor. Hanptbestandtheil der Nadelwälder ist die
als Bau- uud Brennholz wie durch ihr Harz überaus nutzbare
Fichte; untermischt mit ihr, namentlich an den Thalhängen wasser-
in Oberwiesenthal nur + 3/69°. — Die Regenmenge beträgt im Tiefland
(in 134 Regen- und 41 Schnee-Tagen), 49 Centim., im untern Gebirge über 56,
im obern Gebirge 66 Centim.
Pflanzen- und Thierwelt. 11
reicher Gründe, grünt die dunkle Tanne; die Kiefer dagegen
ist der Waldbaum der sandigen Ebene im Nordosten. — Laub-
wald herrscht im Leipziger Tieflande, südlich bis Penig, östlich
bis zur Mulde; ihn bilden vorzugsweise die Eiche, die Buche,
Rüster, Ahorn, Birke, Haselnuß. — In den meisten Fluß-
thäleru gedeiht bis weit ins Gebirge hinauf die Erle, sowie
Sachsens Korbbaum, die tausendfach nutzbare Weide, wogegen
die Linde und die Esche mehr die Nähe menschlicher Wohnungen
suchen. — Fremdlinge in Sachsen, aber bei uns heimisch geworden
sind: die Lärche, die früher eifriger angepflanzt wurde als jetzt,
die bei uns erst seit etwa 65 Jahren eingebürgerte italienische
Pappel, die Akazie, die Roßkastanie, endlich die Edel-
kastanie und der Wallnußbanm, die nur in den mildesten La-
gen, am besten in der Nähe von Dresden und Meißen gedeihen.
— Hie und da ragt noch das Haupt eines Jahrhunderte alten
Baumriesen majestätisch über die jüngeren Geschlechter empor: die
Königseiche im Leutzscher Holze bei Leipzig, die Königs-
tanne bei Olbernhau, die Kaditzer uud die Rammenauer
Linde u. a.
Viel Holz verzehren der Bergbau und das Hüttenwesen, viel
wird auch zum Haus- und Schiffbau verbraucht, viel zu Geräth,
Spielzeug und musikalischen Instrumenten verarbeitet. Obschon
Sachsen Holz in ausreichender Menge hat, empfängt es doch viel
aus Böhmen, weil die Elbe den Transport erleichtert, dagegen
wird aber auch auf letzterer wie auf deu Eisenbahnen viel Nutz-
holz ausgeführt.
Nicht ganz ein Drittheil aller sächsischen Waldungen (166.495
Hektaren) ist Eigenthum des Staates und wird durch einen muster-
haften Forsthaushalt stets im trefflichsten Zustand erhalten, indem
der jährlich aus ihnen entnommene Holzbedarf jedesmal wieder
durch frische Anpflanzungen ersetzt wird. Desto mehr läßt die
Bewirtschaftung vieler Privatwalduugeu zu wünschen; traurig,
ja höchst nachtheilig ist es insbesondere, wenn man Höhen, die
keinen Feldbau gestatten, ihres Waldschmuckes beraubt, ohne für
Nachpflanzungen Sorge zu tragen.
Seitdem unsere Waldungen, hauptsächlich in Folge der zuueh-
Menden Dichtigkeit der Bevölkerung, hie und da fast mehr als gut
in Aecker verwandelt, an die Stelle der sonst unbegrenzten Jagdlust
Theater, Bälle, Eoucerte zc. getreten sind, und namentlich in neue-
ster Zeit die Jagd durch Ablösung der Jagdrechte auf fremdem
Grund und Boden aufgehört hat, das Borrecht eines bevorzugten
Standes zu sein, hat sich der Wildstand außerordentlich vermin-
dert. Wk lebendig er sonst war, erhellt unter Anderem daraus,
daß eine siebentägige Jagd bei der zweiten Vermählung Kurfürst
Augusts 1586 über 1500 Sauen gab; Johann Georg I. aber von
1611—53 gegen 114,000 Stück Wild, darunter über 200 Bä-
reu und 1500 Wölfe erlegte. Noch zu Anfang des vorigen Jahr-
12 Von dem Lande überhaupt.
Hunderts setzten einzelne Bären das obere Vogtland in Schrecken.
Einiges Schwarzwild wird im moritzbnrger Forst gehegt. Selbst
Hochwild ist, außer im obern Gebirge, selten; den stärksten Reh-
bestand, sowie die meisten Hasen, an denen es übrigens nirgends
fehlt, haben wol die Wälder um Leipzig. Auch Dachse, Füchse
und wilde Kaninchen kommen vor; selten sind Luchse, wilde
Katzen und Fischottern. Die beiden letzten Zieselmäuse vom
Valtenberge sind 1863 in den dresdner Zoologischen Garten ver-
setzt worden.
Adler lassen sich höchstens dann und wann sehen, desto häu-
figer sind Habichte, Sperber, Kraniche, Falken, Eulen Auerhähne
und verschiedene andere Hühner; schon seltener Störche, Trappen,
Schnepfen, Fasane, wilde Gänse und Enten. Singvögel aller
Art haben wir in Menge. — Von giftigen Schlangen kommt nur
die Kreuzotter vor. — 1859 erschienen Schwärme von Zugheu-
schrecken in der Nähe von Schandau.
Der Reichthum an Fischen, den unsere Gewässer früherbe-
saßen, hat sich ebenfalls aus mehreren Ursachen stark vermindert.
Nicht mir wird den Bewohnern unserer Flüsse oft schonungslos
nachgestellt, sondern es machen auch die vielen Fabriken durch ihre
giftigen Abfälle die Gewässer für Fische unbewohnbar, in der Elbe
zerstören auch noch die durch die Schaufelräder der Dampfschiffe
verursachten Wellen den Laich. Neuerdings angestellte Versuche,
durch künstliche Fischzucht unsere Gewässer wieder stärker zu be-
Völkern, versprechen guten Erfolg. — Die Elbe gibt, außer ge-
wohnlichen Arten, Welse, Sander, Störe und Lachse, welche zur
Laichzeit aus dem Meere flußaufwärts wandern, die Lachse steigen
selbst in die Mulde, Zschopau und den Lachsbach hinauf; den jähr-
lichen Ertrag des Elbfischfangs schätzt man auf 30.000 M. Die
Forelle gedeiht uirgeuds besser als in den klaren Gebirgsbächen.
Auch die Teichfischerei hat sich mit der Zahl der Teiche selbst seit
Abschaffung der vielen katholischen Festtage gar sehr vermindert.
Moritzbnrger Teich- und Röder-Karpfen gelten als die wohl-
schmeckendsten.
Ganz besonders reich ist Sachsen annnterirdischenSchätzen.
Erze füllen den Schoß seiner Gebirge, die, obgleich seit 7 Jahr-
Hunderten, vielleicht weit länger schon durchwühlt, noch immer
eine wahre Schatzkammer von Metallen aller Art sind und fast
die Hälfte aller bekannten Fossilien der Erde enthalten. Die
am häufigsten vorkommenden Metalle sind Silber, Blei, Zinn
und Eisen; daneben werden Kobalt, Vitriol-, Schwefel-und Ar-
senikkies, Braunstein, Alannschiefer^ Wismnth, Schwerspath, Fluß-
spath, Wolfram, Zink, Galmei, Spießglanz u. a. gefunden. Au
nutzbaren Steinen haben wir keinen Mangel. — Die größten
Porphyrbrüche liegen im Elbthal von Sörnewitz bis Nünchritz,
in der Chemnitzer, zwickauer und rochlitzer Gegend, Sandstein
geben die unerschöpflichen Lager der Sächsischen Schweiz und öst-
Mineralien. 13
lichen Lausitz, Mühlsteine insbesondere die Liebethaler und die
Jonsdorfer Brüche, Granit bricht in der südlichen Lausitz und im
Erzgebirge an vielen Stellen, Serpentin, zum drechseln tauglich,
bei Zöblitz und Waldheim, der beste Schiefer bei Lößnitz und
Geringswalde, Kalk am besten im Müglitzthale bei Maxen und
Nenntmannsdorf, im Triebischthal, bei Mügeln, Geithain und
Lengefeld, Marmorbrüche gibt es bei Grünhain, Crottendorf und
Wildenfels. Hie und da kommen einige Edel- und Halb edel-
steine vor, Granaten Sapphire, Achat, Apatit, Onyx, Amethyst,
Chalcedon und Carneol; bekannt sind unsere Aventuriue, unsere
Topase vom Schneckensteine, unsere Mutzschner und Löbauer söge-
nannten Diamanten (Bergkrystalle), unsere Zabeltitzer Kiesel. —
Schöne Holz- und Muschelversteiueruugeu erfreuenden Mineralien-
sammler, der überhaupt im Erzgebirge so manche Seltenheit findet.
Auch fehlt es uns nicht an Farbe- und Walker-Erde, Schmirgel,
Magnesia, Mergel und Thon. Aus der weißen Erdenzeche in Bade-
ritz bei Sornzig wird der feinste Porzellanthon gegraben.
Einen sonst viel zu wenig, jetzt aber desto mehr geachteten
Reichthum besitzen wir an unseren brennbaren Mineralien.
Seinem Kohlenreichthnm nach nimmt unser Sachsen die dritte
Stelle in Deutschland ein, nämlich nach Rheinland-Westfalen und
Schlesien. Es enthält zwei Steinkohlenbassins, Süßwasser-
seen oder Meerestheile einer früheren Schöpfungsperiode, in denen
sich große Massen von Pflanzenresten angehäuft, in unendlich lan-
gen Zeiträumen zu Steiukohlenflötzen gebildet haben, und
später von zum Theil thurmhohem Schutt, dem sogenannten Roth-
liegenden, überdeckt worden sind. Das größere von beiden ist das
Erzgebirgische Kohlenbassin, das sich von Werdan, Zwickau
und Glauchau aus in nordöstlicher Richtung mit allmählich ab-
nehmender Breite über Lichtenstein und Chemnitz bis nach Haini-
chen 371/3 Kilom. lang hinzieht, ungefähr 6 □ Meilen umfaßt,
aber stellenweise von Porphyr und Thonstein unterbrochen wird;
im Osten schließt sich an dasselbe das kleine Nebenbassin vonFlöha.
— Am größten ist der Steinkohlenreichthum bei Zwickau, wo man
11 Hauptstütze, ein jedes von 1,13 bis 6,80m, zusammen von
21^2m Mächtigkeit kennt. Gegen Osten nimmt die Zahl der
übereinander liegenden Flötze ab, bei Würschnitz kennt man nur
noch 4, zusammen von 4,25 m Mächtigkeit, und in der Gegend
von Hainichen ist dieselbe noch geringer. Von Zwickau nordwärts
sinken die Kohlenschichten tiefer und tiefer unter die Oberstäche,
sehr hoch vom Rothliegenden, von Zechstein und noch jüngeren
Gesteinen überdeckt; daher auch alle Bohrversuche nördlich von
Zwickau, obgleich bis 650 m in die Tiefe getrieben, bisher ver-
geblich geblieben sind.
Das zweite, kleinere Steinkohlenbassin ist das vonPotschap-
pel, vom Weißeritzthale fast in der Mitte quer durchschnitten,
3^ Kilom. breit und 13 Kilom. lang, welches aus der Gegend von
14 Die Bewohner.
Grumbach und Kohlsdorf bis Hänichen und Possendorf
reicht, und in seinem Innern durch Porphyr- und Thonschiefer-
rücken sowie durch eine starke Verwerfung, den sogenannten Rothen
Ochsen, wieder in schmalere, kleinere Becken getheilt wird. Von
den darin auftretenden vier Kohlenflötzen ist nur das oberste,
dessen Mächtigkeit zwischen 2 und fast 5 Metern schwankt, ab-
bauwürdig.
Merkwürdigerweise trifft man auch auf den Höhen des Erz-
gebirges, nämlich bei dem böhmischen Dorfe Brandau unweit Ol-
bernhau, und um-Altenberg bei Rehfeld, Zaunhaus, Schön-
fdd, Pöbel und Bärenburg einige kleine, wenig bauwürdige
schollen von Anthracitlagern. »
Ansehnliche Braunkohlenlager finden sich hauptsächlich in
den Einbuchtungen, welche das Norddeutsche Tiefland in das süd-
lichere Hochland macht, nämlich in den Niederungen von Grimma
und Oschatz, sowie in den Becken von Bautzen und Zittau.
In dem letztgenannten hat man, bei Olbersdorf, Braunkohlen
mit Thon wechselnd, in einer Mächtigkeit von 52 m erbohrt,
kleinere treten bei Kamenz und Lommatzsch auf. In einigen
BrauukohleuschichteubeiFrohburghatmanBernstein gefunden;
in dem Lager zu Karcha bei Meißen im I. 1851 einen 3,40 m
langen und l,70m starken Klotz, 1862 in dem zu Piskowitz
bei Kamenz einen Kieferstamm von 9,eom Umfang. Reiche
Torflager, mit einer Gesammtfläche von 2 □ Meilen, besitzt das
Erzgebirge.
So viel von dem Lande überhaupt. Nun wollen wir auch
II. Die Bewohner
kennen lernen.
Die gesammte Einwohnerzahl Sachsens betrug im Jahre 1875:
2.760.586 in 602.010 Haushaltungen. Auf der Quadratmeile
leben also durchschnittlich 10.150 (auf dem Quadratkilometer 180)
Menschen, im zwickauer Regierungsbezirke, dem am dichtesten
bevölkerten 12.370, in den schönbnrgischen Receßherrschaften sogar
20.865. Nur Belgien hat unter den europäischen Staaten im
Verhältniß zu seinem Flächenraum eine stärkere Bevölkerung als
Sachsen. Dieselbe ist desto dünner, je mehr sie sich mit Ackerbau,
desto dichter, je mehr sie sich neben dem Ackerbau uoch mit an-
deren Erwerbszweigen beschäftigt. Am schwächsten ist die Ein-
wohnerzahl in den Gerichtsämtern Königsbrück und Königs-
Wartha, die den ärmsten Boden, großen Waldbestand und keine
Industrie haben. ^
Das ganze Land hat 142 Städte, die zwei Fünftheil der
Gesammtbevölkernng, nämlich 1.109.175 Menschen, enthalten,
und 3197 Landgemeinden, zu denen auch die 44 Markt- und
Bergflecken gehören. Im Vergleich zu anderen Staaten besitzt
Bevölkerung; Lebensweise; Tracht, 15
Sachsen außerordentlich viel Städte, denn auf noch nicht ganz
-2 lHMeilen kommt bei uns eine Stadt. Die meisten Städte
liegen auf dem flachen Nordabhange des Erzgebirges. Auf die
HZ Meile kommen über 12 Ortschaften, auf jedes Haus durch-
schnittlich 10,491 Bewohner.
Unsere volkreichste Stadt ist seit dem dreißigjährigen Kriege
Dresden; bis dahin war es Freiberg. — In der Vorzeit hielten
unsere Regenten bald da, bald dort Hof, je nachdem Geschäfte und
Verhältnisse es heischten. Dresden, Leipzig, Freiberg, Wolkenstein
sahen sie am häufigsten in ihren Mauern. Seit der Mitte des
16. Jahrhunderts aber ist Dresden die bleibende Residenz und
seitdem auch die Hauptstadt. Leipzig ist die einzige Universi-
täts- und die Haupthandelsstadt, Chemnitz die Haupt-
fabrikstadt, Freiberg die Hauptbergstadt. 19 Städte haben
über 10.000 Einwohner, 30 zwischen 5000 und 10.000; die kleinste
ist Bärenstein mit 565 Einwohnern. Die städtische Bevölkerung
wächst in Sachsen, wie anderwärts, rascher als die auf dem Lande.
In den meisten unserer Städte haben die Verwüstungen des Kriegs,
Feuersbrünste,*) oder Neubaue die Spuren des Alterthums so ver-
wischt, daß sie ein ganz modernes Aussehen tragen. Unter den
Dörfern sind viele große, mit mehreren tausend Einwohnern, am
zahlreichsten sind diese in der südlichen Lausitz, zwischen den beiden
Mulden und um Leipzig. 52 Dörfer haben über 3000 Einwohner,
Sachsens größtes Dorf ist Reudnitz bei Leipzig, denn es hat in
428 Häusern 11.645 Einwohner, mehr, als die meisten unserer
Städte zählen. In der Nachbarschaft der großen Städte haben
auch die Dörfer städtisches Ansehen gewonnen, namentlich die um
Dresden und Leipzig zeichnen sich durch schöne Landhäuser aus.
Höchst stattlich sind die Ackerbaudörfer in den fruchtbaren Gegen-
den; in der Lommatzscher und Pegauer Pflege gibt es Bauerhöfe,
die man kaum von Rittersitzen unterscheiden kann. Am dürftig-
sten sehen die Dörfer im obern Erzgebirge und Vogtland aus, wo
sie meist aus zerstreuten schindelbedachten Holzhütten bestehen.
Von großer Genügsamkeit des sächsischen Volksstammes zeugt
dessen Lebensweise; nicht mit Unrecht ist die sächsische Küche
anderwärts als besonders einfach verschrieen, denn der Sachse ver-
braucht weder so große Fleisch- und Speckmassen wie der Nord-
deutsche, noch so viel Schmalz- und Mehlspeisen wie der Süd-
deutsche; vielmehr ist die menschliche Ernährung bei uns sehr un-
vollkommen, denn da auf den Kopf im Durchschnitt ein jährlicher
Fleischverbrauch von 59 Pfund, iu ärmeren Gegenden sogar nur
von 20 Pfund kommt, von der wohlhabenderen Klasse aber auf
den Einzelnen vielleicht 125 Pfund zu rechnen sind, wie wenig bleibt
da für die arbeitenden und ärmeren Stände übrig! Am ärmlichsten
lebt der Landmann auf dem rechten Elbufer an der preußischen, der
*) Im Jahre 1873 kamen in Sachsen 769 Fenersbrünste vor.
16 Die Bewohner.
erzgebirgische und vogtländische an der böhmischen Grenze. Jener
nährt sich meist von Haidekorn, dieser ist seelenfroh bei Kartoffeln
und Haferbrod, zu denen er sich selten den Genuß von Butter göu-
nen darf.
Die alten Volkstrachten sind, da die Mode und die Wohl-
feilheit der neuen Webstoffe die Kleidung bis in das entlegenste Dörf-
chen mehr und mehr städtisch machen, fast gänzlich im Verschwinden;
nur die Wenden der Oberlausitz und die Bauern an der altenburgi-
scheu. Grenze kleiden sich so ziemlich nach der Art der Altenbnrgerv
Die Urbewohner Sachsens waren Germanen, also von
gleichem Stamme mit den heutigen. Die Römer, denen das süd-
westliche Deutschland gehorchte, haben zwar nie ihre Herrschaft, wohl'
aber ihren Handel bis in unser Land ausgedehnt, wie römische
Münzen, die man in der Lausitz und anderwärts gefunden hat, be-
weisen. In der Völkerwanderung aber nahmen die Sorben, ein
Stamm der großen slawischen Völkerfamilie, sich westwärts bis zur
Saale verbreitend, das Land in Besitz, ein fleißiges, Jagd, Vieh-
zucht und Ackerbau treibendes Volk, das sich vorzugsweise in den
fruchtbaren Ebenen und Flußthäleru ansiedelte. Aus jener Vorzeit
stammen die Urnenfelder, d.h. heidnischen Begräbnißplätze, die
man an verschiedenen Stellen, z.B. bei Connewitz und Wein-
böhla, in der bautzener und königswarthaer Gegend, bei
Radeberg, auf dem Groitzschberge bei Rötha, bei Strehlen
unfern Dresden und bei Stauchitz aufgedeckt hat. Mit der Grün-
dung der Mark Meißen jedoch fingen die deutschen Eroberer an, sich
im Lande festzusetzen, deutsche Burgwarten wurden erbaut und mit
deutschen Burgmannen besetzt, deutsche Herrengeschlechter ergriffen
Besitz vom Grund und Boden, deutsche Kolonisten wanderten ein.
Wibrecht von Groitzsch siedelte Franken auf seinen Gütern zwischen
Mulde und Wyhra an, Thüringer ließen sich um Leipzig nieder,
die Bischöfe von Meißen riefen Flamänder nach Kühren bei Würzen.
So wurde unser Sachsen wieder ein deutsches Land. Nur in der
lange Zeit mit Böhmen verbundenen Lausitz hat sich bis auf die
Gegenwart ein Rest der Wenden, treu seiner Sprache und seinen
Sitten, abgesondert von seinen deutschen Nachbarn erhalten. —-
Manches, was sich an Sitten, Gebräuchen, Aberglauben noch im
Volke, zumal auf dem Lande erhalten hat, stammt aus der sla-
wischen Vorzeit. Alle Ortsnamen auf itz und itzsch, die meisten
auf au u. a. sind slawischen Ursprungs; sie finden sich daher
am zahlreichsten in der Ebene, gar nicht im obern Gebirge; denn
das rauhe Waldgebirge, der Miriqnidiwald, wie es damals hieß, ist
erst von Deutschen gelichtet und besiedelt worden. Manche Orts-
namen sind aus slawischen und deutschen Wörtern zusammengesetzt,
z. B. Rothschönberg, von hröd, Schloß. An vielen Dörfern läßt
sich noch die den Slawen eigentümliche hufeisenförmige Stellung
der Gehöfte erkennen, die deutschen Dörfer dagegen sind in Gassen-
form, meist auf beiden Seiten des Dorfbaches, gebaut.
Abstammung; Dialect; Charakter; Geschichtliches. 17
Selbst in der sächsischen Mundart ist manches Sorbische
übrig geblieben. Wenn die Leipziger Gasfee und Suchen sagen statt
Kaffee und Kuchen, so haben sie das von den Slawen ererbt, welche
ihr K wie unser hartes G aussprechen; und weil diese das Deutsche
G nicht haben, sondern statt dessen I, so herrscht weiter nordwärts
bis tief nach Preußeu hinein das I in den deutschen Wörtern, die
mit G geschrieben werden (z. B. Jott statt Gott). Selbst einige
rein slawische Wörter sind hie und da noch in Gebrauch, z. B. Po-
mätsch (von pomhacz, helfen), pömäle (von pomalu, langsam), es
ist pritsch (von prejcz, fort, weg), das hat einen Schack (von wsak,
aber). In Mickten und Uebigan bei Dresden wurde noch bis vor
nicht langer Zeit die Gemeinde von dem Ortsboten mit dem Rufe
„Botscherremo" (d. i. slawisch pöjcze hremo = kommt zusammen!)
zusammengerufen. Auch die starke, sehr laute Hervorhebung der
betonten Silbe, wie sie in der Lausitz durchgängig herrscht, ist eine
zunächst sorbische Gewohnheit, durch welche die Sprache etwas ge-
sangartiges erhält.
Die Sachsen stehen, seitdem Luther das Meißnische zur Grund-
läge für die Sprache seiner Bibelübersetzung wählte, in dem Rufe,
das beste Deutsch zu sprechen. Richtig ist dies, insofern der säch-
sische Dialect unter allen der hochdeutschen Schriftsprache am nach-
sten steht; unrichtig, insofern die sächsische Aussprache keineswegs
mustergiltig, vielmehr singend und breit ist, und weder die scharfen
von den gelinden, noch die dunkeln von den hellen Lauten unter-
scheidet.
Besser verdient ist dagegen das Lob, welches dem sächsischen
Volke noch überall und zu allen Zeiten wegen seiner Charakter-
eigenschaften ertheilt worden ist. Mit Recht gilt der Sachse als
höflich, gefällig und genügsam, als ausgezeichnet durch Rechtlich-
keit und Fleiß, durch Sinn für Kunst und Wissenschaft, durch Ach-
tung vor Fürst und Gesetz, und darum ist er wohlgelitten, wohin
er nur immer kommt, und der sächsische Name geachtet, wo immer
er geuanut werden mag. Mögen wir nie ermüden, diesen Ruhm
zu bewahren!
Unser Vaterland hat nicht immer denselben Umfang, noch auch
deuselben Namen gehabt. Den ursprünglichen Kern, ans dem es
nach und nach erwachsen ist, bildete die Mark Meißen, zu beiden
Seiten der Elbe gelegen, aber viel kleiner als das jetzige Königreich.
Feste Grenzen, zugleich auch größere Bedeutung erhielt dieselbe erst,
als Konrad von Wettin, 1123 erblicher Markgraf, die alten
Besitzungen seines Hauses, sowie zahlreiche neue Erwerbungen da-
mit verband und seinen Nachkommen vererbte. Die größte Aus-
dehuuug gewann der Länderbesitz des Hauses Wettin unter Heinrich
dem Erlauchten, welcher verschiedene Nachbarländer, namentlich
Thüringen, erwarb, so daß er ein geschlossenes Gebiet von der Oder
bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz beherrschte. Seitdem
sind jedoch manche Gebiete wieder ab-, aber auch andere dazu-
Engelhardt's Vaterlandskunde. 11. Aufl. 2
18 Von den Bewohnern.
gekommen. Als 1423 Markgraf Friedrich der Streitbare mit
dem kleinen Herzogthum Sachsen-Wittenberg und der Kurwürde
belehnt worden war, ging der Name Sachsen allmählich von dem
Kurlande auch auf die übrigen Besitzungen des Hauses Wettin über.
Nachdem im Jahre 1485 Kurfürst Ernst und sein Bruder, Herzog
Albrech t, die bis dahin gemeinsam besessenen Länder der Art getheilt
hatten, daß jener außer dem Kurlande Thüringen, dieser Meißen
als Hauptland erhielt, sind die sächsischen Länder nie wieder ver-
einigt worden; doch bewirkte die Schlacht bei Mühlberg 1547, daß
die Kurwürde und der größte Theil der Ernestinischen Länder eben-
falls auf die jüngere, Albertinische Linie übergingen. Nach dieser
Zeit hat Kursachsen noch zweimal einen ansehnlichen Zuwachs er-
fahren, durch das Vogtland, welches Kurfürst August 1569
erkaufte, und durch die beiden Lau sitzen, die Kaiser Ferdinand II.
1635 durch den prager Frieden an Kurfürst Johann Georg I.
abtrat. Damals betrug der Umfang des Albertinischen Sachsens
ungefähr 640 □ Meilen. — Im Jahr 1806, nach Auflösung des
deutschen Reichs, nahm Kurfürst Friedrich August III. den
Königstitel an, gerieth aber als getreuer Verbündeter Napoleons
nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 nicht nur in Gefangenschaft,
sondern selbst in Gefahr, sein Land ganz zu verlieren, welches Preußen
sich einzuverleiben trachtete. Nach langen Verhandlungen auf dem
Wiener Cougreß beschlossen jedoch die Mächte am 18. Mai 1815
eine Theilnng Sachsens: an Preußen kamen 367^ DM. mit
864,400 Einwohnern, nämlich das Kurland, die ganze Nieder-
lansitz, ein Theil der Oberlausitz uud des Osterlandes; dem Könige
Friedrich August verblieben nur 2711/2 □ M. mit 1,182,744
Einwohnern.
Dadurch ist Sachsen zum kleinsten Königreiche in Europa
geworden. Allein, was ihm damals an äußerem Umsauge genommen
wurde, das ist durch das rasche Aufblühen des uns gebliebenen
Theiles in fast wunderbarer Weise ersetzt worden. Die Bevölkerung
des verkleinertenKönigreichs Sachsen beträgt gegenwärtig über
700.000 Seelen mehr, als im Jahre 1815 die des ganzen; Dres-
den allein zählt jetzt mehr Einwohner als damals die 16 volkreichsten
Städte des Landes zusammengenommen. — Bedenkt man ferner,
daß es seit mehr als 4 Jahrhunderten kaum einen großen europäischen
Krieg gegeben hat, der nicht auch auf sächsischen Schlachtfeldern
ansgefochten worden wäre, daß der Hussitenkrieg, der Schmalkal-
dische, der Dreißigjährige, der Nordische, der Siebenjährige und die
Napoleonischen Kriege über nnserm Lande ihre blutige Geißel ge-
schwungen und die schrecklichsten Zerstörungen darin angerichtet
haben, vergleicht man damit den Wohlstand und die Blüte der
Gegenwart, so muß man wohl gestehen, daß der sächsischen Bevöl-
kernng einennverwüstlicheLebenskraftinnewohnt. 370 wüsteMarken
werden in nnserm Lande gezählt, Stätten untergegangener Ort-
schasten, davon 4/s allein ans dem greuelvollen Hussitenkriege her-
Geschichtliches; Grund und Boden. 19
rühren mögen, aber ihre Spur hat sich verwischt durch den Fleiß
jüngerer Geschlechter.
Ueberblicken wir die einzelnen Hauptbestandteile, aus welchen
das gegenwärtige Königreich Sachsen sich im Verlaufe seiner Ge-
schichte zusammengesetzt hat, so besteht dasselbe:
1) aus der Mark Meißen mit Ausnahme des nördlichsten
Striches derselben;
2) aus dem größten Theile des Markgrafthums Ob erl au sitz;
3) aus dem von Kurfürst August erworbenen Theile des V o g t-
landes;
4) aus demPleiß n erl and e, ursprünglich reichsunmittelbarem
Gebiete an der Pleiße und Mulde, bis über die Zschopau hinaus;
5) aus dem südlichen Theile des Ost erl and es, nördlich vom
vorigen, zwischen Elster und Mulde.
Einen kleinen Zuwachs hat Sachsen in den Jahren 1845—49
durch Berichtigung der Grenze gegen Böhmen und Sachsen-Weimar
erhalten, indem dadurch an jener die Stadt Schirgis walde und
etliche umliegende Dörfer, an dieser die Teichwolframsdorfer
Enclaven sächsisch wurden.
Thätigkeit ist die reinste Quelle des Wohlstandes für den
Einzelnen wie für ganze Völker. Diese aber hat der Sachse stets
gesucht und findet sie hauptsächlich in der Landwirtschaft, dem
Bergbau, der Industrie und dem Handel. Sachsen zerfällt in
einen vorwiegend ackerbauenden Theil, zu dem das fruchtbare,
aber weniger dicht bevölkerte Tiefland, und in einen vorwiegend
industriellen, zudem das weniger fruchtbare, aber volkreichere
Hochland gehört. Am stärksten überwiegt der Ackerbau in den Amts-
hauptmannschaften Meißen, Grimma und Döbeln, die Industrie in
den Amtshauptmannschaften Chemnitz und Annaberg und in den
schönburgischeu Receßherrschaften.
Grund und Boden sind in Sachsen eine Bau- und Werk-
stätte, in welcher der größte Theil seiner Bewohner fortwährend be-
schäftigt ist; denn man baut hier nicht bloß üb er der Erde im Sonnen-
schein, sondern auch unter der Erde bei Lampenschein, es wird hier
alles durchwühlt, der Grund wie der Boden. Gleich wie dieser vom
Landmann gepflügt, vom Gärtner oder Forstmann bepflanzt wird,
so werden vom Bergmann die unterirdischen Schätze, die Erze
und Kohlen, zu Tage gebracht, die Felsen vom Steinmetz und
Steinhauer gesprengt und verarbeitet. Es gibt kaum irgend ein
anderes Land, welches in gleicher Weise nicht bloß durch seinen
Boden, sondern zugleich durch den Grund dieses Bodens und die
maunichfaltigen aus ihnen hervorgehenden Thätigkeiten besteht*).
*) Nach der Abschätzung von 1875 betrug das Gesammteinkommen der
Bevölkerung Sachsens 10171/3 Mill. M., auf den Kopf durchschnittlich 398 M.
(in Preußen nur 296 M.)
2*
20 Von den Bewohnern.
Obgleich vom Klima nicht eben begünstigt befindet sich unsere
Landwirthschaft doch in gedeihlichem Zustande. Reichlich 3/5
von der Gesammtfläche Sachsens (1.039.203 Hectaren) sind Acker-,
Wiesen-und Gartenland, aber nur ein Sechstheil der Bewohner be-
schäftigt sich mit Ackerbau. Den reichsten Ertrag gibt er in den
Pflegen von Lommatzsch, Meißen, Döbeln und Mügeln, um Pegau,
Borna und Grimma, um Bautzen und Zittau. Aber er steigt selbst
bis hoch hinauf ins Gebirge und weiß auch da dem kärglichen Boden
noch einigermaßen lohnende Ernten abzuringen. Mehr und mehr
befleißigt sich der sächsische Landmann, durch wissenschaftlichen
Betrieb des Ackerbaus den Bodenertrag zu erhöhen, indem er den
Fruchtwechsel befolgt, durch Drainage das schädliche Grundwasser
ableitet, durch künstliche Düngemittel, Knochenmehl, Guano, Kalk,
Mergel zc., (1874 für 10 Mill. M.) den minder ergiebigen Boden
unterstützt, durch Maschinen die Arbeit kürzt und vervollkommnet,
was um so uöthiger ist, je mehr Arbeitskräfte der Landwirthschaft
durch die Industrie entzogen werden. Den Geldwerth einer Jahres-
ernte in Sachsen kann man auf 380 Mill. M. veranschlagen. Zur
Förderung der Landwirthschaft dienen der Landeskulturrath,
die 5 Kreisvereine zu Dresden, Leipzig, Chemnitz, Reichenbach
und Bautzen mit 400 Zweigvereinen uud 23.000 Mitgliedern, das
landwirtschaftliche Institut au der Universität Leipzig mit
Versuchsstation, die landwirtschaftlichen Abtheilungen
an der Realschule zu Döbeln, dem Technikum Frankenberg und der
Handelsschule zu Pirna, die Winterschule zu Bautzen sowie die
Versuchsstationen zu Möckern, Pommritz, Tharand und an der
Thierarzneischnle zu Dresden.
Unter den Halmfrüchten, mit denen mehr als 475.000 Hec-
taren bestellt werden, nimmt Winter- und Sommerroggen die erste,
Hafer die zweite Stelle eiu. Ganz Sachsen erbaute im I. 1872:
52/3 Millionen Centner Roggen, ö1/* Mill. Ctr. Hafer, 3^/g Mill.
Ctr. Weizen und 21/2 Mill. Ctr. Gerste. Doch deckt Sachsen den
ganzen Getreidebedarf seiner dichten Bevölkerung nur etwa zu zwei
Drittheilen selbst, es bedarf daher jährlich 4 — 5 Mill. Ctr. Zu-
fuhr aus dem Auslande, zumeist aus Ungarn und Rußland. —
Keine Feldfrucht wird in größerer Menge angebaut als die Kar-
toffel, denn von ihr wurden im I. 1872 gegen 12 Mill. Ctr.
geerntet. Seitdem Landgraf Wilhelm I. von Hessen dem Kurfürsten
Christian I. im I. 1591 aus seinem Lustgarten die erste Kartoffel
als ein seltenes Ziergewächs übersandte, hat sich diese wohlthätige
Pflanze bei uns so eingebürgert, daß sie einem großen Theil der
Bevölkerung zur Hauptnahrung geworden ist. Ihr Anbau im
Großen wurde zuerst im Vogtlande betrieben, doch erst seit dem
Hungerjahre 1773 fing man an ihren Werth allgemein zu schätzen.
Die Kartoffelprüfungsstationen zu Bautzen und Döbeln stellen
sich die besondere Aufgabe, die empfehlenswertesten Sorten dieser
Pflanze und die Bedingungen ihres Gedeihens zu erforschen. —
Landwirtschaft; Obst-, Gartenbau. 21
Unter den Oelfrüchten ist Raps die wichtigste, unter den Hülsen-
fruchten Erbsen und Wicken, unter den Futterkräutern Klee,
Rüben, in Sandgegend auch Lupinen. Nächstdem erbauen wir
Haidekorn in den Sandflächen der rechten Elbseite, Linsen
nur hie und da, Mais als Grünfutter in den milderen Lagen in
zunehmender Ausdehnung, Hopfen besonders bei Wehlen, Römische
Camille bei Borna, Tabak (im Ganzen 11,6 Hectaren) Vorzugs-
weise bei Leipzig und bei Dresden, Farbekräuter, vorzüglich
Krapp zum Roth- und Scharte zum Gelbfärben um Dahlen; die
meiste Scharte aber wächst wild, besonders bei Zwickau. Weber-
kard eu für unsere Tuchfabriken erzeugen die Gegenden von Pegau,
Mügeln, Döbeln, Lommatzsch, Leisnig und Bautzen. Flachsbau
wird in der Lausitz und im Erzgebirge betrieben.
Die schönsten Wiesen, ein Haupterforderniß für das Ge-
deihen der Viehzucht, sind im Erzgebirge und in den Niederungen
der Pleiße zu finden.
Der Vater unserer Obstkultur ist Kurfürst August I., wel-
cher selbst ein „künstlich Obst- und Gartenbüchlein" zur Belehrung
der Landleute schrieb, und selten spazieren ging ohne Gartenstock
und Obstkerne, die er mit Hilfe des erstern pflanzte, der nie im Lande
reiste, ohne ein Säckchen voll Obstkerne, mit denen er die Bauern
beschenkte, der die ersten Baumschulen anlegte und junge gepfropfte
Bäume zu taufenden aus dem Auslande bezog, auch sich selbst mit
Pfropfen und Ocnliren beschäftigte"). — Ausgezeichnet eignen sich
für den Obstbau die milderen Gegenden des dresdner und des leip-
ziger Regierungsbezirks; große Kirsch- und Pflaumenpflanzungen
bilden hier eine Geldquelle, die fast nie ganz versiegt und die weit
weniger Mühe und Kosten verursacht als der Ackerbau. Weit-
berühmt sind die B or sd orfer Aepfel, die ihren Namen von Bors-
dorf bei Leipzig, und die Stettin er, die ihn von Stetten bei
Rochlitz haben fallen. Früher war der Handel mit Borsdorfer
Aepfeln, besonders nach Rußland, sehr bedeutend; durch die napo-
leonischen Kriege sind jedoch die Obstpflanzungen um Leipzig zer-
stört und seitdem nicht wieder in dem früheren Umfange hergestellt
worden. Das köstlichste Obst reift an den- sonnigen Weinbergs-
geländen des Elbthales. Reihen der schönsten Obstbäume fassen im
Niederlande Straßen und Wege ein. Im allgemeinen jedoch genießt
der Obstbaum bei uns noch lange nicht die verdiente Sorgfalt, doch
geschieht neuerdings besonders durch den Landes-Obstbauver-
ein, welcher auch zu Rötha eine Baumwärterlehranstalt hält,
mehr als früher für Verbreitung geeigneter Sorten und zur Be-
förderung von Obstanpflanzungen; selbst auf deu rauheren Höhen
finden härtere Obstarten nach nnd nach eifrigere Pflege.
Gemüse zieht man als Handelsartikel besonders bei Dresden,
*) Die Werkzeuge, deren er sich dazu bediente, sind noch jetzt im histori-
schen Museum zu Dresden zu sehen.
22 Von den Bewohnern.
Großenhain, Zittau und in den berühmten leipziger Kohlgärten.
Große Fortschritte hat in der letzten Zeit die Zierggrtnerei ge-
macht, da mit dem steigenden Wohlstande auch die Neigung zur
äußeren Verschönerung des Lebens stärker erwacht ist; die bunten
und duftigen Blumen fremder Erdtheile zieren jetzt unsere Gärten
und Zimmer. Anregend wirken nach dieser Richtung mehrere Obst-
und Gartenbauvereine, welche nach dem Beispiel des ältesten von
ihnen, der Gesellschaft Flora in Dresden, von Zeit zu Zeit auf
Pflanzen-, Blumen- und Fruchtausstellungen die Erfolge ihrer Be-
mühungen aufweisen. Sehr bedeutende Handelsgärtnereien besitzen
Leipzig und Dresden, und auf einigen Rittergütern, besonders bei
Leipzig, wird selbst Ananaszucht getrieben.
Ehrwürdig durch sein Alter ist unser Weinbau im Elb-
thale; denn die ausgebreitetere Kultur des Weinstocks begann im
11. Jahrhundert durch die Bischöfe von Meißen, welche Abend-
mahlswein brauchten, und zwar wurde er damals in weit größerem
Umfange betrieben als jetzt, wo man den Weinstock nur auf solchem
Boden duldet, auf dem keine andere Frucht reicheren Ertrag ge-
währt.
Der Vi eh st and Sachsens ist stärker als der der meisten andern
deutschen Länder, woher es kommt, daß die Prodncte des Bodens
zum überwiegenden Theile nicht unmittelbar zur Ernährung der
Menschen, sondern zu der der Thiere verwendet werden. Die Ver-
befserung unserer Rindviehzucht ging im 16. Jahrhundert vom
Ostravorwerk zu Dresden aus; denn dort war es, wo Vater-
August zuerst niederländisches und holländisches Vieh hielt, um
seine eigentümlichen Besitzungen damit zu belegen, dort, wo seine
sorgliche Hausfrau, Mutter Anne, selbst butterte, und damit das
erweckliche Beispiel einer emsigen Wirthschafierin gab. Auch unter-
späterer Regierung sind die Kammergüter- mit dem besten auslän-
bischen Vieh besetzt worden, was auf die gestimmte Viehzucht nicht
wenig gewirkt hat; alljährlich wird eine große Zahl Zuchtvieh,
besonders aus Oldenburg, Holland und dem Allgau eingeführt.
Bei seiner starken Bevölkerung ist Sachsen vorzugsweise auf
Milchproduction augewieseu, doch ist die Mästung von Schlacht-
vieh in raschem Steigen begriffen. Im ganzen zählt Sachsen
647.074 Stück Rindvieh. In dem braunen vogtländer Rind besitzt
es auch eine einheimische Race von bedeutenden Vorzügen. Für
das wiesenreiche Gebirge ist die Rindviehzucht wichtiger uoch als
der Ackerbau, und hier muß auch das Rind meist die Arbeit des
Ackerpferdes verrichten. — Manche Rittergüter treiben ausgedehnte
Käserei.
Was das Ostravorwerk im 16. Jahrhundert für die Rindvieh-
zucht, das ward im 18. der ehemalige Thiergarten zn Stolpen
für die Schafzucht. Die Schlechtigkeit der inländischen Wolle
nämlich, welche nur Fertigung grober Tücher erlaubte, veranlaßte
1765 den Prinzen Taver, welcher während der Minderjährigkeit
Weinbau; Viehzucht. 23
Friedrich Augusts regierte, den Hof zu Madrid um Ueberlassung
spanischer Schase oder Merinos zu bitten, und bald folgte ein
Geschenk von 300 Stück nebst 6 Schäfern und 6 Hunden, für
welche im stolpener Thiergarten eine Schäferei eingerichtet ward.
Von letzterer wie von den spätern Anstalten dieser Art zu Renners-
dors bei Stolpen und zu Lohmen, für welche die Regierung
mehrmals, zuletzt im Jahre 1815, Merinos aus Spanien kommen
ließ, sowie durch die Schäferschule zu Stolpen, ist nach und
nach unsere Schafzucht so veredelt worden, daß sächsische oder
sogenannte Electoralwolle in England sogar höher als die
spanische geschätzt wurde. Von Sachsen aus hat sich die Spa-
nische Schafzucht fast über ganz Deutschland verbreitet, und statt
daß wir sie sonst den Spaniern ablernten, sind im Jahre 1.829
von Lohmen und Rennersdorf aus 22 Stühre und Mutterschafe
nach Aranjnez gesandt worden, weil in Spanien die Zucht der
Merinos durch innere Kriege viel gelitten hatte. Im I. 1824
gab es 1.150.000 Schafe im Lande mit einem Werthe an Wolle
von 4 bis 5 Mill. Thlr. mindestens, doch ist, seitdem es keine
Brache, keine Lehden und keine Hutgerechtigkeiten mehr gibt, ihre
Zahl sehr erheblich, nämlich bis auf 206.830 gesunken, und auch
die Feinheit der Wolle im allgemeinen zurückgegangen, weil die
meisten Landwirthe weniger auf diese als auf möglichst großes
Schurgewicht sehen, so daß unsere einst so berühmten Schäfereien
hierin jetzt von den schleichen überflügelt werden, und weil seit
1856, wo man aus den edelsten Zuchten Englands größere Stämme
einzuführen begann, die Mästung der Schafe zu Schlachtvieh sich
mehr und mehr verbreitet hat. Noch immer aber halten einzelne
Schäfereien den alten Ruf der sächsischen Wolle aufrecht. — Woll-
märkte halten Dresden, Leipzig und Bautzen, auf denen zu-
sammen ungefähr 270.000 Kilogr. Wolle zum Verkauf kommen.
Pferde zieht zwar der lausitzer Wende, der Bauer der lom-
matzscher und leipziger Gegend, doch nur etwa den elften Theil
von dem jährlichen Bedarf des Landes, deffen Bestand an Pfer-
den 1873 an 115.667 Stück betrug. Die für unsere Armee
kommen größtentheils aus Niederdeutschland und Ungarn. Das
Landgestüte befindet sich zu Moritzburg. Die Schweinezucht
hat seit 1846 durch Einführung englischer Racen außerordentlich
gewonnen und liefert die volle Hälfte des gesummten Fleisch-
Verbrauches. Denn im I. 1856 wurden 253.010 Schweine ge-
schlachtet, 1869 aber 406.285. Ziegen, im ganzen 105.401
Stück, werden am meisten im Erzgebirge, Gänse und Hühner
von den lausitzer Wenden gehalten; doch sind auch in der leip-
Higer Gegend große Gänseherden nicht selten. — Den Werth des
ganzen landwirtschaftlichen Viehstandes in Sachsen schätzt man
auf 240 Mill. Mark.
Ein besonders wichtiger Zweig der Landwirtschaft war sonst
dieBieuenzucht. Fastüberall gab es Bienenväter und die meisten
24 Von den Bewohnern.
landesherrlichen Waldungen hatten besoldete Zeidelm erster.
Vater August jagte selten im Schradenwalde, ohne von dort Wachs-
Honig für Mutter Anne mitzubringen. Schon damals war die
Bienenzucht etwas gesunken, weil die Reformation den Verbrauch
von Kerzen beim Gottesdienste beschränkt und dadurch den Wachs-
Handel geschmälert hatte. Noch mehr aber fiel sie im 17. Jahr-
hundert durch Einführung des Zuckers, dessen Stelle sonst der
Honig vertreten hatte. Jetzt wird sie nur noch hie und da, besonders
in den Haidegegenden des rechten Elbnfers, auch um Berggieß-
hübet betrieben; doch wendet sich ihr jetzt wieder, namentlich von
feiten des bienenwirthschaftlichen Vereins, eine steigende Aufmerk-
samkeit zu, seitdem man die Lebensweise der Biene gründlicher zu
erforschen begonnen hat. Man zählt überhaupt 64.283 Bieueu-
stocke, wovon 18.579 mit beweglichem Wabenbau. — Seiden-
raupenzucht ist nur vereinzelte Liebhaberei, im I. 1873 lieferte
dieselbe 48 Kilogr. Cocons.
Unser gestimmter Metallbergbau wird theils aus unedle,
theils auf edle Metalle, namentlich Silber betrieben. Der erstere
blüht besonders im Obergebirge und bei Altenberg, wo die meisten
Zinngruben sind, der letztere am meisten um Freiberg, wo wir ihn
auch ausführlicher kennen lernen werden. In Bezug auf das Berg-
wesen wird Sachsen in die Bergamtsreviere Freiberg, Schnee-
berg, Johanngeorgen st ad t, Altenberg, Marienberg und
Scheibenberg eingeteilt*). — Als Hüttenwerke, d. h. als
Anstalten, in welchen die Metalle aus den Erzen dargestellt werden,
kommen in Sachsen vorzugsweise in Betracht: die Silber-, Eisen-,
Zinn-, Kobalt- und Arsenikhütten. Den gesammten Bergbau leitet
das Bergamt.
Die kohlenführenden Gebiete unseres Landes sind zum
größten Theile durch Schächte aufgeschlosseu, von denen einzelne
7—800 Meter Tiefe haben. Die Ergebnisse unseres Steinkohlen-
bergbans sind in neuester Zeit wahrhaft großartig geworden. Denn
während im I. 1840 ungefähr 53/< M. Ctr. ausgebracht wurden,
betrug im Jahre 1875 das Ausbringen sämmtlicher 93 sächsischer
Steinkohlenwerke, an denen über 16.000 Beamte und Arbeiter und
334 Dampfmaschinen beschäftigt waren, über 39 Mill. Heetoliter
Steinkohlen, 1.582.474 Hectl. Coaks und 4.176.000 Stück Bri-
qnettes zusammen im Werthe von 39.808.944 M.**), d. h. mehr
*) Gewonnen werden im Freiberger Reviere hauptsächlich silberhaltige
Bleierze und Arsenikkies, im Marienberger, dem ärmsten, Zinn, Wismuth,
Arsenik und Eisen, im Alten berger das meiste Zinn, anch Silbererze und
Eisen, im Schwarzenberger das meiste Eisen, außerdem Kobalt- und
Nickelerze, Arsenik-, Schwefel-, Knpser-, Vitriol-Kies, Braunstein, Flußspath,
Schwerspath u. s. w.
**) Im ganzen deutschen Reiche wurden 1873 ans 573 Werken 728 Mill.
Ctr. im Werthe von 414 Mill. Mark ausgebracht.
Bergbau; Industrie. 25
als während des ganzen 17. und 18. Jahrhunderts zusammen-
genommen gefördert worden sind; davon stammten 36 Mill. Ctr.
aus dem Erzgebirgischen, 12 Mill. aus dem Potschappler Becken.
In den 27 Jahren von 1846—1873 sind in Sachsen über 828 Mill.
Ctr. Steinkohlen, 265 Mill. M. im Werthe, gefördert worden.
Die Lausitz führt auch noch schlesische Kohlen ein, wogegen ein
beträchtlicher Theil der zwickauer ins Ausland, namentlich nach
Baiern und Würtemberg geht. Die zwickauer Kohle eignet sich
besser für Haushaltungen und für Maschinenfeuerung, dagegenhält
die des Plauener Grundes besser aus. — Außer zur Heizung werden
viel Steinkohlen, ungefähr 1.500.000 Ctr. jährlich, zur Bereitung
von Gas verwendet, welches fast sämmtliche sächsische Städte und
selbst mehrere Dörfer erleuchtet. Die ersten Versuche mit Gasbeleuch-
tuug im Kleinen machte im Jahre 1811 der Hüttenbeamte Lampa-
dins zu Freiberg. In Dresden legte R. Bloch mann 1820 die erste
Gaslaterne an; 1825 erhielt er die Erlaubniß zur probemäßigen
Beleuchtung eines Saals im königlichen Schlosse, die so glänzend
ausfiel, daß ihm die Ausführung seines Projects definitiv über-
tragen wurde. Die öffentliche Straßenbeleuchtung durch Gas datirt
in Sachsen vom 28. April 1828, wo bei der Illumination zu Ehren
der Geburt des jetzigen Königs Albert in Dresden zum ersteumale
die Gasflammen brannten.
An Braunkohlen wurden 1875 von 184 Werken durch
3600 Arbeiter und 42 Maschinen über 8.715.086 Hectoliter, dazu
51.847.425 Stück Braunkohlenziegel und 7.231.100 Briqnettes
zusammen im Werthe von 2.479.000 Mark zu Tage gefördert, wo-
von die Oberlausitz die Hälfte lieferte; mindestens ebensoviel (22
Mill. Ctr.) bringen uns die Elbe und die Eisenbahn Braunkohlen
aus Böhmen. Der Flächeninhalt sämmtlicher sächsischer Gruben-
felder betrug 45.868,2820 Hectare, nämlich beim Erzbergbau
30.455,6, beim Steinkohlenbau 12.579,9, beim Braunkohlenbau
2.832,78. Unsere Torflager, obgleich noch keineswegs hin-
reichend ausgebeutet, liefern jährlich ungefähr 110 Mill. Stück
Ziegel. Der erste, der ihnen Aufmerksamkeit schenkte, war der
treffliche Staatswirth Kurfürst August, doch begann eine allge-
meinere Benutzung erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
Ist also schon die Gewinnung von Rohproducteu iu unserem
Lande eine sehr bedeutende, so zeichnet es sich doch in noch viel
höherem Maße durch seinen großartigen Gewerbfleiß aus, der
Sachsen zu einem der ersten Industrieländer der Erde
macht. Reichlich die Hälfte (fast 52 Procent) Einwohner arbeiten
im Dienste der Industrie. Sächsische Maaren finden ihren Weg
nach allen Märkten der Erde, dafür trägt sich aber auch nichts von
Bedeutung in den Welthändeln zu, was nicht auf unsere Industrie
seinen Einfluß übte. Ob die Nordamerikaner eine gute oder eine
schlechte Baumwollenernte haben, ob die Japanesen ihre Häfen dem
26 Von den Bewohnern.
Verkehr fremder Nationen öffnen oder schließen, ob in Südamerika
Krieg oder Frieden herrscht, ob der Sultan Geld hat oder keins,
das alles und vieles andere wird nach seinen Wirkungen in der
Hütte des sächsischen Webers und Wirkers empfunden. Ebendes-
halb hat auch die sächsische Industrie die Coucurrenz ausländischer,
namentlich englischer Fabriken zu bestehen: wo diese zu mächtig
war, da sind unsere Fabrikationszweige zurück- oder ganz einge--
gangen, andere halten den Kampf nur dadurch aus, daß die säch-
fischen Fabriken billiger arbeiten als die auswärtigen; überhaupt
aber bleibt gegenwärtig ein größerer Theil der sächsischen Fabrikate
innerhalb des Zollvereins als früher, wo Sachsen hauptsächlich
außerdeutsche Märkte versorgte.
Wie in anderen industriellen Staaten, so haben auch in Sachsen
die einzelnen Industriezweige sich meistenteils auf bestimmten Ge-
bieten heimisch gemacht, auf welchen sie sich in Verbindung mit ver-
wandten Beschäftigungen ausschließlich concentriren. Der Haupt-
sitz unserer Industrie liegt in dem Gebiete der beiden Mulden, der
oberen Elster und in der Lausitz, wo es nicht bloß Fabrikstädte,
sondern auch Fabrikdörfer gibt, die so manche Stadt an Größe
und Bevölkerung, Nettigkeit der Bauart und Lebendigkeit des Ver-
kehrs übertreffen.
Es ist wohl kaum irgend ein industrielles Product, welches
nicht auch in Sachsen verfertigt würde, allein bei weitem die vor-
nehmste und reichste Erwerbsquelle unserer Fabrikbevölkerung ist
die Textil-, d. h. Gewebeindustrie, die in ungefähr 2000
Etablissements betrieben wird und über 50.000 Menschen Beschäst-
tignng gibt; der Werth der Maschinen allein, die für sie arbeiten,
mag sich auf wenigstens 50 Mill. M. belaufen. Nach den Roh-
stoffen, welche sie verarbeitet, zerfällt sie in Wollen-, Leinen-
und Baumwollenindustrie, nach der Art, wie sie dieselben ver-
arbeitet, in Spinnerei, Weberei und Wirkerei, denen sich
Appretur, Färberei und Zeugdruck anschließen. In allen
Zweigen der Gewebeindustrie, mit Ausnahme der Leinweberei,
übertrifft der Regierungsbezirk Zwickau alle andern, und
innerhalb desselben sind wiederum Chemnitz mit seiner Umge-
bnng, ferner Glauchau, Meeraue, Hohenstein und Plauen
die Hauptmittelpunkte unseres vaterländischen Gewerbfleißes; in
der Leinenindustrie aber behauptet die Lausitz die erste Stelle.
Die größte Verbreitung besitzt unter unsern Industrien die
Verarbeitung der Baumwolle. Seitdem aber durch den
nordamerikanischen Bürgerkrieg von 1861 — 65 die Baumwolle
außerordentlich im Preise stieg, sind viele Fabriken von dieser
zu Flachs oder Schafwolle übergegangen, so daß die Zahl der
Baumwollspinnereien sich in den letzten Jahren von 150 auf etwa 60
vermindert hat. — Für die Spinnerei baumwollener Garne
ist Chemnitz und dessen Umgegend Mittelpunkt, für die Baum-
wolleuweberei außer Chemnitz Plauen und die Lausitz; die
Industrie. 27
Plauensche Weißwaare, auch Musselin genannt, besteht nur
aus Baumwolle und dient zum Theil der Weißstickerei; unter
Chemnitzer Waare, die oft Zuschuß von Seide, wollenem und
leinenem Garu hat und meist bunt ist, versteht man Kattun,
Pique, Manchester, Tücher und Modestosse aller Art. Bunte
Baumwollenwaaren werden auch im Vogtlande, bunte Köper und
Drells, Rock- und Hosenstoffe hauptsächlich in der Lausitz fabricirt.
Außer dem Gespinnste seiner eigenen Maschinen verwebt wachsen
eine große Menge englischen Garns, besonders der feineren Num-
mern, deren Herstellung die thenersten Maschinen erfordert. Mehr
und mehr verdrängt die mechanische Weberei die Handstühle, der
fabrikmäßige Betrieb die Hausindustrie. Die größten Bleiche-
reien haben ebenfalls Chemnitz und Plauen. — Auch die
Strumpfwirkerei hat ihren hauptsächlichen Sitz in der Nach-
barschaft von Chemnitz.
Was unsere Baumwollenindustrie verloren, das hat dafür die
Wollen- und Leinenindustrie gewonnen. Die Fabriken in
Schafwolle verarbeiten außer dem größten Theile der sächsischen
Wolle auch ansehnliche Mengen ausländischer. Die größte Sorgfalt
muß dabei auf das Sortiren verwendet werden, denn oft werden aus
einem einzigen Schafvließ mehr als zehn Sorten Wolle sortirt.
Entweder wird dieselbe zu Kammgarn versponnen, aus dem man
glatte Stoffe macht, oder zu Streichgarn, welches, nach dem es
in der Walke noch mehr verfilzt worden ist, Tuch, Flanell und der-
gleichen liefert. Hauptpunkte für Tuche, Bnckskin :c. sind Kam enz,
Bischofswerda und Großenhain, nächst diesen Oschatz,
Oederan, Werdan und Kirchberg, für Flanelle Hainichen,
für wollene und halbwollene Kleiderstoffe Chemnitz, Glauchau,
Meerane, Reichenbach, Oelsnitz und Zittau, für wollene
Strumpswaaren Bautzen und Limbach. Unsere ehemalige Tuch-
macherei ist immer mehr zur Tuchfabrikation, das Kleingewerbe zur
Großindustrie geworden, die Zahl der Unternehmer hat sich zwar
verringert und einige Orte haben die Tuchmacherei ganz aufgegeben,
dafür sind aber neue Fabriken mit verbesserten Maschinen entstan-
den, und diese sind es, denen jetzt die sächsischen Tuche ihren großen
Ruf und ihren starken Absatz verdanken.
In Folge der hohen Bcmmwollenpreise ist die Spinnerei von
aus Baumwolle, Wolle und Seidenabfällen gemischten Garnen und
die aus Lumpen reprodndrte Kunstwolle aufgekommen, welche
von Crimmitschau, Werdan und Plauen, von Großenhain und
Döbeln in großen Mengen besonders nach England ausgeführt
werden.
Zu den ältesten Erwerbszweigen gehört die Lein wand webe-
rei, sie kam aber erst seitdem 16. Jahrhundert in Schwung und
zwar ebenfalls durch Vater August,^velcher nicht selten Flachs aus-
theilen ließ, um die Landleute zum Spinnen und Weben zu ermun-
tern. Lange erhielt sich deshalb in Rockenstuben ein Liedchen des
28 Von den Bewohnern.
Anfangs: „Gabe der Korferst nit Flachsen zumFädel, feierten Mä-
del und Spinnrädel." Ehedem baute der Landmann den eigenen
Bedarf an Flachs, und Frau und Töchter verspannen ihn und bleich-
ten die Leinwand selbst. Damals fehlte in keinem Hause das Spinn-
rad. Jetzt aber ist auch die Verarbeitung des Flachses zur Fabrik-
iudustrie geworden nnd^die wenigsten Menschen bekommen in ihrem
Leben Spinnrad und Spindel zu sehen. Von Bedeutung für das
obere Erzgebirge ist die daselbst 1860 zuerst unternommene Ein-
führnng der mechanischen Flachsspinnerei geworden, welche
1864 schon 180.000 Spindeln in Bewegung setzte. Am weitesten
verbreitet ist die Leiuweberei in der Lausitz, wo Ebersbach und
Schirgiswalde ihre Hauptpunkte sind, doch hat sie, namentlich
die Herstellung rein leinener Gewebe, im Vergleich zu früher ab-
genommen. Die Dam astweb er ei blüht in Groß- und Neu-
schöuau bei Zittau, das Spitzenklöppeln im Erzgebirge.
Weniger bedeutend ist die sächsische Seidenindnstrie. Sei-
dene Bänder, Sammt und Plüsch webt besonders Annaberg, Sei-
denzeug Frankenberg und Chemnitz, Seidenspinnereien haben
Leipzig und Falkeuau. — Die Posamentenwirker ei hat sich von
Annaberg aus über das benachbarte Gebirge verbreitet; die Band-
fabrikation hat ihren Sitz in und um Pulsnitz. — Färberei
und Zeugdruck, die von der Spinnerei und Weberei nnzertrenn-
lich sind, werden vornehmlich in Chemnitz, Zschopau, Frankenberg,
Glauchau, Penig, Burgstädt und Hainichen betrieben. ■— Endlich
sind der Gewebeindustrie noch hinzuzuzählen die Wachstuch-
fabrikation, die für Leipzig, auch für Chemnitz wichtig ist, die
Fabrikation künstlicher Blumen in Leipzig und Dresden,
Sebnitz und Neustadt b. St., und die Papierfabrikation, die
zwar sehr zugenommen hat und durch etliche 60 Fabriken vertreten
ist, die aber trotzdem noch nicht für den inländischen Verbrauch ge-
uügt, da die Buchhandelstadt Leipzig Papier in so großen Massen
bedarf; wegen der Vertheuernng der Lumpeu verwendet sie auch
Stroh und selbst Holzmasse, für deren Bereitung die erste Fabrik
1856 in Georgenthal bei Johanngeorgeustadt entstand.
Die Fabrikation von Metallwaaren ist vertreten durch die
Eisenindustrie des westlichen Erzgebirges, die Eisenguß, Blech-
waaren, Draht und Nägel liefert, durch die Schrotgießerei in
Freiberg, die Messerschmiedewaaren in Neustadt b. St. und
anderwärts, den Glockenguß iu Leipzig, Dresden und Kleinwelka,
das Messingwerk zu Rodewisch, die Argentanfabriken in
Aue und Lößnitz, die Gußstahlfabrik in Berggießhübel und im
Plauener Grunde, die Schriftgießerei in Leipzig und Dresden,
die Verfertigung von Bijouterien hauptsächlich in Leipzig und
Dresden :c. Aber weitaus am wichtigsten ist der Maschinenbau,
der erst im I. 1826 zu Chemnitz entstand, sich bald über das ganze
Land, am meisten im zwickauer und leipziger Regierungsbezirk ver-
breitete, 1861 bereits 117 Werkstätten mit 106 Dampfmaschinen
Industrie; Handwerk. 29
von 900 Pferdekräften und 8000 Arbeiter zählte, und sich seitdem
noch fortwährend und sehr bedeutend erweitert hat. Der Maschinen-
bau lohnt aber nicht nur seine Arbeiter im allgemeinen höher als
die übrigen Gewerbe, so daß auch deren Familien sich in einer viel
besseren Lage befinden, als die der Weber, Wirker und Spinner,
sondern er bildet auch dadurch, daß er die Körperkrast übt und ent-
wickelt, einen kräftigen Menschenschlag, was für ein Land wie Sach-
sen, dessen Industrie vorwiegend schwächere Männer, Frauen und
Kiuder beschäftigt und zur körperlichen Kräftigung der männlichen
Bevölkerung nichts beiträgt, von hohem Werthe ist. — Steiuzeug-
ltnd Th onwaarenfabriken haben Chemnitz, Zwickau, Meißen und
Bautzen; dieberühmtestePorzellanfabrik hat Meißen, eine zweite
Zwickau; Hohl- und Spiegelglas wird bei Dresden, in Rade-
berg, in Zwickau und bei Carlsfeld fabricirt.
Zu einem Hanpterwerbszweig des Leipziger Regierungsbezirks
hat sich, von Leipzig selbst ausgehend, die Cigarrenfabrikation
ausgebildet, die auch im dresdner und zwickauer Bezirk seit der
Baumwollennoth viele Hände beschäftigt. Kein Land des Zollver-
eins, höchstens Hannover und Baden ausgenommen, treibt diese in
solchem Maße wie Sachsen, wo jährlich ungefähr 500 Mill, Ci-
garren verfertigt werden.
Der Holzreichthum des Erzgebirges hat zur Entstehung von
mancherlei Holzindustrien daselbst Anlaß gegeben, der Fabri-
kation von Spielwaaren in Seiffen, von Haus- und Küchengeräth
in Olbernhan, Waldkirchen :c., von musikalischen Instrumenten in
Klingenthal, Markneukirchen und Adorf, von feinen Tischlerwaaren
in Johanngeorgenstadt, der Stnhlbauerei in Rabenau zc. Fabrik-
mäßige Bretschneiderei herrscht in den höheren Elbe-, Mulde-
und Weißeritzgegenden. Kohlenbrennerei und Pechsiederei
werden, wenn auch beschränkter als sonst, in den erzgebirgischen und
vogtländischen Waldungen betrieben. — Uhrenfabrikation ist in
Carlsfeld und Glashütte, Stroh flechter ei um Altenberg, Krei-
scha, Dohna und Possendorf heimisch. — Die Pianofortefabri-
kation blüht besonders in Leipzig und Dresden.
Die Bierbrauerei, früher ein städtisches oder ländliches
Nebengewerbe, hat sich mehr und mehr zur Großindustrie umge-
staltet, die besonders durch Aktiengesellschaften betrieben wird. Der
Brauereien sind weniger, des Bieres aber ist mehr geworden. Zu
den größten der 690 Brauerein gehören die in Dresden, Leipzig,
Chemnitz, Plauen, Medingen, Meißen und Cainsdorf. Brannt-
weinbrennerei treiben meist nur Rittergüter, deueudie abfallende
Maisch ein werthvolles Viehfutter liefert.
Daß uns die gewöhnlichen Handwerke nicht fehlen, bedarf
kaum der Erinnerung. Auffallend groß ist in Sachsen, im Ver-
gleich zu andern Ländern, die Zahl der Maurer und Zimmer-
leute, was in dem außerordentlich raschen Wachsthum unserer
Industriestädte, sowie in den häufigen Bränden seinen Grund hat.
30 Von den Bewohnern.
Die meisten Handwerker arbeiten nur für den localen Bedarf,
in einigen Orten aber treiben sie auch Markigen)erbe, z. B.
die Schuhmacherei in vielen kleinen Orten um Leipzig, die
Gerberei, die jedoch wegen Mangels an Eichenrinde lange nicht
soviel Leder erzeugt als wir brauchen, um Dresden und im
Leipziger Bezirke, die Töpferei in Königsbrück, Pulsnitz und
Bischofswerda, in Waldenburg, Kohren und Frohburg, in Pirna,
Dresden und Meißen.
Früher mußte jeder Handwerker einer bestimmten Innung
oder Zunft angehören und durfte nur solche Gegenstände arbeiten,
welche derselben ausdrücklich zukamen. Da aber eine solche Be-
schränkung mit der Ausdehnung und Vervollkommnung der Ge-
werbe nicht mehr vereinbar war, so hat das Gewerbegesetz vom
15. Oct. 1861 alle Verbietungsrechte aufgehoben und die Gewerbe-
freiheit eingeführt, so daß jetzt ein jeder arbeiten kann, wozu er
Geschick, Lust und Gelegenheit hat. Zwar gestattet die neue Gesetz-
gebung das Fortbestehen der Innungen, indem sie als Aufgabe
derselben insbesondere die Gründung and Förderung von Fach-
schulen und ähnlicher gemeinnütziger Anstalten bezeichnet, doch
haben sich bereits viele Innungen freiwillig aufgelöst. Die durch
dasselbe Gesetz errichteten 5 Handels- und Gewerbekammern
in Zittau, Dresden, Chemnitz, Leipzig und Plauen dienen der Re-
giernngsbehörde als sachverständige Organe in Fragen, welche
Handel und Gewerbe angehen, auch sind sie als Vertreter der
gemeinschaftlichen Handels- und Gewerbeinteressen ihres Bezirks
befugt Anträge an die Behörde zu bringen.
Nicht nur durch die Menge und Güte seiner Waaren verdient
Sachsen eine Ehrenstelle im Gebiete des deutschen Gewerbfleißes,
sondern auch als Vaterland so mancher wichtigen Erfindung, wie
des Porzellans, der Kobaltfarbe, der weißen Eisenbleche, des Ar-
gentans und vieler Verbesserungen im Maschinenwesen. Und nicht
minder ist es ein Ruhm für Sachsen, daß seine Industrie wiederholt
durch die Aufnahme fleißiger Einwanderer, die Glaubenshaß aus
ihrer Heimat vertrieben hatte, gefördert worden ist; die 20.000 vor
Alba flüchtenden Niederländer, denen Knrfürst August die Nieder-
lassung gestattete, haben uns durch Einführung der Wollenindnstrie
und der Posamentenfabrikation gelohnt, böhmische Exulanten sind
die Begründer mehrerer erzgebirgischen Gewerbe geworden, fran-
zösische Hugenotten, der Tyrannei Ludwigs XIV. entflohen, haben
Leipzigs Handelsblüte nicht wenig gefördert.
Stets hat unsere Staatsregierung auf die Hebung und Ver-
vollkommnung der vaterländischen Industrie ihr besonderes Augen-
merk gerichtet, und wenn diese auch gegenwärtig hinreichend erstarkt
ist um die unmittelbare Unterstützung derselben nicht mehr zu be-
dürfen, so bleibt es doch immer eine Hauptbedingung ihres Ge-
deihens, daß die Regierung die gewerblichen Verhältnisse sorgsam
und nach zeitgemäßen Grundsätzen behandelt.
Handel; Verkehr. 31
Zum Unterrichte junger Leute im Gewerbfache bestehen die
Werkmeister- und Gewerbezeichenschule in Chemnitz, zur
Nachhilfe im Schulunterricht Sonntagsschulen für Lehrlinge
und Gesellen in mehreren Städten, 20 Handelsschulen in den
größeren Industriestädten und zahlreiche Gewerbevereine. Ans-
steHungen von Erzengnissen der vaterländischen Industrie finden
von Zeit zu Zeit an geeigneten Orten statt; in größerem Maße
geschah dies zuletzt im I. 1875 durch die sächsische Industrie-
ausstellung zu Dresden.
Eine so hoch entwickelte Industrie ist nicht denkbar ohne aus-
gebreiteten Handel mit dem Auslande. Hatte schon im 12. Jahr-
hundert die Silberausbeute der freiberger Gruben die Stiftung
der leipziger Märkte veranlaßt, unterhielt Leipzig schon gegen Ende
des 13. Jahrhunderts Handelsverkehr mit Osteuropa und der Le-
vante, so ist auch heute noch Leipzig mit seinen berühmten
Messen unser wahres Handelsherz, wo alle Adern des Verkehrs
und Gewerbfleißes zusammentreffen und wieder Geld und Gelegen-
heit es zn gewinnen durchs ganze Land verbreiten. Unsere wichtigste
Messe ist dieJnbilate- oder Ost ermesse; ob diese gut ausfällt,
d. h. ob sich Käufer genug für unsere Waaren gefunden haben, da-
von hängt nicht selten das Wohl von vielen lausenden unserer ge-
werbsteißigen Brüder ab. Setzt dort der Fabrikant nicht viel ab,
erhält er wenig neue Bestellungen, so kann er natürlich auch seinen
Arbeitern nicht viel zu verdienen geben oder muß sie wohl gar ent-
lassen. Seitdem jedoch die Eisenbahnen die auswärtigen Einkäufer
in Stand setzen, sich ohne viele Mühe und Zeitauswand ihren Be-
darf an den Fabrikorten selbst zu holen, haben die leipziger Messen
für einen großen Theil unserer Industriezweige, namentlich für
Modeartikel, von ihrer Bedentuug eingebüßt nud viele Fabrikanten
beziehen sie, statt mit Waaren, nur noch mit Mustern. —
Jahrmärkte darf nach der neuen Gesetzgebung keine Stadt unter
10.000 Einwohnern mehr als zwei, keine größere mehr als drei im
Jahre halten.
Der große Aufschwung unseres Handels in der Gegenwart
schreibt sich größtenteils von dem Beitritt Sachsens zum Deut-
scheu Zollverein am 30. März 1833 her; er führt hauptsächlich
die im Lande fabricirten Mannfacturwaaren aus, ein dagegen die
unfern Fabriken notwendigen Rohprodncte, Kolonialwaaren, Ge-
treide und solche Waaren, die auswärts besser dargestellt werden
als bei uns, z. B. böhmisches Glas, französische Modewaareu;
oder er vermittelt nur, durch die leipziger Messen, den Waaren-
austausch anderer Länder. Im Ganzen empfangen wir vom Aus-
lande mehr Geld als wir demselben zahlen, und darin zeigt sich
nicht nur der Reichthum an Produeteu und Waaren, welche Fleiß
und Geschicklichkeit unserer Brüder fertigen, es liegt darin auch die
Hauptursache für den steigenden Wohlstand unseres Landes.
Der Förderung des Verkehrs dienen unsere Chausseen, die
32 Von den Bewohnern.
eine Gesammtlänge von 2793 Kilom. haben, in noch weit höherem
Maße aber unsere Eisenbahnen. Das kleine Sachsen kann sich
rühmen, die erste größere Eisenbahn in ganz Deutschland, und
zwar aus Privatmitteln, erbaut zu haben, nämlich die Leipzig-
Dresdner, welche 9 Mill. Thlr. kostete, am 24. April 1857 zuerst
von Leipzig bis Althen befahren und am 9. April 1859 in ihrer
ganzen Länge eröffnet wurde. Der Bau von Staatsbahnen begann
im I. 1845 mit dem der Sächsisch-Böhmischen Bahn.") Gegen-
wärtig besitzt Sachsen 2021 Kilometer Eisenbahnen, d. h. auf
die Quadratmeile 772 Kilom. Vou diesen waren Ende 1875
1065 Kilom. Staatsbahnen, wovon 60,789 Kilom. außerhalb
Sachsen lagen. Im I. 1876 hat jedoch der Staat das ganze Netz
der Leipzig-Dresdner Bahn und ebenso die meisten übrigen Privat-
bahnen angekauft, wodurch die Länge der Staatsbahnen auf
*) Die sächsischen Eisenbahnen nach der Zeit ihrer Entstehung!
1836—39 Leipzig-Dresdner ........... 114,97g Kilom.
1840 Leipzig-Magdebnrger (sächsisch) ....... 7 „
1841—57 Sächsisch-Bairische mit Zweigbahn Zwickan-Werdan
(1845) ..."..................181,247 „
1844—47 Sächsisch-Schlesische ...............102,385 „
1845—48 Sächsisch-Böhmische .......... 65 „
1845—48 Löbau-Zittan ...................33,982 „
1845—58 Chemnitz-Riesa-Zwickan-Gößnitz ...... 126,264 „
1853—55 Dresden-Tharand (Albertsbahn) ...... 35,492 „
1855—59 Zwickan-Schwarzenberg-(Schneeberg) ..... 45,965 „
1857—59 Zittau-Reichenberg (26.550 Kilom.) sächsisch . . 4,875 „
1858 d'hemnitz-Wnrschnitz .......... 12,333 „
1859—62 Tharand-Freiberg ........... 26,393 „
1860—66 Coswig-Meißen-(1860)-Borsdors ...... 105/150 „
1861 Bockwaer-Kohlenbahn .......... 13 „
Greiz-Brunn (12 Kilom.) sächsisch..........1,382 „
1863—65 Vogtländische Bahn (Herlasgrün-Eger) .... 101,799 „
1863 — 66 Ehemnitz-Annaberg .......... 55,437 „
1866—67 Zittan-Wermsdors-Großschönan ...... 7,980 „
1867—69 Freiberg-Flöha und Niederwiesa-Hainichen . . . 44,729 „
1869—71 Radeberg-Kamenz-Landesgrenze ....... 35,521 „
1869—72 Chemnitz-(Borna)-Kieritzsch mit Zweigbahnen nach
Limbach, Rochlitz, Penig ....... 86,707 „
1871—74 Löban-Ebersbach-Eiban-Seishennersdori .... 29,818 „
Annaberg-Weipert, sächsisch ........18,220 „
—1874 Planen-Oelsnitz ........... 19,29z „
Hainichen-Roßwein .......... 20,3 „
Gaschwitz-Menselwitz (27.7g) sächsisch ..... 20,2?3 ,,
—1875 Ebersbach-Sohland ..........14 „
Dresden-Berlin (sächsisch) ........ 46 „
Chemnitz-Kommotan (Pockan-Olbernhan) ... 69 „
Nossen-Freiberg-Mnlda ......... 38,2i9 „
Riesa-Elsterwerda (sächsisch) ........ 18 „
Pirna-Arnsdorf............ 21 „
Sächs.-Thüringische (Weischlitz-Wolssgesährt) (sächs.) 25 „
Zittan-Görlitz (sächsisch) ......... 22 „
(^Hemnitz-Ane-Adorf (Klingenthal) ...... 120 „
Mnldenthalbahn(-Glanchan-Großbothen) ... 66 „
Zwickan-Falkenstein . ......... 37 „
Handel; Verkehr. 33
1580 Kilom. gestiegen ist. Ende 1875 besaßen die Staatsbahnen
474 Locomotiven mit 367 Tendern, 1288 Personenwagen mit
46.685 Plätzen, 258 Passagiergepäckwagen und 14.315 Güterwagen
mit 108.752.000 Kilogr. Ladungsfähigkeit. Im 1.1874 beförderten
dieselben in 242.898 Zügen über 12 Mill. Passagiere und 1551/2
Mill. Ctr. Güter und verzinsten bei einer Einnahme von 15.247.453
Thlr. ihr Anlagekapital (100.885.466 Thlr.) mit 5,875 Procent.
Den stärksten Personenverkehr haben die Stationen Dresden-Kötz-
schenbroda und Plauen-Potschappel, der stärkste Güterverkehr war
zwischen Zwickau und Cainsdorf. Die höchstgelegene Station ist
Weipert (708,2 m), die tiefste Riesa (103,5^). Im Ganzen haben
sämmtliche Staatsbahnen 3752 m Steigungen und 2259 ui Sen-
kungen. Sonach hat jeder Zug, welcher ihre ganze Länge befährt,
auf seiner Hin- und Rückfahrt eine Höhe von über 6000 Metern zu
ersteigen, d. h. 1200 Meter mehr als die Höhe des Montblanc, und
Tag für Tag ist dies durchschnittlich 15 mal der Fall!
Eine wichtige Handelsstraße ist auch die Elbe. Stromab gehen
auf ihr meist Holz, Sand- und Kalksteine, Getreide, Kohlen und
Obst, stromauf besonders Salz und Kolouialwaaren. Für Die-
jenigen, welche sich der Prüfung als Elbschiffer und Floßführer
unterziehen wollen, sind seit 1855 Schifferschulen zu Schandau,
Königstein, Wehlen und Posta eingerichtet worden, die wäh-
rend des Winters Unterricht ertheilen. Die im I. 1837 gegründete
Sächsische Elbdampfschiffahrtsgesellschaft befördert auf
20 Booten jährlich gegen 2 Millionen Personen zwischen Leitmeritz
und Riesa, eine zweite Gesellschaft für Waarentransport zwischen
Außig und Magdeburg hat sich 1865 in Prag gebildet, kleine
Schraubendampfer helfen den Personenverkehr zwischen Dresden
und Pillnitz vermitteln und seit 1869 ist die Kettenschleppschiffahrt
von der böhmischen Grenze bis nach Hamburg ins Leben getreten.
Ueber 6000 Fahrzeuge passiren jährlich Schandau. Im I. 1875
belief sich der Bestand der Elbfahrzeuge in Sachsen auf 18 Personen-
dampsschiffe, 1 Güterdampfschiff, 6 Schlepper, 13 Kettenschlepp-
schiffe, 3 Schraubendampfer, 2 Dampffähren und 399 Segel- und
Schleppschiffe, zusammen mit 1.333.865 Ctr. Tragfähigkeit. Seit
Jahren aber hat unsere Elbschiffahrt mit dem niedrigen Wasser-
stand in den Sommermonaten zu kämpfen, so daß von Juni bis
September keiu Fahrzeug mehr voll belastet werden kann, die Fracht-
schiffahrt mitunter ganz eingestellt werden muß, trotzdem daß unsere
Regierung durch Uferbauten und Ausbaggerung das Fahrwasser in
möglichst gutemZustande zu erhalten sucht. Sind doch von 1846—75
durch Dampfbagger 2.881.545 Kubikmeter aus dem Strombette ge-
hoben und zur Auftreibung von Parallelwerken, zu Uferschüttuu-
gen k. verwendet, bis ebendahin 81.994 Meter Correctionsbauten
aufgeführt, durch diese der Strom auf eine Länge von 56.164 m
corrigirt und demselben dadurch ein Flächenraum von 2.804.280 □ m
abgewonnen worden. Die dadurch entstandenen Anlandungen
Engelhardts Baterlandskuude. 11. Aufl. 3
34 Von den Bewohnern.
werden, sobald sie sich über den mittleren Wasserstand erheben,
mit Weiden bepflanzt.
Das Postwesen hat in den letzten 45 Jahren verschiedene
zeitgemäße Umgestaltungen erfahren, insbesondere hat sich das
Briefpostwesen durch Herabsetzung des Portos dermaßen erweitert,
daß im I. 1874 durch die 328 sächsischen Postanstalten der beiden
Oberpostdirectiousbezirke Dresden und Leipzig an 49 Mill. Briefe
und Fahrpostsendungen, 1100 Mill. M. an Werth- und Geldsen-
düngen, überdies 260.000 Passagiere befördert wurden. — Das
Telegraphennetz, mit welchem 1850 der Anfang gemacht wurde,
zählt gegenwärtig 117 Stationen und verbindet alle bedeutenderen
Städte des Landes untereinander wie mit dem Auslande. Im I.
1875 gingen auf den sächsischen Reichstelegraphenlinien 2.525.588
Depeschen.
Das Geld- und Creditwesen, ein unentbehrliches Hilss-
mittel für Handel- und Gewerbe, wird durch zahlreiche Bauken,
von denen die Leipziger Bank, die dortige Kreditanstalt, die Chem-
nitzer Stadtbank, die Landständische Bank zu Bautzen und die Säch-
sische Bank in Dresden die bedentensten sind, versehen, zu denen
noch die Filiale der Reichsbank hinzukommen. Einen großen Auf-
schwuug hat in der letzten Zeit das Actienwesen genommen, so
daß es im I. 1872 in Sachsen 179 Aktiengesellschaften mit einem
Kapitale von 480.432.243 M. gab. Steigender Wichtigkeit erfreuen
sich die Vorschußvereine, welche ihren Mitgliedern die Vortheile
eines erleichterten Kredits zu verschaffen bezwecken. Seitdem sich
1854 zu Meißen der erste sächsische Creditverein gebildet hatte, fand
dieses Beispiel so vielfache Nachahmung, daß jetzt im Königreiche
133 Vorschuß- und Sparvereine bestehen. Eine große Wohlthat
sind die Sparkassen, welche auch die kleinste Ersparniß nutz-
briugeud uud sicher anzulegen gestatten. Die älteste derselben ist die
zu Aunaberg von zwei Kaufleuten gegründete und noch jetzt be-
stehende Spar- und Leihkasse, deren erstes Sparkassenbuch im I.
1821 mit einer Einlage von 1 Groschen ausgestellt wurde, und im
I. 1874 besaß Sachsen 156 Sparkassen mit einem Gesammtver-
mögen von 237.600.000 M.
Auf allen Gebieten geistiger Thätigkeit hat Sachsen von jeher
eine rühmliche Stelle behauptet und gilt darum mit Recht als eine
der vornehmsten Stätten deutscher Bilduug. Stets war der
Sinn für die Kunst in Sachsen lebendig. Der denkwürdigste Ueber-
rest der romanischen Baukunst ist die Goldene Pforte am Dom
zu Freiberg; die gothische Bauart erhielt sich bei Kirchen bis zur
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ihr größtes Meisterwerk ist.
der Dom zu Meißen. Bei Erbauung von Wohnhäusern, städtischen
Gebäuden und Schlössern machte seit jener Zeit die italienische,
später auch die französische Kunst ihren Einfluß geltend, die am
eifrigsten im 17. und 18. Jahrhundert nachgeahmt wurden. Die
Verkehr; Kunst und Wissenschaft. 35
Regierung der prachtliebenden Kurfürsten und Könige von Polen,
Augusts II. und HL, war das goldne Zeitalter der Künste in Sach-
sen, aber es war ausländische Kunst, die man feierte; doch haben die
reichen Kunstsammlungen, die aus jener Zeit stammen, viel dazu
beigetragen, das Interesse für die Kunst wach zu halten. Auch in
der Gegenwart erfreut sich dieselbe sorgsamer Pflege, aber es ist
deutsche Kunst und von deutschen Künstlern geübt. Zu Dresden
und Leipzig gibt es Kunstakademien, auf denen junge Leute zu
Malern, Kupferstechern, Bildhauern und Baukünstlern gebildet wer-
den; Kunstausstellungen, vornehmlich zu Dresden und Leipzig,
geben dem Künstler Gelegenheit, seine Werke zu zeigen und zu ver-
kaufen. Talentvolle Künstler durch Ankauf ihrer besten Werke zu
unterstützen, bestehen zu Dresden seit 1828, zu Leipzig seit 1830
Kunstvereine und die sächsische Künstlerstiftung, die von den
jährlichen Beiträgen ihrer Mitglieder Kunstwerke kaufen. Unbemit-
telte, aber strebsame und begabte Künstler erhalten nicht selten von
der Regierung Stipendien, um Italien, das gelobte Land der bil-
d enden Künste, besuchen zu können. Der 1860 gestiftete Ver ein für
christliche Kunst stellt sich die Aufgabe, kirchliche Bauten zu er-
halten, wiederherzustellen und auszuschmücken.
Die Musik, für die einst Bach, Hiller, Weber, Mendelssohn,
Schumann in Sachsen wirkten, wird fast in allen Theilen des Lan-
des mit Liebe gepflegt und namentlich dem Gesänge liegen zahlreiche
Vereine mit großem Eifer ob, unter denen die Singakademie zu
Dresden, der Riedelsche Verein und die akademischen Gesang-
vereine zu Leipzig die bedeutendsten sind. Die dresdener könig-
liche Kapelle und das leipziger Gewandhausorchester ge-
hören zu den ersten musikalischen Anstalten ihrer Art. In den
Eonservatorien besitzen beide Städte Schulen zur Ausbildung
von Tonkünstlern.
Die Schauspielkunst, früher gemißachtet, jetzt aber den
übrigen Künsten ebenbürtig, ist durch die altberühmten Bühnen
unserer beiden Großstädte und die jüngere zu Chemnitz auf das
würdigste vertreten; mit der dresdner ist eine Theaterschule ver-
buuden. Schauspielhäuser, in denen aber nur zeitweise gespielt
wird, haben auch die meisten anderen größeren Städte.
Wie durch die Künste das Leben verschönert, so wird es
durch die Wissenschaften erleuchtet. Ihr Licht, sonst nur in Klö-
stern verschlossen, begann durch die Gründung der Universität
Leipzig 1409 dem ganzen Lande zu dämmern und ward durch die
Reformation zur Flamme, die bald einen großen Theil Europas
erleuchtete und erwärmte. Insbesondere erwarb Sachsen in der
gelehrten Welt drei Ehrenstellen, die ihm nie streitig zu machen
sind. Es ward nämlich seit Luthers Bibelübersetzung das Vater-
land der deutschen Schriftsprache, seine von Kurfürst Moritz
im 16. Jahrhundert gegründeten Fürsten- oder Landesschulen
zu Meißen, Grimma und Psorta (die letzte jetzt Preußen ge-
3*
36 Von den Bewohnern.
hörig) gaben das Vorbild für alle späteren Anstalten dieser Art,
und kluge Maßregeln der Regierung erhoben seit Ende des 17. Jahr-
Hunderts Leipzig zum Mittelpunkte des deutschen Buch-
Handels (s. Leipzig). Viele der berühmtesten Gelehrten nennen
Sachsen ihre Heimat oder wenigstens seine Bildungsanstalten die
Wiege ihrer Kenntnisse; und noch werden die Wissenschaften bei
uns mit dem lebendigsten Eifer betrieben.
Wir haben eine Universität oder Hochschule kür alle Wissen-
schaften zu Leipzig. Weil aber wissenschaftliche Vorbildung in
unserer Zeit nicht auf den Gelehrtenstand beschränkt sein darf, son-
dem auch dem Gewerbtreibenden, dem Techniker :c. unerläßlich ist,
so ist für diesen Zweck das Polytechnikum in Dresden errichtet
worden. Die wissenschaftliche Vorbereitung geben 13 Gymnasien und
10 Realschulen erster Ordnung. Auch fehlt es nicht an höheren
Lehranstalten für einzelne Zweige der Wissenschaften.
Die höhere Gewerbschule zu Chemnitz bildet Ingenieure, Che-
miker und Techniker aller Art, Bangewerkenschnlen werden von
Bauhandwerkern während des Winters besucht. Die Bildung von
Offizieren geschieht durch das Cadettenhans zu Dresden; eben-
daselbst ist eine Thierarzneischule. Eine Bergakademie
besteht zu Freiberg, eine Forstakademie zu Tharand. — Die mei-
sten höheren Schulen, auch einige Städte haben bedeutende Bibli o-
theken. — Ueberdies gibt es viele Vereine, deren Bestrebungen
der Wissenschaft gewidmet sind, z.B. für vaterländische Alterthümer,
für Erdkunde zu Dresden und Leipzig, für Natur- und Heilkunde,
für Mineralogie, für Botanik und Gartenkunst, für naturhistorische
Reisen in Dresden, für Geschichte, Mathematik, Physik und Oeko-
nomie, für Naturkunde in Leipzig, und ähnliche auch in andern
Städten. Der 1831 zur Beförderung der Landeskunde begründete
Statistische Verein ist gegenwärtig als S t a t i st i sch e s B ür e au dem
Ministerium des Innern einverleibt. Die Bibelgesellschaft zu
Dresden, derMissionsverein (zur Bildung von Heidenbekehrern),
der Gustav-Ad olf-V er ein uud der für innere Mission in Leip-
zig, der Albert-Verein zur Pflege Verwundeter und Kranker in
Dresden, haben die Gründung mehrerer dergleichen Vereine veranlaßt.
Die Volksschule gewinnt ihre Lehrer durch 16 Semina-
rien; zwei, zn Eallnberg und, seit 1875, zu Dresden, bilden Leh-
rerinnen: Turnlehrer die Turnlehrerbildungsanstalt zu
Dresden. So trefflich georduet ist unser Volksschulwesen, daß selbst
das ärmste Kind nicht aufwächst, ohue wenigstens lesen und schrei-
ben zu lernen, daher auch in Sachsen die Volksbildung allgemein
verbreitet ist und von Hoch und Niedrig ungemein viel gelesen wird.
Allein an Zeitschriften werden in Sachsen 291 gedruckt und verlegt,
unter denen sich allerdings nur 6 größere politische Zeitungen, aber
116 Loeal- und Anzeigeblätter befinden, die fast nur in Sachsen
selbst gelesen werden. — Schulen für besondere Zwecke sind u. a.
die Berg-, Zeichen- und Industrieschulen im Erzgebirge, die
Kunst und Wissenschaft; Regierung. 37
Kleinkinderschulen in mehreren Städten, die Taubstummen-
institnte zu Leipzig und Dresden und die Blindenanstalt zu
Dresden.
51 Jahre lang, nämlich von 1815—66 war Sachsen ein Glied
des Deutschen Bundes. Nachdem aber dieser in Folge des deutschen
Krieges von 1866 sich aufgelöst hatte, trat es in dem am 21. Oct.
1866 mit Preußen abgeschlossnen Frieden dem neuerrichteten Nord-
deutschen Bunde bei und dieser erweiterte sich in Folge des großen
deutsch-französischen Krieges von 1870 — 71 zum Deutschen
Reiche, dessen Verfassung am 16. April 1871 festgestellt worden
ist und zu dessen Gliedern also auch Sachsen gehört. Dadurch sind
nicht bloß in den politischen sondern auch in den wirtschaftlichen
Verhältnissen unseres Landes manche wichtige Veränderungen her-
vorgernfen und namentlich verschiedene Souveränitätsrechte auf
das Reich übertragen worden. Von den 58 Stimmen im Bund es-
rathe hat Sachsen 4, zu dem in Berlin tagenden Reichstage
entsendet es 28 Vertreter. Die Reichsgesetze gehen den Landesgesetzen
vor. Zum Reichsheere stellt Sachsen das 12. Armeecorps in einer
Kriegsstärke von 67.600 Mann; dasselbe zerfällt 1. in die activen
Truppen, welche 8 Linieninfanterieregimenter, 1 Schützenregiment,
2 Jägerbataillone, 6 Reiter- und 2 Feldartillerieregimenter, 1 Fuß-
artillerieregiment, 1 Pionier-, 1 Eisenbahn- und 1 Trainbataillon,
zusammen 35.460 Mann zählen, 2. in die Reserve, und 3. in die
Landwehr, für welche das Land in 17 Bezirke getheilt ist. Jeder
körperlich tüchtige Mann ist vom 20. Jahre an wehrstichtig; die
Dienstzeit beträgt 12 Jahre, nämlich 3 in der activen Armee, 4 in
der Reserve und 5 in der Landwehr. Freiwillige, die ein gewisses
Maß geistiger Bildung nachweisen können, sich selbst ausrüsten und
keine Löhnung erhalten, dienen nur 1 Jahr in der activen Armee.
Der deutsche Kaiser ernennt den Höchstcommandirenden, welche
Würde gegenwärtig der Prinz Georg bekleidet, der König von Sach-
sen die übrigen Generale. Ruhmreichen Antheil hat das sächsische
Armeecorps unter Führung seiner königlichen Prinzen an dem letzten
großen Kriege gegen Frankreich genommen. Denksäulen erinnern
in vielen Städten an die in demselben für das Vaterland Gefallenen.
Zu den auf das Reich übergegangenen Einrichtungen gehören
ferner die Gesandtschaften, von denen Sachsen außer an einigen
deutschen Höfen nur noch eine in Wien hat, und die Consnlate, das
Post- und das Telegraphenwesen, die Strafgesetzgebung, die Aufsicht
über dasBank- und Verkehrswesen, in die Reichskasse fließen die Zölle
und die Verbrauchssteuern, d. i. die Salz-, Rübenzucker-, Bräunt-
wein-, Bier- und Tabaksteuer. Ein einheitliches auf der Decimal-
eintheiluug beruhendes Maß-, Gewichts- und Münzsystem*) ist
*) Ju den Iahren 1873 und 74 sind von der königlichen Müuze zu Dresden
ausgemünzt wordeu: 2.225.147 Stück in Gold, 5.937.572 in Silber, 8.622.226
in Nickel, 40.123.254 in Kupfer, zusammen im Werthe von 40.679.563 M.
38 Von den Bewohnen:.
1873 für das ganze Reich festgestellt worden, die Reichsgewerbe-
ordnung mit dem I.Jan. 1872, die Einrichtung der Standesämter,
durch welche alle Geburten, Sterbefälle und Eheschließungen zu be-
künden siud und deren Sachsen 1109 zählt, mit dem 1. Jan. 1876
in Kraft getreten.
In früher Vorzeit, wo rohe Gewalt noch hoch stand über Recht
und Gesetz, war die Regierung so beschaffen, daß das Wohl der Unter-
thanen fast einzig von dem Willen und der Einsicht des Landes-
fürsten abhing; allein schon im 13. Jahrhundert, in bestimmterer
Gestalt aber seit 1438 kamen in den wettinischen Ländern Landtage
auf, d. h. Vereinigungen der vornehmsten geistlichen und weltlichen
Herren, von Vertretern der Ritterschaft und der Städte, welche jede
Steuererhebung von ihrer Bewilligung abhängig machten und bald
auch wichtige Landesangelegenheiten ihrer Besprechung und Vera-
thnng unterzogen, woraus sich allmählich eine bestimmte ständische
Verfassung bildete. Die Laudstäude zerfielen in 3 Kurien; zur
ersten gehörten die Prälaten, d. h. die Vertreter der Hochstifter
Meißen, Merseburg und Zeitz, ferner die Grafen und Herren und
die Abgeordneten der beiden Universitäten Leipzig und Wittenberg;
zur zweiten die allgemeine Ritterschaft, die sich in die schriftsässige
und in die amtsässige theilte; zur dritten endlich die Vertreter der
102 landtagsfähigen Städte. Aller 6 Jahre wurde ein ordentlicher
Landtag gehalten; außerdem gab es aber auch uoch engere und
weitere Ausschüssesowohl der Ritterschaft als auch der Städte. Der
ganze Geschäftsgang war so ungemein schwerfällig und langsam,
daß sich schon daraus erklärt, weshalb diese Stände seit Ende des
17. Jahrhunderts mehr und mehr an Einfluß verloren. Dennoch
bestanden sie in unveränderter Gestalt bis 1831 fort. Mit dem
4. Sept. dieses Jahres aber, wo König Anton im Verein mit
dem damaligen Prinz-Regenten Friedrich August dem Lande eine
neue Verfassung gab, trat Sachsen in die Reihe der consti-
tntionellen Staaten.
Dieser Verfassung zufolge, welche in den Jahren 1861, 1868
und 1874 einige Abänderungen erfahren hat, ist die Krone erblich,
nach dem Rechte der Erstgeburt, zunächst in der männlichen,
im Fall des Aussterbens derselben aber auch in der weiblichen
Linie. Der König wird mit dem 18. Jahre mündig. —- Das
Staatsgut besteht aus dem, was die Krone an Grund und Boden,
an Gebäuden, Rechten, Anstalten, Einkünften, Kassen- und anderen
Vorräthen ?e. besitzt, uud wird uur zum Besten des Landes verwal-
tet und benutzt, darf auch ohne Genehmigung der Stände weder ver-
mindert noch mit Schulden belastet werden. Dem königlichen Hanse
gehören zwar, als auf Lebenszeit anvertraut (als Fideicommiß),
alle königlichen Schlösser, Gärten, Gebäude und was zu deren
Einrichtung gehört, die königlichen Sammlungen von Kostbarkeiten
Regierung; Landtag. 39
oder Gegenständen der Kunst und Wissenschaft, sowie, was der
König während seiner Regierung dazu erwirbt; doch ist dies Alles
vom Laude unzertrennbar uud unveräußerlich und geht von
einem rechtmäßigen Regenten Sachsens aus den andern über. Ver-
schieden davon ist das Privateigenthum des Königs, welches
er vor Gelangnng zum Throue besaß oder noch erwirbt. Nur über
dieses steht ihm die sreie Verfügung unter den Lebendigen und auf
deu Todesfall zu. Zur Bestreitung des gesammten Hos- und Fami-
lienhanshaltes, mit Inbegriff der gesammten Ausgaben für Hos-
gottesdienst, Stall, Jagd, Musik, Theater, Dienerschaft :c. bezieht
unser König aus den Staatskassen eine, mit den Ständen verein-
barte Civilliste (jetzt von 2.850.000 M>), wozu noch die Apanagen
des königlichen Hauses kommen.
Für das ganze Königreich besteht eine Ständeversamm-
lnng, die sich in zwei gleichberechtigte Kammern theilt.
Die Mitglieder der ersten Kammer sind beständig, d. h. sie blei-
ben darin, so lange sie die Eigenschaften haben, welche sie dazu be-
rechtigeu; die der zweiten Kammer sind wechselnd, d. h. ein Drit-
tel derselben tritt aller 2 Jahre aus, die ausgetretenen sind aber
jedesmal wieder w äh l b ar.
In der ersten Kammer sitzen die volljährigen Prinzen
unseres Königshauses, die Vertreter des Ho ch st ist es Meißen, der
Herrschaft Wildenfels, der Schönburgischen Receßherr-
schaften, der Universität, die Besitzer der oberlansitzer Stan-
desHerrschaften Königsbrück und Reibersdorf, der evangelische
Oberhofprediger, der Dekau des katholischen Domstifts St.
Petri zu Bautzen, der Superintendent zu Leipzig, ein Abge-
ordneter des Co llegiatst ists Würzen, einer von den Besitzern
der 4 Schöuburgischeu Lehnsherrschaften, 12 auf Lebens-
zeit gewählte Abgeordnete der Besitzer von Rittergütern und an-
deren größeren Gütern des platten Landes, die wenigstens 4000
Steuereinheiten haben, 10 vom König auf Lebenszeit zu ernennende
Besitzer von Rittergütern, die ebenfalls wenigstens 4000 Steuer-
einheiten haben*), die Bürgermeister von Dresden, Leipzig und
6 durch den König nach Gefallen zu bestimmenden Städten, endlich
5 vom König nach freier Wahl auf Lebenszeit ernannte Mitglieder.
Die zweite Kammer setzt sich ans 80 Abgeordneten, 35 der
Städte und 45 der ländlichen Wahlkreise zusammen. Zu jenen
schickt Dresden 5, Leipzig 3, Chemnitz 2, Zwickau 1 Abgeordneten;
die übrigen Städte werden in 24 soweit möglich gleiche Wahlkreise
vertheilt, deren jeder einen Abgeordneten wählt. Jeder Kammer
steht die Wahl ihres Präsidenten uud ihrer Vicepräsideuten zu.
Die Wahl der Volksvertreter in der zweiten Kammer be-
stimmt ein besonderes Wahlgesetz. Das Stimmrecht steht allen
*) Das Areal der Rittergüter beträgt 239.051,g Hectaren, das des übri-
gen Privatbesitzes 1.014.856,g Hectaren.
40 Von den Bewohnern.
Staatsangehörigen zu, welche wenigstens 3 Mark Staatssteuern
zahlen; wählbar ist, wer wenigstens 30 Mark Staatssteuern zu
entrichten hat. Bei der Wahl gilt das directe und geheime Ver-
fahren, d. h. sie geschieht mittelst Stimmzetteln, welche bei der Ab-
gäbe uuerössnet in ein verschlossenes Behältniß zu legen sind, und
als gewählt ist Derjenige zu betrachten, welcher in einem Wahlkreise
die meisten der abgegebenen giltigen Stimmen, mindestens aber lJ3
derselben erhalten hat. Hat Niemand mindestens 1/3 derselben er-
halten, so ist zur eugern Wahl zwischen denjenigen zwei Personen
zu schreiten, auf welche bei der ersten Wahl die meisten Stimmen
gefallen sind. Ein Wähler muß das 25., ein zu Wählender das 30.
Lebensjahr erfüllt haben. Oeffentlichen Beamten, welche zu Ab-
geordneten gewählt oder vom Könige zu Mitgliedern der ersten
Kammer ernannt sind, darf der Urlaub nicht versagt, ihnen auch
eine Uebertragnng der Kosten ihrer Stellvertretung nicht ange-
sonnen werden.
Ohne Zustimmuug der Stände darf kein Zweig der
Landesverfassung und Verwaltung anders gestaltet, kein
Gesetz erlassen, verändert oder erläutert, keine bestehende Abgabe
verändert, keine neue (mit seltnen Ausnahmen) aufgelegt, keine zu
andern als den bestimmten Zwecken verwendet, auch fein Anlehen
gemacht werden. Doch ist auch kein ständischer, auf Landesangelegen-
heiten sich beziehender Beschluß giltig ohne Zustimmung des
Königs. Bei jedem Landtage muß deu Ständen das Budget,
d. h. die Rechnung über den gesammten Staatshaushalt an Ein-
nähme und Ausgabe, sowie die Uebersicht des Geldbedarfs bis
zum nächsten Landtage vorgelegt werden; wogegen aber auch die
Stände verpflichtet sind, stets für sichere Deckung des Staats-
bedarfs zu sorgen.
Aller zwei Jahre findet ein ordentlicher, bei jedem Regie-
rnngswechsel aber und in besonders wichtigen Fällen ein außer-
ordentlicher Landtag statt. Jede Kammer verhandelt für sich
allein und gibt auch allein ihre Stimme an den König ab. — Die
Bestimmung aller äußeren und inneren Formen der Stände-
Versammlung, sowie die Art des ständischen Geschäftsbetriebs, heißt
die Landtagsordnung, uud die uach jedem Landtage vom
Könige vollzogene Urkunde über die mit dessen Zustimmung ge-
faßten ständischen Beschlüsse der Land tags ab schied. Die Ver-
sammlungen der Stände sind in der Regel öffentlich uud ihre
Verhandlungen werden durch den Druck zur allgemeinen Kenntniß
gebracht. — In beiden Kammern haben die Minister oder auch be-
sondere Bevollmächtigte des Königs Zutritt, aber kein Stimm-
recht. Deu Ständen steht das Recht zu, über die Minister oder
andere Staatsbehörden wegen Verletzung der Verfassung Be-
schwerde zu führen, insbesondere auch die Minister, welche sich einer
Verletzung der Verfassung schuldig gemacht haben, anzuklagen.
Dann entscheidet ein Staatsgerichtshof, welcher fürdieZeitvon
Verfassung; Verwaltung. 41
einem Landtage bis zum andern ernannt wird und aus einem
Präsidenten und 12, zur Hälfte vom Könige, zur Hälfte von den
Ständen gewählten Richtern besteht, die, um frei und rücksichtslos
urtheileu zu können, dazu besonders verpflichtet und einstweilen
ihres Unterthanen- und Diensteides entbunden werden. Der-
selbe Gerichtshof entscheidet auch in Fällen, wo zwischen König und
Ständen Zweifel über einzelne Punkte der Verfassung entstehen.
Anträge auf Abänderungen der Verfassung können vom Kö-
nige an die Stände oder von diesen an den König ergehen; zu
einem giltigen Beschlüsse darüber gehört aber die Übereinstimmung
beider Kammern. — Die Erlassung, Bekanntmachung und Hand-
habung der Gesetze steht einzig dem Könige zu.
Die Aufrechthaltuug der Verfassung muß jeder Regent bei
seinem Regierungsantritt bei seinem fürstlichen Worte, das
Eides Statt vertritt, feierlich zusichern. Für gewisse besondere An-
gelegenheiten bestehen der Provinziallandtag der Oberlausitz
und die Kreistage in den Erblanden.
Die oberste Verwaltung des Landes geschieht durch 6 Mini-
sterialdepartements, nämlich 1)derJustiz, 2) der Finanzen,
3) des Innern, 4) des Kriegs, 5) des Kultus und öffent-
licheu Unterrichts und 6) der auswärtigen Angelegen-
heiten. Die Vorstände derselben oder die Staatsministerwerden
vom Könige ernannt und haben auch in allen wichtigern Angelegen-
heiten dessen Entschließung einzuholen. Jeder Minister ist nicht
nur für sich selbst, sondern auch für die in Folge seiner Rathschläge
gefaßten allerhöchsten Beschlüsse, in Betreff ihrer Zweckmäßigkeit
und Uebereinstimmuug mit Gesetz und Verfassung, den Ständen
verantwortlich; daher alle Verfügungen in Regieruugsange-
legenheiten, welche der König unterzeichnet, von einem Minister
zum Zeichen seiner Verantwortlichkeit gegengezeichnet sein müssen.
Sämmtliche Minister bilden die höchste Staatsbehörde
oder das Gesammtministerium, welches allein mit den Stän-
den verhandelt, Gesetze begutachtet, sich über Staatseinnahmen und
Ausgaben beräth, alle wichtigen Landesangelegenheiten, die nicht
zum Geschäftskreis eines einzelnen Ministers gehören, die Aufsicht
über das Hauptstaatsarchiv :e. leitet. Den Vorsitz im Gesammt-
Ministerium führt gegenwärtig der Staatsminister v. Friesen.
1) Die Oberaufsicht über alle Gegenstände der Rechtspflege,
sowie über sämmtliche zu dereu Ausübung verordnete Behörden,
übt das Justizministerium. Sachsens höchster Gerichtshof in
Civil- wie in Eriminalsachen ist das Oberappellationsgericht
zu Dresden, die zweite Instanz in Eivilsachen bilden die 4 Appel-
lationsgerichte zu Dresden, Leipzig, Zwickau und Bautzen.
Außerdem zerfällt das Land in 15 Bezirksgerichte, welche in
Eriminalsachen unter Beiziehung von Schöffen öffentlich und münd-
lich verfahren, und in 107 Gerichtsämter, welche von den aus
den angesehensten Grundbesitzern ernannten Friedensrichtern
42 Von den Bewohnern.
unterstützt werden. Bei den Bezirksgerichten sind Staats an-
walte angestellt, welchen die Aufsuchung und Verfolgung der Ver-
brechen obliegt, beim Oberappellationsgericht fungirt ein General-
staatsanwalt. Mit den Bezirksgerichten sind auch Handels-
gerichte verbunden. Bei jedem Appellationsgericht besteht eine
Advocatenkammer. Ein neues (Zivilgesetzbuch ist 1865 in
Kraft getreten. Alle Vierteljahre werden zu Dresden, Leipzig,
Chemnitz, Bautzen, Zwickau und Glauchau Geschworengerichte
abgehalten. Außer den genannten Gerichtsbehörden bestehen noch
Militärgerichte und das Universitätsgericht. Niemand
darf, laut der Verfassung, seinem ordentlichen Richter entzogen
werden, außer in den von den Gesetzen vorausbestimmten Fällen.
Nur des Königs Gnade kann eine gerichtlich zuerkannte Strafe
mildern oder gänzlich erlassen.
2) Wie ein Hauswesen, so kann auch ein Land nicht ohne Ein-
künfte bestehen. Dieselben belaufen sich in Sachsen auf ungefähr
53 Mill. M. und fließen theils aus Steuern oder Abgaben,
welche als notwendige Beiträge zum allgemeinen Besten anzusehen
sind, theils aus dem Ertrage des Staat sei gen thnms an Gütern
und Grundstücken, an Forsten und Jagden, Berg- und Steinkohlen-
werken :c., an ausschließenden Rechten (Regalien), der Landes-
lotterie k. und aus dem Eisenbahnwesen. Die Leitung aller darauf
sich beziehenden Angelegenheiten und Geschäfte, sowie die Ver-
waltung des öffentliche« Schatzes und die Oberaufsicht über
alle Staatskassen, über die Land-, die Alters- und die Landes-
kultur-Reutenbank erfolgt durch das Finanzministerium.
Im Mittelalter, wo man Landessteuern noch gar nicht kannte,
bestanden die Einkünfte der Fürsten in dem Ertrage ihrer Kammer-
güter, der Zoll- und Geleitsabgaben, der Regalien, dem Schutzgelde,
das Juden, geistliche Stifte und manche Städte zu entrichten hatten.
Außerordentliche Bewilligungen mußte der Fürst von seinen Va-
fallen und Städten erbitten, daher sie Beden genannt wurden.
Weil man aber seit dem 15. Jahrhuudert auf diese Weise nicht mehr
auskam, so wurden allmählich Landessteuern üblich. Die Ver-
theiluug derselben war aber im Laufe der Jahrhunderte so ungleich
geworden, daß sich eine gründliche Reform des ganzen Steuerwesens
nöthig machte, welche auch seit 1831 erfolgt ist. Demnach werden
in Sachsen theils directe, theils indirecte Steuern erhoben;
zu erstereu gehören 1. die Gewerbe- und Personalstener, die
jeder für seine Theilnahme an den Vortheilen des Staates und für
die vom Staate gewährte Sicherheit im Erwerbe uud Genüsse seines
Einkommens zu zahlen hat, 2. die Grundsteuer; diese beruht
auf den Flurbüchern, in denen alle Parzellen jeder Flur verzeichnet
sind, jede mit ihren Steuereinheiten, von denen je eine auf 1 M.
Reinertrag eines Grundstücks gerechnet wird^), und 3. die im I.
*) Soweit sich der Werth des Grundes und Bodens aus den Steuerein-
heiten beurtheilen läßt, würde derselbe nach der Schätzung von 1868 (ohne
Rechtspflege; Finanzen.
43
1877 zum ersten male erhobene Einkommensteuer. Zu den
indirecten Steuern gehören alle Zölle, die Branntwein-, Wein-,
Bier-, Tabak- und Schlachtsteuer, die Chausseegelder- und die
Stempelsteuer. Höchste Behörde für das Steuerwesen ist die Zoll-
und Steuerdirection in Dresden. Behufs der Erhebung der
directen Steuern ist das Königreich in die 4 Steuerkreise Dres-
den, Leipzig, Zwickau und Bautzen eingetheilt, die wieder in 24
Steuerbezirke zerfallen, behufs der Erhebung der indirecten Steu-
ern (mit Ausnahme der Stempelsteuer) in 17 Hauptzoll- und
Haupt st euer Amtsbezirke.
Für die Verwaltung der Staatsforsten und Staats-
jag den sind dem Finanzministerium untergeordnet die Forst v er-
Messungsanstalt und die Oberforstmeister; letztere, die Vor-
steher der 15 Forstbezirke, bilden mit den Forstbeamten die Forst-
Verwaltungsämter; die Forstbezirke zerfallen in 108 Reviere.
— An der Spitze des Bergwesens steht das Bergamt; für die
Hochbauverwaltung sind 12 Bezirksbaumeister ernannt.
Die wichtigsten Staatsausgaben betreffen die Civilliste
und die Apanagen der königlichen Familie, die Armee, die Besol-
düngen und Pensionen der Staatsbeamten, die Erhaltung, Ver-
bessernng oder Gründung öffentlicher Anstalten, Verkehrswege,
Gebäude ?c., die Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld,
welche zwar die bedeutende Summe von 344.157.094 M. ausmacht,
der aber ein Staatsvermögen von weit höherem Betrag gegen-
übersteht, indem allein für den Bau- der Staatseiseubahuen bis
Ende 1875 326 Mill. M. verausgabt worden sind. Die für die
Tilgung derselben bestimmten Kassen verwalten die Stände, doch
steht der Regierung zu jeder Zeit frei, von deren Zustande Einsicht
zu nehmen*).
die Gebäude) 2.200.198.231 M. betragen, nämlich in den Städten 212.379.535
M., auf dem Lande 1.987.818.676 M.
*) Nach dem Budget von 1876 — 77 betragen die ordentlichen Jahres-
ausgaben für
allgemeine Staatsbedürfnisse..........24.392.372 M.
das Gesammtministerium............159.590 „
das Ministerium der Justiz ..... 3.214.568 „
das des Innern ........ 7.215.941 „
das der Finanzen ........ 1.656.674 „
das des Kultus und öffentlichen Unterrichts 5.902.031 „
das des Auswärtigen ....... 165.420 „
Ausgaben für Reichszwecke ..... 3.701.379 „
den Pensionsetat................2.220.793 „
den Bauetat ...................4.832.100 „
außerordentliche Bedürfnisse ..... 396.103 „
53.856.977 M.
Davon werden gedeckt
durch Nutzungen des Staatsvermögens . 36.784.500 M.
durch Steuern . ...............17.072.477 „
Das erste Budget Sachsens, 1834—36, bezifferte sich mit 5.992.527 Thlr.
(-- 17.977.581 Mark).
44 Von den Bewohnern.
Ein durch Kriege und Verschwendung gänzlich zerrüttetes Fi-
nanzwesen faud Kurfürst Friedrich August HI. vor, als er 1768
den Thron bestieg. Aber seiner und seiner Nachfolger Sparsamkeit
ist es zu danken, daß Sachsen trotz der in den napoleonischen Krie-
gen erduldeten Heimsuchungen sich gegenwärtig einer Ordnung seiner
Finanzen erfreut, die eine Wohlthat für das Land uud einen Ge-
genstand des Neides für viele andere Staaten ausmacht.
3) Dem Ministerium des Innern liegt die ganze innere
Regierung und Verwaltung des Landes ob, soweit dieselbe nicht zu
dem Wirkungskreise der einzelnen Ministerien gehört. Zu diesem
Zwecke ist das Laud in die 4 KreishanptmannschaftenDres-
den, Leipzig, Zwickau und Bautzen getheilt, welche wiederum
in 25 Amtshauptmannschaften (und in die Schönburgischen
Receßherrschaften) zerfallen. Insbesondere gehört zum Bereiche
dieses Ministeriums die Polizei und Gensdarmerie, Alles, was die
Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, und Alles, was
Handel und Gewerbe, einschließlich der technischen Bildnngsan-
stalten betrifft, die Angelegenheiten der Presse, die Kunstakademien
zu Leipzig und Dresden, das Aufsichtsrecht des Staats über die
städtischen Verwaltungen, die Medicinalangelegenheiten, daher auch
das Landesmedicinalcolleginm mit den ärztlichen und pharmaceu-
tischen Kreisveremen*), die Landes - Jmmobiliar - Brandversiche-
rungskasse und das gesammte Versicherungswesen, das Statistische
Bürean und das k. Stenographische Institut, die Wohlthätigkeits-
anstalten, durch deren zweckmäßige Einrichtung Sachsen sich von
jeher hervorgethan hat, und das Armenwesen, für welches sich die
Bildung vou Bezirksarmenvereinen und die Errichtung von Bezirks-
armenhänsern trefflich bewähren, die Straf-, Arbeits- und Ver-
sorgungsanstalten zu Waldheim, Zwickau, Voigtsberg, Huber-
tusburg, Hohenstein, Hoheneck, Bräunsdorf iz., die Staatsanstalten
für Geisteskranke zu Pirna und Eolditz, für Blinde und Taub-
stumme.
4) Alles, was sich auf die Bewaffnung, Bekleidung, Besol-
duug und Wirtschaftsführung, Verpflegung, Mobilmachung, Ver-
qnartiernng und Kasernirnng, Ergänzung, Entlassung, Pensioni-
rnng ?c., auf die Bildungsauftalteu und den Gesundheitszustand
der Armee, auf das Militärbau- uud Vermefsungswcsen, die Festuug
Köuigstein, die Militärgerichtsbarkeit ic. bezieht, besorgt im Auf-
trage des Deutschen Reichs das Kriegsministerium.
5) Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte
ist unabhängig vom Glanbensbekenntniß. Alle Staatsangehörige,
sie mögen Protestanten (Evangelisch-Lutherische uud Reformirte),
Römische, Griechische, Deutsch-Katholiken oder selbst
Nich t-Christen sein, haben daher in nnserm Lande gleiche Rechte
*) Im Jahre 1875 zählte Sachsen ungerechnet die Militärärzte 994 Aerzte
und 355 Thierärzte sowie 219 Apotheken.
Heerwesen; Kultus. 45
und sämmtlicheBehörden derselben stehen unter dem Ministerium
des Kultus und öffentlichen Unterrichts, dessen Vorstand
stets zur lutherischen Kirche sich bekennen muß und welches die Auf-
ficht über das gesammte äußere Kirchemvesen, das Domstift zu
Meißen und das Collegiatstift Würzen, über die meisten milden
Stiftungen, über die Universität und sämmtliche Schulen, über
Kultus und Schulwesen der Judeu zu führen hat. Die Ordnung
der innern kirchlichen Angelegenheiten ist jeder Religionspartei
überlassen. Durch die Kirchenordnung von 1868 ist die Ver-
tretung der Angelegenheiten der lutherischen Kirche einer aus
64 Mitgliedern, nämlich 35 Laien und 29 Geistlichen zusammen-
gesetzten Synode überwiesen worden. — So lange sich der König
zur römisch-katholischen Religion bekennt, üben, in dessen Namen,
die höchste Kirchengewalt über die Protestanten die in Evangelicis
beauftragten Staats min ister, welche Protestantens ein müss en
und vom Könige ernannt werden.
Die allgemeine Landesreligion ist die evangelisch-lnthe-
rische, zu welcher sich auch die Herrnhnter Brüdergemeinde und
die Böhmische Exulantengemeinde in Dresden halten. Die
höchste kirchliche Behörde ist das evangelische Landescon-
sistorinm zu Dresden; die Consistorialbehörde für die Ober-
lansitz bildet die Kreishauptmannschaft zu Bautzen, und für die
Schönburgischen Receßherrschaften das Gesammtconsistorinm
zu Glauchau; als Unterbehörden: die Kircheninspectionen
und die 36 Superintendenten"). In ganz Sachsen gibt es in
920 Kirchspielen 1155 lutherische Prediger an 1212 Kirchen. —
Die oberste geistliche Behörde für die 9851 Reformirteu bilden
die reformirten Consistorien zu Dresden und Leipzig. — Angli-
kaner gibt es 713.
Die Zahl der Römischen Katholiken, welche in Sachsen
erst im I. 1806 durch den posener Frieden freie Religionsübung
erlangt haben, besagt nach der Zählung von 1875 73.349, von
denen sich die meisten in Dresden und der Oberlausitz befinden.
Das Gerichtsamt Ostritz ist das einzige, in welchem die katholische
Bevölkerung gegen die lutherische, und zwar ungefähr um das
Doppelte, überwiegt. In den Erblanden, wo Katholiken fast nur
in Städten wohnen, haben dieselben 16 Kirchen und 5 Kapellen
mit 27 Geistlichen; in der Oberlausitz, wo es 64 ganzkatholische
Ortschaften gibt, 17 Kirchen mit 38 Geistlichen, und die 2 Nonnen-
klöster Marienstern und Marienthal. Der Verfassung zufolge
dürfen neue Klöster nicht gegründet, katholische geistliche Orden,
namentlich Jesuiten, im Lande nicht aufgenommen werden. Die
höchste geistliche Behörde der Katholiken in den Erblanden ist das
*) Cremt sind: die evangelische Hofkirche in Dresden, die Parachie St. Afra
und die Domkirche in Meißen, die Schloßkapelle in Weesenstein, die Pauliner-
kirche in Leipzig und die Schloßkirche in Netzschkau.
46 Von den Bewohnern.
apostolische Vicariat nebst dem ihm untergeordneten Consi-
storinm und dem als höchste Appellationsbehörde niedergesetzten
Vicariatsgerichte; in der Oberlausitz das Domstist St. Petri
zu Bautzen. — Deutsch-Katholiken gibt es 1876. Die
Griechischen Katholiken, 588 an der Zahl, haben nur in Leip-
zig und Dresden Kapellen. — Die Jud eu, 5860 Seelen, haben
Synagogen zu Dresden und Leipzig. Außerdem fanden sich 1875
noch 4077 anderen Bekenntnissen Angehörige, und 431 ohne An-
gäbe des Bekenntnisses in Sachsen vor. — Die Volksschule
gliedert sich uach dem Gesetz von 1873 in die einfache, mittlere
und höhere Volksschule; die aus der Volksschule entlassenen Knaben
sind noch drei Jahre zum Besuche der Fortbildungsschule ver-
buuden. Pflichten und Rechte der Schulgemeinde bezüglich der Ver-
waltung des Volksschulwesens übt in jedem Schulbezirke der Schul-
vorstand oder Schulausschuß, die Staatsregierung ihre Aufsicht
durch 25 Bezirksschuliuspectoreu aus. 4928 evangelische und 87 ka-
tholische Lehrer unterrichten in 2116 Schulen (davon 43 katho-
lischen) 441.393 Kinder.
6) Uuter das Ministerium d er auswärtigen An gelegen-
heiten gehört Alles, was sich auf die Verhältnisse des Königs nnd
des Landes zu andern Höfen und Staaten, namentlich auf Sachsens
Stellung im Deutscheu Reiche bezieht.
Keine Staatsbehörde ist das Ministerium des königli-
chen Hauses, welches alle auf die persönlichen, Familien- und
Vermögensangelegenheiten des köuiglicheu Hauses, auf das Hof-
weseu und die königlichen Sammlungen für Kunst und Wissen-
schast sich beziehenden Geschäfte leitet.
Durch die Stadteordnnng vom 2. Febr. 1832 ist die Lei-
tuug aller städtischen Angelegenheiten, insbesondere der Verwaltung
des städtischen Einkommens und Besitzthums den Stadtgemeinden
selbst, unter Oberaufsicht der Regierung, übertragen worden. Der
Stadtrath, an dessen Spitze ein Bürgermeister steht, wird nicht
nur durch die Stadtverordneten gewählt, sondern ist anch in
allen wichtigeren Angelegenheiten an deren Zustimmung gebunden.
Nach der revidirteu Städteorduuug vom 24. April 1873 können
auch beide zu einem Stadtgemeinderathe verschmelzen. — Jede
Landgemeinde führt nach der revidirten Landgemeindeord-
nung vom I. 1873 ihre Angelegenheiten durch die aus ihrer Mitte
dazu erwählten Personen unter Aufsicht der betreffenden Amts-
hauptmannschaft.
Die Landesfarben sind seit 1815 grün und weiß; das
Landeswappen ist seit 1806 ein Schild (seit 1858 von zwei Lö-
wen gehalten) mit den 5 schwarzen Balken in goldnem Felde des
alten herzoglichen Wappens, mit einem schräg von links nach rechts
darübergelegten Rautenkranz und darnbergestellter Königskrone.
Das Wappenthier der alten Markgrafschaft Meißen, der schwarze
Löwe in goldnem Felde, hat sich noch in dem Wappen einiger
Kreishauptmannschaft Bautzen.
47
Städte, z. B. Dresdens und Freibergs, erhalten. — An Ordert
bestehen in Sachsen fünf, nämlich 1. der 1736 gestiftete militä-
rische St. Heinrichsorden; 2. der 1807 gestiftete Haus-
orden der Rautenkrone, welcher nur fürstlichen Personen und
den höchsten Staatsbeamten ertheilt wird; 3. der bei Friedrich
Augusts des Gerechten Heimkehr am 7. Juni 1815 gestiftete (Civil-)
Verdienstorden, 4. der 1850 gestiftete Albrechtsorden und
5. der 1871 gestiftete Sidonienorden für die von dem weiblichen
Geschlechte auf dem Gebiete der freiwillig helfenden Liebe im Kriege
oder im Frieden erworbenen Verdienste.
III. Beschreibung der einzelnen Landestheile, der Städte,
denkwürdigsten Flecken und Dörser.
Hierbei richten wir uns nach den Kreishauptmannschaften, in-
dem wir den Anfang mit der Bautzener machen und von da aus in
die Dresdner, in die Leipziger und endlich in die Zwickauer über-
gehen.
Die Krcishanptmanttschast Bautzen
bildet den östlichen und damit zugleich den schmälsten Theil des
Landes, grenzt im Norden und Nordosten an die preußische Pro-
vinz Schlesien, im Südosten, Süden und Südwesten an Böhmen,
und hängt gegen Westen mit dem dresdner Regierungsbezirke zu-
sammen, ist fast 2523 HI Kilom. groß, zerfällt in die Amtshaupt-
Mannschaften Zittau, Löbau, Bautzen und Kamenz und ent-
hält in 13 Städten und 527 Dörfern 339.203 Einwohner, ist
also der kleinste Regierungsbezirk und der am wenigsten v olk-
reiche; er hat die wenigsten Städte, dafür aber die meisten großen
Dörfer. Oft wird er auch, wennschon ungenau, die Lausitz ge-
uaunt, denn er ist, abgesehen von dem südwestlichen Landstrich, der
bis 1835 zum meißner Kreise gehörte, ein Theil des alten Mark-
grafthums Oberlausitz, welches gleich der Niederlausitz ehedem ein
Nebenland des Königreichs Böhmen bildete, im I. 1635 aber von
Kaiser Ferdinand II. an den Kurfürsten Johann Georg I. von
Sachsen abgetreten wurde, und zwar zur Tilguug einer Schuld von
72 Tonnen Goldes für die Kriegshilfe, die uuser Kurfürst dem-
selben gegen seine, des Religionsdruckes wegen empörten Unter-
thanen geleistet hatte. Bei der Theilung Sachsens im I. 1815
fiel die ganze Niederlausitz und der größere Theil der Oberlausitz
an Preußen.
Der größere westliche Theil des Bezirks gehört zum Elb-
gebiet, und zwar der südwestlichste durch die Weseuitz noch zu
dem unmittelbaren, der übrige durch die Schwarze Elster
48 Kreishauptmannschaft Bautzen.
mit der Pulsnitz und dem Schwarzwasser und durch die Spree
mit dem Löbaner Wasser zu dem mittelbaren; der kleinere Theil
im Südosten, von der Neiße mit der Mandau und Pliesnitz durch-
flössen, ist Odergebiet; die Wasserscheide zwischen Elbe und
Oder wird durch einen Höhenzug gebildet, der vom Rottmar bis
zum Roth st ein hinstreicht.
Die nördliche Lausitz treibt fast ausschließlich Ackerbau, iu
der südlichen, gebirgigen überwiegt die Industrie. Im nördlichen
Tieflande herrscht Saud- und Haideboden vor, Kieferwald und
Haidekraut bedecken, wie in der Laußnitzer Haide zwischen Kö-
nigsbrück und Radeburg, den Boden und beschränken den Getreide-
bau; iu solchen Gegenden muß Buchweizen den Weizen, Gerste und
Haser vertreten und Haidegrütze ist die gewöhnliche Speise der Be-
wohner. Die fruchtbarsten Gegenden liegen auf der etwas höhern
Stufe, um Zittau, in der sogenannten Goldenen Aue um Bau-
tzeu, um Weißenberg und Löban. Um Bautzen werden auch
Weberkarden und Tabak gebaut. Ansehnlich ist der Flachsbau,
bedeutend die Pferde-, Gäuse- und Bienenzucht, auch die Fischerei.
Metalle fehlen, nur etwas Eisenstein wird gegraben, auch Thon,
Walker- und Ziegelerde, ebensowenig findet sich Kalkstein in der
Lausitz, desto reichlicher vorhanden sind Braunkohlen in den
Becken von Zittau, Bautzen, Berzdorf und Schmeckwitz, und nutz-
bare Steine: Granit, Porphyr, Basalt und Sandstein, so daß
der Bezirk 600 Steinbrüche zählt.
Der südliche Theil der Lausitz ist das Gebiet der Weberei
und dadurch der chemuitzer Gegend und dem Vogtlande ähnlich,
aber verschieden von diesen dadurch, daß die Weberei hier nicht so-
wohl iu geschlossenen Fabriken, sondern größtentheils als Hans-
industrie uud vorwiegend noch auf Handstühlen betrieben wird,
was in dem Hängen der Bevölkerung an dem Hergebrachten, in der
Genügsamkeit der Weber und in der Einführung von Verbesserungen
am Webstuhle seinen Grund hat. Doch vermindert sich die Zahl
der Handweber stetig durch den Uebertritt in lohnendere Arbeits-
zweige. Der Wochenverdienst eines Weißleinen-Webers beträgt
eben nur 3 bis 6 Mark! Von den nahezu 30.000 gangbaren
Stühlen setzt die Leinweberei, die älteste Industrie des Bezirks,
etwa 13.000 in Thätigkeit, halbleinene und banmwollne Stoffe wer-
den auf etwa 15.000, wollene auf etwa 400, Bänder und Gurte auf
1100, Haarsiebboden auf 150 Handstühlen angefertigt. Der regste
Gewerbfleiß herrscht im südöstlichen Theile, von der^ zittauer Ge-
gend au längs der böhmischen Grenze bis jenseits Schirgiswalde.
Dort liegen die stundenlangen und stadtgleichen Weberdörfer mit
mehreren tausend Einwohnern, wo vom Dienstboten bis zum Herrn,
vom Kinde bis zum Greise Alles nur für spinnen, spulen, bleichen,
weben !c. lebt. Die größeren Kinder müssen schon in den letzten
Schuljahren mit an den Webstuhl gehen, die kleinen wenigstens
beim spulen helfen. Viele von diesen Dörfern theilen sich ihrer
Boden; Producte; Industrie. 49
Länge wegen in ein Oberes und Niederes, manche auch noch in
ein Mitteldorf.
Leider muß jedoch unsere lausitzer Weberei mühsam ringen
und kämpfen, um ihr Leben zu fristen. Noch vor 60 Jahren stand
es hier ganz anders. Damals gingen große Massen lausitzer Lein-
wand ins Ausland, besonders nach Amerika, Spanien und Italien,
noch vor 30, ja vor 40 Jahren versendete die Lausitz ihre eigenen
gesponnenen und gebleichten Handgarne in beträchtlicher Menge;
heut zu Tage wird feine Leinwand, mit wenigen Ausnahmen, hier
gar nicht mehr erzeugt, weil unsere lausitzer Weber die Concnrrenz
der englischen Maschinenindustrie nicht bestehen können, und des-
halb hat die Leinweberei bereits an vielen Orten der Lausitz der
Fabrikation anderer besser lohnender Artikel weichen müssen; wo
sie aber noch besteht, erhält sie einen großen Theil der erforderlichen
Garne nicht mehr aus dem eignen Lande, sondern bezieht sie aus
englischen Spinnereien. Die Fabrikation baumwollener Kattune,
die noch vor 15 bis 20 Jahren viele 1000 Handstühle beschäftigte,
hat seit dem Aufkommen der mechanischen Weberei fast ganz auf-
gehört; die Baumwollenweberei beschränkt sich auf Waaren von
geringerer Qualität, weil die hohen Eingangszölle auf ausländische
Garne, hauptsächlich aber die nur aus der Ferne zu beziehenden und
darum theuern Eisen und Kohlen den Betrieb durch Maschinen un-
möglich machen. Nur nach Westindien, Mexico und Venezuela sin-
det noch eine starke Aussuhr lausitzer Gewebe statt. Die Haupt-
Handelsgeschäfte, welche den Betrieb der gewebten Waaren
besorgen, befinden sich in Zittau, Eibau, Herrnhut, Schön-
bach, Schirgiswalde, Lübau, Wehrsdorf, Spremberg,
Oderwitz, Walddorf, Nieder-Cunnersdorf, Groß-
schönan:c.
Strumpfwaren und Baretfabrikation, früher ebenfalls
von viel bedeutenderem Umfange als jetzt, beschäftigt etwa noch
300 Stühle in Bautzen, Schirgiswalde, Wilthen und Cro-
stau. Ziemliche Mengen Wollstrümpfe werden in und um
Bautzen und Zittau mit der Hand gestrickt. — Wichtig ist die
Tuchfabrikation, besonders inKamenz undBischofswerda,
durch welche jährlich 24.000 Stück Tuche erzeugt werden; Bän-
der aller Art liefert die pulsnitzer Gegend, endlich werden auch
noch mancherlei andere Dinge, namentlich Pulver, Papier, Thon-
und Töpfergeschirr sabricirt.
Ein Theil des Regierungsbezirks ist von Wenden bewohnt,
einem Ueberreste der slawischen Völkerschaften, welche bis auf
König Heinrich I. unser ganzes Land inne hatten (S. 16). Die
W end e i, wie man dieses Gebiet davon nennt, berührt bei Weißen-
berg das Löbauer Wasser, seine Südgrenze bildet eine ungefähre
Linie ans der Nähe von Löban, am Nordfuß des Czorneboh vor-
über bis nach Dehnitz bei Bischofswerda und von da nördlich bis
Weißig und zur Landesgrenze. Innerhalb dieser Grenzlinie sind
Engelbardt's Vaterlandskunde. 11. Aufl. 4
50 Kreishauptmannschaft Bautzen.
alle Dörfer wendisch, die einzige Stadt aber, Bautzen, fast
ganz deutsch. Von den deutschen Dörfern unterscheiden sich die
wendischen nicht bloß durch ihre Kleinheit, sondern hauptsächlich
auch durch die Bauart, denn ihre Gebäude stehen nicht wie bei
den Deutschen in Gehöfte getrennt, sondern dicht aneinander und
mit dem Giebel gegen die Gasse gekehrt. Die Rittergüter habeu
alle deutsche Besitzer, dafür gibt es unter den Wenden stattliche
Großbauern; merkwürdigerweise erbt bei ihnen das väterliche
Anwesen nicht auf den ältesten, sondern auf den jüngsten Sohn.
Wo Deutsche und Wenden aneinander grenzen, haben Dörfer
nicht selten zwei Namen, einen deutschen und einen wendischen,
was ein Besucher dieser Gegend wohl beachten muß, wenn er
nicht irre werden will. Die Zahl der sächsischen Wenden beträgt
50.727*), davon sind etwa ein Fünftheil Katholiken, die fast
alle um das Kloster Marienstern herumwohnen. Daß die Wendei
eine ausschließlich Ackerbau treibende Gegend ist, sieht man
schon den kräftigen Gestalten ihrer Bewohner an, die gegen
die bleichen und magern Männer in den Weberdörfern gar
sehr abstechen. In Sprache, Denkart, Kleidung und Sitten ist
der Wende von dem Deutschen sehr verschieden. Seine Sprache,
die dem Böhmischen und Polnischen am nächsten verwandt ist,
hat etwas singendes; seine Tracht gleicht ziemlich der des alten-
burger Bauern. Man gibt ihm oft einen harten Sinn, Trnnk-
liebe, Grobheit und Hang zum Aberglauben schuld, Fehler, die
sich nicht selten auch bei dem deutschen Landmanne sinden, und
die auch bei den Wenden durch bessere Eigenschaften aufgewogen
werden; denn er ist arbeitsam und treu als Dienstbote, tapfer
als Soldat, gehorsam als Unterthan, heiter auch bei den größten
Beschwerden, ein fleißiger Kirchenbesucher, genügsam wie der
Erzgebirger, aber ein besserer Haushalter als dieser und so recht
herzlich gastfrei. Bei Wohlhabenden liegt das Brod den ganzen
Tag auf dem Tische, kein Bettler wird abgewiesen und, gibt's
Kuchen im Hause, so wird jeder Einsprechende damit bewirthet.
Seine liebste Freude ist der Tanz, der sich hier noch in einer
besondern nationalen Gestalt erhalten hat: die Tänzerin bewegt
sich eine Zeit lang allein, dann wird sie von ihrem Tänzer unter
Stampfen, Singen und Jauchzen umkreist, endlich reicht sie ihm
die Hand zu gemeinsamem Tanze, worauf auch andere Paare
am Rundtanze Theil nehmen. Zuweilen spielt wohl auch noch
ein Dudelsackpfeifer dazu auf. Junge Burschen ergötzen sich häufig
an der Kletterstange und Alt und Jung ist am frohesteu, weun
die Bierkanne zechum geht, während Spielleute ein sogenanntes
Gesätzel oder Ruuda blasen.
Bei Taufe, Hochzeit und Begräbniß hatte der Wende
bis vor Kurzem seine eigenen Gebräuche bewahrt. Weun die
*) 2818 derselben wohnen im Regierungsbezirk Dresden.
Wenden. 51
Bademutter Gevatter bitten ging, hatte sie, je nachdem das Kind
Knabe oder Mädchen war, ein schwarzes oder ein weißes Stäbchen
in der Hand, und war die Taufe vorbei, so überreichte sie der
Mutter das Kind mit den Worten: „Einen Heiden gabt Ihr uns,
einen Christen bringen wir wieder". In den Pathenbrief legt
man gern verschiedenes, womöglich auch gefundenes Geld, weil
dieses besonderen Segen bringen soll.
Bei Hochzeiten, wozu Hochzeitbitter und Bräutigam zu
Pferde, in schwarzen Röcken mit dem buntesten Ausputz, gemein-
schaftlich einladen, spielen, nächst Bräutigam und Braut, die Kranz-,
oder wie sie hier heißen, die Züchtjungfern und die Zucht-
frau oder Salzmäste Hauptrollen. Die letztere, meist eine
bejahrte Freundin der Braut, nimmt die Hochzeitgeschenke in
Empfang und sorgt für Bewirthnng der Gäste. Der Schmuck
der Braut besteht in einem schwarzen, faltenreichen Gewände oder
einem Pelze, über welche zwei weiße Schürzen gebunden werden,
und einer hohen, thurmartigen, schwarzsammtnen Mütze, auf wel-
cher der mit Sternen und Flinkern besetzte Brautkranz aus Raute
oder Seide prangt; um den Hals hängen Korallen oder goldene
und silberne Ketten, auf die Brust herab alte Goldstücke. Die
Hochzeittafel beginnt mit Schwarzfleisch und endet mit gebackenen
Pflaumen und Milchspeise, über welche Pefferkucheu gerieben ist;
dazwischen dürfen mehrere Arten Braten und Kochfleisch, besonders
Fleisch- und Grützwürste, nicht fehlen. Noch dem Essen geht es
zu Tanze.
Weiß ist die Trauerfarbe der Wenden; die Leiche wird stets
nur in weißes Leinen gekleidet. Sobald bei einem Kranken der
Todeskampf eintritt, wird die Thüre oder ein Fenster geöffnet,
damit die scheidende Seele bei ihrem Fluge gen Himmel nicht
aufgehalten werde. Des Hausherrn Tod wird den Bienen mit
den Worten gemeldet: „Bienchen steht auf, euer Herr ist tobti/y
— Mancher andere eigentümliche und aus uralter Zeit ftam-
mende Brauch ist, wie das Todaustreiben am Sonntag Lätare,
allmählich abgekommen oder wohl gar, wie die Johannisfeuer,
polizeilich verboten worden; das Spiel des Eierschiebens (jeja
walka6) zur Osterzeit, das sonst unter den Wenden allgemein
geübt wurde, ist nur theilweise noch auf dem Lande bekannt; auf
dem Protzschenberge bei Bautzen aber ist es zur stehenden Belusti-
gung der Kinder am ersten Osterfeiertage geworden. Merkwürdig
ist dagegen, daß sich bei den katholischen Wenden der Lausitz die
Sitte erhalten hat, Wallfahrten nach Mariaschein bei Teplitz zu
machen, die sich jedenfalls noch aus der Zeit herschreibt, wo die
Lausitz zu Böhmen gehörte. Zweimal im Jahre, zu Pfingsten und
im Herbst zu Mariä Geburt, geht ein Zug von 509 und mehr
Köpfen, dem sich selbst aus der preußischen Lausitz Theilnehmer
anschließen, von Bischofswerda her über Pirna, Berggießhübel
und Gottleuba nach jenem Kloster, wozu ziemlich eine Woche
4*
52 Kreishauptmannschaft Bautzen.
gebraucht wird. Mit Gesang kommen sie, mit Gesang wandern
sie zurück; Viele machen die Wallfahrt beidemal mit.
Zwar läßt sich voraussehen, daß diese wendische Insel im
deutschen Sprachmeere, wie sie bisher schon immer kleiner ge-
worden ist, über kurz oder lang ganz verschwinden wird, denn
während z. B. in dem Zeitraum von 1849 — 71 die Gesammtbe-
völkeruug Sachsens sich um 35 Procent vermehrt hatte, betrug
die Zunahme bei den Wenden nur 6 Procent. Doch ist neuer-
diugs mancherlei geschehen, um Sprache und Volkstümlichkeit
der Wenden zu erhalten, und der Wendische Bildungsverein
Ma6ica Serbska in Bautzen, woselbst er ein Vereinshaus
besitzt, macht es sich zur besonderen Aufgabe, gemeinnützige Kennt-
nisse unter denselben zu verbreiten ohne sie ihrer Sprache zu be-
rauben, während der Wendisch-lutherische Bücherverein
und die katholische Gesellschaft des h. Cyrillus und Metho-
dins die Herausgabe wendischer Erbauungsschriften zum Zweck
habeu.
Die Lausitz besaß bis in unser Jahrhundert ihre besondere
Verfassung, da derselben bei ihrer Vereinigung mit Sachsen
durch den prager Frieden 1635 die Anfrechthaltuug ihrer Frei-
heiten und Vorrechte ausdrücklich zugesichert worden war. Erst
seit Einführung der sächsischen Verfassung ist die Lausitz in Bezug
auf innere Verwaltung den Erblanden allmählich gleichgestellt
worden, doch sind ihr immer noch gewisse Eigenheiten verblieben,
welche ihre Verfassung von der erbländischen unterscheiden; denn
1) hat sie noch ihre Provinziallandtage, welche von der
Ritterschaft, den Städten und seit 1834 auch von den bäuerlichen
Grundbesitzern beschickt werden und auf denen der Standesherr
von Königsbrück den Vorsitz führt; — 2) hat die katholische
Geistlichkeit in der Lausitz bedeutende Besitzungen, nämlich das
Domstift St. Petri zu Bautzen, dessen Dekan auch in der
ersten Kammer des Landtags sitzt, und die Eistercienser-Nonnen-
klöster Marienstern und Marienthal, deren weltliche An-
gelegenheiten durch protestantische Klostervögte vertreten werden;
desgleichen hat nur die Lausitz katholische Ortschaften, näm-
lich die Städte Ostritz und Schirgiswalde und 62 Dörfer; —
3) die Vierstädte Bautzen, Zittau, Kamenz und Lübau.
Bis zum I. 1815 hießen dieselben nebst Görlitz und Laubau
die Sechsstädte, weil sie 1346 einen Bund zu gegenseitigem
Schutze gegen die Raubritter der Umgegend geschlossen hatten.
Anfangs stark und mächtig, wurden die Sechsstädte im Jahre
1547 von König Ferdinand von Böhmen ihrer Privilegien und
vieler Besitzungen beraubt, weil sie ihm im Schmalkaldischen
Kriege den Beistand gegen ihre Glaubensgenossen, die Protestan-
ten, verweigert hatten. Zu Löbau hielten sie ihre Städtetage;
1814 geschah dies von allen sechs zum letzteumale; die sächsisch
gebliebenen vier Städte setzten auch nach der Theiluug Sachsens
Verfassung; Alterthümer; Ostritz. 53
ihren Bund fort; — 4) In der Lausitz gibt es keine Super-
iutenduren; die einzige in der bautzner Kreishauptmannschaft
ist die zu Bischofswerda, weil dieses ursprünglich zum meißner
Kreise gehörte.
Keine Provinz unseres Landes ist so reich an Ueberresteu der
heidnischen Vorzeit, wie die Oberlausitz, wo man deren schon eine
große Menge über und unter der Erde aufgefunden hat. Urnen-
gräber und andere heidnische Alterthümer trifft man am häufigsten
in den nördlichen Ebenen; daß viele von den freistehenden Berg-
höhen mit ihren seltsam auf einander gethürmten Felsblöcken und
durch Feuersglut zusammengebackenen Schlackenwällen, wie deren
auf dem Löbaner Berge, dem Stromberge bei Weißenberg und
dem Rothstein zu finden sind, einst als Opferplätze gedient haben,
dafür zeugen Eingrabuugen im Stein, die von Menschenhand
herrühren, aufgefuudne Schlacken und Geräthe, ungebrannte Scher-
ben von Urnen, Knochen, Kohlen und verkohltes Getreide. Ring-
wälle sind in der ganzen Lausitz gegen 50 bekannt und besonders
um Kamenz uud Bautzen häufig; es sind dies hufeisenförmige,
oft bis 60 Fuß hohe Erdwälle ohne alles Mauerwerk, mit
schmalen Eingängen, nach außen steil abfallend, manche mit einem
Durchmesser von 50 bis 100 Schritt, die meisten in der Nähe
eines Baches so angelegt, daß sie demselben die Oeffnung ihres
Bogens zukehren. ^>ie stammen aus der ältesten Zeit und dienten
jedenfalls als Zufluchtsorte für die Landbewohner und deren Habe
bei feindlichen Ueberfällen. — Ein Zengniß von dem lebendigen
Interesse, welches der Lausitzer für die Geschichte seines Landes
empfindet, ist, daß Vereine und Einzelne eifrig bemüht sind, die
Erinnerungen an dessen Vergangenheit zu sammeln und zu er-
halten, daß selbst von vielen Dörfern gedruckte Ehrouikeu und
Geschichten vorhanden sind.
Bei Beschreibung der
Städte, denkwürdigsten Flecken und Dörfer
beginnen wir im Südosten, wo an der Neiße
der Flecken Hirschfelde (2128 Einw.) mit den Ruinen der
Burg Röhn au liegt; er besitzt eine große, theils durch die Neiße,
theils durch Dampf getriebene Flachsspinnerei mit 9056 Spindeln,
die älteste Sachsens, die ein vorzügliches Gespinnst liefert und
900 Arbeiter beschäftigt. In Seitendorf werden Holzpantoffeln
im Großen angefertigt. — Die Stadt Ostritz an der Neiße
(1556 Einw.) treibt Kürschnerei, ist katholisch und gehört dem
nahen Nonnenkloster Marienthal, welches unter einer Aebtissin
steht, über 30 Nonnen zählt und 14 meist evangelische Dörfer
besitzt. _ Die Klosterkirche ist sehr schön. Im nahen Dorfe Blum-
b er g steht eine der größten Linden Sachsens. Das größte unter
den Klosterdörfern und zugleich eines der bedeutendsten Fabrik-
dörfer ist Reichenau (5072 Einw.), welches in 4 Fabriken
54 Kreishauptmannschaft Bautzen.
auf 667 mechanischen Stühlen Orleans, d. h. glanzreiche halb-
wollene Kleiderstoffe, erzeugt. Der gewerbreiche Ort besitzt
23 Dampfkessel mit 17 Dampfmaschinen von zusammen 318 Pferde-
kraft. Die 60 m. hohe Esse der großen Preibisch'schen Fabrik
gilt nächst der sreiberger Hütteuesse als die höchste in Sachsen
uud überragt z. B. den Thurm der Thomaskirche in Leipzig.
Die hiesige Wollspinnerei, welche schaswollne Garne, zur Orleans-
Weberei passend, fabricirt, ist die einzige Sachsens; bisher mußten
die hier gebrauchten Garne aus England bezogen werden. Der
Hochherzigkeit eines seiner Bewohner, der sich ans Armnth zum
reichen Fabrikherrn emporgearbeitet hat, verdankt der Ort eine
11/2 Stunden lange Wasserleitung, eine Gasanstalt, eine Feuer-
wehr, eiue Stiftung für 40 alte und arme Arbeiter und eine
Schule für Arbeiterkinder. In Reichenau wurde 1753 der Com-
ponift I. G. Schicht als Sohn eines armen Leinwebers ge-
boren. — In dem Granit des romantisch-schönen, jetzt von der
Görlitz-Zittauer Bahu durchzogenen Neißethales zwischen Hirschfelde
und Marienthal findet man schöne Bergkrystalle und Rauchtopase.
Der Flecken Reibersdorf, rechts von der Neiße, ist der
Sitz der gräflich Einsiedelschen Standesherrschaft gleiches Namens,
bildete früher nur einen Theil der Herrschaft Seidenberg, ist
aber, da dieses durch die Landestheilung 1815 preußisch geworden
war, zu einer eigenen Standesherrschaft erhoben worden. Es hat
ein Schloß mit werthvoller, jetzt neu geordneter Bibliothek, schönen
Gärten und Park; die Oekonomie von Reibersdorf gehört zu den
trefflichsten des Landes, der jetzige Standesherr gilt für einen
der ersten Pferdekenner uud hat sich um die Einführung des eng-
lischen Hufbeschlags bei uns große Verdienste erworben. Hier
wurde schon vor 70 Jahren das erste Englische Bier gebraut, und
hier auch im Jahre 1831 der erste Artesische Brunnen in Sachsen
gebohrt. — Dicht an der preußischen Grenze, da wo die Neiße
Sachsen verläßt, liegt das von I. S. von Ziegler und Klipphausen
1728 gegründete weltadlige Fräuleinstift Joachimstein, wo un-
ter Aufsicht einer Stiftshofmeisterin zwölf Fräulein von altem
Adel, lebenslänglich oder auch nur so lange es ihnen beliebt, aufs
anständigste unterhalten werden. Die Besetzung der Stellen und
die Verwaltung des Stiftes stehen Sachsen und Preußen gemein-
schaftlich, die Landeshoheit nur ersterem zu.
Auf uud über dem fruchtbaren Thalboden der Mandau,
des linken Zuflusses der Neiße, in einer herrlichen Gegend, liegt
unfern der böhmischen Grenze uud an der Eisenbahn die Vierstadt
Zittan (20.417 Einw., 1281 H. Mathhaus 243m. h.]), ein
sächsisches und ein österreichisches Hauptzollamt, ein preußisches
Zolliuspectorat, Sitz einer Handels- und Gewerbekammer, der
Oberlansitzer Bank und Hauptplatz für den Handel mit den Roh-
prodncten und Garnen der lausitzer Gewebeindustrie, an welcher
selbst es ebenfalls durch Fabrikation von Orleans und halb-
Zittau. 55
wolluen Waaren, durch Bleicherei und Druckerei Theil nimmt;
außerdem hat es Posamentengroßindustrie, Maschinenbauerei, ein
Institut für Glasmalerei pflegt diesen seit dem Mittelalter sehr
vernachlässigten Kunstzweig mit Erfolg. Dagegen ist die Tuch-
und Leinwandindustrie, welche noch im Anfange dieses Jahr-
Hunderts den Haupterwerb Zittaus bildete, jetzt ganz aus der
Stadt verschwunden. Zittau ist durch Lage und Bauart eine
unserer schönsten Städte. Die Festungswälle sind in freundliche
Parkanlagen verwandelt, welche die ganze Stadt umschließen und
mit besonderer Vorliebe gepflegt werden, ein Theil derselben, die
Weinau, wird zu Volksfesten benutzt und herrliche Springbrunnen
werden durch die neue große Wasserleitung gespeist, welche der
Stadt ihren Bedarf aus der Johannesquelle zuführt. Es hat
7 Kirchen, unter denen die Johanniskirche, nach Schinkels
Entwurf an Stelle der 1757 zerstörten neu erbaut, die schönste ist,
ein mit Realschule verbundenes 1586 gegründetes Gymnasium
(das Johauueum), seit 1871 in einem Prachtbau mit Glocken-
thurm, eine Baugewerkenschule, eine höhere Handelsschule, Bürger-
schulen uud treffliche Armenanstalten, darunter eine von dem
zittauer Patrioten Just gegründete Augenheilanstalt uud ein
großes neues Hospital, ein Rettungshaus für Knaben, mehrere
wissenschaftliche Vereine, ein Stadtbad mit zwei auch im Winter
benutzbaren Schwimmbassins, ein schönes Theater und einen großen
Circus. Das zittauer Rath haus mit dem großen Bürgersaal
ist das schönste in ganz Sachsen. Ueber der ehemaligen Böh-
mischen Kirche steht in drei großen Sälen die Rathsbibliothek,
nächst der dresdner und den leipziger Bibliotheken die größte
Sachsens, welche im 17. Jahrhundert durch böhmische Exulanten
sehr bereichert worden ist, so daß sie jetzt, mit der Gymnasial-
bibliothek zusammen aufgestellt, gegen 40.000 Bände, außerdem
viele Handschristen und Urkunden, unter andern eine Original-
abschrift des Majestätsbriefes vom I. 1609 und eine Handschrift
des Sachsenspiegels besitzt.
Die zittauer Umgegend gehörte ursprünglich nicht zu der Lausitz,
sondern zu Böhmen selbst. Durch den Verkehr auf der Straße,
die hier von Schlesien uud der Mark nach Böhmen führte, entstand
schon in sehr früher Zeit der Ort Zittau; König Ottokar II. erhob
denselben im I. 1255 zur Stadt, indem er in Person die Stätte
umritt, welche das Weichbild der Stadt bilden sollte, und er wie
seine Nachsol'ger begnadigten sie mit vielfachen Freiheiten. Im
Mittelalter war Zittau als Glied des Lausitzer Städtebundes eine
mächtige und streitbare Stadt. Viel hatte es aber von den Hnssiten,
viel im dreißigjährigen Kriege zu leiden; der schrecklichste Tag für
die Stadt kam jedoch im siebenjährigen Kriege, denn am 23. Juli
1757 beschossen sie die Oesterreicher, welche die bei Kolin geschlage-
nenPreußen durch deuLückendorferPaß verfolgten, mitglühen-
den Kugeln, da die schwache preußische Besatzung, welche die
56 Kreishauptmannschaft Bautzen.
hiesigen Magazine decken sollte, angeblich nicht gleich die Thore off-
nete. Gegen 600 Wohnhäuser, drei Viertheile der Stadt, sanken in
Asche, viele Bürger wurden von einstürzenden Häusern erschlagen,
allein 73 erstickten in Kellern durch den Rauch, die meisten ver-
armten; der Verlust betrug 10 Mill. Thaler. Noch im I. 1801
lagen von dieser Einäscherung her 108 Brandstellen wüst. Auch
im Juni 1866 wurde diese Gegend durch die starken Durchzüge
der in Böhmen einbrechenden preußischen Elbarmee hart betroffen.
— In Zittau lebte am Ende des 16. Jahrhunderts der Organist
Hammerschmidt, welchem wir viele unserer herzerhebendsten
Kirchenmelodien (unter andern: „Meinen Jesnm laß ich nicht")
verdanken; hier ward 1676 der berühmte Rechenmeister Pescheck
und 1798 der Componist H. Marschner geboren. — Keine
Stadt unseres Landes hat einen solchen Grundbesitz wie Zittau,
das Stadtvermögen beläuft sich abzüglich der Schulden aus
51/2 Mill. M., 13 der umliegenden Dörfer gehören der Stadt-
gemeinde ganz, 7 zum Theil, in 20 andern hat sie wenigstens
Besitzungen, so daß das ganze städtische Eigenthum über 4 DM.
ausmacht, die städtischen Waldungen (4256 Hectaren) allein einen
Jahresertrag vou 200.000 M. abwerfen und die Einwohner nur
niedrige städtische Steuern zu bezahlen brauchen.
In der Umgegend von Zittau blüht ausgedehnte Gemüse-,
Blumen- und Kunstgärtnerei. Den Jahresertrag der ersteren
schätzt man auf 100.000 Schock Salat, 8000 Schock Blumenkohl,
10.000 Schock Sellerie, 1500 Schock Meerrettig, 35.000 Schock
Gurken und 2500 Scheffel Zwiebeln; sehr erheblich ist die
Blumenbinderei; ferner wird auf vielen kleinen und großen Wer-
ken starker Braunkohlenbau betrieben, der im Jahre gegen
ll/2 Million Hectoliter zu Tage fördert; am umfänglichsten ist
der auf den reichen Lagern des Dorfes Harthau; bei Olbers-
dorf (3256 Eiuw.) wird die Braunkohle zu Vitriol verarbeitet;
bei Oppelsdorf ist ein Schwefelkohlenbad errichtet.
Den südlichsten Landstrich längs der böhmischen Grenze durch-
zieht das Zittauer Gebirge, zu dessen merkwürdigsten Felsen
derOybin (565m) gehört. Mitten in einem von mächtigen Fels-
wänden umschlossenen Thale erhebt er sich, von geschichteten und
zerklüfteten Sandsteinblöcken zusammengesetzt über 120m, rings-
um freistehend wie ein Bienenkorb, nur von der südöstlichen Seite
her zugänglich. Tief im Thale liegt das Dorf Oy bin, ein beliebter
Sommeraufenthalt für Städter, auf einer Terrasse am Felsen
die Kirche; auf dem Felsen selbst stand im 13. Jahrhundert ein
Ranbschloß; an dessen Stelle errichtete Kaiser Karl IV. ein Cöle-
stiner-Mönchskloster, das durch die Reformation 1545 einging,
dessen Gebäude aber 1577 der Blitz zertrümmerte und dadurch
in Ruinen von unvergleichlicher Schönheit verwandelte. Die
schönsten sind die der alten gothischen Klosterkirche, ^neben denen
sich der Dorfkirchhof befindet, daher kein Kirchhof Sachsens eine
Zittauer Gegend. 57
so romantische Lage hat. Höchst merkwürdig ist, daß man zur
südlichen Kirchenwand den anstehenden Felsen selbst benutzt, jedoch
hinter derselben einen 28m langen und 16m hohen Gang aus-
gehauen hat, um dadurch den Schall von Orgel, Gesang und
Predigt zu verstärken. Im I. 1861 ist auf dem Oybiu die
Bronzebüste des zittauer Historikers Pesch eck aufgestellt worden.
Die Aussicht vom Oybiu beschränkt sich aus das herrliche, nur
nach Zittau sich öffnende Thal; steigt man aber vom Kirchhofe
aus die 80 Stufen bis zur Höhe des Felsens hinauf, so kann
mau bis zur Landskrone bei Görlitz sehen. An manchen Punkten
hallt vielfaches Echo.
Unter den Basalt- und Klingsteinkuppen, welche über das
Sandsteingebirge emporragen, ist die höchste die kegelförmige
Lausche oder der Spitzberg (792^)r welche halb zu Böhmen
gehört und der prachtvollen Aussicht wegen, die sie bietet, jährlich
von Tausenden von Reisenden bestiegen wird. Man überblickt
von hier einen großen Theil Sachsens, Böhmens und Schlesiens.
Die Kapelle auf der Schneekoppe des Riesengebirges, der Dürre-
berg bei Reichstadt in Böhmen, der Lilienstein an der Elbe, die
Jauernicker Berge bei Görlitz sind deutlich zu erkennen. In der
Wirthschaft oben übernachten viele Reisende, um der Sonne Unter-
und Aufgang zu genießen. Besonders großartig ist die Aussicht
am Abend des 23. Juni, an welchem in dem umliegendem Sachsen
und Böhmen hunderte von Johannisfeuern angezündet werden,
so daß der Eindruck entsteht, als spiegele sich der gestirnte Himmel
in der klaren Fläche eines ungeheuren Sees wieder. — Walters-
dorf am Fuße der Lausche, wo sich wirkliche Lava findet, hat
große Sandsteinbrüche, liefert auf etwa 420 Stühlen Zwilliche,
Jacquards, Drells zc., und ist der Geburtsort des Capellmeisters
Fr. Schneider, des Componisten des „Weltgerichts". — Süd-
lich vom Oybin erhebt sich der Hochwalid (729m), über welchen
ebenfalls die sächsisch-böhmische Grenze hinläuft. An ihm liegt
das Dorf Hain, der höchste bewohnte Ort der Lausitz, der auch
das rauheste Klima hat. — Bei Lückend orf versuchte Napoleon
im August 1813 in Böhmen einzufallen, jedoch vergeblich.
Eine große Naturmerkwürdigkeit findet sich bei Jonsdorf,
wo der Sandstein durch die Hitze eines durch ihn glühendflüssig
hindurchgebrochenen Basaltganges sich ebenfalls basaltähnlich zu
4-—6fertigen Säulen gesondert hat. Dieser durchglühte Sandstein
liefert in den der Stadt Zittau gehörigen Brüchen ein ausge-
zeichnetes Material für Mühlsteine, die sich durch ihre ganz be-
sonders scharfe Kornbildung namentlich zum Mahlen des Roggens
eignen. Man setzt auch die Mühlsteine kunstreich aus einzelnen
Stücken zusammen, die durch Kitt und eiserne Reifen Halt be-
kommen. Die Steine, von denen das Stück von 48 bis zu 220 M.
kostet, kommen den französischen an Güte gleich und werden selbst
bis nach Schweden und Rußland verschickt. An das nördliche
58 Kreishauptmannschaft Bautzen.
Ende von Jonsdorf schließt sich die Bleichkolonie Hänischmühe
an, welche I. G. Hönisch aus Alt-Jonsdorf unter großen Schwie-
rigkeiten durch Urbarmachung einer Einöde begründete. In dieser
Kolonie, welche ein seltenes Beispiel von Zusammenhalt uud gemein-
samer Thätigkeit einer Familie bildet, wohnen lauter Nachkommen
des Begründers. 1840 erhielt sie von der Regierung ihren
jetzigen Namen. Ein Denkmal feiert den im I. 1810 verstorbenen
ehrwürdigen Patriarchen und Richter der Kolonie, welcher das
Wort von dem Segen des Vaters, der den Kindern Häuser baut,
verwirklichte.
Gewerblich denkwürdig ist die zittauer Gegend der vie-
len und großen Weber- oder Fabrikdörfer wegen. Drells,
leinene und halbleinene Rock- und Hosenstoffe werden in Groß-
schönau, Jonsdorf, Waltersdorf, Bertsdorf und Haine-
walde gefertigt; die sehr bedeutende Fabrikation von Rock- und
Hosenstoffen aus Baumwolle und Vicogne hat ihren Sitz Haupt-
sächlich in Gersdorf, Ebersbach, Seifhennersdorf, wo
auch viel Kinderwagen gebaut und Holzschuhe gefertigt werden,
Eibau, Spitzcuunersdorf u. a. Einen eigentümlichen In-
dnstriezweig besitzt außerdem Hainewalde, angeblich schon seit
Ende des 16. Jahrhunderts, in der Verfertiguug von Siebboden
aus Roßhaaren und Kuhschweifen, der regelmäßig 200, im Winter
sogar 300 Menschen beschäftigt. — Das größte Fabrikdorf
der zittauer Gegend ist Ebersbach am Fuß des Kottmar mit
3974 Einw., vier Schulen und einer Volksbibliothek, der Hauptsitz
der Fabrikation der sogenannten Griechischen Köper oder Demi-
cottons in ächt orientalischen Mustern, die auf ungefähr 1100
Stühlen, zum Theil mit Jacquardmaschinen, aus buntgefärbtem
Baumwollengarn gewebt und nach der Türkei, nach Afrika, sogar
nach Japan verschickt werden. Zur Zeit ihrer größten Blüte,
während des Krimkrieges 1854—56, lieferte diese Weberei jähr-
lich 150.000 Stück, d. h. nahe an 10 Millionen Ellen. Auch
Bleichereien, Färbereien uud eine Maschinenfabrik finden sich hier
in Ebersbach. Hier spaltet sich die Südlausitzer Bahn, welche
durch die großen Jndustriedörfer der Lausitz nach Norden führt,
in zwei Linien, deren eine nach Löban, die andre nach Sohland
abzweigt, außerdem mündet hier die Böhmische Nordbahn in das
sächsische Bahnsystem. — Will man ein lebendiges Bild von
Gewerbfleiß haben, so muß man in jene Dörfer gehen, wo die
kleinste Stube oft 3 bis 4 Webstühle enthält und für die zahl-
reiche Familie kaum ein paar Quadratellen Raum bleibeu, wo
man oft Abends festliche Erleuchtungen zu sehen meint, während
nur die zahllosen Lämpchen fleißiger Weber aus kleinen Hütten-
fenstern schimmern. Herrliche Fabrikgebäude uud Anlagen erinnern
an die Zeit, wo lausitzer Leinwand, nächst schlesischer, in und außer
Europa den größten Absatz hatte. Seitdem dieser aber^ aus viel-
fachen Gründen, gefallen ist, blühen zwar immer noch Fabrikfleiß
Zittauer Gegend. 59
und Betriebsamkeit, gewähren aber den Arbeitern nicht mehr die
frühere Wohlhabenheit.
Groß- und Neuschönau an der Maudau, seit 1868 mit
Zittau dnrch eine Eisenbahn verbunden, sind die Heimat unserer
Damastweberei. Unter Damast versteht man gemustertes Lei-
nenzeug, dessen Figuren auf der einen Seite matt aus glänzendem
Grunde, auf der andern glänzend wie Seide auf mattem Grunde
erscheinen; er wird meist zu Tafelzeug gebraucht und auch ge-
zogeue Arbeit genannt, weil die Muster auf dem „Zugstuhle",
einem Webstuhle von ganz besonderer Bauart, durch Ziehen der
Fäden entstehen. Auf demselben können nicht bloß fortlausende
Muster wie auf dem Jacquardstuhle, sondern alle möglichen Bilder,
Städte, Landschaften, Buchstaben :c. gewebt werden. Die meisten
Weber müssen ihre Arbeit von geschickten Händen vorrichten lassen.
Zuerst wird nämlich das aufgegebene Muster oder Bild durch
Linien und Punkte vorgezeichnet, dann durch das sogenannte Ein-
lesen oder Ziehen von Zwirnsfäden vollends vorgerichtet. Dies
Zwirnsfadenmuster kommt nun auf den Stuhl, an welchem ein
Gehilfe die Fäden so zieht, daß das vorgeschriebene Muster oder
Bild eutsteht, indeß der Meister es webt. Die Arbeit des Damast-
webers ist sehr ungesund, weil die Fenster der Fabrikstuben fast
gar nicht geöffnet werden dürfen, denn der geringste Luftzug bringt
die Musterfäden in Unordnung. Die Gründung dieses Judustrie-
zweiges fällt ins Jahr 1666, doch war diese Art von Gewebe
schon im 15. Jahrhundert bekannt und kommt in einer Kleider-
ordnnng von 1482 unter dem Namen „Damaschk" vor. Der
großschönaner Damast ist weltberühmt und ziert die Tafeln der
meisten Monarchen Europens; es werden aber auch nirgends so
großartige Muster ausgeführt, wie hier, wo man Wappengedecke
bis zu il/2m Breite fertigt, die denn freilich auch sehr theuer zu
stehen kommen. Im Jahre 1819 ward ein Gedeck für 5220 Thlr.
geliefert, auch hat man Tafeltücher mit Allegorien auf Washing-
ton, auf Wilhelms von Oranien Geburt, auf Napoleons Tod,
auf den Frieden zu Paris, das Bombardement von Algier, die
Germania und ähnliches gewebt. Das schwierigste Kunstwerk,
welches diese Fabrikation je geliefert hat, ist eine Serviette mit
zahlreichen ans das erste deutsche Sängerbundfest zu Dresden im
I. 1865 bezüglichen Darstellungen. Um den Damast immer bei
gleicher Güte zu erhalten, bestanden sonst strenge Vorschriften,
die sogenannten Fabrikartikel, auch wurde die Mauusactur von
zu Zeit durch den zittauer Rath untersucht, vorzüglich
aber darauf gesehen, daß dem Damaste nicht Baumwolle ein-
gewebt würde. Schlechte Arbeit zerschnitt man vor den Augen
des Webers. Zahlreiche Verordnungen sollten dazu dienen, das
einträgliche Gewerbe auf Großschönau zu beschränken und einer
Ueberhäusung des Marktes also auch der Verringerung des
Verdienstes vorzubeugen. Kein Fremder durfte der Arbeit zu-
60 Kreishauptmannschaft Bautzen.
sehen, nur Einheimische wurden zur Damastweberei zugelassen,
neue Meister durften höchstens drei Stühle aufstellen, von Michae-
lis bis Martini durfte nicht gewebt werden, Auswanderung war
den Damastwebern untersagt. Aber allen diesen Vorsichtsmaß-
regeln zum Trotz verpflanzte sich die Kunst nach Schlesien und
nach Elberfeld, von wo den großschönauer Webern bald eine
drückende Concnrrenz erwuchs. Durch Einführung der Gewerbe-
freiheit sind alle jene veralteten Beschränkungen aufgehoben.worden,
auch die großschönauer Damastweber haben sich entschließet müssen,
Baumwolle zu ihrem Tisch-, Bett- und Handtücherzeuge zu ver-
wenden, doch wird nach wie vor von ihnen auf Erzeugung von
solider Waare gehalten. Die Zahl der Stühle, die vor 45 Iah-
ren, in der Glanzzeit dieser Industrie, 1100 betrug, ist freilich
auf 530 gesunken, dafür bringt aber jetzt ein Weber fast doppelt
so viel fertig als früher, was der Einführung der Jaqnardmaschinen
und des leinenen Maschinengarns zu danken ist. — Hervorragend
ist ferner in Großschönau die Weberei leinener und halbleinener
Rock- und Hosenstoffe für den überseeischen Export. Hier besin-
det sich die oberlansitzer Webschule; hier ward 1734 der berühmte
Maler Scheu au geboren (gest. 1806), der eigentlich Zeisig hieß,
sich aber nach seiner Heimat nannte und die dortige Kirche mit
einem trefflichen Altargemälde beschenkte.
Bei Altgersdorf an der böhmischen Grenze entspringt die
Spree in dem nach Ebersbach gehörenden Spreebrunnen. — In
Herwigsdorf steht ein Bezirksarmenhaus. — Zu Türchau
ward 1668 der zu seiuer Zeit berühmte I. Hübuer geboren,
dessen biblische Historien viel Gutes in Kinderherzen gewirkt haben.
Seine geographischen und historischen Schriften wurden fast in
alle europäische Sprachen übersetzt. Denkwürdig bleibt er als
Erfinder des Jllnminirens der Landkarten. Er starb als Reetor
zu Hamburg 1731. — An der Löbau-Zittauer Eisenbahn liegt:
Herrnhut, der Stamm- und Hauptort der Evangelischen
Brüdergemeine, von schönen und ausgedehnten Anlagen um-
geben, 1722 von Graf Nie. Ludwig von Zinzendorf auf dem
Boden des ihm seit 1721 gehörigen Gutes Berthelsdorf ge-
gründet, indem er einigen Familien aus Mähren, die um ihres
evangelischen Glaubens willen unter Zurücklassung ihrer Habe
von dort ausgewandert waren, sich auf seinem Gute anzusiedeln
gestattete. Ein Denkstein bezeichnet die Stelle, wo am 14. Juni
1722 der erste Baum zum ersten Hause Herrn Huts gefällt wurde.
Diesen Namen erhielt der Ort von dem nahen Hutberge; auch
wollte man sich dabei erinnern, daß der Herr der neuen Kolonie
Hüter sei und diese stets auf der Hut in der Verehrung des Herrn
sein solle. Hier nun erneuerten jene unter sich die Gesellschafts-
einrichtnngen und Kirchenordnungen der alten Böhmisch-Mähri-
schen Brüderkirche, bekannten sich dabei zur Augsburger Eoufes-
sion und machten Herrnhut so zum Mutterort der „Evangelischen
Herrnhut. 61
Brüdergemeine Augsburger Confession". Erst 1749 erlangte sie
freie Religionsübung in Sachsen. Die Brüdergemeine _— so ge-
nannt, weil alle Glieder derselben sich als Brüder in Christo
betrachten — ist also von der evangelisch-lutherischen Kirche we-
sentlich nicht verschieden, sondern weicht von derselben nur durch
eine gewisse Zurückgezogenheit von der Welt, durch innigere Ver-
bindung aller Glieder und durch gewisse, zum Theil einfachere
kirchliche Gebräuche ab, durch welche die Herrnhnter den Gemei-
nen, wie sie in den ersten Zeiten nach Stiftung des Christen-
thums waren, ähnlich zu werden streben. Daher zeichnet Ein-
fachheit und Vermeidung alles Aufsehens und Prunks den Ort
wie die Bewohner aus. Die Kleidung der letzteren zeigt weder
besondere Eigentümlichkeiten noch Gleichförmigkeit, doch findet
man Auffallendes gemieden, Einfachheit und Sauberkeit vorHerr-
scheud, an den Hauben, die anderen Kopfputz der Frauen und
Mädchen, besonders beim Kirchenbesuch, ersetzen, tragen die Witt-
wen weißes, Fraueu blaues, Jungfrauen rosafarbenes, Kinder
duukelrothes Band. Spiel, Tanz und rauschende Vergnügungen
sind in den Gemeinen nicht üblich, dafür treibt man Musik, ein-
zeln und in Vereinen, veranstaltet auch an Winterabenden össent-
liche Vorlesungen und dergleichen. Von freudlosem Ernst ist das
Leben des Herrnhnters weit entfernt.
Statt Kirchen gibt es nur einfache Betsäle, wo ein erhöhter,
mit grünem Tuche beschlagener Tisch die Stelle der Kanzel ver-
tritt und die Claviatur der Orgel so eingerichtet ist, daß der
Spielende die Gemeine sieht. Dem Prediger zur Linken sitzen
die in Kirchen- und Gemeinendienst stehenden Männer, zur Rech-
ten die in gleichem Dienst stehenden Frauen, vor ihm rechts die
weiblichen, links die männlichen Glieder der Gemeine. Nächst
dem Festen der lutherischen Kirche feiert die Brüdergemeine auch
die Gedenktage zur Erinnerung an gewisse, nur ihr denkwürdige
Begebenheiten. Ihr feierlichster Tag ist der Ostermorgeu, wo
bei Sonnenaufgang dem Auferstandenen auf eine äußerst erha-
beue Art gehuldigt und dabei in jeder Ortsgemeine der seit dem
letzten Ostermorgen Heimgegangenen Gemeineglieder namentlich
gedacht wird. Ihre Prediger tragen keine besondere Amtskleidimg.
Die Vorsteher der wichtigsten Kirchenämter sind Bischöfe der
„erneuerten Brüdergemeine", doch wird dieser Titel bei Anreden
nicht gebraucht, verändert auch in keiner Weise deren äußere Stel-
luug. Der Vorstand der einzelnen Ortsgemeinen heißt die G e-
meinedirection; sie besteht aus der Gemeinältesten-Conserenz,
deren Vorsitzender der Ortsprediger, auch Gemeinhelser genannt,
ist, und einem gewählten Collegium. Die Leitung aber aller all-
gemeinen Angelegenheiten der sämmtlichen Brüdergemeinen liegt
in der Hand der Unitäts-Direetion, welche aus 12 Unitäts-
directoren besteht und in dem Schlosse des nahen Berthelsdors
ihren Sitz hat. In der Regel aller 12 Jahre werden hier von
62 Kreishauptmannschaft Bautzen.
den ältesten und vornehmsten Gliedern aller Brüdergemeinen
der Welt Versammlungen oder Synoden gehalten zur Berathuug
gemeinschaftlicher Angelegenheiten. Die letzte fand im Jahre 1869
statt. Gegenwärtig hat die Brüderunität Töchtergemeinen in Nord-
und Süddeutschland, in Böhmen, der Schweiz, Dänemark, Schwe-
den, den Niederlanden, Großbritannien, Südrußland und Nord-
amerika und die Zahl sämmtlicher Herrnhnter auf Erden beläuft
sich auf etwa 30.000, die Zahl derer, welche regelmäßig in
ihrem Gottesdienste Erbauung suchen, auf etwa eine halbe Million.
Ein Hauptaugenmerk der Herrnhnter ist auf die Ausbreitung
des Christenthums unter den Heiden gerichtet und gerade ihren
Missionären sind darin schönere Erfolge zu Theil geworden als
den meisten übrigen. Im Jahre 1732 gründete die Brüder-
gemeine ihre erste Mission auf der westindischen Insel St. Thomas;
jetzt aber hat sie in Grönland und Labrador, in Westindien und
Guyana, in Südafrika, Asien und Australien 94 Misionsstationen,
auf welchen über 300 Heidenboten unter Beschwerden und Müh-
sal aller Art, selbst unter Todesgefahr, an dem Werke der Be-
kehrung arbeiten. Dafür leben aber auch 67.800 von diesen ge-
taufte Heiden. Viele Missionäre verleben ihre Ruhetage in
Herrnhut.
Herrnhut, weder Stadt noch Flecken noch Dorf, zählt 926
Mitglieder der Brüdergemeine und ungefähr 200 andere Ein-
wohner, ist in der Bauart der regelmäßigste Ort Sachsens und
zeichnet sich durch Ordnung, Sauberkeit und eine gewisse Ruhe
aus. Die vorzüglichsten öffentlichen Gebäude sind der Betsaal,
das daranstoßende Gemeinhaus, welches eine Mädchenschule, Woh-
nungen für Predigerfamilien und den jetzt zu Kiudergottesdieu-
sten benutzten alten kleinen Betsaal enthält, das Herrschafts-
haus mit den Archiven und Verwaltungsbureau, der sogenannte
Vogtshof, der der Gemeine gehörige und deshalb Gemein-
logis genannte Gasthof und das grosse Handlungshaus, das
einen bedeutenden Handel mit Leinewand, Material- und Mode-
waaren betreibt; aus den Erträgnissen desselben fließen stiftuugs-
gemäß reichliche Beihilfen für Orts- und Kirchenbedürfnisse. Das
Handlungshaus hat im I. 1874 bei Herrnhut eine Linnen-Bleiche
und -Appretur nach irischem Muster begründet, um deu lausitzer
Leinen die Weiße und den Glanz zu verleihen, welche sie neben
der Güte des Gewebes befähigen, den Wettkampf mit anderen
Leinengegenden zu bestehen. Ansehnliche Gebäude stnd auch die
Chorhäuser, in denen die Wittwen und Wittwer, auch die ledigen
Brüder und Schwestern, welche keine eigene Behausung und
Familie haben, gesondert wohnen. Im Brüderhause gibt es
Handwerker und Künstler aller Art; im Schwesternhause fertigt
man weibliche Arbeiten, in jenem versehen Brüder, in diesem
Schwestern alle häuslichen Geschäfte. Diese vier Häuser, welche
zusammen über 400 Personen enthalten, sind Muster von Ord-
Hermhut; Bernstadt. 63
nung und Reinlichkeit, besonders die Schlafsäle. Doch ist die
Einrichtung beider Häuser nichts weniger als klostermäßig; die
Bewohner derselben arbeiten für sich, verreisen, besuchen Freunden.
Nur sollen sie alle von christlichem Geiste, Ordnungsliebe und
Fleiß beseelt sein.
Der Begräbnißplatz ist durch verschnittene Laubgänge umgrenzt
und in regelmäßige Vierecke, für das männliche und für das
weibliche Geschlecht, getheilt. Die hügellosen Gräber sind bedeckt
mit gleichgroßen viereckigen Steinen, ohne lobpreisende Inschriften,
in wenigen Worten die Schlummernden nennend. Ebenso ein-
fach, nur durch einen größeren Stein ausgezeichnet, ist auch die
Grabstätte des Grafeu Zinzendorf, der nach einem vielbewegten
Leben 1760 hier starb. Heber 2000 Fremde stellten sich zu seinem
Begräbnisse ein und 32 Prediger und Heidenboten wechselten im
Tragen seines Leichnams. Nah am Thore liegt „Christian David,
des Herrn Knecht, der den ersten Baum zum Anbau von Herrnhut
fällte." Außerdem zeigen die Inschriften der Leichensteine, daß
hier die verschiedensten Menschen aus allen Erdtheilen begraben
liegen. Alle Beerdigungen geschehen Nachmittags, ohne den min-
heften Prunk. Trauerkleider sind nicht üblich. Auf dem basal-
tischen Hutberge, an dessen Fuße der Kirchhof liegt, steht ein Ge-
bäude mit Altan, von dem man eine herrliche Aussicht bis zum
Riesengebirge genießt.
Eines hohen Rufes genießen die Herrnhnter als Geschäfts-
lente ebensowohl durch die vorzügliche Beschaffenheit der Waaren,
die sie fabriciren, wie durch ihre Zuverlässigkeit im Handel; ihre
Preise sind keinem Abhandeln unterworfen. Ebenso musterhaft
find ihre Polizeianstalten; Arme und Kranke werden verpflegt,
Bettler nicht geduldet.
In Groß Hennersdorf befindet sich seit 1838 eine Erzie-
hungs- und Besserungsanstalt für etwa 80 verwahrloste und
elternlose Knaben, die daselbst zur Landwirtschaft angeleitet wer-
den; ähnliche Rettungshäuser sind auch in Verthelsdorf und
Kemnitz bei Bernstadt. —• Bei Strahwalde bricht man grünen
Syenit, der sich zu Monumenten eignet.
Die Stadt Bernstadt (1555 Einw.) an der Pliesnitz, unfern
Herrnhut, welche 1828 fast ganz abbrannte, hatte früher sehr
bedeutende Tnchmacherei; jetzt sehr gesunken liefert dieselbe nnr
etwa noch 500 Stück jährlich. In dem ganz nahe gelegenen
Cunnersdorf befindet sich die einzige mechanische Kattunweberei
der ganzen Lausitz mit etwa 250 Stühlen. Die umliegenden
8 Dörfer nebst der Stadt heißen der Eigens che Kreis, wahrschein-
lich weil sie als Besitzthum des Bisthums Meißen der Kirche
geeignet waren und auch unter ihren späteren Besitzern, den
unter einander verschwägerten Herren von Schönbnrg-Glauchau,
von Kamenz und von Bernuth, steuerfreies Erbe und Eigen blieben.
Seit 1388 besitzt sie das Kloster Marienstern durch Vermächtuiß.
64 Kreishauptmannschaft Bautzen.
Am Löbauer Wasser liegen die Städte Löbau, Wei-
ßenberg und der Flecken Barnth.
Löbau, die kleinste der Vierstädte (6226 Einw., 435 H.) mit
3 Kirchen, betheiligt sich an der Leinenindustrie uud hat den"stärk-
sten Getreidehandel im ganzen Bezirke. Hier zweigt die Bahn
nach Zittau uud Reichenberg von der Sächsisch-Schlesischen ab.
Aus dem Rathhause (267m h.) zu Löbau hielten sonst die Sechs-
städte und halten die Vierstädte noch ihre Versammlungen, Städte-
tage genannt. Dicht bei der Stadt erhebt sich, 456m hoch über
der Ostsee, der Löbauer Berg, der zum Theil aus Basalt, zum
Theil aus dem seltenen Nephelin-Dolerit besteht; besonders merk-
würdig sind die auf seiner östlichen Kuppe Herumliegendenschlacken-
artigen Doleritblöcke, welche offenbar durch Feuersglut gelitteu
haben, weshalb man hier einen alten heidnischen Opferplatz ver-
mnthet; auch finden sich hier schöne Bergkrystalle, die sogenannten
„Löbauer Diamanten", und viele seltene und heilsame Pflanzen,
von denen eine Stelle auf dem Berge seit alter Zeit der „Kräuter-
garten" heißt. Aus dem Gipfel hat im Jahre 1854 ein Bürger
von Löbau einen eisernen Thurm zum besseren Genuß der schönen
Umschau errichteu lassen. Löbau fabricirt buntes und Pergament-
papier, Maschinen, Pianosorte, Messingblasinstrumente und Nu-
delu, hat bedeutenden Lammfell- und Eisenhandel und besitzt ein
prächtiges Stadtbad. — In Großschweidnitz bei Löban be-
findet sich eine umfängliche nach englischer Art eingerichtete Leinen-
garnbleiche. — Nieder-Cuuuersdorf bei Löbau und Oder-
witz bei Herrnhut sind Hauptsitze der Leinweberei; letzteres fertigt
auch Kinderwagen.
Das Landstädtchen Weißenberg (1141 Einw.) zwischen dem
Stromberge und der preußischen Grenze zählt schon viele wen-
dische Einwohner. — Baruth, das ein schönes, schloßähnliches
Rittergut hat, wurde 1813 in der Schlacht bei Bautzen von den
Russen völlig eingeäschert. — Nördlich davon, bei Klein-Sauber-
uitz, liegeu die Werke des Thonwaareu- und Braunkohlenvereins
Lusatia.
Zwischen dem Löbauer Wasser und der Spree gehen wir
über zwei blutgetränkte Schlachtfelder. Denn bei dem Dorfe
Hochkirch war es, wo im siebenjährigen Kriege Friedrich der
Große und sein Heer von den Oesterreichern unter Daun über-
fallen wurden. Der König, dessen Hauptquartier sich auf dem
Rittergut Rodewitz befand, ^hatte aus Äerger darüber, daß sein
Gegner sich durch nichts zur Schlacht verlocken ließ, die nöthigsten
Vorsichtsmaßregeln verabsäumt uud wurde^durch Dann's absicht-
liche Unthätigkeit noch mehr in seiner Sorglosigkeit bestärkt.
Plötzlich aber brachen die Oesterreicher noch vor der Morgendäm-
merung des 14. Octobers 1758 in drei Colonnen, von Breiten-
dorf, Wnischke und Bautzen her in das preußische Lager ein.
Das brennende Dorf erhellte die nächtliche Schreckensscene. Der
Neusalza; Schirgiswatde; Bautzen. 65
furchtbarste Kamps entbrannte in der Dorfgasse selbst: dort lagen,
vom Kartätschenfeuer niedergestreckt, Todte zu Tausenden, und noch
am folgenden Morgen rieselte das Blut wie ein Bach. Friedrich
selbst war nahe daran, gefangen zu werden. 100 Kanonen
und 9000 Mann mußte er zurücklassen, als er die Trümmer
seines Heeres nach Bautzen führte. Die Kirche zeigt selbst jetzt
noch, nachdem sie 1856 restanrirt worden, Spuren der Schlacht.
Hinter dem Altare steht das Denkmal, welches Friedrich seinem
bei Hochkirch gefallenen Feldmarschall Keith hat errichten lassen.
Ueber dem Schlachtfelde steigt der Czorneboh (572m) sanft
empor: auf seinem waldigen Rücken ragen etliche Granitselsen
hervor, welche Tempelmauern, Kanzeln und Altären ähneln. Die
Aussicht von dem Thurme umfaßt ziemlich die ganze Lausitz.
Etwas nördlicher liegt das andere Schlachtfeld, das der
Schlacht bei Bautzeu, die man auch die Schlacht bei Wurschen
nennt, weil in diesem Dorfe das Hauptquartier der Preußen und
Russen war. Hier zwang Napoleon am 20. und 21. Mai 1813 die
Verbündeten zum Rückzüge nach Schlesien. Den Plan zu der
Schlacht entwarf er am Abend des 19. Mai auf einer Felsenkuppe
beim Dörfchen Stiebitz, von wo er die am andern Ufer verschanzte
Armee seiner Gegner übersehen konnte. Ueber die Spree vor-
dringend richtete er den Hauptangriff gegen die Kreckwitzer Höhen,
eine in das Flachland vorspringende Hügelreihe, welche von
Blücher mit seinen Preußen aus das hartnäckigste vertheidigt wurde.
Da aber gleichzeitig Marschall Ney das Dors Preititz erstürmte
und dadurch den Preußeu in den Rücken zu kommen drohte, so ent-
schlössen sich die Monarchen, die Schlacht abzubrechen, was auch
ohne weiteren Verlust geschah.
An der Spree liegen die Städte Neusalza (1125 Einw.),
nahe der böhmischen Grenze, 1670 durch vertriebene böhmische
Protestanten ans dem Grund und Boden eines Herrn von Salza
angelegt und nach diesem benannt, das Leinweberei, und Schirgis-
Walde (2569 Eiuw.), das Butterhandel treibt uud, weil man im
Jahre 1815 vergessen hatte, eine Bestimmung darüber zu treffen,
lange Zeit gar keinen Herrn hatte und zwischen Oesterreich und
Sachsen streitig war, bis es im Jahre 1845 an letzteres ab-
getreten wurde. Aus der Steindruckerei zu Neusalza gehen colo-
rirte Bilderbogen zu Millionen in die Welt. — Die große Flachs-
bereitungsanstalt in Spremberg ist in eine Leinengarnbleiche
umgewandelt worden. Spremberg, das 11/2 Stunden lange
Sohland und Wehrsdorf fabriciren hauptsächlich schwere,
weiße Leinwand, Oppach, Beiersdorf und die umliegenden
Dörfer bunte Leinwand, Kleider- und Bettzeuge, wogegen in
Neukirch, Weifa und Ringenhain meist Zwillich und Jac-
quards erzeugt werden. — Weiter abwärts an der Spree liegt
Bautzen (früher auch Budissin, Rathhaus 219m h.), die alte
Engelhardts Vaterlandsknnde. Ii. Aufl. 5
66 Kreishauptmannschaft Bautzen.
Hauptstadt der Oberlausitz, jetzt Sitz der Kreishauptmannschaft,
des Appellationsgerichts und eines Hauptsteueramtes, noch von
seinen altertümlichen Wällen mit Mauern und Zinnen umschlossen.
Es zählt in 889 Häusern 14.709 Einw. und treibt verschiedene
wichtige Gewerbe. Die Leinweberei zwar hat ganz aufgehört, die
sonst blühende Tuchmachern ist zurückgegangen, auch die sonst hier
sehr schwunghaft betriebene Fabrikation rothwollener Mützen, wie
sie die Türken tragen, ist verschwunden; dagegen besitzt Bautzen
3 große jetzt vereinigte Papierfabriken, welche jährlich über
3 Mill. Kilogr. Papier, meist feine Sorten, erzeugen, 3 Pulver-
fabrikeu, die bedeutendsten unseres Landes, in denen jährlich
5—6000 Pfd. Pulver verfertigt werden, die Streichgarnspinnerei
beschäftigt über 2000 Spindeln, die Strnmpfwirkerei 50 — 60
Stühle. Seit etwa zwölf Jahren ist auch die Cigarrenfabrikation
aufgekommen, eine große Steindruckerei liefert auf 9 Dampf-
Schnellpressen und 4 Handpressen fast nur Cigarrenetiketten, diese
aber nach ganz Europa und Amerika. Bautzen besitzt ferner
Spritfabriken, eine große mit einer Kunstmühle verbundene Tuch-
fabrik, bedeutenden Luxuswagenbau, eine mechanische Weberei für
Segeltuch uud Sackleiueu, Maschinenfabriken, eine Strickmaschinen-
und eine Chocoladenfabrik und die bautzener Woll- und Getreide-
Märkte gehören zu den bedeutendsten Sachsens. Das hiesige
Knpfer-Walz- und Hammerwerk ist nächst dem zu Grünthal das
einzige in Sachsen. Die Margarethenhütte bei Bautzen
fabricirt Thonwaaren, nämlich Chamotte- und wasserfeste «steine,
Wasserleitnngs- und Drainröhren, Vasen und andere Knnstgegen-
stände. — 1827 brannte ein großer Theil der Stadt ab.
Unter den Einwohnern sind 1547 Katholiken und 2669 Wen-
den, weshalb es unter den 6 Kirchen der Stadt auch eine evangelisch-
und eine katholisch-wendische gibt. Auch die höchste geistliche Be-
Hörde der lausitzer Katholiken, das Domstift St. Petri, hat
hier ihren Sitz. Von Bischof Benno 1207 gestiftet, besteht es aus
13 Mitgliedern, die ein Ordenszeich'en an violettem Bande tra-
gen, und hat große Besitzungen, zu denen 47 verschiedene Orte
und Ortstheile gehören. Die in altgothischem Stile erbaute
Stifts-, St. Petri- oder Domkirche ist die einzige Simnl-
tankirche Sachsens, d. h. die einzige, welche Protestanten und
Katholiken gemeinschaftlich gehört, der Art, daß ein Gitter den
Raum zum protestantischen und den zum katholischen Gottesdienste
trennt; die musterhafte Verträglichkeit, die hier zwischen Pro-
testanten und Katholiken getroffen wird, ist nur ein Beispiel von
derjenigen, welche im ganzen Lande zwischen beiden Confessionen
herrscht. Von der ältesten, schon durch Bischof Benno im Jahre
1213 erbauten Domkirche ist in der jetzigen nur noch ein kleiner
Rest, bestehend in 3 kleinen Ruudbogeufenstern an der Nordostecke
vorhanden. — Das königliche Schloß Ortenbnrg (richtiger
Dorotheenbnrg) dient jetzt als Sitz der Behörden. Von der ur-
Bautzen. 67
sprünglichen, ältesten Burg des Markgrafen Gero steht nur noch
der sogenannte Wasserthurm. Nachdem im 15. Jahrhundert
das Schloß zweimal abgebrannt war, wurde es ganz abgebrochen
und ein Neubau aufgeführt, welchen König Matthias Corviuus
1486 vollendete; die Wälle mit der Mauer und dem Doppelgraben
wurden 1421 gegen die Hnssiten errichtet. Oft hielten in der
Vorzeit die Könige von Böhmen auf der Ortenburg Hof. Be-
sonders sehenswerth darin ist ein Saal, an dessen Decke die denk-
würdigsten Scenen der lausitzer Geschichte in Gyps dargestellt
sind. Im Schloßhofe fand sonst auch die seltsame (Zeremonie des
„Vorritts" statt. Kaiser Ferdinand I. hatte nämlich dem ober-
lausitzer Adel das Privilegium ertheilt, daß Güter, die nach dem
unbeerbten Ableben des Besitzers eigentlich an den Landesherrn
zurückfallen sollten, verkauft oder vererbt werden durften, doch nur
unter der Bedingung, daß der Besitzer vorher vor dem Landvogte
in voller Ritterrüstung ohne Beihilfe einen starken Hengst besteige
und dreimal in einem weiten Kreise herumreite. Dies geschah
jedesmal unter großen Feierlichkeiten, zum letzteumale noch im Jahre
1780 durch einen Herrn von Schönberg. Die dabei gebranchten
Rüstuugeu sind im Landhause aufgestellt. — Bautzen hat ein
hübsches Alterthumsmuseum. Unter den Schulanstalten befindet
sich ein Gymnasium in schönem neuen Gebäude, ein protestan-
tisches und seit 1851 ein katholisches Schullehrerseminar, eine
Handels-, ewe landwirtschaftliche Fachschule und eine wendische
Schule. — Den Brunnen am Fleischmarkte krönt das Stand-
bild Kurfürst Johann Georgs I.
Bautzen war schon vor Eroberung des Landes durch die
Deutschen der seste Hauptort der Milzieuer, eines Sorbenstammes.
Hier schloß im Jahre 1018 Kaiser Heinrich II. Frieden mit Boles-
lav von Polen. Im dreißigjährigen Kriege wurde Bautzen vier-
mal belagert und erobert: 1620 durch die Sachsen unter Johann
Georg I., 1633 durch die Kaiserlichen unter Wallenstein, 1634
wiederum durch den Kurfürsten von Sachsen, wobei fast die ganze
Stadt sammt der noch jetzt in Trümmern liegenden Nicolaikirche
eingeäschert wurde und 700 Einwohner in den Flammen umkamen,
und endlich 1639 durch die Schweden unter Torstenson. Auch
im Jahre 1813 hatte es durch Kriegsdraugsale viel zu leiden.
Auf dem linken Ufer liegt die von Wenden bewohnte Vor-
stadt Seid au, zu der eine steinerne Brücke führt; der Orten-
bürg gegenüber erhebt sich der Protzschenberg; wahrscheinlich
war hier eine heidnische Opferstätte.
Unter den Dörfern in Bautzens Nachbarschaft sind hervor-
zuHeben: Nadelwitz wegen seiner Granitbrüche, Hainitz wegen
seiner Flachsspinnerei, Po mm ritz wegen der landwirtschaftlichen
Versuchsstation, welche sich n. a. um die Coutrole der in den
Handel gelangenden künstlichen Düngmittel große Verdienste er-
68 Kreishauptmannschaft Bautzen.
roorben hat. *) Göda, wo die Kirche von Bischof Benno erbaut
sein soll, dessen Mutter sich dort aufhielt, und der Brüdergemeinde-
ort Kleinwelka, welcher zwei Erziehungsanstalten für Knaben
und Mädchen, übrigens dieselben Einrichtuugeu wie Herrnhut hat,
aber kleiner ist. Auch gibt es hier eine ansehnliche Glockengießerei.
— Der Flecken Königswartha erhält eine Heilanstalt für Epi-
leptische. Bei demselben entdeckte man 1786 einen der größten
heidnischen Begräbnißplätze mit mehreren hundert Urnen. Am
Tage vor der bautzuer Schlacht bestand hier General Jork mit
Preußen und Russen gegen die an Zahl weit überlegenen Fran-
zosen ein glänzendes Gefecht.
Zwischen der Spree und der Schwarzen Elster unb zwischen
Bautzen und Kamenz liegt am Schwarz- oder Klosterwasser
das reiche
Eistercienser-Nonnenkloster Marienstern, welches im Jahre
1624 durch Bernhard von Kamenz gestiftet worden ist und aus
einer Aebtissin nebst 30—40 Nonnen besteht. Die Klosterkirche
zieren mehrere Denkmäler in Marmor und Bronze, den Hoch-
altar die zwölf Apostel in Lebensgröße. Mit dem Kloster ist eine
Erziehungsanstalt für katholische Mädchen der Umgegend verbun-
den, in welcher dieselben von den Klosterjungfrauen unentgeltlichen
Unterricht erhalten.
Das Dorf S ch m e ckw itz hat eine Schwefelquelle mit Schlamm-
bädern, Marienborn genannt.
An der Schwarzen Elfter liegen Elstra und Kamenz.
Das Städtchen Elstra (1291 Einw.) treibt Feldbau, etwas Leiu-
Weberei und Wollstickerei. Wichtiger ist jedoch die Töpferei, welche
Geschirr von vorzüglicher Güte liefert, das besonders wegen seiner
Härte und seiner bleifreicn Glasur geschätzt uud selbst bis Hamburg
und Wien versandt wird. Drainröhren werden in Elstra zu
Millionen, Wasserröhren in bedeutender Zahl fabricirt. Auch in
den Nachbarstädten Kamenz, Pulsnitz und Königsbrück wird die
Töpferei schwunghaft betrieben. Den dazu nöthigen Thon liefern
in verschiedener Güte uud Farbe die unerschöpflichen Thonlager
bei Prietitz und Wiesa. Die schöne Kirche zn Elstra zieren
Gemälde von Dietrich.
*) Welche Bedeutung die künstliche Düngung für den Laudbau hat, ergibt
sich daraus, daß auf den 209.407 Acker Feldboden der sächsischen Lausitz im
I. 1843 bei alleiniger Anwendung gewöhnlichen Düngers nur etwa
77.000 Ctr. Weizen,
333.000 „ Roggen,
47.000 „ Gerste,
65.000 „ Hafer,
im I. 1853 aber bei einem Verbrauch von etwa 100.000 Ctr. Knochenmehl
etwa 336.000 Ctr. Weizen,
1.316.000 „ Roggen,
175.000 „ Gerste,
201.000 „ Hafer erbaut wurden.
Elstra; Kamenz; Pulsnitz. 69
Kamenz, mit 615 Häusern und 6784 Einw., besitzt ein
schönes Rathhaus (199 m h.), 4 Kirchen, in deren einer abwechselnd
wendisch gepredigt wird, und eine katholische Kapelle. Außer mit
Töpferei beschäftigt sich Kamenz hauptsächlich mit Tnchmacherei,
gleich Pulsnitz mit Pfefferküchlerei und hält bedeutende Getreide-
Märkte. Ungleich berühmter aber ist es gewordeu als Geburtsort
des großen Dichters nud Schriftstellers Gotthold Ephraim Les-
sing, der hier als Sohn des Stadtpsarrers 1729 das Licht der
Welt erblickte. Die Stelle dicht an der Kirche, wo Lessings Eltern-
haus stand, ist durch eine Granitplatte bezeichnet. Zum Andenken
an ihn ist im Jahre 1824 auf Veranlassung des 1832 verstorbenen
Dr. Bönisch durch milde Beiträge das Lessings- oder Barm-
Herzigkeitsstift, eine Armen-, Heil- und Verpflegungsanstalt
gegründet und 1826 eröffnet worden. Das Stift besitzt ein altes
Oelbild, welches den Dichter als sechsjährigen Knaben neben
einem großen Haufen Bücher darstellt; denn nur so hatte er er-
klärt sich malen lassen zu wollen. Auf dem Hutberge ist 1864
ein Lessingthurm errichtet worden.
Alljährlich im August wird im Walde bei Kameuz ein Haupt-
sächlich für die Kinder bestimmtes Forst fest gefeiert, dessen Ur-
sprung ähnlich erzählt wird, wie der des naumburger Kirschfestes.
Im Hussitenkriege nämlich, so heißt es, als die schrecklichen böhmi-
schen Horden die Stadt mit Einäscherung bedrohten, wurde sie
durch die Fürbitte der Kinder gerettet, welche sich in demüthigem
Aufzuge ins feindliche Lager begaben. „Ihr habt das Unglück
noch zu guter Zeit gerochen", sagte der Anführer der Hnssiten
und zog ab. Daher die Redensart: „Du hast eine Kamenzer
Nase".
In der Nähe von Kamenz und bei dem Dorfe Häßlich
befinden sich große Granitbrüche, welche ebenso wie die bei
Schmölln unweit Bischofswerda Platten, Säulen, Thür-, und
Fenstergewände, besonders auch nach Norddeutschland, ja selbst
manche Trottoirplatte in die Straßen von London liefern. Auch
geschliffen wird der Granit, um ihn zu Portalen, Grabsteinen
und andern Denkmälern zu verwenden. — Bei Oßling nörd-
lich von Kamenz befindet sich eine bedeutende Hohlglasfabrik.
An der Pulsnitz liegen die Städte Pulsnitz und Kö-
nigsbrück.
In Pulsnitz (2852 Einw., 280 m h.) und den Nachbar-
dörfern Großröhrsdorf und Brettnig hat seit 1762 die
lausitzer Bandfabrikation ihren Sitz aufgeschlagen; früher wurden
leinene, jetzt dagegen werden mehr baumwollene, wollene und
gemischte Bänder, weiße wie bunte, schmale wie breite, mit und
ohne Jaquardarbeit gefertigt, und zwar theils in großen Fabriken
auf Maschinenstühlen mittelst Dampfkraft, theils in den Woh-
nuugeu auf Handstühleu. Ein Artikel, der nur hier, und selbst
innerhalb des Zollvereins nirgend anderwärts fabrieirt wird, ist
70 Kreishauptmannschaft Bautzen.
der Jaqnardgnrt zu Hosenträgern. Die in der Gegend gewebte
Leinwand wird in den pulsnitzer Färbereien ächt dunkelblau und
schwarz gefärbt. Pulsnitz und Großröhrsdorf liefern viel rohe
Sack- und Packleinwand und neuerdings ist auch ein Anfang
mit der Teppichweberei gemacht worden, welche Arbeiter aus der
Rheinprovinz hierher verpflanzt haben. Ohne pulsnitzer Pfeffer-
knchen endlich ist kein Jahrmarkt denkbar; werden doch davon all-
jährlich 5000 Ctr. gebacken. Pulsnitz hat ferner eine Leistengarn-
spinnerei, eiue Draht- und Drahtstiftfabrik und ein chemisch-tech-
nisches Laboratorium» — In der Kirche, welche einen thönernen
Altar hat, wird Sonntags für alle Heidenmissionen gebetet; es
geschieht dies auf Veranlassung des ersten protestantischen
Heidenboten für Ostindien, Barth. Ziegenbalg, welcher,
1683 in Pulsnitz geboren, 1706 die erste Mission in Tranqnebar
stiftete, wo er auch 1719 starb. Im Juli 1856 feierte man da-
selbst den 150jährigen Jahrestag seiner Landung in Ostindien.
In Pulsnitz wurde auch der berühmte Bildhauer E. Rietschel, der
Schöpfer des wormser Lutherdenkmals, 1804 geboren. — Groß-
röhrsdorf (4794 Einw.), besitzt anch eine Gazefabrik, eine
Maschinenbauanstalt und ist wohl das einzige Dorf Sachsens
mit eigener Mobiliarbrandversichernngskasse.
Königsbrück (1926 Einw.), der Hanptort der Standesherr-
schast gleiches Namens, hat ein schönes Schloß, eine Kinder-
bewahranstalt, die älteste in der Lausitz, eine Stiftung der edeln
Gräfin Luise von Hohenthal, und treibt meist Töpferei und Schuh-
macherei.
Zwischen Elstra, Kamenz und Königsbrück erhebt sich ein klei-
nes isolirtes Gebirge mit mehreren Kegelbergen, deren höchster der
Keulenberg ist (412m), seit dem 18. September 1818, wo er
zur Feier des goldnen Regiernngsjnbilänms des Königs Friedrich
August des Gerechten mit einer Granitsäule geschmückt wurde,
auch Augustusberg genannt, der südöstlichste ist der Sibyllen-
stein oder Hochstein, ein seltsam geschichteter, ruinenartiger
Granitfelsen, jetzt durch Stufen zugänglich, an dessen Fuße zwei
Flüsse: die Röder und die Schwarze Elster entspringen. — In
dem nahen Dorfe Rammenau wurde am 19. Mai 1762 der
berühmte Philosoph Joh. Gottlob Fichte als Sohn eines armen
Webers geboren; am hundertjährigen Jahrestage seiner Geburt
ist ihm hier eiu Denkmal errichtet und die „Fichtestiftung" begrün-
det worden zur Unterstützung armer Jünglinge aus der bautz-
ner Kreishauptmannschaft, welche die Universität, ein Gymnasium
oder ein Seminar besuchen. Die große Linde beim Pfarrhofe
ist eine der ältesten in ganz Deutschland und zählt sicherlich über
1000 Jahre; 1 Meter über dem Boden gemessen hat sie 12 m
im Umfang. In dem Schlosse befindet sich eine bedeutende Zucht
von Papageien und Goldfischen.
Bischofswerda (4022 Einw.) an der obern Wesenitz, genannt
Königsbrück; Bischofswerda. 71
nach dem Bischof Bruno II. von Meißen, hat bedeutende Tuch-,
Glas- und Eigarrenfabrikatiou; wie Kamenz das meiste Tuch
in der Lausitz fabricirt, so Bischofswerda das feinste, besonders
schwarzes. Im Befreiungskriege hatte es das Schicksal, bei einem
Gefecht zwischen Russen uud Franzosen am 12. Mai 1813, bis
auf drei der elendesten Häuser ganz in Feuer aufzugehen. Die
Herrmannschen Stiftungen, ein Hospital, eine Kinderbewahranstalt
u. a., sind ein Vermächtuiß des im I. 1868 hier verstorbenen
Tnchsabrikanten G. E. B. Herrmann. — In Goldbach bei
Bischofswerda ist eine Cichorienfabrik, die jährlich 7000 Ctr.
von diesem in Sachsen so stark verbrauchten Kaffeesurrogate erzeugt.
— Bei dem Dorfe Putz kau erhebt sich der Falken- oder Val-
tenberg (581 m), welchem die Wesenitz entquillt; der Thurm
auf demselben bietet eine ähnliche Aussicht wie der auf dem
Czorueboh.
Vie Äreishauptmannschast Dresden
reicht vou der böhmischen Grenze im Süden und Südosten, bis
zur preußischen im Norden, trennt die Kreishauptmannschaft
Bautzen im Osten von dem leipziger und zwickauer im Westen,
ist 4430,36 HI Kilom. groß, zerfällt in die Amtshauptmannschaften
Dresden, Pirna, Dippoldiswalde, Freiberg, Meißen
und Großenhain, und enthält in 34 Städten und 955 Dör-
fern 749.503 Einwohner.
Sie erstreckt sich vom Kamm des Gebirges bis zur tiefsten
Stelle des Landes, gehört also im Süden dem Hochlande, im
Norden dem Tieslande an; jenes besteht aus dem nordöstlichen
Theile des Erzgebirges, wo die höchste Spitze des ganzen Bezirkes,
der Kahle Berg bei Altenberg (894m) steht, aus dem Elbsand-
steingebirge und dem südwestlichen Theile des lausitzer Granit-
gebirges. — In seiner ganzen Länge von der Elbe durchströmt
umfaßt er das ganze unmittelbare Elbgebiet (mit Ausnahme
der obern Wesenitz uud Döllnitz), im Südwesten das obere Ge-
biet der Freiberger Mulde, im Nordosten das der Röder.
Die größten Teiche liegen bei Moritzburg.
Ausgezeichnet ist der Bezirk durch Naturschönheiten;
wer kennt nicht die Sächsische Schweiz, die stolpner Basaltgruppe,
die romantischen Gegenden von Gottleuba, Pillnitz, Dresden,
Meißen, den Plauener Grund, die freundlichen Thäler von Weesen-
stein, von Kreischa und Lockwitz? ausgezeichnet durch Naturgaben:
denn Boden und Klima des Niederlandes begünstigen Land- und
Gartenbau, am meisten in der lommatzscher Pflege, das Elbthal
von Pirna bis Meißen bildet gleichsam nur einen ungeheuren
Obst- und Weingarten, Steinkohlenflötze breiten sich zu beiden
Seiten des Plauener Grundes, die pirnaer Sandsteinbrüche bieten
sich zu unerschöpflicher Ausbeute dar, vor Allem aber enthält er
72 Kreishauptmannschaft Dresden.
in und um Freiberg das Hauptquartier unseres Silberbergbaus;
ausgezeichnet endlich dadurch, daß er unter seine Städte Dresden
zählt, die Hauptstadt des Landes, die Residenz des Königs, den
Mittelpunkt der höchsten Landesbehörden, der wichtigsten Anstalten
und Sammlungen für Kunst und — nächst der Leipziger Uni-
versität — auch für Wissenschaft. — Aber auch die Fabrikthätig-
keit des Bezirks befindet sich seit ungefähr den letzten 15 Jahren
in solchem Aufschwung, daß er dadurch ähnlich den übrigen Landes-
theilen den Charakter eines Industriegebietes angenommen hat.
Denn neben denjenigen Industrien, welche schon seit älterer Zeit
in bestimmten Gegenden desselben heimisch sind, nämlich der Stroh-
flechterei und der Holzindustrie des Erzgebirges, wird er gegen-
wärtig auch durch seine Strohnt-, Schmuckfeder-, Blumen-, Luxus-
möbel-, Papier-, Maschinen- und Lederfabrikation in rühmlicher
Weise auf dem Weltmarkte vertreten. Aus der Lausitz reicht in
den angrenzenden Landstrich die Lein- und Baumwollenweberei
herüber, aus der zwickauer Kreishauptmannschaft die Strumpf-
Wirkerei, um Sayda, und die Baumwollenspinnerei, um Freiberg.
Für den Handel bildet der Elbstrom eine Hauptstraße und
namentlich wird von mehreren Uferstädten starker Holzhandel
getrieben.
Wir beginnen unsere Umschau mit dem Meißner Hoch-
lande oder der sogenannten Sächsischen Schweiz. Dieselbe
ist ein Theil des großen Quadersandsteingebirges, welches sich vom
rechten Elbufer aus bis weit nach Böhmen hinein, und mit einem
schmalen Streifen auch in die zittauer Gegend erstreckt. Gegen
37 Kilometer lang und 45 breit nimmt sie einen Flächenraum
von etwa 16 □ Meilen ein und wird durch das Elbthal in die
östliche auf der rechten und in die westliche auf der linken
Seite getheilt. Felsenkegel von den sonderbarsten, oft Burgen
und Burgtrümmern ähnlichen Gestalten, Berge, die über 500 m
ansteigen, Wälder, die selbst die steilsten Felswände mit Grün
umkleiden, mit Wiesen und Feldern bedeckte Hügel, Höhlen,
stundenlange, schaurig düstere Schluchten, von senkrechten Wänden,
Pfeilern und Spitzsäulen eingefaßt, ernste und liebliche, auf ihrer
Sohle nur hie und da den Anbau lohnende Thäler, über Wiesen-
teppiche rieselnde, über Felsblöcke rauschende Bäche, Alles belebt
durch Städte, Dörfer und Schlösser und inmitten durch das er-
habene Ganze zwischen romantischen Ufern strömend die maje-
stätifche Elbe: das ist der Hauptcharakter dieses kleinen aber höchst
eigentümlichen Hochlandes. — Reiche Ausbeute gewährt es^dem
Botaniker, der Geolog aber nimmt, um sich die seltsamen.Fels-
gebilde desselben zu erklären, an, daß in der Urzeit mächtige
Wasserflnthen aus Böhmen her sich^über diese Sandsteinlager
ergossen und dabei in den weichen Stein tiefe Furchen einrissen,
während der härtere dem Wasser und der Verwitterung wider-
stand und als vereinzelte Berge und Felsen stehen blieb. An
Sächsische Schweiz. 78
mehreren derselben hat Basalt den Sandstein durchbrochen und
theilweise seine Schichten aufgerichtet; an einigen Stellen findet
man auch Versteinerungen.
Die höchsten Erhebungen des Meißner Hochlandes sind der
Große Winterberg (558m), den im Jahre 1491 Albrecht der
Beherzte einem Herrn von Tetschen um 1200 Fl. abkaufte, auf
der rechten und der gleich hohe Große Zschirustein auf der
linken Elbseite; dicht neben ersterm steht der 495m hohe Kleine
Winterberg, auf welchem das sogenannte Winterhäuschen die
Stelle bezeichnet, wo Kurfürst August 1558 bei eiuer Jagd in
Gefahr von einem Hirsche in den Abgrund gestürzt zu werden,
sich nur durch einen glücklichen Schuß rettete; auf letzterem sind
die Rabenbäder bemerkenswert^ mehrere Zoll tiefe und ziemlich
breite Löcher im Sandstein, die einst als Opferftätten benutzt
worden sein sollen.
Lange Zeit hindurch war diese Gebirgslandschaft nur ihren
Bewohnern oder einzelnen Geschäftsreisenden und Naturfreunden
bekannt. Die Pastoren Götzinger zu Neustadt uud Nicolai zu
Lohmen waren, am Ende des vorigen Jahrhunderts, die ersten,
welche durch ihre Schriften auf die wunderbaren Schönheiten
derselben aufmerksam machten, sie aber leider auch mit dem ganz
unpassenden Namen „Sächsische Schweiz" belegten, und seitdem
ist sie gleichsam ein Wallfahrtsgau für Freunde der Natur gewor-
den. In ganzen Karawanen durchziehen sie oft die einsamsten
Thüler, Tragsessel oder Pferde sind zur Hand, Bequeme uud
Schwache auf die Bastei, den Kuhstall, den Winterberg zu tragen,
überall findet man vereidete Führer, für welche die Begleitung
der Reisenden ein förmlicher Erwerbszweig ist. Die gefährlichsten
stellen sind durch Brücken, Lehnen :c. gefahrlos gemacht, gerän-
mige Gasthöfe bieten inmitten der sonst so einsamen Felsennatur
allen Eomfort städtischer Hotels, Gondeln zu Elbfahrten stehen
an vielen Orten bereit. Kurz überall ist für Sicherheit, Genuß
und Bequemlichkeit gesorgt. Ju guten Sommern schätzt man die
Zahl der Besucher auf 30,000, uud an schönen Pfingsttagen steigt
sie wohl so hoch, daß selbst die zahlreichen Gasthäuser sie nicht
mehr zu fassen vermögen.
Die prachtvollste Rundsicht bietet der Große Winterberg, vom
Erzgebirge bis zum Zittauer Gebirge, vom Böhmischen Mittel-
gebirge bis nach Dresden. Aehnlich, wenn auch weniger umfassend
ist sie vom Lilienstein und der Hohburkersdorfer Höhe auf
der rechten, vom Zschirnstein, dem Pabst-, Pfaffen- und
Königstein, sowie dem Cottaer Spitzberg auf der linken
Seite; am malerischsten ist der Blick von dem Brand, einem
Felsvorsprunge mit freundlichen Anlagen unfern Hohenstein, vor
Allem aber von der Bastei, wohl dem schönsten und darum dem
besuchtesten Punkte des ganzen Sandsteingebirges.
Letztere ist ein zu dem Dorfe Rathen an der Elbe über
74 Kreishauptmannschaft Dresden.
190m tief abstürzendes, weit vorspringendes, mit Eisengeländer
versehenes Felshorn, von welchem man eine entzückende Aussicht
auf den Elbspiegel und einen großen Theil des Elbsandstein-
gebirges genießt. Der in mehrere majestätische Gruppen zerklüftete,
einst befestigte Fels ist seit 1826 durch kühn gebaute Brücken ver-
bunden und zugänglich gemacht. Damals fand man in den Trüm-
mern der Burg Neurathen Pfeile, Schleudersteine und andere
Ueberreste der Ritterzeit. Ueberhanpt sind Spuren alter Burgen
in der Sächsischen Schweiz nicht selten.
Die merkwürdigsten Felsgestaltungen sind: das wie ein
Brückenbogen kühn in die Luft hinausgebaute Prebischthor (das
" aber schon zu Böhmen gehört) und der Kuhstall, eiu auf der
einen Seite 11, auf der anderen 26m hohes Felsenthor, welches
auf einem 190m hohen Felsen ruht, umgeben von schauerlichen
Sandsteingruppeu und Höhlen, so genannt, weil in Kriegslasten
hier der geängstete Landmann seine Herden verbarg. — Die
schauerlichsten Thal er der rechten Elbseite sind der Uttewalder,
der Hohensteiner oder Polenzgrund, der Amselgrund mit
dem Amselloch und der Reissersgruud; auf der liukeu ist
das schönste der Bielagrund hinter Königstein mit dem Diebs-
keller und der Bennohöhle. Durch diese Gründe winden sich
krystallhelle Gewässer: die Kirnitzsch, der aus Sebnitz und
Polenz entstandene Lachsbach und die Wesenitz rechts, die
Biela und Gottleuba links, welche alle, gleich andern Neben-
gemässern der Elbe, zahlreiche Mehl-, Schneide- und Knochen-
mühlen treiben. Auch Wasserfälle bilden einige von ihnen,
doch werden diese im Sommer, wo es an Wasser fehlt, für ge-
wöhnlich angespannt und nur für bezahlende Reisende fließen
gelassen.
Reich wie an Naturschönheiten ist die Sächsische Schweiz auch
an Natur gaben, denn ihre Forsten liefern Haus- und Schiffs-
bauholz (stärkere und höhere Tannen und Fichten gibt es nirgends
im Lande); ihre Felsen geben Bau-, Schleis- und Mühlsteine;
ihre Flächen Getreide, Obst und Gras; ihre Bäche Lachse, Lachs-
kunzen, Forellen, Hechte ?c. Mitten unter diesen Felsen und
Bergen, die nur wenig Land dem Pfluge lassen, wohnen fleißige
Landwirthe, Weber und Hopfengärtner, Schiffer und Flößer, deren
Gewerbe und Lebensweise durch die Berge und Felsketten nicht
wenig erschwert wird, besonders im Winter, wo der Schnee oft
wochenlang alle Verbindung hemmt.
Die wichtigste Flöße ist die auf der Kirnitzsch, für welche
1816 eine Schleuse erbaut worden ist. Der Holzschlag geschieht im
Sommer, im Herbst und im Winter aber das Fahren des Holzes
nach den Berg- und Felsenkanten, wo es in hölzernen Kanälen
an die Ufer der Kirnitzsch gestürzt wird. Hier thürmt es sich auf,
bis man es im Frühjahr ins Waffer wirft Wo Holzfuhren zu
Wagen nicht geschehen können, bedient man sich selbst im Sommer
Sächsische Schweiz; Schandau. 75
der Schlitten und streut Bahn durch Holznadeln. Nicht selten
baut mau dazu über Felsschluchten Brücken von Baumstämmen
und belegt sie mit Zweigen und Blättern. Ueberhaupt ist der
Flößer ein ächter Wagehals. In Winter z. B. fährt er auf
Handschlitten, einen Haufen Holz hinter sich, pfeilschnell die steilsten
Berge hinab. Felsen zu erklimmen, haut er nicht selten den Floß-
haken, gleich dem Anker, in einen hochstehenden Baum, und klettert
so, von einem Kameraden unterstützt, bis auf den ersten Absatz.
Von hier geht es auf Händen und Füßen weiter, bis sich ein
Plätzchen findet, wo sich aufs neue Anker werfen läßt. Ja nicht
selten schlägt der Verwegene seinen Haken bloß in eine Eiswand,
oder läßt sich, gleich den Vogelfängern in Island, an Stricken von
den schroffen Höhen herab.
In manchen Gegenden holt man Holz und Streu von einem
Felsen auf eine ganz eigene Art. Man befestigt nämlich an einem
Baum ein Seil, schlingt dies um einen andern Baum auf einem
Felsen gegenüber, so daß es schräg geht, und läßt nun daran
einen mit einer Klafter Holz beladenen Handschlitten, Rapper
genannt, rasch hinübergleiten, wo er sogleich abgeladen und zu
neuer Ladung auf demselben Wege zurückgeschickt wird. Ebenso
mühsam schafft man auch Dünger auf die steilsten Felsen, indem
man dort ein Rad mit Welle befestigt, um welche ein Tau sich
windet, an dessen längeres, auf der Ebene ruhendes Ende ein
voller Düngerwagen, an das oben bleibende kürzere a5er ein leerer
Wagen befestigt wird, vor welchen man zwei Pferde spannt, die,
während sie auf der einen Seite bergab gehen, auf der anderen
den Düngerwagen in die Höhe ziehen.
Beschreibung der Städte, denkwürdigsten Flecken
und Dörfer.
Am rechten Elbufer liegen in der Sächsischen Schweiz die
Städte Schandau und Wehlen oder Wehlstädtel.
Schandau (3111 Einw., 122m h.), ein Hauptzollamt, wo
die Kirnitzsch in die Elbe geht, hat ein Mineralbad mit reizenden
Anlagen. Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts war Schandau
der Ort, wo der sächsische Hof, wenn er von Oesterreichs und
Böhmens Regenten Besuch erhielt, dieselben gewöhnlich empfing.
Bis dorthin sandte man auf der Elbe kleine Flotten von 20 bis
30 Schiffen entgegen, auf welchen bei der Rückreise Wasserjagden
gehalten wurden, indem Treiber das Wild von den Felsen in die
Elbe sprengten, wo es dann aus den Schiffen mit Kngelbüchsen
erlegt ward. Jetzt ist Schandau gleichsam das Hauptquartier
für alle Besucher der Sächsischen Schweiz, wie Wehlen der Ein-
gangspnnkt derselben. In Schandau blüht Handel mit Sandstein,
Holz und Obst; es hat eine Dampfsägemühle. Die Elbbrücke
bei Wendischfähre unterhalb Schandau und die durch das Lachs-
bach- und Sebnitzthal führende Bahn stellen die Verbindung
76 Kreishauptmannschaft Dresden.
zwischen der Sächsisch-Böhmischen und der Südlausitzer Eisen-
bahn her. In Wehlen (1655 Einw.) sind noch die Trümmer einer
alten Burg, des einstigen Stammhauses der Herrschaft Wehlen,
sichtbar; der Ort, der 1822 schwer durch Wolkenbruch litt, hat
eine Schifferschule und treibt außer Schiffahrt auch Hopsenbau.
Hier starb 1860 der als Jnsectenkenner weit berühmte Cantor
Merkel, dessen Andenken die dresdner Gesellschaft Isis durch eine
im Wehlener Grunde angebrachte Gedenktafel geehrt hat.
Halbwegs zwischen Schandau und Wehlen muß die Elbe
einen großen Bogen um deu majestätischen Lilienstein beschreiben,
der dem Königstein gerade gegenüber liegt. Als der höchste unter
den nahen zwölf freistehenden Felsen (409m) und noch 49m höher
als der Köuigstein, war er im Mittelalter befestigt. Eine Spitz-
säule mit Inschrift bekundet, daß August der Starke zuerst unter
allen sächsischen Regenten 1708 den Felsen erstieg. Auf der
Ebenheit am Fuße des Liliensteins mußte sich gleich im Anfange
des siebenjährigen Kriegs 1756 die ganze 12.000 Mann starke
sächsische Armee, nachdem sie in ihrem Lager zwischen Königstein
und Pirna von der weit stärkeren preußischen 34 Tage lang um-
zingelt und ausgehungert worden war, nach mannhafter Aus-
dauer gefangen geben. Die Noth der armen Sachsen in jenem
Lager war auf den höchsten Grad gestiegen. Soldaten und
Pferde waren vor Hunger todtmatt. Und doch bewerkstelligten
sie in einer stürmischen, regnerischen Nacht bei Königstein ihren
Uebergang über die Elbe und versuchten, sich zu den Oester-
reichern, welche ihnen aus Böhmen bis Lichtenhain entgegengerückt
waren, durchzuschlagen; aber umsonst. Eine Linde unfern des
Liliensteins bezeichnet den Ort, wo Friedrich der Große die ge-
fangenen Sachsen bei sich vorbeimarschiren ließ. Die Sachsen
wurden gezwungen, zu deu preußischen. Fahnen zu schwören, doch
entliefen die meisten und sammelten sich in Ungarn unter dem
Prinzen Xaver.
Im Jahre 1813 errichtete Napoleon am Fuße des Lilien-
sieins zur Deckung der Elbe Verschanzungen und ließ von hier
durch die rauhesten Felsengegenden einen Fahrweg überHohburkers-
dorf nach Stolpen anlegen, um sich von der bautzener Straße
Geschütz zuführen zu lassen; noch jetzt trägt der Fahrweg nach
Stolpen den Namen Kaiserstraße.
Der Flecken Lohmen hat eineMerinoschäserei von 550 Stück,
gebildet aus den nnvermischten Nachkommen der im Jahre 1665
nach Sachsen gekommenen Electoralmerinos, und ein wenig Hopfen-
bau. Das königliche Schloß liegt auf einem 48m hohen, von
der Wesenitz bespülten Felsen, von welchem 1784 ein Landmann,
der dort eingeschlafen war, herabstürzte und doch mit dem Leben
davonkam. Die hiesige Kirche ist vorzüglich schön. — Unfern
Lohmen öffnet sich der von fast 65m hohen Felsen gebildete
Uttewalde? Grund, eins der schauerlichsten Felsenthäler der
Hohnstein. 77
Sächsischen Schweiz. Hier treten an einem Punkte die Felsen so
nahe zusammen, daß nur ein ganz schmaler, düsterer, von herab-
gestürzten Blöcken bedeckter Durchgang bleibt. — Der romantische,
von der Wesenitz dnrchslossene Liebethaler Grund, aus welchem
eine Felstreppe von über 10V Stufen emporführt, bildet gleichsam
die Vorhalle der Sächsischen Schweiz, ist aber noch viel berühmter
durch die großen Sandsteinbrüche; die liebethaler Felsen geben einen
festen, hellgrauen Sandstein von ziemlich grobem Korn, der je
tiefer er gebrochen wird, desto mehr Härte besitzt und seit länger
als vier Jahrhunderten zu Mühlsteinen verwendet wird; ein
guter kostet an Ort und Stelle 42 bis 48 M. Gelb- und roth-
gebänderten Stein bearbeitet man nur zu Trögen, Tafeln, Schleif-
steinen oder Thür- und Fenstergewänden.
Hohnstcin (1429 Einw.), aus schroffem Felsen über der
Polenz gelegen, nährt sich von mühsamem Feldbau; es hat ein
zum Theil verfallenes, mit schauerlichen Abgründen umgebenes
Schloß, das, seit Anfang des 14. Jahrh. Eigenthum der mächtigen
Familie der Birken von Duba, 1541 an Sachsen kam, und sonst
als Staatsgefängniß benutzt ward, jetzt als Correctionshans
dient; im 16. Jahrh. war es so gefürchtet, daß man sagte: „Wer
da kommt nach dem Hohenstein, der kommt selten wieder heim".
Auch wurden Verbrecher von Bedeutung oft bedroht, „man
werde sie nach Hohnstein führen und dort in finstern, unter-
irdischen Kerkern durch Gestank, Unflath und giftiges Gewürm
elend umkommen lassen". Noch zeigt man den Klettenberg,
eine Felshöhle, wo im Anfang des 18. Jahrhunderts der be-
rüchtigte Goldmacher Baron Klettenberg saß (S. 80), die 1770
zum letztenmal gebrauchte Folterkammer, und ein 11^. langes
Seil, das ein Gefangener aus kurzem Bettstroh knüpfte, um
sich daran in den Abgrund zu lassen; aber das Seil war zu kurz,
er mußte spriugen und brach beide Beine. In schauerlicher Tiefe
unterm Schlöffe wurden von Anfang des 17. bis in die Mitte
des 18. Jahrhunderts Bären zu Hetzen in Dresden und Sedlitz
gehegt, 1756 aber erschossen, weil sie zuweilen eine Felsenschlucht
überkletterten und viel Unheil anrichteten. In Hohenstein wurde
1690 L. G. Schröter, der Erfinder des Pianofortes, geboren.
— Ehemals besuchten unsere Fürsten den Ort oft wegen des
Lachsstechens im Polenzbach; noch jetzt wird dasselbe bei der
Porschdorf er Mühle vom Amtsfischpachter dann und wann mit
langen Gabeln gehalten; die Lachse treten nämlich aus der Elbe
in die Polenz und Sebnitz und streichen darin ab, woraus die
wohlschmeckenden Lachsknnzen entstehen, welche 3—4 Jahre in
diesen Bächen bleiben, dann in die Elbe und endlich ins Meer
gehen. Der Ertrag ist aber nur noch gering. — Auf dem könig-
lichen Kammergut unfern der Stadt wurde im Jahre 1765 die
erste Anstalt für Merinoschäferei in Sachsen eingerichtet. Hohn-
stein gegenüber erhebt sich gegen 128m hoch über der Polenz
78 Kreishauptmannschaft Dresden.
der Hockstein, ein Sandsteinfels mit Spuren alter Befestiguugs-
werke, der durch die enge und schauerliche Wolfsschlucht 50m
tief gespalten ist; wer nicht zu wohlbeleibt ist, kann durch diese
Kluft von der Höhe zur Polenz hinabsteigen.
Nicht mehr zur Sächsischen Schweiz, vielmehr schon zu dem
lansttzer Grauitgebirge, gehören die drei Städte Sebnitz, Neu-
stadt und Stolpen, werden aber gewöhnlich noch zu jener
gerechnet.
Sebnitz (5908 Einw., 273m h.), der Hauptsitz für die Fabri-
kation künstlicher Blumen, liefert außerdem Lampen, Canevas uud
uebst der Umgegend leinene, halbleinene und baumwollene Gewebe.
Die hiesige 1826 gegründete große Papierfabrik war die zweite
in Deutschland, welche Maschinen- oder endloses Papier fabricirte.
Das Muttergottesbild in der Stadtkirche wird oft von Katholiken
aus Böhmen besucht.
Neustadt (3252 Einw.) an der Polenz, 1871 zum Theil
abgebrannt, liefert ebenfalls Leinen, Halbleinen und künstliche
Blumen, sonst bestand in Neustadt eine besondere Innung der
Strumpfstricker; die seit etwa 50 Jahren hier eingebürgerte Fabri-
kation feiner Taschenmesser und sonstiger schneidender Stahlwaaren
hat sich zu großem Umfange entwickelt. Es besteht hier ein kleines
Mineralbad.
Stolpen (1397 Einw.) liegt an und auf dem schönsten Basalt-
berge Sachsens (Gerichtsamt 322m h.), dessen schwarzblaue, meist
sechsseitige, 5 bis 12 Zoll starke Säulen gleich Orgelpfeifen 4 bis
4x/2 m zu Tage ausgehen, wenn sie hohl liegen beim Daranschlagen
ziemlich hell klingen und wegen ihrer außerordentlichen Härte zu
Pfeilern, Amboseu, Probir-, Polir- und Schlagsteinen benutzt
werden. Die Basaltsäulen haben wahrscheinlich auch der Stadt
den Namen gegeben, denn im Slawischen heißt stolp die Säule.
Stolpen ist die einzige Stadt Sachsens, wo Basalt als Bau-
Material vorherrscht, denn das Schloß mit seinen vier Höfen und
durch Zugbrücken verbundenen Gräben, die Stadtmauern, die
Kirche, viele Häuser, das Pflaster, das Denkmal Friedrich Augusts
des Gerechten auf dem Markte sind von Basalt; und der 81 ni
tiefe, aber im siebenjährigen Kriege zum größten Theile ver-
schüttete Schloßbrunnen ist der tiefste durch Basalt gearbeitete
Brunnen in Europa. — Das Schloß, durch wiederholte Brände
beschädigt und bis auf zwei Thürme Ruine, seit 1859 aber theil-
weise restaurirt, gewährt von seinem oberen Stockwerke eine pracht-
volle Aussicht; vom 13. bis zum 16. Jahrh. war es Eigenthum
und oft Residenz der meißner Bischöfe, bis Kurfürst August durch
seine Einmischung in die sogenannte Earlowitzer Fehde den Bischof
Johann IX. von Haugwitz 1559 zwaug, ihni die Pflege Stolpen
gegen Ueberlasfnng des Amtes Mühlberg abzutreten. Darauf in
eine Festung verwandelt, war das Schloß lange Zeit ein ebenso
gefürchtetes Staatsgefängniß wie das Hohnsteiuer. Noch zeigt
Neustadt; Stolpen; Königstein. 79
man einen unterirdischen Kerker, in welchen die Gefangenen an
Stricken hinabgelassen werden mußten. Zu den Gefangenen des
Stolpner Schlosses gehörte auch die verrufene Gräfin Cosel,
welche, nachdem sie von August dem Starken verstoßen worden,
1716 dahin gebracht ward, dort auch nach ihrer Begnadigung
freiwillig blieb und nach 45 jähriger Hast als 80jährige Matrone
starb. Im dreißigjährigen Kriege widerstand das Schloß 1631
mit Erfolg den Kroaten und zwar durch den Muth des Predigers
Sperling, der sich an die Spitze der Besatzung stellte. Johann
Georg I. machte ihn dafür zum Superintendenten in Freiberg
und ließ ihn, als dieses 1639 von den Schweden belagert ward,
an das „Exempel seines zu Stolpen gehabten unverzagten Ge-
müthes" erinnern. — Im Vorhofe des Schlosses siel am 3, Sept.
1756 der erste feindliche Schuß, welcher gleichsam den sieben-
jährigen Krieg eröffnete, indem der preußische Oberst Warnery
den sächsischen Commandanten von Liebenau, einen 74jährigen
Greis, der, ohne Besatzung und Munition, sogleich den Degen
abgeben wollte, durch einen Pistolenschuß schwer verwundete. —
Im Jahre 1813 ließ Napoleon, um seine Stellung längs der
Elbe zu verstärken, den Berg verschanzen, weshalb die Stadt von
den Russen beschossen wurde. — Stolpen nährt sich meist von
Landwirtschaft und Kleinhandel und hat eine Messerwaaren- und
eine Holzstofffabrik. — Die königliche Schäferei im ehemaligen
Thiergarten gehörte zu den Stammschäsereien unserer Merinozucht.
Von dem durch den Herrn von Qnandt erbauten Thnrme
auf der Schönen Höhe bei Dittersbach überschaut man den
schönsten Theil der Sächsischen Schweiz.
Im westlichen Theile des Elbsandsteingebirges liegen die
Städte Königstein und Pirna an der Elbe und an der Säch-
sisch-Böhmischen Eisenbahn, deren Damm auf der ganzen Strecke
von der Grenzstation Bodenbach bis Pirna als ein fast nirgends
unterbrochener Kunstbau längs dem Stromufer hinläuft.
Königstein (3750 Einw.) nährt sich von Schiffahrt, Stein-
brechen und Elbhandel; unter mehreren in den letzten Jahren
entstandenen Fabriken befindet sich eine größere für Herstellung
von Holzstoff aus chemischem Wege (Cellnlose). Ueber der Stadt
liegt auf einem freistehenden, 360 m hohen Sandsteinfelsen die
einzige Festung Sachsens, der Königstein, welche in dem kleinen
Umfang von einer halben Stunde doch ein Wäldchen, etwas Wein-,
Wiesen- und Gartenbau hat und bis zur Erfindung der gezogenen
Kanonen für uneinnehmbar galt, wiewohl im I. 1848 ein ver-
wegener Schornsteinfeger das tolle Wagstück ausführte, sie, in
einer der senkrechten Felsspalten bis zur Brüstung emporkletternd,
zu ersteigen. Die denkwürdigsten Gebäude derselben sind: die
Garnisonkirche mit einem von Johann Georg II. aus Elfen-
bein und Ebenholz gefertigten Erueifix, die Christians- oder
Friedrichsburg, das neue Zeughaus mit Bildnissen aller
80 Kreishauptmannschaft Dresden.
sächsischen Regenten, aller Festungscommandanten, sowie aller
Feldherren, welche Johann Georg III. beim Entsätze Wiens 1683
begleiteten, die Georgenburg mit Staatsgefängnissen, das
Provianthaus, früher Magdalenenburg genannt, wo sonst
das berühmte Weinfaß aufbewahrt ward, welches über 3709 Eimer
hielt, also 600 mehr als das Heidelberger, aber seiner Baufällig-
keit wegen 1818 zerschlagen ward. Uebrigens hat die Festung
Kasernen, bombenfeste Pulvermagazine, Kasematten und, uächst
Cisternen einen gegen 340^ tiefen Brunnen, dessen Wasser immer
gegen 15m hoch steht, und noch nie versiegt ist. Ein Felsvorsprung
bei der Friedrichsburg heißt das Pagenbette, weil sich dorthin
1665 ein trunkener Page, v. Grünau, geschlichen hatte und am
Rande des Abgrundes schlief, bis Johann Georg II. ihn, nach-
dem er festgebunden war, durch Trompeten und Pauken wecken
ließ. Der feste Schläfer wurde 106 Jahr alt und starb 1744
zu Schmölln bei Bischofswerda in Armuth. In der ältesten Zeit
war der Königstein eine böhmische Grenzveste, im 15. Jahrhundert
ein Schloß der Burggrafen von Dohna, im Anfang des 16. ein
Cölestinerkloster, das aber nur 9 Jahre bestand, weil fast alle
Mönche zu Luther nach Wittenberg zogen. Seitdem ward der
Fels wieder als Festung und zugleich als Staatsgefäuguiß benutzt
und seine Befestigungen besonders durch Kurfürst August verstärkt.
Zu den merkwürdigsten Staatsgefangenen gehörten der Kanz-
ler Christians I., Nie. Ereil, welcher, weil er sich gewaltsame
Neuerungen, besonders in Kirchensachen, hatte zu Schulden kommen
lassen, nach zehnjährigem Gefängniß 1601 zu Dresden enthauptet
ward; — der Baron v. Klettenberg (S. 77), der 1719 glück-
lich aus der Festung entwich und entkommen sein würde, hätten
ihn nicht seine rothseidenen Modestrümpfe mit Silberzwickeln den
Bauern als einen vornehmen Flüchtling verrathen, und den
August der Starke seiner Betrügereien wegen hier 1720 köpfen
ließ; — und der Kanzlist Menzel, welcher 1756 Friedrich dem
Großen die Verhandlungen des Ministers Brühl mit Oesterreich
und Rußland verrieth, und dadurch den schnelleren Ausbruch des
siebenjährigen Krieges veranlaßte. — Im I. 1706 wurde der
Porzellanerfind er Böttger auf dem Königstein vor den Schweden
in Sicherheit gebracht. Zu deu Festungscommandanten gehörte
von 1715—33 der seiner derbwitzigen Einfälle wegen bekannte
v. Kyau. Die Festung pflegt in Kriegs- und anderen bedroh-
lichen Zeiten zur Aufbewahrung von Staatsschätzen und Archiven
benutzt zu werden; um in der Kriegführung eine hervorragende
Rolle zu spielen, ist sie zwar zu klein, und daher galt sie im
dreißigjährigen wie im siebenjährigen Kriege, selbst im Jahre
1813 für parteilos (neutral), dennoch erwies sie sich im Feldzug
von 1866 der in Böhmen operirenden preußischen Armee lästig
genug, indem sie den ganzen Verkehr auf dem Strom und der
Eisenbahn an ihrem Fuße sperrte.
Pirna. 81
Unter den nahen Felsen sind denkwürdig: der Quirl mit
großer Höhle, Diebskeller genannt, der Gohrisch und der
Pabststein. — In dem unteren Mühlen-reichen Theile des Biela-
grundes bei Königstein liegen eine Papierfabrik, mehrere Holz-
schleisereien und die Wasserheil- und Molkenanstalt Königs-
brnnn, im obersten und schönsten Theile desselben die Schweizer-
mühle, die älteste Kaltwasserheilanstalt Sachsens. — Bei Schöna
befinden sich die Teichsteinbrüche, so genannt, weil die Elbe
dort, wo sie Sachsen zuerst berührt, so tief uud still geht, daß
sie nur ein Teich zu sein scheint. — Zu Kleinstruppen in der
Nähe derBärensteine besteht seit 1822 eine königliche Erziehnngs-
anstalt für verwaiste und arme Soldatenknaben, welche hier zu
Oekonomen, Handwerkern ?c., auch zu Unteroffizieren gebildet
werden; die Anstalt zählt 180 Zöglinge und steht unter dem
Kriegsministerium.
Pirna (10.581 Einw., 558 Häuser), an der Nordgrenze der
Sächsischen Schweiz gelegen, Sitz eines Hauptsteueramts, treibt
Elbhandel und Schiffbau und hat sich in neuerer Zeit zu einer
gewerblichen Stadt aufgeschwungen; es hat eine Britanniametall-
waaren- und mehrere Cigarren-Fabriken, auch liefert es viele
Thon-, Chamotte- und Steinmetzwaaren, ferner emaillirtes Koch-
geschirr, Sprit, Malz- und verschiedenerlei Zuckerwaaren, Liqneur-
esseuzen und Fruchtsäste. Zwei schöne Denkmäler altdeutscher
Bauart sind die Hauptkirche, welche einige Glasmalereien hat,
und die alte Klosterkirche. Neu ist die schöne in gothischem
Stile gebaute katholische Kirche nebst Pfarre und Schule. Seit
1813 besteht hier eine Waisenanstalt, ursprünglich für Kin-
der des obern Meißner Kreises gestiftet, welche durch den Krieg
verwaist waren, dann auf Waisen des ganzen Meißner Kreises
ausgedehnt. Unterhalb der Stadt überschreitet die pirna-kamenzer
Verbindungsbahn auf einer 1875 erbauten Brücke die Elbe. —
Pinta gehörte sammt der umliegenden Pflege ursprünglich zu
Böhmen uud kam erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts dauernd
an die Meißner Markgrafen. Hier fanden 1635 die Vorver-
Handlungen über den prager Frieden statt, in dessen Folge die
Lausitzen von Böhmen an Sachsen kamen. — Hart über der
Stadt erhebt sich der Sonnen st ein, schon in den frühesten
Zeiten ein Hauptpunkt für die Vertheidignng des Elbpasses und
zur Erhebung des Elbzolls; als Festung spielte er eine Rolle
im 15. Jahrhundert, wo er den Hnssiten widerstand, im dreißig-
jährigen Kriege, wo Bauer ihn 1639 erstürmte und hier so
entsetzlich wüthete, daß das „Pirnaische Elend" zum Sprichwort
wurde; im siebenjährigen Kriege, wo ihn 1758 die Preußen
eroberten und die Außenwerke schleiften, endlich noch 1813, wo
Napoleon ihn von neuem befestigen ließ und die Verbündeten ihn
belagerten. — Dadurch wurde auch die erst im I. 1811 aus dem
^onnenstein errichtete Heilanstalt für Seelenkranke bedroht,
Engelhardts Vaterlandskunde. 11. Aufl. g
82 Kreishauptmannschaft Dresden.
allein schon 1814 konnte dieselbe ihrer friedlichen Bestimmung
zurückgegeben werden und hat seitdem nie aufgehört, deu von Jahr
zu Jahr gesteigerten Ansprüchen der Hilfsbedürftigkeit ebenso wie
den Fortschritten der Seelenheilkunde gerecht zu werden. Neuer-
dings ist sie gänzlich umgebaut worden. Die Zahl ihrer Pfleg-
linge beiderlei Geschlechts, unter denen alle Stände, die höchsten
wie die niedrigsten, vertreten sind, schwankt zwischen 370 und
400, und wenn die Anstalt auch zunächst für Sachsen bestimmt
ist, so wird ihre Hilfe doch häufig genug auch von Ausländern,
selbst aus weitester Ferne, ausgesucht. Zur Erheiterung der Uu-
glücklichen, welche nicht selten sehr viel zu ihrer Herstellung bei-
trägt, dienen freundliche Garteuanlagen, verschiedene Spiele, Bücher,
Musik iL, auch ist stets für passende Beschäftigung gesorgt, das
meiste thnt die liebevolle Behandlung. Selbst Tobsüchtigen drohen
nicht mehr Ketten und Prügel, sondern nur die Zwangsjacke, der
Zwangsgurt, der Drehstuhl zc., durch welche sie nur verhindert
werden, sich oder Anderen zu schaden. Kranke, für welche aus
weitere Besserung nicht zu hoffen ist, kommen in die Landes-
Versorgungsanstalten, die Männer nach Colditz, die Frauen nach
Hubertusburg. Das Schloß Sonnenstein bildet eine eigene Parochie.
Wer kennt nicht den pirnaer Sandstein, aus welchem
nicht bloß Pirna selbst, Dresden und die meisten Elbstädte, son-
dern auch viele Gebäude im Auslande, z. B. der Magdeburger
Dom, das berliner Schauspielhaus, ja sogar die Christiansburg
in Kopenhagen gebaut sind, und der außerdem die vielfachste Ver-
weuduug zu Mühl- und Schleifsteinen, Trögen, Springbrunnen
und selbst zu Bildhauerarbeiten findet? Pirnaisch heißt dieser
Stein, weil er im 15. Jahrhundert zuerst bei Pirna gebrochen
wurde — die Brüche bei Posta, Pirna gegenüber, sollen unter-
allen die ältesten sein —, aber sämmtliche Brüche jenes nner-
schöpflichen Sandsteinlagers, welches sich von der Gottleuba bis
zum Lausitzer Gebirge erstreckt, liefern pirnaer Sandstein. Am
günstigsten liegen die Brüche unmittelbar an der Elbe zwischen
Copitz und Postelwitz bei Schandau, von denen die Werkstücke
auf langen Rutschen sogleich bis zum Verladungsplatz herabgleiten;
die vorzüglichsten sind die Posta er, die Weißen Brüche bei
Wehlen, die Kirchleite bei Königstein, die Postelwitzer, die
Langhennersdorfer, die Markersbacher; es lassen sich in
dem Sandstein drei Hauptetagen unterscheiden: der Unterquader,
welcher feinkörnigen und gutbearbeitbaren Sandstein zu Wasser-
trögen, Thürstücken, Fenstersimsen ?c. liefert, der Mittelquader,
zu welchem der cotta er Bildhauersaud stein gehört, und der Ober-
quader, das beste Material für Brücken-, Wasser- und Hochbau.
Die lohmener Brüche geben die besten Schleifsteine, die liebe-
thaler die besten Mühlsteine (S. 77). In der cottaer Gegend
bricht man oft so gewaltige Stücke, daß ihr Transport zur Elbe
besondere Wagen und Vorrichtungen erfordert. Von hier stammen
Pirnaer Steinbrüche. 83
auch die sechs Säulen der dresdner Hauptwache, jede gegen 7 m
hoch und an 250 Ctr. schwer, aus einem Stücke gearbeitet.
Die weichen Stücke verwendet man zu Pochsand. Neuerdings wird
zu kunstgerechter Verarbeitung des Sandsteins auch die Dampfkraft
benutzt, indem zu Pirna eine Sandstein-Dampfsägerei errichtet
worden ist. Die Zahl der Arbeiter in sämmtlichen 302 Brüchen
betrug 1871: 2180.
Die Arbeit der Sandsteinbrecher ist so mühselig und fast
ebenso gefährlich wie die der Bergleute, denn stets müssen sie
fürchten, vom Felsen zu stürzen oder darunter begraben zu werden,
aber auch nicht minder schädlich. Selten wird ein Steinbrecher
alt, die wenigsten überdauern das 50. Lebensjahr; der Sandstaub,
den sie täglich einschluckeu, die Sonnenglut, der sie an der kahlen
senkrechten Felswand preisgegeben sind, läßt sie frühzeitig an der
„Steinbrecherkrankheit" dahinsiechen, und doch lockt der gute Lohn
immer neue Arbeiter heran. Nur im Sommer läßt sich der Stein
bearbeiten, denn im Winter friert er und ist nicht zu gewinnen.
Dann arbeitet man unter der Wand, d. h. man unterminirt
einen bauwürdig erscheinenden ungeheuren Block, bis er das Ueber-
gewicht bekommt, sich von der übrigen Felsmasse ablöst und, in
Stücke zerspringend, nach vorn zusammenstürzt. Dieses „Hohl-
machen" ist eben so mühsam als gefährlich, denn um Gestein und
Arbeitslohn zu sparen wird die Höhlung, welche oft bei einer
Breite von 16 bis 56 m an 11 bis 17 m tief ist, meist so
niedrig gemacht, daß der Arbeiter nur liegend arbeiten kann,
indem er mit der linken Schulter auf einem Strohkissen ruht, und
nur kriechend die furchtbare, grabähnliche Kluft zu verlassen im
Stande ist. An ein schnelles Entfliehen, wenn Einsturz droht,
ist daher nicht zu denken. Dieses Arbeiten unter der Wand dauert
mitunter 2 bis 3 Jahre.
Das erste Zeichen, daß sich die Felsmasse lockert, ist ein
dumpfes, kanonenschußähnliches Knallen in ihrem Innern, aber
„die Wand schreit", wie die Brecher sagen, oft wochenlang, ehe
eine Bewegung derselben sichtbar wird. Vom ersten Schreien an
wird sie mit einer großen Zahl mannsstarker Steifen unterstützt,
jedoch so locker, daß man zwischen sie und die Felsdecke Thon-
pfeifen oder Scherben einschieben kann. Fangen diese an zu
knirschen und zu zerbrechen, so ist dies für die Arbeiter das
Zeichen zu eiliger Flucht; kaum aber hat sich die Wand wieder
„gesetzt", so kriechen sie auch schon von neuem in die Höhlung.
Beginnt sie aber sich stärker zu senken, so treibt man "anf der
Höhe in die Spalten mächtige Holzkeile, ein Theil der Stützen
wird dünn gehackt, die andern zur Sprengung mit Pulver vor-
gerichtet, dann angezündet und mit furchtbarem Getöse stürzt die
Wand ein, wie ein Erdbeben den Umkreis erschütternd. Früher
rollte nicht selten eine fallende Wand aus den Elbbrüchen bis
in das Bett des Stromes und blieb, die Schiffahrt hindernd,
6*
84 Kreishauptmannschaft Dresden.
darin liegen, bis sie nach und nach verarbeitet wurde. Eine
unrichtig gefallene verursacht den Besitzern oft großen Schaden,
denn es kostet mehrjährige Arbeit, sie weg zu schlagen; darum
gibt das glückliche Ablösen einer Wand allemal ein Wand- d. h. ein
Trinkfest. In den Weißen Brüchen zwischen Wehlen und Rathen
fiel 1829 eine Wand in die Elbe mit solcher Gewalt, daß sie
einen vorüber segelnden Kahn weit über das jenseitige Ufer warf.
Dadurch erschüttert stürzte drei Tage darauf eine nahe, noch grö-
ßere 62 m hohe Wand und verschüttete 13 Arbeiter. Erst am
sechsten Tage gelang es fünf noch lebend hervorzuarbeiten, welche
nur dadurch, daß ein Theil der fallenden Wand eine Höhle bil-
dete, wenn auch unter schrecklichen Qualen, erhalten worden
waren. Ans Wunderbare grenzt die Rettung von 24 anderen,
welche am 25. Januar 1862 in einem Bruche oberhalb Schandau
durch eine ungeheure Wand verschüttet uud nach 56stündiger
Todesangst alle glücklich herausgegraben wurden.
Das Zeichen für Gefahren in den Steinbrüchen ist das
Klirren mit dem eisernen Werkzeug, weshalb kein Fremder das-
selbe anrühren darf. In denen bei Liebethal war früher der
Warn- und Nothruf: „Lauf zu", daher durfte auch niemand, bei
Strafe, so rufen. August der Starke that es eiust zum Scherz
und sprengte dann fort, ließ sich aber gern einholen, zahlte fürst-
lich, lobte die Steinbrecher, daß sie auf ihre Rechte hielten und
bestellte sie zu einem tüchtigen Freibiere nach Pillnitz.
Nach Westen zu geht das Elbsandsteingebirge in das Erz-
gebirge über, dessen nördöstlicher Abfall ebenfalls zum unmittel-
baren Gebiete der Elbe gehört; denn von ihm gehen zu der-
selben die Gottleuba, die Müglitz uud die Weißeritz an
mehreren kleinen Städten vorbei.
An der Gottleuba liegt in einem unserer tiefsten und schöu-
steu Gebirgsthäler das Städtchen Gottleuba (1079 Einw.), 1865
halb abgebrannt, das feinere Drahtwaaren, namentlich Vogelkäfige
auch hölzern Haus- und Küchengeräthe fabrieirt und bei welchem
man neuerdings auf Arsenikkies und Silber gräbt, uud weiter ab-
wärts, auf der Grenze des Sandsteins, Berggießhübel (1481 Einw.),
das seinen Namen den dortigen uralten Gießhütten verdankt; es
besitzt eine neue gothische Kirche, ein Eisenbergwerk, das seine Erze
in Großsedlitz verhüttet, eine Gußstahlfabrik und einen Eisen-
Hammer, den einzigen noch im Betrieb stehenden von sehr vielen,
die diese Gegend früher'besaß, auch ein 1722 eingerichtetes, neuer-
diugs mit verbesserten Einrichtungen versehenes Bad mit schönen
Anlagen, das Johann-Georgenbad (294m h.). Der fromme
Gellert und der Satirendichter Rabener sprachen im I. 1765 dort
ein und noch heißt einer ihrer liebsten Spaziergänge der Poeten-
gang. — Bei Berggießhübel ward am 21. August 1813 der
französische General Gonvion St. Eyr von den Verbündeten
geschlagen. — In der Nähe bildet der Langhennersdorfer
Gottleuba; Berggießhübel; Liebstadt; Geising; Altenberg. 85
Bach einen 24m hohen Wasserfall. — Liebstadt (858 Einw.)
in dem Thale der Seydewitz, die bei Pirna in die Gottleuba fällt,
hat ein schönes Schloß mit Park und treibt viel Strohflechterei.
Die hiesigen Fleischer hatten sonst gleich denen zu Bärenstein und
Dohna das Vorrecht, nach Dresden zu schlachten, weil sie dieses
im Jahre 1642 bei Fleischmangel versorgt hatten. — Das reiche
Nentmannsdorf hat vorzüglich gute Kalkbrüche, in welchen
1813, bei einem Gefechte zwischen Russen und Franzosen, viele
der letzteren ihren Tod fanden.
Das Quellgebiet der Müglitz im obern Gebirge, die ran-
hefte Höhe der ganzen dresdner Kreishauptmannschaft, wo sonst
nur Hafer und Kartoffeln gediehen und Obstbäume meist unter
Schnee und Stürmen verkrüppelten, jetzt aber doch Feld- und
Gartenbau nicht ganz ohne glücklichen Erfolg betrieben werden,
ist der Sitz unseres Zinnbergbaus. Der Strich an der böh-
mischen Grenze hat davon den Namen „der Zinnwald" erhalten;
ihm verdanken auch die Bergflecken Zinnwald und Georgen-
feld, die Bergstädte Altenberg, und das von dem Geising-
buch durchstoßene Geising (1288 Einw. 589 m h.) ihre Entstehung,
alle auf engem Raum zusammengedrängt, während gegen Westen
von Altenberg erst Sayda die nächste Stadt ist. Die wichtigsten
Zinnwerke hat
Altenberg (2049 Einw.) am AbHange des basaltischen Geising-
berges (Rathhaus 750,385 m h.), im I. 1876 nach dreimaligen
Bränden abermals theilweise in Asche gelegt. Hier wurde 1458
das Zinn fündig, welches für jene Zeit, die das Porzellan nicht
kannte, noch viel wichtiger war als für die Gegenwart. Der Quarz-
porphyr, welcher den Zinnstein, d. h. die zinnhaltigen Erztheile
in ausscheidungswürdiger Menge enthält, heißt Zinnz witter;
die größeren Zinngraupen sind jetzt sehr selten. Das Erz ist
dort vorwiegend nicht gangförmig, sondern durch größere Raum-
massen, Stockwerke genannt, dem Gestein eingesprengt, die zn
Weitungen von 17 — 85 w. Höhe ausgearbeitet, durch Berg-
vesteu gestützt sind, und durch schmale Gänge Verbindungen haben.
Solche Weitungen gibt es jetzt 11 über einander, davon die
unterste 283mtief ist und die einzige (Sementquelle Sachsens
enthält; eingelegtes Eisen überzieht sie mit Kupfer. Noch 1813
dienten diese Gruben den Bewohnern als Zuflucht vor den Kriegs-
gräneln. Mangel an Vorsicht bewirkte sonst nicht selten den Ein-
stürz solcher hohlen Gewölbe, sogenannte Tagebrüche oder Bingen.
Die berühmte große Biuge dicht bei der Stadt entstand 1624,
wo das ganze, über 255 ^ tiefe Stockwerk in einem Umfang
von 900 Schritten einsank, 21 Gruben zerstörte, und nächst
mehreren Maschinen und Gebäuden 25 Menschen verschüttete, die
aber, bis auf einen 79jährigen Greis, gerettet wurden. Die erd-
bebengleiche Erschütterung des Bodens wurde bis nach Dresden
hin gefühlt. Erst nach 40 Jahren konnten die Gruben wieder
86 Kreishauptmannschast Dresden.
befahren werden. Noch 1829 geschah ein solcher Tagebruch, durch
welchen ein Treibschacht 17 Klaftern tief einsank. — lieber 20 Hütten-
werke liegen von Altenberg bis nach Altgeising. Der größte Theil
des Zinnbaus gehört der reichen Gewerkschaft Vereinigt Feld
im Zwitter stock, deren Gruben durch einen 1700 m langen, bei
Altgeising mündenden Stölln entwässert werden. Von 1682—1870
wurden 266.757 Ctr. Zinn ausgebracht und seit 1777 426.240 Thlr.
Ausbeute vertheilt; im 16. Jahrhundert war der Jahresertrag
gegen 5000 Ctr., in der Neuzeit ist er zum Theil wegen Wasser-
mangels, zum Theil auch wegen der australischen Concurrenz
gesunken und im I. 1874 betrug er nur noch 1711 x/2 Ctr., die
einen Werth von etwa 182.000 M. besaßen. Silberbergbau hat
ganz aufgehört, dagegen wird etwas Wismuth (10 Ctr.) und
Arsenik (815 Ctr.) gewonnen. Die Umgegend enthält viele inter-
effante" Mineralien: Beryll, Topas, Achat, Jaspis, Amethyst,
Bergkrystall, Speckstein, Wismuth, Wolfram, Arsenik- und Kupfer-
kies u. a.
Zwischen Lauenstein (755 Cinw. 512 m h.), dessen Kirche
ein schönes Sandsteindenkmal ihres Erbauers, Günthers von
Bünau, enthält, und Biircnstein, das unter Sachsens Städten
die kleinste (565 Cinw.), doch auch eine der reichsten ist, nimmt
die Müglitz das Altenberger Wasser auf und wird dadurch ganz
ziegelroth gefärbt. Dies rührt von den altenberger Pochwerken
her, welche die dem zinnführenden Gesteine beigemischten Eisen-
theilchen fortspülen; seltsam sticht daher das Waffer der Müglitz
in ihrem ganzen Laufe gegen die grünenden Ufer ab und bleibt
selbst uoch in der Elbe eine Strecke weit sichtbar. Freilich wird
es dadurch für Fische und selbst für Wasserpflanzen unbewohnbar;
besonders seltsam erscheint es in den Springbrunnen von Weesen-
stein, und alle Wäsche, zu der man es benutzt, glänzt, wenn sie
trocken ist, von feinem rothen Staube.
Ein lobenswerthes Beispiel eonsessioneller Friedfertigkeit gibt
das Dorf Fürstenau bei Lauenstein, zu dessen Marienbilde
viele Katholiken aus dem nahen Böhmen wallfahrten, uud duld-
sam überläßt ihnen die protestantische Gemeinde ihre Kirche zum
Gottesdienst.
Weiterhin folgen an der Müglitz die Städtchen Glashütte
(1712 Einw.) und Dohna, jenes nach dem silberhaltigen Glas-
erze genannt, das früher hier reichlich gefunden und in den
Hütten geschmolzen wurde; jetzt ist der hiesige Bergbau zum
Erliegen gekommen. Desto kräftiger hat sich die hier seit 1850
begründete Uhrenfabrikation entwickelt, welche gegenwärtig unge-
fähr 150 Arbeiter beschäftigt. Hauptsächlich werden feine Taschen-
und Pendeluhren, Chronometer und Telegraphenapparate fabricirt,
die größtenteils nach England, Amerika und Spanien gehen. —
Unfern Glashütte befindet sich Wittichs Schloß, eine Felshöhle,
wo im 15. Jahrhundert ein Räuber hauste, welchen Ritter Wein-
Lauenstein; Bärenstein; Dohna. 87
hold von Bärenstein erschlug, wofür ihm angeblich die markgräf-
liche Gnade zu Theil wurde, Wild, auf seinem Gebiete gehetzt,
bis auf die dresdner Brücke verfolgen zu dürfen.
Dohna (2020 Einw.), das Leder und Strohhüte fabricirt,
war einst das Stammhaus mächtiger Burggrafen, die nicht weniger
als 33 Orte, Städte und Schlösser, darunter den Königstein,
Auerbach, Döbeln, Königsbrück und Ostritz besaßen, deren Feste
aber, ihrer unaufhörlichen Befehdungen wegen, 1403 geschleift
wurde. Die Veranlassung dazu gab ein Tanz des Adels auf
dem Rathhaus zu Dresden 1401, wo Burggraf Jeschke von Dohna
an Ritter Rudolf von Kürbitz, der ihm im Tanze ein Bein ge-
stellt hatte, sich mit einer Ohrfeige rächte. Die daraus entstandene
Fehde benutzte Markgraf Wilhelm, die unruhigen Burggrafen zu
vertreiben. — Vom 14, bis ins 16, Jahrhundert war Dohna
Sitz eines berühmten Schöppeustuhls, das Donaische Mal oder
Ritterding genannt, bei welchem selbst das Ausland oft Urtheile
einholte, und der erst 1547 aufgelöst wurde. Sehenswerth ist
die alte gothische Kirche. Die dohnaischen Landfleischer schlachten
viel für den dresdner Bedarf.
Im Jahre 1813 hatte diese ganze Gegend von Berggieß-
hübel bis Dohna und Dippoldiswalde hin Kriegsdrangsal aller
Art zu erdulden, zumal als die in der Schlacht bei Dresden'
geschlagenen Verbündeten, von den Franzosen bedrängt, durch die
engen und damals noch wenig gangbaren Thalschluchten des
Gebirges ihren Rückzug nach Böhmen nahmen. Ueber Glashütte
zog auch General Kleist mit den Preußen nach Liebenau und
Fürstenwalde, von dort aus aber trat er seinen kühnen Marsch
nach Nollendorf an, der die Gefangennahme des Generals
Vandamme mit seinem ganzen Corps entschied. Noch mehrere
Wochen blieb die Gegend der Schauplatz des Krieges, da Napoleon
wiederholt in das teplitzer Thal, die Verbündeten aber von dort
aus nach Sachsen vorzudringen versuchten.
Denkwürdige Dörfer sind: Krebs, darin eine von dem
Koburg-Gothaischeu Minister v. Oppel erbaute Schule, zum An-
denken an seine Mutter Sophienschule genannt; — Weesen-
stein in dem herrlichen Müglitzthale, Privateigenthum früher des
Königs Johann, jetzt des Prinzen Georg, hat ein von Natur
und Kunst gleichsam gemeinschaftlich gebautes Schloß, denn der
Fels, auf dem es ruht, ist von den Kellern bis in die Kirche
und den Thurm bald als Wölbung bald als Mauer und Treppe
benutzt, so daß man z. B. in die Keller hinauf-, in mehrere
Limmer hinabsteigen muß, und Pferdeställe sich in den obern
Stockwerken befinden. Sogar ein Theil des Altars, des Chors
und der Kanzel besteht aus natürlichem Gestein. Der Neubau
des Schlosses enthält eine Portraitgallerie sämmtlicher Glieder
der königlichen Familie von August dem Starken an. — Bei
^chlottwitz zieht sich mitten durch das Bett der Müglitz ein
88 Kreishauptmannschaft Dresden.
Gang von Achat, Chalcedon und Amethyst. — Maxen, links
von der Müglitz, mit großen Marmor- und Kalkbrüchen, in denen
130 Arbeiter beschäftigt sind. Der meiste Marmor der katholischen
Kirche zn Dresden stammt von Maxen; auch jetzt noch bricht man
daselbst buntfarbigen, schönen Marmor, er wird aber bloß als
gewöhnlicher Kalkstein behandelt und gebrannt. Besitzer des
Schlosses, dessen älteste Theile noch Reste einer vormaligen meiß-
nischen Grenzfeste aufweisen, war seit 1819 der als Schöpser der
Tiedgestiftnng und eifriger Förderer der Schillerstiftuug weitbe-
kannte Major Serre, dessen Haus lange Zeit hindurch den vielbe-
suchten Sammelplatz einheimischer und auswärtiger Berühmtheiten
in Kunst und Wissenschaft bildete. Seine Gattin (geb. Hammer-
dörfer) traf mit den dresdner Stadtbehörden ein Übereinkommen,
der Stadt gegen jährlich je 12 Thlr. vorerst 50 arme Waisen-
kinder abzunehmen, welche mit ihrer Beihilfe bei achtbaren Fami-
lien in Maxen untergebracht wurden. Diese wohlthätige Menschen-
liebe wurde so unermüdlich fortgesetzt, daß in diesen „Armen-
Kolonien" im Laufe der Jahre weit über 1000 Kinder versorgt
und auferzogen wurden. Die umliegenden Ortschaften folgten
nach und nach dem vortrefflichen Beispiele und so wurde dieses
der Segen der Gegend und einer Menge hilfsbedürftiger kleiner
Wesen, welche die Strohslechterei und andere Kunstfertigkeiten
erlernten. Auf einer Anhöhe unfern Maxen nahm im sieben-
jährigen Kriege, am 21. Nov. 1759, der österreichische Feldmar-
schall Daun den preußischen General Fink v. Finkenstein mit
12.000 Mann gefangen, was man spottweise den „Finkenfang"
nannte. — Unfern Reinhardsgrimma, mit einem der schönsten
Schlösser, erheben sich der Luchberg (581 m) und der basaltische
Wilisch (470ui), die höchsten Puukte der Gegend; von letzterem
senkt sich der schöne Lockwitzgrund zur Elbe, der die Dörfer
Lungwitz mit dem Bennemannschen Stift für Predigerswittwen,
Kreischa mit einem Bade und Lockwitz mit freundlichen Gärten
und Parkanlagen enthält.
Diese ganze Gegend ist der Sitz unserer Strohslechterei.
Von Altenberg aus, wo diese Industrie zu Anfang des jetzigen
Jahrhunderts zuerst in Schwung kam, uud das noch heute der
Hauptort dafür ist, hat sich dieselbe über den ganzen Abfall des
Gebirges bis in die Nähe der Elbe, zwischen der Gottleuba und
Lockwitz, ausgebreitet. Was für das obere Erzgebirge das Spitzen-
klöppeln, das Handschuh- und Gorlnähen und die Bandzäckchen-
sabrikation sind, das bildet für diesen Theil das Strohflechten,
einen Erwerbszweig, der, wie jene, vorwiegend Frauen- und Kin-
derhäude in Thätigkeit setzt und seit der Verwendung verbesserter
Maschinen große Fortschritte gemacht hat. Wohl die halbe Be-
völkerung der Gerichtsämter Alteuberg, Lauenstein und Dippoldis-
walde, uud im Ganzen etwa 18—20.000 Menschen, die täglich
zwischen 20 und 80 Pfennigen verdienen, mögen mit der Bear-
Gegend um Dohna. 89
beitung des Strohs beschäftigt sein. Das erforderliche Weizen-
stroh wird in der Nähe gewonnen, denn es eignet sich der magere
Gebirgsboden, besonders an den Hängen der Muglitz, besser dafür
als fetter Boden, der den Halm leicht zu schilfig macht. Auf
das Einbringen des Strohes wird die größte Sorgfalt verwendet,
denn man muß es vor dem Naßwerden, selbst vor dem nacht-
lichen Than bewahren. Je feiner, weißer, fleckenreiner und ge-
schmeidiger dasselbe ist, desto mehr Werth hat das Geflecht. Der
Gang der Stroharbeit ist sehr einfach. Nachdem man die Nehren
abgeschnitten, wird der Halm so getheilt, daß die einzelnen Stücke
keine Knoten zeigen, dann in den Schwefelkasten gelegt, um ihm
mehr Weiße zu geben, dann ins Wasser gesteckt, um ihn mürbe
zu machen, dann mit dem scharfzähnigen Spalter der Länge nach
in dünne Streifen „gerissen" und endlich geflochten. Die Fein-
heit des Geflechts wird nach der Zahl der Streifen bestimmt, in
welche der Halm getheilt ist. Das Flechten ist bei feinem Stroh
äußerst mühsam, bei grobem sehr schmerzhaft, denn das Nieder-
drücken und Einbrechen der hervorstehenden Enden der Halme
macht oft blutige Finger. Da die Arbeit eine große Fertigkeit
und Feinheit der Finger erfordertes« wird das Tagewerk eines
eingeübten Kindes ebenso hoch, nicht selten höher bezahlt als das
der Erwachsenen; schon Kinder von 3 bis 4 Jahren lernen flechten,
meist von selbst, durch Nachahmung. Das fertige Geflecht wird,
nachdem es gewaschen, und nicht selten nochmals geschwefelt wor-
den, in Mandeln d. h. Stücke von bestimmter Länge, verpackt,
und kommt so in den Handel. Alle Dörfer, in denen Stroh
geflochten wird, heißen Strohdörfer und verrathen sich als solche
von selbst; denn an allen Fenstern stehen Gefäße mit eingeweichten
Halmen, vor allen Thüren sitzt im Sommer Alt und Jung mit
Ausschneiden, Flechten n. s. w. beschäftigt, kein Hirt geht ohne
Halme zu knüpfen auf die Hutung und wie im Erzgebirge der
Klöppelsack, so führt in den Strohdörfern der Weizenhalm in
den Winterabenden die Mädchen zusammen. — Das meiste Ge-
flecht geht ins Ausland, ein ansehnlicher Theil davon wird aber
von unserer einheimischen Strohhutnähterei verbraucht, für
welche die Hauptgeschäfte sich in Dresden befinden, die aber
auch iu Dippoldiswalde, Kreischa, Laubegast, Dohna,
Weesenstein, Lockwitz, ic. betrieben wird und mehr als
4000 Nähterinnen beschäftigt; es bestehen auch besondere Flecht-
schulen zu Altenberg und Dippoldiswalde. — Von hier ist diese
Strohmannfactur auch in Freiberg eingebürgert worden.
Bei Zaunhaus, wo die aus einigen Bächen jenseits der
böhmischen Grenze sich bildende Wilde Weißeritz nach Sachsen
kommt, liegt ein großer höhlenartig ausgearbeiteter Kalkbruch,
nicht weit davon, im Galgenteiche bei Altenberg, am Fuße des
Kahlen Berges, entspringt 780m hoch, die Rothe Weißeritz;
beide werden unterhalb Tharand ein Fluß.
90 Kreishauptmannschaft Dresden.
Am Oberlaufe der rothen Weißeritz liegen das Dorf Schel-
lerhau, wo es eine bedeutende Eisensteingrube gibt, und der
Bergflecken Schmiede berg mit Hohofeu und Eisenhammer. Die
hiesige Binge, Kupfergrube genannt, ist zwar kleiner als die
altenberger aber ungleich schöner gelegen. Die hiesigen Bergleute
waren sonst ihres Gesanges wegen berühmt, Schmiedeberger Berg-
sänger durften bei Hoffesten nie fehlen. Die altenberger Nadel-
holz- und Bucheuwalduugen liefern viel Nutz- und Brennholz,
n. a. anch das Material für die Pantoffel- und Schuhleisten-
fabrikation in Nanndorf. Die Landleute nähren sich von Stroh-
flechten, Handel mit Butter, Brettern und Latten, Preißelsbeeren,
Schwamm und Isländischem Moos, das man hier häufig findet.
— Die einzige Stadt an der Rothen Weißeritz ist
Dippoldiswalde (3172 Einw.), mit königlichen Schlosse, auf
welchem ehedem Sachsens Regenten, besonders Vater August, oft
einsprachen; es treibt Gerberei und Strohhutmannfactnr, hat eine
Pappen- und eine Petrolenm-Meßapparate-Fabrik und ist seit dem
Brande 1826, der fast ein Dritttheil der Stadt verzehrte, schöner
als vorher gebaut. Ihren Namen hat sie nicht, wie die Sage
fabelt, von einem Heidenapostel Dippold, — obgleich ein Sand-
steinfels mit Höhle, die seine Wohnung gewesen sein soll, noch jetzt
der Einsiedler heißt, — sondern von ihrem Gründer Dippold von
Lohmen, der sie des Eisenbergbaues wegen anlegte; letzterer hat
jetzt ganz aufgehört. Unfern der Stadt steht das Grabmal eines
bei einem Gefechte 1762 als österreichischer Uhlanenoffizier geblie-
benen Tataren.
Beim Dorfe Höckendorf befanden sich im 15. Jahrhundert
die berühmten Silbergruben der Ritter v. Theler, die aus ihnen,
der Sage nach, solchen Reichthum gewannen, daß sie sogar die
Pferde mit Silber beschlagen ließen. Aber am 25. Aug. 1557
entlud sich über dem Thale der Wilden Weißeritz ein so entsetz-
licher Wolkenbruch, daß er den größten und ergibigsten Theil der
höckendorfer Gruben vernichtete. Die Ritter v. Theler verzwei-
feiten daran, die ersoffenen und verschütteten Werke wieder her-
zustellen, und verkauften Höckendorf an Kurfürst August. Versuche,
die alten Gänge der „Edlen Krone Fundgrube" wieder aufzufinden,
waren immer vergeblich, doch ist neuerdings der Bergbau hier,
wie anch bei Beerwalde und Reichstädt, mit Aussicht auf
Erfolg wieder aufgenommen worden. Der Gründer des Berg-
werks, Konrad v. Theler, errichtete, von einer Wallfahrt ins
Gelobte Land 1360 zurückgekehrt, bis zum Kirchhofe 7 Marter-
sänlen, von denen 3 noch stehen. Die 1825 erneuerte Kirche
enthält mehrere Denkmäler, jene Familie betreffend, und einen
kunstvoll gearbeiteten Altarschrank, ein Meisterstück altdeutscher
Kunst, dessen Vergoldung aus dem 14. Jahrhundert herrührt.
In dem kleinen Städtchen Rabenau (1784 Einw.) über dem
schönen Rabenauer Grunde und den Nachbardörfern ist seit Jahr-
Dippoldiswalde; Rabenau; Tharand. 91
Hunderten die Stnhlbanerei heimisch, welche, gegenwärtig von der
sächsischen Holzindustrie-Gesellschaft betrieben, alljährlich 20.000
Dutzend Stuhlgestelle aus Mahagoni-, Buchen-, Birken- und
Kirschbaumholz, das Dutzend von 24—360 M. liefert. — Im
Tharander Walde, in welchem die Triebisch ihre Quelle hat,
liegt das von Kurfürst August 1558 erbaute Jagdschloß Grüllen-
bürg, das er mit Mutter Anna oft besuchte; jetzt dieut es, verödet
und unscheinbar, zur Behausung des Oberforstamtes. — In einem
engen, aber herrlichen Thalkessel an der Wilden Weißeritz, liegt
die Stadt
Tharand (2554 Einw.) [Bahnhof 208m hoch], weit berühmt
durch die 1816 gegründete königliche Forstakademie, die gegen-
wärtig von 53 Stndirenden besucht wird. Ihr hauptsächlich ver-
danken die sächsischen Forsten ihren trefflichen Zustand. Sehens-
werth ist der Forstgarten, der sämmtliche Bäume und Sträucher
enthält, die in unserm Klima im Freien ausdauern. Ein be-
laubter Berg in der Mitte des Thalkessels trägt die Trümmer
einer seit 1568 verfallenen Burg, auf der sich Heinrich der Er-
lauchte oft zur Jagdlust aufhielt, und die fromme Stammmutter
unseres Regentenhauses, die böhmische Prinzessin Sidonie,
Albrechts des Beherzten Gemahlin, starb, nachdem sie 10 Jahre
daselbst als Wittwe gelebt hatte. Wie sehr Friedrich der Sanft-
müthige diese Stätte liebte, beweist seine oft wiederholte Aeuße-
rung: „Nehmen sie mir auch das ganze Land, lassen sie mir nur
Königstein und Tharand." Zu Tharands reizendsten Umgebungen
gehören die Heiligen Hallen, majestätische Buchengewölbe;
oberhalb derselben ist das mit 80 Eichen umpflanzte Grab des
berühmten Forstmanns Heinrich Cotta, aus desseu Forstlehr-
anstatt die Akademie entstanden ist. Tharand hat auch ein
Mineralbad und eine Seidenbauanstalt.
Bei Hainsberg und Cosmannsdorf vereinigen sich beide
Weißeritzen und durchströmen nun bis zum Dorfe Plauen den
Plauener Grund, in steinigem Felsbette dahinbransend (wovon
auch der slawische Name Bistritza, d. h. die Schäumende), außer
wenn die Hitze des Hochsommers es fast ganz austrocknet. Den
Anfang des Grundes von Dresden her bilden schroffe Felsen,
von denen im vorigen Jahrhundert bei Jagden bisweilen Bären
und Hirsche in den Fluß gestürzt wurden. — Reizend ist der
Plauener Grund für den Freund der schönen Natur, denn
er bietet die mannichfachsten Landschaftsbilder vom sanftesten Idyll
bis zur wildesten Felspartie, ist daher ein Lieblingsausflug der
Hauptstädter, zumal wenn die Obstblüte die Thalwände wie mit
Schnee überkleidet; belehrend für den Naturforscher, deuu der
Entomolog findet hier in Menge interessante Jnsecten, der Botaniker
seltene Pflanzen, besonders aber erforscht der Geolog an den durch
die Erhebung des Basalts senkrecht gespaltenen Syenitwänden,
an den mit Meeresschalthieren ganz erfüllten coschützer Felsen,
92 Kreishauptman rschaft Dresden.
an den hier beim Bahnbau aufgegrabenen Resten vorsündfluth-
licher Rieseuthiere die Entstehung und Urgeschichte unseres Planeten;
denkwürdig für den Bergmann, denn er steht hier inmitten
des kleineren unserer beiden Steinkohlenbassins; erfreulich für deu
Volkswirth, denn angelockt von dem billigen dampferzeugenden
Brennstoff wogt hier ein reges industrielles Leben. Das Thal
entlang läuft die Dresden-Chemnitzer Staatsbahn, deren Seiten-
bahnen sich in seltsamen Schlingen und Krümmungen zu den
höher gelegenen Gruben emporwinden. Eine bunte Kette groß-
artiger gewerblicher Anlagen reicht von Hainsberg bis vor die
Thore Dresdens: Steinkohlengruben, Hüttenwerke, Coaksöfen,
Steinbrüche, welche der Hauptstadt ihr Syenitstraßenpflaster liefern,
Ziegeleien, Fabriken, Oel- und Getreidemühlen. Die bedeutendsten
sind: die Thodesche Papier-, Holz- und Strohstofffabrik und 3 Roth-
garnfärbereien zu Ha ins b er g, die Eisengießerei nebst Dampf-
Maschinenbauanstalt in Gittersee, in Potschappel eine Zünd-
waaren- und eine Blumenfabrik, ferner die dresdner Felsen-
kellerbranerei in Coschütz, die 1856 errichtete Gußstahl-
fabrik in Döhlen, die Sammetfabrik, die Smirgel- und die
Wasserglasfabrik zu Deuben; beim Kammergut Döhlen, dessen
Schäferei eine der größten Sachsens ist, liegt eine Glasfabrik
für verschiedene Sorten von Hohlglas, eine chemische Fabrik und
eine Maschinenbauanstalt; das Dorf Plauen hat außer mehreren
großen Handelsmühlen eine Aetienbrauerei und eine Fabrik von
Gewürzölen und Gewürzsalzen. Freilich hat auch hier die Jndn-
strie, unbarmherzig wie überall, manche landschaftliche Schönheit
zerstört. Schon 1719 stand im Plauener Grunde des gelehrten
Grafen von Tzschirnhans Mühle zum Schleifen von Brenn-
gläsern, desselben, der an Böttgers Erfindung des Porzellans
wesentlichen Antheil hatte. — Burgk war das erste Dorf Deutsch-
lauds, welches Gasbeleuchtung hatte. Rechts über dem Plauener
Grunde erhebt sich, weithin sichtbar, der Windberg (364m).
Der Plauener Grund schneidet quer durch das Potschappe-
ler Kohlenbassin hindurch (S. 13). Entdeckt wurden hier die
Steinkohlen im 16. Jahrhundert bei Pesterwitz durch einen
Hirten, der Feuer auf dem Felde anmachen wollte, und die schwar-
zeu Steine, mit denen er es umstellte, zu seinem nicht geringen
Schrecken sich entzünden sah. Gegenwärtig ist wohl über die
Hälfte des ganzen kohlenführenden Gebietes bereits durch Schächte
aufgeschlossen, von denen mehrere 170—200 m Rothliegendes durch-
suukeu haben, und wenn auch der Steinkohlenbau des Plauener
Grundes, früher der bedeutendste in ganz Sachsen, hinter dem
zwickauer zurück steht, so bleibt er doch für die industrielle Ent-
Wicklung des dresdner Regierungsbezirks von der größten Wichtig-
keit. Er wird auf 10 Werken betrieben, von denen die dem
Staate gehörenden bei Döhlen und Zaukeroda, die des Frei-
Herrn v. Burgk, desPotschappeler und desHänichener Actien-
Plauener Grund. 93
Vereins die bedeutendsten sind. Man berechnet, daß der Kohlen-
vorrath des Beckens bis zu seiner gänzlichen Erschöpfung etwa
noch 140 Jahre ausreichen wird. Die Abfuhr der Kohlen ver-
mittelt die Bahn einerseits nach Dresden und der Elbe, an der
sie ihreu eigenen Kohlenladeplatz hat, andererseits nach Freiberg,
für dessen Hüttenwerke sie von Wichtigkeit sind.
Die Kohlenhäner haben zwar die Kleidung und Rechte, aber
auch die Beschwerden und Gefahren der Bergleute. Fast mehr
im düsteru Schoos} der Erde als im freundlichen ihrer Familie
lebend, sind sie keinen Augenblick sicher, von einstürzenden Wänden
erschlagen zu werden, von Leitern abgleitend in die Tiese zu stürzen,
durch einströmende Wässer zu ertrinken, von Schwefeldünsten oder
Schwaden erstickt, von schlagenden Wettern, d. h. vom Entzünden
brennbarer Luft verbrannt und verstümmelt zu werden, wenn sie
das warnende Flackern der Sicherheitslampe nicht rechtzeitig be-
achten. So geschah es am 2. August 1869, daß in dem Gottes-
Segen- und dem Hoffnungsschachte unweit Niederhäßlich 279 Ar-
beiter durch schlagende Wetter ihren Tod fanden. Ein großes von
einem Kreuz überragtes gemeinschaftliches Grab auf der Höhe
deckt 238 der Verunglückten. Dies Alles aber macht den Kohlen-
Häuer nicht muthlos. „Was leben soll, lebt, was sterben soll,
stirbt"; diesem Glauben huldigend fährt er getrost in die Grube.
Bei Unglücksfällen und Krankheiten den armen Häuern schleu-
nige Hilfe zu leisten, ist in Döhlen ein besonderer Bergarzt an-
gestellt.
Das Heben der Wässer aus deu Schächten besorgen theils
Dampfmaschinen, theils sogenannte Feldgestänge oder Schöpf-
werke; die Ableitung der Grubenwässer geschieht durch den tiefen
Weißeritzstolln, der beim Steiger, einem Gasthause unfern
Potschappel, mündet. Weil aber bei fortrückendem, immer tieferem
Steinkohlenbau die Wasserhebung bis zu diesem Stölln immer
schwieriger wurde, ist ein zweiter Stölln angelegt worden und
seit 1835 vollendet, der die Grubenwässer 24 Lachter tieser, und
nach der Elbe, ableitet. Dieser Elbstollu, welcher beim Kunst-
schacht in Zaukerode beginnt, unter den pesterwitzer Fluren hinweg-
geht und zwischen dem Schusterhanse und Brießnitz in die Elbe
mündet, hat 5663m Länge und ist so breit, daß er auch zur
Verschiffung der Kohlen auf Kähnen benutzt wird. Da ein so
langer unterirdischer Kanal natürlich Luft und Licht bedarf, so
sind auf der oberen Linie desselben 9 Lichtlöcher oder Schachte
abgesenkt. Dieser Stölln ist eine der größten Bauten dieser Art
in Deutschland, und doch sehen gewiß Unzählige die einfache
Stollnmündung bei Brießnitz, ohne das große Werk zu kennen,
dessen Endpunkt sie ist.
Ehe wir den herrlichen Plauener Grund verlassen, gedenken
wir noch eines wackeren Mannes, Martin Künzelmanns,
von 1535—68 Pfarrers zu Döhlen. Im Besitz medicinischer
94 Kreishauptmannschaft Dresden.
Kenntnisse und ausgerüstet mit Klugheit uud Erfahrung, heilte
er gefährliche, besonders epileptische Kranke, ließ sich aber nicht
mit Geld bezahlen, sondern erbat sich nur junge Obstbäume und
Pfropfreiser, gründete damit Baumschulen, beschenkte daraus seine
Kirchkinder mit jungen Stämmchen, so daß bald Wiesen und
Gärten mit dem schönsten Obste prangten und ward so statt
Teufelsbanner, wofür der Neid ihn ausschrie, ein Wohlthäter der
Landleute.
Inmitten des lachenden Thalkessels, zu welchem sich das Elb-
thal von Pirna an bis unterhalb Meißen erweitert uud welcher
aus beiden Ufern von zwei im wesentlichen aus Granit und
Syenit bestehenden Höhenzügen eingesaßt wird, liegt
Dresden (böhm. Bahnhof 116,769m h.), des Landes Hanpt-
und Residenzstadt, der Sitz der höchsten Landesbehörden, einer
Kreishauptmannschaft, des Oberappellationsgerichts und eines
Appellationsgerichts, eines Hauptsteueramtes K. Im Jahre 1834
hatte sie 3013 Häuser mit 66.133 Einwohnern, gegenwärtig zählt
man dreimal so viel, nämlich 197.295 Einw. in 6168 Häusern.
Durch die Elbe wird es in die Altstadt mit der Friedrich-
stadt und der im Bau begriffenen Johannstadt auf dem linken,
und in die Neustadt mit der Antonstadt und der leipziger
Vorstadt auf dem rechten Ufer getheilt, welche bis zum Jahre
1549 zwei besondere Städte ausmachten. Beide sind durch drei
steinerne Brücken verbunden; die älteste ist die schöne, 1222 von
Heinrich dem Erlauchten erbaute, 1731 von August dem Starken
erneuerte Angnstusbrücke, 353m laug, mit 17 (ursprünglich
24) Pfeilern, deren mittelster früher ein metallnes Crncifix trug,
bis sein Einsturz bei der großen Wasserflnth am 31. März 1845
es auf Nimmerwiederfinden in den Wogen begrub. Den vierten
Pfeiler ließ am 19. März 1813 der französische Marschall Davout
sprengen, um das Vordringen der Russen und Preußen aufzu-
halten. Die zweite ist die 1852 eröffnete, weitgespannte Marien-
brücke mit nur acht Pfeilern im Flußbett, welche zugleich mit
Hilfe eines großen Viadncts die Eisenbahnen beider Ufer ver-
bindet. Die dritte, die Albertsbrücke, ist noch im Bau be-
griffen.
Seit der Zeit Heinrichs des Erlauchten der bleibende Sitz
unserer Landesfürsten, ist Dresden nicht bloß ausgezeichnet durch
seine unvergleichliche Lage in einer der schönsten Gegenden Deutsch-
lands, sondern auch reich an denkwürdigen und schöne^ Bau-
werken. Ursprünglich war Dresden nichts als ein sorbisches Fischer-
dorf, lange blieb sein Umfang beschränkt: die Frauenkirche stand
außerhalb der Ringmauer, an der Stelle des heutigen Theaters
lag noch im 16. Jahrhundert ein kurfürstliches Vorwerk, auch
Dresden. 95
Kuchenvorwerk genannt, weil hier die wirtschaftliche Kurfürstin
Anna oft eigenhändig für Vater August Kuchen buk. Unter
August dem Starken zählte es erst 33.000 Einwohner; dieser
aber und sein Nachfolger machten es zu einer Stadt der Pracht-
bauten, der Künste und Museen, und mit Recht ist es darum
von Herder „Elbflorenz" getauft worden. Ein 300 Jahr
altes Sandsteinmonument in der Moritzallee an einem Ueber-
reste des alten Walles, welches den Kurfürsten Moritz darstellt,
wie er, von des Todes Sense bedroht, seinem Bruder August
das Kurschwert übergibt, bezeichnet den Punkt, bis zu dem
Moritz die Festung baute, an deren Beendigung ihn der Tod
in der Schlacht bei Sievershausen 1553 hinderte. Als Festung
litt Dresden besonders hart im siebenjährigen Kriege, denn 1758
uud 1759 brannte der besseren Verteidigung wegen der preußische
General Schmettau die pirnaische und die Wilsdruffer Vorstadt
ganz nieder und 1760 zerstörte das Bombardement der Preußen
416 Häuser, darunter die Kreuz- und Annenkirche. Aehnliche
Drangsale brachte das Jahr 1813, wo Dresden vor der leipziger
Schlacht der Hauptstützpunkt von Napoleons Elbstellung war,
und wo am 26. und 27, Aug. die Verbündeten, vom Erzgebirge
herabsteigend, die Stadt wegzunehmen versuchten, während Napo-
leon nach der Lausitz gezogen war, aber von dem eilig Umkeh-
renden geschlagen wurden. Von 1810—21 sind die Festungs-
werke vollständig abgetragen und in freundliche Anlagen ver-
wandelt worden, auch die 1866 von den Preußen im Umkreis
errichteten 10 Schanzen sind 1872 wieder eingeebnet worden. In
den letzten 25 Jahren ist Dresden, als Knotenpunkt wichtiger
Eisenbahnlinien, an Einwohnerzahl und Ausdehnung ungemein
rasch gewachsen, so daß prächtige Vorstädte entstanden, die nächsten
Dorfschaften bereits zu Stadttheilen geworden sind, der erweiterte
Bebauungsplan der Stadtflur sogar die Fluren der weiter hinaus
gelegenen Dörfer einschließt, und namentlich das waldige Terrain
zwischen der Stadt und Blasewitz sich in eine schöne Park- und
Villenanlage verwandelt hat.
Unter den 36 öffentlichen Plätzen sind außer dem Altmarkt
bemerkenswert^ der Antonsplatz mit dem artesischen Brunnen,
der Postplatz, dessen Brunnen, eine 64 F. hohe gothische Spitz-
sänle aus Saudstein, ein Freiherr v. Gutschmid zum Andenken
daran errichten ließ, daß Dresden 1832 von der Cholera ver-
schont bieb, der Neumarkt, welchen seit 1867 die schöne Bronze-
statne König Friedrich Augusts II. ziert, der Georgsplatz mit
dem Standbilde Th. Körners, der Bismarcksplatz, der Pir-
naische, der Schloßplatz, in der Neustadt der Ulberts- und
der Kaiser-Wilhelmsplatz. Straßen zählt die Stadt 365.
Die drei schönsten Kirchen sind die Frauen-, die Kreuzkirche
und die katholische Hofkirche. Die Frauenkirche, die älteste
der Stadt, in ihrer jetzigen Gestalt aber, als verkleinertes Abbild
96 Kreishauptmannschaft Dresden.
der Peterskirche in Rom, von Bahr erbaut und 1734 vollendet,
ist im Innern zirkelrund, hat eine doppelt gewölbte, mit Eisen-
geländer versehene Kuppel, in welcher man ohne Stufen bis in
die Spitze, die sogenannte Laterne, gelangt, einen sandsteinernen
Altar von trefflicher Arbeit, eine Silbermann'sche Orgel und
gewölbte Grüfte. Die Kreuzkirche, nach einem Stücke vom
Kreuze Christi genannt, welches Agnes, Heinrichs des Erlauchten
Gemahlin, als Reliquie nach Dresden mitbrachte, wurde 1760
eingeäschert (f. oben), aber bis 1792 wieder aufgebaut; das Ge-
mälde der Kreuzigung Christi über dem Marmoraltar ist von
Schenau. Die katholische Hoskirche, ein schönes Bauwerk
Chiaveri's in italienischem Stil, 1739—51 errichtet, zeichnet sich
an der Außenseite durch ihren luftigen Thurm und die mit 50 Hei-
ligenstatuen verzierte Doppelgallerie aus, welche um das Kupfer-
dach herumläuft, im Innern durch herrliche Decken- und Altar-
gemälde, unter welchen die Himmelfahrt von Rafael Mengs, die
den Hochaltar schmückt, das vorzüglichste ist. Außerdem hat sie
9 Altäre, einen Taufstein von carrarischem Marmor, 2 lebens-
große Alabasterstatuen der heil. Magdalena und Johannes des
Täufers, eine Kanzel von kostbarer Schnitzarbeit, eine Orgel von
Silbermann, das letzte und wohl auch das größte Werk dieses
Meisters, welche 200.000 Thlr. kostete, Marmorfußböden und vier
Seitenkapellen. Unter der Kirche befindet sich die königliche Fami-
liengruft, in welcher die Glieder des albertinischen Hauses seit
August dem Starken ruhen. Die Sophien- oder Evangelische
Hofkirche ist die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner (an
welche auch der Name der Brüdergasse erinnert), mit vielen Ge-
mälden und Denkmälern der darin Begrabenen, unter welchen das
lebensgroße Metallbild der ersten Gemahlin des Herzogs Moritz
von Sachsen-Zeitz, Sophie Hedwig, betend mit zwei Kindern vor
einem Crncifixe, sich besonders auszeichnet. Den Altar ziert kost-
bare Alabasterarbeit, in der Sacristei ist ein Altar mit Marmor-
sänlen, gearbeitet aus einem Trümmerstück des Tempels zu Jerusa-
lem, das Albrecht der Beherzte 1478 von dort mitbrachte. Die
zweischiffige Kirche mit dem Doppelportale hat neuerdings eine
Erneuerung erfahren, durch welche sie mit zwei schönen gothischen
Thürmen bereichert uud von mehreren häßlichen Anbauten be-
freit worden, ist. — Unter den vorstädtischen Kirchen sind die
Annenkirche in der Wilsdruffer Vorstadt, vor welcher das.
von Heuze modellirte Bronzebrunnenstandbild der Kurfürstin Anna
steht, und die neuerbaute Johanniskirche in der Pillnitzer Straße
die bemerkenswertesten, die Neustädter Kirche hat erst 1858
einen Thurm erhalten; seit 1853 besitzt die Neustadt ebenfalls eine
katholische Kirche. — Außer den Reformirten haben sich, in
der Südwestvorstadt, auch die anglikanische und die russische
Gemeinde eigene Gotteshäuser gebaut, die Waisenhauskirche
dient zugleich der Böhmischen Gemeinde. — Die israelitische
Dresden. 97
Gemeinde von 1956 Gliedern besitzt eine schöne, von Semper
1838—40 erbaute Synagoge.
Das königliche Schloß, in seinem ältesten Theile von
Georg dem Bärtigen 1534—37 erbaut, ist äußerlich unscheinbar,
im Innern aber geschmackvoll und würdig, selbst prächtig aus-
gestattet, zumal König Friedrich August II. es hat restaurireu lassen.
Ausgezeichnet ist besonders der von Beudemann mit Fresken ge-
schmückte Thronsaal. Im Porzellancabinet unter dem 110m hohen
Thurme (dem höchsten Sachsens), sind 16 japanische Vasen ihrer
außerordentlichen Größe wegen sehenswerth. Ein brückenartiger
Gang führt aus dem Schlosse zu der königlichen Kapelle in der
katholischen Kirche.
Mit dem Schlosse hängen zusammen: das ehemalige Kanzlei-
Haus, worin jetzt die königliche Hosapotheke, das Stallgebäude
mit ehemaliger Rennbahn, dessen Straßensronte jetzt mit der in
Sgrafitto ausgeführten Ahnenreihe des sächsischen Königshauses
geziert ist, uud der Prinzenpalast, in welchem der Familiensaal,
geschmückt mit einer Sammlung von Bildnissen der Häuser Sachsen
und Baiern, besonders denkwürdig ist. Diesem gegenüber liegt
der Zwinger, von August dem Starken 1711 ^als Vorhof eines
neuen, jedoch nicht zur Ausführung gelangten Schlosses erbaut,
im Sommer mit Orangeriebäumen von bei uns seltener Stärke
besetzt, in deren Mitte sich seit 1843 das Bronzedenkmal König
Friedrich Augusts des Gerechten erhebt. Die den Zwinger um-
schließenden Gallerien und Pavillons enthalten mehrere Samm-
lungen sür Kuust und Wissenschaft, der südliche Pavillon, der
nebst dem daranstoßenden alten Opernhause bei dem Maiausstande
des Jahres 1849 niederbrannte, ist wiederhergestellt worden. Die
östliche Langseite des Zwingers nimmt das von Semper erbaute
Museum ein, von demselben rührt auch das neue, an Stelle
des am 21. Sept. 1869 abgebrannten erbaute königliche Hof-
theater her, eines der schönsten in Deutschland, in dessen Nähe
das Denkmal K. M. v. Webers, nach Rietschels Entwurf in
Lauchhammer gegossen, steht. Unter den übrigen öffentlichen Ge-
bänden der Altstadt sind die vorzüglichsten: die neue Hauptwache
(S. 83), der Brühlsche Palast, das Gebäude der Kunstakademie,
das Landhaus, in welchem die Landstände tagen, die Post, das
Rathhaus, zwei prinzliche Sommerpaläste mit schönen Gärten,
das Stallgebäude mit Reitbahn, die neue Börse, der Staats-
bahuhof n. s. w.
Dresdens schönster Punkt ist ohne Frage die Brühlsche
Terrasse, von der aus der Blick den belebten Strom mit
dem neuangelegten Quai, die menschenwimmelnde Brücke, den
Schloßplatz und die große Freitreppe überschaut, während er zu-
gleich flußabwärts bis zu den meißner Bergen schweift. Die
vier Endpunkte dieser Treppe gieren die von Schilling trefflich
ausgeführten Sandsteingruppen, die vier Tageszeiten darstellend;
Engelhardts Baterlandskuride. 11. Aufl. 7
98 Kreishauptmannschaft Dresden.
auf der Terrasse befindet sich das Belvedere, der zur jährlichen
Kunstausstellung dienende Galleriesaal und seit 1876 das Denkmal
des Bildhauers Rietschel.
Die Ostraallee, ehemals eine schöne Kastanienallee, führt an
dem schönen, 1842 erbauten Orangeriegebäude vorbei über die
Friedrichsbrücke nach der Friedrichsstadt auf dem linken
Weißeritzufer, wo das katholische Krankenstift mit Kapelle, der
katholische Kirchhof mit vielen schönen Monumenten xnrb K. M.
v. Webers Grabe, das Ostra-Vorwerk und -Gehege, das Stadt-
kraukenhaus, ehemals Marcolinischer Palast, mit schönem Garten
n. a. denkwürdig sind.
Die Hauptstraße der Neustadt ziert eine Lindenallee, vor
welcher auf einem Sandsteinpostament die aus Kupfer getriebene
und vergoldete Reiterstatue Augusts des Starken steht. Denk-
würdige Gebäude sind hier das Japanische Palais, dessen
herrlicher, durch fremde und seltene Bäume interessanter Garten
eine köstliche Aussicht auf den Strom und seine Ufer bietet, das
Rathhaus, das Blockhaus neben der Brücke mit der Hauptwache
und dem Kriegsministerium, und das 1873 vollendete Ulberts-
theater. — Zwischen der Neustadt und dem Walde liegt die bereits
seit 1730 entstandene, in den letzten Jahren bis an die Priesnitz
und die große Actienbrauerei „zum Waldschlößchen" erweiterte
Antonstadt, zu der die neuen großartigen Militärbauten
gehören, welche fast die gesummte Garnison, das Arsenal und alle
übrigeu Militäretablissements aufzunehmen bestimmt sind. In
seiner Art nicht minder großartig ist das 1871 — 76 erbaute
Wasserwerk, welches die ganze Stadt mit Wasser versorgt.
Sechs mächtige Dampfmaschinen heben das in den Brunnen am
Elbufer gewonnene Wasser in das Hochreservoir oberhalb des
Waldschlößchens, aus welchem sich dasselbe mittelst natürlichen
Drucks in das Röhrennetz vertheilt. An einer Wand des neu-
städter Kirchhofs befindet sich, vom Georgenschloß dahin versetzt,
der 1534 verfertigte Todtentanz, welcher in 27 halb erhabenen,
einem Todtengerippe nachtanzenden Figuren sinnbildlich die Lehre
predigt, daß weder Alter noch Stand und Reichthum vor dem
Sterben schützen. Auf diesem Kirchhof schlummern nächst vielen
andern berühmten und verdienten Männern anch Adelung, der
Sprachlehrer Deutschlands, und der Dichter Tiedge.
Dresdens schönster Garten und zugleich die größte Garten-
anlage in ganz Sachsen ist der 1678 als Fasanengehege angelegte
Große Garten, in Krenzform 1870m lang, 370m breit, ein
herrlicher, von dem Kaitzbach durchflossener Park, bis zur Zer-
störung durch die Preußen im Jahre 1760 mit über 1500 Sand-
stein- und Alabasterstatuen geschmückt, seit 1813 dem Publikum
geöffnet, mit vielen Vergnügungsorten. In des Gartens Mitte
steht ein 1680 erbauter Palast, der das Museum für vaterländische
Alterthümer und das Rietschel-Mnsenm enthält. Nahe dabei ist
Dresden. 99
ein Gartentheater, auf welchem unter den prunkliebenden Augusten
Schäferspiele gegeben wurden. Er enthält die Laudesbaumschule
und seit 1861 ist ein Theil des Parkes dem durch einen Actien-
verein errichteten Zoologischen Garten überlassen, der jetzt
zu den besteingerichteten Deutschlands und zu deu Hauptsehens-
Würdigkeiten Dresdens gehört. — Andere schöne Gärten sind: der
Herzogin Garten in der Ostraallee, der botanische uud Lüdickes
Wintergarten.
Nichts beweist die Mannichfaltigkeit der Genüsse und Annehm-
lichkeiten, welche Dresden bietet, besser, als daß es, wie keine
andere Stadt Deutschlands, von einer großen Anzahl Ausländer,
namentlich Russen, Polen und Engländern, zum dauernden oder
vorübergehenden Aufenthalte erkoren zu werden pflegt. — Wichtig
ist Dresden ferner als die bedeutendste Elb Handelsstadt oberhalb
Magdeburg, besonders für den Kolonialwaarenhandel; seit 1826
hält es jährlich einen bedeutenden Wollmarkt sowie seit Erbauung
des großen Eentralschlachthofs im Jahre 1873 (in welchem im Jahre
1875 13.583 Rinder, 16.430 Schweine, 12.430 Kälber und 15.639
Hammel geschlachtet wurden) nicht minder bedeutende Vieh-Wochen-
märkte; dazu hat sich in den letzten Jahrzehnten auch die Industrie
in Dresden in hervorragender Weise entwickelt, namentlich in
der Nähe der Bahnhöfe sind ganze Stadtviertel von Fabriken
emporgewachsen, wo Maschinenteile gegossen, Schiffe gebaut, Lack
und Papier bereitet, Steingut und Glas gebrannt, Eigarren
gedreht, Kork geschnitten, Kammgarn gesponnen wird. Eines
guten Rufes erfreueu sich die dresdner Pianoforte, chirurgischen
und mathematischen Instrumente, Silberwaaren, Handschuhe, Ta-
peten, die Weißbäckerei, die Struvesche Anstalt zur Bereitung künst-
licher Mineralwässer, das Kanfmannsche akustische Cabinet, die
4 großen Zucker- und Ehocoladenfabriken. Hierzu hat sich in
neuerer Zeit die Fabrikation von Nähmaschinen, Strohhüten und
Schmuckfedern, von Lederwaaren, künstlichen Blumen, photographi-
schem Papier und Kunstmöbeln, ebenso der Strohgeflechthandel zu
besonderer Blüte und Ausdehnung herausgearbeitet, Bierbrauerei
wird in größtem Umfange betrieben, und geradezu einzig in ihrer
Art ist die große Gehe'sche Droguenappretnranstalt.
Dresden hat ein Polytechnikum, d. h. eine Hochschule für
alle technische Fächer, das 1875 in ein neues Gebäude übergesiedelt
ist und von nahezu 500 Studierenden besucht wird, 3 Gymnasien:
die Kreuzschule, seit 1866 in einem neuen Gebäude mit schöner
Aula, das Vitzthumsche und das 1874 eröffnete königliche
Gymnasium in der Neustadt, 2 Realschuleu, die 1725 begründete
Eadettenschule zur Bildung von Offizieren, 2 Lehrer- und 1 Leh-
rerinuenseminar, 2 Handelsschulen, eine Kunstgewerbe- und eine
Baugewerkschule, eine Thierarzneischule, 24 Volksschulen, darunter
zwei von den Freimaurern unterhaltene Institute, eius für
Knaben, eins für Mädchen, und eine Garnisonschule, 5 von Ver-
7*
V
100 | Kreishauptmannschaft Dresden.
einen gegründete Freischulen, 5 katholische Schulen, eine Schule
der Böhmischen Gemeinde und eine israelitische, eine Tnrnlehrer-
bildnngsanstalt und ein Conservatorium für Musik, mit
Theaterschnle verbnnden. Charakteristisch ist für das dresdner
Schulwesen die anßerordentliche Menge von Privatunterrichts- nnd
Erziehungsanstalten, welche einen großen Theil ihrer Zöglinge
von auswärts erhalten; man zählt nämlich 6 Gymnasial- nnd
35 andere Jnstitnte, dazn 13 Pensionsanstalten ohne Schulunterricht.
Die Katholiken (13.004) haben ferner ein Institut für
Kapellknaben zum Gottesdienst und eine Erziehungsanstalt für
54 arme Mädchen, das Josephinenstift, zu dem auch eine be-
sondere Stiftung für 11 adelige Töchter, das Bnrkersrodasch e
Fräuleinstift, gehört. Für den Unterricht, besonders den ge-
werblichen, armer Judenkinder besteht seit 1829 ein zum Andenken
des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn gegründeter Verein.
— Uebrigens besitzt Dresden eine vortreffliche Blindenanstalt,
in der 1864 III bildungsfähige Blinde in der Musik und in
Handwerken unterrichtet wnrden, ein Tanbstnmmeninstitut,
3 Waisenhäuser, viele wohlthätige Vereine, z. B. den zu Rath nnd
That, eine lutherische Diakonissenanstalt für Krankenpflege, welche
anch eine Mägdeherberge, eine Dienstbotenschule, in der Nieder-
lösnitz ein Siechenhans und das Luisenstift :c. unterhält. Für
öffentliche Badeanstalten und Schwimmschulen bietet die Elbe die
günstigste Gelegenheit. Die Sicherheitspolizei wird von einer
königlichen Polizeidirection verwaltet.
Einen Schatz von unermeßlichem Werthe besitzt Dresden in
seinen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, zu deren
öffentlichen Benutzung die ersten Einrichtungen, wenn auch noch
in sehr beschränktem Maße, unter August dem Starken im Jahre
1727 getroffen wurden. Dazu gehören: 1) im Japanischen
Palais, dessen Vorhalle 17 kolossale Marmorbüsten zieren, die
königliche öffentliche Bibliothek in 3 großen Sälen und 23 Zim-
mern; sie enthält die Literatur der sächsischen Geschichte so gut wie
vollständig, über 300.000 Bände, daneben gegen 8000 Hand-
schriften, unter denen sich zahlreiche Briefe Luthers, Melanchtons
und anderer berühmter Männer befinden, auch viele arabische,
türkische und mongolische Manuscripte, auch solche auf Pergament,
Baumwollen- und Seidenpapier (darunter ein yukatekisches) und
mehr als 20.000 Landkarten; die in 11 Sälen aufgestellte Antiken-
sammlnng, weil von August II. begründet, Augusteum genannt,
welche nächst mehr als 400 der schönsten alten und neuen Bildwerke
aus Marmor, Bronze und Gyps auch 4 Mumien, einen ägyp-
tischen Sarg aus Feigenholz und assyrische Sculptureu besitzt, und
das Müuzcabinet, besonders reich an sächsischen Münzen.
2) Im Zwinger: das Naturhistorische Museum, seit
1849, wo bei dem Maiaufstande ein großer Theil desselben ein
Raub der Flammen wurde, erneuert und ergänzt, zerfällt in das
Dresden. 101
mineralogische, für welches schon Kurfürst August die interessanten
Steinarten des Landes sammeln ließ, und in das zoologische; das
durch die Sammlungen der Könige Friedrich August I. und II.
bereicherte botanische ist dem neuen Polytechnikum überwiesen wor-
den; der mathematisch-physikalische Salon, eine Samm-
lnng von fast 2000 älteren mathematischen, astronomischen und
physikalischen Instrumenten; die Modellkammer, eine Samm-
lung von Modellen zur Wasser-, Berg-, Civil- und Militärbau-
kunst.
3) Im neuen Museum: die Gemäldegallerie, eine
Sammlung von mehr als 2400 Gemälden der berühmtesten
Meister, Dresdens größter Kunstschatz und nächst den Gemälde-
sammlnngen zu Paris und Madrid wohl die kostbarste der Erde;
sie wird jährlich von wenigstens 325.000 Personen besucht. Die
Aufstellung der Gemälde ist nach Schulen geordnet und besonders
reich sind die Italiener vertreten, da August III. 1746 die
Gallerie des Herzogs von Modena zum größten Theile erwarb;
die beiden Perlen der Sammlung, die Sixtinische Madonna Ra-
faels und die Madonna von Holbein, haben jede ihr besonderes
Zimmer, auch sind hier sechs nach Rafaels Cartons gewebte Go-
belins (Teppiche) aufgehangen; das Erdgeschoß und der anstoßende
Theil des Zwingers enthalten die Kupferstich samm lnng und
das Mengs'sche Museum, eine von R. Mengs veranstaltete
Sammlung von mehr als 800 Gypsabgüssen nach antiken und
modernen Kunstwerken.
4) In dem Johannenm, d. h. der umgebauten alten Ge-
mäldegallerie: die Porzellan- und Gefäßsammlung, welche
eine ungeheure Menge indisches, chinesisches, japanesisches, franzö-
sisches und meißener Porzellan enthält und mit welcher eine
Sammlung zur Geschichte der Töpferkunst verbunden ist, das
historische und ethnographische Museum, entstanden aus
der früheren Rüstkammer und anderen hierher gehörigen Selten-
heiten der anderen Anstalten, und die Gewehrgallerie, die
über 1800 seltene und kostbare Gewehre enthält.
5) Zm königlichen Schlosse: das Grüne Gewölbe,
welches in 8 mit sächsischem Marmor und Serpentinstein getäfelten,
an den Wänden mit Spiegelglas belegten Zimmern einen nnge-
Heuren Schatz künstlicher Arbeiten, ausgezeichneter Seltenheiten,
kostbarer Steine und Perlen, Gefäße von Gold, Silber, Elfen-
bein, Bernstein iz. und viele für die sächsische Geschichte denkwür-
dige Sachen, im Ganzen über 12.000 verschiedene Gegenstände
enthält. Das kostbarste Stück der Sammlung ist der 160 Gran
wiegende Diamant, der 1742 für 400.000 Thlr. angekauft wurde.
6) In dem Gebäude der Kunstakademie auf der Brühl-
scheu Terrasse hält der sächsische Kunstverein seine Ausstellungen.
7) Im Zeughause: nächst neuen Waffen aller Art viele
seltene alte, eine ungeheure Kanone, welche die Schweden auf dem
102 Kreishauptmannschaft Dresden.
lützener Schlachtfelde zurückließen, und die im I. 1871 vor Paris
erbeuteten Riesengeschütze.
Zu allen diesen Sammlungen ist an bestimmten Tagen und
Stunden dem Publikum der Zutritt geöffnet, zu vielen zeitweilig
unentgeltlich. — Ein Kunstgewerbemuseum ist in dem alten
Polytechnikum eingerichtet. — Endlich ist noch des Körner-
museums zu gedenken, welches in dem Geburtshause des Dich-
ters Th. Körner der jetzige Besitzer desselben angelegt hat.
Heißt also Dresden mit Recht die Stadt der Künste uud
Museen, so darf seine Umgebung ein großer Wein-, Obst- uud
Blumengarten genannt werden, in dem hie und da reinliche,
schmucke Dörfer verstreut sind. — In Dresdens nächster Nähe
liegen Gorbitz, wo iu der dresdner Schlacht 1813 der linke
Flügel der Oesterreicher von den Franzosen, welche ihn durch den
Zschoner Grund umgangen hatten, gefangen wurde, uud Wölf-
nitz, wo ein Denkmal von Syenit und Basalt die Stelle bezeich-
net, an welcher der Leichnam des großen zu Dresden verstorbenen
Mineralogen Werner 1817 den Abgeordneten der freiberger Berg-
akademie übergeben wurde. — In Strehlen besitzt der König
eine Villa. Auf der Höhe bei Räcknitz steht das Denkmal des
Generals Moreau, welchem hier am 27. August 1813 an der
Seite des russischen Kaisers eine französische Kugel beide Beiue
zerschmetterte. Blasewitz, mit den Werften der Sächsisch-Böhmi-
sehen Dampfschiffahrtsgesellschaft, ist der Endpunkt der dresdner
Pferdeeisenbahn, die auf der entgegengesetzteil Seite bis Plauen
reicht. Hier ward 1741 der berühmte, 1802 verstorbene Kapell-
meister Naumann geboren, dessen Vater Musikant war. Nau-
mann spielte im 12. Jahre schon die Orgel zu Loschwitz, allein
seine Mutter gab ihn, damit er nicht auch einst so ein armer
Fiedler werde wie sein Vater, zu einem Schlosser in die Lehre,
dem er aber entlief. Erst nachdem er, zur Strafe dafür, die
Kühe hatte hüten müssen, kam er auf die dresdner Kreuzschule,
wo er den Grund zu einem tüchtigen Schulmeister legen sollte,
zu einem berühmten Kapellmeister aber legte. Blasewitz gegen-
über zieht sich das Dorf Loschwitz von der Elbe an freund-
lichen, einen guten Rothweine spendenden Rebenhügeln hinauf.
Hier befindet sich die erste und älteste Alizarintintenfabrik. In
einem loschwitzer Weinbergshause war es, wo Schiller als Gast
der Körner'schen Familie 1786 sein Trauerspiel Don Carlos
vollendete; dasselbe ist jetzt durch eine Gedenktafel aus Marmor
und die gegenüber befindliche Statue des Dichters bezeichnet.
Dieses ganze Elbufer ist von Weinbergen und Gärten bedeckt,
aus deren Grün die reizendsten Landhäuser hervorschimmern;
einen glänzenden Abschluß dieses lacheudeu Geländes bilden die
von den Prinzen Albrecht von Preußen erbauteu prächtigen
Schlösser in der Nähe des Waldschlößchens. Der Gasthof zum
Weißen Hirsch am Rande der dresdner Haide hat sich in ein
Dresdens Umgegend. 103
Kurhaus verwandelt. — Weiter aufwärts von Dresden sind auf
dem linken Ufer folgende Dörfer zu nennen: Lau begast an der
Elbe, wo 1760 die Schauspielerin Friederike (Karoline) Neu-
ber starb, Lessiugs Freuudin, welche Zu den ersten gehörte, die
für die Veredlung des deutschen Theaters wirkten. Im Alter
gerieth sie in die größte Dürftigkeit, nur aus Erbarmen gab ihr
ein Bauer in Laubegast Dach und Fach. Erst 16 Jahre nach
ihrem Tode ward ihr zu Laube gast ein Denkmal gesetzt, weil
man es auf dem lenbener Kirchhofe nicht dulden wollte, denn
Schauspieler standen damals noch mit Taschenspielern und Seil-
tänzern in gleichem Range. Zu Prohlis starb 1788 der ge-
lehrte Landmann Pahlitzsch, von den Bauern nur der Stern-
gncker genannt. Er beschäftigte sich besonders mit Stern- und
Naturknude, entdeckte 1758 einen großen Kometen, lehrte die
Naturforscher einen neuen Polypen kennen, besaß eine große
Bibliothek, eine Sammlung mathematischer und astronomischer
Instrumente, stand mit der londoner Akademie der Wissenschaften
in Briefwechsel, zählte den großen englischen Astronomen Herschel
unter seine Freunde, erhielt Besuche vou Fürsten und Gelehrten,
hatte bei seinem Landesherrn freien Zutritt und — blieb dabei
einfach und bescheiden, kleidete sich als Landmann, führte selbst
den Pflug und lebte, als ächter Weiser, nur für Beruf und
Wissenschaft. Das einzige, was ihn oft ärgerte, war, daß er
von seinem Hufengute Frohndienste zum Ostravorwerke thun
mußte. Allein davon befreite ihn der Kurfürst 1776, um ihm
„seiner seltenen Eigenschaften halber ein vorzügliches Merkmal
von Gnade und Gefallen angedeihen zu lassen". Bei Prohlis
wurden im I. 1875 Ueberreste eines Mammnths von mindestens
3m Höhe in der Erde aufgefunden. — Das Rittergut Nöthnitz
gehörte im vorigen Jahrhundert dem als Staatsmann und Histo-
riker berühmten Grafen Heinrich von Bünan, dessen reiche Biblio-
thek mit der des Ministers Brühl wetteiferte uud uach seinem
Tode, wie diese, der königlichen zu Dresden einverleibt wurde.
Zu Zschechwitz hat der Fürst Putiatiu, ein Menschenfreund-
licher Sonderling, der dort ein Landhaus besaß, 1823 eine Schule
in Form einer ägyptischen Pyramide gebaut. — Bei Mügeln
ergießt sich die rothe Müglitz in die Elbe. — Unfern Pirna liegt
Groß-Sedlitz mit königlichem Schloß und Garten, der ehedem
seiner Wasserkünste wegen berühmt war. Hier gaben August II.
und III. die größten Prunkfeste, Bärenhetzen, Anerochsenkämpse
n. dgl.
In der lieblichsten Umgebung, zwischen der Elbe und Reben-
Hügeln, liegt auf dem rechten Ufer das Dorf Pillnitz, seit
1763 der gewöhnliche Sommeraufenthalt der königlichen Familie.
Die Wohngebäude, 7 ältere und neuere Schlösser in chinesischem
^tile, bilden ein Viereck. Das 1819 an Stelle des ein Jahr
zuvor abgebrannten erbaute neue Schloß enthält eine Kapelle,
104 Kreishauptmannschaft Dresden.
ein Schauspielhaus^und einen kostbaren Speisesaal mit Oberlicht
und einer auf 20 Säulen ruhenden Kuppel. Kapelle und Saal
zieren Gemälde Vogels von Vogelstein. Der Garten mit einigen
Teichen und einer Vestalin von carrarischem Marmor ist durch
die Könige Friedrich August I. und II., beide Kenner und Freunde
der Pflanzenkunde, mit den seltensten Pflanzen bereichert worden.
Zwischen Schloß und Strom läuft ein Quai mit breiter Frei-
treppe hin, an deren Fuß sich zierliche Gondeln schaukeln. Die
Insel dem Schlosse gegenüber ist mit Fasanen besetzt. Historisch
denkwürdig ist Pillnitz durch die Zusammenkunft Kaiser Leopolds II.
mit König Friedrich Wilhelm IL von Preußen im I. 1791, auf
welcher diese Verabredungen über ihr Verhalten gegen das revo-
lntionäre Frankreich trafen und welche der Ausgangspunkt für
fast 22jährige Kriege wurde. — Auf dem Schloßberge über Pill-
nitz ist 1788 das Raub schloß, eine künstliche Ruiue mit ge-
schmackvollen Zimmern, angelegt worden. Dicht hinter dem
Dorfe führt der Friedrichsgrnnd zu dem 362m hohen Pors-
berg hinauf, gleichsam dem Vorposten der sächsischen Schweiz,
der, nach 3 Seiten freistehend, eine prächtige Aussicht darbietet.
— In dem anmuthigen Helfenberger Grunde sind die wald-
umwachsenen Trümmer des Schlosses Helfenberg.
In Ho st erw itz, wo sich die Villa des Prinzen Georg be-
findet, bezeichnet eine Gedenktafel das Winzerhaus, in welchem
K. M. v. Weber 1818 und 1824 einige seiner hervorragendsten
Tondichtungen, den Freischütz, die Euryanthe, die Jubelouverture,
die Aufforderung zum Tanze n. a. schuf. Bei Wachwitz liegt
der durch treffliche Gebäude und Anlagen ausgezeichnete Wein-
berg der Königin-Wittwe.
Von Neustadt-Dresdeu aus geht der Thalkessel, allmählich
ansteigend und dadurch der Schleichen Bahn den Uebergang zu
dem Plateau der Lausitz gestatteud, in die Dresdner und Lange-
brücker Haide über, die den dresdner Markt oft fuderweise
mit Beeren und Pilzen versorgt.
Unterhalb Dresden liegt nahe der Stadt das ehedem
königliche Schloß Uebigau, unter den prunkliebenden Augusten
oft der Schauplatz glänzender Hosfeste, jetzt im Privatbesitz Fab-
rikzwecken dienend. — Auf dem Kirchhofe des Dorfes Kaditz
steht eine der stärksten Linden Sachsens, von 13 m Umfang mit
einer bis 3^^ breiten Aushöhlung, deren innere Wände mit
neuer Rinde bekleidet sind. Kaditz schräg über liegt auf dem linken
Ufer Brießnitz, eine uralte Sorbenniederlassung, dann ein.
Burgwart und Hauptplatz des Elbgaues, bevor Dresden empor-
kam, im 12. Jahrhundert Liebliugsaufenthalt des meißener Bi-
schofs Benno. Die Grundmauern der hiesigen Kirche rühren an-
geblich von der ältsten Kirche Sachsens her. Das hochgelegene
Weißtropp ist wahrscheinlich der alte Burgwart Woz.
Cossebaude am Fuße des eine herrliche Aussicht gewäh-
Dresdens Umgegend; Hoflösnitz. 105
renden Osterbergs, ist für die Geschichte des 30jährigen Krie-
ges denkwürdig, denn hier wurden im August 1645 zwischen
Schweden und Sachsen die ersten Unterhandlungen wegen Waffen-
stillstandes gepflogen, und zwar stehend unter freiem Himmel in
einem Garten der Schenke gegenüber. Viele hundert Landleute
sahen von den nächsten Höhen der Scene zu, von welcher auch
ihr Wohl und Wehe abhing. Ja der Pfarrer von Weißtropp
hielt sogar in einem Steinbruche bei Oberwartha Betstunde,
des Himmels Segen für das Gedeihen der Unterhandlungen zu
erflehen. Wegen Annäherung kaiserlicher Truppen verlegte man
dieselben aus das rechte Elbufer nach dem Flecken Kötzschen-
broda, und hier kam am 27. August der Waffenstillstand zum
Abschluß, welcher für Sachsen wenigstens den schlimmsten Kriegs-
drangsalen ein Ende setzte. Noch zeigt man in der Pfarre das
Dintenfaß und den Tisch, deren sich die Abgeordneten bedienten,
und in der Kirche eine Tafel zur Erinnerung au dieses Ereig-
niß. Nach der Unterzeichnung wiesen die Schweden eine Ordre
Torstensons vor: wenn die Unterhandlungen sich zerschlügen,
Dresden mit einem 8 Meilen langen Schwedenzaune zu umge-
ben, d. h. alle Orte rings in Brand zu stecken, die Einwohner
zu plündern, die Feldfrüchte und selbst die Saat im Boden zu
vernichten, um es so durch Hunger zu bezwingen!
Die nahen königlichen Rebenberge, welche sich auf den Syenit-
höhen des Stromufers hinziehen, heißen die Hoflösnitz; sie
bilden den westlichen Theil der Oberlösnitz und sind der Mittel-
punkt unseres Weinbaues, dessen Gebiet sich über die ganze Son-
nenseite der 38 Kilom. langen Hügelkette von Pillnitz bis unter-
halb Meißen erstreckt. Das Alter unseres Weinbaues reicht bis
ins 11. Jahrhundert. Im 14. ward er von dem meißner Bischof
Konrad IL von Walhausen durch rheinische Reben veredelt, im
16. durch Kurfürst August besonders gegen den Verbrauch frem -
der Weine geschützt und durch Christian I. gesetzlich geordnet, im
17. aber durch Paul Knohll so gehoben, daß man diesem
wackern Manne den Ehrentitel des ersten Winzers gab; als
Bau- und Bergschreiber der Hoflösnitz diente er seinem durch-
lauchtigsteu Bergherrn, wie er Johann Georg II. am liebsten
nannte, mit seltener Einsicht und Treue, lehrte auch durch sein
„Klein Vinicnlturbüchleiu" eifrigen Bergherren den Weinbau.
Friedrich August III. veredelte den Weinbau besonders seit 1792
durch burgundische und ungarische Reben und beförderte ihn durch
Gründung einer Winzerschule zu Zaschendorf. In Weinböhla
besonders wird das „Gallisireu" des Weines betrieben, welches
geringere Jahrgänge so verbessert, daß sie dadurch auf das
Doppelte ihres eigentlichen Preises steigen. Die im I. 1835 in
der Niederlösnitz auf Actieu gegründete Champagnerfabrik er-
zeugt jährlich gegen 50.000 Flaschen Champagner, wozu sie
1200 Etr. Trauben verbraucht, und der sächsische Schaumwein
106 Kreishauptmannschaft Dresden.
kann recht wohl der französischen Etikette entbehren, um Abnehmer
zu finden und gut zu schmecken. In der Hoflösnitz hielten die
sächsischen Regenten oft fröhliche Rebenfeste. Auf einem der hoch-
sten Punkte derselben steht das Spitzhaus, von wo man, eben-
so wie vou den vielbesuchten Nachbarorten, dem Paradies und
der Friedensburg, die entzückendste Aussicht ins Elbthal genießt,
etwas tiefer eine steinerne Nische, aus welcher 365 Stufen nach
den königlichen Weinbergsgebäuden führen. Der beste Rothwein
wächst bei Loschwitz, der beste Weißwein auf dem Spaarge-
birge bei Meißen, dessen höchste Kuppe, die Bösel (200m), eine
Art von Felskanzel bildet, welche die herrlichste Aussicht bis in
die Sächsische Schweiz gewährt. Im I. 1774 stürzte dort nach
Gewitterregen eine Felsmasse herab, welche ein Hans sammt
Bewohnern in die Elbe schob, so daß letztere kaum sich retten
konnten. In dem berühmten Weinjahr 1783 wurden in der
Pflege von Pillnitz bis Meißen gegen 150.000 und iu dem fast
gleich guten Jahre 1827 gegen 107.000 Eimer, von welchen
letzteren auf das Dorf Weinböhla allein 9000 kameu, 1834 über
93.000 und 1846 gegen 61.000 Eimer erbaut. Seitdem jedoch
die Eiseubahueu den Bezug des Weins aus den Rhein- und an-
deren Gegenden sehr erleichtert haben, ist unser Weinbau beträcht-
lich zurückgegangen. Gegenwärtig kommen auf 1 Jahr durch-
schnittlich höchstens 15.000 Hectoliter Weinertrag, der Weinstock
weicht mehr und mehr dem einträglicheren Obstbaume und bedeckt
nur noch 1708 Hectaren. Denn diese gesegneten Ufer zwischen
Loschwitz und Meißen sind auch der Hauptsitz unseres Obsthan-
dels. Aus den Weinbergen der Oberlösnitz werden jährlich nur
an Erdbeeren mindestens 60.000 Liter im Werthe von 50.000 M.
von Kötzschenbroda aus nach Leipzig und Berlin versendet und
noch weit größere Summen bringt der Handel mit den Kirschen
des linken Elbufers, mit den loschwitzer Aprikosen und Pfirsichen,
mit den Aepfeln und besonders den Pflaumen der meißner und
lommatzscher Gegend ein, für welche ebenfalls Berlin den Haupt-
markt bildet.
Die Hoflösnitz und Kötzschenbroda bilden gegenwärtig eine
zusammenhängende große Anlage von Land- und Gartenhäusern,
von denen viele den Bewohnern der Residenz als Sommerfrische
dienen. Bei Coswig, wo die Bahn nach Meißen abzweigt,
beginnt der Höhenzug der Hoflösnitz gegen Nordwest umzubiegen
und seine Verflachung bei Oberau erleichtert der Leipzig-Dresd-
ner Eisenbahn den Uebergang aus dem Elbthalkessel in das Flach-
land vermittelst eines durch einen Plänerhügel geführten Tunnels,
der über 500 m lang und mit Sandstein tonuenförmig ansge-
wölbt ist. — Von Oberau aus stattete der kühne Schwedenkönig
Karl XII. im Sept. 1707 August dem Starken, den er durch
den altranstädter Frieden der polnischen Krone beraubt hatte, zu
Dresden jenen berühmten Besuch ab, der ihm leicht die Freiheit
Hoflößnitz; Meißen.- 107
hätte kosten können. Auf dem Schlosse zu Oberau verlebte Gel-
lert im Schöße der v. Militzschen Familie viele glückliche Tage
und noch erhalten dort seine Lieblingsplätze, Gellertsrnhe und
Gellertsbrnnnen, sein Andenken.
Meißen (13.002 Einw., 712 H., Rathhaus 109,675^ h.), die
Wiege des sächsischen Staats und seiner Kultur, in einer Gegend,
die schon Kaiser Karl V. der schönsten italienischen gleichschätzte,
liegt theils an und auf dem durch einen Brückenbogen verbuu-
denen Schloß- und Afraberge, theils im Thale zwischen der Trie-
bisch und der Meiße, von der vielleicht sein Name herkommt, und
verdankt seine Entstehung dem Könige Heinrich I., dessen steinernes
Brunnenstandbild daher deu Heinrichsplatz ziert; im I. 928 grün-
dete derselbe hier zur Bezwingung der neuunterworfenen Dale-
minzier eine Burg, welche der Sitz des Markgrafen und des
Burggrafen wurde; zu beiden kam, als Kaiser Otto I. 967 das
Bisthum Meißen errichtet hatte, auch uoch der Bischof hinzu.
Meißens Hauptmerkwürdigkeiten sind: die Elbbrücken, die Albrechts-
bürg, Domkirche, Porzellanfabrik und Fürstenschule, auch ist es Sitz
eines Hauptsteueramtes. Die sehr alte Elbbrücke, welche ehedem
aus hölzernen, aus Steinpfeilern ruhenden Jochen bestand, ist
wohl die schicksalsreichste unter allen Brücken Sachsens. Zu wie-
derholten Malen ist sie nicht nur durch Hochslutheu, sondern auch
durch Menschenhand zerstört worden: im I. 1547 wurde sie von
Kursürst Johann Friedrich dem Großmüthigen abgebrannt, 1630
von Johann Georg I. theilweise abgetragen, beide male um den
Kaiserlichen den Elbübergang zu wehren, 1630 von den Schweden
angezündet, woraus sast 30 Jahre lang nur eine Fähre den Ver-
kehr zwischen beiden Usern vermittelte, 1745 bei Annäherung der
Preußeu abgebrochen, 1757 von den Preußen, den 12. März 1813
auf des Marschall Davout Befehl, um den Rückzug der Fran-
zosen zu decken, in Brand gesteckt, worauf die Stadtgemeinde,
unvermögend, sie aus ihren Mitteln wiederherzustellen, sie an
den Staat abtrat; am 15. Juni 1866 endlich sprengten die Sach-
sen um die nachdringenden Preußen abzuhalten den Pfeiler zwi-
scheu den beiden noch hölzernen Jochen, welche letztere seitdem
durch eisernes Gitterwerk ersetzt worden sind. Der günstige Stand-
punkt, den sie früher für Betrachtung der malerischen Umgebuug
bot, ist durch die etwas oberhalb 1867—68 erbaute neue eiserne
Gitterbrücke nicht wenig beeinträchtigt worden; dieselbe führt die
Eisenbahn von Coswig her auf das linke Ufer über, wo sie
bis Rothschönberg im Triebischthale hinläuft. Auf dem Schloß-
berge stehen die Albrechtsburg und der Dom (147,5 m h.).
Jene,^von Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht 1471—83 aus
dem Segen der schneeberger Silbergruben erbaut, hat 6 Stock-
werke, davon 5 gewölbt sind, und Keller für wenigstens 1200 Faß
Wein; ein Meisterstück alter Baukunst ist eine 113 Stnsen hohe,
mit Bildhauerarbeit verzierte Wendeltreppe. Ihren Namen erhielt
108 Kreishauptmannschaft Dresden.
die Burg erst durch Johann Georg II., als dieser die ihr durch
die schwedische Erstürmung im I. 1645 zugefügten Schäden aus-
bessern ließ. 1710 nahm sie die von Böttger errichtete Porzellan-
fabrik ans und beherbergte dieselbe 154 Jahre, bis die Rücksicht
auf die Erhaltung des hrerlichen Schlosses deren Entfernung
veranlaßte, worauf dasselbe eine würdige Erneuerung erfahren
hat und gegenwärtig auch der Ausschmückung seines Innern
entgegensieht. — Der Dom, in seiner frühesten Gestalt ebenfalls
von Heinrich I. gegründet, von Kaiser Otto I. vollendet, wurde
seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch einen Pracht-
bau im edelsten Spitzbogenstil ersetzt, der in seiner langgestreckten
Lage die bischöfliche Residenz mit ihren Probstei- und Dechantei-
gebäudeu von der Markgrafenburg schied, währeud der vordere
Theil des Schloßberges die Wohnungen des Burggrafen und seiner
Mannen enthielt. Den durch die Fehden Friedrichs des Freidigen
gegen Adolf von Nassau gestörten Bau setzte erst Bischof Withego II.
(1312—42) fort, die beiden westlichen Hanptthürme führte Bischof
Thimo (1399 — 1411) auf, dieselben wurden jedoch zwei Jahre
darauf durch Sturm herabgestürzt und, uachdem den wiederher-
gestellten 1547 der Blitz zerstört hatte, nicht wieder erneuert. Da-
her kommt es, daß von den drei ursprünglich projeetirten Thür-
men nur der eine, der sogenannte Höckerige, eine gegen 20 m hohe
Spitzsäule von durchbrochener Arbeit, vorhanden ist. Der Weg-
fall jeuer Thürme und manche spätere Einbauten beeinträchtigen
etwas den Gesammteindruck. Der ältere und mittlere Bau des
Domes ist aus liebethaler Saudsteiu aufgeführt. In der durch
Eisengitter vou der Kirche getrennten Fürstenkapelle schlum-
mern die meisten Ahnen nnsers Königshauses von Friedrich dem
Streitbaren im 15. bis auf Georg deu Bärtigen im 16. Jahr-
hundert, auch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht der Beherzte.
Georg und seine Gemahlin Barbara ruhen in einer besonderen
kleinen Kapelle, Wilhelm der Einäugige aber und seine Gemahlin
im hohen Chor. Das schönste Grabmal der Fürstenkapelle ist
das Friedrichs des Streitbaren, welches diesen ersten Kurfürsteu
aus dem Hause Wettin in gegossenem Messing lebensgroß, liegend
darstellt. Zu seinen Füßen erblickt man Friedrich den Sanft-
müthigen, ebenfalls von Messing, in ganzer Figur. Hervorzuheben
sind außerdem der Hohe Chor nebst Altar und die mit Bild-
schnitzerei verzierten Betstühle der Domherren, Fenster mit alter
Glasmalerei, einige Gemälde von Dürer und Cranach, große
Felsengewölbe mit Archiven und viele Monumente geistlicher uud
weltlicher Herren. Zu diesen gehört auch das des Bischofs
Johann Hofmann (1- 1451), welcher nebst Otto v. Münster-
berg an der Spitze der unzufriedenen Studenten 1409 aus Prag
nach Leipzig gezogen war. Vor dem Hochaltar der Domkirche
war es, wo Markgraf Konrad der Große 1156 feierlich Schwert
Meißen. 109
und Harnisch niederlegte, um Mönch zu werden, im Peterskloster
bei Halle, wo er 1157 starb.
Das im I. 967 gestiftete Bisthum Meißen wurde 1581
zum Besten der Universität und der Fürstenschulen eingezogen und
einer besondern Behörde (Procuraturamt) zur Verwaltung über-
geben, 1663 aber dem Kurstaat einverleibt. Nur ein kleiner Theil
desselben besteht noch unter dem Namen eines Hochstifts, welches
sich in das Hauptstift Meißen und das niedere oder Collegiat-
stift zu Würzen theilt, seine eigene Verfassung hat und in der
1. Kammer des Landtags vertreten wird. Die acht Glieder des-
selben sind lutherisch und werden auf Vorschlag des Domkapitels
vom Könige ernannt. Die ehemals bischöflichen Einkünfte kommen
jetzt der Universität und den Landesschulen zu gute.
Die Fürsten- oder Landesschule stiftete Herzog Moritz
1543, indem er ihr die Gebäude und Einkünfte des aufgehobenen
St. Afraklosters überwies. Dieselbe bereitet etwa 130 Jung-
linge, die Wohnung und Kost ganz oder theilweise frei haben
(Alumnen), und eine kleinere Anzahl solcher, die außer der Schule
wohnen (Extraneer), zur Universität vor, und hat von jeher für
eine Hauptpflegestätte der classischeu Studien in Sachsen gegol-
ten. Die Dichter Gellert und Lessing, Rabener und Lang-
b ein zählt die Afraschule unter ihre Zöglinge, auch den Gründer
der Homöopathie, Sam. Hahnemann, den Sohn eines meißner
Porzellanmalers, dessen Geburtshaus in der Stadt 1855 durch
feine Büste bezeichnet worden ist. Zu ihren berühmtesten Lehrern im
16. Jahrhundert gehörten Hiob Magdeburg, welcher 1566 die
erste Landkarte von Sachsen zeichnete, die sich noch auf der könig-
lichen Bibliothek zu Dresden befindet, und der als Schulmann
und Gelehrter verdiente Georg Fabricius.
Die Porzellanfabrik, die sich seit 1863 in einem eigenen
Gebäude befindet, ist Staatseigenthum und hat durch die Feinheit
und Dauerhaftigkeit ihres Porzellans, durch dessen Malerei und
Färbung, besonders in Grün und Blau, Berühmtheit durch die
ganze Welt erlangt, denn nicht wird hier, wie in andern Fabriken,
der Hauptwerth auf Erzielung eines großen Gewinns, sondern
auf die künstlerische Vollendung des Fabrikats gelegt. Die Ar-
beiter, an Zahl ungefähr 670, theilen sich in drei Hauptfächer,
in das technische Personal für Maschinenwesen, Bereitung der
Masse, Kapseldreherei und Brennen, in das Künstlerpersonal für
Herstellung des weißen Porzellans und für bunte Verzierung dessel-
ben mit Farben und Metallen, endlich in das Handelspersonal für
Verkauf und Versendung. Alle Geschirre werden gleich Töpferzeug
gedreht, alle Figuren und Vasen in Gripsformen ausgeformt. Das
Brennen aller, der kleinsten wie der größten Gegenstände erfolgt in
Kapseln aus feuerfestem Thon. Das weiße Porzellan wird zwei-
mal, das gemalte oder vergoldete dreimal gebrannt, wobei nicht
selten die kostbarsten Stücke verunglücken. Das Zusammensetzen
110 Kreishauptmanschaft Dresden.
der Masse aus Porzellanerde und Feldspath, der Glasur aus
Porzellanerde, Quarz und Kalkstein wie auch das Brennen und
die Zusammensetzung der Farben wurde ehedem im strengsten
Geheimniß behandelt und die damit beschäftigten Beamten hießen
deshalb Arkanisten. Die Fabrik, mit welcher eine Zeichenschule
verbunden ist, liefert die einfachsten Geschirre so gut wie die kost-
barsten Tafelservice und Vasen bis zu 2m Höhe. Sie verbraucht
jahrlich an 16.000 (Str. Porzellanerde, meist aus den Gruben von
Seilitz und Soruzig und fabricirt daraus für 1.700.000 M.
Waareu; nur ganz fehlerfreie Stücke werden zum vollen Werthe
verkauft, was auch uur den geringsten Fehler hat, kommt unter
die zweite Wahl. Die Fabrik hat ihre eigenen Wittwen-, Sterbe-
und Pensionskassen^ die ein Stammvermögen von 293.000 M.
besitzen und jährlich gegen 36.000 M. Unterstützung gewähren.
— Ferner besitzt Meißen einschließlich der nächsten Umgebung eine
bedeutende Eisengießerei, eine große Jute-Spinnerei- und Weberei,
drei Sicherheitszünder- und zwei Oefen- und Chamottewaaren-
fabriken, eine Zuckerfabrik, die größte Stockfabrik des ganzen
Zollvereins, welche jährlich 300.000 Spazierstöcke fertigt, uud
einen nicht unwichtigen Ferkelmarkt, es treibt Schiffahrt, Wein-
bau und Weinhandel, endlich haben die reichen Lager von
Thon-und Porzellanerde bei Seilitz, Schletta, Oberjahna,
Kaschka und Garsebach, welche aus der Verwitterung des
meißner Felsitporphyrs entstanden sind, in uud bei Meißen einen
eigenen Erwerbszweig, nämlich die Thonschlämmerei, ins Leben
gerufen, durch welche jährlich über 1/2 Mill. Ctr. Porzellan- und
Thonerde gewonnen werden.
In der kleinen an der Triebisch gelegenen, bereits zum Jahre
984 erwähnten Nicolaikirche sind im Jahre 1867 Ueberreste
von Wandmalereien zum Vorschein gekommen, welche aus dem
13. Jahrhundert stammen. Unfern der Stadt an der Elbe sind
noch die Ruinen des zwischen 1230—40 erbauten Klosters zum
heiligen Kreuz vorhanden, wichtig für die Geschichte der Bau-
kunst, weil es für Sachsen die frühesten Anfänge des gothischen
Baustils bezeichnet; unter allen sächsischen Klöstern wurde dieses
zuletzt, nämlich im Jahre 1570, aufgehoben, und zum Unterhalte
der Fürstenschule bestimmt. — In dem Triebischthale liegt das
Bnschbad, jetzt in eine Thonwaarenfabrik umgewandelt, am
Fuße des Götterfelsens, von welchem ein eisernes Kreuz herab-
schaut; an diesem hält der Cötns der Landesschule alljährlich am
Schulfeste bei Sonnenaufgang ein feierliches Morgengebet.
Auf dem nahen Blossenberge, den Rand des Elbthals krönend,
liegt das stattliche Schloß Siebeueicheu mit schönem Parke, einst
Mittelpunkt des nach seinen Besitzern sogenannten „Miltitzer Länd-
chens", und das dazu gehörige Ritterschloß Scharfenberg, dessen
Keller und Ställe in Felsen gehauen sind. Der hier einst ansehn-
liche Bergbau auf Silber, Blei und Kupfer ist, nachdem er 1769
Meißens Umgegend; Riesa. III
in Folge eines Wolkenbruchs ersoffen und seitdem ganz geruht,
neuerdings wieder aufgenommen worden.
Am Fuße der Goldkuppe uuterhalb Meißen liegen das
liebliche, durch seine Rosenzucht bekannte Diesbar und Seußlitz.
In letzterem staud vom 13. bis ins 16. Jahrhundert ein von
Heinrich dem Erlauchten 1268 gestiftetes Nonnenkloster; auch
hielt dort dieser Markgraf oft Hof, ehe er 1270 seine Residenz
nach Dresden verlegte. In der Klosterkirche haben von den Vor-
fahren unseres Fürstenhauses Markgraf Dietrich v. Landsberg
und Friedrich Tntta ihre Ruhestatt gefunden. Das Kloster war
reich und selbst Fürstinnen trugen dort den Schleier, so Gertrud
v. Oesterreich, die Mutter des unglücklichen Friedrich v. Baden,
der mit dem letzten Hohenstaufen, Konradin, zu Neapel 1268 uu-
term Henkerbeil fiel, die Landgräfinnen Anna und Beatrix, die
Burggräfin Katharina von Dohna. Von den Hnssiten zerstört
und dadurch verarmt, wurde das Kloster 1544 aufgehoben und
jetzt ist von ihm keine Spur mehr vorhanden. Bei der Belagerung
Wittenbergs 1813 wurde dessen Universitätsbibliothek nach Seußlitz
gerettet. — Bei Merschwitz gingen am 26. März 1813 die
Russen zum erstenmale über die Elbe.
Am jenseitigen Ufer erhebt sich auf dem letzten Vorsprunge des
Hochlandes das Schloß Hirsch stein, in Form eines Schiffes ge-
baut, dessen Mast der aus fast 3m dicken Mauern bestehende
Thurm bildet. Hier starb 1291 Markgraf Friedrich Tutta, an-
geblich von vergifteten Kirschen, die ihm der von ihm besiegte Bischof
Withego I. von Meißen hatte beibringen lassen. — Bei Boritz,
einst einem kaiserlichen Burgwart, führte die uralte Heerstraße
aus Schlesien nach Leipzig über die Elbe; der Verkehr der Neu-
zeit überschreitet den Strom bei Riesa (5707 Einw., 425 Häuser,
104m h,)r wo ihn die 342m lange Brücke der Leipzig-Dresdner
Eisenbahn überspannt, die sich in einem 651m langen Viadnct
fortsetzt. Auch von dieser zerstörten die Sachsen auf ihrem Rück-
zuge vor den Preußen am 15. Juni 1866 2 hölzerne Joche, welche
seitdem von Stein wiederhergestellt worden sind. Schlimmer noch
erging es der erst kürzlich an der Stelle der alten hölzernen
vollendeten Eisenbrücke am 19. und 20. Februar 1876, wo dieselbe
in Folge der Unterwaschung eines Pfeilers durch die Hochfluth
zusammenstürzte, mit ihrem riesigen Trümmern das Strombett
versperrend. Da hier halbwegs zwischen Leipzig und Dresden
auch die Chemnitzer, die Elsterwerdaer und vom Dorfe Rod er au
her die Berliner Bahn einmünden, so treibt Riesa sehr bedeutenden
Speditionshandel zu Wasser und zu Lande; es hat mehrere große
Dampfsägewerke und ist Sitz eines Hauptsteueramtes. In der
Kirche ist eine, jetzt vermauerte Grifft, in welcher Leichen nicht ver-
wesen sondern nur vertrocknen. Im Schlosse entdeckte man vor nnge-
fähr 125 Jahren ein Gewölbe mit 14 menschlichen Gerippen, wahr-
scheinlich von Nonnen, die dort vor den Hnssiten Schutz suchend
112 Kreishauptmannschaft Dresden.
ben Tod gefunden hatten. Das Rittergut ist neuerdings von der
Stadtgemeinde angekauft worden.
Auf der rechten Elbseite gehören zum dresdner Regieruugs-
bezirk drei Städte an der Röder: Radeberg, Radebnra und
Großenhain.
Radcberg (5894 Einw., 398 Häuser, 243^ m h.). der Ge-
burtsort des Dichters Langbein (geb. 1757, gest. 1835), treibt
Posamentirerei, Schuhmacherei, hat die Eisenwerke und die Eisen-
bahnbedarfsfabrik der Gesellschaft Saronia, mehrere Glasfabriken
und eine Actienbranerei. In dem Radeberger Schloßberge hat
man römische Münzen ausgegraben. In der Nähe liegen zwei
Bäder, das Augustusbad, nach August dem Starken genannt,
der 1720 sich hier aufhielt, mit 6 eisen-, soda- uud salzhaltigen
Quellen, und das Hermannsbad bei Liegau; vou hier führt ein
anmnthiges, früher durch seine Anlagen berühmtes Thal nach Sei-
fersdorf, einst Besitzthum des Ministers Brühl; weiter flnß-
abwärts folgen Hermsdorf mit schönen Parkanlagen, und Me-
dingen mit Actieubrauerei.
Radeburg (2658 Einw.) hat ansehnliche Korn- und Biehmärkte.
Die Bienenzucht der Umgegend hat zwar gegen früher abgenommen,
doch befleißigen sich Einzelne derselben mit Erfolg; auch viel Haide-
koru wird gebaut und zu Grütze verarbeitet. — Der Pfarrhof des
Dorfes Ponikan war im December 1866 Schauplatz eines höchst
merkwürdigen Vorfalles, indem dort zwei durch deu Einsturz eines
im Bau begriffenen Brunnenschachtes verschüttete Arbeiter nach
11 Tageu, während deren sie nur durchsickerndes Regenwasser zur
Nahrung gehabt hatten, lebend und wohlbehalten hervorgezogen
wurden. Man hatte schon mit Znfüllnng des Schachtes über die
Todtgeglanbten begonnen, als ein Maurermeister, vou seinem Ge-
wissen getrieben, die Rettungsversuche erneuerte, die einen so nnver-
hofften Erfolg hatten. — Unfern Radeburg im Friedewalde liegt,
umgeben von einem großen Teiche, das königliche Jagdschloß
Moritzburg, von Kurfürst Moritz begonnen, von Christian I.
vollendet und später noch erweitert, welches 6 große Säle, 226 Zim-
mer, 4 runde Thürme und eine katholische Kapelle besitzt. Noch
gemahnt sein Inneres an die verschwenderische Pracht des Hoflebens
unter August 14. und HI., die hier ihre Fischerei-, Jagd- und
Maskenfeste feierteu. Alle Gemälde und Verzierungen begehenJich
aus die Jagd, und überall, aus Treppen, in Zimmern und Sälen
gnken aus den Wänden Hirschköpfe mit seltsamen, znm Theil riesen-
haften Geweihen, bis zu 66 Enden. Der über 20m lange 17m
breite Hauptsaal verwahrt eine Sammlung der kostbarsten silbernen
und kristallenen Trinkgeschirre von seltner Größe und Gestalt, zum
Theil auch von hohem Alter. Der Audienzsaal ist mit sonderbar
gestalteten Hirschköpfen, ein anderer Saal mit Elenn- und Ren-
thierköpfen verziert. Bei dem 1769 erbauten und kostbare Zimmer
enthaltenden neuen Schloß befindet sich eine Fasanerie, ein Hirsch-
Großenhain. 113
und ein Saugarten, und in letzterem das sogenannte „Hellhaus",
von dem aus man die 8 Hauptalleen des Thiergartens übersieht
und sonst bei Jagden durch Fahnen den Gang des Wildes an-
deutete. Die Hohe Burg, eiue 130 F. lange Felsgrotte, ist der
Anfang einer unvollendeten Straße, welche August der Starke mit-
ten durch den Felsen schnurgerade nach Meißen führen wollte. Das
Steinbild eines Wolfes bezeichnet die Stelle, wo Johann Georg I.
im I. 1618 eines dieser damals in Sachsen nicht seltenen Raub-
thiere gehetzt hat. — Seit 1876 besitzt Moritzburg eine Blinden-
Hilfsanstalt. Das moritzbnrger Landgestüt dient der Veredelung
der inländischen Pferdezucht. — Keiue Gegend Sachsens enthält
mehr Teiche als die moritzburger; auf kleinem Flächenraum gab
es deren sonst 54, jetzt sind mehrere trocken gelegt. — Der nahe
Flecken Eisenberg hält Viehmärkte.
Großenhain oder Hain kurzweg (10.686 Einw., 769 H.
118,747m h.), eiue in erfreulichem Aufschwung begriffene Industrie-
stadt an der Cottbus-Großenhainer und der Berlin - Dresdner.
Bahn, fabricirt vorzugsweise Bukskins und feinere Tuche in
mehreren größeren Etablissements, welche meistens alle Stufen
der Fabrikation, Spinnerei, Weberei, Färberei, Walke und Appre-
tnr, in sich vereinigen; in dem nahen Naundorf ist eine große
Kattunfabrik mit Druckerei und Färberei. Die schöne Haupt-
oder Frauenkirche (106 m h.) ist die einzige Kirche Sachsens in
Form eines Dreiecks. Eine treffliche Anstalt besitzt Großenhain
in der 1828 durch den Rentamtmann Preusker gegründeten Stadt-
bibliothek zum Gebrauche der Bürgerschaft. Von dem alten mark-
gräflichen Schlosse, welches Friedrich der Freidige und Diezmann
oft bewohnten, ist nur noch ein unbedeutender Thurm übrig; ersterer
ward hier 1312 von Markgraf Waldemar von Brandenburg ge-
fangen genommen. Von zwei Klöstern, welche sich hier befanden, sieht
man nur noch die Ruinen des einen, eines Marien-Magdalenen-
klosters, welches die mit Aufhebung bedrohten Nonnen 1540 selbst
in Brand steckten. — Im Jahre 1674 entdeckte Balduin, Amtmann
in Großenhain, noch vor Kunkel, den nach ihm benannten bal-
dninschen Phosphor. — Die an die Stadt grenzende Anhöhe nennt
man die Schwedentische, weil im dreißigjährigen Kriege
Schweden von dort die Stadt beschossen. In der Nähe hat man
wiederholt Ueberreste aus der heidnischen Vorzeit gesunden. Viel
Torf, auch Eisenstein werden in der Umgegend gegraben und auf
dem tragbaren Moorboden massenhaft Zwiebeln gebaut.
Im Dorfe Skassa lebte zu Anfang des 18. Jahrhunderts,
als Prediger, der um Sachsens Geographie und Postwesen hoch-
verdiente Zürner (1- 1752), welcher das ganze Land vermaß,
auch 1722 das Setzen steinerner Post- und Meilensäulen ver-
anlaßte. Aus Liebe zum Feldmessen legte er 1721 seine Pfarr-
stelle nieder und ward königlicher Geograph und Landgrenz-
Eommissar. — Bei Zabeltitz mit Schloß und großem Garten,
Engelhardts Baterlandskunde, II. Aufl. g
114 Kreishauptmannschaft Dresden.
in welchem die Röder herrliche Wasseranlagen bildet, sindet mau
die Zabeltitz er Kiesel, nicht selten so groß und hell, daß sie
zu Schmucksachen verarbeitet werden. — Im Dorfe Gröditz be-
steht seit 1779 ein seitdem mehrfach erweitertes Eisenhüttenwerk,
vormals der gräflich Einstedelschen Familie, jetzt einer Aetien-
gesellschaft gehörig und mit dem zu Lauchhammer vereinigt
nächst der Königin-Marienhütte in Cainsdorf das größte in
Sachsen. Theils mit Dampf-, theils mit Wasserkraft verarbeitet
es das in den eigenen Hohöfen erzeugte Roheisen zu Gußwaareu,
hauptsächlich Oefen, Gas- und Wasserröhren. Aus der damit
verbundenen Maschinenbauanstalt gehen meist landwirtschaftliche
Geräthe hervor.
Bei Zeithain und Radewitz hielt August der Starke 1730
in Gegenwart vieler fürstlichen und anderer vornehmen Gäste das
sogenannte große Campement oder Lust- und Prunklager,
welches dem Lande, bei sehr wohlfeiler Zeit, binnen 4 Wochen
über 1 Mill. Thlr. kostete. Da sah man unter Anderem ein
Janitscharencorps, welches 20 Mohren zur Feldmusik hatte, da
schwamm auf der Elbe eine Flotte, bemannt mit 550 holländisch
gekleideten Matrosen; da strahlte auf dem jenseitigen Ufer eine
Illumination von mehr als einer halben Million Lampen; da gab
es ein Feuerwerk, wobei ein Walfisch und vier Delphine die Elbe
gleichsam in ein Fenermeer verwandelten, da ward von vier über
die Elbe geschlagenen Brücken eine in die Luft gesprengt; da buk
man einen 14 Ellen langen, 6 Ellen breiten, l/2 Elle hohen Kuchen,
den 8 Perde auf einem 10 Ellen breiten Wagen zogen und ein
Zimmermann mit einem 3 Ellen langen Messer theilte; da ward
zuletzt die gegen 30.000 Mann starke Armee auf hölzernen Tellern
gespeist, wozu 80 Ochsen verbraucht wurden, und nach der Tafel
mußten die Soldaten, auf ein Eommando, ihre Teller in die Elbe
schleudern. Gegen 200.000 Thlr. wandte man auf ein Kupferwerk
zur Darstelluug dieses Lagers. Ganz Europa hallte wieder vou
dessen unsinnigem Prunke. Drei Jahre darauf war, der es hielt,
nicht mehr unter den Lebenden.
Im Tieflande auf der linken Elbseite liegt nur eine Stadt,
Lommatzsch, am Fuße des Erzgebirges aber Wilsdruff, Nos-
sen und Siebenlehn.
Lommatzsch (3081 Eiuw., Kirche 173m h.) inmitten der be-
rühmten, an Getreide und Obst reichen, mit Dörfern dicht besäeten
Lommatzscher Pflege, treibt meist Landwirtschaft, besonders
auch Kardenbau. Schon Bischof Benno nannte diese Gegend ihrer
Fruchtbarkeit wegen „des Landes Meißen große Korntenne", Me-
lanchthon aber „Sachsens Schmalzgrube" und ihre Bewohner die
„Lommatzscher Sammtbanern".— Lommatzsch war einst ein Haupt-
ort der sorbischen Daleminzier oder Glomazi, deren Name sich in
dem der Stadt erhalten hat: der ehemalige Pöltzscher See bei
dem Dorfe Dörschnitz wurde von ihnen als heilig verehrt und
Lommatzsch; Wilsdruff. * 115
weissagte ihnen, nach ihrem Glauben, Frieden, wenn seine Ober-
fläche mit Weizen, Hafer und Eicheln, aber Krieg, wenn sie mit
Blut und Asche bedeckt war. Grabhügel, die man in der Nähe be-
merkt, pflegten sonst von Hochzeitsgästen umtanzt zu werden. —
Die Steigersche Schäferei des Ritterguts Leutewitz gehört zu den
vorzüglichsten von ganz Deutschland; aus ihr werden edle Zucht-
thiere bis zu 7000 M. das Stück nach Rußland, Südamerika,
Australien n. s. w. verkauft. Das Rittergut Jahnishausen ist
Privateigenthum der Königin-Mutter.
Das Dorf Miltitz, wo bedeutende Kalksteinbrüche sind, ist
Stammsitz der Familie v. Miltitz, die früher im Meißnischen noch
reicher begütert war als jetzt (S. 110). Hier soll Bischos Benno
von Meißen die ersten Kirschen und Edelkastanien gestanzt haben,
und noch gibt es dort von letztern ein Wäldchen mit Stämmen von
1,7m Umfang. — Ein anderes meißnisches Adelsgeschlecht, das
von Schönberg, seit dem 13. Jahrhundert eines der ansgebrei-
tetsten und angesehensten des Landes, das Staatsmänner, Feld-
Herrn, Bischöfe und Cardinäle unter seine Ahnen zählt, auch nebst
denen v. Einsiedet das erste unter nnserm Adel war, welches der
Reformation anhing, stammt aus Rothschönberg, wo der große
zur Entwässerung der freiberger Gruben bestimmte Stölln in
die Triebisch mündet. — In dem Dorfe Deutschenbora vermnthet
man, jedoch schwerlich mit Recht, den Geburtsort von Luthers
Gattin, Katharina v. Bora. — In der Gegend der sogenannten
Katzenhäuser zwischen Meißen und Nossen standen im sieben-
jährigen Kriege die Preußen ein ganzes Jahr lang, 1762—63,
in einem verschanzten Lager. Auch war es dort, wo 1790 unter
den Bauern rebellische Bewegungen ausbrachen, die jedoch schnell
gedämpft wurden. — In der Kirche zu Neukirchen, wo an-
geblich Kunz v. Kanfungen begraben ist, machte im Anfange des
18. Jahrhuuderts eine Frau von Mörner unter andern frommen
Stiftungen auch eine für arme Kinder, welche dafür beim Beten
der zehn Gebote das vierte Gebot zweimal sagen müssen. —
Im Dorfe Herzogswalde ward am 11. Nov. 1813 zwischen
Oesterreichern und Franzosen eine Convention wegen Aufhebung
der Blockade Dresdens geschlossen.
Eine Stnnde von dem Landstädtchen Wilsdruff (2569 Einw.)
liegt Kesselsdorf, wo am 15. Dec. 1745 bei einer grimmigen
Kälte die Preußen unter dem alten Dessauer, d. h. dem Fürsten
Leopold v. Auhalt-Dessau, einen blutigen aber glänzenden Sieg
über das sächsische Heer unter Rutowsky erfochten. Am schrecklichsten
wüthete die Schlacht um die steilen Anhöhen von Pennrich, die,
durch Eis und Schnee glitschig und durch die Sachsen mit
40 Kanonen besetzt, von den Preußen wiederholt vergebens be-
stürmt, endlich aber doch nach mörderischem Widerstande genom-
men wurden. Die Kälte machte das ohnehin gräßliche Schau-
spiel noch gräßlicher, denn Verwundete uud Todte froren an
8 *
116 Kreishauptmannschaft Dresden.
wie sie fielen, und ihr Blut, das der eisige Boden nicht eindringen
ließ, starrte in breiten Lachen; noch lange nachher sah man aus
der Erde Arme und Beine von Todten hervorragen, die man
der gefrorenen Erde wegen, nicht tief genug hatte begraben können.
Im Jahre 1849 stieß man beim Graben eines Kellers am West-
ende des Dorfes auf eine große Grube voll vermoderter Leichen
und vielen preußischen Wassenstücken. Der Preis des Sieges
war für die Preußen die Besetzung Dresdens und 10 Tage nach-
her der Friede, der dem zweiten schleichen Kriege ein Ende machte
und Friedrich dem Großen den Besitz Schlesiens sicherte.
Nossen (3034 Eiuw.) und Siebenlehn (2018 Eimv.), beide
an der Mulde gelegen, treiben Gerberei und Marktschuhmacherei,
ersteres hat ein Schloß (258,5 m hoch) und ein Lehrerseminar und
hat sich seit Erbauung der Meißen-Borsdorfer und Nosfen-Frei-
berger Eisenbahn durch Entstehung mehrerer Papier- und anderen
Fabriken sichtlich gehoben; in der Umgegend gibt es Kalk- uud
Schieferbrüche.
Unweit Nossen liegen an der Mündung des Pietzschbaches,
inmitten ausgedehnter Gartenanlagen die Ruinen des Eistercienser-
klosters Altzelle (so genannt zum Unterschiede von Neuenzelle
in der Lausitz), welches Otto der Reiche als Erbbegräbniß für
sich und seine Nachkommen stiftete. Im I. 1175 eröffnet, war
es das älteste, und in Folge der Schenkungen, die es von den
Markgrafen, sowie von den Burggrafen von Dohna erhielt, auch
das reichste Kloster im Lande Meißen, und seine Mönche haben
sich um den Anbau der damals mit dichtem Walde bedeckten Um-
gegend nicht geringe Verdienste erworben. Von den Wallfahrten
zu den Heiligthümern von Altzelle soll der heilige Weg, der
aus de/ Gegend von Dippoldiswalde, bei Höckendorf vorbei,
durch deu tharauder Wald nach Siebenlehn führt, seinen Namen
haben. Hierher wurden die Ahnen des Hauses Wettiit von Otto
dem Reichen bis auf Friedrich den Strengen, im Ganzen 27 be-
stattet. In Folge der Reformation wurde das Kloster 1540 auf-
gelöst und in ein Kammergut verwandelt, 1599 zertrümmerte ein
Blitz die Gebäude. Im I. 1787 ließ Friedrich August III. die
unter den Klostertrümmern noch aufzufindenden Ueberreste seiner
Ahnen in 4 steinerne Särge sammeln und in einer dazu erbauten
Kapelle unter eiuem gemeinsamen Denkmale beisetzen; in dem Sarg-
gewölbe ist der durch die Bauart bewirkte Widerhall merkwürdig.
Von dem alten Kloster ist wenig mehr vorhanden als die weiten
Ringmauern mit dem kunstvoll gewölbten Hauptthore, sowie einige
Grundmauern der Kirche und der Abtei.
Von hier aus an der Mulde aufwärts steigend gelangen wir
in das Hauptgebiet des erzgebirgischen Silberbergbaus,
das in Freib er g seinen Mittelpunkt hat und sich von der Bobritzsch
Nossen; Siebenlehn; Freiberger Bergbaudistrict. 117
bis zur Großen Striegis erstreckt. Wie sehr der Bergbau dieses
Flächenraumes den aller Gegenden überwiegt, ergibt sich schon
daraus, daß von den 8029 Arbeitern, welche der sächsische Erz-
bergban überhaupt beschäftigt, allein 6120, also mehr als drei
Viertheile im freiberger Revier wohnen.
„Fuhrleute von Goslar, welche Salz und Blei geladen hatten,
fanden 1163 beim Dorfe Christiansdorf in der freiberger Gegend,
mitten im Fahrwege, eine Erzstufe und ließen sie zu Goslar unter-
suchen, wo man sie sehr reichhaltig fand. Dies veranlaßte bald
Bergleute aus dem Harze zum Zuge in diese Gegend, wohin auch
1169 der braunschweigische Bergvogt Hermann von der Go-
wische, welcher sich mit dem Herzoge verfeindet hatte, nebst seiner
Knappschaft folgte. Bei Christiansdorf uud Oberloßnitz
ließen sich die Ansiedler nieder und veranlaßten hier die Grün-
dung Freibergs." So erzählt die Sage — freilich ohne geschicht-
liche Beweise — das Fündigwerden unseres Bergbaues.
Dagegen fehlt es nicht an Spuren, daß schon früher, besonders
bei Altzelle, Roßwein und Mittweida, wie auch im obern Erz-
gebirge, von den Sorben Bergbau getrieben ward. Wahrschein-
lich in den Jahren 1185—90 erbaute und befestigte Otto der
Reiche die Stadt Freiberg und zwar auf dem erzreichen Gebiete
des Klosters Altzelle, welches er sich, bei Stiftung des letztern,
ausdrücklich vorbehielt. Die reiche Ausbeute lockte zahlreiche An-
siedler in das Erzgebirge und trieb auch anderwärts nach Silber
zu schürfen. Die eigentliche Blütezeit unseres Bergbaues war
im 15. Jahrhundert, wo die schneeberger und annaberger Silber-
und die altenberger Zinnwerke entdeckt wurden, welchem im 16.
die Benutzung des Kobalts zur blauen Farbe folgte. Freilich
mag in den Berichten von der früheren Ergibigkeit manches über-
trieben sein; wurde ja doch meist uur Raubbau getrieben, d. h.
man benutzte die Gruben nur, so lauge sie ohne Mühe Ausbeute
gaben und ließ sie dann liegen. Im Allgemeinen hat sich allerdings
die Zahl der gangbaren Gruben*) sowie die der Bergleute
vermindert, da an mehreren Orten wegen wachsender Schwierig-
keit der Arbeit und abnehmenden Ertrages der Bergbau mit der
Zeit ganz eingestellt worden ist, die Ausbeute aber ist in Folge
der zweckmäßigeren und nach wissenschaftlicher Methode betriebenen
Bearbeitung gestiegen.
Der ganze Bergbau zerfällt erstens in die Förderung der
Erze aus dem Innern der Erde, den eigentlichen Bergbau,
und zweitens in die Darstellung der Metalle aus den Erzen durch
das Hüttenwesen. Demgemäß theilt sich auch die gesammte
Bergwissenschaft in die Bergbau- und in die Hüttenkunde.
Unendlich hat die Natur die Gewinnung ihrer unterirdischen
*) Gangbare Berggebäude gab es 1875 im Ganzen 334 (186 weniaer
als im I. 1858). "
118 Kreishauptmannschaft Dresden.
Schätze erschwert. Durch Erde und Gesteiu muß der Bergmann
in die Tiefe graben, und je tiefer er geht, mit desto mehr Ge-
fahren hat er zu kämpfen. Selten findet er die Metalle rein
und gediegen, sondern meist mit andern Stoffen vermischt, und
sowohl in jenem wie in diesem Zustande heißen sie Erze; die-
selben nehmen die mannichfachsten Gestalten an, gewöhnlich er-
scheinen sie nur eingesprengt, d. h. in eingewachsenen Körnern,
Blättchen, Fäden und Geschieben, höchst selten liegen sie zu Tage
(oben auf), meist tief im Schöße der Erde und zwar in Gän-
gen, welche das Gestein gleich Adern durchziehen und bald nur
einige Zoll, bald mehrere Ellen breit sind.
Man gewinnt die Erze entweder durch Schächte oder durch
Stollen. Erstere sind brunnenartige, senkrechte Oeffnnngen,
durch welche der Bergmann mittelst des Knnstgezenges oder auf
Leitern, Fahrten genannt, in die Eingeweide der Erde steigt.
Neben der Fahrt gibt es, allemal nach einer gewissen Zahl Sprossen,
Bühnen zum Ausruhen; nicht selten sind die Schächte viele hnn-
dert Meter tief; der tiefste von allen ist der Abrahamsschacht
auf der Grube Himmelfahrt bei Freiberg.
Stollen dagegen sind Gänge, die in fast wagrechter Rich-
tnng in den Berg gearbeitet sind, uud die dazu dienen, entweder
die Erze auf Karren heraus zu schaffen, oder Wasser abzuführen,
oder den Schächten frische Luft zuzuleiten; oft laufen sie in viel-
fachen Windungen und mit geringem Ansteigen labyrinthisch viele
tausend Ellen unter der Erde fort. Der bereits seit 1840 im
Bau begriffene, jetzt nahezu vollendete rothfchönbergerStolln,
der das Wasser sämmtlicher freiberger Gruben ableiten uud
namentlich die ersoffenen halsbrücker Gruben wieder gangbar
machen soll, wird über 15 Kilometer lang werden und die Länge
sämmtlicher freiberger Strecken uud Stollen beträgt an 300 Kilo-
meter! So Schächte wie Stollen, wenn sie nicht durch festes Ge-
stein gehen, werden ausgezimmert oder gemauert, daher der Berg-
bau eine außerordentliche Menge Holz verbraucht. Die Mün-
düngen der Schächte liegen fast alle in kahlen, reizlosen Gegenden,
und weder die Halden, d. h. die in der Nähe des Grubenmund-
loches aus zu Tage gefördertem tauben oder unnützen Gestein
aufgehäuften Hügel, noch die danebenstehenden Kauen, Hut- und
Zechenhäuser verleihen der Landschaft ein freundlicheres Ansehen.
Jede Grube trägt einen besonderen Namen, der meistentheils sinnig,
mitunter nur seltsam gewählt ist. Namen wie „Segen Gottes",
„Unverhofft Glück", „Alte drei Brüder", „König Friedrich August
Jubelfest", „Vater Abraham", „Treue Freundschaft vereinigt
Feld", „Vergnügte Anweisung sammt Reußen", Bäuerin sammt
Kälberstall", können als Beispiele dienen.
Vermag der Bergmann mit Fäustel, Schlägel uud Bohrer
allein das Gestein nicht zu bewältigen, so wird es gesprengt,
wozu alljährlich auf dem Erzgebirge nicht weniger als 3000 Ctr.
Freiberger Bergbaudistrict. 119
Pulver verbraucht werden. Gesteine und Erze, welche man nicht
durch Stollen ausfahren kann, werden in Kübeln aus den
Schächten gewunden, und zwar entweder durch einen einfachen,
von Menschenhänden in Bewegung gesetzten Haspel, der immer
einen Kübel hinabläßt, während er den anderen heraufzieht, oder,
bei tieferen Gruben, durch weit künstlichere Maschinen, Göpel,
auch Treibwerke genannt, die durch Pferde, Wasser oder
Dampf in Bewegung gesetzt werden.
Des Bergmanns gefährlichster Feind und doch auch sein
hilfreichster Freund ist das Wasser. Denn je tiefer er in den
Schoß der Erde dringt, desto mehr schießt es von allen Seiten
zu, und doch dient das Wasser dazu, ihn und die Grube vor dem
Ersaufen zu schützen, denn dieses setzt in Schächten die sogenannten
Kuustgezeuge in Bewegung, welche das Wasser heben und dann
in die Stollen zu Tage ausgießen. Dergleichen Maschinen mit
ungeheuren Rädern und Gestängen gibt es über und in der Erde,
und der Bergmann, neben dessen Leiter sie meist mit donnerndem
Getöse gehen, kann bei der geringsten Unvorsichtigkeit leicht von
ihnen zermalmt oder in den Abgrund gestürzt werden. Nicht
ohne Bewunderung kann man diese von Wasser getriebenen Ent-
wässerungskünste betrachten, durch welche das Erzgebirge sich ganz
besonders auszeichnet. Das Bächlein, das eben in einem Poch-
werke thätig war, muß alsbald wieder das Wasserrad einer Pumpe
treiben; von diesem fällt es den Schacht hinab auf eiu zweites
und wohl auf ein drittes Rad, und kaum durch einen Stölln
entlassen, arbeitet es aufs Neue in einer anderen Grube. Kein
Gewässer darf müßig schlendern; sind die einzelnen Gefließe zu
schwach und unbeständig, so werden sie in Sammelteichen aufge-
staut und aus diesen wird den einzelnen Gruben ihr Bedarf
nach „wöchentlichen Rädern" zugemessen. Ueber die Vertheilung
dieser Wasserschätze wird jährlich genaue Rechenschaft abgelegt.
Die kleinen Gewässer der freiberger Gegend treiben 200 Wasser-
räder mit 1000 Pferdekräften. Wie darum der Landmann Miß-
wachs, so hat der Bergmann Dürre zu fürchten, denn sobald
Wasser dem Bergbau fehlt, werden viele von den Arbeitern
„feirig". Die wichtigsten Anstalten sür den Wasserhaushalt beim
Bergbau sind: 1) der 5 Stunden lange dörnthaler Kunst-
graben, welcher vom Bergteiche bei Dörnthal an viermal mitten
durch Berge gearbeitet ist, und 18 großen Bergteichen Wasser zu-
führt, mit der Flöha steht er in Verbindung durch den über
1000 Lachter langen Friedrich-Benno stolln, welcher ebenfalls
durch Felsen und Berge geht und so hoch ist, daß man bequem
hineinreiten kann; 2) der Thelersberger Erbstolln, einer
der größten Deutschlands, der über 113m Teufe hat, in 8 Haupt-
flügel zerfällt, 6 Stunden weit, über 30.000 Lachter sich aus-
breitet und sein Mundloch unfern des Dorfes Linde hat. Un-
ter den Bergteichen sind die bei Dörnthal und bei Groß hart-
120 Kreishauptmannschaft Dresden.
mannsdorf die wichtigsten. Der Neue Teich bei Großhart-
mannsdorf ist der tiefste Sachsens, und der Große Teich,
welcher über 60 Hectaren bedeckt, 1.978.560 Cubikmeter Wasser
faßt und durch den bei Zethau beginneuden Niederen Kunst-
graben gespeist wird, der Hauptbehälter für alle Aufschlagswasser
der sreiberger Gruben, davon jede nach Nummern ihren Bedarf
bestellen kann. Der Obere Kunst graben sührt von der böhmi-
schen Grenze her direct nach den höher gelegenen Gruben.
Ist das Erz zu Tage gefördert, so bedarf es vor dem Schmel-
zeu der Aufbereitung, d. h. es wird gepocht, gewaschen, gerö-
stet, um es fein zu zertheilen und vom tauben Gestein zu säubern,
und auch hierzu ist das Wasser unentbehrlich. Im Durchschnitt
enthalten erst 250—300 Ctr. abgesprengter Gangmasse 1 Ctr. Erz,
und dieser nur 160 Gramm reines Metall.
Die Bergleute bilden gleich dem Militär einen besondern
Stand, haben ihre eigene Verfassung, Freiheiten, Stiftungen, Feste,
Tracht, zum Theil auch Sprache und Sitten, und theilen sich in
Bergleute vom Leder und von der Feder. Jene beschäftigen
sich mehr mit dem Grubenbau, mit Pochwerken und Wäschen, diese
mehr mit dein beim Bergbau uöthigen Schreiben uud Rechneu.
Die Bergleute jedes Reviers bilden eine Bergknappschaft,
die Hüttenleute eine Hüttenknappschaft. Jede Knappschaft hat
ihre Fahne, ihre Hilfskasse, ihre Vorgesetzten :c. Die älteste dieser
Knappschaften bildete sich schon in der frühesten Vorzeit zu Freiberg
als eine Verbrüderung von Bergbeamten, Arbeitern und Gewerkeu,
welche das Gedeihen des Bergbaues zum Zweck hatte und mit ihren
Versammlungen auch fröhliche Feste verband. Unsere Fürsten waren
bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts Mitglieder dieses Ver-
eins und Georg der Bärtige, Heinrich der Fromme, die Kurfürsten
August und Christian II. nahmen sogar oft persönlich an ihren -
Auszügen und Ehrenmahlen Theil. Durch die wiederholten Kriege
war dieses sogenannte Knappschaftsfest in Verfall gerathen, seit
1826 wird es aber wieder gehalten. Ein anderes Fest, der „Streit-
tag", wird am Maria-Magdalenentage (22. Juli) in allen Berg-
orten des freiberger Reviers durch Paradezug nach der Kirche
und Festpredigt gefeiert in Erinnerung an einen Streit über die
Einziehung dieses Festtages, in welchem die Bergknappen ihren
Willen durchsetzten.
Des Bergmanns tägliche Arbeitszeit, Schicht genannt, ist
8, in besondern Fällen nur 4 bis 6 Stunden; seine wöchentliche
sind 6, und in manchen Revieren, wo der Sonnabend frei ist, nur
5 Schichten. Die Arbeiter lösen einander stets ab, und es gibt in der
Woche keine Stunde des Tags wie der Nacht, wo nicht Bergleute
den Sckoß der Erde durchwühlen. In manchen Gruben muß,
des Wassers wegen, auch Souutags gearbeitet werden. Wenn die
Ansahrstunde naht, welche hie uud da durch das Bergglöckchen ein-
geläutet wird, stellen sich alle Bergleute einer Schicht auf der
Freiberger Bergbaudistrict. 121
Grube ein, wohin sie oft bei Nacht und Nebel, Donnerwetter und
Schneegestöber, bergauf, bergab, selbst stundenweit zu gehen haben,
denn nur wenige wohnen in der Nähe der Gruben, die meisten in
den umliegenden Dörfern. Vor dem An-, wie nach dem Aussahren
wird aus oder bei dem Huthause Betstunde gehalten, Gott um
Schutz auf gefährlichen Berufswegen zu bitten oder dafür zu
danken.
In der Regel ergreift der Bergmannssohn den Beruf seines
Vaters; die Knappschaft gewährt ihm unentgeltlichen Schulunter-
richt; sobald er aus diesem entlassen ist, muß er als Scheide-
junge, wie der Vater meint, „sei Brnd salber verdiene", und
erhält als solcher für die Schicht 40, höchstens 50 Pfennige. Mit der
Zeit avancirt er zum Grubenjungen, der das abgesprengte Ge-
stein wegräumt und auf Karren zum Förderschachte schafft, hierauf
zum Ausläufer, der am Mundloche des Schachtes, auf der
Scheidebank oder im Pochwerke arbeitet, endlich zum Lehrhäuer
oder Bergknecht, dessen Verrichtung im Losbrechen des Gesteins
besteht. Als solcher muß er 7 Zahre arbeiten; besteht er dann
sein „Probegedmg", so wird er Doppelhäuer, Volllöhn er
oder Knappe, und jede Schicht bringt ihm nun 80 Pfennige ein.
Besser stehen sich die in den Gruben beschäftigten Maurer und
Zimmerlinge, sowie die Gänghäuer, welche theoretische Bildung
besitzen müssen und sich zum Steiger und Obersteiger empor-
schwingen können.
Hat der Bergmann seine Schicht verfahren, so trachtet er nach
einem Nebenverdienst, denn sein Wochenlohn von 4 bis 6 M. reicht
natürlich nicht weit. Er fertigt dann Schachteln, Körbe, Siebe,
pocht Sand, sammelt seltene Erd- oder Steinarten, medicinische
Kräuter und Wurzeln, klöppelt, malt Spitzenmuster oder tage-
löhnert, das Musicireu, früher seine schönste Freude und oft sein
bester Erwerb, hat er jetzt fast ganz aufgegeben. Ehedem war
nur die Zither des Knappen Instrument, das er mit alten Liedern
oder Bergreihen begleitete. Seit dem 17. Jahrhunderte aber
legte er sich auf andere Instrumente, und es durften bei dresdner
Hoffesten erzgebirgische Hackebrettierer und Leyermentisten, wie man
sie nannte, nie fehlen.
Die Abzeichen der bergmännischen Kleidung sind der Gruben-
kittel, eine knrze, vorn zugeknöpfte Puffjacke, hinten das bekannte
Bergleder, vorn das Bergtäschchen mit Feuer und etwas Hand-
werkszeug,^an der Kopfbedeckung die Kokarde und die gekreuzten
Hämmer, Schlägel und Eisen genannt. Officianten und Steiger
tragen bei Festlichkeiten Federbüsche und Stöcke, oben mit einer
kleinen Barde, Berghäckchen genannt.
Am Grnbenkittel hängt die Blende oder der Wetterkasten,
eine hölzerne, innerlich verblechte Laterne mit Grubenlicht. Alles,
was zum Berg- und Hüttenwesen gehört, trägt ziemlich dieselbe
Kleidung, nur daß die Schönheit mit dem Range steigt und bei den
122 Kreishauptmannschaft Dresden.
höhern Bergbeamten zu einer Art von militärischer Uniform wird,
deren Aufschläge verschieden sind, nach den Revieren der Anstellung.
Im höchsten Glänze erscheint die Knappschaft bei Bergauf-
zügen, die nur bei feierlichen Gelegenheiten, gewöhnlich des Nachts,
mit Musik und Fahnen unter dem Schein von Fackeln und Gruben-
lichtern gehalten werden. Bergaufzüge bei Tage nennt man Tag-
paraden. Dergleichen Aufzüge wurden z. B. 1711 vor dem
russischen Czar Peter dem Großen, der letzte 1874 bei Anwesen-
heit unseres Königspaares gehalten.
Der Bergmann hat, ähnlich wie der Jäger, seine eigene, dem
Laien oft kaum verständliche Kunstsprache. Seine Grubenleitern
nennt er Fahrten, das Steigen und Gehen im Erdinnern fah-
ren, die Tiefe Teufe, die Grube Zeche, die Stelle, wo er das
Gestein losbricht, das Ort, die Luft Wetter, die Axt den Kau-
kam, den Karren Hund, die zum Betrieb nöthigen Wasser den
Aufschlag, den Verein von Personen zum Bau eiuer Grube Ge-
werkschaft, die Beiträge derselben Zubuße, ihre Antheile an
der Zeche Kuxe, den Reinertrag Ausbringen, die Bergberichte
Fahrbögen, die Huthäuser, Pochwerke, Bergschmieden :c. Tag-
gebände. Sein Gruß ist „Glück auf".
Groß ist der Segen des Bergbaus, klein aber der Lohn, müh-
selig und gefahrvoll die Arbeit der armen Berg- und Hüttenleute,
denn Gesundheit und Leben werden in der Grube durch schädliche
Luftarten, böse Wetter oder Schwaden genannt, durch Verschüttung,
beim Pochen durch den Staub, in der Hütte durch giftige Dämpfe
bedroht. Schon das Einfahren in die Gruben aus den senkrechten,
oft überhangenden, von der Feuchtigkeit schlüpfrigen Leitern, in un-
mittelbarer Nähe des Maschinenwerks, ist mit Gefahr verbunden.
In sämmtlichen vier Revieren kommen jährlich immer 12 bis 15
tödtliche Unglücksfälle vor, Verletzungen aber, besonders beim
Sprengen, sind weit häufiger, und Verwundete zählt man jährlich
2—300. In der Vorzeit, als man noch die Erde sorglos unter-
wühlte, ohne den Bau gehörig zu sichern, kamen oft Tagebrüche
vor, unter Häusern einsinkende Gruben zogen Menschen mitten in
ihren häuslichen Beschäftigungen in die Tiefe. So versank z.B. zu
Freiberg 1602 eine Jungfrau mit einem Kinde auf dem Arme vor
dem Brodschranke, in Annaberg 1664 eine Frau im Speisegewölbe,
in Scheibenberg verschwand 1659 ein ganzes bewohntes Haus und
auf der Straße von Wolkenstein nach Geyer sanken 1594 sogar
zwei Frauen mit Kutsche und Pferden ein, wurden aber gerettet. —
Wenn den Bergmann auch keiu Unfall trifft, so erwartet ihn doch
meist in den 40er oder 50er Jahren die Berg- oder Hütt enk atze,
auszehrende Krankheiten, welche ihn bald wegraffen. Greise Knap-
pen sind selten.
Kurz es gehören tausend Mühen und Gefahren dazu, ehe eiu
Groschen in unsere Tasche, ein Silberlöffel oder Zinnteller in unsere
Wirtschaften kommt, und doch fehlt es weder an Bergleuten, noch
Freiberger Bergbaudistrict. 123
diesen an gutem Muthe. So viel wirken Gewohnheit und Roth-
wendigkeit! Geschehen Unglücksfälle, so sind dies nach des Berg-
mauus glücklicher Selbstüberredung nur Ausnahmen von der
Regel, die ihn nichts weniger als muthlos, ja nicht einmal vor-
sichtiger machen, obwohl die meisten Unglücksfälle nur aus Mangel
an Vorsicht entstehen. Was ihm übrigens seinen traurigen Beruf
erleichtert, ist, daß er von manchen Abgaben und Diensten frei
ist, daß die tägliche Schicht von 8 Stunden ihm Zeit zu Neben-
verdienst läßt, daß er in Zeiten der Noth durch Speiseanstalten
und Bergmagazine unterstützt wird, aus denen er wohlfeileres
Brod erhält, daß er, wenn er verunglückt, auf Kosten seiner Zeche
verpflegt und geheilt wird, auch ein Wartegeld fortgenießt, und
daß er endlich, wenn er „bergfertig", d. h. vor Alter uud Krankheit
zur Arbeit unfähig ist, ein Gnadengeld bekommt, von dem selbst
seinen Hinterlassenen etwas bleibt. Sämmtliche Knappschaftskassen,
welche durch die Beiträge der Arbeiter und Gewerken gebildet
werden, verabreichen jährlich über 300.000 M. „Bergalmosen"
an 6100 bergfertige Steiger nnd Arbeiter, Wittwen und Waisen.
Ehedem war der Bergmann sogar frei vom Militärdienste und
nur verpflichtet, bei Belagerungen als Minirer zu arbeiten.
Das Recht, Bergbau zu treiben, ist ein Regal, d. h. es ge-
hört dem Staate; dieser läßt aber, unter Vorbehalt der Oberauf-
ficht, gewisser Rechte und Abgaben, auch Andere an dem Abbau
der Erzgänge Theil nehmen. Die Grube wird entweder von einem
Einzelnen oder von einer Gewerkschaft betrieben; jener heißt
Eigenlöhner, zu letzterer gehören nach uralter Sitte 128 Kuxe,
von welchen ehedem stets je einer der Kirche, dem Hospital, der Knapp-
schafts- und der Staatskasse gehörte. Die Äusbeutegrubeu,
d. h. diejenigen, welche Reinertrag abwerfen, haben von jedem
Pfund Silber eine gewisse Abgabe an die Gnadengroschen-
kasse, eine Art Vorschußbank für den Bergbau, zu entrichten. Aus
dieser und den Zuschüssen, welche der Staat gibt, werden die Zu-
bußebauten, d. h. solche, die ihre Betriebskosten noch nicht decken,
aber Aussicht auf größern Gewinn geben, unterstützt; im I. 1865
wurden 132.663 Thlr. an Zubußen gezahlt. So arbeitete z.B. die
Grube Himmelfahrt bei Freiberg, welche jetzt die reichste unter
allen ist und eine Zeit lang jährlich durchschnittlich 10.000 Pfd.
Silber gab, bis zum I. 1816 mit Zubuße. Die nächste Stelle nach
dieser hinsichtlich der Ergibigkeit des Ausbringens nehmen die
Gruben Himmelsfürst bei Freiberg, Alte Hoffnung Got-
tes bei Siebenlehn und Segen Gottes bei Nossen ein.
Der Gesammtertrag des Erzgebirges an Silber seit dem
12. Jahrhundert wird auf mehr als 90.000 Centner im Werthe
von 270 Mill. Thlr. veranschlagt. Das 18. Jahrhundert lieferte
über 3x/2 Mill. Mark Feinsilber, d. i. gegen 50 Mill. Thlr.
In den 40 Jahren von 1823-62 sind gegen 1V4 Mill. Pfd.
Silber, außerdem gegen 1.400.000 Ctr. Blei und über 10.000 Etr.
124 Kreishauptmannschaft Dresden.
Kupfer gewonnen worden, am stärksten war während dieses Zeit-
ranmes die Silberprodnction im Jahre 1857, wo sie 58.612 Pfd.
betrug. Dieses Steigen der Silberproduction ist jedoch keines-
wegs neuen, reichen Anbrüchen zuzuschreiben, sondern Vorzugs-
weise der Vervollkommnung des Hüttenbetriebes, durch welche
auch ärmere Erze bauwürdig geworden sind, das Metallausbringen
sich durch Verminderung der Metallverluste beim Schmelzen ver-
mehrt hat, außerdem aber auch verschiedene, früher gar nicht be-
achtete Prodncte und Fabrikate, die sich jetzt vorteilhaft verwerthen
lassen, dargestellt, Schwefelsäure und Arsen aus dem Hüttenrauch
gewonnen werden und die Verhüttungskosten, in Folge der Con-
centration des Hüttenbetriebes in einigen Hauptwerken, sich ver-
ringert haben. Seit dem I. 1710, wo zur Hebung des damals
sehr gesunkenen Bergbaus die Generalschmelzadministration
bei dem Berg- und Hüttenamte zu Freiberg eingeführt wurde,
kommen sämmtliche silber-, blei- und kupferhaltige Erze aus den
erzgebirgischen Gruben ausschließlich in landesherrlichen Hütten-
werken zur Verarbeitung, welche jetzt alle zu Hals brücke und
den Muldner Hütten bei Freiberg vereinigt sind. Diese schmel-
zen für eigene Rechnung die den Gruben nach einer bestimmten
Taxe vergüteten Erze aus, und die erwähnten Fortschritte der
Hüttenkunde sowie der durch die Tharand-Freiberger Eisenbahn
möglich gewordene Bezug billigeren Brennmaterials haben in
der letzten Zeit wiederholt, zuletzt noch 1863, eine Erhöhung
dieser Taxe gestattet und somit die Einträglichkeit des gesammten
Bergbaus gesteigert. Dennoch aber droht das seit mehreren Iah-
ren ununterbrochen andauernde Sinken des Silberwerthes nnserm
Bergbau gefährlich zu werden. Nur für Zinn und Wismuth
bestehen im altenberger und marienberger Reviere besondere
Schmelzhütten. *)
In welcher hohen Achtung unser Bergbau im Auslande steht,
ergibt sich am besten daraus, daß von jeher fremde Länder, Ruß-
land, Spanien, die Türkei, selbst Amerika, sächsische Bergleute zu
gewinnen suchen und schon wiederholt zur Auswanderung ver-
mocht haben.
Freiberg, an dem Münzbach (Bahnh. 413mhoch), ^Stunde
von der Mulde, ist Bergstadt wie Leipzig Haudels- und Chemnitz
*) Im I. 1874 wurden auf den freiberger Hütten producirt:
2,8 Ctr. Gold . . ...... im Werthe von 392.958 M.
812 „ Silber......... ,, „ 6.957.111 „
35.620 „ Kupfervitriol....... ,, „ 887.481 „
45,4 „ Wismuth „ 27.858 „
128,g' „ Nickelspeise....... „ „ 26.226 „
5.087 „ Ziuk........„ „ „ 112.752 „
95.045 „ Bleiproducte aller Art. . . „ „ „ 670.665 „
212.371 „ Schwefelsäure u. a. Chemikalien „ „ „ 736.986 „
12.931 „ Arfenikalieu ...... „ „ „ 222.936 „
11.444.983 M.
Freiberg. 125
Fabrikstadt, Sitz der höchsten Bergbehörden, der ganzen Bergver-
waltung und unserer Bergakademie; auch eines Hauptsteueramtes.
In seinem Aenßeren hat es einen Theil der alten Ringmauern und
manche alterthümliche Schönheit bewahrt; in 1337 Häusern zählt
es 23.559 Einwohner. Sein altes Schloß, Freuden-, richtiger
wohl Freiheitsstein, ist in ein Magazin umgewandelt. Unter
seinen 6 Kirchen, zu denen seit 1831 auch eine katholische gehört,
ist die Domkirche die vorzüglichste. Nachdem der alte unter
Markgraf Otto errichtete romanische Bau 1484 durch Feuer zer-
stört worden war, wurde sie in spätgothischem Stile wieder auf-
gebaut, wobei man die unversehrt gebliebene Goldene Pforte,
das höchste Werk einer bedeutenden sächsischen Bildnerschule, als
Südportal benutzte; neuerdings ist diese durch den Alterthums-
verein in würdiger Weise restanrirt worden. Der Dom besitzt
viele alte Denkmäler und, gleich dem meißner, eine fürstliche
Begräbnißkapelle, gegründet von Heinrich dem Frommen,
welcher, meist in Freiberg wohnend, „die Freiberger", wie er oft
sagte, „stets in aller Treue und Gehorsam gegen Gott und sich
erfunden hatte uud darum auch bei ihnen schlafen wollte". Kur-
fürst Christian I. ließ sie nach Nosseni's Entwurf erweitern und
mit inländischem Marmor und Serpentinstein, mit Bildsäulen
und Gemälden ausschmücken. Es schlummern hier die protestan-
tischen Ahnen unseres Regentenhauses von Heinrich dem From-
men, der 1541, bis mit Johann Georg TV., der 1694 starb.
Dem tapfern Kurfürsten Moritz, welcher 1553 bei Sievershausen
als Sieger fiel, ist mitten in der Kapelle ein Denkmal in ita-
lienischem Geschmack errichtet: eine Statue aus weißem Marmor
stellt ihn auf dem schwarzen Sarkophag zum Gebete knieend und
das Schwert vor dem Crucisixe beugend dar. Die Rüstung mit
Rennspieß, welche er in jener Schlacht trug, ist auf dem Krag-
steine eines Pfeilers aufgestellt und die Richtung des Schusses,
der ihn tödtete, durch eine Papierrolle bezeichnet. Unter den
übrigen Monumenten sind die Heinrichs des Frommen, Kurfürst
Augusts, seiner Gemahlin Anna und Christians I. die vorzüg-
lichsten. Ein Nebengewölbe enthält die beiden Marmorsärge der
Wittwe Johann Georgs III., Anua Sophie von Dänemark, und
ihrer Schwester Wilhelmine Ernestine von der Pfalz. Die ältere,
um 1500 gearbeitete Kanzel hat die Form einer kolossalen Tulpe,
deren Kelch den Predigtstuhl bildet, wird aber uicht mehr benutzt,
die jüngere ist 1638 aus Kosten des Bürgermeisters I. Schön-
leben errichtet. Die Orgel ist eine der größten und stärksten von
Silbermann, der auch drei andere freiberger Kirchen mit Orgeln
versehen hat; das Hans, in welchem er diese Meisterwerke baute,
ist seit 1864 durch eine Marmortafel bezeichnet. Neben dem Dom,
da wo sich sonst der Kreuzgang befand, schlummert unter einfachem
Denkmale der große Mineralog Werner (S. 102), einst dieZierde
der Bergakademie; seine Büste steht vor dem Kreuzthore. Vor
126 Kreishauptmannschaft Dresden.
dem meißner Thore liegt in einer Berghalde, von Anlagen um-
geben, das Grab eines andern um den Bergbau verdienten Man-
nes, des 1838 verstorbenen Oberberghauptmanns v. Herder.
Auf dem Rathhause zeigt man eine Hälfte der Strickleiter, auf
welcher Kunz das altenburger Schloß erstieg, und ein Stein vor
dem Rathhause bezeichnet die Stelle, wo er am 14. Juli 1455
enthauptet ward. — Eins der edelsten Kleinode Sachsens ist die
1765 gegründete Bergakademie, deren großer Ruf Zöglinge
aus den entferntesten Theilen der Erde herbeizieht; sie zählt
15 Lehrer und 139 Bergstudenten, von denen die Hälfte Aus-
länder sind. Die Inländer stehen unter strengerer Aufsicht als
jene, genießen aber dafür auch vielfache Erleichterungen. Mit
gerechtem Stolze nennt die Akademie viele ausgezeichnete Männer
ihre ehemaligen Zöglinge, wie den Geologen Leop. v. Buch und
den größten aller neueren Naturforscher Alex. v. Humboldt, auch
den Dichter Theodor Körner; an den von diesen Dreien bewohn-
ten Häusern sind beim Jubelseste der Akademie im I. 1867 Ge-
denktafeln angebracht worden. In dem Gebäude der Akademie
befinden sich nächst Hörsälen, Bibliothek it. auch das Wernersche
Museum und andere auf das Bergwesen bezügliche Sammlungen,
welche jener berühmte Geolog theils bei Lebzeiten, theils nach
seinem Tode der Anstalt überließ, und mit welcher alle früheren
Sammlungen dieser Art vereinigt sind. In Verbindung mit der
Akademie steht eine Hauptbergschule zur Bildung tüchtiger Steiger.
Von geschichtlichem Interesse ist das freiberger Gymnasium,
das jetzt ein neues Gebäude besitzt, dadurch, daß es die erste Ge-
lehrtenschule des Landes war, welche sich der Reformation zu-
wendete, wie Freiberg überhaupt als die Wiege der Reforma-
tion im albertinischen Sachsen denkwürdig ist; denn Heinrich der
Fromme führte dieselbe auf Veranlassung seiner Gemahlin Ka-
tharina und seines Rathes Anton von Schönberg schon 1537 in
den ihm zustehenden Aemtern Freiberg und Wolkenstein ein; auf
dem freiberger Gymnasium legte Kurfürst August unter dem be-
rühmten Reetor Joh. Rivius den Grund zu seiner Bildung, in-
dem er gleich anderen Bürgerknaben die Schule täglich besuchte,
bis er, von Rivius begleitet, die Universität Leipzig bezog. —
Damals war Freiberg durch den Bergbau und die Hofhaltung
Heinrichs des Frommen so lebendig, daß man sprichwörtlich sagte:
„Wenn Leipzig mein wäre, wollte ich's in Freiberg verzehren".
Freiberg ist auch der Geburtsort des Kurfürsten Moritz.
Freiberg hat eine Realschule, drei Volksschulen, eine katho-
lische Pfarrschule und mehrere Unterrichtsanstalten für arme Kin-
der, sowie viele milde Stiftungen, zumal für Bergleute. — Seit
1861 befindet sich in der Kostenstube des Kaufhauses ein vom
freiberger Alterthumsvereiu errichtetes Alterthumsmuseum.
Freibergs Hauptnahrungszweig bilden seit Jahrhunderten
der Bergbau und die damit zusammenhängenden Bergfabrikeit,
Freiberg. 127
zu denen n. a. ein Arsenikwerk, eine Eisengießerei, sowie die
bedeutende Pulverfabrik des freiberger Bergreviers gehören.
In neuerer Zeit sind jedoch auch noch einige andere und besser
als der Bergbau lohnende Industriezweige, die Cigarren-, Leder-
und Metallwaareu-, Snperphosphat-, Maschinenfabrikation, die
Flachsspinnerei u. s. w. hier heimisch geworden. In Sachsen
einzig ist die seit 180 Jahren bestehende Fabrik Leonischer (d. h.
Lyoner, nnächter) Gold- und Silber-Tressen, -Bänder, -Spitzen,
-Schnüre zc., die 1500 Menschen beschäftigt. Den Lahn oder die
Gold- und Silberbändchen, aus denen die meiste Arbeit besteht,
wissen die Drahtzieher oder Plätter so dünn zu treiben, daß ein
Loth 450 m gibt. Neuerdings werden auch viele ächte Gold- und
Silberwaaren fabricirt.
Freiberg war einst die volkreichste Stadt der wettinischen
Lande, hat aber namentlich im dreißigjährigen Kriege sehr ge-
litten. Viermal ward es in demselben belagert, am heftigsten
1639 von den Schweden unter Baner, der aber bald dem Muthe
der Bergknappen weichen mußte, und unter Torstenson vom De-
cember 1642 bis zum Februar 1643, wo es die Kaiserlichen ent-
setzten, Ereignisse, an welche das Schwedendenkmal in den An-
lagen vor dem Petersthore errinnert. Zwischen Freiberg und
Berthelsdorf war es auch, wo die letzte Schlacht des sieben-
jährigen Krieges geliefert ward, in welcher Prinz Heinrich von
Preußen am 29. Oct. 1762 die Kaiserlichen und die Reichsarmee
schlug.
Die Gegend von Freiberg über Brand (2634 Einw.) und
Erbisdorf bis zum Freiwalde kündigt sich durch die überall ficht-
baren Halden, Bingen und Göpel, durch die einzelnen Berg- und
Huthäuser schon von weitem als ein Hauptpunkt bergmännischer
Thätigkeit an. Hier wandern Bergleute znr Schicht, dort kommen
andere Gespenstern gleich, aus Gruben und Stollen, hier läutet
zu Arbeit und Gebet die Häuerglocke, dort tönt aller 1 bis 2 Mi-
nuten der Wächter oder die einsame Schelle des Knnstgezeuges,
hier fährt man Erze, dort Holz und Kohlen zu den Hütten, hier
dröhnen und rauschen in und über der Erde die Knnstgezeuge,
dort klappern die Pochwerke, und wenigstens der dritte Mann
aller Begegnenden gehört zum Berg- und Hüttenwesen. Selt-
samer Weise hat die Stadt Brand keine Kirche, sondern ist
nach dem Dorfe Erbisdorf eingepfarrt.
In dem Bergflecken Halsbrücke an der Mulde stand sonst
das Amalgamirwerk, zu welchem der Kurprinzenkanal die
Erze entfernter Gruben bald auf, bald neben der Mulde brachte.
Allein dies Amalgamirwerk, in dem man das Silber mit Hilfe
des Quecksilbers gewann, ist so zu sagen an den Fortschritten
der Hüttenchemie gestorben, d. h. es wurde überflüssig, als diese
Wissenschaft Mittel fand, die Metalle auf bequemere und billigere
Weise auszuscheiden, wie dies jetzt hier und auf den Muldner
128 Kreishauptmannschaft Dresden.
Hütten geschieht. In mächtigen chemischen Apparaten, in Flam-
men-, Röst- und Schachtösen wird dort durch Schmelzen, Raffi-
niren und Destilliren das Silber von den damit verbunden ge-
wesenen Metallen, namentlich Blei, gereinigt. Durch sinnreiche
Vorrichtungen sucht man zugleich den aus den Oefen aussteigen-
den Qualm entweder von seinen giftigen Bestandtheilen, welche
Wald und Feld beschädigen, zu befreien oder durch einen riesigen
Schlot unschädlich in die Höhe zu leiten. Zu den siscalischen
Werken der Generalschmelzadministration gehören auch noch: Blei-
röhrensabrik,^ Drahtzieherei, Schrotgießerei, Blechwalzwerk, Cha-
mottewaarensabrik und Ziegelei. Sehenswerth ist bei Halsbrücke
immer noch, obgleich sie nicht benutzt wird, die Altväter-
Wasserleitung, welche gleich einer römischen auf steinernen
Pfeilern ruht und von einem Berge zum andern führt, und denk-
würdig, daß hier, und zwar für das Amalgamirwerk, im I. 1827
die erste Gasbeleuchtung in Sachsen eingerichtet wurde. In den
Jahren 1662 und 1691 geschahen hier Tagebrüche, welche die
meisten Zechen zerstörten. Wegen des letzten Bruchs, den man
lange vorher befürchtete, wurde in den nahen Kirchen gebetet;
geschah er 2 Tage früher, so würden fast 1000 Menschen, die
ihm entgegenarbeiteten, verschüttet worden sein.
In Bräunsdorf ist seit 1864 der Betrieb der früher be-
deutenden Grube „Neue Hoffnung Gottes" und damit der ganze
Bergbau des Ortes eingestellt worden. Hier wurde 1824 eine
Landwaisenversorgungsanstalt für 150 Kinder des erzgebirgifchen,
vogtländischen und leipziger Kreises (denn der meißner hatte eine
besondere zu Pirna) errichtet, deren Hauptzweck war, brauchbare
Menschen aus ihnen zu bilden. Im I. 1832 aber ist dieser Anstalt
eine veränderte, noch ungleich heilsamere Bestimmung gegeben wor-
den, nämlich zur Erziehung sittlich verwahrloster Kinder und jugeud-
licher Verbrecher, die, ihres Alters wegen, zur Aufnahme in eine
Strafanstalt nicht geeignet sind. Ihre gegenwärtige Gestalt und
Einrichtung erhielt die Anstalt seit 1850; sie zählt gegen 300 Zög-
linge in der Anstalt selbst und gegen 120 auswärtige, welche be-
urlaubt und in Lehre oder Dienst gegeben sind. Die schulpflichtigen
Zöglinge werden in 5 Klassen unterrichtet, außer der Schulzeit mit
häuslichen und industriellen, in der bessern Jahreszeit hauptsächlich
mit laudwirthschaftlicheu Arbeiten auf dem mit der Anstalt in Ver-
bindung stehenden Staatsgute beschäftigt. Jährlich werden etwa
70 aufgenommen, so daß seit 1832 über 3000 Kinder von 7 bis
16 Jahren Ausnahme in die Anstalt und zum großen Theile sittliche
Besserung darin gesunden haben. — Zu Krummenhennersdorf
verschied im 1.1195 Markgraf Albrecht der Stolze, als er, die Wir-
hingen des ihm beigebrachten Giftes spürend, sich von Freiberg nach
Meißen bringen lassen wollte. Von hier aus führt die sogenannte
Grabentour durch das höchst romantische Thal der Bobritzsch,
eine Strecke den rothschönberger Stölln entlang, bis gegen Ober-
Frauenstein; ©aajba. 129
reinsberg hin. — In Lichtenberg befindet sich eine große
Flachsbereitungsanstalt, welche jährlich aus ungefähr 6000 Ctrn.
Rohflachs theils in der Warm-, theils in der Kaltwasserröste
750 Ctr. Flachs und 500 Ctr. Werg darstellt. Der Garnhandel
und die Leinölfabrikation, welche von hier aus südwärts nach dem
obern Gebirge zn noch vor 40 Iahren sehr schwunghaft betrieben
wurden, sind ganz zurückgegangen, dagegen hat sich der Flachsbau
nach einer Zeit des Verfalls neuerdings, wie auch anderwärts im
Gebirge, gehoben. Viel Flachs wird an Ort und Stelle versponnen,
jedoch nicht in Fabriken, sondern nur durch Handspinnerei. Groß-
Hartmannsdorf fertigt daraus auch grobe, 5l/2m breite Lein-
wand zu Segeltuch, Wagenplanen n. dergl. Die Gemeinde besitzt
ein bedeutendes Torflager^ das nur zum eigenen Bedarf ihrer
Glieder gegen einen geringen Zins abgebaut wird; es ist dies die
älteste Torfgräbern Sachsens. Der Große Teich bei Großhart-
mannsdorf (S. 119) ist von Alters her durch die Menge, Größe
und Güte seiner Karpfen berühmt, und bei dem aller 4 Jahre ge--
haltenen Fischzuge, der ein wahres Volksfest ist, werden davon ge-
gen 300 Ctr. verkauft. — Die nahe Langenauer Höhe gewährt
nach Norden eine Fernsicht bis zum Collm bei Oschatz und dem
Rochlitzer Berge.
Auch Frauenstein (1418 Eiuw.), zwischen der Wilden Weißeritz
und der Freiberger Mulde, 186'9 zum große» Theil abgebraunt,
liegt so hoch und frei, daß es zu den umfassendsten Aussichtspunkten
in Sachsen zählt. Es hat Ruinen einer Burg, welche oft Residenz
der meißner Burggrafen war, und ein königliches Schloß (662 m h.)
mit Parkanlagen. Die üppigen Wiesen bewirken bedeutenden Butter-
Handel, und die Straße von Sayda über Frauenstein nach Dresden
hieß deshalb die Butterstraße. Die großen Waldungen liefern
Holz zur Weißeritz- und Muldenflöße; wichtig ist die große fiscalische
Kalkbrennerei bei Hermsdorf. — Der Marktflecken Rechen-
b erg, anmnthig an der Mulde gelegen, zeigt noch einige Reste einer
kleinen Burg. — Die franensteiner Kirche besitzt eine der ersten
Orgeln Silbermanns, der 1683 im nahen Dorfe Kleinbobritzsch
geboren ward; sein Vater, ein Zimmermann, hatte ihn bei einem
Buchbinder in die Lehre gegeben. Weil er aber dazu keiue Nei-
gung hatte, ging er nach Straßbnrg zu seinem Onkel, der ein Or-
gelbaner war, arbeitete dort als Tischler, bildete sich dabei für die
Kunst, in welcher er sich nachher auszeichnete, und lebte so sparsam,
daß er, als er wieder nach Frauenstein kam, die erste Orgel ohne
Vorschuß bauen konnte. In Sachsen gibt es von ihm 47 Orgeln.
Sogar die des straßburger Münsters ist sein Werk. Er starb
1753; sein Geburtshans ist durch eine Marmortafel bezeichnet.
Sayda (1615 Einw.), hoch und rauh gelegen (Gerichtsamt
677 m h.), 1842 fast ganz abgebrannt, war im Mittelalter ein Haupt-
speditionsort für alle Waaren aus Norddeutschland nach Böhmen.
Hier stand eine der ältesten Burgen Sachsens, deren Ruinen jetzt
Engelhardts Baterlandskunde. 11. Aufl. 9
130 Kreishauptmannschaft Dresden.
fast ganz abgetragen sind; seit kurzem hat man die alten Kupfer-
gruben in der Nähe wieder abzubauen begonnen. — Südlich von
Sayda erhebt sich das stattliche Schloß Pnrschenstein an der
Flöha, der Mittelpunkt einer großen, den Herren von Schönberg
gehörigen Herrschaft.
Der südwestliche Winkel des dresdner Regierungsbezirks ist
der Sitz der erzgebirgischen Holz- und Spielwaarenfabri-
kation, deren Artikel theils im Hauswesen unentbehrlich sind,
theils durch ihre freundlichen Gestalten der Kinder Herzen erquicken.
Denn hier, besonders aber in und um den Bergflecken Seiffen,
werden die zahllosen Döschen, Nadel- und Federbüchsen, Pfeifen,
Brummkreisel, Schachteln voll Figuren aus der Menschen- und
Thierwelt, Bauhölzern, Häusern und Gärten, kleine Fuhrwerke
und sonst noch eine Menge klingendes, quiekendes, bellendes und
knarrendes Spielzeug gefertigt, das unter dem Namen Seiffener
Waare in unglaublichen Mengen nach allen Theilen der Erde
versendet wird und selbst als Tausch und Geschenk an die Wilden
Verwendung findet. Diese Industrie entstand zu Anfang des
18. Jahrhunderts durch arme Bergleute, welche bei der geringen
Ausbeute der Zinngruben in Seiffen und Heidelberg uud bei ihrem
schmalen Verdienste genöthigt wurden, andere Erwerbsmittel auf-
zusuchen. Die Reichhaltigkeit der damaligen Waldungen und die
Billigkeit der Hölzer veranlaßte sie, sich vorzugsweise mit Schnitzerei
und Drechslerei zu beschäftigen. Anfangs fertigten sie nur hölzerne
Hemdenknöpfe, Feder- und Nadelbüchsen; im Laufe der Zeit vervoll-
kommnete sich aber nicht nur die Fabrikation, sondern breitete sich
auch über alle umliegenden Dörfer, selbst auf das linke Ufer der
Flöha, nach Olbernhan und Umgegend, aus. Das Verfahren da-
bei ist jetzt nach der umsichtigsten Arbeitsteilung geregelt. In der
Hauptsache lassen sich die Arbeiter in Dreher, Schnitzer, Papier-
machearbeiter, Blecharbeiter, Maler und Packer eintheilen, doch zer-
fällt eine jede dieser Gruppen wieder in eine große Zahl von Unter-
abtheilnngen. Jahre-, ja wohl lebenslang fertigt eine Person
täglich dieselbe Sache, ein Drechsler z. B. Schäfchen, ein anderer
Räderchen, ein dritter Pfeifchen u. s. f., währeud die Weiber und
Kinder malen, schnitzeln, leimen, zusammensetzen, ausstopfen ?c.
Nur dadurch wird die fabelhafte Billigkeit dieser Waaren erklärlich,
trotz welcher der Fleißige dennoch seinen guten Verdienst hat. Um
auf den Straßen Londons eine Schachtel „Dorf" mit 7 Häusern
und 3 Bäumen zu 1 Penny = 9 Pfg. feil bieten zu können, darf
dem Arbeiter für ein ganzes Schock fertiger Häuser, das Material
inbegriffen, nicht über 10 Pfg. gezahlt werden, für Bäume und
Thiere nicht mehr als 15 Pfg. Die Herstellung von 180 kleinen
Wirthschastsgegenständen, wie sie besonders nach Amerika gehen,
darf nur 4 Pfg. kosten, das Schock kleiner Schachteln nur 20 Pfg.
Von den 12.850 Bewohnern des saydaer Gerichtsamtes waren
im I. 1868 4740 Personen, darunter 1688 Kinder bis zu 8, ja
Holz- und Spiel,vaarenfabrikation. 131
bis zu 4 Jahren herab mit Herstellung oder Vertrieb von Holz-
waaren beschäftigt, ungerechnet diejenigen, welche dieselbe nur neben
dem Feldbau, au Feierabenden oder im Winter betreiben. Ge-
fertigt wurden im Ganzen 45.000 Ctr. Waaren im Werthe von
2.100.000 M., wozu 4500 Klaftern Holz verwendet worden waren.
Jede Ortschaft fertigt ihre besonderen Gegenstände. Während
Eppendorf meist Möbel liefert, Wünschendorf Schweizer-
Häuser, Borstendorf Baukästen, Grünhainichen und Wald-
kirchen Puppenstuben, Kindertheater, Kaufmannsläden, Küchen
und dergleichen, Nachbarorte für gröbere Holzwaaren, Gefäße,
Schachteln :c. thätig sind, werden die eigentlichen Spielsachen, auch
aus Blech und Guttapercha, in Olbernhau, Seiffen, Heidel-
berg, Deutscheinsiedel gefertigt. Verarbeitet werden Fichten-
und Buchen-, auch Erlen- und Ulmenholz, welches die Umgegend
liefert; der kostbarere Ahorn dagegen muß fast ausschließlich aus
Böhmen bezogen werden. Ist das Holz vorgerichtet, d, h. geschält
und getrocknet, so wird es zerkleinert, theils abgedreht, theils mit
runden Zirkelsägen zerschnitten. Die wichtigste Aufgabe in der
ganzen Fabrikation füllt den Drehern zu, und hier hilft die durch
Wasserkraft, theilweise jetzt auch durch Dampf getriebene Drehbank
der Geschicklichkeit der Hand nach. In Seiffen gibt es fast kein
Hans, wo nicht eutweder Jahr aus Jahr ein, oder wenigstens
im Winter und an Feierabenden die Drechselbank schnurrt. Manches
Drehwerk enthält 20 und mehr Stellen, die von dem Besitzer an
die Dreher nach halben und Viertelstageu, bei knappem Wasser
sogar stundenweise vermiethet werden. Einzelne Artikel kommen
bereits marktfertig von der Drehbank, andere, und namentlich die
sogenannten Reifen, die zu Thiergestalten zerspalten werden, wandern
erst noch durch die Häude der Schnitzer und Maler. Aber so
geschickt und fleißig die Arbeiter auch siud, so haben sie doch die
üble Gewohnheit an den hergebrachten Formen streng festzuhalten,
daher unsere erzgebirgische Spielwaarenindnstrie, die ohnehin
unter dem fortwährenden Steigen der Holzpreise zu leiden hat,
nur mühsam gegen die zwar weniger haltbaren aber geschmack-
volleren Erzeugnisse der sonneberger Fabriken ankämpfen kann.
Diesem Uebelstande abzuhelfen, hat die von der Regierung 1870
niedergesetzte Generalcommission für Hebung der Spielwaren-
indnstrie in Seiffen und Grünhainichen Gewerbevereine ins Leben
gerufen, Zeichen- und Malschulen eingerichtet, einen Wanderlehrer
augestellt, der Unterricht im Modellireu gibt, in den Schulen des
Bezirks Zeichenunterricht eingeführt, auch den theilweisen Ersatz
des Holzes durch plastische Maße befördert und dadurch auf die
Mannigfaltigkeit und Schönheit der Arbeiten sehr günstig ein-
gewirkt.
Mitten in diesem Gebiete der Spielwaarenfabrikation, in den
Orten Deutschneudorf, Deutschkatharinenberg n. a. hat
sich seit 55 Jahren die Strumpfwaaren-Jndnstrie in Wolle fest-
, 9*
132 Kreishauptmannschast Leipzig.
gesetzt. — Bei Seiffen und Deutschkatharinenberg liegen die Berg-
werke der Gewerkschaft Saxonia. Bei Deutscheinsiedel ist eine
Mineralquelle mit Bad.
Nie Äreishauptmannschast Leipzig
wird von dem dresdner und dem zwickauer Regierungsbezirke,
von der alteuburgischeu und der preußischen Grenze umschlossen,
enthält auf 3644,2? □ Kilom. 36 Städte (vou denen außer Leipzig
keine mehr als 11.000 Eiuw. hat) uud 945 Dörfer uud nach der
Zählung von 1875 639.975 Eiuw., und wird in die Amts-
hauptmannschaften Leipzig, Borna, Grimma, Oschatz, Dö-
beln und Rochlitz getheilt.
In den südlichen Theil des Bezirks reichen noch die hüge-
ligen Ausläufer und Vorberge des Hochlandes herein, deren be-
merkenswerthester Punkt der Roch litzer Berg ist; zum bei
weitem größten Theile besteht er aus Flachland, welches nur von
einzelnen Erhebungen: dem Collmberg, deu Hoburger Ber-
g en und den Lübschütz er Höhen unterbrochen wird.
Die Freiberger Mulde, iu welche hier die Zschopau,
und die Zwickauer Mulde, in welche die Chemnitz einmündet,
vereinigen sich fast genau in der Mitte des Bezirks und strömen
dann als ein Fluß nordwärts. Der nordöstliche Theil gehört,
hauptsächlich durch die Döllnitz, zum unmittelbaren Elbgebiete,
den Westen durchfließt die Weiße Elster uud ihr Nebenfluß,
die Pleiße, welche die Wyhra und Parthe aufnimmt.
Der Boden ist ungemein fruchtbar, daher Ackerbau die Haupt-
beschäftiguug der Bewohner; er erzeugt außer den gewöhnlichen
Feldfrüchten auch Oelpflanzen, Tabak, Runkelrüben und Weber-
karden, in Leipzigs Nähe viel Gemüse. Obst ist ein starker Aus-
fuhrartikel, herrliche Wiesen gestatten ansehnliche Viehzucht. Bei
Hubertusburg und Colditz liegen die größten Waldungen.
Nächst vielen Sand-, Thon-, Lehm-, Mergelgruben, und besonders
in der Elsteraue, Ziegeleien, sind auch viele Steinbrüche vorhanden,
welche nicht nur die Nachbarstädte mit Bau- und Pflastersteinen
versorgen, sondern auch Granit- und Porphyrplatten weithin ver-
senden. Die bedeutenden Kalkwerke um Mügeln und Geithain
erzeugen jählich gegen 1 Mill. Hectoliter Bau- und Düngekalk.
Reich ist der Bezirk an Braunkohlenwerken, deren größtes die
königliche Kohlengrube zu Neunitz bei Grimma ist, sowie an Torf-
gruben. Die Wasserkräfte der Mulde, Elster und Pleiße haben
zahlreiche Mühlen, zum Theil von großartigem Umfang und treff-
licher Einrichtung hervorgerufen, welche die Früchte des getreide-
reichen Niederlandes verarbeiten und damit außer ihrer Umgebung
auch das dichtbevölkerte Gebirge versorgen. Der südliche Theil
des Bezirks, bis Rochkitz, Waldheim und Roßwein, gehört noch zum
Gebiete der erzgebirgischen Gewebeindustrie, doch ist neuerdings
Roßwein; Döbeln; Leisnig. 133
an deren Stelle theilweise die Cigarrenfabrikation getreten, welche
die bedeutendste Industrie des ganzen Bezirks ausmacht. Die
meisten kleinen Städte treiben Marktschuhmacherei, welche jährlich
an 100.000 Dutzend Paar Schuhwerk aller Art, besonders Filz-
schuhe und Babuschen, auf die leipziger Messen bringt.
Die leipziger Kreishanptmannschast hat nicht den Bergsegen
und wenig von den Naturschönheiten des Hochlandes, sie erreicht
nicht die Industrie der zwickauer Kreishauptmannschaft und der
Lausitz, dafür besitzt sie aber an Leipzig einen der wichtigsten
Mittelpunkte der deutschen Wissenschaft und des deutschen, ja des
Welthandels.
Bei Beschreibung der
Städte, denkwürdigsten Flecken und Dörfer
nennen wir zuerst die an der östlichen Mulde gelegenen: Roß-
wein, Döbeln und Leisnig.
Roßwein (6968 Einw., 627 H.), bis zur Reformation Be-
sitzthnm des Klosters Altzelle, fabrieirt Tuch und Strumpfwaren;
in der Nähe wird Walkererde gegraben. — Sehenswerth ist bei
Gersdorf, unfern Roßwein, der Adamsstolln mit Kanal, auf
welchem Erze gegen 850 va weit, bald über, bald unter der Erde
zu deu Pochwerken geschafft werden.
Döbeln (10.969 Einw., 714 Häuser) ist eine uralte heidnische
Ansiedlnng, die Hon im I. 981 erwähnt wird. Inmitten einer
fruchtbaren Pflege auf einer von der Mulde gebildeten Insel und
zugleich unfern von der Kreuzung der Chemuitz-Riesaer (Bahuh.
176 m h.) mit der Borsdorf-Coswiger Bahn gelegen, ist es Mittel-
punkt wichtigen Getreidehandels, der durch eine Getreidebörse ver-
mittelt wird, besitzt aber auch ansehnliche Tuchfabrikation, eine
bedeutende Lederfabrik, eine Faßfabrik, und fertigt außer lackirten
Blechwaaren und Brückenwaagen jährlich 40 Millionen Cigarren.
Auch die Umgegend fabrieirt Garne, Papier und Drahtstifte. Auf
dem Schloßberge, wo sonst ein Schloß der Herren von Dohna
stand, bis es 1429 von den Hussiteu zerstört wurde, erhebt sich
jetzt die neue Bürgerschule; eine Realschule mit landwirtschaftlicher
Abtheilung ist 1869 errichtet worden. In der Nähe befindet sich
das Staupitzbad. 1762 wurden bei Döbeln die Oesterreicher
von den Preußen unter dem Prinzen Heinrich in einem Gefecht
geschlagen und 1866 wurde die Chemuitz-Riesaer Bahn von den
Preußeu durch Sprengung des o st ran er Viaduetes unsahrbar
gemacht. In Hochweitzschen bei Döbeln wurde neuerdings eine
Irrensiechenanstalt gegründet. — Am Muldenuser bei Mahlitzsch
steht eine Burgruine, die Kempe genannt.
Auch Leisnig (7045 Einw., 677 H.) treibt Tuchmacherei und
hat einen ansehnlichen Getreidemarkt. Nach Leisnig nannte sich
seit dem 12. Jahrhundert ein Burggrafengeschlecht, welches aber
134 Kreishauptmannschaft Leipzig.
nicht hier, sondern in Rochsbnrg residirte. In dem königlichen
Schlosse Mildenstein (2Ö3m h.), nach welchem auch die 1866
hier begründete Badeanstalt benannt ist, wohnte während der Ver-
Handlungen über den Altranstädter Frieden Stanislaus Leszinski,
welcher in Folge jenes Friedens durch Karl XII. von Schweden
die August dem Starkeu genommene polnische Krone erhielt. Zu
Leisuig ward 1495 der berühmte Mathematiker Peter Apiau
oder Bienewitz geboren, Kaiser Karls V. Lehrer in der Mathe-
matik. — Unfern Leisnig hat man öfters Knochen ausgestorbener
Säugethierarten in der Erde gefunden und in das dresdner Na-
tnralienkabinet geliefert.
Einsam im freundlichen Muldeuthale liegen, 1 Stunde ober-
halb Leisuig, geringe Ueberreste des um 1190 gestifteten Cister-
cienserklosters Buch, dessen Besitzungen 1663 von der Landes-
schule Grimma erworben wurden, 1836 aber an den Staat über-
gingen, der jener dafür eiue jährliche Rente zahlt. Auf dem ent-
gegengesetzten Ufer ziehen sich die anmnthigen Laubgänge der
Mailust hin. Die leisniger Pflege ist so fruchtbar wie die
lommatzscher, was der Aberglaube sonst dem Bischof Benno zu-
schrieb, der sich oft im Dorfe Nauberg zwischen Grimma und
Mügeln aufhielt, und lange sagte man dort von üppigen Korn-
feldern: „Hier ist Benno gegangen." Auf dem Staupen bei
Wendisheim, dem Burgstall bei Minkwitz und dem Drei-
Hügelsberg bei Rischeudorf sind noch slawische Rundwälle
erhalten.
Zwischen der freiberger Mulde und der Zschopan, an der
kleinen Striegis liegt Hainichen (Kirche 319*nh,^ mit 8468 Einw.
in 670 H., nicht allein die bedeutendste Fabrikstadt der leipziger
Kreishauptmauuschaft, sondern in der Verarbeitung von Schaf-
wolle eine der ersten von ganz Sachsen; die ganze Umgegend,
namentlich das Dorf Böhrigen, ist lebhaft daran betheiligt.
Selbst die Brahminen am Ganges wandeln in böhrigener Fab-
rikaten. Es werden hier jährlich 250.000 Stück Flanell gefertigt
und die dazu nöthigen Streichgarne in Hainichen selbst und deu
umliegenden Dörfern gesponnen. In Verbindung damit steht der
Wollhandel. Außerdem hat Hainichen eine Saffianfabrik. 1832
brannte die Stadt fast gänzlich ab. — Hier ward am 4. Juli
1715 der fromme Lieder- und Fabeldichter Christ. Fürchtegott
Gellert geboren, der 1769 als Professor in Leipzig starb. Sein
Vater war Prediger und, bei 13 Kindern und geringen Ein-
küuften, in so bedrängten Umständen, daß Gellert schon im
11. Jahre für Advocaten schreiben mußte. Sein erster poetischer Ver-
such war ein Gedicht zu seines Vaters Geburtstage, in welchem er
dessen 15 Kinder und Enkel mit 15 Stützen für die baufällige
Wohuung des Vaters verglich. An Gellert erinnert hi^r sein
Bild in der Kirche, die Gellertslinde, — die alte, von seinem
Vater selbst an seinem Geburtstage gepflanzte, hat 1833 der
Hainichen; Mittweida, Waldheim. 135
Sturm entwurzelt — das Denkmal auf dem Markte und das
ihm zu Ehren genannte Rettungshaus.
An der anmnthigen Zschopau liegen die Städte Mittweida
(9093 Einw., 687 H.) und Waldheim (7151 Einw., 471 H,),
jenes auf der Höhe (Bahnh. 297 m h.), dieses im Thale (Bahnh.
238 m h.). Das letztere brannte 1832 sammt der Kirche zum
größten Theile ab. Beide treiben Buntweberei und Barchent-
fabrikation, doch ist dieselbe in Folge der Baumwollenthenernng
auf den dritten Theil ihres früheren Umfangs zurückgegangen.
In Waldheim bilden gegenwärtig Eigarrenfabrikation, die den
vierten Theil der Einwohner beschäftigt, und Stnhlbauerei die
Haupterwerbszweige, ferner hat es eine Hundezüchterei. Die
Höhe über der Stadt krönt ein als Sieges- und Friedensdenkmal
errichteter Aussichtsthurm. Auch besteht hier eine Getreidebörse.
Den in der Nähe sich findenden Serpentin hat man seit 1866
mit Erfolg zu bearbeiten angefangen. — Zu Mittweida war
es, wo Herzog Georg der Bärtige 1539 sich bereit erklärte, seinen
Bruder, Heinrich den Frommen, oder dessen Sohn Moritz zu
Erben seiner Länder einzusetzen, wenn sie Luthers Lehre entsagen
wollten. Doch ward Georg dieser Sorge bald überhoben, denn
er starb kurz darauf am 17. April 1539. Schon am nächsten
Psingstfest ließ nun Herzog Heinrich Lnthern in der Thomaskirche
zu Leipzig predigen und vollführte die Einführung der Reformation
im albertinischen Sachsen (S 126). — Zu Mittweida ward 1778
der berühmte Theolog Tzschirner geboren, welcher 1828 als
Superintendent und Professor zu Leipzig starb. Neuerdings ist
hier ein Technikum begründet worden.
Zu Waldheim wurde 1716 das erste allgemeine Zucht-,
Armen- und Krankenhaus Sachsens gegründet und mit demselben
späterhin auch eine Anstalt für geisteskranke, blödsinnige und
verbrecherische Kinder verbunden, die, wenn für erstere nicht Her-
stellung, für letztere nicht Besserung erfolgte, entweder an das
Kranken- oder an das Zuchthaus abgegeben wurden. Weil aber
immer ein Zweck den andern störte und so der Hauptzweck mo-
ralischer Besseruug oder körperlicher Heilung nicht füglich zu er-
reichen war, verlegte man im I. 1829 die Versorgungs- und
Heilanstalt mit Ausnahme des Instituts für verbrecherische
Kinder, das mit der Anstalt in Bräunsdorf (S. 128) verbnn-
den ward, nach Eolditz, die dortige Landesarbeitsanstalt nach
Zwickau, und bestimmte das waldheimer Schloß einzig zu
einer allgemeinen Strafanstalt. Jetzt enthält dieselbe über
900 männliche und weibliche Sträflinge.
Ueberall in der Strafanstalt, in den Arbeits-, Speise-, Schlaf-
sälen und Krankenstuben herrscht die musterhafteste Ordnung und
Reinlichkeit. Die Betten der Sträflinge in den wohlverwahrten
und des Nachts mit Wachen umstellten Schlafsälen sind durch
Ziukblechwäude vou einander getrennt und nach vorn wie nach
136 Kreishauptmannschaft Leipzig.
oben durch Drahtgitter verschlossen. Zur Verwahrung besonders
schwerer Verbrecher und zur Verbüßung von Strafarrest gibt es
besondere Gefängnisse. Die Anstalt hat ihr eigenes Back-, Brau-
und Waschhaus. Die Sträflinge arbeiten uuter strenger Beob-
achtung der Schweigsamkeit in großen Sälen, nur die schwersten
Verbrecher in ihren Gefängnissen. Einige versehen die Haus-
arbeiten in der Schneider- uud Schuhmacherstube, in der Schirr-
kammer, im Hause, Hofe uud Garten n. s. w., die übrigen werden
mit solchen Manusacturarbeiteu, wie sie in der Stadt getrieben
werden, mit Spinnen, Weben, Verfertigung von Tuch- und Filz-
schuhen, von Stühlen, Cigarren, Serpentinbearbeitung n. dergl.
beschäftigt. Früher betrieb die Anstalt diese Fabrikation auf eigene
Rechnung, seit 1833 aber arbeiten die Sträflinge für gewisse
Fabrikanten contractmäßig gegen einen bestimmten Lohn, die,
welche sich gut führen, neuerdings auch auswärts in Fabriken,
bei der Landwirtschaft oder dem Straßenbau. Was sie über
eine nach ihren Kräften und Fähigkeiten bestimmte Aufgabe liefern,
wird ihnen, wenn sie sich gut aufführen, zum Theil zu einem
Nebengennsse an Bier, Butter, Milch, Häringen, Obst oder Ta-
bak überlassen, größtenteils aber gut geschrieben und bei der
Entlassung aus der Anstalt als ein Nothpfennig mitgegeben.
Auch macht es sich ein Verein von Menschenfreunden zur Auf-
gäbe, den entlassenen Sträflingen die Rückkehr zu einem ehrlichen
Leben zu erleichtern und sie dadurch vor Rückfälligkeit zu be-
wahren. Die Anstalt besitzt ihre eigene Kirche und ihren eigenen
Geistlichen.
Ziemlich dieselben Einrichtungen finden auch in den übrigen
Straf- und Arbeitsanstalten statt.
Zu den ersten Sträflingen der waldheimer Anstalt gehörte
Prinz Lieschen oder Anna Sophie Apitzsch, eine Zeugmachers-
tochter aus Lunzenan, welche sich in männlicher Kleidung herum-
trieb, durch Kuiffe aller Art den Ruf einer vornehmen Person
zu erlangen wußte, endlich sich gar für den Kurprinzen ausgab,
sich Hoheit und Gnaden titnliren ließ, so daß fast für Gewißheit
das Gerücht umlief, der Kurprinz August, damals gerade auf
Reisen, durchwaudre heimlich das Land, um selbst zu sehen, was
ihm als Regenten einst nützlich sein könnte. Doch bald ward
die Abenteuerin entlarvt und büßte ihren Betrug mit lebens-
länglichem Zuchthaus.
Auf den Felsenwänden des Zschopanthals zwischen Mittweida
und Waldheim stehen sich, höchst romantisch gelegen, das Schloß
Ehrenberg und die Ritterburg Kriebstein gegenüber, beide
neuerdings restanrirt. In der Rüstkammer des letzteren sind
Rüstungen uud Kanonen ans den ersten Zeiten der Erfindung
des Schießpulvers zu sehen. Im Jahre 1445 belagerte angeblich
Markgraf Friedrich der Streitbare den Ritter Stanpitz von Reichen-
stein im Schlosse Kriebstein, welches dieser Dietrichen von Beer-
Geringswalde; Hartha. 137
roatbe entrissen hatte. Als sich der Ritter endlich, nach langem
Widerstande, ergab, bewilligte Friedrich nur dessen Hausfrau
sreieu Abzug und gestattete ihr nur mitzunehmen, was ihr am
liebsten wäre. Da trug diese, die That der Weiber von Weins-
berg nachahmend, ihren Gemahl auf dem Rücken aus dem Schlosse
und — der Markgraf ließ Gnade für Recht ergehen. Ein altes
Gemälde im Speisesaal des Schlosses stellt diese ergötzliche Scene
dar. Die Stelle, wo zwischen Kriebstein und Ehrenberg die
Zschopan sich vielfach krümmt, reißender strömt und an Wehr,
Brückenpfeiler und Felsen sich bricht, war sonst von den Flößern
überaus gefürchtet. Hier ist manches Floß zerrissen, mancher
Flößer verunglückt. Legte sich das Floß quer über den Brücken-
pfeiler, so wurde es zerschellt oder überströmt und die Mannschaft
heruntergeschwemmt, wenn sie sich nicht an den deshalb einge-
gossenen eisernen Ringen erhalten konnte, bis Hilfe kam.
Von Waldheim abwärts läuft die Chemnitz-Riesa er
Eisenbahn, von vielen großartigen Bauten getragen, meist am
Rande des Zschopauthales hin, bis sie dasselbe bei Limmritz
auf hoher Brücke überschreitet. Der Bau dieser Strecke verschlang
so große Summen, daß die ersten Unternehmer der Bahn, an
deren Vollendung verzagend, das Ganze dem Staate überließen.
Zwischen Zschopau und Zwickauer Mulde liegen die Städte
Geringswalde (3049 Einw.) und Hartha (2921 Einw.), die beide
Barchentweberei und seit deren Verfall besonders Cigarrenmacherei
und Stuhlbauerei treiben; letzteres hat auch Wagenbau, eine
Filzwaaren- und eine Perlmutterknopffabrik; zwischen Gerings-
walde, Rochlitz und Colditz befinden sich an 40 Schieferbrüche,
von denen die bei Methan, Zettlitz und Penna die besseren Schiefer
liefern. Das nahe Rittergut Schweikershaiu gab die Ver-
anlassung zu dem Prinzenraube. Kunz von Kaufungen hatte es
nämlich von Friedrich dem Sanftmüthigen als einstweilige Ent-
schädigung für seine thüringischen, durch deu Krieg verwüsteten
Güter erhalten. Daß er aber, nachdem er wieder in den Besitz
jener Güter gesetzt war, 1451 nach dem Spruche der Schieds-
richter, Schweikershain wieder räumen sollte, und ihm der Kur-
fürst für die auf Verbesserung des Gutes gewandten Kosten keine
Entschädung gewähren wollte, gab ihm den ebenso kühnen als
rachsüchtigen Plan des Prinzenraubes ein.
Das Thal der zwickauer Mulde, jetzt von der Mulden-
thalbahn durchzogen, gehört von ihrem Eintritt in den Bezirk an zu
den romantischsten Gegenden unseres Landes und gibt der Schön-
heit des Zschopauthals nur wenig nach. Von Penig bis Rochs-
bürg fließt sie in engem Felsenbette zwischen steilen, hohen Wänden,
weiterhin, bis unterhalb Grimma, gewinnen ihre Ufer mehr ein
liebliches Ansehen. — In der Südwestecke des Bezirks erhebt sich
hoch über den Fluß, von Wald, herrlichen Park- und Garten-
anlagen umgeben, das gräslich EinsiedelscheSchloß Wolkenburg,
138 Kreishauptmannschast Leipzig.
welches reiche Sammlungen für Kunst und Literatur enthält, und
dessen Oekonomie für eine wahre Musterwirtschaft gelten kann.
Unstreitig ist hier eine der reizendsten Stellen des ganzen Landes.
Die neue Kirche, von Gras Detlev v. Einsiedel seit 1794 erbaut,
ist eine der schönsten Dorfkirchen Sachsens; ein Altar von Gyps-
marmor mit Gemälde von Oeser (dessen letztem Werke) und kost-
bare Eisengußarbeiten zieren ihr Inneres. In dem Dorfe be-
findet sich eine Baumwolleuspiuuerei. — Zu Wolkenburg gehört
das Dorf Kaufungen, der Geburtsort uud das Stammgut des
Prinzenräubers, welches nach dessen Hinrichtung vom Kurfürsten
eingezogen ward.
Gegen Norden folgen die drei gräflich schönbnrgischen Lehn-
Herrschaften Penig, Rochsbnrg und Wechselburg.
Penig (5950 Einw., 476 H., Kirche 208m h.), mit zwei
gräflichen Schlössern und einem Parke, eine fleißige Fabrikstadt,
treibt Weberei, Spinnerei, Wolldruckerei, und hat eine große
Papierfabrik. Das hiesige Töpfergeschirr war schon zur Zeit
der Reformation berühmt. Die peniger Töpfer fertigten einst
einen 15 Eimer haltenden Topf; in diesen stieg Herzog Heinrich
der Fromme als junger Prinz auf einer Leiter hinein, aber nie
wieder heraus; weil nämlich sein Hofjunker die Leiter weggezogen
hatte, brach er sich den Rückweg zur Seite durch. Hierauf drehten
die Töpfer einen noch größeren Topf, derselbe wurde aber in den
Münzer'schen Bauernunruhen zerstört. Am sogenannten Guten
Donnerstag, dem letzten Wochenmarkt im Jahre, wird hier regel-
mäßig auf offenem Markte von den umwohnenden Landleuten
das Gesinde, welches sich dazu zahlreich eiusiudet, für das kom-
mende Jahr gemiethet. Unterhalb Penig liegt die große Spin-
nerei Amerika.
Ueber dem Dorfe Rochsbnrg thront auf hoher Felsenzinne
das gleichnamige Schloß, unter den Ritterburgen Sachsens nicht
nur eine der ältesten und größten, sondern auch die am besten
erhaltene. Zu der Herrschast Rochsbnrg gehört das Städtchen
Burgstädt (4788 Einw.), zwischen der Chemnitz und Mulde
am Fuße desTaurasteius gelegen, und theilweise auchLunzenau
(3233 Einw.) an der Mulde. Dieses fertigt Wollenzeuge und
Marktschnhwaare uud hat seit 1860 eine der schönsten Mulden-
brücken. Jenes hat ein sehr stattliches Rathhans, treibt außer
Ackerbau bedeutende Weberei in Wolle und Halbwolle, und ist
die Wiege der sächsischen Kattunfabrikation, welche ein Hamburger,
W. G. Schlüssel, 1750 hier begründete, nachdem er in dem nahen
Mohsdors die ersten Versuche gemacht hatte; in Burgstädt ent-
stand auch 1787 die erste Seidenweberei in Sachsen; einem bürg-
städter Hause gehören die großartigen Fabrikanlagen des erst
1849 gegründeten Ortes Schweizerthal in einer der lieblichsten
Gegenden des Ehemnitzthales. — Bei dem Dorfe Göhren über-
Penig; Burgstädt; Rochlitz. 139
schreitet die Chemnitz-Leipziger Bahn das Muldenthal auf einem
kühnen 68 m hohen Viadnct.
Wechselburg, ein Marktflecken, hat seinen Namen davon
erhalten, daß es, nach wiederholtem Wechsel der Besitzer im
16. Jahrhundert, endlich im I. 1543 Graf Ernst von Schön-
berg von dem späteren Kurfürsten Moritz gegen Wehlen, Hohn-
stein und Lohmen eintauschte. Früher hieß es Zschillen und
war ein Augustinerkloster, welches später wegen des sittenlosen
Lebens der Mönche in eine Comthnrei des Deutschen Ordens ver-
wandelt wurde. Die 1174 in romanischem Stile erbaute Kloster-
und jetzige Schloßkirche ist zwar von außen verbaut und ihrer
Thürme beraubt, hat aber im Innern ihre ursprüngliche Gestalt
fast ganz bewahrt und enthält treffliche Werke der mittelalterlichen
Bildhauerkunst, unter andern eine Statne des Markgrafen Dedo
des Feisten, eines Bruders Otto's des Reichen, der hier 1190
in dem von ihm gestifteten Kloster daran starb, daß er sich, um
mit Kaiser Heinrich VI. nach Italien ziehen zu können, den Ueber-
fluß an Fett von einem unwissenden Arzte hatte ausschneiden
lassen. — Die Eulenkluft, ein dicht am linken Muldenufer
senkrecht sich erhebender Felsen, ist botanisch interessant.
Weiter abwärts liegen an der Mulde die Fabrikstädte Roch-
litz und Colditz, beide mit Brücken.
Rochlitz (5761 Einw., 480 H.), dessen Tibet- und Merino-
fabrikation von Bedeutung ist, hat ein königliches Schloß, dessen
Thürme früher oft als Staatsgefängniß benutzt und die „Rochlitzer
Jupen" genannt wurden; ein Spottvers rühmte von ihnen: „Wer
sie anhabe, sei vor Frost und Wölfen sicher." Friedrich der Sanft-
müthige ließ hier einen Feldherrn der Hussiten, Peter von Stern-
berg, den er 1438 bei Brix gefangen genommen hatte, drei Jahre
schmachten. Die im 11. Jahrhundert gegründete und aus Por-
phyr gebaute Kunigundenkirche (132,5 mh.), größtenteils ein Denk-
mal der Baukunst des 15. Jahrhunderts hat besonders in An-
sehung der Wölbung viel Ähnlichkeit mit dem meißner Dome,
auch treffliche alte Schnitzwerke und Gemälde. — Im schmal-
kaldischen Kriege überfiel hier Johann Friedrich der Großmüthige
am 3. März 1547 den wilden Markgrafen Albrecht von Branden-
bnrg-Cnlmbach, der eben sorglos auf der Fastnacht tanzte, und
nahm ihn gefangen. Im 16. und 17. Jahrhundert waren meh-
rere rochlitzer Cantoren gute Tonsetzer; den Bürgermeister Dranbe,
einen berühmten Bassisten und Componisten, beschenkten Kaiser
Maximilian I. und Herzog Georg der Bärtige mit köstlichen Ge-
wändern, und aus der rochlitzer Cantorei bezog damals die säch-
sische Hofkapelle ihre besten Discantisten.
Das nahe Waldgebirge, der rochlitzer Wald, erweist sich
als ein alter gewaltiger Vulkankegel von porphyrischen Aschen,
Lapilli und Blöcken. Aus diesen verhärteten und zusammen-
gebackenen vulkanischen Aschen ist der Porphyr entstanden, der in
140 Kreishauptmannschaft Leipzig.
den berühmten Brüchen von 17—35 m Tiefe gewonnen wird
und Bau- und Mühlsteine liefert. Viele der schönsten Schlösser
Sachsens, die Augustusburg, die zu Colditz, Wolkenburg u. a.,
auch viele Kirchen und Brücken sind aus rochlitzer Stein, der meist
von röthlicher Farbe ist, gebaut. Zur Ausbeutung dieser Brüche
bestand seit dem 15. Jahrhundert schon zu Rochlitz eine Stein-
metzhütte, welche damals nuter die Haupthütte zu Straßburg
gehörte. Zweck solcher Hütten oder zunftmüßigen Verbrüderungen
war die kunstgerechte Bearbeitung der Steine zu Kirchen, Burgen
n. s. w. Auf dem Gipfel des Berges ist 1860 zum Andenken
an den König Friedrich August II., einen großen Naturfreund,
ein geschmackvoller steinerner Thurm errichtet worden, von dessen
Plateform man eine herrliche Rundschau über deu größten Theil
der leipziger Kreishauptmannschaft, bis zum Petersberg bei Halle
und zum Kamm des Erzgebirges genießt.
Colditz (4105 Einw.) hat zwei ansehnliche Steingutfabriken
und große Getreidemärkte, die Baumwollspinnerei ist zurück-
gegangen. Der hiesige Thou wird in der meißner Porzellan-
fabrik zu Kapseln verarbeitet. Im königlichen Schlosse (180m h.),
das 1803 zum Theil in ein Landesarbeitshaus für Vagabunden
umgewandelt wurde, befindet sich seit dessen Verlegung nach Wald-
heim (S. 135) eine allgemeine Heil- und Versorgungs-
anstalt für 600 Geisteskranke. Zu Colditz starb i486, in Folge
eines Jagdunfalls, der Stammvater der ernestinischen Linie, Kur-
fürst Ernst; auch war Colditz wiederholt Wittwensitz von Kur-
fürstinnen. Das colditzer Schloß gehörte einst zu Sachsens pracht-
vollsten Schlössern; der von Kurfürst August angelegte, nachher
bis ans 187 Acker (103,5 Hect.) vergrößerte Thiergarten ist längst
eingegangen. In der Umgegend befinden sich große Brannkohlen-
lager, welche bergmännisch bearbeitet werden und besonders durch
die darin vorkommenden Massen verkohlter Baumstämme merk-
würdig sind.
An der vereinigten Mulde liegen die Städte Grimma,
Nerchan, Trebseu und Würzen.
Grimma (7213 Einw., 721 H., 129m h.) ist Sitz eines
Hauptsteueramtes, hat eine steinerne Brücke, ein königliches Schloß,
5 Kirchen, von denen vier zum evangelischen Gottesdienste benutzt
werden, seit 1857 auch eine katholische Kapelle und Schule, liegt
in einem herrlichen Thale und ist vorzugsweise geschichtlich uud
wissenschaftlich denkwürdig. Hier hielten Sachsens Fürsten seit
Anfang des 13. Jahrhunderts oft Hof- und Landtag, hier ward
am 27. Juli 1443 der Stammvater unseres Regentenhauses,
Albrecht der Beherzte, geboren, weshalb er sich auf seiner
Wallfahrt nach Palästina 1476 nur „Junker von Grym" nannte;
hier stiftete Friedrich der Sauftmüthige 1485 die leipziger Neu-
jahrsmeffe; hier beendete der sogenannt^ Gri mm a isch e Macht-
sprnch 1531 mehr als vierzigjährige Streitigkeiten zwischen der
Colditz; Grimma. 141
ernestinischen und albertinischen Linie; hier war es, wo Friedrich
der Weise, der treue Beschützer der Reformation, seine erste
Bildung erhielt, hier verlebte er, des Augustinerklosters wegeu,
gern die Fastenzeit; hier gefiel es dem frommen Melanchton so,
daß er versicherte, nirgend in ganz Meißen möge er lieber wohnen,
uud hier, und zwar in dem aufgehobenen Augustinerkloster, er-
richtete Kurfürst Moritz die zweite der sächsischen Fürsten- oder
Landesschulen, nachdem seine ursprüngliche Absicht, dieselbe in
Merseburg zu gründen, an dem Widerstande des dortigen Bischofs
gescheitert war, eine Anstalt, welche seit mehr als drei Jahrhunderten
wohlthätig auf Wissenschaft und Staat wirkt und fast ganz dieselbe
Einrichtung hat wie die zu Meißen. Im Jahre 1828 erhielt die
Fürstenschule ein neues zweckmäßiges Gebäude. Zum Andenken
des berühmten Pädagogen Dinter (S. 146), der auf dieser Schule
studirte, gründeten seine Verehrer 1837 hier ein Lehrerseminar
unter den Namen Dinterianum. Grimma ist auch in der Geschichte
der deutschen Literatur denkwürdig, denn einer der ersten Rectoren
der Fürstenschule (von 1588—1610), Martin Heyueccius,
schrieb in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts deutsche Lust-
spiele, wie „Almansor oder der Kinder Schulspiegel" und „Hans
Pfriem oder Maister Kecks", welche gleichsam den Ton zu den
deutschen Lustspielen in Sachsen angaben und dem „Schulmeister
zu Grym" — so nämlich titnlirte man damals die Rectoren —
einen berühmten Namen machten. Auch der Dichter Seume lebte
mehrere Jahre in Grimma uud trat von hier aus 1802 seinen
„Spaziergang nach Syrakus" an.
Wenige Städte Sachsens haben, was Handel und Industrie
betrifft, einen ähnlichen Umschwung erfahren wie diese. Denn bis
ins 15. Jahrhundert gehörte Grimma zu den bedeutendsten Handels-
städten des Landes, aber schon längst hat sich der Handel ganz
von hier weggewendet. Die hiesige Tuchmacherei war einst weit
berühmt; Friedrich der Weise schenkte Lnthern ein Ehrenkleid von
grimmaer Tuch, die Elle zu 8 Groschen, welches aber dieser nicht
tragen wollte, „weil es für einen Professor zu kostbar sei". Von
gewöhnlichen Sorten kostete nämlich die Elle nur 3—5 Groschen.
Aber auch die frühere Tuch- und Flanellfabrikation hat allmählich
immer mehr abgenommen, die Kattunfabriken sind seit 1820 eben-
falls alle eingegangen. Einen besonderen Geschäftszweig von
Grimma bildet jetzt die Blaufärberei und der Druck von thüringer
Nesseln, lausitzer Leinwand zu Frauenkleidern und Schürzen und
anderer Stoffen. Auch besitzt es Bleichereien und eine ehemals unter
der Firma Göschen viel genannte Buchdruckerei. Eine Fabrik von
Papier-Düten und -Säcken liefert täglich 200.000 Stück in 300
verschiedenen Sorten unter genauester, mathematisch berechneter
Ausnutzung jedes Bogens und versendet dieselben, theilweise mit
Firmen bedruckt, fast au alle bedeutende Städte Deutschlands.
Grimma hat seit dem 13. Jahrhundert Stapelrecht über
142 Kreishauptmannschaft Leipzig.
alles Bau- und Nutzholz, das aus den Gegenden von Angustus-
bürg und Wolkenstein auf der Flöha und Zschopau in die Mulde
geflößt wird, d. h. die Flößer durften mit ihren, oft 30—40 Ellen
langen Flößen nicht über das hiesige Wehr hinausfahren ohne das
Holz vorher an die grimmaischen Bürger zum Verkauf auszubieten,
ja es war ihnen sogar untersagt, unterwegs etwas von ihrer
Ladung zu verkaufen, und einigemal wurden diejenigen, welche
dem zuwider gehandelt, vom grimmaischen Rathe bestraft. Seit
1820 sind jedoch die Flöße, die nach Grimma gelangten, immer
seltener geworden und dieser Handel scheint jetzt ganz aufgehört zu
haben. Deshalb ist auch die Regierung, welche vor etwa 25 Jahren
das hiesige Stapelrecht ablösen wollte, auf die hohen, von der
Stadt gestellten Forderungen nicht eingegangen.
Unfern Grimma liegt an der Mulde das der Landesschule
gehörig Vorwerk Nimpschen. Hier stand sonst ein von Heinrich
dem Erlauchten, ursprünglich zu Torgau, für adelige Jungfrauen
gegründetes Nonnenkloster, welchem 1523 jene neun Nonnen ent-
flohen, aus denen sich Lnther nachher seine Gattin, Katharina von
Bora, erwählte.
Auf dem nahen Schlosse zu Döben, und zwar in dem so-
genannten Taubenthurme, war es, wo Albrecht der Stolze 1189
seineu Vater Otto den Reichen gefangen hielt, weil dieser auf Zu-
redeu seiner Gemahlin Hedwig dem jüngeren Sohne, Dietrich (dem
Bedrängten), die Nachfolge in der Markgrafschaft zuzuwenden ge-
dachte. Doch ward Otto bald durch kaiserlichen Machtspruch frei. —
Die Golzermühle zwischen Grimma und Nerchau ist eines der
größten Mühlwerke Sachsens; außer der Mahlmühle enthält die-
selbe eine Eisengießerei, eine Maschinenbauerei und eine großartige,
nach den neuesten Verbesserungen eingerichtete Papiermühle, welche
zusammen über 500 Arbeiter beschäftigen.
Bei den Landstädtchen Nerchau (929 Einw.) und Trebsen,
(1160 Einw.), von denen letzteres ein schönes Schloß besitzt, tritt
die Mulde ins Tiefland, ihre Ufer verflachen sich.
Würzen, (8177 Einw., 740 £>. 123m h.), wo 1719 der
Fabeldichter Li cht wer geboren wurde, ist der Sitz eines vom
meißner Bischof Herwig 1114 errichteten Collegiat- oder niederen,
d. h. dem Hochstift Meißen untergeordneten Stiftes, hat einen
schönen Dom (106,5m h.), der sich durch bischöfliche Gräber und
die prächtige salhäuser Kapelle auszeichnet, ein von Bischof Johann
von Salhansen erbautes Schloß, das oft Residenz der meißner
Bischöfe war, und ein Kapitelhaus, in dem die meißner protestan-
tischen Domherren sich alljährlich versammeln. Nicht unbedeutend
ist Wurzens Industrie, es hat die größte Kunstmühle von ganz
Deutschland, eine große Tapeten- und Teppichfabrik, welche die
smyrnaer Teppiche nachahmt, eine Cigarren-, eine Cartonnagen-
uud eine Papierfabrik, ferner eine Fabrik zur Herstelluug gefärbten
Wollftaubes für Sammettapeten, eine, welche den Filz zum Beleg
Nerchau; Trebsen; Würzen; Mutzschen. 143
der Pianofortehämmer liefert, beide in ihrer Art die einzigen in
ganz Deutschland. In der Nähe befinden sich eine Thonwaaren-
fabrik und ein Dampfsägewerk.
Obgleich seit Jahrhunderten eine der wichtigsten Handels-
straßen Sachsens, ja ganz Deutschlands, durch Würzen über die
Mulde ging, so hatte diese doch bis zum Jahre 1830 stets nur eine
Fähre, daher bei Eisgang und Hochwasser, wodurch das Land oft
in einer Breite von 1100 m überschwemmt war, die Straße ganz
uufahrbar, der Verkehr vollständig unterbrochen wurde. Die endlich
im Jahre 1830 erbaute, 119 m lange Brücke über den Fluß,
die 43 m lauge über den Mühlgraben und die beide verbindende
Landbrücke von 207 m Länge galten damals als ein stannens-
werthes Bauwerk; heut zu Tage beachtet sie kaum der Reisende,
wenn er auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn vorüberfliegt, die hier
ebenfalls aus einer 378 m langen Brücke die Mulde überschreitet.
Würzen wurde im April 1542 die Veranlassung zu dem nn-
blutigen Fladenkriege. Weil nämlich Kurfürst Johann Friedrich
der Großmüthige, obgleich das Stift Würzen unter dem gemein-
schaftlichen Schutze der ernestinischen und albertinischen Linie
stand, daselbst eigenmächtig die Türkensteuer ausschrieb, uud die
Reformation einzuführen suchte, eilte Herzog Moritz, seinem Rechte
mit den Waffen Geltung zu verschaffen. Beide standen einander
gerüstet gegenüber und wollten eben losschlagen, als Luther ab-
mahnte und Moritzens Schwiegervater, Philipp von Hessen, einen
Vergleich bewirkte, der in der Domkirche verlesen wurde. Ruhig
verzehrten nun beide Theile ihre Osterfladen, denn die Fehde begann
in der Char- und endete in der Osterwoche; daher der Name des
Kriegs. Jm^ dreißigjährigen Kriege litt Würzen mehr als irgend
eine Stadt Sachsens. Die Gränel, welche die Schweden unter
Baner in der wnrzener Kreuz- und Marterwoche, d. h. der
Charwoche 1637, dort verübten, übersteigen fast allen Glauben.
Die offene Kapelle auf dem Gottesacker bezeichnet die Stelle, wo
im Jahre 1601 1300 Opfer der Pest begraben wurden.
Schöne parkähnliche Gärten haben mehrere benachbarte Ritter-
güter, z. B. Nischwitz, das einst dem Minister Grafen Brühl
gehörte, Machern, wo eine Tulpenbanmallee ist, und Püchau.
Rechts von der Mulde, zwischen dieser und der Grenze des
dresdner Regierungsbezirks, liegen die Städte Mutzschen,
Dahlen, Strehla, Oschatz und Mügeln.
Mutzschen (1644 Einw.) treibt Ackerbau. Im Schloßberge
brach man sonst die sogenannten mntzschener Diamanten, d. h.
Achatkugeln mit Qnarzkrystallen; weil aber der deshalb in den Berg
getriebene Stölln dem Schlosse gefährlich schien, ist der Abbau jetzt
gauz eingestellt. — In der, früher noch mehr als jetzt, wildreichen
Hubertusburger oder mutzscheuer Haide liegt bei dem Dorfe
Wermsdorf
Hubertusburg, ursprünglich ein prächtiges Jagdschloß
144 Kreishauptmannschaft Leipzig.
August des Starken, daher auch nach dem Schutzpatron der Jäger,
Sanct Hubert, benannt, wo 1736 der militärische St. Heinrichs-
orden gestiftet und 1763 jener berühmte Friede geschlossen wurde,
welcher den siebenjährigen Krieg beendigte. Von des Schlosses
vormaliger Herrlichkeit zeugen nur noch der Hubertussaal und die
mit Gemälden, Gyps- und Marmorarbeiten verzierte katholische
Kapelle, eine verkleinerte Nachbilduug der dresduer Hofkirche, die
jetzt als Pfarrkirche für die Katholiken eines größeren Bezirks dient.
1760 wurde das Schloß von den Preußen mit Friedrichs des
Großen Bewilligung, zur Vergeltung für die von Sachsen ver-
übte Plünderung Charlottenbnrgs, fast ganz verwüstet, sogar das
900 Ctr. schwere Kupferdach an einen berliner Juden verkauft.
Seitdem verödete das Schloß; Napoleon benutzte es als Lazareth.
Jetzt dieut das Hauptpalais als Militärmagazin; in den Seiten-
gebänden befinden sich seit 1834 verschiedene Stras- und Versor-
gungsanstalten, die 1250 Personen beherbergen, darunter ein Landes-
gefängniß, ein Landeskrankenhaus, ein Siech- und Versorgungs-
haus für Geisteskranke, auch eine Blindenvorschule und eine Er-
ziehnngsanstalt sür schwache und blödsinnige Kinder. — Unter den
nahen mutzschener Amtsteichen ist der Horstsee der größte.
Dahlen (2714 Einw.), unweit der Leipzig-Dresdner Eisen-
bahn, nährt sich von Ackerbau. Das dortige von Gras H. von
Bünan (S. 103) 1744—50 erbaute Schloß bewohnte Friedrich
der Große im Februar 1763 während der Hubertusburger Friedens-
unterhandlungen.
Strehla (2083 Einw.) ist die einzige Elbstadt des leipziger
Regierungsbezirks und zugleich die am niedrigsten gelegene des
ganzen Königreichs. Es treibt Elbhandel. Die Kirche enthält eine
1565 gefertigte thönerne Kanzel mit Darstellungen biblischer Ge-
schichten und viele Denkmäler der Familie von Pflugk, deren
Stammhaus Strehla ist; sie besitzt dasselbe seit 1338.
Oschatz (7243 Einw., 583 H., Bahnh. 128m h.), slawisch
Ozzee geheißen, brannte 1842 zum dritten Theil sammt Rathhaus
und Stadtkirche nieder. Letztere, von Heideloff in gothischem Stile
mit zwei Thürmen neuerbaut, im Innern mit einem Frescogemülde,
die Bergpredigt darstellend, und mit Glasmalereien geschmückt, ist
seitdem die Hauptzierde der Stadt. Die altberühmte Tuchmacherei,
die in den letzten Jahrzehnten in Abnahme gerathen war, hebt sich
neuerdiugs wieder und fertigt besonders Mustertuche; das größte
Etablissement dafür ist die Aetienspinnerei mit 1440 Feinspindeln.
Das Rathsarchiv verwahrt eine Handschrift des Sachsenspiegels
und eigenhändige Briefe Luthers, Melanchthons und Spalatins an
den Rath. — Wichtig ist die Zuchtschäferei in dem nahen Thal,
welche mit Schäfereien in allen Erdtheilen, namentlich in Rußland
und Australien, Verbindungen unterhält. — Von der Stadt führt
nach der Elbe der Kaiserweg, so genannt, weil auf ihm 1547
Kaiser Karl V. gegen Johann Friedrich den Großmüthigen zog,
Dahlen; Strehla; Oschatz; Mügeln; Kohren; Frohburg. 145
den er bei Mühlberg erreichte. Mit 3000 Thlrn. mußte sich damals
die Stadt vom Anzünden loskaufen. — Eine Stunde westwärts
von Oschatz steigt der knppelförmige Collmberg 314m hoch aus
dem ringsumgebenden Flachlande auf, seit 1835 mit einem Aus-
sichtsthurme versehen. Den Landleuten dient er als Wettermarke.
In der Nähe desselben hielten die meißner Markgrafen im 12. und
13. Jahrhundert mit ihren Vasallen häufig Landtage. An seinem
Fuße lagerte sich im Hussitenkriege 1430 Markgraf Friedrich von
Brandenburg zur Hilfe für Friedrich den Sanftmüthigen.
Mügeln (2499 Einw.) in der überaus fruchtbaren Döllnitzaue
treibt Acker- und Obstbau, namentlich werden Pflaumen in großer
Menge versendet; Wollstrickerei ist neuerdings ein Erwerb für arme
Kinder geworden. Die südlich vorliegenden Höhenzüge enthalten
reiche Kalksteinlager, die stark ausgebeutet werden. Daß die
Kaiserin Agnes hier der meißner Kirche 50 Hufen Land schenkte,
veranlaßte den Bischof Gerung von Meißen, bei „Mogelin" ein
Schloß (147 m h.) zu bauen, welchem spätere Bischöfe bei dessen Wahl
zu ihrem ruhigen Aufenthaltsorte den Namen Ruhethal gaben.
Vor dem Altar der Kirche schlummert der 46. und letzte Bischof
von Meißen, Johann IX. von Haugwitz, der sich 1582 zur Re-
formatiou bekannte, hier sich vermählte und 1595 starb. Auf dem
Pfarrfelde des nahen Dorfes Altmügeln wird jährlich der so-
genannte „Stoppelmarkt" gehalten, wo Federn und Flachs die
Hauptartikel sind. — Das Rittergut Schweta an der Döllnitz
ist seit 1862 großherzoglich-weimarische Domaine und hat eine
große Käserei.
In Sornzig stand ehedem ein Nonnenkloster. Auch von hier
entflohen, wie aus dem zu Nimpscheu, 1523 mehrere Nonnen. Einen
mittweidaer Bürger, der ihnen dabei behilflich gewesen war, ließ
Herzog Georg dafür hinrichten. 1539 wurde das Kloster aufge-
hoben und gegenwärtig gehört das Klostergut dem königlichen
Hanse, welches die Einkünfte dem Josephinenstist in Dresden zu-
kommen läßt. Bei Sornzig wurde 1818 die weiße Erdenzeche
entdeckt, aus welcher man Porzellanthon gewinnt. Derselbe wird,
nachdem er in der hiesigen Thonwäsche gereinigt ist, in die meißner
Porzellanfabrik geliefert. — Unfern Sornzig erhebt sich der Besten-
berg mit malerischen Umgebungen.
In dem westlichen Theile des Bezirks, dem Gebiete der Weißen
Elster, liegen, außer Leipzig, mehrere kleine Landstädte, unter
denen Borna die größte ist.
In Kohren (1077 Einw.) und Frohbnrg (2811 Einw.) an
der Wyhra, bilden Ackerbau, Weberei und Töpferei die Haupt-
erwerbszweige. Auf dem Schlosse zu Kohren, dessen Trümmer zu
den schönsten Burgruinen gehören, hauste Kunz die Nacht vor dem
Prinzenraube, um dem altenburger Schlosse nahe zu sein; denn
Kohren gehörte seinem Schwager, einem von Meckan. — In der
Nachbarschaft zeichnet sich das große Rittergut Sahlis durch feine
Engelhardts Baterlandskunde. 11. Aufl. 10
146 Kreishauptmannschaft Leipzig.
vorzügliche Bewirtschaftung aus. In Rüdigsdorf verweilte oft
Gellert; noch wird daselbst ein Quell und ein Ruheplatz nach ihm
genannt. — In dem Städtchen Geitham (3706 Einw.) nahm unter
anderm Kaiser Karl V. Quartier auf dem Marsche gegen Johann
Friedrich den Großmüthigen 1547.
Bei Kohren liegt ferner das Dorf Gnandstein, wo Band-
jaspis oder gnandsteiner Bandstein bricht. Es ist das Stammhaus
der adeligen nnd gräflichen Familie von Einsiedel, deren Ahnherr
Konrad in der Schlacht bei Anßig 1426 von den Hnssiten gefangen
wurde, nach seiner Befreiung ins Gelobte Land wallfahrtete und
von dort nach zwanzigjähriger Gefangenschaft heimkehrte. Die
Kirche enthält viele werthvolle Denkmäler und Gemälde (unter
andern auch Luthers Bildniß), darunter einige von dem älteren
Cranach, das Schloß eine Kapelle und viele Bildnisse derer von
Einsiedel, das Archiv eigenhändige Briefe Luthers an Heinrich von
Einsiedel, den ersten seines Geschlechts, der sich zur Reformation
bekannte und der deshalb von Herzog Georg dem Bärtigen auf alle
Art verfolgt, von Luther aber oft brieflich getröstet ward. Die von
Einsiedel gehörten zu den eifrigsten Anhängern der Reformation, zu
den lebendigsten Freunden der Wissenschaften und zu den reichsten
Rittern Sachsens. Obenerwähnter Heinrich z. B. hatte neun Söhne
und fünf Töchter und hinterließ jedem Sohne ein Rittergut, jeder
Tochter eine verhältnißmäßige Entschädigung. — Auch die Kirche
zu Priesnitz, nördlich von Frohburg, enthält viele Bildnisse be-
rühmter Männer aus den Zeiten der Reformation.
Borna (6081 Einw., 528 H.), an der Wyhra (Bahnh. 140m
h.) treibt ansehnliche Feldgärtnerei, besonders auch Zwiebelbau,
uud fabrieirt jährlich über 300.000 Paar Filzschuhe. Hier wurde
1760 der 1831 als Cousistorialrath zu Königsberg verstorbene
D int er geboren, welcher sich durch Wort und Schrift vielfache
Verdienste um das Volksschulwesen, insbesondere um das sächsische
erworben hat. Der bei der hundertjährigen Wiederkehr seines Ge-
bnrtstages gefaßte Plan, ihm zu Ehren auch in Borna, wie schon
früher in Grimma, ein Schullehrerseminar zu gründen, ist 1863 zur
Ausführung gekommen. Von Borna aus war es, wo Luther am
5. März 1522 Friedrich dem Weisen brieflich meldete, daß er die
Wartburg verlassen habe und daß er „gen Wittenberg komme in
gar einem viel höhern Schutz, denn des Kurfürsten". — In der
ganzen Umgegend wird sehr viel Braunkohle und Torf gegraben.
Zu Nenkersdorf stand früher eine Wallfahrtskirche, weshalb die
aufständischen Bauern 1525 die Pfarre stürmten. Dagegen ver-
hielten sie sich bei den Bauernunruhen 1791 so ruhig, daß ihr Guts-
Herr, aus dem Wiukel, deshalb der Gemeinde einen silbernen Becher
schenkte. Zum Andenken daran wird jährlich am Johannistage ein
Fest gefeiert, bei welchem jeder neue Einwohner aus demselben
trinken muß. — Lausigk (3531 Einw.) hat eine Plüschfabrik sowie
Borna; Lausigk; Naunhof; Taucha; Groitzsch; Pegau; Zwenkau. 147
einen eisen- und schwefelhaltigen Mineralbrunnen, Hermanns-
bad genannt.
Rechts von derParthe sind die Städtchen Naunhof (1371 (Struth)
und Brandis (1971 Einw.) zu nennen. An der Parthe selbst liegt
Taucha (2698 Einw.), die nördlichste Stadt Sachsens, im Mittel-
alter ein nicht unbedeutender Handelsplatz, sie gehörte schon im
10. Jahrhundert zum Erzbisthum Magdeburg; das von Erzbischos
Albrecht 1120 auf einer Anhöhe erbaute Schloß wurde um 1280
von Markgraf Dietrich von Landsberg zerstört. Die Bedeutung
der Stadt sank seit ihrer Verwüstung durch die Hussiten; 1569
kaufte sie der leipziger Rath. Der tauchaer Jahrmarkt ist eine Art
von Volksfest für die ganze Gegend, das freilich in den letzten
Jahren mehr und mehr heruntergekommen ist. — Im nahen Dorfe
Sommerfeld lebte und starb (1695) der gelehrte Bauer Arno ld.
Durch eigenen Fleiß wie durch Umgang mit leipziger Gelehrten
hatte er sich Kenntnisse, besonders in der Sternkunde, erworben,
und beobachtete in einer auf sein Haus gebauten Sternwarte
fast zuerst mehrere Kometen, was ihn in ganz Deutschland berühmt
machte. Der leipziger Rath verlieh ihm, nebst Ehrengeschenken,
Abgabenfreiheit, ließ auch sein Bild in der Rathsbibliothek auf-
hängen.
An der Pleiße liegen oberhalb Leipzigs Regis (761 Entw.),
Lobstädt und Rötha (2029 Einw.); in der Umgebung der beiden
ersten wird die römische Camille in großen Massen gebaut, die einen
bedeutenden Handelsartikel, besonders nach Amerika, abgibt. —
Auf der zum Rittergut Kieritzsch gehörigen Wüstung Zölls-
do rs lag sonst ein Vorwerk, das Luther besaß, und welches er 1542
testamentlich zum Wittweusitz seiner treuen Käthe bestimmte. Dort
fand er oft Erquickung von den Stürmen des Lebens und schrieb
deshalb einst an einen Balken der Stube: „Willst-du Trost haben,
so gehe nach Zöllsdorf." Obschon dieses von der Türkensteuer frei
war, zahlte er sie doch, um andern Gutsbesitzern kein böses Beispiel
zu geben. Bei der Reformationsjubelfeier 1817 erneuerte man dort
festlich sein Andenken.
An oder uuweit der Elster liegen die drei Städte Groitzsch
(4093 Einw.), Pegau (4449 Einw.) und Zwenkau (3094 Einw.).
In Groitzsch hat sich die Schuhmacherei so fabrikmäßig entwickelt,
daß es die Hauptschuhmacherstadt Sachsens ist. Ein Bürger aus
Groitzsch, welcher lange in türkischer Gefangenschaft gelebt und da-
bei die Babuschen oder Saffianpantoffeln kennen gelernt hatte, lehrte
vor etwa 180 Jahren zuerst deren Anfertigung. Jetzt liefern von
hier aus etwa 1000 Schuhmacher jährlich über 70.000 Dutzend
Paar Babuschen und anderes Schuhwerk im Werthe von mehr
als 1V2 Mlll. Mark.
Groitzsch war einst Besitzthum des berühmten Grafen Wi-
precht v. Groitzsch, welchem auch ein großer Theil des Pleißner-
landes, der Oberlausitz und Leisnig gehörte, der durch fränkische
10*
148 Kreishauptmannschaft Leipzig.
Kolonisten die Kultur jener Gegend beförderte und sein abenteuer-
reiches Leben als Mönch in dem von ihm zu Pegau gestifteten
Kloster 1124 beschloß, wo er auch begraben wurde. Seine reichen
Güter sielen nach dem kinderlosen Ableben seiner Söhne an das
Haus Wettin. Die Grundmauern der einst zu seiner Burg Groitzsch
gehörigen Kapelle fand man 1849 zufällig bei Gelegenheit des
Grundgrabens zu einem Wirthschaftsgebände wieder anf. In der
Lorenzkirche zu Pegau ist sein gegenwärtig prächtig erneuertes Bild-
niß in Stein gehauen; dort ruht auch der in der lützener Schlacht
1813 gebliebene Prinz Karl von Hessen-Homburg. Eben in jener
Kirche war es auch, wo Herzog Moritz von Sachseu-Zeitz, der 1715
katholisch geworden war, am 16. Oct. 1718 sich wieder zu Luthers
Lehre bekannte, indem er mit der ganzen Gemeinde das heilige
Abendmal genoß.
Die in Pegau eingeführte Sitte, den sonntägigen Nachmit-
tagsgottesdienst allemal mit dem Liede: „Wenn wir in höchsten
Nöthen sind :c. zu beginnen, stammt aus der schweren Bedräng-
niß, welche die Stadt im dreißigjährigen Kriege erlitt. Weil näm-
lich sächsische Soldaten unter Anführung der Parteigänger Flachs
Veit und Fiedelhans schwedische, von Pegau erpreßte Gelder, die
nach Leipzig gehen sollten, zu rauben versuchten und dabei eine
schwedische Dame gemißhandelt hatten, beschoß der schwedische Gene-
ral Torstenson am 5. Dee. 1644 die Stadt und drohte mit gänz-
licher Zerstörung, ließ sich aber durch die Vorstellungen des ebenso
frommen als mnthigen Superintendenten Dr. Lange doch endlich
bewegen, sie zu verschonen. — Zwenkau ist eine der ältesten
Städte Sachsens, schon im I. 955 stand es; es treibt viel Korb-
macherei und Strohflechterei, hat eine Pulverfabrik und fertigt
Papierlaternen, das Dutzend zu 65—80 Pfg. In Zwenkau nahmen
Kaiser Alexander und der König von Preußen im 1.1813 ihr Haupt-
quartier vor der Schlacht bei Großgörschen, zu Groitzsch in der
Nacht nach derselben.
Dicht oberhalb der Stelle, wo sich diePleiße und Parthe
mit der Elster vereinigen, liegt
Leipzig, an Größe die zweite, in Bezug auf Wissenschaft und
Handel, durch seine Universität und die Messen, die erste Stadt
Sachsens; sie hat 3455 Häuser und 127.387 Einwohner, 22 ösfent-
liche Plätze (Markt 113m h.) und 175 Straßen, und ist der Sitz
einer Kreishauptmannschaft, eines Apellationsgerichts, eines Ober-
Postamts, eines Hanptzoll- und eines Hauptsteueramts, einer Handels-
und Gewerbekammer, der Landeslotterieverwaltung und des Reichs-
oberhandelsgerichts zc. Unter den 9 Kirchen ist die schönste die
Nicolaikirche, 1525 an der Stelle einer älteren erbaut und
1785 renovirt, mit Marmorverzierungen, Oeserschen Gemälden und
einer vorzüglichen neuen, von Ladegast gebauten Orgel; in einer
Seitenhalle steht eine alte Kanzel, auf der einst Luther predigte.
Diese Kirche war 1813 die einzige, welche von den Gräueln des
Leipzig. 149
Kriegs verschont und dem Gottesdienst gewidmet blieb. In der
Thomaskirche, vor deren Marmoraltar Markgraf Diezmann
1307 ermordet worden sein soll, predigte Luther 1519 vor seinem
Feinde, Georg dem Bärtigen, und 1539 vor seinen Freunden Hein-
rich dem Frommen und Johann Friedrich dem Großmüthigen. In
der Universitäts- oder Paulinerkirche ruhen Diezmann, wel-
chem König Friedrich August II. eine steinerne, von Rietschel gear-
beitete Tumba errichten ließ, und Kurfürst Ernsts 1484 zu Leipzig
verstorbene Gemahlin, Elisabeth von Baiern, deren Denkmal ein
Meisterstück der Bildhauerkunst des 15. Jahrhunderts ist. Die Pau-
linerkirche weihete Luther selbst durch eine Predigt am 12. Aug. 1545
zum evangelischen Gottesdienste ein. Unter dem Altare lag der be-
rüchtigte Ablaßkrämer Tezel begraben, dessen Gebeine aber, als die
Kirche 1642 durch einen Festungsbau der Schweden Veränderungen
erlitt, heraus und wahrscheinlich in den Festungsgraben geworfen
wurden. In neuerer Zeit ist die eben durch jenen Festungsbau
verunstaltete Morgenseite der Kirche in angemessener Art herge-
stellt worden. Die übrigen evangelischen Kirchen sind: die Neu-
oder ehemalige Barsüßerkirche und die Peterskirche, welche
beide vor kurzem zu eigenen Parochialkirchen erhoben worden sind,
ferner dit Jakobs- und die Johannis- oder Hospitalkirche.
Letztere war früher von dem Johanniskirchhofe umgeben, der westliche
Theil desselben ist aber wegen des Wachsthums der Stadt eingezogen
und nur Gellerts Grab erhalten worden. Auf diesem Kirch-
Hofe, der durch die liebevolle Pflege der Einwohner das Ansehen
eines freundlichen Gartens besitzt, schlummern viele berühmte Man-
ner, wieSeb. Bach, Hiller, Schicht, Eh. F. Weiße, Spohn,
Oeser, Tzschirner, Mahlmann, G. Herrmann u. a. Ein
neuer Gottesacker liegt vor der Stadt in der Nähe der Thon-
bergsstraßenhänser. Die Katholiken, etwa 3800, haben seit
1847 eine kleine aber geschmackvolle, in gothischem Stile erbaute
Kirche; die Reformirte Gemeinde, meist durch Schweizer und aus
Frankreich vertriebene Hugenotten entstanden, zählt 3352 Seelen.
Die Juden, 2564 an der Zahl, besitzen eine schöne 1855 erbaute
Synagoge; außerdem aber gibt es, besonders während der Messe,
wo sich viele fremde Juden in Leipzig aufhalten, mehrere Privat-
srmagogen. Die Griechen, der Zahl nach die schwächste Gemeinde
(154 Köpfe), begnügen sich mit einer Kapelle in einem Privat-
hause der Katharinenstraße.
Das Schloß Pleißenbnrg, ursprünglich von Markgraf
Dietrich dem Bedrängten angelegt, um die widerspänstige Stadt
im Zaume zu halten, war ehedem eine wichtige Festung, ist seit
1831 Garnisonscaserne, enthält aber außerdem noch die Kunst-
akademie, die Baugwerkeuschule, die Bezirkssteuereinnahme und
das Gerichtsamt; in dem dicken Thurme befand sich früher die
Sternwarte, die seit 1861 in ein eigenes Gebäude verlegt ist.
Der Unterbau der neuen Caserne zeigt noch die alten Basteien.
150 Kreishauptmannschaft Leipzig.
In der Pleißenburg wurden viele denkwürdige Landtage gehalten,
der letzte durch Karl XU. von Schweden zur Bestimmuug seiner
Forderungen an das von ihm 1704 eroberte Sachsen. DerTrotzer,
der der Stadt zugekehrte Theil der Pleißenburg, sonst ein gefürch-
tetes Staatsgefängniß, ist abgebrochen worden um mächtigen Ge-
treidethürmen Platz zu machen; erhalten ist davon das Erker-
Zimmer, in welchem am 7. Nov. 1632 der in der lützener Schlacht
»Tags vorher tödtlich verwundete kaiserliche General Pappenheim
gestorben sein soll. In der alten jetzt verschwundenen Burg hielten
1519 Karlstadt und Luther mit Eck die in der Reformations-
geschichte bekannte neuntägige Disputation, welche zur Folge hatte,
daß Luther sich offen und entschieden gegen den Papst erklärte.
Früher war auch die Stadt befestigt, hörte aber seit dem Ende
des siebenjährigen Krieges auf es zu sein. Die Festungswerke
verschwanden uach und nach, die Thore wurden abgetragen, die
Wälle verwandelten sich in eine Lindenallee, die noch jetzt die
alte Bedeutung des Namens Leipzig (Lindenstadt) rechtfertigt, und
in einen Gürtel von Promenaden, welcher die innere Stadt von
den Vorstädten trennt. Eine Hauptzierde Leipzigs bilden die neuen
Anlagen auf der Südseite, an denen die prachtvolle Schillerstraße
hinläuft. Es zerfällt sonach in die innere Stadt, in die inneren
(die Grimmaische, Hallische, Ranstädter, Peters- und Johannis-
vorstadt) und die äußeren Vorstädte.
Die innere Stadt, Leipzigs ältester Theil, enthält viele alte
und stattliche Gebäude, eigentümlich an Bauart durch die zahl-
reichen Erker und die engen, rings von hohen Gebäuden um-
schlossenen Höfe; unter diesen ist der berühmteste Auerbachs Hof,
1530 erbaut, das größte Privatgebäude Leipzigs und früher noch
mehr als jetzt der Mittelpunkt des Meßhandels, besonders in
Luxus- und Modewaaren. Die Treppe von Auerbachs Keller hinauf
vollführte der Schwarzkünstler Dr. Faust seinen berühmten Ritt
auf dem Fasse. Außerhalb der Promenaden lagen früher mehrere
große Gärten, z. B. der Bose'sche, Richter'sche, Reichel'sche,
Gerhard'sche und Löhr'sche, welchen letzteren Banquier Lohr
in den Hungerjahren 1770 und 1771 anlegen ließ, um den Armen
der Stadt Arbeit und Brod zu verschaffen, sie alle sind jetzt in
stattliche Vorstädte verwandelt. Merkwürdig ist besonders der
westliche Theil der Stadt, wo sich auf ehemals wegen seiner Fieber-
lust verrufenem Sumpfboden durch die rastlose Thätigkeit eines
leipziger Bürgers, des Di'. Heirte, der nach ihm benannte H ei nesche
Anbau erhebt. Derselbe Mann hat die Elster mit der Pleiße
durch einen Schleusenkanal verbunden und auf ersterer sogar eiue
Dampfschiffahrt bis Plagwitz eingerichtet. Gegen Osten^ sind die
Friedrichs- und die Marienvorstadt, gegen Süden die
Zeitz er Vorstadt entstanden. Eine Wasserleitung, die das von
den Bauerwiesen auf die probsthaidaer Höhe gehobene Wasser
durch die ganze Stadt vertheilt, ist seit 1866 in Thätigkeit.
Leipzig. 151
Die vorzüglichsten öffentlichen Gebäude sind außer denen der
Universität (siehe S. 152) das aus dem 16. Jahrhundert stammende
Rath Haus, an welchem eine Tafel an das große Turnfest
von 1863 erinnert, die Fleischhalle, das Gewand Hans mit
Concert und Ballsaal, sowie der Rathsbibliothek, welche über
80.000 Bände, 2000 Handschriften und manche Seltenheiten ent-
hält, das neue palastähnliche Armenhaus, das Hauptzollamt
und der noch im Bau begriffene Justizpalast, unter den Bahn-
Höfen besonders der neue Dresdner. Eine Anzahl der bedeutend-
sten Gebäude umrahmt den Augustusplatz, der in Deutschland
wenige seines gleichen hat, nämlich die Universität, die erste
Bürgerschule, auf der von Kurfürst Moritz errichteten Bastei
erbaut, das 1838 errichtete Postgebäude, in dem auch die
Kreishauptmauuschast und das Appellationsgericht ihren Sitz
haben, das neue königliche Palais, das Museum, welchem
gegenüber das herrliche neue Theater an stelle des abgetra-
genett Schneckenberges so steht, daß es dem Park und dem Schwanen-
teiche mit seiner stattlichen Fontaine die Rückseite zukehrt. Reich
an schönen, geschmackvollen Privathäusern sind namentlich die Vor-
städte: eins der bedeutendsten unter diesen ist das von Or. Härtel
in italienischem Stile erbaute und im Innern mit Frescomalereien
gezierte Römische Haus in der Petersvorstadt.
Die höchste Zierde aber, deren Leipzig sich rühmen kann, bleibt
der wackere und tüchtige Sinn seiner Bürger, der sich nicht bloß
in Fleiß, Betriebsamkeit und Intelligenz, sondern vorzüglich auch
in der Bereitwilligkeit, jeden edlen und schönen Zweck zu fördern,
äußert, und sich fort und fort in einer großen Zahl wohlthätiger
Stiftungen bethätigt.
Den Anlaß zur Gründung der Universität gaben die durch
Hussens Neuerungen entstandenen Spaltungen auf der Universität
Prag, in Folge deren die Deutschen, Doctoren, Magister und
Studenten, im Mai 1409 von dort fortzogen und, 500 an der
Zahl, bei Friedrich dem Streitbaren zu Leipzig freundliche Auf-
nähme fanden. Als Gründungstag gilt der vierte December.
Papst Alexander V. bestimmte den Bischof von Merseburg zum
Kanzler der neuen Universität, der Markgraf schenkte ihr das große
und das kleine Fürsteucolleginm zu Wohnuugen für Lehrer und
Studenten, sowie drei Dörfer. Den größten Theil ihrer Aus-
stattuug verdankt sie aber dem Herzog Moritz, welcher auf Be-
trieb des trefflichen Professors der Theologie, C. Börner, 1542
derselben das gauze ausgehobene Paulinerkloster sammt der Kirche
und 5 bisher dem Thomaskloster gehörige Dörfer schenkte. Ihre
gegenwärtige Verfassung hat die Universität seit 1830. An der
Spitze derselben stehen der alljährlich neu gewählte Rector Mag-
nisicus, der jedesmal zum Reformationsfeste sein Amt antritt,
und der aus sämmtlichen ordentlichen Professoren gebildete aka-
demische Senat, welche über allgemeine akademische Angelegenheiten
152 Kreishauptmannschaft Leipzig.
entscheiden und nebst dem Universitätsrichter die akademische Ge-
richtsbarkeit üben. Die ausgedehnte Vermögensverwaltung steht,
theilweise unter Zuziehung der akademischen Verwaltungsdeputation,
dem Universitätsrentamte zu. Früher theilte sich die Universität
nach dem Muster der prager in die sächsische, meißnische, srän-
kische oder bairische und die polnische Nation; an die Stelle dieser
Einteilung ist die bloß nach Lehrfächern bestimmte in 4 Facul-
täten, nämlich in die theologische, juristische, mediciuische und philo-
sophische, getreten, deren Glieder gleiche Rechte und gleiche Pflichten
haben.
Die Universität ist eine der reichsten in ganz Deutschland;
ihr Vermögen in Grundbesitz und Werthpapieren beläuft sich auf
ungefähr 12 Mill. Mark. Allein da hiervon ein großer Theil
zu stiftungsgemäßen Zwecken bestimmt ist, so bedarf die Univer-
sität als Lehranstalt noch eines jährlichen Staatszuschusses von
mehr als 600.000 M. Außer den genannten Häusern besitzt sie
in der Stadt das Augusteum, das eigentliche Universitätsgebäude,
seit 1831 erbaut und Friedrich August dem Gerechten zu Ehren
genannt, welches die große Aula für akademische Festlichkeiten,
Hörsäle ze. enthält und am Giebelfelde eine allegorische Darstellung
der vier Facnltäten nach Rietschels Entwurf zeigt, das Friede-
ricianum, in dem sich das physikalisch-chemische Laboratorium
und die archäologische Sammlung befinden, das Börneriannm,
zum Andenken an den um' die Universität hochverdienten Rector
Caspar Börner (s. 151) so genannt, mit den neueren und größeren
Auditorien, das alte und neue Petrinum, beide Eigenthum der
Juristenfacultät, das Rothe Eollegium, der philosophischen
Faeultät gehörig, das Grundstück zur „Stadt Dresden" im Be-
sitze des Franencolleginms und an Wohnhäusern das Mau-
ricianum, das Fürstenhaus u. a. m. Die Wandmalereien
im Kreuzgange des Panlinnms, meist Darstellungen aus der
Legende der heiligen Katharina, deren älteste aus dem 13. Jahrh.
stammen, sind seit 1868 wieder aufgefrischt worden.
Unter den Lehrern der leipziger Universität glänzen die Namen
eines Thomasins, Gottsched, Gellert und G. Herrmann,
zu ihren Schülern haben Leibnitz, Klopstock, Lessing, Goethe
und Jean Paul gehört. Gegenwärtig zählt sie 66 ordentliche,
46 außerordentliche Professoren, 43 Privatdocenten und fast
3000 Studireude, unter welchen zwei Dritttheile Ausländer; sie
besitzt eine kostbare Bibliothek von 400.000 Bänden, sowie einer
bedeutenden Anzahl von Handschriften und Pergamentdrucken, zu
welcher die Büchereien von vier im 16. Jahrhundert aufgehobenen
Klöstern die Grundlage gebildet haben, nebst Münzsammlung von
nahezu 100.000 Stück, eine Sternwarte, eine archäologische Samm-
lung, ein anatomisches Theater, eine medicinische, eine chirurgische
und eine orthopädische Poliklinik, ein Institut für Augenheilkunde,
einen botanischen Garten, ein zoologisches und ein mineralogisches
Leipzig. 153
Museum, ein physiologisches Institut, ein mineralogisches und ein
zoologisches Cabinet, ein landwirtschaftliches Institut, drei chemische
Laboratorien und uoch viele andere wissenschaftlichen Anstalten und
Sammlungen. An der Universitätskirche ist im I. 1862 das
Prediger-Collegium znSt.Panli errichtet worden, bestimmt,
die Ausbildung der Candidaten der Theologie zu vollenden. Zum
Besten armer Stndirender gibt es viele Stiftungen und Stipen-
dien, besonders königliche, durch welche denselben jährlich an
90.000 Mark zufließen; im Convict werden 278 Studenten, davon
125 auf königliche Kosten, gegen einen kleinen Beitrag, gespeist. —
Die am 1. Juli 1846, Leibnitzens 200jährigen Geburtstage, ge-
stiftete königliche Gesellschaft der Wissenschaften hält ihre
Sitzungen im Panlinum; außer ihr besteht uoch eine große Zahl
wissenschaftlicher Vereine: die Jablonowsische Gesellschaft der
Wissenschaften, die Deutsche, die Naturforschende Gesellschaft, der
Verein für Erdkunde, der für die Geschichte Leipzigs, der sich u. a.
die Aufgabe gestellt hat, die Wohn- oder Geburtshäuser hiesiger
berühmter Männer mit Gedenktafeln zu schmücken, die Polytech-
nische Gesellschaft, ferner ein Kunstverein, eine ökonomische So-
cietät u. a.; endlich ist Leipzig der Sitz des Gustav-Adolf-Vereins
und der Lutherischen Missionsgesellschaft, welche letztere hier ein
Missionshaus besitzt.
Leipzig hat zwei Gymnasien, die Thomas schule, schon 1225
gegründet, daher die älteste von allen Schulen der Stadt, und die
Nicolaischule; an beiden haben viele berühmte Männer, unter
andern die großen Philologen Geßner, Ernesti, Reiske, Fischer,
Rost :c. gelehrt. Wiederholt ist Leipzig durch Fortschritte auf
dem Gebiete des Schulwesens anderen Orten mit gutem Beispiele
vorangegangen: das von Heinicke 1778 gegründete Taub-
stummeninstitnt war die erste Anstalt dieser Art in Deutsch-
land, die Sonntagsschule, welche hier 1815 nach dem Muster
der Hamburger und berliner eingerichtet wurde, war die erste in
Sachsen, ebenso die 1831 aus dem Vermögen der Kramerinnung
gegründete Handelsschule und die 1834 entstandene Real-
schule. Uebrigens hat Leipzig eine gewerbliche Fortbildungsschule
und 13 Volksschulen, außerdem 13 Privatschulen, darunter 2 kauf-
münuische Fortbildungsschulen und eine Buchhändlerlehranstalt,
ein 1864 erbautes großes Waisenhaus, mehrere durch Privat-
mildthätigkeit gegründete und erhaltene Kinderbewahranstalten,
viele milde Stiftungen und treffliche Armenanstalten: eine Speise-
anstatt, eine durch Vermächtnisse begründete Stiftung für blinde
Kinder, einen kaufmännischen Verein und Vereine für kranke Hand-
werker, verschieden gemeinnützige Anstalten, Lebens-, Feuer- und
landwirtschaftliche Versicherungen ic.
Wie Dresden die Stadt der bildenden Künste zu heißen ver-
dient, so ist Leipzig Sachsens Musikstadt. Den Grund dazu hat
die mit der Thomasschule verbundene Siuganstalt gelegt, an
154 Kreishauptmannschaft Leipzig.
deren Spitze einst die berühmten Tonkünstler Seb. Bach, Doles,
Hill er, Schicht und Hauptmann standen, und die sehr wesent-
lich auf Verbesserung des Gesanges in Deutschland gewirkt hat.
Der Mittelpunkt aller musikalischen Bestrebungen Leipzigs wurde
aber das 1743 von Privatleuten begründete Große Concert,
das 1781 in den Gewandhanssaal übersiedelte und besonders unter
F. Mendelssohn-Bartholdy's Leitung sich zu dem tonangebenden
Kunstinstitute erhob. Wenige Städte haben so vorzügliche Musiker,
keine ein so musikverständiges Publikum wie Leipzig; dafür wirkt
das 1843 aus Anregung Mendelssohn-Bartholdy's mittelst eines
Legats des Oberhosgerichtsraths Blümner gegründete Conser-
vatorium, eine Schule für solche, die sich in der Musik ausbilden
wollen. Daß aber in Leipzig auch Sinn für andere Künste lebt,
dafür zeugt vor Allem das städtische Museum, durch eine groß-
artige Schenkung des Kaufmanns Schletter, der der Stadt einen
Theil seines Vermögens und seine reiche Gemäldesammlung ver-
machte, im I. 1859 begründet, und seitdem durch die Sammlung
des Kunstvereins, sowie durch mehrere andere Vermächtnisse, Ge-
schenke und Ankäufe ansehnlich erweitert; auch ist im Auftrage dieses
Vereins die Loggia des Museums vou Th. Große mit Fresken aus-
geschmückt worden. In Del Veechio's permanenter Kunst-
ausstellung wird dem Kunstfreund stets eine schöne Auswahl
neuerer Gemälde geboten. An hervorragenden Werken der plasti-
schen Kunst dagegen ist Leipzig arm; es besitzt u. a. eine Marmor-
statne König Friedrich Augusts I. aus dem Königsplatze, ein
Denkmal des Landwirths Thaer an der ersten Bürgerschule, des
Bürgermeisters Müller in den von ihm gegründeten Parkanlagen,
des Arztes Hahnemann am alten Theater, und vor der Thomas-
schule die Seb. Bachs und Hillers.
Was aber Leipzigs Namen auf dem ganzen Erdball berühmt
macht, und was die Grundlage seines Wohlstandes bildet, das ist
sein Handel. Ungefähr gleich weit entfernt vom Meer wie von
den Alpen, von der Oder wie vom Rhein, ist es dnrch seine Lage
auf dem Knoten- und Kreuzungspunkte zweier uralter Hauptstraßen
des Reiches wie gegenwärtig dem der wichtigsten Eisenbahnlinien
seit Jahrhunderten zur großen Stätte des deutschen, ja sast des
europäischen Handelsverkehrs geworden, der besonders auf den
Messen zu Ostern, Michaelis und Neujahr beruht. Ihren Ur-
sprung als landesfürstliche Märkte verdanken die beiden ersten Otto
dem Reichen im 12., die letzte, minder bedeutende, Friedrich dem
Sanstmüthigen im 15. Jahrhundert, doch wurden sie erst unter
Ernst und Albrecht zu Reichsmessen erhoben. Die Jnbilate- oder
Ostermesse, die durchschnittlich von 3500 Firmen, darunter 1000
sächsischen, besucht wird, gehört zu den wichtigsten Messen Europas,
der Waarenumsatz ist hier einer der großartigsten in und außer
Europa; der Gesammteingang an Waaren pflegt gegen 400.000 Etr.
zu betragen. Die Hanptartikel des Großhandels in der Messe
Leipzig. 155
sind wollne, baumwollne, leinene und seidene Fabrikate, Leder,
Kurzwaareu, Glas und Uhren. So bilden die leipziger Messen die
Handelsvermittelung zwischen den Ländern, welche Maaren er-
zeugen, und denen, welche sie verbrauchen, zwischen dem Zollver-
ein, der Schweiz und England auf der einen, Italien, Osteuropa,
Amerika, der Levante, Indien und China auf der andern Seite,
vor allem aber sind es die sächsischen Manufactureu, die von hier
aus in alle Welt gehen*). Besonders großartig ist außerdem der
Rauchwaarenhandel, der jährlich für mehr als 20 Mill. M. des
kostbarsten Pelzwerkes aus Europa, Asien und Amerika, d. h. ein
Dritttheil von dem Gesammtertrag der ganzen Erde, in Leipzig
zusammenführt, und für den Leipzig auch außer der Messe ein
fortdauernder Markt ist. — Käufer und Verkäufer aus den ent-
ferntesten Theilen der Erde begegnen sich in dem bunten Gewim-
mel der Messe, die Zahl der angemeldeten Fremden übersteigt in je-
der der beiden Hauptmessen gewöhnlich 26.000, alle Gasthäuser
füllen sich bis unters Dach und Tauseude von Leipzigs Bewohnern
beschränken sich auf das engste Plätzchen, um ihre Zimmer an Meß-
fremde zu vermiethen. Und wenn auch in Folge der verbesserten
Verkehrsmittel der Handel nicht mehr in demselben Maße wie früher
der Vermittlung durch die leipziger Messen bedarf, viele Fabrikanten
dieselben nicht mehr mit Maaren sondern nur mit Mustern be-
ziehen und besonders viele sächsische jetzt den Verkehr mit ihrer
Meßkundschaft dem leipziger Zwischenhandel überlaßen, so ist doch
der Meßhandel, namentlich in zollvereinsländischen Fabrikaten, auch
in der letzten Zeit von Jahr zu Jahr gestiegen. Wegen dieses
außerordentlich weit verzweigten Handelsverkehrs haben fast alle
handeltreibenden Staaten ihre Konsulate in Leipzig.
Aber auch außer den Messen hat Leipzig einen sehr bedeutenden
eigenen Großhandel, besonders in Kolonial- und Farbewaaren,
Spiritus, Droguen, in- und ausländischen Hölzern, für welchen die
Stadt ein großes Lagerhaus erbaut hat. Die 1678 erbaute Börse
und die neu errichtete Leipziger Börsen halle sind die Haupt-
orte für den täglichen Geschäftsverkehr der leipziger Handelswelt.
Seit 1826 ist auch der jährliche Wollmarkt, und neuerdings der
Pferdehandel, sowie der Handel mit Getreide und Oelfrüchten von
*) In dem fünfjährigen Zeitraum von 1870—74 winden zugeführt:
aus Preußen:
Baumwollne Seidenwaaren Wollen- Leinen- verschiedene zusammen
Maaren Maaren
131.925 Ctr. 11.881 Ctr. 394.832 Ctr. 39.834 Ctr. 332.664 Ctr. 911.136 Ctr.
aus Sachsen:
161.914 „ 2118 „ 307.571 „ 103.406 „ 134.557 „ 709.566 „
ans den übrigen Vereinsländern:
38.495 „ 3407 „ 60.584 „ 2946 „ 183.466 „ 288.898
156 Kreishauptmannschaft Leipzig.
Wichtigkeit geworden, daher auch seit 1868 alljährlich im Juli
ein internationaler Produktenmarkt hier abgehalten wird, und die
1842 errichtete Oel- und Produktenbörse bildet den Mittelpunkt
für einen bedeutenden Theil des sächsischen Prodnktengeschäfts.
Eine besonders hohe Bedeutung für das ganze geistige Leben
unserer Nation hat Leipzig als Hauptsitz des deutschen Buch-
Handels, der von hier aus seine musterhafte Organisation erhal-
ten hat. Leipzig zählte 1875 374 Buchhändlerfirmen, von denen
19 zugleich Musikalienhandlungen sind, 169 sich vorwiegend mit Ver-
lagshandel und 115 gleichzeitig mit der Vertretung auswärtiger
Firmen (S. 157) beschäftigen, 18 eigne Druckereien haben; die Namen
der größten unter ihnen, Brockhaus, Tauchnitz, Teubner, Breit-
köpf und Härtel, sind den Gebildeten aller Nationen geläufig und
von Jahr zu Jahr wenden sich neue große Firmen von auswärts
nach Leipzig. Von den 11.748 Büchern, welche 1873 in ganz
Deutschland, Oesterreich und der Schweiz erschienen, gingen 1805
aus leipziger Verlag und ungefähr der dritte Theil aus säch-
fischen Pressen hervor; 92 Buchdruckereien beschäftigen 45 Hand-
pressen, 315 einfache und Doppel-Schnellpresfen, dazu mehr als
1700 Setzer, Drucker und Arbeiter, und verbrauchen jährlich gegen
30,000 Ballen Papier, von denen auf die Zeitschrift „Gartenlaube"
allein fast 8600 kommen. Somit behauptet Leipzig in der Ver-
lagsthätigkeit den Vorrang vor allen anderen deutschen Städten.
Namentlich zieht es denjenigen Theil des Verlagshandels an sich,
der das allgemeine deutsche und das internationale Bedürfniß zu be-
friedigen bestimmt ist. Letzteres ist sehr belangreich. Neben der
Tauchnitz Collection of Britisch Authors, die jetzt 1600 Bände
zählt und über alle Länder der Erde mit Ausnahme Englands
und seiner Kolonien verbreitet ist, gehen ans ihm Sammelwerke der
russischen, polnischen, spanischen Literatur hervor, die Vorzugs-
weise auf das Ausland berechnet sind. Sodann ist Leipzig der
Hauptsitz des philologischen Verlags, von je der Ausgangspunkt
der massenhaft verbreiteten Schulausgaben griechischer und latei-
nischer Elassiker. Einen besonderen nicht unwichtigen Zweig des
Buchhandels bildet das Antiquariat mit seinen Bücherauctionen.
Auch an dem deutschen Musikalienhandel hat Leipzig den größten
produktiven Antheil. Zur Abrechnung der Buchhändler unter
einander dient die Buchhändlermesse, welche jährlich vom Sonntage
Eantate an abgehalten wird. Der Mittelpunkt des Buchhändler-
Verkehrs ist die 1836 erbaute Deutsche Buchhändlerbörse;
hier werden die gemeinsamen Berathungen gehalten, hier befindet
sich auch die Bestellanstalt, welche Buchhändlerpapiere aller Art,
Zettel, durch welche Bücher verlangt werden, Geschäftsanzeigen,
Anfragen u. dergl. unter den leipziger Buchhändlern und durch die
Commissionäre unter denen von ganz Deutschland vertheilen hilft.
Sie gibt bas beste Bild von der Großartigkeit des leipziger Buch-
Handels, denn sie besorgt täglich ungefähr 70.000, jährlich also
Leipzig. 157
21 Millionen Adressen! Die Bedeutung Leipzigs als Haupteom-
missiousplatzes des deutschen Buchhandels ist in beständigem
Wachsen. Im I. 1873 hatten hier 4034 auswärtige Handlungen
ihre Vertreter und kamen durch Vermittlung leipziger Platzcommis-
sionäre (S. 156) 166.550 Ctr. Bücher zur Versendung. Der Gesammt-
Umsatz betrug über 27 Millionen M. Durch den Buchhandel hat
auch die Buchbinderei, welche hier größtenteils für die Buchhand-
luugen arbeitet, einen bedeutenden Aufschwung genommen, zumal
der Handel mit gebundenen Büchern sich immer mehr einbürgert.
Ist nun also Leipzig vor allem Handelsstadt, so besitzt es doch
auch eine ansehnliche Industrie, die neuerdings mehr und mehr
an Ausdehnung gewonnen hat. Ebenso alt als wichtig ist die
Wachstuchfabrikation, und die leipziger Pianofortefabriken, deren
20 jährlich etwa 2500 Pianoforte liefern, wissen ihren altbewährten
Ruf unvermindert zu erhalten. Aus neuerer Zeit stammen die Ci-
garrensabrikation, in der über 2000 Arbeiter beschäftigt sind, welche
jährlich über 150 Mill. Eigarren fertigen, sowie die Eisengießerei,
die auch in den angrenzenden Dörfern betrieben wird; dort befinden
sich auch bedeutende chemische Fabriken. Die Fabrikation ätherischer
Oele, welche zur Liqueurbereituug, zu Parfümerieu oder medici-
uischen Zwecken Verwendung finden, hat sich zu einem Umfaug
entwickelt, daß sich der Absatz derselben über die ganze civilisirte
Welt erstreckt und Leipzig hierin von keinem andern Ort erreicht
wird. Seit 20 Jahren hat Leipzig eine Seiden-Spinnerei,
-Zwirnerei und -Färberei, die erste des Zollvereins, außerdem
fabricirt es alle Arten Hüte, künstliche Blumen, physikalische und
mathematische Instrumente, Tapeten, Eisschränke, Holzornamente,
Korb- und Leder-Waaren :c.
Seitdem im I. 1714 der leipziger Rathsherr Apel August dem
Starken zu Ehren ein Fisch erstechen nach venetianischem Muster
veranstaltete, hat sich dieses als ein zünftiges Fest erhalten und
wird alljährlich am 3. Aug. aus dem Schimmelschen Teiche (früher
auf dem jetzt ausgefüllten der Fnnkenburg) gefeiert. Dasselbe findet
jedoch seit der Vergrößerung der Stadt geringere Beachtung als
das neuerdings aufgekommene Pferderennen, das alljährlich
zweimal auf dem von dem leipziger Rennverein erworbenen Terrain
am alten Floßgraben abgehalten wird. Auch der Johannistag
pflegt in Leipzig als eine Art Volksfest begangen zu werden. In
früheren Zeiten wallfahrtete man am frühen Morgen dieses Tages
in Scharen zu dem wunderthätigen Johannismännchen vor das
grimmaische Thor; aber es kam mit der Zeit bei diesen Wall-
fahrten so grober Unfug vor, daß im I. 1786 das Ausstellen
der Puppe verboten wurde. Nun suchten sich die Wallfahrer
ein anderes Ziel, die Quelle in der Nähe des Thonbergs, den
späteren Marienbrunnen. Daraus hat sich denn die schöne Sitte ent-
wickelt, daß Tausende an diesem Tage nach den Gottesäckern pilgern
und die Gräber ihrer Lieben mit Blumen schmückeu, so daß sich
158 Kreis hauptmannschaft Leipzig.
die Ruhestatt der Todten mit der heitersten Blütenpracht umkleidet,
während gleichzeitig im Johannisthals den Armenschulkindern durch
freiwillig zusammengebrachte Spenden ein Fest ausgerichtet wird,
das auch den unteren und Mittlern Volksschichten mancherlei Be-
lustigung gewährt.
Leipzigs Umgegend ist, wenngleich berglos, doch nicht ohne
Reize, denn fruchtbare Felder und die üppigen Wiesen in dem Wasser-
netz der Elster und Pleiße erfreuen das Auge; ihren schönsten Natnr-
schmuck bildet aber das Rosenthal, ein sich bis zur Bürgeraue
hinziehender, von Gartenwegen durchschnittener Laubwald, reich an
majestätischen Eichen, schon Gellerts Lieblingsspaziergang, daher
auch seine M-armorstatne, von Knaur gearbeitet, hier 1865 ihren
Platz gefunden hat; ihr gegenüber erhebt sich seit 1868 die Büste
des Liedercomponisten Zöllner.
Von den Leipzig umgebenden Dörfern, die eine Gesammt-
bevölkernng von 62.000 Seelen haben und von denen mehrere
durch Pferdebahn mit der Stadt in Verbindung stehen, enthalten
die einen reizende Sommerwohnungen für wohlhabende Stadt-
bewohner und Parkanlagen, andere haben bereits städtisches An-
sehen angenommen, noch andere enthalten Fabriken und beherber-
gen vorzugsweise Arbeiterbevolkeruug, iu allen locken zahllose Ver-
gnügnngsörter das Sonntagspnbliknm der Stadt. Reudnitz,
Sachsens volkreichstes Dorf (11.615 Einw.) hat eine bedeutende
Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen. Plagwitz, dessen Ein-
wohnerzahl sich in den letzten 13 Jahren von 826 auf 3896 ge-
hoben hat, ist dnrch den vr. Heine (S. 150) fast ganz ueu ge-
baut worden und besitzt eine mit der Universität verbundene land-
wirtschaftliche Lehranstalt, eine Papierwäschefabrik u. a. In der
herrschaftlichen Gärtnerwohnung zu Großzschocher lag 1813
Th. Körner, der Dichter und lützower Jäger, 8 Tage lang an
seinen in dem Ueberfall bei Kitzen erhaltenen Wanden, vor den
Franzosen verborgen; Leutzsch hat seit 1859 ein Landwaisenhans;
Lindenau hält bedeutende Viehmärkte und hat eine Orseillefabrit,
Pfaffendor f eine große, 1829 gegründete Actienkammgarnspin-
nerei, die älteste Sachsens, und einen Fettviehhof mit bedeutenden
Viehmärkten. In Gohlis ist das Haus, in welchem Schiller 1785
sein Lied „An die Freude" dichtete, jetzt Eigenthum des leipziger
Schillervereins und durch eine Gedenktafel bezeichnet; die Thurm-
spitze der 1872 erbauten gohliser Kirche ist die einzige Sachsens,
die ohne alles Holz, nur aus Eisen und Backstein construirt ist.
Auf dem Rittergut Lützschena hat der 1856 verstorbene Frei-
Herr v. Speck-Sternbnrg, der sich aus niederem Stande zu Reich-
thum und Ansehen emporgeschwungen hatte, eine Musterwirtschaft,
namentlich eine vorzügliche Schäferei, auch die erste Bairisch-Bier-
Brauerei Sachsens errichtet, ein neues Schloß gebaut, dariu eine
werthvolle Gemäldesammlung, dabei einen großen Park angelegt.
— Schönefeld ist die größte Landparochie Sachsens, mit über
Leipzigs Umgegend. 159
27.500 Seelen. — In Stötteritz, welches den größten Tabaks-
bau Sachsens hat, schrieb der Kinderfreund Ch. F. Weiße, dem
das (1868 vom leipziger Rathe angekaufte) Rittergut gehörte, die
meisten seiner trefflichen Kinderschriften. — Zu den Thonberg-
S traßenhänsern, welche jetzt nebst Neureudnitz als selb-
ständige Parochie eine eigene Kirche besitzen, gehört eine vorzüg-
lich eingerichtete Privatheilanstalt für Geisteskranke. Der Ort
hieß sonst im Volksmunde Uebelessen, weil hier 1547 der Leipzig
belagernde Kurfürst Johann Friedrich der Großmüthige, durch
eine Kanonenkugel in seiner Mahlzeit gestört, ausrief: „Hier ist
übel essen!" — In dem Flecken Liebertwolkwitz, der Tabaks-
bau und Sandhandel treibt, ließ Karl XII., nachdem er mit seinen
Schweden ein ganzes Jahr in Sachsen Quartier genommen hatte,
1707 den österreichischen Minister v. Wratislaw die Urkunde
unterzeichnen, durch welche die Protestanten in Schlesien sreie
Religionsübung erhielten. —■ In Connewitz fand man 1826
einen heidnischen Begräbnißplatz mit einer großen Menge Urnen.
— Wachau besitzt eine neue zierliche Kirche in gothischem Stil.
Seitdem Leipzig ans der kleinen slawischen Niederlassung zur
Stadt erwuchs, zumal seitdem Otto der Reiche einen Theil des frei-
berger Silbers dazu verwendete, es mit Mauern zu umgeben,
knüpfen sich an seinen Namen viele der denkwürdigsten geschicht-
lichen Erinnerungen. Keine Stadt Sachsens, ja Deutschlands ist
in der neuen Zeit so oft von Kriegsdrangsalen heimgesucht worden
wie sie, und stromweise ist über Leipzigs Ebenen Menschenblut
geflossen. Sechsmal wurde Leipzig im dreißigjährigen Kriege be-
lagert, viermal erobert; bei Breitenfeld, 3 Stunden nördlich
von Leipzig, erfocht Gustav Adolf am 7. Sept. 1631 über Tilly
seineu ersten großen Sieg auf deutschem Boden; bei der 200jährigen
Gedächtnißfeier dieser Schlacht, am 7. Sept. 1831, ist der höchste
Punkt der Wahlstatt durch einen geschliffenen Steinwürfel bezeichnet
worden. Fast auf der nämlichen Stelle schlug am 2. Nov. 1642
der Schwede Torsteuson das kaiserliche Heer unter Erzherzog Leo-
pold und General Piccolomini aufs Haupt, wodurch Leipzig iu
die Gewalt der Schweden fiel, die es erst zwei Jahre nach dem
Frieden wieder räumten. Schwer lastete Friedrichs des Großen
Hand im siebenjährigen Kriege aus der Stadt; die schrecklichsten,
aber doch auch die glorreichsten Tage in Leipzigs Geschichte sind
die vom 16. bis 19. Oct. 1813, wo vor ihren Thoren die große
Völkerschlacht geschlagen ward, die Napoleons ■ Macht zer-
trümmerte und Deutschland die Befreiung vom französischen Joche
brachte. Eingeleitet wurde dieselbe am 14. durch ein glänzendes
Reitergefecht bei Liebertwolkwitz, das zum Vortheil der Ver-
büudeteu endete. Am 16. Oct., dem Haupttage der Schlacht,
stand Napoleons ganzes Heer in einem weiten Halbkreise nach
Osten um Leipzig, mit beiden Flanken an die Flußniederung ge-
lehnt. Gegen ihn zog von Süden her, über Rötha und Magde-
160 Kreishauptmannschaft Leipzig.
born, die große Böhmische Armee heran und lieferte ihm die
Schlacht bei Wachau, deren Gang der Oberfeldherr, Fürst
Schwarzenberg, von dem Gautzsch er Kirchthurme beobachtete;
hier wurde um die Ortschaften Dölitz, Markkleeberg,
Wachau, Güldengossa, Liebertwolkwitz, Seifertshain
von beiden Seiten mit gleicher Tapferkeit, doch ohne Entscheidung
gestritten, während gleichzeitig auf Leipzigs Nordseite ein Theil
von Blüchers Heer unter Jork dem Marschall Marmont das
Dorf Möckern nach verzweifelter Gegenwehr entriß. Am zweiten
Schlachttage, dem 18., hatte Napoleon, schon von der Unvermeid-
lichkeit des Rückzugs überzeugt, seine Truppen etwas znrückge-
nommen, er selbst leitete die Schlacht von einer Anhöhe beim
Vorwerk Thonberg, wo jetzt der „Napoleonstein" steht. Den
ganzen Tag wüthete der Kampf um den Besitz der Dörfer, am
heftigsten bei Probsthaida und Stötteritz, ohne daß es ge-
lang, sie den Franzosen auf die Dauer zu entreißen. Dagegen
blieb das brennende Schönefeld, achtmal erstürmt und wieder
verloren, zuletzt in den Händen der Russen, die über Taucha
heranziehende Nordarmee erstürmte Sellerhausen und Panns-
dorf, und Napoleon trat in der Nacht den Rückzug an. Aber
ordnungslos keilte sich die wirre Masse der Abziehenden an dem
damals einzigen westlichen Ausgange, der schmalen Elsterbrücke
beim Ranstädter Thore, zusammen, kaum zwängte Napoleon selbst
sich hindurch bis Lindenau, wo er in der Mühle kurze Rast
hielt, während von Osten her die Sieger sich zum Sturm au-
schickten. Nur der Wunsch der Monarchen, eine so reiche und
hochberühmte Stadt zu schonen, wendete an diesem Tage von
Leipzig das äußerste Verderben ab. Am äußern Grimmaischen
Thore, unfern von dem 1863 errichteten Friceinsdenkmal, und
an der Milchinsel, wo das Kugeldenkmal steht, drangen die stur-
meuden Preußen zuerst ein; das vorzeitige Auffliegen der uuter-
minirten Elsterbrücke lieferte alles, was von den Franzosen noch
diesseits war, in die Gefangenschaft. Fürst Poniatowski ertrank
hinter Reichels Garten bei dem Versuche den Fluß zu durchreiteu.
König Friedrich August von Sachsen, der während der Schlacht
das sogenannte „Königshaus" am Markte bewohnt hatte, fiel in
Gefangenschaft, nachdem am 18. ein Theil seiner Truppen in der
Nähe des Heitern Blicks zu den Verbündeten übergegangen war.
— Längst haben die Segnungen des Friedens die Spuren der
gränelvollen Verwüstung jener Tage verwischt, wo rings um
Leipzig 1500 Kanonen gleichzeitig donnerten, wo stellenweise die
Leichen sich zu Hügeln aufthürmten, wo in einer Nacht 12 bren-
nende Dörfer das Dunkel erhellten, wo Tausende von Verwnn-
deten ohne Pflege auf der Erde liegend vor Hunger und Kälte
elend starben, andere mit dem französischen Spital zu Pfaffen-
dorf jammervoll verbrannten; nur noch die in etlichen Häusern
als Denkzeichen eingemauerten Kanonenkugeln erinnern daran und
Markranstädt. 161
außerdem sind durch die Sorgsalt eines Privatmanns, des
blinden Dichters Theodor Apel, die Truppenaufstellungen und
Gefechte der Schlachttage durch Marksteine, desgleichen die denk-
würdigsten Punkte auf dem Schlachtfelde und bei der Stadt von
dem „Verein zur Feier des 19. Octobers" durch Denkmäler be-
zeichnet worden, was um so dankenswerther ist, als durch die
zahlreichen Häuser-, Straßen- und Eisenbahnbauteu das Terrain
sich vielfach umgestaltet hat. Der Hügel bei dem Vorwerk Meus-
dorf, wo am Abend des 18. Oct. Fürst Schwarzenberg den
Monarchen die Meldung des Sieges brachte, heißt davou der
Monarchenhügel und trägt ein Denkmal; ihm gegenüber steht das
des Fürsten Schwarzenberg. Zu einem großen Denkmale der
Schlacht ist bei deren 50jähriger Jubelfeier wenigstens der Grund-
stein gelegt worden.
Links von der Elster, unfern der Grenze, ist nur die kleine
Stadt Markranstädt (2457 C'inw.) zu nennen, die sich hauptsächlich
mit Zubereitung der rohen Felle, vom Löwen und Bären bis
herab zum Schaf, Hund, Katze und Schwan, für den leipziger
Ranchwaarenhandel beschäftigt. In der dortigen Dampf-Rauch-
waaren- und Vogelgerberei wurden 1874 über 1 Million Felle
und Vogelbälge zubereitet.
Oie Krcishauptmannschaft Zwickau
umfaßt den südwestlichen Theil unseres Landes von der dresdner
und leipziger Kreishauptmauuschast bis zur Landesgrenze gegen
Altenburg, Weimar, das Reußenland, Baiern und Böhmen, und
ist die größte, die volkreichste, zugleich auch die am dichtesten be-
völkerte Provinz von Sachsen; denn sie enthält auf 4718,59 □ Kilom.
1.031.905 Einwohner in 58 Städten und 771 Dörfern. Sie
umfaßt die Amtshauptmannschaften Chemnitz, Flöha, Marien-
berg, Annaberg, Schwarzenberg, Zwickau, Plauen,
Auerbach, Oelsnitz und die Schönburgischen Receßherr-
schaften.
Hier erheben sich die meisten und die höchsten Berge unseres
Landes, hier ist der Born zahlreicher Gewässer; hier birgt der
Schoos der Erde mächtige Lager Tors und Steinkohlen, hier
stehen die größten, dem Staate gehörigen Waldungen, hier ist
das Hauptgebiet der sächsischen Industrie.
Von der Grenze der leipziger Kreishauptmannschaft und des
Herzogthums Altenburg steigt das Land allmählich an, erhebt
sich wellenförmig, in stetem Wechsel von Berg und Thal, bis zu
den höchsten Punkten an Böhmens Grenze und ist reich an Natur-
schöuheiteu aller Art, aber auch an Gegenden, wo sich nur düstere
Wälder und kahle Bergrücken dem Auge darstellen, wo keine Rebe
mehr prangt, wenig Obst und selten Korn gedeiht. Seine schön-
sten landschaftlichen Reize entfaltet das Gebirge in den Thälern
Engelhardt's Baterlandskunde. 11. Aufl. 11
162 Kreishauptmannschaft Zwickau.
der Elster, der Zwickauer Mulde und des Schwarzwassers, der
Flöha, besonders aber der Zschopau uud ihrer Quellflüsse, wo
aumuthige Thalgehünge mit schroff abstürzenden Felswänden, das
dunkle Grün des Nadelholzes mit der bunten Färbung der Laub-
bäume wechseln und krystallklare Wellen, von dem blumenreichen
Teppich saftiger Wiesen eingefaßt, dahinschänmen.
Nur die Ufer der Pleiße von Werdan abwärts, die Thäler
der westlichen Mulde von Zwickau und der Zschopau von der
Flöhamündung an sinken unter 140m Meereshöhe, alles Uebrige
ist Hochland; seiner Erhebung nach zerfällt dasselbe in das obere
Gebirge und in das niedere. Jenes, zu welchem alle Gegenden
gehören, die höher als 425 m liegen, erstreckt sich von Böhmen
herüber etwa bis Falkenstein, Schneeberg, Schwarzenberg, Zwönitz,
Thum, Wolkenstein und Lengefeld, und hat in Folge seiner hohen
Lage auch das rauheste Klima; das Sächsische Sibirien, wie
man den Gebirgskamm von Carlsfeld und Eibenstock bis Jöhstadt
nennt, ist der uuwirthbarste Theil des ganzen Landes. Erdstö ße,
obschon selten und unbedeutend in unserem Lande, machen sich doch
im höheren Erzgebirge und Vogtlande allemal am heftigsten fühlbar.
So stürzten dadurch z. B. 1552 in Wolkenstein Häuser zusammen
und im Januar 1824 bemerkte man an mehreren Orten Erdstöße,
fast drei Wochen lang, oft viermal des Tags, so stark, daß hie
und da Glocken anschlugen, Oefeu einfielen und arbeitende Knappen
aus den Gruben flüchteten.
Der Westen des Bezirks gehört zu dem Gebiete der Weißen
Elster, die Mitte zu dem der Zwickauer Mulde, der Osten
durch die Zschopau mit der Flöha und durch die linken Zuflüsse
der großen Striegis zu dem der Freiberg er Mulde. Der
größte Teich ist der Filzt eich bei Schneeberg.
Zwar decken noch immer mächtige Waldungen große Strecken
des oberen Gebirges, so daß sie von ihrem Ueberflnß an Holz
den niederen Gegenden abgeben können; doch sind im Verlaufe
der letzten Jahrzehnte viele Privatwaldungen mehr als gut ist
gelichtet und Strecken, die man auf anderen Gebirgen gern dem
Walde überläßt, in Fluren verwandelt worden, wogegen der Staat
seinen Waldbestand nicht nur unvermindert erhält, sondern sogar
durch Ankäufe zu vergrößern sucht, um das Gebirge vor Ent-
waldung, das ganze Land vor Holz- und Wassermangel zu be-
wahren. Schmackhafte Pilze, Wurzeln und medicinische Kräuter,
vor allem aber eine Fülle der würzigsten Beeren gedeihen auf
dem Waldboden und Hunderte von Menschen kommen Tagereisen
weit her, um diese zu lesen. Heidelbeeren werden, wo sie am
üppigsten stehen, nicht gepflückt, sondern mit Holzkämmen abge-
kämmt und, gleich den Preißelsbeeren, in großen, kastenartigen
Wagen in das Niederland verfahren. Noch im 17. Jahrhundert
gingen Waldarbeiter und Beerensammler nie an ihr Tagewerk
ohne Glocken oder Hörner, Bären und Wölse damit zu ver-
Bodenbeschassenheit. 163
scheuchen, jetzt sind sogar wilde Schweine verschwunden. Dafür
hat sich aber der Hochwildbestand des oberen Gebirges während
der letzten Jahre nicht unerheblich vermehrt, zum Leidwesen des
Landmanns, dem es nicht zu verargen ist, wenn er wünscht, es
möchte des Wildes weniger statt mehr werden; denn wo es ein-
fällt, frißt es wohl in einer Nacht 3—4 Hectaren hintereinander
„ratzenkahl" ab, und wenn auch nach vier Wochen die Kartoffeln
wieder sprossen, so ist dann doch die Zeit bis zur Ernte zu kurz,
die Knollchen werden nicht größer als Haselnüsse, und in der
Regel wird solches Feld gar nicht geerntet, da es die Arbeit nicht
lohnt. Unter den Gaben der Gewässer stehen die Forellen
obenan, und die Sage von zwei Ellen langen wird wahrscheinlich,
wenn man weiß, daß Kurfürst Christian II. einst von einem
Hammerherrn in drei Fässern 30 Forellen erhielt, von denen eine
17 Pfund wog. Lachse steigen bis in die Zschopau.
Die unebene Gestalt der Oberfläche, die Magerkeit und der
Steinreichthum des Bodens erschweren den Ackerbau, und das
rauhe Klima vereitelt in den höchsten Gegenden nicht selten alle
Mühe des Landmanns. Oft mit unglaublicher Anstrengung sucht
der arme Erzgebirger der Erde gleichsam abzuzwingen, was sie ihm
versagt. Bergabhänge, auf denen der Pflug nicht mehr gehen kann,
bestellt er mit der Hacke, Gras mähet er aus Höhen, die der Nieder-
„ länder kaum beklettern kann; Heu holt er mitten im Sommer auf
Schlitten, wo er mit dem Wagen nicht fortkommt, mit Centnerge-
duld liest er jedes Jahr auf's neue die Steine von den Feldern, und
wie manchesmal wird ihm trotz alledem nur eine dürftige Ernte zu
Theil! In den ranhesten Lagen erbaut er zu seiner Nahrung nur
Hafer und Kartoffeln, letztere die wahre Brodfrucht des Erzge-
birges, von der der Arme den größten Theil des Jahres lebt; doch
hat sich in neuerer Zeit der erzgebirgische Ackerbau so vervollkomm-
net, daß nicht allein Korn bis hoch in das Gebirge hinauf, sondern
in geschützteren Lagen selbst Weizen und Oelsrüchte mit gutem Er-
folge gebaut werden. Aber nichtsdestoweniger bedarf der Bezirk,
um seine dichte Bevölkerung zu ernähren, bedeutender Getreide-
zufuhren, namentlich aus Baiern, Böhmen und dem leipziger Re-
gierungsbezirk. Der erzgebirgische Wiesenbau sucht seines glei-
chen, zumal seitdem nach dem Vorgange des Staats, der die Nie-
dernngen an der Wilzsch in Kunst- und Wässerwiesen verwandelt
hat und dadurch 90 bis 120 M. Graspacht für den Acker erzielt,
auch andere Grundbesitzer ihre kleinen Parzellen soweit möglich
auf Wässerwiesen einrichten.
Von besonderer Wichtigkeit für das Gebirge ist der Flachs-
bau, wenn schon, was Sachsen an Flachs erzeugt, noch keineswegs
für die Bedürfnisse der inländischen Spinnereien ausreicht, zumal
auch viele böhmische und mährische Spinner ihren Flachs vom
Erzgebirge beziehen. Dadurch, daß diese nützliche Gespinnstpslanze
bis über 600 ^ Meereshöhe gedeiht, wird sie zu eiuer Quelle des
ii *
164 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Einkommens gerade für diejenigen Fluren, die anderen Kultur-
pflanzen schwer zugänglich sind. Schon seit der Mitte des vorigen
Jahrhunderts wurde der Flachsbau hier in beträchtlicher Ausdehnung
betrieben; böhmische Einkäufer kamen damals in Massen nach
Sachsen, erhandelten für ihre Zwanziger und Speciesthaler den
Flachs und trugen ihn nach Hause, wovon man sie allgemein
Huckelträger nannte. Zu Ende der dreißiger Jahre jedoch ging der
Flachsbau in Folge der niedrigen Preise so zurück, daß in vielen
Wirtschaften gar kein Lein mehr gesäet wurde, bis unsere Staats-
regierung, welche die hohe Bedeutung desselben für das Gebirge
richtig erkannte, einen Sachverständigen aus Belgien berief, um un--
sern Landwirthen den Anbau des Flachses, sowie dessen Aufbereitung
nach belgischer Methode zu lehren. Die Wirkung dieser Maßregel
war, daß sich der Flachsbau von neuem in sehr erfreulicher Weise
hob, und gegenwärtig wird er in der ganzen Gegend von Annaberg
bis nach Freiberg und Frauenstein so stark betrieben, daß man den
Gesammtertrag einer guten Ernte auf eine Million Mark schätzt.
Die Aussaat erfolgt von Anfang März bis in den Juni, früher
in den höheren, später in den tieferen Lagen, vom Juli an bis
in den Herbst wird geerntet, nicht selten erspart sich der Landmann
die Erntearbeit, indem er den Flachs gleich auf dem Felde, ge-
wöhnlich zur Zeit der Blüte, verkauft. Ist dann der Flachs
mittelst des Riffelkammes geriffelt, d. h. von den Knoten befreit,
so kommt er auf die Thauröste, um die Riude zu zerstören, dann
wird er in besonderen Dörrhütten gedörrt, und durch das Brechen
der holzige Kern und der Stengel abgesondert; das Hecheln erfolgt
erst in der Fabrik; in Allgemeinen läßt jedoch die Aufbereitung
des Flachses noch manches zu wünschen übrig.
Ursprünglich, bis zu der Zeit, wo die Deutschen erobernd in
diese Gegenden eindrangen, war das ganze Erzgebirge ein großer
zusammenhängender Wald, der Ansiedelungen nur in den mildesten
Thalmulden haben mochte. Die Entdeckung des Silbers rief den
Bergbau hervor, der, nachdem er zuerst bei Freiberg aufgekommen
war, im 15. und 16. Jahrhundert sich auch über das westliche Erz-
gebirge verbreitete und hier die Entstehung neuer Bergstädte, na-
mentlich Annabergs, Schneebergs und Marienbergs veranlaßte.
Neben dem Silber grub man Zinn und Eisen, seit dem 16. Jahr-
hundert lernte man auch den Kobalt als Farbestoff schützen. Je
mehr aber die Ergibigkeit des Bergbaues abnahm, desto mehr sah
sich die dichter gewordene Bevölkerung gezwungen, sich nach anderen
Erwerbszweigen umzusehen. Zunächst griff mau zur Verarbeitung
der einheimischen Metalle, und so entstand die Blech-, Löffel- und
Nagelschmiederei, die in etlichen Dörfern fast die allgemeine Be-
schäftignng wurden, in Freiberg die Fabrikation von Gold- und
Silberdrahtwaaren; im östlichen Theile des Gebirgs kam die Holz-
schnitzerei auf, einzelne Orte suchten Erwerb durch Serpentin-
drechselei, Bereitung von Feuerschwamm und Medicamenten, durch
Produkte; Bergbau; Industrie. 165
Bürsten- und Korbmacherei, aber trotz alledem wurde der Mangel
immer fühlbarer, Armuth und Noth immer größer.
Da wurde Barbara Uttmann die Wohlthäterin des Erz-
gebirges, indem sie die Kunst des Spitzenklöppelns nach Anna-
berg verpflanzte und dadurch hauptsächlich den Frauen und Kindern
Arbeit und Verdienst verschaffte. Eine zweite Frauenindustrie, das
Tamburiren, brachte Clara Angermann vor 90 Jahren nach
Eibenstock; das dritte Stickereiverfahren, die Weißstickerei in Lang-
und Plattstich im Vogtlande ist jünger, und stammt erst aus die-
sem Jahrhundert. Durch flüchtige Niederländer wurde die Posament-
fabrikation in der auuaberger Gegend, durch Schweizer im Vogt-
laude die Musselin- oder Schleierweberei im 16. Jahrhundert ein-
gebürgert, und so ist unser Erzgebirge das älteste industrielle Ge-
birge Deutschlands geworden. — Kleinere Industrien, Handschuh-,
Gorl-, Soutacheuähterei, Baudzäckchenfabrikation :c. haben sich
dann auch später noch an einzelnen Punkten angesiedelt. Zu die-
sen ist neuerdings die Fabrikation von Holzstoff, der als Zusatz
bei der Papierbereitung verwendet wird, gekommen; der zwickauer
Bezirk liefert davon jährlich bis 40.000 Ctr.
Von noch weit höherer Bedeutung aber als diese Industrien
des oberen Gebirges ist die Großindustrie, die sich aus der nie-
deren Stufe desselben niedergelassen hat. Hier ist Chemnitz seit
dem Ende des 17. Jahrhunderts Brennpunkt einer großartigen
Baumwollenindustrie geworden, der aber gegenwärtig die
Wollenindustrie an Bedeutung gleich kommt. Insbesondere ist
es die Baumwollenspinnerei, die hier ihren Sitz hat. In
Chemnitz concentrirte sich noch vor 45 Jahren fast ganz und gar
die Weberei; seit Einführung der Jacquardmaschine und eines
fabrikmäßigen kaufmännischen Betriebes hat sich dieselbe über ein
großes Gebiet ausgedehnt und ihren Sitz außerhalb Chemnitz Haupt-
sächlich auch in Glauchau, Meeraue, Frankenberg, Schedewitz, Auer-
Hammer, Ernstthal, Hohenstein, Lichtenstein, Callnberg und dem
Mülsener Grunde aufgeschlagen, ja sich sogar über die Nordgrenze
des Bezirks bis nach Rochlitz, Lunzenau, Burgstädt und Mittweida
verbreitet. Die Weißbaumwolleuweberei beherrscht das ganze Vogt-
land. Wolle und Halbwolle dagegen wird hauptsächlich im nord-
westlichen Theile des Bezirks gesponnen und gewebt, von Kirchberg
und Reichenbach aus bis nach Glauchau, Meerane und Crim-
mitschau, außerdem in Aue, Scheibenberg und Oederan. Mittel-
punkte der Strumpfwirkerei sind Limbach und Stollberg;
Seidenweberei haben Chemnitz, Frankenberg und Annaberg. Die
10 Flachsspinnereien des chemnitzer Handelskammerbezirks be-
schäftigen 16.962 Spindeln. Ebenso stark sind Bleicherei, Appretur,
Färberei, Druckerei und andere Hilfsindustrien der Gewebefabri-
kation vertreten, endlich hat auch in Chemnitz die Maschinen-
bauerei einen großartigen Aufschwung genommen. Und so heißt
denn der zwickauer Bezirk mit Recht nicht nur das Hauptgebiet
166 Kreishauptmannschaft Zivickau.
der sächsischen Industrie, sondern eins der wichtigsten
Industriegebiete von ganz Deutschland.
Den Erzgebirger charakterisireu Zufriedenheit mit wenigem,
Treuherzigkeit uud Geradheit im Umgang, etwas Singendes beim
sprechen, häufiges Verdrehen üblicher, auch Einmischen fremder
oder selbstgeschmiedeter Wörter, die Anhängung des Taufnamens an
den Familiennamen, so daß er aus Gottlieb Richter einen Richter-
lieb macht und aus dessen Sohne Karl einen Richterliebkarl, und
selbst ein Hansenfritzenkarlfried nichts Unerhörtes ist. Ganz be-
sonders eigen sind ihm Fleiß und Sinnen auf Erwerb, wozu ihn
gleichsam die Natur selbst, die sich feine Gabe ohne schwere Mühe
abgewinnen läßt, anspornt. Mühsamer wird ja nirgends der Land-
bau betrieben und frühzeitiger wohl nirgends die Jugend zur Ar-
beit angehalten. Mit dem 5. oder 6. Jahre schon hilft das Kind
verdienen, sei es in der Klöppelschule oder am Spiuurockeu oder auf
der Grube. Darum heißt es dort in zahlreichen Familien nicht
bloß: „Viel Kinder, viel Vaterunser", sondern auch: „Viel Kinder,
viel Verdienst", und nicht ohne Grund sagen oft Nachbarn von Nach-
barn: „Was hat's mit den Leuten für Noth? sie haben ja viel Kin-
der!" Wie alle Fabrikarbeiter versteht der Erzgebirger keine Kunst
weniger als die, zu sparen. In gewöhnlichen Zeiten reicht freilich
sein Verdienst gerade nur aus für seine und der Seinigen Nahrung
und Nothdurft; gehen aber die Geschäfte besonders schwunghaft und
lohnt die Arbeit ausnahmsweise gut, so denkt er nicht im mindesten
daran, für schlimme Zeiten, wie sie nur zu oft kommen, etwas zu
erübrigen, sondern es wird eben auch alles verbraucht. Trifft nun
wohl gar Geschäftsstockung mit spärlicher Erute oder gar Mißwachs
zusammen, dann ist der traurigste Nothstaud da, Huugersuoth und
in ihrem Gefolge der Hungertyphus, der z. B. mehrmals in Gey er
und noch von 1858—60 in dem großen Dorfe Gelen au aufs hef-
tigste wüthete; dann ist der arme Erzgebirger in seiner Hilflosigkeit
aus die Unterstützung der Regierung und auf die Mildthätigkeit
wohlhabenderer Gegenden angewiesen.
Wohl auf keinem deutschen Gebirge ist die Kost so ärmlich
wie auf dem Erzgebirge. Das eigene Feldstück ist meistenteils
so winzig kleiu, daß es seinem Besitzer lange nicht genug Getreide
liefert, der Verdienst aber reicht nicht aus, um das von auswärts
kommende, durch die Fracht vertheuerte, zu kaufen, deshalb ist
Brod mehr Zukost, und Mehlspeisen, die Schmalz erfordern, sind
seltene Leckerbissen. Waldarbeiter und Bergleute haben gar oft
Mittags nichts als ein Stück Brod; zu Hause sind Kartoffeln,
die wohl den Magen füllen, aber den Körper nur schlecht nähren,
die tägliche Mahlzeit für die ganze Familie. Zum Frühstück,
Mittags- und Abendbrod erscheint regelmäßig dieselbe Schüssel
mit Kartoffeln auf dem Tische, und manche arme Frau zählt sie
den Kindern wie Leckerbissen zu, und sich daran satt essen zu
können, ist mancher Familie wahre Erquickung, gewöhnlich wird
Lebensweise der Erzgebirger. 167
nur Salz dazu genossen, wenn's hoch kommt, ein Häring. Ein
Fleischgericht läßt sich nur an Sonn- und Festtagen erschwingen,
und auch dann muß wohl ein halbes Pfund für die ganze Fa-
milie ausreichen. Selbst Milchspeisen kommen nur an Festen auf
den Tisch und häufig muß Rnnkelrübensyrnp die Stelle der Butter
ersetzen. An Festtagen wird ein Hefenkloß gebacken, der für
Kuchen gilt, aber die Lieblingsspeise des Erzgebirgers bleibt der
Götzen, Bambus oder Stamper, ein Gebäck von geriebenen rohen
Kartoffeln, die man, nachdem alle mehligen Theile ausgedrückt
worden, mit Milch und Mehl vermengt, worauf das Ganze in
Schmalz gebacken wird. Jeder Stubenofen ist zum Backen desselben
eingerichtet. Geheizt wird ohnehin fast das ganze Jahr, uud so
gedeiht denn der Götzen ohne viel Zeit und Mühe. — Das
Lieblings getränt des Erzgebirgers, ja für Tausende von Man-
nern, Frauen und Kindern wochenlang das einzige Getränk, ist
Kaffee, der freilich vom wirklichen Kaffee nur den Namen hat,
im übrigen aus Cichorien, Möhren, Gerste und dergl. ge-
braut wird. Täglich regelmäßig dreimal wird er als Begleiter
der Kartoffeln aufgetischt und das Haupterforderniß dabei ist nicht,
daß er stark, sondern daß er recht lang sei, denn der wahre Erz-
gebirger vermag eine unbegrenzte Zahl „Schäfchen" davon zu
trinken.
Die eigentlichen Gebirgsdörfer bestehen aus schindelbedachten
Holzhütten, die der Feuersgefahr wegen nicht dicht an einander,
sondern einzeln oder gruppenweise verstreut liegen. Sonderbar
genug decken daher oft die kleinsten Orte die größten Räume.
Auch in Ansehung der Wohnung behilft man sich wohl nirgends
so erbärmlich wie in unsern ranesten Gebirgsgegenden, wo nicht
selten 3 bis 4 Familien, jede mit einem Herdchen Kinder, oft
also 20 bis 24 Personen in einer Stube hausen, die kaum
5 Meter lang und 41/2 Meter tief ist; jede Familie hat dann ihr
besonderes Fenster zur Beleuchtung des Klöppeltisches, außerdem
lebt und webt Alles bunt durcheinander. Die Miethe für eine
Stnbe beträgt meist 24 bis 30 M., wozu die Familie, welche das
dem Osen nächste Fenster besetzt, einen etwas höheren Beitrag zahlt
als die anderen. Denn warm will der Erzgebirger die Stube haben,
darum heizt er übermäßig ein und kocht selbst im heißen Sommer,
ohne an das Oessnen eines Fensters zu denken. Betten sind für
manchen ein schwer oder gar nicht zu beschaffender Luxus und
er muß sich mit Stroh oder Moos begnügen. Ohne die große
Schmiegsamkeit und Friedfertigkeit, die den Erzgebirger auszeichnen,
wäre ein solches enges Beisammenwohnen so vieler Menschen gar
nicht denkbar.
So kommt es, daß das obere Erzgebirge zu den am dich-
testen bevölkerten Gegenden unseres Landes gehört. Dort liegt
Dorf an Dorf, alle wimmeln von Klöpplern, Webern, Spinnern,
Eisenarbeitern, Vitriolbrennern :c., und die großen, stattlichen
168 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Schulgebäude, denen man fast in jeder Gemeinde begegnet, zeigen,
für welch' ansehnliche Zahl von Kindern sie bestimmt sind. Hatte
schon der Bergbau viele Ansiedler nach diesen uuwirthlicheu Höhen
gelockt, so thaten dies die später eingebürgerten und anfangs reich-
lich lohnenden Industrien nicht minder. Einen weiteren Zuwachs
an Bevölkerung, besonders im 17. Jahrhundert, erhielt das Erz-
gebirge durch die Einwanderung vieler des Glaubens wegen aus
Böhmen vertriebener Protestanten, welche die Einöden bebauten,
Städte anlegten, und ihren Gewerbfleiß in die neue Heimat mit-
brachten. So wurde u. a. das Dorf Colmnitz bei Freiberg,
nachdem es im dreißigjährigen Kriege völlig ausgestorben war,
von böhmischen Einwanderern ganz neu bevölkert und noch heut-
zutage führt davon das halbe Dorf den Familiennamen „Böhme".
Wo anderwärts die Bevölkerung zu dicht wird, treibt der Mangel
Scharen von Auswanderern in die Weite; der Erzgebirger aber
hängt, gleich dem Schweizer und Tiroler, mit solcher Zärtlichkeit
an den heimischen Bergen, daß er lieber auf ihnen darbt, als von
ihnen fern ein gemächlicheres Leben sucht.
Bis vor wenigen Jahren besaß das Erzgebirge eine gute
Anzahl Städte, die sich ihrer Bauart und dem äußeren Ansehen
nach mit manchem Dorfe nicht messen konnten. Denn meistentheils
im dreißigjährigen Kriege zerstört und dann in der Zeit der Ver-
armung, welche diesem folgte, wieder aufgebaut, bestanden sie fast
nur ans Holz, Fachwerk und Schindeldach. In solcher Gestalt
dauerten sie bis auf die Gegenwart, wurden aber da, seitdem der
Gebrauch, und damit zugleich der leichtsinnige Mißbrauch der
Streichzündhölzchen überhandnahm, eine desto leichtere Beute des
Feuers. Häufig wiederholte Feuersbrünste haben in den beiden
letzten Jahrzehnten dermaßen unter ihnen aufgeräumt, daß man
jetzt im Gebirge fast nur noch neu und massiv gebaute Städte
antrifft. — Manche Städte des Erzgebirges, z. B. Zwickau, Auna-
berg, Schneeberg, erinnern durch große, von ausländischen Bau-
meistern entworfene Kirchen und deren reiche Ausschmückung mit
Bildwerken und Gemälden einheimischer wie fremder Künstler
an die Blütezeit unseres Bergbaues in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts, wo diese Städte in lebendigem Verkehr mit den
Nachbarländern, namentlich auch mit dem kunstthätigen Franken
standen.
Bei Beschreibung der
Städte, denkwürdigsten Flecken und Dörfer
durchwandern wir erst das obere Gebirge von der obern Flöha
an bis an die Grenze des Vogtlandes.
Im südöstlichen Winkel der Kreishauptmannschaft liegt an
der Flöha der Flecken Olbernhau (463 ^ h.) in einem weiten,
mit Häusern gleichsam besäeten Thale, dem freundlichsten und
mildesten des obern Gebirges, mit 4007 Einwohnern, schöner
Zöblitz. 169
und gewerbreicher als manche Stadt; es ist ein Hauptsitz der
Holzwaareufabrikation, die sich von hier aus im Gebiete der Flöha
ziemlich weit abwärts erstreckt. Um Zöblitz, Marienberg und
Lengefeld, in Waldkirchen und Grünhainichen werden
Millionen von Schachteln, Kasten und Kisten, Tellern, Quirlen,
Rührlöffeln, Mulden, Schaufeln, Kuchenschiebern, Dreschflegeln,
Gefäßen aller Art vom Salzfäßcheu bis zum Scheffel und Backtrog
fabricirt, Olbernhau selbst verfertigt besonders viel Kinderflinten
und hat die größten Spielwarengeschäfte. Fast sämmtliche Strumpf-
wirkerstühle, welche in Sachsen gehen, stammen aus Olbernhau und
seiner buchenreichen Umgebung, wo in den letzten 80 Jahren an
60.090 Stück gebaut worden sind. Es wohnen hier 160 Holz-
drahtzieher; 2 Fabriken liefern jährlich 1200 Millionen Stück Zünd-
Hölzchen, und zahlreiche Brettmühlen verarbeiten den Holzreichthum
der umgebenden Wälder. Außerdem hat Olbernhau mehrere Gelb-
gießereien, aus denen besonders viel Plattglocken hervorgehen, und
die einzige Pulvermühle des Bezirks, die jedoch nur Sprengpulver
für die Bergwerke liefert.
Das ehemals königliche Kupferhammerwerk Grünthal an
der Flöha, oberhalb Olbernhau, wurde schon im I. 1491 als eine
Saigerhütte gegründet. Hier wurde nämlich früher gesaigert,
d. h. das auf den freiberger Hütten gewonnene Schwarzkupfer
von dem noch darin befindlichen wenigen Silber, Bleiglätte und
Nickelspeise vollends befreit, was jetzt in Freiberg selbst geschieht.
Zu dem Hammer gehören ein Pochwerk, eine Wäsche, verschiedene
Oefen und zwei Blechwalzwerke und jährlich werden aus in- und
ausländischen, sogar aus amerikanischen Erzen, im Durchschnitt
10.000 Ctr. Kupfer, darunter als Specialität Feinkupferplatten
erzeugt. Als Czar Peter der Große 1711 Grünthal besuchte,
setzte er sich auf einen der größten Hämmer und hielt dessen
donnerndes^ Auf- und Niederschlagen fast 10 Minuten aus. —
Auch ein Schwefelbad und eine Anstalt für künstliche Fischzucht
befinden sich in Grünthal. — Rothenthal, nur durch die Nat-
schung von Böhmen getrennt, fertigt Seiffener Waaren und
Musikinstrumente.
Zöblitz (2017 Einw.), unfern der schwarzenPockau (586m h.),
das 1854 zu drei Viertheilen abbrannte, ist dadurch merkwürdig,
daß es zum Theil auf und aus Serpentin st ein gebaut ist uud
daß es einen ganz eigenthümlichen erst neuerdings auch nach Wald-
heim verpflanzten Erwerbszweig in der Fabrikation von Serpentin-
steinwaaren besitzt. Denn obgleich sich im Erzgebirge verschiedene
Lager dieses Steines finden, ist nur der bei Zöblitz mild genug,
um sich leicht verarbeiten zu lassen. Der Serpentin lagert in
schräg einfallenden sogenannten Bänken, die durch Lagen von Talk-
erde von einander getrennt sind, und wird in wilden und in
edeln unterschieden, von denen jener wegen seiner Beimengungen
von harten Granaten, Magneteisenstein k. zur Bearbeitung sich
170 Kieishauptmaniijchaft Zwickau.
nicht eignet. Der frisch gebrochene, von Feuchtigkeit durchdrun-
gene Stein läßt sich leichter bearbeiten als der völlig ansgetrock-
nete. Am häufigsten, aber auch am wenigsten beliebt ist der grau-
grüne Serpentin, der fast nur zu ordinären Waaren verwendet
wird; zu Kunstsachen zieht man die braunschwarz oder bläulich-
schwarz gefärbten Stücke vor, zu kleineren Arbeiten und zu Mo-
saikeu auch die schön rothgeflammten, apfelgrünen, gelben und
bläulich grauen. Das Recht, den Serpentin auszubeuten, besaß
seit 1613 eine Steindrechslerzunft von 40 Meistern, an der nur
geborene Zöblitzer Theil uehmen durften; diese trieben unr Raub-
bau, gingen bei schönem Wetter in die Brüche, bei schlechtem in
die Drehstube und fertigten meist nur Apothekerschalen, Wärm-
steine, Dosen, Büchsen u. dergl. Seit 1862 sind jedoch die
Serpentinbrüche in die Hände einer Actiengesellschaft übergegangen,
welche den Abbau und die Verarbeitung der Steine mittelst ver-
besserte? Schneide-, Dreh-, Schleif- und Polirmaschinen betreibt,
und deren Erzeugnisse sich daher nicht nur wesentlich vervoll-
kommnet haben, sondern auch, namentlich zur Verwendung bei
monumentalen und architektonischen Arbeiten immer mehr in Auf-
nähme kommen. Die Fabrik liefert geschmackvolle Kuustsachen,
Mosaik-Böden und Tische, Kandelaber, Taufsteine, Kamine, auch
Grabmonumente Säulenpfeiler, Simse und andere Verzierungen
an die Außenseiten von Gebäuden, wofür sich der Serpentin
wegen seiner Luftbeständigkeit, die selbst die des Granits übertrifft,
vorzugsweise eignet. Außer in Sachsen gibt es in Deutschland
nur noch in Salzburg und Tirol Serpentindrechsler. — Kirche
und Kirchhof in Zöblitz enthalten viele Serpentinarbeiten. — Bei
Pobershan wird Bergbau auf Zinn und Silber getrieben. —
Von der im dreißigjährigen Kriege zerstörten Burg Niederlauter-
stein an der Pockau stehen noch stattliche Ruinen.
Das Städtchen Lengefeld (3484 Einw.) von dorfähnlicher
Bauart, unfern der Flöha, der Geburtsort des preußischen Bischofs
Neander, treibt Strumpfwirkerei und Weberei in Wolle, Baumwolle
und Seide. Ueber 400 Meister arbeiten für Geschäfte in Chemnitz
und Glauchau. In der Nähe liegen bedeutende dem Staate ge-
hörige Kalkwerke, und auf einem hohen Felsen über dem Flöha-
thal erhebt sich das alte Ritterschloß Nauen st ein, welches einst
die Straße von Freiberg und Meißen ins obere Gebirge beherrschte.
Marienberg (5956 Einw., 527 H., Rathhaus 609m h.)
wurde im Jahre 1521 von Heinrich dem Frommen in durchaus
regelmäßiger Gestalt erbaut, nachdem reiche Erzgänge in der Nähe
fündig geworden waren. Da sich jedoch dieselben bald erschöpften,
so ging der Bergbau seit Mitte des 16. Jahrhunderts mehr und
mehr zurück, zumal auch der dreißigjährige Krieg die Stadt schrecklich
heimsuchte, die Bauten zerstörte und die Bewohner verscheuchte.
Gegenwärtig sind 7 alte Gewerkschaften zu der „Marienberger
Silberbergbaugesellschaft" vereinigt, die ihr Absehen auf die Lösung
Lengefeld; Marienberg; Annaberg. 171
der alten Baue gerichtet hat, vor der Hand aber noch mit Zubuße
arbeitet. Marienberg hat ein Hauptzollamt, ein Waisenhaus mit
Frei- und Sonntagsschule, ein Krankenstift für Bergleute, das 1846
erbaute Lutherstift, eine Unteroffizierschule und eine Mineralquelle.
Es beschäftigt sich hauptsächlich mit Klöppeln schwarzer Spitzen
und Leinweberei, hat auch eine Flachsgarnspinnerei. Bis 1832
besaß es ein Lyceum, welches 1537, unter Beirath des berühmten
Joh. Rivius gegründet und von demselben eine Zeit lang geleitet,
damals eine der blühendsten Schulen und selbst von Ausländern
besucht war. In der Kirchenbibliothek befindet sich noch das
eigenhändige Mannscript von Adam Riese's berühmtem Rechen-
buche: „Rechnung aufs der liuien vnd federn in zal, maß vnd
gewicht." — Die vorüberführende sogenannte Kaiserstraße von
Böhmen nach Sachsen liegt seit der Erbauung der Eisenbahn
vereinsamt.
Annaberg (11.725 Einw., 808 H.), an dem der Sehma zu-
gekehrten AbHange des Pöhlbergs freundlich aber abschüssig gelegen
(Rathhaus 600 m h.), verdankt seine Gründung am 21. Sept.
1496 dem Bergbau, der 1492 im Thale des Schotten- uud Schrecken-
berges da, wo jetzt das Dorf Frohnau steht, fündig ward. Es
gab damals dort eine Münze, in welcher 1498—99 zuerst die von
dem Fundorte Schreckenderger, nach dem Gepräge Engels-
gro sehen genannten Münzen geprägt wurden. In jener Zeit
enthielt der Schreckenberg die silberreichsten Gruben Sachsens, aber
wie anderwärts auf dem Erzgebirge hielt auch hier der anfangs
stannenswerthe Reichthum der Erzgänge nicht aus, so daß in der
letzten Zeit meistenteils mit Zubuße gearbeitet werden mußte, bis
erst im Jahre 1865 auf „Himmelfahrt sammt drei Brüdern nebst
getreue Nachbarschaft Fundgrube" wieder reiche und gewinnver-
heißende Gäuge von Kobalt, Wismnth und Silbererzen angefahren
worden sind. Im Juli wird hier alljährlich ein Bergfest be-
gangen, mit feierlichem Aufzuge und Gottesdienst, das nachmittags
mit Tauz u. s. w. schließt. Ein ähnliches findet in Marieuberg und
Ehrenfriedersdorf zu Fastuacht statt. — Die sehr schöue Haupt-
kirche, am Ende des 15. Jahrh. vom Segen des Bergbaus erbaut,
enthielt damals neben einem Schatz kostbarer Reliquien die zwölf
Apostel lebensgroß von Silber, aber nach Einführung der Refor-
mation wurden dieselben eingeschmolzen. „Der Gebauer ist wohl
schön, nur der Vogel darin singt nicht gut", sagte Johann Friedrich
der Großmüthige, als er hier mit Herzog Georg 1530 dem Gottes-
dienste beiwohnte, und gab damit sein Bedauern zu erkennen, daß in
einer so kostbaren Kirche die Reformation noch nicht Eingang ge-
gefunden habe. Jetzt zieren ihr Inneres die sogenannte schöne
Pforte, vier Altäre, von denen der Hochaltar mit fignrenreicher,
in solenhofer Kalkstein ausgehauener Darstellung des Stammbaums
Christi besonders ansehnlich ist, an der Brüstung der Empore
Sandsteinreliefs, alle bergmännische Beschäftigungen darstellend,
172 Kreishauptmannschaft Zwickau.
und mehrere alte Gemälde. Die Berg- oder Bergmanns-
kirche, deren Prediger zugleich Diakonus an der Stadtkirche ist,
ist die einzige Sachsens, und die Hospital- oder Begräbuiß-
kirche die einzige, welche nach außen zu, nämlich nach dem Kirch-
Hofe, eine Kanzel hat, auf der bei gutem Wetter die Kirchweih-
predigt gehalten wird. Auf diesem Kirchhofe steht eine der son-
derbarsteu Linden, denn angeblich ist sie, vor langer Zeit vom
Sturme gestürzt, wieder mit den Aesten eingewurzelt, welche, durch
23 Pfeiler gestützt, eine Art von Nische bilden. Unfern dieser Linde
schlummert die unvergeßliche Wohlthäterin des Erzgebirges, Bar-
baraUttmaun, geborne von Elterlein, einst Gattin eines reichen
Bergherrn, welche während man bis dahin nur genähte und ge-
stickte Spitzen kannte, das Spitzenklöppeln 1561 zuerst in Anna-
berg lehrte, wo sie auch, betrauert von 64 Kindern und Enkeln,
1575 starb. Ihr Grab deckt eine eiserne Platte, daneben steht ein
ihr von dem Kaufmann Eisenstuck errichtetes Denkmal von Sand-
stein. Eine nahe Umzäunung enthält die sogenannte heilige
Erde, welche 1519 vom Pabste geweiht und mit Erde aus Pa-
lästina vermischt, feierlich über Annabergs gemeine Erde gestreut
worden sein soll; eine Ruhestätte dort war deshalb sonst nur für
schweres Geld zu haben und kostet noch jetzt mehr als eine ander-
würts auf dem Kirchhofe. Eine katholische Kirche hat Anna-
berg seit 1844, eine Realschule nebst Progymnasium an Stelle
des aufgehobenen Lyceums seit 1842, eine vom Pöhlberg herab-
führende Wasserleitung seit 1865; auch ist es Sitz einer Amts-
hauptmannschaft und eines Hauptzollamtes und wird mit Ehem-
uitz durch die Eisenbahn verbunden, welche zwischen beiden Städten
die Zschopau nicht weniger als 19mal überschreitet.
Zu Annaberg lebte im 16. Jahrhundert als Bergschreiber der
berühmte Rechenmeister Adam Riese (S. 171). Auch ward hier
1726 der Kinderfreund Weise geboren, zu dessen Andenken an
seinem hundertjährigen Geburtstage 1826 eine Stiftung zur Er-
ziehung armer verwaister Kinder des Erzgebirges feierlich eröffnet
wurde. — Nur durch das Sehmathal wird von Annaberg getrennt
Buchholz (5655 Einw., 383 H., Rathhaus 557 m h.), eigent-
lich St. Katharinenberg im Buchholz genannt, nämlich nach der
der heiligen Katharina geweiheten Kirche, der bergigste Ort Sach-
sens, dessen Häuser meist einzeln an und auf dem Schottenberge
und zum Theil so eng liegen, daß sie nicht einmal Höfe haben,
der aber schöne Waldanlagen besitzt. Die Nähe der beiden Städte
erklärt sich daraus, daß nach der Theilnng der wettinischen Länder
im Jahre 1485 die Sehma die Grenze bildete zwischen den alber-
tinischen und ernestinischen. Daher war auch das erneftinische
Buchholz der erste Ort in der ganzen Gegend, wo die Reformation
Eingang fand. Die Kirche enthält ein großes aus 12 Holzbildern
bestehendes Altargemälde von einem unbekannten Meister aus
Annaberg; Buchholz; Spitzenklöppelei. 173
Wohlgemuths Schule (Ende des 15. Jahrhunderts), welches durch
den sächsischen Alterthumsverein restaurirt worden ist.
Annaberg und Buchholz zusammen verdienen in vierfacher
Beziehung der Hauptmittelpunkt für die Industrie des obern Erz-
gebirges zu heißen. Denn erstens besitzt Annaberg eine große
Seidenweberei; zweitens ist Buchholz die Heimat und sind beide
Städte der Hauptsitz der Posamentenfabrikation, die zuerst
durch niederländische, vor dem Wütherich Alba flüchtige Seidew
weber oder, nach anderer Angabe, durch Georg Eiuenkel aus
Dinkelsbühl im I. 1589 hierher gebracht wurde und sich auch
nach Ehrenfriedersdorf, Geyer, Oberwiesenthal, Wolkenstein und
Schlettau ausbreitete. Hier werden seidene, baumwollene und
wollene Fransen, Quasten, Schnuren, Knopfmacherarbeit, Besätze
aus Soutache oder mit Schmelzperlen, Chenille, Gummiborden
für die Handschuh- und Strumpffabrikation, Gold- und Silber-
treffen und dergleichen gefertigt. Vor dem Jahre 1862 fristete
diese Industrie ihr Dasein so kümmerlich, daß sie dem gänzlichen
Erlöschen nahe schien; seit Einführung der Gewerbefreiheit jedoch
und dem Bau der Chemuitz-Annaberger Eisenbahn, welche leichteren
Absatz ermöglicht, hat sie sich wieder gehoben und ihr Gebiet bis
nach Eibenstock und Auerbach hin erweitert, so daß sie jetzt nicht
weniger als 2250 Maschinen verschiedener Art und an 20.000
Arbeiter und Arbeiterinnen jedes Alters beschäftigt, welche zusam-
men für 3% Million Mark Waaren herstellen, bleibt aber trotz-
dem vielfachen Schwankungen unterworfen. Die dazu nöthigen
Klöppel- und Ehenillemaschinen, Band- und Schiebstühle werden
ebenfalls in Annaberg und den Nachbardörfern, z. B. in Geiers-
dorf, gebaut. Wohlthätig wirkt auf diese Industrie die Posa-
mentierschule in Buchholz.
Drittens ist von Annaberg die erzgebirgische Spitzenklöp-
pelei ausgegangen, deren Begründerin, Frau Barbara Uttmann,
wir schon oben haben kennen lernen. Von Annaberg verpflanzte
sich diese Kunst, als ein willkommener Ersatz für den gesunkenen
Verdienst des Bergmanns zunächst in die übrigen Bergstädte und
wurde gleich den meisten Handwerken als ein städtisches Gewerbe
betrachtet, weshalb Dorfbewohner, die es betreiben wollten, ein
Klöppelgeld entrichten mußten. Heutzutage dagegen wird die Hand-
klöppelei fast ausschließlich auf dem Lande betrieben, während in
den Städten die Maschinenklöppelei und der Spitzenhandel ihren
Sitz haben. Im ganzen südwestlichen Theile des Gebirges, von
der böhmischen Grenze bis Brebach, Gelenau, Zwönitz und unter-
halb Schneeberg, von der obern Flöha bis ins Vogtland hinein
nach Zwota und Auerbach, ist der segensreiche Freund der Erz-
gebirgerinnen, der Klöppelsack, heimisch.
So nämlich heißt das runde Kissen, über welches die Muster
oder Klöppelbriefe von buntem Pergament oder Pappe gespannt
werden; dieselben sind ebenso mannichfach als künstlich und ent-
174 Kreishauptm.mnschaft Zwickau.
stehen durch das nach Zeichnungen bestimmte Stecken, von Nadeln,
um welche mit außerordentlicher Schnelligkeit Klöppel, d. h. in
hölzernen Röhrchen steckende Hölzchen geschlungen werden, die mit
Zwirn oder Seide umwunden sind. Solcher Klöppel hängen an
einem Kissen gewöhnlich 30, 40, 50, bei breiten Spitzen gegen
100 Paar, und die bewunderungswürdige Fertigkeit, mit welcher
die Klöpplerin für jede Nadel den rechten Klöppel findet und wirft,
kann nur durch Hebung von frühester Jugend an errungen wer-
den, daher schon Kinder von 4 bis 5 Jahren zu klöppeln anfangen;
unter den blitzschnellen Bewegungen der kunstfertigen Hände, denen
das Auge kaum zu folgen vermag, schlingen sich über dem eiu-
fachen Klöppelgeräth die Fäden zu den zierlichsten, oft kunstreichen
Geweben. Je weißer die Spitze beim Arbeiten bleibt, desto besser
wird sie bezahlt; daher halten die Klöpplerinnen sehr auf Rein-
lichkeit, und so viele ihrer auch oft in einer Stube arbeiten, so
ist doch immer Alles äußerst nett. Fast hinter jedem Hüttenfenster
sieht man eifrige Klöpplerinnen, in der schönen Jahreszeit trifft
man ganze Gesellschaften von klöppelnden Frauen, Mädchen und
Kindern im Freien. Im Winter gehen die Klöppelmädchen Abends
zusammen und sitzen dann um den Klöppelstock, ein Gestelle,
auf dem, so viel Arbeiterinnen, so viel mit Wasser gefüllte
Flaschen oder Kugeln stehen, welche sämmtlich ein Lämpchen er-
leuchtet. Selbst in mancher wohlhabenden Familie ist der Klöppel-
sack noch zu Hause, wenn ihn auch dort Strickstrumpf und Stick-
rahmen mehr und mehr verdrängt haben. — Vor etwa 80 Jahren
gründete der annaberger Bürgermeister Eisenstuck im Dorfe
Sehma die erste Spinnschule für Klöppelzwirn; am wohlthätigsten
aber wirken auf die Hebung der Spitzenindustrie die vom Staate
unterstützten Klöppelschulen, deren es jetzt 35 gibt. Jede hat
einen Fabrikanten oder Spitzenfactor als Verleger, welcher die
Muster besorgt und die fertigen Maaren vertreibt, einen Lokal-
schuliuspector und eine Lehrerin und alle zusammen stehen seit
1858 unter der Aufsicht eines vom Staate angestellten Klöppel-
schuliuspectors und zählten im Jahre 1864 1455 Schülerinnen.
Viele Jahre lang bildete die Spitzenklöppelei eine reichlich
fließende Quelle für unser Erzgebirge; 50.000 Menschen, zu denen
im Winter noch weitere 20.000 hinzukamen, gab sie lohnende Be-
schäftignng. Um so größer war aber auch die Bedräugniß, in
welche die Klöpplerinnen durch die Erfindung des Bobbinets oder
gewebten Spitzengrundes im Jahre 1809, sowie durch das Auf-
kommen der Maschinenklöppelei in England, Frankreich und
Belgien gerietheu; denn letztere ahmt die Arbeit der Handklöppelei
täuschend nach, stellt sie aber ungleich wohlfeiler her. Ja es kam
so weit, daß die fleißigste Klöpplerin bei 16 bis 18stündiger
täglicher Arbeit selten mehr als 90—100 Pfg. in der Woche ver-
diente, nicht genug, um nur dem bittersten Mangel zu entgehen.
Ungern zwar, aber durch die Roth gedrängt, suchten daher viele
Schlettau; Wolkeirsteill. 175
einträglicheren Erwerb auf. Doch hatte gerade der Nothstand
die wohlthätige Wirkung, daß man um so ernstlicher auf die
Vervollkommnung der Fabrikation Bedacht nahm, und dieser, so-
wie der Einführung der Klöppelmaschinen, welche größtentheils
Posamenten liefern, ist es zu danken, daß sich neuerdings die
Klöppelei bedeutend gehoben und vervollkommnet hat, der
Wochenlohn bei den feinern Spitzen auf durchschnittlich 8 M.
gestiegen ist. Man veranschlagt jetzt die Gesammtzahl der klöp-
pelnden Personen auf mehr als 24.000 und der jährliche Um-
satz in erzgebirgischen Spitzen beläuft sich auf nahezu 3 Millionen
Mark.
Gefertigt werden leinene, seidene, wollene, weiße sowohl als
schwarze, und Roßhaarspitzen, ferner Kragen, Aermel, Schleier,
Mantillen und Kleider. Jeder Ort widmet sich vorwiegend der
Fabrikation einer bestimmten Art von Spitzen: so liefern Schwarzen-
berg, Ober- und Unterwiesenthal hauptsächlich seidene Blonden,
Auerbach und Schönheide Guipurespitzen, Marienberg und Johann-
georgenstadt Band- und Roßhaar-Spitzen, Crottendorf Bettspitzen,
Annaberg Kirchenspitzen u. s. w. — Die wenigsten Klöpplerinnen
kaufen das Material selbst, um auf eigene Hand zu arbeiten,
die meisten erhalten es von sogenannten Verlegern oder Spitzen-
Herrn, welche dann nur die Arbeit bezahlen.
Viertens endlich hat sich in Buchholz als eine der jüngsten
unter den erzgebirgischen Industrien die Cartonnagenfabri-
kation niedergelassen, welche die zierlichsten und mannichfaltigsten
Hüllen für Chocoladen- und Zuckerwaaren, Seifen und Parfü-
merien, Handschuh-, Strumpf- und Kurzwaaren aller Art liefert.
An der obern Zschopan liegen die beiden Städte Schlettau
(2372 Einw.) und Wolkenstein (2242 Einw., Schloß 468m h.),
und zwischen ihnen, bei dem Dorfe Wiesa, in dessen Nähe die
Riesenburg liegt, eiu Gehöft, das dem schon genannten Adam
Riese gehört haben soll, in einem freundlichen Thale Wiesen-
bad, ein im 15. Jahrh. entdecktes lauwarmes Mineralbad; da-
selbst steht auch die große Flachsspinnerei und Garnbleiche der
annaberger Aktiengesellschaft. — Schlettau und Wolken st ein
haben beide Baumwollenspinnereien, beide nehmen, besonders durch
Gorl- und Soutachenähterei, an der Posamentenfabrikation Theil,
um beide wird starker Flachsbau getrieben, Schlettau besitzt eine
Flachsbereitungsanstalt, Wolkenstein eine Flachsspinnerei; auch
ist letzteres außer Zwönitz die einzige Schuhmacherstadt des Erz-
gebirges. — Im nahen Hüttengrunde liegt das Wolkensteiner
Warmbad, der wärmste unter den sächsischen Gesundbrunnen.
— Wolkenstein war einst der Lieblingsaufenthalt Heinrichs des
Frommen, der sich hier, wo er, fern von dem Zwange des Hof-
lebens, inmitten der Bürger und Bergleute ungestört seinen Lieb-
habereien nachhängen konnte, ganz vorzüglich gefiel; dafür nannte
auch der Erzgebirger seinen Herzog nur den guten Heinz, und
176 Kreishauptmannschaft Zwickau.
von ihm trägt noch heutzutage die Heinzebank (606m h.), ein
von ihm erbautes Jagdhaus an^der Kreuzung der Chemnitz-
Prager und Annaberg-Freiberger Straße, den Namen.
Scheibenberg (2270 Eiuw.), am Fuße des basaltischen Scheiben-
berges (Gerichtsamt 675 m h.), hatte in früherer Zeit starken Berg-
bau auf Kobalt, Silber und Eisen, dem es auch seine Gründung
im I. 1522 verdankt, seitdem derselbe größtenteils zum Still-
stande gekommen, beschäftigt es sich mit Cigarren-, Schwefel-
Hölzchen- und Posamentenfabrikation, Klöppelei und Nagelschmie-
derei. — Das gewerbreiche Crottendorf, in torfreicher Gegend
und am Saume des großen, nach ihm benannten Waldes gelegen,
hat Marmorbrüche. Der Künstler Nosseni (S. 125) unter
Christian I. war der Erste, der auf den sächsischen Marmor auf-
merksam machte und ihn bei seinen Bauwerken anwendete.
Mit weit mehr Recht, als das Elbsandsteingebirge die säch-
fische Schweiz, nennt man den höchsten Gebirgskamm längs der
böhmischen Grenze von Jöhstadt bis nach Gottesberg im Vogt-
lande das Sächsische Sibirien, denn dort ist das ranheste
Klima, der nnwirthbarste Boden und der dichteste Wald. — Dicke
Nebel, die höchstens in der Mittagsstunde weichen, kündigen hier
meist schon im September dem Erzgebirger den Winter an, der
ihm gewöhnlich in der schrecklichsten Gestalt erscheint; denn wochen-
lang schneit es oft in einem fort, ja wohl in einer Nacht so,
daß man in Dörfern sich aus den Häusern schaufeln, bisweilen
sogar aus dem Dache steigen muß, um einen Gang zur Haus-
thüre oder Gucklöcher für die Fenster der Untersinke zu schaffen,
die meist düstern Kellern gleichen. 1 x/2 bis 4m hoher Schnee
ist in strengen Wintern nicht selten, und Stürme, die fürchterlich
heulen, bilden oft 11 bis 17m hohe Windwehen, durch die mit-
unter förmliche Tunnel gegraben werden müssen. Selten ver-
geht ein Winter, wo nicht Menschen im Schnee umkommen, und
obgleich auch hier, wie im ganzen Lande, die Gemeinden verpflichtet
sind, durch Auswerfen die verschneiten Wege gangbar zu machen,
so find doch die Fälle häufig, daß die ungeheuren Schneemassen
den Verkehr von einem Ort zum andern tagelang völlig unter-
brechen, daß Taufen aufgeschoben werden müssen, weil Prediger
und Pathen nicht zu erlangen sind. Dessenungeachtet heißt der
Erzgebirger den Winter allemal freundlich willkommen, denn er
bringt ihm unter seiner rauhen Hülle auch ein hochwichtiges Ge-
schenk: die Schlittenbahn, welche die Wege ebnet, Verkehr und
Geselligkeit befördert, und gewöhnlich bis zum Mai dauert, auch
weit schöner ist als im Niederlande, und selbst für die Kinder
gibt es kein größeres Vergnügen, als wenn sie mit ihren Rnschel-
schütten pfeilschnell die steilsten Höhen hinabgleiten. Ueberhaupt
ist- die Jugend dort weit abgehärteter als im Niederlande, und
oft wenn man hier schon zu Pelz und Mantel greift, springen dort
Kinder unter freiem Himmel barfuß in bloßem Hemde herum. —
Scheibenberg; Jöhstadt; Wiesenthal. 177
Im Mai melden sich Nebel und Regen, die. hier die Stelle
des Frühlings vertreten und das Herannahen des kurzen Sommers
ankündigen/ Warme Morgen und Abende gehören zu den größten
Seltenheiten, selbst im Juni, Juli und August kommen Nacht-
fröste vor, gelegentlich sogar Schnee, so daß besonders aus den
Höhen Felder und Waldpflanzungen Frostschäden leiden. Kar-
toffeln werden daher dort für den eigenen Bedarf nicht hinreichend
gebaut uud Hafer oder gar Stückchen Kornsaaten sind nur Glücks-
versuche, die aber meist unglücklich ablaufen. In geschützten und
tiefer liegenden Gärten dagegen werden Kohlarten, Möhren, Rüben,
Salat und Schoten mit Erfolg gebaut, Stachel- und Johannis-
beeren reifen zur Noth, Frühjahrsblumen blühen im Juni, Rosen
im August; Versuche, Obstpflanzungen anzulegen, sind bisher
immer gescheitert. Dörfer gibt es dort wenige, wohl aber viele
Hammerwerke, vereinzelt erblickt man Waldhütten, von Wald-
arbeitern und Köhlern bewohnt; doch liegen im sächsischen Sibirien
5Städte: Jöhstadt, Unter-und Oberwiesenthal, Johann-
georgenstadt und Eibenstock, sowie der Flecken Carlsfeld.
Jöhstadt (2255 Einw.) liegt am Schwarzwasser, nicht weit
von der böhmischen Grenze (788m h.), und ist, da es nur eine
Straße hat, in Gestalt einest gebaut. Eigentlich heißt es Josephs-
stadt und gehört zu der sogenannten heiligen Familie der Berg-
städte, von denen Jöhstadt und Marienberg nach Christi Aeltern,
Annaberg und das böhmische Joachimsthal nach seinen Großältern
benannt ist. Es fertigt Spitzen, Posamenten, Weißwaaren und
künstliche Blumen, die von einer großen Zahl Reisender vertrieben
werden; es hat eine Zündhölzchen-, eine Metallgußwaaren-Fabrik
und ein Hammerwerk. Der früher bedeutendste Erwerbszweig,
die Bereitung von Arzeneien, ist eingegangen, seitdem der Handel
mit denselben nirgends mehr von den Medicinalbehörden geduldet
wird. — In dem Dorfe Grumbach ist ein Hohofen mit Hammer-
werk und wird Nickel gegraben; Stahlberg am Fuße des seiner
Aussicht wegen berühmten Bären st eins, und nur durch die Pöhl
von der böhmischen Stadt Weipert getrennt, ist meist von Klöpp-
lern, Stahlarbeitern und Feilenhauern bewohnt. Der Flecken
Bärenstein hat eine Gewehrfabrik.
Auf dem höchsten Kamme des Erzgebirges, am höchsten uuter
allen sächsischen Städten (Gerichtsamt 913m), liegt unweit der
böhmischen Stadt Gottesgabe
Wiesenthal, das sich in die drei Städte Oberwiesenthal
mit 1987 und Unterwiesenthal mit 886 Einw., Böhmisch-
Wiesenthal und das Dorf Hammer-Wiesenthal theilt, da-
von das dritte zu Böhmen gehört. Es klöppelt, besonders feine
Spitzen, und liefert Posamentenwaaren; der Bergbau ist seit sech-
zehn Jahren eingegangen. In Oberwiesenthal, das 1851 halb
und wiederum 1862 zum Theil abbrannte, wurde 1834 der erste
Bandmühlenstuhl Sachsens hergestellt.^
Engelhardts Vaterlandskunde. 11. Aufl.; 12
178 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Hier erhebtsich Sachsens höchsterBerggipfel, derFichtel-
berg, 1213Ea hoch, also über 56m höher als der Brocken im
Harz, über 170m höher als der Beerberg im Thüringer Walde,
aber an 370m niedriger als die Schneekoppe im Riesengebirge,
in unmittelbarer Nachbarschaft des böhmischen Keilbergs, welchem
die Pöhl entquillt. Von dem Thurme auf des Fichtelbergs Gipfel
überschaut man einen großen Theil Sachsens bis zu den Bergen
bei Frankenberg und Sayda und das Egerthal bis nach Wald-
fassen hinauf. Seinen nordwestlichen Abhang umkleiden pracht-
volle Wälder und üppige Wiesen, sein Kern enthält Granaten,
Thon zu^ Häfen für Blaufarbenwerke und selbst etwas Gold;
seinem Schooße entquellen drei Flüsse des Muldengebiets: die
Zschopau, die Sehma und das Schwarzwasser. Die Sehma
stürzt sich von hier in zahllosen kleinen Fällen,»über 100m tief,
in einen schauerlichen Abgrund und rauscht dann mit einem Ge-
tose fort, welches man bei Nacht über 1000 Schritt weit hört.
Das 1070m hoch gelegene Neue Haus am hintern Fichtelberg
ist der höchste bewohnte Punkt Sachsens, trotzdem aber nicht der
rauheste, denn gerade der Fichtel- und Keilberg schützen das Thal
vor den rauhen Winden, daher auch in ganz Norddeutschland der
Feldbau nirgends so hoch steigt wie hier; doch bleiben dafür
an ihnen oft Gewitterwolken hängen und entladen sich dann aufs
fürchterlichste über Wiesenthal.
Johanngeorgenstadt (4209 Eiuw.), am Schwarzwasser (Ge-
richtsamt 746m h.), verdankt seine Entstehung der Glaubenstreue.
Obgleich nämlich Kaiser Ferdinand III. in einem 1646 mit Kur-
fürst Johann Georg I. errichteten Vertrage den Orten Gottesgabe
und Platten völlige Religionsfreiheit zugesichert hatte, vertrieb er
doch, trotz inständiger Bitten des Kurfürsten, im November 1653
den letzten, in den nnwirthlichen Wäldern des Erzgebirges um diese
Orte versteckten Rest von Protestanten erbarmungslos aus Böhmen.
Nachdem diese Bekenner den Winter in wenigen vereinzelten Hütten
zugebracht hatten, erhielten sie 1654 vom Kurfürsten die Erlanbniß,
unter Anführung des aus Siebenbürgen vertriebenen Paul Ham-
merdörfer auf dem Fastenberge Johanngeorgenstadt zu grün-
den, welches als Sammelpunkt treuer evangelischer Böhmen und
durch den Silberbergbau schuell emporwuchs. Seit 1863 ziert
die Bildsäule des Kurfürsten den Marktplatz. Der hiesige Berg-
bau ist also der jüngste des Erzgebirges, jetzt aber zurückgegangen.
Durch eine schreckliche Feuersbrunst am 19. Juli 1867 mit gänz-
lichem Untergang bedroht, hat es sich, Dank der Anhänglichkeit
seiner Bewohner an ihre Scholle, Dank der ihnen von der Re-
gierung wie von der allgemeinen Mildthätigkeit zugeflossenen Unter-
stützuug doch wieder aus der Asche erhoben. Die Stadt ist seit
1842 der Hauptort für die erzgebirgische Handschnhnähterei, treibt
Buutstickerei, Bandzäckchenfabrikation, und aus Karlsbad hat sich
die Kunsttischlerei herübergezogen, die neuerdings in und um
Johanngeorgenstadt; Carlsfeld. 179
Johanngeorgenstadt einen sehr erfreulichen Aufschwung genommen
hat. Auch hat es ein Armenkinderstift „Lazarus". — Im rau-
hesten Theile des Sächsischen Sibiriens liegt
der Flecken Carlsfeld. Diese Gegend an der Wilzsch bis
an die vogtländische Grenze kaufte im I. 1678 der reiche Gruben-
Herr Schnorr aus Schneeberg als eine Waldwildniß, legte hier,
vermutlich, weil tiefer das Kohlenholz schon zu theuer war, Eisen-
werke an, und gab dadurch die Veranlassung zur Entstehung des
Orts, für den er 1688 eine schöne achteckige Kirche baute, Pfarr-
und Schulstelle freigebig ausstattete. Seit 1823 sind die Eisen-
werke eingegangen; den Wald kaufte der Staat für 30.000 Thlr.,
wobei ein Baumstamm durchschnittlich 3 Pfennige gekostet haben
soll. Jetzt werden auf dem Wilzscher Reviere jährlich für 400.000 M.
Hölzer, meist Stämme und Klötzer für die Brettmühlen, anfbe-
reitet. — Um dem in tiefste Armuth versunkenen Orte aufzuhelfen,
verpflanzte 1830 ein Verein von Menschenfreunden, auf Anregung
des damaligen Kreishauptmanns v. Wietersheim, die Schwarz-
wälder Uhrenfabrikation hierher; seit 1838 ist die von dem-
selben gegründete Anstalt in den Besitz einer Actiengesellschaft
übergegangen, die sich eines schwunghaften Absatzes erfreut. Die
Fabrikation wird nur als Hausindustrie betrieben und liefert
jährlich gegen 6000 Uhren von jeder Größe und Art außer Taschen-
nhren; Wanduhren von 3 bis 55 M., Stutz- und Spieluhren,
Thurmuhren bis zu 1500 M., Regulatoren, welche eine Woche,
bis zu solchen, welche ein Jahr gehen, von 45 bis 300 M., Spiel-
uhren gehen viele nach der Türkei und diese erhalten besondere
Zifferblätter mit türkischen Ziffern. Zu den Gehäusen wird nur
das beste Buchenholz verwendet; die Stämme oder Klötzer zer-
sägt man übers Kreuz in vier Stücke und trennt dann den Kern
ab, denn nur die Randstücke sind brauchbar, müssen aber erst noch
bis zwei Jahre im Wetter und unter Dach liegen, bevor sie zur
Benutzung geeignet sind, worauf sie in dünne Brettchen geschnitten,
aneinander geleimt und in verschiedene Größen zertheilt werden.
Die Rädchen, Wellen und Zeiger werden aus Messing gegossen,
dann feilt sie der Uhrmacher blank, schneidet vermittelst Maschinen
die Zähnchen in die Räder, dreht die Wellen ab, setzt die Rad-
scheiden aus, bohrt Löcher für die Getriebe, schlägt die Stifte ein
uno setzt endlich das Ganze in das Gehäuse ein. Auf dem Lager
bekommt die Uhr Kette, Glocke oder Feder und Zifferblatt. Zur
Fertigung der Ketten sind drei Maschinen nöthig; eine windet
den Draht, eine schneidet ihn, wobei er schon zu halbgeschlossenen
Gliedern zerfällt, die von Frauen und Kindern zur vorgeschriebenen
Länge zusammengehängt werden, eine dritte pocht die Glieder fest
zusammen, und nun erst geht das Waschen und Putzen los. Die
Zifferblätter werden von dem Maler zuerst weiß lackirt, wobei
er die größte Sorgfalt anzuwenden hat, damit kein Staubfäserchen
auf die Platte fällt, denn sonst wird sie verworfen, darauf bringt
12*
180 Kreishauptmannschaft Zwickau.
er die Kreiseintheilung und die Zifferreihe an, zuletzt bekommen
die Ecken ihr Blümchen und der Halbkreis über der 12 sein Bild-
cheu. Für das Malen eines solchen Zifferblattes erhält der Maler
je nach der Größe 28—45 Pfennige, aber auch mehrere Mark
bei Thurmuhren und besonders für die Glaszifferblätter an Nacht-
uhren. — Außer dieser Industrie treibt das fleißige Carlsfeld
Harmonikafabrikation und Tischlerei; Weißnähterei und Ausnähen
von Kleidern und bunten Tüchern ist Hauptbeschäftigung der
Frauen, zu der auch die Männer greifen, wenn anderer Verdienst
stockt. Zwei Glashütten liefern, die eine Tafel-, die andere Hohl-
glas. Der frühere Zinnbergbau ist noch nicht wieder aufgenommen
worden. Torf lagert bei Carlsfeld in großen Feldern bis zu
41/2m Mächtigkeit, aus denen jährlich gegen 3 Millionen Stück
Ziegel gewonnen werden. Das mächtigste Becken, der Kranich-
see, dem drei Bäche entfließen, hat 2 Stunden in Umfang, gehört
aber nur zum kleinern Theile zu Sachsen; er ist 8, in der Mitte
angeblich sogar gegen 17 m tief mit Torf ausgefüllt, bis jetzt aber
noch gar nicht in Angriff genommen.
Eibcnstock (mit 6553 Einw., 440 H.), ein Hauptzollamt,
unfern der westlichen Mulde in schönem Wiesenlande gelegen (Ge-
richtsamt 627m h.), ist seit dem großen Brande von 1856 fast
ganz neu gebaut. Der früher hier bedeutende Zinnbergbau hat
jetzt ganz aufgehört, nur Eisenstein wird noch gewonnen. Eiben-
stock ist der Stamm- und Hauptsitz des Tambourireus, d. h.
der Stickerei mit der Häkelnadel auf baumwollenem und seidenem
Tüll, welche in der ganzen Gegend betrieben wird und die be-
sonders den Bedarf der Spanierinnen an Mantillen und Schleiern
liefert. Gegründet wurde dieser Nahrungszweig durch die S. 165
erwähnte Clara Angermann, gebürtig aus Bialystock, die
nachherige Gattin des Försters Nollain, welche, in einem Kloster
zu Thoru erzogen, dort 1775 diese Kunst erlernt hatte und sie
hier anderen Mädchen lehrte. So hat sich Frau Nollain neben
Barbara Uttmann einen Ehrenplatz in der Geschichte des Erzgebirges
verdient. Freilich hat auch diese Industrie gegenwärtig durch die
Eoucurrenz der englischen, belgischen und französischen Maschinen-
tüllstickereien zu leiden, daher ein großer Theil der Weißsticker
zu der besser lohnenden Buntstickerei übergegaugeu ist; doch säugt
auch sie an sich der Maschinenarbeit zuzuwenden, während kleinere
Verleger wenigstens eigene Stickstuben halten, in welchen 20 bis
50 Mädchen des Tags über beschäftigt sind. — In der Nähe
von Eibenstock liegen mehrere Hammerwerke und das stadtähnliche
DorfSchönheide, mit5072 Einwohnern. Hier blüht die Plein-
fabrikation, d. h. die Tambonrirstickerei in einfachen fort-
laufenden Mustern, welche von den Arbeitern abgezählt werden,
während die eibenstocker Stickerinnen nur nach vorgedruckten Mustern
arbeiten; auch Sammt-Malerei und -Stickerei, Wollen-Weberei
und -Druckerei sowie Spitzenhäkelei werden hier betrieben, besonders
Mbenstock; Schwarzenberg. 181
schwunghaft aber die Bürstenbinderei und Pinselfabri-
kation. Wie groß die Mannichfaltigkeit der durch dieselben ge-
fertigten Fabrikate ist, kann man daraus abnehmen, daß die größte
der hiesigen Fabriken 126 Sorten Pinsel, 517 Sorten Bürsten
und 42 Sorten Borstwische nnd Besen führt! Das Kämmen,
Kochen, Anftheilen, Zupfen nnd eigentliche Vorrichten der Borsten
geschieht vorzugsweise in Rothenkirchen und Stützengrün,
die Herstellung der Bürstenhölzer in Großpöhla. Die Röhren-
macherei dagegen, d. h. die Verfertigung von ordinären Eisen-
und Blechwaareu ist mehr und mehr in Versall gerathen.
Eine Stunde von Eibenstock erhebt sich der Allersberg
(1019m h.), Sachsens dritthöchster Berg, dessen Besteigung die
Mühe durch eine herrliche Aussicht von dem auf seinem Gipfel
errichteten Thnrme über das Mulden- und Sehmathal, nach dem
Niederlande, dem Vogtlande und Böhmen reichlich lohnt.
Beim Bergflecken Sosa wird Porzellanerde gegraben. —
Unter den Thälern jener Gegend ist eins der schönsten das roman-
tische, über 3 Stunden lange Thal des Schwarzwassers ober-
halb Schwarzenberg, welches von 130—120m hohen, höchst sonder-
bar gestalteten Felsen gebildet und von dem über Steinblöcke schän-
Menden Gebirgswasser durchströmt wird.
An der Grenze des obern Erzgebirges gegen das niedere
liegen im Gebiete der westlichen Mulde die drei Städte Schwarzen-
berg, Aue und Schneeberg.
Schwarzenberg (3299 Einw.), auf einer von Bergen um-
rahmten Felshöhe über dem Schwarzwasser, ist der Endpunkt der
Obererzgebirgischen Eisenbahn und seit dem Brande von 1824 besser
wiederhergestellt. Es hat ein Schloß (474m h.) und der hiesige
Drahthammer zieht unter anderm so feinen Draht, daß 1 Ctr.
Eisen über 330.000m gibt. In der Nähe liegen die 1831
eröffnete König-Antonshütte, welche für die Ansschmelzung
der silberarmen Erze aus den nahen Revieren bestimmt war,
aber bereits 1859 wieder geschlossen wurde, das Albert-Stift
und ein Rettungshans; das Bad Ottenstein ist eingegangen.
— In dem großen Dorfe Lauter bei Schwarzenberg ist die
Korbmacherei zu Hause, die an 400 Arbeiter beschäftigt, während
andere mit den Waaren durch halb Deutschland Hausiren. Von
den Ruthenkörben aus berindeten Fichtenzweigen werden besonders
viel nach Augsburg versendet. Weit bedeutender ist die erst seit
1861 eingebürgerte Spankorbsabrikation, die zum Theil in ge-
schlossenen Etablissements betrieben wird, sich seit 1869 auch nach
Bockan verbreitet hat und ihre Erzeugnisse bis nach Australien
absetzt. — Der Flecken Bockan, in dessen Nähe Schmirgel ge-
graben wird, der Hauptort des erzgebirgischen Medicinalkräuter-
baus, für welchen man die steilsten Abhänge terrassirt hat, baut
alljährlich an 1000 Ctr. Angelikawnrzel, die Arzneibereitung da-
182 Kreishauptmannschaft Zwickau.
gegen, die früher von den bockaner Laboranten sehr stark betrieben
wurde, ist des damit getriebenen Unfugs wegen durch die Medi-
ciualpolizei unterdrückt worden; dieselbe liefert nur noch von dem
vielgepriesenen Schneeberger Schnupftabak, der aus Violwurzel,
Nießwurzel oder auch bloßen Wiesenkräutern mit etwas ätherischem
Oele bereitet wird, jährlich 30—40.000 Dutzend Schachteln. —
In Pöhla befindet sich das obererzgebirgische Waisenhaus. — In
Raschau ist, zuerst iu ganz Sachsen, 1855 die Korkfabrikation
eingeführt worden; es hat eine Alaunhütte und ein Mineralbad.
Das Arsenikwerk ist 1872 eingegangen. Der Bergbau bei Raschau
gehört zu den wichtigsten und die Grube „Stamm Asser am
Graul" ist eins der größten Berggebäude Sachsens. Dasselbe
liefert auch die Erze für das Vitriolwerk Silberhoffnung iu
dem Dorfe Beierfeld, das größte Sachsens; ein Vitriolwerk
ist auch zu Breiteuhof.
Die Gegend um Schwarzenberg von der Preßnitz bis an
die obere Mulde ins Vogtland hinein, ist das Hauptquartier un-
serer Eisenindustrie; denn von dem Eisenstein, welcher in
Sachsen überhaupt gegraben wird, kommen über 9/10 auf das
schwarzenberger Revier. Hier ist daher auch das Eisenhütten-
wesen stärker entwickelt als in irgend einem andern Landestheil.
Obgleich aber der ganze Südwesten des Erzgebirges so reich an
Eisenerzen ist, daß unsere Hütten auf Jahrhunderte hinaus den
Vorrath nicht zu erschöpfen vermögen, so ist dennoch dieser Industrie-
zweig, hauptsächlich in Folge der Vertheuerung des Brennmaterials,
nur mühsam im Stande, die Eoncurreuz des ausländischen Eisens
zu ertragen, daher denn auch Sachsen seinen Eisenbedarf nur zum
kleinsten Theile selbst deckt. Sachsen hat gegenwärtig nur uoch
8 Hohöfen, in denen im I. 1874 1.284.850 Ctr. Erze (darunter
33.033 Ctr. zollausländische) verschmolzen wurden, III Gießereien
und 7 Eisenfrisch- und Streckwerke. Am zahlreichsten sind die
Eisenwerke an der westlichen Mulde, dem Schwarzwasser, der
Bockau, Mittweida und Wilzsch, um Eibenstock, Schwarzenberg,
Wiesenthal und Johanngeorgenstadt. Das Hammerwerk Wit-
tichsthal bei Johanngeorgenstadt war das erste, welches ein
Walzwerk hatte, der zu Großpöhla bei Schwarzenberg gehörige
Pfeilhammer das erste Schneidewerk in Sachsen. Fast alle
Hammerwerke liegen ziemlich einsam, haben aber, weil nächst den
Besitzern auch viele Arbeiter und die ihnen nöthigsten Handwerker
beisammen wohnen, nicht selten das Ansehen kleiner Städte und
manche die schönsten Schlösser zu Wohuuugen der Besitzer. Außer
den schon genannten gehören zu den bedeutendsten Eisenwerken
dieser Gegend die zu Erla, zu Breitenbrunn bei Schwarzen-
berg, zu Schöuheidehammer, welches ein Emaillirwerk besitzt
und schmiedbaren Eisenguß fabrieirt, und in Grumbach bei
Jöhstadt, die beiden größten des Landes aber finden sich nicht
hier, sondern in Gröditz und in Cainsdorf bei Zwickau.
Erzgebirgische Eisenindustrie. 183
Das Feuer in den Hohöfen wird Tag und Nacht mit ungeheuren,
durch Wasser getriebenen Gebläsen angesacht, welche jetzt allge-
mein so eingerichtet sind, daß sie der Flamme erhitzte Luft zu-
führen, was eine bedeutende Ersparniß an Brennstoff verschafft.
Ist der Ofen einmal angezündet, so geht das Feuer meist unter
einem halben Jahre nicht aus; eben darum haben unsere erzge-
birgischen Arbeiter an den Eisenhüttenwerken Freunde, die gerade,
je schwerer die Zeiten sind, sich desto treuer bewähren; denn wenn
bei Geschäftsstockungen, wie sie unsere Industrie nicht selten treffen,
andere Fabrikanten ihre Arbeiter ohne Verdienst lassen müssen, haben
es die Hüttenherren nicht in ihrer Gewalt, die Eisenerzeugung zu
beschränken oder gar einzustellen. In Gegenden, wo mehrere Höh-
ösen stehen, gewährt es bei Nacht einen schönen Anblick, wenn das
Feuer durch die obere Oeffnung mehrere Ellen hoch emporlodert.
Die glühendflüssige Eisenmasse läßt man von Zeit zu Zeit, meist
aller 12 Stunden, entweder in Formen laufen, die in Sand ge-
graben sind, oder man gießt sie zu dreiseitigen Stücken von 12 bis
20 Centnern, in Form von Sargdeckeln, Gänze genannt, die dann
in den Hammerhütten zu Stangen, Stäben zc. verarbeitet werden.
Die Lebensweise der Eisenarbeiter, deren Gesammtzahl sich
im I. 1874 auf 7688 belief, ist zwar weit beschwerlicher und
anstrengender, aber doch ungleich gesünder als die der Bergleute.
Das Aufgeben der Kohlen und Steine in den Hohöfen, das
Anschüren des Feuers, das Ausziehen der Schlacken mit eisernen
Stangen, das Halten, Theilen, Hin- und Herschleppen großer
Eisenstücke ?c. verlangt tüchtige Kräfte, ist aber, bei guter Kost,
so gesund, daß die Arbeiter gerade dann erst kränkeln, wenn sie
Ruhe haben. Gewiß trägt auch das häufige Waschen und Baden
derselben, besonders in Wasser, in dem man Schlacken abgekühlt
hat,^nicht wenig zu ihrer Gesundheit bei. Denn jeden Sonnabend,
im Pommer oft während der Arbeit, springt der Hammerschmied
ins Schlackenbad, was er leicht thun kann, da er den ganzen Tag
im bloßen, von einem Schurzfell zusammengehaltenen Hemde oder
nur mit Hosen bekleidet bei der Arbeit herumläuft. Uebrigeus
scheint der Körper des Hammerschmieds fest zu sein, wie das Eisen,
das er liefert. Einen 3 Centner schweren Karren fährt er ohne
Anstrengung; triefend von Schweiß trinkt er eiskalt, oder setzt
sich der freien Luft aus, bei Tage wie bei Nacht; Funken, die
ihn umsprühen und brennen, schüttelt er ab wie Sandkörner, und
im Winter geht er oft bei der strengsten Kälte nach Hause. Meist
nur Blödsichtigkeit und Taubheit, Folgen der Fenerarbeit und des
steten Hammergetöses, drücken ihn im Alter. Die Fälle, daß
Hammerschmiede trotz ihrer schweren Lebensweise goldene Arbeits-
jubelseste feiern, sind nicht selten.
Die Versuche, das eigene Roheisen zu Weißblech zu ver-
arbeiten, haben bis jetzt in wachsen den erwünschten Erfolg noch
nicht gehabt, auch unsere Schwarzblechsabrikation ist nichtsehr
184 Kreishauptmannschaft Zwickau.
ausgedehnt, da anderwärts, besonders am Rhein und in Schlesien,
die Schwarzbleche billiger hergestellt werden, als dies bei uns
möglich ist. Dagegen beschäftigen sich schon seit Jahrhunderten
einige Ortschaften des Erzgebirges, z. B. Schönheide (S. 180),
mit der Verfertigung von Blechwaaren, zu denen größtenteils
ausländische Bleche verwendet werden; doch würde auch diese gewiß
sich größerer Blüte erfreuen, wenn die Arbeiter weniger fest an
dem alten Schlendrian hingen, und wenn nicht in neuester Zeit
Gußeisen und Thon, namentlich bei Oefen, dem Blech vorgezogen
würden. — Beierfeld ist der Hauptsitz der Blechlöffelfabri-
kation, bei welcher 5—600 Menschen beschäftigt sind, deren Er-
zengnisse jedoch nicht aus Blech, sondern aus dem besten west-
Mischen Stabeisen hergestellt werden; auch in Lauter, Grün-
Hain, Bernsbach, Breitenbrunn ?c. wird dieselbe, jedoch nur
als Hausindustrie betrieben. Die Herstellung der Platten erfolgt
durch die Plattenschmiede. Zu einem Feuer gehören in der Regel
drei Mann, einer zum Arbeiten aus dem Feuer, ein Aufschläger
und ein Ausstieler; erstere beide haben das Eisen nach vorn zu
breiten und ihm die Löffelform, die Schale, Laffe oder Larve, zu
geben, der letzte formt den Stiel. Hierauf kommen die Platten an
die Schwarzarbeiter, welche sie theils mit der Maschine theils mit
der Hand beschneiden, dann auf einem ausgebognen Ambos ver-
tiefen und feilen, wobei auch Frauen und Kinder mit helfen;
endlich werden sie gebeizt, verzinnt und polirt. Die Entstehung
dieser Industrie fällt in den Anfang des 18. Jahrhunderts, ihre
höchste Blüte in die Zeiten des siebenjährigen Krieges, wo Blech-
löffel stark verbraucht, auch häufig von den Soldaten zum An-
denken mitgenommen wurden, welche Verse, verzogene Namen und
dergleichen darauf stechen ließen und dadurch große Bestellungen
vom Auslande veranlaßten. In ihrer höchsten Blüte lieferte diese
Industrie jährlich 18—20 Mill. Löffel. Hand in Hand mit der
Löffelfabrikation geht die von allen Arten Blechwaaren und söge-
nannten Saxoniageschirren. — Die Zahl der Nagelschmiede,
deren Handwerk sonst in der schwarzenberger Gegend am stärksten
vertreten war, hat sich seit dem Auskommen der Drahtstiftfabriken
bedeutend vermindert.
An der Vereinigung des Schwarzwassers mit der Mulde
liegt in einem lieblichen Thale das Städtchen Aue (2677 Einw.,
Bahnh. 347 m h.), auf einer Aue, die dem ehemaligen, am jen-
seitigen Muldenufer gelegenen Kloster Zelle oder Klösterlein
gehörte und dem Orte seinen Namen gegeben hat. Es treibt
außer Feldbau Baumwollenspinnerei, Klöppelei und Fabrikation
von Schnupftabaksdosen und hölzernen Pfeifenköpfen. Die Por-
zellanerdenzeche unfern Aue, welche dem Erfinder des Porzellans
und seiner Fabrik in Meißen lange Zeit die Masse lieferte, ist
seit mehreren Jahren erschöpft. — Auerhammer enthält die
Neusilber- oder Argentanfabrik, gegründet 1826 von Dr. Geitner,
Aue; Schneeberg. 185
dem Erfinder dieses Metalls, welches durch Zusammenschmelzen
von dem früher für werthlos gehaltenen Nickelmetall mit Kupfer
und Zink erzeugt wird. Fabriken von Argentanwaaren befinden
sich jetzt in Niederschlema, Aue und Zwickau.
In der Nähe von Schneeberg liegen die einzigen Blau-
farbenwerke Sachsens, welche zugleich die wichtigsten von
ganz Deutschland find, nämlich das dem Staate gehörige Doppel-
werk zu Oberschlema und die vereinigten Privatwerke zu
Pfannen stiel am Schwarzwasser. Hierher kommen sämmtliche
Kobalt- und Nickelerze des Landes zur Verarbeitung, und im
Jahre 1874 wurden aus denselben 7501 Ctr. Blaufarbeuwaaren,
1053 Ctr. Kobalt- und Nickelspeise, 547 Ctr. Wismuth, zusam-
men im Werthe von 2.601.507 M. dargestellt. Die schöne blaue
Farbe, die je nach der Sorte Smalte, Zaffer, Saffior oder Eschel
heißt, zum Malen und Färben, besonders des Porzellans, ge-
braucht wird und meist nach Holland und England, häufig auch
nach China geht, gewinnt man, indem man die Kobalterze zunächst
durch Rösten und Zermahlen von Arsenik und Schwefel befreit,
und dann mit Quarzsand und Potasche in Glashäfen zusammen
schmilzt, endlich die geschmolzene Masse, wenn sie, erkaltet ist, zer-
kleinert. Ihr Vertrieb geschieht nur von Schneeberg aus durch
die sogenannte Communfactorei. Das beim Kobaltschmelzen ab-
dampfende Gift fängt man in schornsteinartigen Hallen und benutzt
es als Potaschesurrogat wieder zum Schmelzen des Kobalts. Die Er-
findung der Smalte geschah wahrscheinlich im Anfang des 16. Jahr-
Hunderts durch Peter Weiden Hammer, einen Franken, der
sich des Bergbaus wegen zu Schneeberg niedergelassen hatte, ward
aber 1540—60 durch einen böhmischen Glasmacher, Schür er,
vervollkommnet. Ehe man den Farbestoff des Kobalts kannte,
stürzte man letzteren als unnütz auf die Halden und nannte ihn,
weil er das Silberausbringen aufhielt, nur den Silberräuber,
wegen seiner giftigen Dämpfe in den Schmelzhütten aber den
bösen Berggeist Kobel. Und doch gab dieser böse Berggeist von
1751—1815 für mehr als 171/,, Mill. Thlr. Ausbeute!
Schneeberg (8074 Eiuw., 680 H. Rathhaus 465 m h.) auf
dem Schneeberge, die Hauptbergstadt des westlichen Erzgebirges,
ist außerdem bemerkenswerth wegen ihres Spitzenhandels,
welcher hier weit wichtiger ist als die Spitzenklöppelei, die neuer-
dings zum Theil der Stickerei sowie der Weißwaarenfabrikation
den Platz geräumt hat. Auch die Seilerei, die Tuchschuhfabri-
katiou, eine chemische und eiue Puppen-Fabrik sind nenneswerth.
Die Hauptkirche ist die schönste Kirche des Erzgebirges, die größte
evangelische Sachsens, hat auch die größte Glocke im Lande,
159 Ctr. an Gewicht, und einen Tausstein vou crottendorfer
Marmor. Ihren Altar, der im dreißigjährigen Kriege von Kaiser-
lichen nach Prag geschleppt, 1649 aber wieder erlangt-wurde, zieren
Crauachische' Gemälde, unter andern die Brustbilder Johanns
186 Kreishauptmannschast Zwickau.
des Beständigen und Johann Friedrichs des Großmüthigen.
Das Lyceum war eins der 1835 aufgehobenen. Im 17. Jahr-
hundert zeichnete sich zu Schneeberg die Künstlerfamilie Böhme
aus; sechs Glieder derselben, Vater, Söhne und Enkel, arbeiteten
in verschiedenen Gattungen der Bildnerei für mehrere Städte
des Landes. Die hohe Lage der Stadt gewährt herrliche Aus-
sichten, unter denen die von Herders Ruhe am Glößberge, wo
der berühmte Geolog besonders gern weilte, die schönste ist. Mit
der Obererzgebirgischen Bahn ist Schneeberg durch eine Zweig-
bahn verbunden.
Der schneeberger Silberbergban, der älteste nach dem Frei-
berger, und seiner Zeit der ergibigste des ganzen Erzgebirges,
ward 1471 fündig, — wie und durch wen läßt sich nicht mit
Sicherheit ausmachen —, und rasch erwuchs aus den Berg-
gebäuden eine blühende Stadt. Am reichsten war die Georgen-
zeche, in welcher am 23. April 1477 Albrecht der Beherzte an
einer 3 Ellen langen, 11/2 Ellen breiten Erzstnfe, im Werthe von
80.000 Mark Silber, Tafel gehalten haben soll, wobei er sich
rühmte, „daß selbst der Kaiser eine so stattliche Tafel nicht habe".
Doch ist die Sage etwas unwahrscheinlich, obgleich man im
dresdner Natnralienkabinet drei Stücke gediegenen Silbers als
angebliche Ueberreste jener Erzstnfe zeigt. So viel ist indeß ge-
wiß, daß der Ertrag der schneeberger Gruben damals außer-
ordentlich groß war. Anfangs wurden die Erze in die Schmelze
nach Zwickau geschafft, wovou ein Dorf an der dahin führenden
Straße noch jetzt Silberstraße heißt. Mit dem Sinken der
Silberzechen im 16. Jahrhundert kam der Kobaltbergbau in
Schwung. In Schneeberg befindet sich ein Bergspital und das
Rettuugshaus „Marienhof".
Der nahe, 1/i Stunde lange, 450m breite Filzteich, der
die Aufschlagswasser für die Gruben liefert, und bei dem eine der
größten Torfstechereien liegt, durchbrach 1783, von Regen und
Schnee angeschwellt, den Damm und richtete indem Flecken Zschor-
lau, wie auf dem Auerhammer die furchtbarsten Verwüstungen an.
Die hart an Schneeberg angrenzende Stadt Neustädte!
(3335 Einw.) hat dieselben Erwerbszweige wie jenes.
Endlich ist zum oberen Gebirge noch- die Gegend zwischen
dem Schwarzwasser uud der oberu Zschopau zu rechnen, die an
Städten, wenn auch kleinen, besonders reich ist, denn hier liegen
deren nicht weniger als sechs, nämlich: Grünhain, Elterlein,
Zwönitz, Geyer, Ehrenfriedersdorf und Thum.
Grünhain (1769 Einw.), wo sich eine Eorrectionsanstalt
für Weiber befindet, hatte bis zum Jahre 1553 ein reiches, 1238
gestiftetes Kloster, dessen Abt, Liborius, den gefangenen Kunz
von Kaufungen mit seinen Gesellen eine Nacht in ^Verwahrung
hielt, bis er ihn nach Zwickau bringen konnte. Die Mauern
stehen noch. Der Altarschmuck von Porzellan in der Kirche ist
Grünhain; Elterlein; Zwönitz. 187
ein Geschenk König Friedrich Augusts I. — Das Dors Berns-
bach treibt außer der Löffelfabrikation auch die von Feuerschwamm,
wozu der rohe Schwamm meistentheils aus den Buchenforsten
der Karpathen kommt.
Elterlein (2239 Einw.) ist wahrscheinlich der Geburtsort
der Spitzenmutter Barbara Uttmann (S. 165).
Am Fürstenberge, im Walde zwischen Grünhain und
Raschau, unfern dem Dorfe Waschleithe, soll die Stelle sein,
wo am 8. Juli 1455 der geraubte Prinz Albrecht durch den
Köhler Georg Schmidt (nachher Triller genannt) aus Kunzens
von Kaufuugeu Händen befreit wurde. Weil nämlich, sobald der
Raub ruchbar geworden, überall Sturmglocken läuteten, war
Kunz von der Straße nach Böhmen in diese einsame Gegend
abgebogen, wurde aber hier von dem wackern Köhler, dem der
Prinz sich anvertraute, gefangen genommen. 25 Jahre später
besuchte Albrecht den Ort seiner Rettung, dankte Gott und be-
schenkte reichlich die Köhler, welche dabei mitgewirkt hatten. Den
muthmaßlichen Ort jener Begebenheit bezeichnet seit dem 8. Juli
1822 ein Granitobelisk mit Inschrift auf eiserner Tafel. In
einer Nische des Fußgestells ergießt sich über Krystalldruseu der
Fürstenbrunnen, eine Waldquelle, aus der der Köhler den
fast verschmachteten Prinzen gelabt haben soll. Im Fürsten-
berge bricht reiner weißer Marmor, welcher zum Theil zu Kalk
gebrannt wird, theils aber auch in ungebranntem Zustande man-
nichsache Verwendung findet. — Bei dem Dorfe Haide liegen,
malerisch schön, die Ruinen der sogenannten Dusels-, d. h.
St. Oswaldskirche, von welcher die Sage viel Schauerliches
berichtet. Angeblich ward sie von einem reichen Bergherrn, Kas-
par Klinger zur Entsündignng wegen eines mit seinem Bruder
an dem Bergmeister Göldeuer in Elterlein verübten: Mordes
erbaut.
Die Stadt Zwönitz (2687 Einw.) an der Zwönitz nebst Dorf-
chemnitz und Niederzwönitz hat durch ihre Lage an der Kren-
zung der Straßen von Grünhain nach Stollberg, von Aue und
Lößnitz nach Geyer und Elterlein ziemlich lebhaften Verkehr, und
da es außerdem auf der Grenze der Klöppelei, der von Glauchau
und Meerane ausgehenden Wollen- und Halbwollenweberei und
der chemnitzer Strumpfwirkerei liegt, so sind hier alle drei Gewerbe
vertreten; auch treibt es Klempnerei und Schuhmacherei. In der
hiesigen Preßspahnfabrik werden die Papptafeln, die man zur
Pressung der gewirkten Waaren braucht, mittelst Dampfmaschinen
so scharf gepreßt und mit Achatsteinen geglättet, daß sie harten
Leder- oder Holzplatten ähneln. 50 Arbeiter sind in derselben
Tag und Nacht in zwei Schichten beschäftigt. Die Chemnitz-
Adorfer Bahn übersteigt hier mittelst zahlreicher Windungen und
Kunstbauten die Wasserscheide zwischen Zwönitz und Mulde. —
In Dorfchemnitz wurde 1632 Samuel Pufendorf, der erste
188 Kreishauptmannschaft Zwickau.
große Staatsrechtslehrer Deutschlands geboren, der kurz vor
seinem Tode vom König von Schweden in den Freiherrnstand
erhoben wurde. — Das stattliche Dorf Niederzwönitz hat zwei
Kirchen. — Bei Dittersdorf liegt einer der größten Schiefer-
bräche; dieser, der Communbruch, der Hasenschwanzbrnch und die
Lenkersdorfer Brüche sind seit 1856 Eigenthum einer Actien-
gesellschaft, der „Sächsischen Schieferbrnchcompagnie", welche die-
selben bergmännisch bearbeiten läßt und aus ihnen im Jahre 1875
86.361 Truhen Dachschiefer, 430 Truhen Kehlsteine, 492.450 Stück
Schablonenschiefer, 1147 (Um Platten, außerdem Tischplatten,
Waschtische und verschiedene gedrehte Gegenstände gewann. Ge-
wöhnlich werden diese Schieferbrüche nach der nahen Stadt Löß-
nitz genannt.
Geyer (4397 Einw. 593m h.) hatte früher wichtigen Bergbau
auf Silber, später auf Zinn, an welchen letzteren noch eine 40m
tiefe Binge, nächst der altenberger die größte Sachsens, erinnert;
beide haben jedoch ganz aufgehört und 1864 ist selbst die letzte bis
dahin in Betrieb gewesene Eisenzeche auflässig geworden; nnr
Torf wird noch gestochen. Das Schwinden des Bergbaus, der
Verfall des Posamentirgewerbes und drei große Brände in den
Jahren 1854, 1862 und 1863 haben Verarmung uud Noth über
die Stadt gebracht. Jetzt fabricirt sie Cigarren und besitzt eine
Strumpfnähfabrik. Die Glocke zu Geyer soll bei dem Sturm-
läuten wegen des Prinzenraubes gesprungen und dann auf Kosten
des Kurfürsten Friedrichs des Sanftmüthigen umgegossen und
mit bildlichen Darstellungen des Prinzenraubes geschmückt worden
sein; dieselbe ist aber später nochmals gesprungen und umgegossen
worden. Unfern Geyer steht eins der bedeutendsten Schwefel-
und Vitriolwerke. — Im nahen Dörfchen Sieben Höfen errich-
tete 1812 der um die Einführung der Maschinenspinnerei in
Sachsen hochverdiente Evan Evans seine große Baumwollen-
spinnerei. — Zu Hormersdorf gehört Sachsens älteste und
größte Gifthütte. Die Bereitung des giftigen Arseniks, das man
zur Farben- und Glasverfertigung, zu Arzeneien ic. braucht, ge-
schieht aus Schwefel und Vitriolkies, uud ist der Gesundheit äußerst
schädlich. Die Arbeiter müssen deshalb bei der Arbeit den Mund
verbinden, vor jedem Essen sich waschen, oft Mithridat, Milch
und Butter genießen, die Nasenlöcher mit Lehm und Essig be-
streichen und sich alle Abende baden. So ungesund auch die Gift-
bereitung ist, so fehlt es doch nie an Arbeitern, weil sie gut be-
zahlt werden. Das Gift setzt sich in schornsteinartigen Hallen
als Mehl an, das dann in irdenen Krügen geschmolzen wird.
Ehrenfriedersdorf (3410 Einw.) am Röhrgraben, 1866 fast
zur Hälfte abgebrannt, hat gegenwärtig nur noch sehr geringen
Bergbau auf Zinn und Arsenikkiese; doch kann man aus der
Ausdehnung der Berghalden, welche sich ringsum erheben, auf die
ehemals viel größere Bedeutung desselben schließen; in den Gruben
Geyer; Ehrenftiedersdorf; Thum. 189
findet man oft seltene Steine, wie Turmaline, Apatite n. a. Be-
deutend ist die Posamentenfabrikation und die Spitzenklöppelei. —
Die hiesige Gegend ist eine der ödesten des Gebirges. Der nahe
Sauberg verschließt die wichtigsten Urkunden der Stadt; denn
dort verbarg man sie im dreißigjährigen Kriege in einem Kästchen,
welches aber einst bei einem Bruche in die Tiefe versank und wohl
nie wieder gefunden werden möchte. Dagegen fand man in einem
hiesigen Schachte 1568 die Leiche eines 1507 verschütteten Berg-
manns noch unversehrt und begrub ihn feierlichst. Da zwischen sei-
nem Sterbe- und seinem Begräbnißtage die Reformation statt-
gefunden hatte, so starb er als Katholik in einem katholischen Lande
und ward begraben als Protestant in einem protestantischen Lande.
Das Andenken an diese „lange Schicht" von 61 Jahren wird an
jedem Montag nach Ostern mit Umzug unter dem Geläute des
Bergglöckleius feierlich begangen. Seit Anfang des 17. Jahr-
Hunderts besteht in Ehrenfriedersdorf eine Thurmbrüderschaft,
welcher das Lauten bei jeder festlichen Gelegenheit obliegt. Im
Jahre 1772, wo in Ehrenfriedersdorf die Hnngersnoth 596 Men-
schen hinwegraffte, starb der Verein bis auf 3 Mitglieder aus.
Doch diese kamen ihrer Pflicht mit Hilfe ihrer Frauen getreulich
nach, bis sich die Brüderschaft wieder vermehrte. Alljährlich zum
Hauptquartal, am 7. Januar, halten die Brüder unter den Klängen
eines Chorals einen Festzug. — Im Walde unfern Ehrenfrieders-
dorf liegt der Greifenstein, eine Burgtrümmern ähnliche Gruppe
von Granitfelsen, deren Bänke, schichtenweise übereinander gethürmt,
immer den Einsturz zu drohen scheinen.
Thum (2942 Einw., 511m h.) liefert Strumpfwaaren und
Posamentirarbeit. Ein merkwürdiges Mineral ist der hier vor-
kommende Thumer Stein oder Thumit, der in kleinen Stücken
im Glimmerschiefer nebst Arsenikkies gefunden wird. Auch hier
ist der früher schwunghafte Bergbau im Verfall. — Bei Thum fiel
am 25. Januar 1648 das letzte Treffen des dreißigjährigen Kriegs
auf sächsischem Boden vor, an welches ein 1848 errichteter Denk-
stein erinnert. Von diesem Treffen soll auch der das Elend
genannte Wiesengrund seinen Namen erhalten haben, weil an-
geblich dort die Leichen der Gefallenen lange Zeit nnbeerdigt
lagen. —■ Bei Drebach sind bedeutende Kalklager.'— Das
Fabrikdorf Geleit an mit 5284 Einwohnern, das größte des Erz-
gebirges, wo sich, wie in Vennsberg und den umliegenden
Orten, Klöppelei, Strumpfwirkerei, und Baumwollenweberei be-
rühren, hat sich, allein auf der Gemeinde Kosten, ein Armen- und
Arbeitshaus erbaut, in dem 70 Personen von allen Altern unter-
gebracht sind, und hat dadurch erreicht, daß Bettelei hier unbe-
kannt ist.
190 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Nachdem wir das obere Gebirge durchwandert haben, steigen
wir auf die niedere Stufe desselben herab und betreten damit
jenes wichtigste Industriegebiet unseres Landes, dessen hoch-
entwickelte Gewerbsthätigkeit ihren Mittelpunkt hat in
Chemnitz (Bahnhof 307 m h.), Sachsens industrieller Groß-
stadt. In hügeliger, ziemlich reizloser Umgebuug an der Chem-
nitz gelegen, kündigt es sich schon durch sein Aenßeres als Fabrik-
stadt an. Denn da seine Einwohnerzahl von 11.000 am An-
fange dieses Jahrhunderts auf 78.209 (in 2528 Häusern) im
Jahre 1875 gestiegen ist, so besteht die Stadt zum größten Theile
aus neugebauten Häusern, und die imposanten Fabrikgebäude, die
237 riesigen Dampsessen, lassen keinen Zweifel darüber, woher
dieses merkwürdig schnelle Wachsthum sich schreibt. — Ursprüng-
lich eine reichsunmittelbare Stadt, wurde es schon im Mittelalter
durch seine Leinweberei und feine großen Bleichen wichtig, neben
denen im 16. Jahrhunderte eingewanderte Niederländer die Tuch-
macherei einbürgerten; nachdem aber letztere im dreißigjährigen
Kriege zu Grunde gegangen war, wendete sich Chemnitz gegen
Ende des 17. Jahrhunderts der Verarbeitung von Baumwolle zu,
welche bald große Ausdehnung gewann. Aber erst seit dem An-
fange des gegenwärtigen Jahrhunderts begann hier die großartige
Entwickelung der Industrie, welche den Namen Chemnitz zu einem
auf der ganzen Erde bekannten und berühmten gemacht hat. Drei
Ursachen waren es vornehmlich, die diese Wirkung hervorbrachten:
Erstens die von Napoleon seit 1807 errichtete Continental-
sperre, welche Chemnitz für eine Zeit lang von seinem gefähr-
lichsten Nebenbuhler, England, befreite; zweitens die Ersetzung
der Handarbeit durch Maschinen und die Anwendung der
Dampfkraft*); drittens der Anschluß Sachsens an den Deut-
scheu Zollverein im Jahre 1833, welcher der chemnitzer In-
dustrie ein weites Absatzgebiet eröffnete. Die Vollendung der
Eisenbahn nach Riesa 1852, nach Zwickau 1858 und nach Leip-
zig 1872 brachte die nothwendige Verbindung mit den großen
Handelsstraßen und erhob zugleich Chemnitz zu dem größten Ge-
treide- uud Gemüsemarkte des Erzgebirges. Gegenwärtig müu-
den 8 verschiedene Linien auf dem bis 1872 neu erbauten und
wesentlich erweiterten chemnitzer Bahnhofe ein, der zugleich eine
in großartigem Maßstabe angelegte Central-Werkstätte umfaßt;
täglich verkehren auf demselben ungefähr 150 Züge.
Den ersten Rang unter den chemnitzer Industrien nimmt
die Verarbeitung der Baumwolle ein, die sich wiederum
gliedert in Spinnerei, Weberei und Strumpfwirkerei nebst
*) Von den 13.525 Dampfmaschinen mit 599.172 Pferdekräften, welche
man 1867 im ganzen Zollverein zählte, kamen auf Sachsen, einschließlich der
Locomotiven, 4123 mit 46.418 Pferdekräften. In Chemnitz befanden sich 1875
237 Dampfmaschinen mit 3955 Pferdekräften.
Chemnitz. 191
denen mit diesen Hauptbranchen zusammenhängenden Gewerben.
Alle drei, namentlich aber die zweite treten häufig in Verbindung
mit der Verarbeitung der Schafwolle. Keineswegs be-
schränken sich jedoch diese drei Industriezweige auf die Stadt
Chemnitz allein, vielmehr werden dieselben vorzugsweise in den
umliegenden Ortschaften betrieben, aber immerhin ist Chemnitz
gleichsam das Herz, dessen Schläge den umgebenden Körper be-
leben, denn für Chemnitzer Häuser wird in weitem Umkreis ge-
arbeitet und über Chemnitz kommen die meisten Fabrikate in
den Handel.
Anfangs spann man das Baumwollengarn, wie das leinene,
nur mit der Hand. Nachdem aber 1775 Richard Arkwright in
England die Spinnmühle erfunden hatte, baute im Jahre 1800
der Engländer Whitfield die erste Sachsens in Chemnitz, welcher
bald eine große Zahl anderer folgte. Im Jahre 1861 zählte
Sachsen 154 Spinnerein mit 750.000 Spindeln. Seitdem hat
jedoch die Baumwollenspinnerei einen so wesentlichen Rückgang
erfahren, daß im Jahre 1872 nur noch 82 Spinnereien mit
460.000 Spindeln vorhanden waren. Die Einfuhr von Baum-
wolle in Chemnitz, 1871 noch 223.000 Ctr., sank 1875 auf
150.356 Ctr. Fast sämmtliche sächsische Spinnereien, nämlich
78 mit 440.822 Feinspindeln und 15.636 Zwirnspindeln befinden
sich im Chemnitzer Handelskammerbezirk. Von Chemnitz aus er-
strecken sie sich südwärts zwischen der Flöha und Chemnitz bis an
das Gebiet der Klöppelei, gegen Norden bis in die Gegend von
Lunzenau und Mittweida. Die meisten dieser theils durch Wasser,
theils durch Dampf in Bewegung gesetzten Spinnfabriken sind
kostbare, zum Theil palastähnliche Gebäude von 3 bis 4 Stock-
werken mit ungeheuren, Abends durch Gas erleuchteten Sälen,
wo Alles, von der ersten Verarbeitung der rohen Wolle an bis
zum feinsten Gespinnst durch Maschinen gefertigt wird. Von
Staunen und hoher Achtung für den menschlichen Erfindungsgeist
fühlt sich ergriffen, wer zum erstenmal? eine solche Fabrik betritt
und sieht, welche Kraft und welche künstliche, vielfache Vertheiluug
derselben überall waltet. Sobald das Hauptrad geht, geräth im
Augenblick, vom Erdgeschoß bis unters Dach, Alles in Leben
und Thätigkeit. Hier krämpeln ungeheure Walzen Baumwolle,
die wie der weiße Schaum eines Wasserfalls hervorquillt, dort
spinnen, spulen und weifen Maschinen das Garn, und überall
bedarf es nur weniger, zum Theil bloß Kinderhände, um den
Gang des Werkes in Ordnung zu erhalten. Ein Mädchen z. B.,
welches die Wolle in blecherne Büchsen leitet, den Faden wieder
knüpft, wenn er zufällig reißt u. s. w., kann viele Maschinen be-
sorgen. — Was würde der Erfinder des Spinnrockens — könnte
er vom Staube auferstehen — zu einer Spinnfabrik sagen! Die
größte unter allen ist die Actienspinnerei in Chemnitz, welche allein
65.000 Spindeln hat. — Auf der Spinnerei beruht zugleich
192 Kreishauptmannschaft Zwickau.
der Garnhandel, den Chemnitz treibt; im I. 1872 führte es
4.576.600 Kilogramm Garn aus.
Von^nicht geringerer Wichtigkeit ist die Weberei, die nicht
wie die Spinnerei bloß in geschlossenen Etablissements, sondern
theilweise noch als Hausindustrie getrieben wird; zu ihrer
gegenwärtigen Bedeutung aber hat sich dieselbe erst ausgebildet
seit Anwendung der Jacquardmaschine und seit Einführung
fabrikmäßigen Betriebs. Jene Maschine, nach ihrem Erfinder,
einem Franzosen, genannt, ist durch eine sinnreiche Vorrichtung
im Stande, die künstlichsten Muster in das Zeug hineinzuweben.
Der Verbrauch der hierzu nöthigen Pappdeckel, deren Löcher das
Muster vorzeichnen, ist so groß, daß ihre Verfertiger, „die Karten-
schläger", in Chemnitz eine besondere Klasse von Gewerbtreiben-
den bilden. Der andere und zugleich neueste Fortschritt in diesem
Fabrikationszweig ist die Einführung der Kraft- oder mecha-
nischen Webstühle, die nicht nur weit schneller arbeiten als die
Handstühle, sondern auch viel breitere Stoffe herstellen, daher die
Handweberei von Jahr zu Jahr zurückgeht. Seit 1860 hat sich
die Zahl der in Chemnitz in Gang befindlichen Handwebstühle
von 2415 auf 1441, die der Weber von 2227 auf 1419 ver-
mindert. Noch vor 45 Jahren war die Weberei fast ausschließ-
lich auf Chemnitz beschränkt, gegenwärtig aber ist sie über einen
großen Theil des Bezirks und selbst über die Grenzen desselben
hinaus verbreitet, und neben Chemnitz haben sich Glauchau und
Meerane zu Hauptstätten dieser Industrie emporgeschwungen,
während die Weißbaumwollenweberei von jeher im Vogtlande ihre
Heimat und ihren hauptsächlichen Sitz hatte. Man zählt jetzt
über 450 mechanische Stühle, die in Chemnitz selbst, und 2000 die
anderwärts für Chemnitz arbeiten; alle zusammen beschäftigen
5000 Arbeiter. Früher beschränkte sich Chemnitz auf Kattun-
weberei, später ging es zur Fabrikation von Bnntwaaren über,
und seit Einführung der Jacquardmaschine zu der von gemusterten
Meubelstoffen, Tischdecken und Tüchern, von wollenen, Halbwolle-
nen Kleiderstoffen, Baumwollensammt ic. Gegenwärtig ist die
Weberei von ganz baumwollenen Stoffen in Chemnitz ganz ans-
gegeben, die von halbwollenen geht zurück, dagegen hat sich die
Fabrikation halbseidner Kleiderstoffe und Damaste eingebürgert
und die Buntweberei verdrängt. — Färberei und Druckerei,
die mit der Weberei in engem Zusammenhange stehen, sind eben-
falls in Chemnitz vertreten, erstere durch 28 Woll- und Baum--
wollenfärbereien, und auch die dazu erforderlichen chemischen Far-
ben werden zum größten Theil in dem Bezirke selbst dargestellt.
— In Chemnitz war es auch, wo im Jahre 1825 der Weber und
Mechanikns Schönherr aus Plauen (st. 1876) nach englischem Muster
den ersten Bobbinetstnhl für Spitzengrund in Sachsen baute
und damit hier einen neuen Industriezweig ins Leben rief, der
jedoch nur kurze Zeit blühte und dann wieder vollständig einging.
Chemnitz. 193
Auch die Strumpfwirkerei betreibt Chemnitz, welches für
dieselbe zugleich Hauptstapelplatz ist, in mehreren großen Fabriken.
Das Strumpfwirkergebiet reicht von der Zschopau bis Walden-
bürg, Mülsen und Kirchberg, und nordwärts bis gegen Penig
und Burgstädt, wozu im Vogtlande, wie zwei entlegene Inseln,
Brambach, Mühltrnff und Pausa, kommen. Jeder Ort fertigt
vorzugsweise nur eine besondere Gattung von Waaren, der eine
Strümpfe, der andere Handschuhe, ein dritter Jacken, Mützen ic.
Die Wirker arbeiten für Factore, welche die Waaren aufkaufen
und dem Fabrikanten überliefern, der sie bleichen und appretiren
läßt. Schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bildete
sich das Strumpfwirkerhandwerk zum fabrikmäßigen Betriebe ans,
einen viel größeren Umfang gewann aber diese Industrie vor etwa
150 Jahren, als die sächsischen Fabrikanten für den überseeischen,
besonders den amerikanischen Markt zu arbeiten anfingen, wo
man die billigere, wenn auch geringere sächsische Waare der eng-
tischen vorzog. Im Jahre 1861 beschäftigte die Strumpfwirkerei
45.000 Mann, ungerechnet die 2—3000 im oberen Gebirge, die
nur im Herbst und Winter arbeiten, weil sie zugleich Maurer,
Zimmerleute oder Tagelöhner sind und in der guten Jahreszeit
regelmäßig anderer Beschäftigung nachgehen. Das Waschen, Spu-
leu, Nähen und Steppen besorgen meist Frauen und helfen da-
durch den kärglichen Verdienst der Männer verbessern. Je ge-
fährlicher der Strumpfwirkerei die Concurrenz Englands ist, desto
mehr sah man sich zur Ersetzung der Handstühle durch Strumpf-
Maschinen gezwungen. Im Jahre 1851 machte man den An-
fang mit Einführung des Rundstuhles, der seine Maschen ohne
alle Unterbrechung bildet/ mehrere Strümpfe zugleich, auch den
Obertheil gleich geschlossen, so daß er nicht zusammengenäht
zu werden braucht, herstellt, und wöchentlich 40—50 Dutzend
Strümpfe liefert, deren Socken mit der Nähmaschine rasch ge-
schlössen werden. Neben diesem ist der englische Schlauch- und
der französische Sackstuhl in Gebrauch. Hierdurch, sowie durch die
vermehrte Theilung der Arbeit, bei welcher der einzelne Arbeiter
nicht mehr den ganzen Strumpf, sondern der eine nur Beine, der
andere nur Fersen, ein dritter nur Füße macht, wuchs die Strumpf-
Wirkerei zu einer Bedeutung heran, die alle andern sächsischen
Gewerbe mit Ausnahme der Spinnerei und Weberei weit hinter
sich ließ. Bei vollem Betriebe können sämmtliche sächsische Stühle
jährlich 10 Millionen Pfund Garn verarbeiten. Seit den letzten
Jahren, wo die Baumwolle selten und theuer war, verwendet man
mehr Schaf- und Halbwolle als früher bei der Wirkerei, daher sich
auch die Kettenstühle, welche sowohl wollenes als baumwollenes
Stückzeug machen, sehr vermehrt haben; dieses wird dann meist
auf Schneide-, Näh- und Steppmaschinen von Frauen zu Hand-
schuhen weiter verarbeitet. Handschuhe werden auch aus Bukskin,
Tuch und Atlas fabricirt. Die Engländer kaufen die sächsischen
Engelhardt's Vaterlandskunde. II. Aufl. 13
194 Kreishanptmannschast Zwickau.
Handschuhe in großen Mengen und verkaufen sie, meist zu deu
Einkaufspreisen, nach ihren Kolonien, lediglich um die Einkäufer
aus jenen Gegenden abzuhalten selbst uach Sachsen zu gehen und
dort Verbindungen anzuknüpfen, die der englischen Industrie schäd-
lich werden könnten. — Zu diesen Industriezweigen ist neuerdings
auch noch die Seidenspinnerei hinzugekommen.
Daß. Chemnitz, die Hauptstadt der Gewebeindustrie, welche
ihre Blüte dem Maschinenwesen verdankt, auch der Geburtsort
des sächsischen Maschinenbaus geworden, ist nicht mehr als
natürlich. Seitdem hiermit im Jahre 1826 der erste Anfang
gemacht worden war, hat sich derselbe so mächtig entwickelt, daß
nicht nur Chemnitz gegenwärtig in seinen 60 Werkstätten alle Arten
von Maschinen, Locomotiven, Fahr- und Förderzeuge für Berg-
werke, Werkzeuge und Spinnmaschinen, mechanische Webstühle,
Feuerspritzen und Pumpen, Buch- und Steindruckerpressen, Brauerei-
und Breunereigeräthe, Pflug-, Säe-, Mäh- und Dreschmaschinen,
Mühlapparate und Nähmaschinen, und wie viele andere außerdem,
fertigt, sondern daß sich auch die Maschinenbauerei vou hier-
aus nach verschiedenen anderen Orten, namentlich nach Werdau,
Crimmitschau und Glauchau, verbreitet hat. Während daher in
früherer Zeit die sächsischen Fabriken und Eisenbahnen ihre Ma-
schinen mit großen Kosten aus Belgien oder England beziehen
mußten, werden sie nicht nur gegenwärtig durch die inländischen Ma-
schinenfabriken versorgt, sondern diese genießen auch im Auslande
eines weit verbreiteten Rufes. Die größte unter deu chemuitzer Ma-
schinenbanwerkstätten, ja eine der größten ans uuserm ganzen Eon-
tinent, und einzig durch ihre Vielseitigkeit ist die Sächsische Ma-
schiueufabrik, begrüudet von Richard Hartmann, der vor Iah-
ren als einfacher Zeugschmied hier einwanderte, und Schöpfer eines
Werkes wurde, das, seit dem Brande von 1869 bedeutend er-
weitert und seit 1871 gleich vielen andern Fabriken in den Besitz
einer Actiengesellschast übergegangen"), einen Flächenranm von
10.080 HI Metern bedeckt, in 60 Gebäuden 250 Beamte und über
3000 Arbeiter beschäftigt und ziemlich alle Arten von Maschinen,
die überhaupt iu der Industrie Verwendung finden, darunter
jährlich allem durchschnittlich 100 Locomotiven baut. Vierzehn
Dampfmaschinen, von 10 bis 50 Pferdekräften, über denen zwölf
mächtige Essen aufsteigen, treiben ein Heer von elfhundert Hilfs-
Maschinen, die alle uach der neuesten Constrnction und zwar zum
größteu Theil in der Fabrik selbst gebaut sind, und trotz der
buntesten Mannichfaltigkeit und den riesenhastesten Dimensionen,
gehorsam dem lenkenden Menschengeiste, ein Bild der vollkom-
mensten Ordnung, ein wohldurchdachtes System ineinandergreifen-
der und zusammenwirkender Kräfte bilden. Einen imposanten
*) Im Handelskammerbezirk Chemnitz bestehen deren gegen 7V niit etwa
80 Mill. M. eingezahltem Stammkapital.
Chemnitz. 195
Eindruck macht das große 132m lange, 34m tiefe Gebäude,
welches ausschließlich dem Locomotivenban dient, wo stets etwa
20 Locomotiven und ebensoviel Tender in Arbeit stehen, Lauf-
krahne Lasten von mehreren 100 Centnern auf das leichteste be-
wegen und eine Anzahl Säulenkrahne bestimmt sind der Montage
zu dienen, die Kesselkörper auf die Räder zu heben u.s.w., während
in einer andern Abtheilung die Dampfrosse, sobald sie probirt sind,
unter den Händen der Anstreicher ihre elegante Toilette vollenden
und auf den ringsumlaufenden Gallerten die kleineren Locomo-
tiventheile von Eisen und Messing bearbeitet werden. Eine all-
dere Werkstatt ist nur für die Appreturmaschinen bestimmt. In
der Schleiferei erhalten Eisen und Stahl ächzend und funken-
sprühend auf 12 großen Schleifsteinen Schärfe und Schliff, in
den Polirwerken auf Schmirgel und Bürftenscheiben Spiegelglanz.
In der Dreherei bearbeiten Drehbänke, Bohr- und Stoßmaschinen
von unendlicher Mannichfaltigkeit die kleinsten wie die größten
Gegenstände, gleichviel ob Guß- oder Schmiedeeisen, ob Gußstahl
oder sonst welches Metall, schneiden Gewinde, bohren Cylinder
von 2x/2 111 Durchmesser und 4m Höhe, drehen Schwungräder
von 9m Durchmesser und 400 Ctr. Schwere, Wellen von
50 Fuß Länge, mit mathematischer Genauigkeit ab. In der
„kleinen" Dreherei sind über 100 kleinere Drehbänke in Betrieb,
wo auf einer Maschine von einem Arbeiter 4 bis 6 Gegen-
stände gleichzeitig gebohrt werden. Ein anderer Saal zeigt ganze
Reihen mechanischer Webstühle für alle wollenen, halbwollenen,
baumwollenen und leinenen Zeuge, Scheer-, Schlicht- und Auf-
bäumemaschinen im Entstehen, wieder andere sind dem Bau vou
Treib-, Zwirn- und Watermaschinen für die Banmwoll- und
Kammgarnspinnerei, von Streichgarnkrempeln, Wolltrockenmaschi-
nen, Selfactoren, Wölfen, Schlag- und Waschmaschinen bestimmt.
Holzbereitungsmaschinen, Kreis- und Bandsägen arbeiten in der
großartigen Modelltischlerei, in der selbst der Leim mittelst Dampf
gekocht und gewärmt wird. In der Schraubenschneiderei ver-
wandelt ein der Fabrik eigenthümliches System von Maschinen
in der kürzesten Zeit ein Stück Eisen in eine Schraube oder
Mutter mit dem reinsten, accuratesten Gewinde. In zwei großen
Schmiedesälen sind 146 Schmiedefeuer in Glut, schwingen Hnn-
derte von kräftigen Armen über dem glühenden Eisen die schwe-
ren Hämmer, die sich doch neben den 11 großen Dampfhämmern
wie Spielzeug ausnehmen, 3 Schneidemaschinen und eine Cirkel-
säge zerschneiden das warme Eisen, durch die Dampfkesselniet-
Maschine werden mit gewaltigen Stößen die Nieten vernietet, die
eine andere Maschine in glühendem Zustande verfertigt hat. Die
gewaltigen Krahne der Gießerei, in der täglich bis 1200 Ctr.
Eisen geschmolzen werden, führen mitten durch Rauch und Glut
Riesenlöffel voll glühenden Metalls in das Mundloch der Formen.
Aber die Krone des Ganzen ist das neue elegante Werkstatt-
13*
196 Kreishauptmannschaft Zwickau.
gebäude für Werkzeugmaschinenbau, das größte, das wohl je zu
ähnlichen Zwecken gebaut worden ist, 119m lang, 251/2m tief,
das Ganze von zwei Reihen Doppelsäulen getragen, wo n. a.
eine kolossale Drehbank 14m lange Wellen dreht und ebenso lange
Schrauben schneidet, eine Grubenhobelmaschine, unter der die
geringelten Eisenspähne als wären sie weiches Holz abfallen,
große Eisentheile, z. B. von Kanonenbearbeitungsmaschinen, 4 m
hoch, 4 m breit und 14^ m lang so leicht und genau behobelt,
wie der Tischler ein Tannenbrett. Sehr blüht der Bau vou
Wasserrädern und Turbinen, aber noch weit bedeutender ist der
der Streichgarnspinnereimaschinen und Webstühle, in welchen die
Sächsische Maschinenfabrik allen ähnlichen Anstalten des In- und
Auslandes vorangeht. Seit der im I. 1839 gemachten Erfindung
der Continne, einer Vorspinnvorrichtnng für Streichgarnkrempel,
durch welche zu der jetzigen Größe dieser Fabrik der Grund gelegt
wurde, hat sich dieselbe durch eine Reihe weiterer wichtiger Er-
findungen in dieser Branche den Vorrang zu sichern gewußt.
Eines nicht minder hohen Rufes genießen die Chemnitzer Web-
stühle, desgleichen die Werkzeugmaschinen, d. h. Drehbänke, Stoß-,
Bohr-, Hobelmaschinen und ähnliche, welche ebenfalls größten-
theils aus der nämlichen Fabrik, sowie aus der von I. Zimmer-
mann begründeten hervorgehen und den englischen gegenwärtig
den Rang dermaßen abgelaufen haben, daß sie fast auf der
ganzen Erde gesucht werden.
Neben diesen vier Hauptindustrien besitzt Chemnitz noch viele
andere ansehnliche Fabriken, unter denen besonders der Seiden-
und Wachstuch-, der Lampen-, Blechwaaren-, Thonwaaren-, Stein-
zeug-, Spielkarten- und Schirmfabriken, der chemischen und Mine-
ralwafserfabriken sowie der Fabrik von Schnleinrichtnngsgegen-
ständen zu gedenken ist. — Die 1860 aus Privatmitteln ins
Leben gerufene Permanente Ausstellung gewerblicher und
technischer Erzeugnisse beabsichtigt jeden Augenblick ein Bild von
dem Stande der chemnitzer Industrie zu geben; nirgends hat
wohl auch für Begründung der Deutschen Jndnstriezeitung
ein geeigneterer Ort gesunden werden können, als in Chemnitz.
— Neben dem Gewerbe sucht die Kunsthütte, in deren Ge-
bände sich auch die Stadtbibliothek befindet, durch die von ihr
veranstalteten Ausstellungen den Sinn für die Werke der bil-
denden Künste zu heben.
Chemnitz ist Sitz eines Hauptsteueramtes und einer Han-
dels- und Gewerbekammer. Es hat 6 Kirchen, unter denen eine
katholische; die St. Paulikirche ist thurmlos. Die tot. Jacobi-
kirche zieren zwei Gemälde von Oeser, das Denkmal für den
1555 hier verstorbenen, aber in Zeitz begrabenen großen Mine-
ralogen Georg Agricola ist 1848 entfernt worden. Neben dem
königlichen Schloß, das ursprünglich eine von Kaiser Lothar und
deffen Gemahlin Richenza gestiftete Benedictinerabtei war und
Chemnitz; Umgegend. 197
zu dem jetzt eine über 8000 Seelen zählende Gemeinde, Schloß-
chemnitz, gehört, steht eine große Brauerei. Außer 9 Volks-
schulen besitzt Chemnitz mehrere höhere Unterrichtsanstalten: eine
höhere Gewerbschule, mit welcher eine Fabrikzeichen-, Bau- und
Werkmeisterschule, desgleichen eine landwirtschaftliche Versuchs-
station verbunden ist, eine Realschule, eine Handelsschule und
eine höhere Webschule, deren Inneres durch Wandgemälde, deren
Außenseite durch die Bildsäule Jacquards geschmückt ist. Als
Ersatz für das 1835 aufgehobene Lycenm, das einst einen Georg
Fabrieins, G. Heyne und andere Gelehrte gebildet hat, ist ein
königliches Gymnasium errichtet worden. Das Johannenm ist
ein Rettungshaus für Knaben. Seit 1865 sind das neue St.
Georgs-Hospital, die Börse und der Umbau des Theaters voll-
endet worden.
Die Dörfer in der Umgebung von Chemnitz sind ohne
Ausnahme Fabrikdörfer, am meisten gegen Süden und Westen.
Den Acker baut hier nur ein Theil der Dorfschaft, dafür wimmelt
es überall von Webern, Wirkern und Händlern, in vielen erheben
sich große Spinn- und andere Fabriken, die niedrigen Wohnstuben
der Arbeiter sind meist so voll Web- und Strumpfstühle, daß
für die Familie kaum der uothdürftigste Raum bleibt. Bei
weitem das bedeutendste unter diesen Fabrikdörfern ist das west-
wärts von Chemnitz gelegene Limbach mit 6879 Einw., der
Geburtsort und auch der Hauptsitz der sächsischen Strumpfwirkerei,
denn hier erbaute zu Anfang des 17. Jahrhunderts David
Esche den ersten Strumpfstuhl in Sachsen. Wichtig ist es auch
durch Maschinenbau. — Westlich davon liegt die altenburgische
Euclave Rußdorf. — In Kändler wurde 1860 die erste Stick-
Maschine in Sachsen gebaut; auch in Kappel befindet sich eine
Stickmaschinenfabrik. — Siegmar hat eine mit Dampf getrie-
bene Hefenfabrik; die hohe Eisenbahnbrücke in der Nähe wurde
1866 von den Preußen gesprengt. — Südlich von Chemnitz
liegt Harthau mit der größten Kammgarnspinnerei des Bezirks.
— Ein uraltes Kreuz bei Klaffenbach bezeichnet angeblich die
Stelle, wo Bischof Arno von Würzburg im I. 892 von den
heidnischen Slaven den Märtyrertod litt.
Die Flur des Dorfes Hilbersdorf, das eine schöne Kirche
besitzt, ist ein Hauptfundort versteinerten Holzes; von hier stammt
der im dresdner Naturalieucabinet befindliche l,40m starke und
5000 Kilogr. wiegende Buchenstamm, sowie der in den chemnitzer
Anlagen aufgestellte, und im I. 1871 stieß man auf einen 10,34m
langen und 65 Centimter starken, allerdings in mehrere Stücke
zertheilten Klotz von einer Conifere, wohl das größte in der
alten Welt je gefundene versteinerte Exemplar; dasselbe ist im
Hofe der chemnitzer Kunsthütte aufgestellt. Früher wurde hier
öfters der sonst auf Erden nirgends vorkommende Starstein,
eine verkieselte Palmen- oder Farrenart, gefunden, der geschliffen
198 Kreishauptmannschaft Zwickau.
statt der Jahrringe einzelne kleine weiße ziemlich regelmäßig ver-
streute Ringe zeigt, jetzt jedoch ist derselbe äußerst selten. Einst
erstreckte sich zwischen dem Erzgebirge und dem Sächsischen Mittel-
gebirge bei Glauchau vou Zwickau über Chemnitz bis in die
Gegend von Hainichen eine vorweltliche Meeresbucht, welche jetzt
durch das Rothliegende, eine Geröll- und Sandsteinbildung,
ausgefüllt wird. Dieses bedeckt die Steinkohlenablagerung von
Zwickau, Lugau und Würschnitz (s. u.) und ist außerdem deshalb
von besonderem geologischen Interesse, weil zur Zeit seiner Bil-
dung glutflüssige Porphyrmassen emporgestiegen sind, sich über
Schlamm und Geröll ausgebreitet haben und jetzt sich in Form
ausgedehnter Porphyrlager zwischen den Sandsteinen und Eon-
glomeraten des Rothliegenden finden. Wie am Rochlitzer Berge
haben auch hier gleichzeitig ungeheure Aschenauswürfe siattgefnn-
den und sich zu den Höhen des Zeisigwaldes anfgethürmt, wo
sie in 24 zum Theil außerordentlich großen und tiefen Brüchen
als werthvolles Baumaterial abgebaut werden. — In der Kirche
zu Ebersdorf oder Stift Ebersdorf, das im Mittelalter
Wallfahrtsort war, dankte Friedrich der Sanftmüthige am
14. Juli 1455 Gott für die Befreiung seiner geraubten Prinzen
(S. 187) und ließ daselbst ihre Kleider nebst der schwarzen
Kutte ihres Retters zum Audeuken aufhängen; dort werden die
Ueberreste derselben noch jetzt in Glasschränken verwahrt. Die
Kirche hat Glasmalereien, ein großes altes Altargemälde und
Holzschnitzereien und unter andern denkwürdigen Monumenten
auch das riesenhafte Bildniß des hier schlummernden Ritters
Harras (S. 200). Ein Hufeisen von ungeheurer Größe neben
seinem Monumente soll seiuem Rosse gehört haben. Ein kleines
Schiff, von der Decke hängend, ist, einer alten Sage zufolge,
mit Gold gefüllt, der Kirche von einem Ritter verehrt worden,
zum Andenken seiner Rettung in einem Seesturm auf seiner Bet-
fahrt nach Palästina.
Die schönste Landschaft des ganzen Regierungsbezirks bildet
unstreitig das Thal der Zschopau, durch welches sich die Eisen-
bahn nach Annaberg hinzieht. Ungefähr da, wo sie, malerisch
zwischen Felsufern sich windend, das obere Gebirge verläßt, erhebt
sich das Schloß Scharfen st ein, das nächst Angustusburg die
schönste Lage unter allen Schlössern des Gebirges hat; ein Kanal,
der mittelst eines Stölln durch den Felsenvorsprung des Schloß-
bergs geht, hilft jetzt eine der größten Baumwollenspinnereien
Sachsens treibeu.
Die Stadt Zschopau (8045 Eiuw., 600 H.) mit einem alten
Schlosse (345m h.), welches gegenwärtig das Gerichtsamt und
die Oberforstmeisterei enthält, und einem neuen 1868 erbauten
Seminar, beschäftigt sich hauptsächlich mit Weberei in Wolle und
Baumwolle. Dem gemeinnützigen Sinne eines seiner Bürger,
des Fabrikherrn Bodemer, verdankt es nicht bloß den reichen
Zschopaui Schellenberg. 199
Schmuck der Kanzel und des Altars in der Stadtkirche, sondern
auch eine reichhaltige und Jedermann zugängliche Stadtbibliothek.
— Auch das eine halbe Stunde vom rechten Flußufer am AbHange
des Schelleubergs gelegene Schellentierg (1865 Einw.) nährt sich
neben Landwirtschaft von Weberei. — Auf der Höhe des Por-
phyrberges über dem Städtchen thront das Schloß Augustus-
bürg (505m), welches Kurfürst August auf deu Trümmern der
alten Burg Schellenberg 1568—72 erbaute und mit Mutter
Anna oft bewohnte, weithin sichtbar und von seiner Zinne eine
Umschau bis zum Keilberg, dem Rochlitzer und Collmberg ge-
während. Es enthält 1 Kapelle, 5 Säle, 76 Zimmer, 93 Kam-
mern, 25 Keller, steht aber jetzt, soweit es nicht zu Beamten-
wohnungen dient, leer. Die Kapelle, das erste in Folge der
Reformation gebaute protestantische Gotteshaus Sachsens, besitzt
ein Altargemälde des jüngern Cranach mit Familienbildern des
Kurhauses. Im Schloßgarten steht eine Linde von 7,35 m
Umfang, aber nur 2,3m Höhe des Stammes, früher jedoch
so breit, daß ihre Aeste, von 68 Säulen getragen, einen Platz
von 100m Umfang beschatteten. Der unter Kurfürst Augusts
Regierung 162m tief durch Felsen gearbeitete Schloßbrunnen,
dessen Wasser gewöhnlich 7 m hoch steht, versorgt das ganze
Schloß, und hat seit mehr als 250 iJahren nur einmal, in
dem trockenen Sommer 1800, versagt. Als 1651 Johann
Georg I. und der Landgraf von Hessen zu Augustusburg mit
mehr als 1000 Pferden einsprachen, hatte der Brunnen täglich
150 Eimer Wasser zu geben, und doch mangelte es erst nach
26 Tagen. Ein Kreuzholz mit Lichtern in den Brunnen gelassen,
gibt einen herrlichen Anblick und ein hineingeschossenes Pistol
donnerähnlichen Klang. — Den Bärenzwinger unter dem Schlosse
hat man seit mehr als 100 Jahren eingehen lassen, weil die
Bestien oft entschlüpften und Unheil anrichteten. Noch jetzt zeigt
man den angenagelten Schädel eines Bären, der erst, nachdem
er zwei Menschen zerrissen hatte, getödtet wurde.
In und bei dem Dorfe Flöha, wo sich die Flöha mit der
Zschopan vereinigt und die Bahn nach Freiberg abzweigt, um das
Flöhathal auf dem Hetzdorfer Viadukt zu überschreiten, stehen
8 Baumwollen- und Wollspinnereien, unter denen die zu Plaue
die größte. Die schwachen Steinkohlenflötze bei Flöha geben eine
geringe, nur zum Kalkbrennen taugliche Kohle. — Das gräflich
Vitzthumsche Majoratsgut Lichtenwalde besitzt einen der schön-
sten Privatgärten in ganz Sachsen; terrassenfömig, in franzö-
sischem Geschmack angelegt, enthält er bedeutende Wasserkünste,
die freilich nur selten gehen, unter anderm einen in die Zschopau \
stürzenden Wasserfall von 60m und herrliche Linden-
alleen, deren längste 280 m wißt. — An den nahen, über
65m hohen Haustein am Rande des Zschopauthales, den jetzt
die Eisenbahn in einem 80m langen Tunnel durchschneidet,
200 Kreishauplmannschaft Zwickau.
knüpft sich die Sage von dem Ritter Harras, der einst, durch
Feinde verfolgt, von hier aus mit dem Pferde in den Strom
gesprengt und glücklich nach Lichtenwalde, seinem Schlosse, ent-
kommen sein soll. Th. Körner hat dieselbe durch sein schönes
Gedicht verherrlicht; ihm zu Ehren ist die Stelle seit 1864 durch
ein eisernes Kreuz geschmückt. — Das anmnthig gelegene
Frankenberg (10.462 Eimv., 650 H., Bahnh. 289m h.), an
der Zschopau, gehört zu unseren bedeutendsten Fabrikstädten. Es
treibt Weberei von baumwollnen, besonders aber von schweren
halbwolluen, mit Seide gemischten Stoffen und Tüchern, ist neben
Chemnitz der Hauptplatz für den Engroshandel mit Manufactur-
waareu, hat die einzige Seidendamastweberei in Sachsen uud
gleich Mittweida ein Technikum. Unterhalb Frankenberg liegt
hart an der Grenze des Bezirks das malerische Felsenschloß
Sachsenburg, einst Wittwensitz der vielgeliebten Gemahlin
Kurfürst Johann Georgs II., Magdalene Sibylle. — Ob auf
dem nahen, weit höhern Felsen Treppenhauer wirklich die
alte Burg Gozne gestanden habe, ist zweifelhaft; nach Einigen
rühren von derselben die Burgtrümmer in Ringethal her, einem
unterhalb Sachsenbnrg reizend gelegenen Dorfe; dort soll unter
der 1872 zerstörten großen Kirchhofslinde Luther einst gepredigt
haben, wenigstens wird deshalb noch jetzt eine Gedächtnißpredigt
gehalten.
Oederan (5836 Einw., 442 H., Rathhaus 382m h.)r rechts
von der Flöha, treibt ansehnliche Weberei, besonders von Tuch,
Flanell und Fußdeckeu. Von Oederan ging vor etwa 50 Jahren
die Vervollkommnung der sächsischen Tuchfabrikation aus, durch
A. G. Fiedler, dessen Familie auch jetzt uoch hier und in den
Nachbarstädten große Fabriken besitzt. Eine große Wollspinnerei
hat Wingendorf, schöne Gartenanlagen das Rittergut Türni-
ch eu. Der Silberbergbau auf dem Rahuis bei Oederan ist
erloschen. — In Falkenau besteht seit 1872 eine Floretseiden-
spinnerei.
Stollberg (6326 Einw., 457 H,, Gerichtsamt 420 m h.), ist
nächst Chemnitz der Hauptort für den Handel mit Strumpfwaaren,
baut auch Strumpfstühle. — Das nahe Schloß Hoheneck ist seit
1864 zu einer Strafanstalt für Weiber eingerichtet.
Nördlich von Stollberg beginnt das Terrain des Würsch-
nitzer Steinkohlenbaus, das sich von Niederwürschnitz
und Oelsuitz im Süden bis Grüna im Norden, von Lenkers-
dorf im Osten bis Gersdorf im Westen über eine Fläche von
1876 Hect. ausbreitet. Die Ausbeutung desselben begann im
Jahre 1845, zuerst durch deu Lugau-Niederwürschuitzer Verein,
uud zur Erleichterung derselben wurde 1858 die Niederwürschnitzer
Zweigbahn gebaut. An Zahl und Mächtigkeit stehen freilich die
hiesigen Flötze den zwickauer sehr nach, denn die 4 vorhandenen
messen zusammen nur 5m; doch besitzen einzelne Gegenden eine
Frankenberg; Oederan; Stollberg; Glauchan. 201
ungleich größere Mächtigkeit, wie namentlich das 14m mächtige
Pechkohlenflötz, welches durch den 640m tiefen Hedwigschacht
bei Oelsnitz erbohrt worden ist. Manche Baue haben sich, weil
unbedacht unternommen, als verfehlte Speculatiouen erwiesen und
sind wieder eingestellt worden. Der Gottes-Segen-Schacht
bei Lug au hat, weil er in Brand gerathen, verlassen werden
müssen. Einer der schrecklichsten Unglücksfälle aber, die je beim
Bergbau vorgekommen sind, ereignete sich am I.Juli 1867 aus der
Neufundgrübe bei Lugau, indem durch den Bruch der Schacht-
zimmeruug 102 Bergleute in einer Tiefe von 280m verschüttet
und aus diese schreckliche Weise die Opfer ihres mühseligen Be-
rnses wurden. Ein zweiter Einsturz, der des Ottoschachtes
am 5. Januar 1868, kostete wenigstens kein Menschenleben. Im
Jahre 1866 zählte die würschnitzer Gegend 7 im Ausbringen
stehende Werke, während 6 Unternehmungen noch nicht zum Abbau
gelangt waren. Aus 15 Schächten, bei denen 20 Dampfmaschinen
mit 614 Pferdekräften arbeiten, wurden in Jahresfrist über 3Mill.
Ctr. Kohlen gefördert. — Lugau hat ein Messingwerk.
Die Schönburgischen Receßh errschaften,
welche auf 63/5 □ Meile in 9 Städten und 76 Landgemeinden
137.711 Einwohner, mithin die stärkste Dichtigkeit der Be-
völkernng in ganz Sachsen, nämlich 20.865 Seelen auf 1 HI Meile
haben, zerfallen, abgesehen von einigen kleinern Stücken, in 2 ge-
trennte Hauptgebiete, welche zum überwiegend größeren Theile auf
dem rechten Ufer der Zwickauer Mulde liegen. Sie bestehen aus
5 Herrschaften, von denen Gl auch au, Waldenburg und Lichten-
stein ganz zu dem nördlichen, Stein ganz zu dem südlichen ge-
hören, wogegen die Herrschaft Hartenstein beiden angehört.
Receßherrschaften heißen dieselben, weil ihre Verhältnisse zu
Sachsen auf den mit dem Hanse Schönbnrg geschlossenen, 1835
revidirten Verträgen und Ree essen beruhen. Die Gerichtsver-
fassung ist seit dem I.Juni 1865 die nämliche, wie im übrigen
Königreiche. Dagegen besteht für diejenigen Angelegenheiten,
welche nach dem Recesse von 1835 nicht auf die Staatsbehörden
übergegangen sind, eine fürstlich und gräflich Schönburgische
Gesammtkanzlei zu Glauchau. Das Haus Schönburg hat ein
eigenes Eonsistorium, auch kommt ihm das Recht der Ebenbürtig-
keit und des Kirchengebets, für gewisse Fälle auch das der Be-
gnadiguug zu. Es theilt sich in die obere oder fürstliche und
in die untere oder gräfliche Linie, und nimmt in der ersten
Kammer der Ständeversammlung die 4. Stelle ein. Der fürst-
lichen Linie gehören die Receßherrschaften Waldenburg, Lichten-
stein, Hartenstein und Stein, sowie die Lehnsherrschaft Remse,
der gräflichen die Receßherrschast Glauchau und die drei in der
Leipziger Kreishauptmannschaft gelegenen Lehnsherrschaften Rochs-
bürg, Penig und Wechselburg. ^
202 Kreis Hauptmanns chaft Zwickau.
Ausgezeichnet sind die Schönburgischen Receßherrschaften
nicht nur durch freundliche Lage, Fruchtbarkeit uud sorgfältigen
Anbau, sondern hauptsächlich auch durch ihre Wollen- und
Baumwollenindustrie, in welcher sie die nächste Stelle nach
Chemnitz einnehmen, und insbesondere hat die Weberei, neben
der im östlichen Theile vorherrschenden Strumpfwirkern, in den
letzten Jahrzehnten eine große Bedeutung gewonnen.
Die Receßherrschaft Glauchau, welche in die beiden, ver-
schiedenen Besitzern gehörigen Herrschaften Vorder- und Hinter-
Glauchau zerfällt, enthält die Städte Glauchau, Meeraue,
Hohenstein uud Ernstthal.
Glauchau (21.743 Einw., 1511 H.), die größte Stadt der
Schönburgischeu Receßherrschaften, Sitz der Gesammtkanzlei uud
eines Hauptsteueramts, liegt äußerst anmnthig an der Mulde
(Bahnh. 245m h.), aber theilweise den Ueberschwemmnngen der-
selben ausgesetzt. Es hat eine Kirche mit Silbermannscher Orgel
und 2 gräfliche Schlösser mit herrlichen Anlagen. Hier ward
1494 Georg Agricola (S. 196), der Begründer der Minera-
logie in Deutschland, geboren. Am bekanntesten aber ist Glauchaus
Name, wie der der Schwesterstadt Meeraue, durch den staunens-
werthen Aufschwung ihrer Industrie und das dadurch hervor-
gerufene außerordentlich schnelle Wachsthum beider Städte. Beide
fabriciren vorzugsweise wollene und halbwollene Kleider- und
Mäntelstoffe, außerdem besitzt Glauchau 17 Woll- und Baum-
wollenfärbereien, 21 Appreturanstalten, 6 Garndruckereien und
3 Bleichereien. Auch viele Korbwaaren werden in und um
Glauchau gefertigt, gröbere Waaren, wie Kohlen- und Tragkörbe,
in den umliegenden Dörfern, in der Stadt selbst meist Ziagen-,
Menbel- und feine Korbarbeit. — Im Muldenthale zwischen
Glauchau und Zwickau wird nämlich der Anbau von Weidenruthen,
sogenannten Zennen, betrieben, am stärksten in dem Dorfe Crossen.
Ein gut bestandener Acker gibt bis zu 300 M. Rohertrag, be-
ansprncht aber auch eine sehr bedeutende Pflege. Alljährlich im
Mai, zur Zeit des Saftes, werden die Ruthen vom Boden ab-
geschnitten, was mit besonderen Messern geschieht und genau
beobachtet sein will.
Mcerane, links von der Mulde (Bahnh. 251 m h.) hat sich
durch seinen großartigen Geschäftsbetrieb in den letzten 25 Jahren
zu Glauchaus Nebenbuhlerin emporgeschwungen und besitzt gegen-
wärtig 102, zum Theil sehr ausgedehnte Fabrikgeschäfte. Im
Jahre 1815 ein Städtlein von 2500 Einwohnern, 1875 aber mit
einer Bevölkerung von 21.277 Einw. in 1529 Häuseru, darf sich
Meerane unter allen sächsischen Städten des schnellsten Wachs-
thnms rühmen. — Im Mittelalter war Meerane der Mittelpunkt
einer Herrschaft, welche Kaiser Konrad III. seiner Schwester
Gertrud bei ihrer Vermählung mit König Wladislaw von Böhmen
als Mitgift verlieh, weshalb auch Wladislaw, als er 1163 ver-
Glauchau; Meeraue; Hohenstein; Ernstthal; Waldenburg. 203
trieben wurde, seine Zuflucht nach Meerane nahm und dort starb.
— Dem nahen Dorfe Götzenthal gegenüber sind bedeutende
Kalkbrüche.
Die Kirche des Dorfes Jerisau besitzt ein Bildniß Kaiser-
Karls V., welches dieser, auf dem Zuge gegen Johann Friedrich
1547 in dortiger Pfarre übernachtend, zum Andenken hinterlassen
haben soll.
Die dicht aneinander grenzenden Städte Hohenstein (5740
Einw., 442 H.) und Ernstthal (4118 Einw.) betreiben Weberei,
besonders von Piques und Westenstoffen, ein Industriezweig, der
gegen früher zurückgegangen ist. Der Silberbergbau, dem Hohen-
stein seine Entstehung verdankt, ist längst eingegangen, nur auf
Arsenikkies wird noch in einem Schachte gegraben und derselbe
in der nahen Hütte verschmolzen. In Hohenstein wurde 1780
der Philosoph und Naturforscher G. H. von Schubert geboren;
zum Andenken an ihn besteht eine „Schnbertstiftnng" zur Unter-
stützung solcher hohensteiner Jünglinge, welche auf einer höheren
Lehranstalt Ausbildung suchen. Ernstthal ist.seiner Entstehung
nach die jüngste unter den sächsischen Städten; es wurde 1680
von Pestflüchtigen aus Hohenstein angelegt. 20 Minuten von
Hohenstein wurde 1765 eine Stahlquelle entdeckt, welche seit 1830
zu einem Bade eingerichtet ist.
Die Stadt Waldenburg (2959 Einw.) gibt der nördlichsten
der fünf Herrschaften den Namen; am untern Ende derselben er-
hebt sich das Schloß des Fürsten von Schönburg-Waldenburg,
das, seitdem blinde Volkswuth es 1848 durch Brand zerstörte,
schöner als vorher wieder aufgebaut worden ist. Die Stadt ver-
dankt der fürstlichen Familie mehrere wohlthätige Stiftungen; seit
1844 auch den Besitz eines Schullehrerseminars. Der nahe fürst-
lichePark Greenfield, eine herrliche Anlage, enthält das Mauso-
leum des Fürsten Otto Karl Friedrich. — Das der Stadt gegen-
über liegende Dorf Altstadt-Waldenbnrg liefert das unter
dem Namen Waldenburger Waare bekannte, meist graue Töpfer-
gefäß, auch Pfeifen und Schmelztiegel. Die Arbeiter theilen sich
in Glas- und in Krug- oder Grauwerkstöpfer.
Remse an der Mulde, ehemals ein reiches Nonnenkloster, ist
der Mittelpunkt einer Herrschaft, die zwar dem Fürsten von Schön-
bnrg-Waldenburg, aber nicht zu den Receßherrschaften gehört.
In der Herrschaft Lichtenstein liegen dicht bei einander
die Städte Lichtenstein (4862 Einw.) mit einem fürstlichen Schlosse
und Callnberg (2804 Einw.), die in ihren gewerblichen Ver-
Hältnissen mit Hohenstein übereinstimmen. In Callnberg er-
richtete 1856 Fürst Otto Victor von Schönburg-Waldenburg ein
Lehrerinnenseminar, welches seit 1857, nach des Gründers Tode,
an den Staat übergegangen ist. — Das über eine Stunde lange
^orf Oberluugwitz mit 4959 Einw. ist eines der gewerb-
fleißigsten Sachsens und zeichnet sich durch seine schöne Kirche aus.
204 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Die Herrschaft Hartenstein ist ein Ueberrest der großen,
einst bis nach Böhmen hineinreichenden Grasschaft dieses Namens,
welche den alten Burggrafen von Meißen gehörte, und im 15. Jahr-
hundert durch Heirath an das Haus Schönburg gelangte; den
größeren oberwäldischen Theil brachte jedoch Kurfürst August 1559
durch Kauf au sich, dem Hause Schönburg verblieb nur die
kleinere niedere Grafschaft und die Stadt Hartenstein (2609 Einw.).
In dieser wurde 1609 der Dichter frommer Lieder, Paul
Flemming, geboren, der auch in Gedichten seine Heimat ver-
herrlicht hat; er starb 1643 in Hamburg. Auf dem hochgelegenen
Schlosse zu Hartenstein hielten die Prinzen Ernst und Albrecht
das erste Nachtlager nach ihrer Befreiung, und südlich von Stein
liegt die 20m tiefe Teufelskluft oder Prinzenhöhle, der
alte Stölln einer Eisenzeche, wo Mosen und Schönfeld sich mit
dem Prinzen Ernst versteckt hielten, bis sie sich gegen Zusicherung
kurfürstlicher Gnade an den zwickauer Amtshauptmann Veit
von Schönburg ergaben. —Der dichtbevölkerte Mülsengruud,
in welchem die großen Weberdörfer Mülsen St. Nielas
(3059 Einw.) und Mülsen St. Jacob (4703 Einw.) zur Herr-
schaft Hartenstein gehören, ist eine der gewerblichsten Gegenden
der Kreishauptmannschaft; in beiden gehen über 2000 Webstühle
für Chemnitz, Glauchau, Meeraue u. s. w.
Zu der Herrschaft Stein gehören das romantisch im
Muldeuthale gelegene Schloß Stein, wie das Weesensteiner
so gebaut, daß der Fels bis ins dritte Stockwerk reicht, und die
Stadt Lößnitz (5725 Einw., 633 H.) bei der die großen Schiefer-
brüche (S. 188) liegen. — Unterhalb Schloß Stein liegt zu beiden
Seiten der Mulde die gräflich Solms'sche
Herrschaft Wildenfels,
1 lü Meile groß, deren Einwohner sich meist von Weberei nähren;
ihr Besitzer nimmt in der ersten Kammer der Ständeversammlung
den 3. Platz ein. Das einzige Städtchen Wildcnfels (3135 Einw.)
enthält das gräfliche Schloß mit Garten, welcher durch Feigeu-
bau bemerkenswert!» ist. Die Kirche ziert ein Gemälde, Christi
Versuchung, von dem hier gebornen Maler Vogel (gest. 1816).
— In der Nähe bricht schwarzer und bunter Marmor. — Beim
Dorfe Weisbach entdeckte man 1716 acht Urnensteine mit In-
schritten, wahrscheinlich ans dem 11. Jahrhundert, welche für das
älteste bis jetzt bekannte Denkmal der obersächsischen Mundart
gelten; sie befinden sich jetzt anf der gräflichen Bibliothek zu
Wildenfels, sind aber so verwittert, daß man die Schriftzüge nur
schwer noch erkennen kann.
Zwischen der Herrschaft Wildenfels und dem Vogtlande liegt
Kirchberg (5761 Einw., 529 H.), das eine schöne Kirche hat und
starke Tuchmachern, besonders in billiger Waare, treibt, bei welcher
zum Theil Wollabgäuge, die man aus Sachsen, Böhmen, selbst
Lößnitz; Wildenfels; Kirchberg; Zwickau. 205
aus den Rheingegenden bezieht, versponnen werden. In dem
Dorfe Wiesen ist eine bedeutende Kalkbrennerei.
Zwischen den Schönburgischen Receßherrschaften und der west-
lichen^Landesgrenze liegen die drei Städte: Zwickau, Werdau
und Crimmitschau.
Zwickau (31.491 Einw., 1519 H.) liegt in einem fruchtbaren,
von sanften Höhen umschlossenen Becken, dem sogenannten Schwan-
felde, au der Mulde, von reizenden Anlagen umgeben, deren
schönster Theil sich um den Schwanenteich zieht; es ist Sitz eiuer
Kreishauptmannschaft, eines Appellationsgerichtes und eines
Hauptsteueramtes. — Unter den 5 Kirchen, zu welchen seit
1822 auch eine katholische gehört, ist die vorzüglichste die
in spätgothischem Stile erbaute Marienkirche; sie enthält
einen kostbaren Flügelaltar mit Gemälden und Schnitzereien aus
Mich. Wohlgemuths Werkstatt, Glasmalereien, in der Sakristei
ein kunstvoll geschnitztes heiliges Grab, eine steinerne Doppel-
Wendeltreppe und viele wohlerhaltene Grabmäler zwickauer Patri-
cier, darunter das des Martin Römer, der aus seinem, durch
den schneeberger Bergbau gewonnenen Reichthum vieles für die
Ausschmückung der Kirche gethan hat. — An der Katharinen-
kirche war Thomas Münzer von 1520—22 der erste evange-
lische Prediger, jener „Schwarmgeist", der nachher als Führer der
aufständischen Bauern bei Frankenhausen von den Fürsten ge-
schlagen und darauf hingerichtet wurde; Luther selbst predigte
hier 1522 gegen ihn auf dem Markte vor vielen tausend Zuhö-
reru. Das Gymnasimn^ im 15. Jahrhundert seiner Strenge
wegen die „Zwickauer Schleismühle" genannt, galt im 16. als
eine Musterschule, welcher Luther die erste Stelle unter allen
sächsischen Stadtschulen einräumte und zählte mehrere der berühm-
testen Mäuner, wie Agricola, Erasmus Stella und Joh. Rivius
zu ihren Lehrern. Von ihr ging auch 1523 die erste Schul-
ordnnng Sachsens aus, in der unter auderm schon gymnastische
Hebungen vorgeschrieben sind. Ihre Bibliothek, von mehr als
20.000 Bänden, ist die bedeutendste Schulbibliothek Sachsens;
noch 1857 entdeckte man in derselben eine Handschrift des Hans
Sachs, die alle bisher bekannten an Vollständigkeit übertrifft.
Zwickau hat fünf Volksschulen und eine Realschule, ferner ein
1843 gegründetes Kreiskrankenstift; auch hat hier die Stiftung
des Volksschriften-Vereins ihren Sitz. — Das königliche Schloß
Osterstein enthält eine Corrections- und Arbeitsanstalt für
900 Sträflinge. — In Zwickau wurde 1810 der Componist
Robert Schumann geboren.
Schon im frühen Mittelalter blühte Zwickau vermöge seiner
Lage an der großen, Süd- und Norddeutschland verbindenden
Handelsstraße von Nürnberg nach Leipzig zu einer bedeutenden
Handels- uud Gewerbstadt auf, sank aber seit dem 16. Jahr-
hundert und blieb eine Kleinstadt von 6000 Einwohnern, bis
206 Kreishauptmannschaft Zwickau.
vor etwa 55 Jahren der Kohlenbau im Zwickauer Bassin einen
nie geahnten Aufschwung nahm, die Wohlfeilheit des Fenerungs-
Materials industrielle Unternehmungen herbeilockte und in Folge
dessen die Stadt ihre Einwohnerzahl binnen 40 Jahren mehr
als vervierfachte, ihren Umfang entsprechend erweiterte. Die erste
Stelle unter den zahlreichen Fabriken Zwickaus nimmt die Porzellan-
fabrik ein, außer der meißner die einzige Sachsens; dieselbe bezieht
ihre Porzellanerde aus böhmischen Gruben und wird besonders
wegen ihrer geschmackvollen Tafel- und Kaffeeservice gerühmt.
Nennenswerth sind ferner: eine große chemische Fabrik, welche
auch Steinzeug und Chamottewaaren, eine Glasfabrik, welche
Spiegel- und Tafelglas fabrieirt, und eine Faßfabrik, in der
meist ungarisches und slawonisches Eichenholz verarbeitet wird.
— Das zur Vorstadt von Zwickau gewordene Dorf Schede-
witz hat seit 1834 eine große Kammgarnspinnerei.
Bei weitem die reichste Erwerbsquelle aber für Zwickau und
die umliegenden Dörfer ist der Steinkohlenbau; derselbe ist
wahrscheinlich einer der ältesten in ganz Deutschland; es hat je-
doch Jahrhunderte bedurft, bevor er zu seiner gegenwärtigen
großartigen Entwicklung gelangte (S. 24). Das ärgste Hinder-
niß, welches ihn hemmte, waren die seit 1520 erlassenen, dann
mehrfach erneuerten, abgeänderten und ergänzten Kohlenordnungen,
durch welche die lästige Reiheladuug vorgeschrieben wurde.
Danach durfte eine Grube eine bestimmte Menge Kohlen, die sie
gefördert hatte, nicht eher verkaufen, als bis die Reihe an sie
kam und die vorhergehenden Gruben ihren Vorrath an den Mann
gebracht hatten. Kaum war endlich im Jahre 1823 diese Be-
schränkung aufgehoben worden, als die Kohlenproductiou sich mit
unglaublicher Geschwindigkeit vergrößerte. 1826 begann die An-
wendung von Dampfmaschinen, 1837 verbreitete sich der Kohlen-
bau in das Weichbild der Stadt selbst, es bildeten sich Actien-
gesellschasten in großer Zahl um Kohlen zu erbohren, uud während
im Jahre 1820 in dem zwickauer Steinkohlenreviere erst 100.000
Etr. gefördert worden waren, belief sich 1872 die Ausbeute auf
34 Mill. Etr.! Uud doch ist der zwickauer Kohlenbezirk, welcher
die Feldmarken von Zwickau uud den Dörfern Planitz, Bockwa,
Oberhohndorf, Reinsdorf, Schedewitz, Neudörfel und
Marienthal umfaßt, nur etwa der 200fte Theil des gesammten
deutschen Steinkohlengebietes; ja er ist selbst bedeutend kleiner
als der würschnitzer, denn er begreift nur gegen 1273 Hectaren
oder gegen l/i Quadratmeile, dennoch aber übertrifft er diesen
bei weitem an Wichtigkeit, nicht nur, weil das zwickauer Terrain
viel vollständiger aufgeschlossen ist, und deshalb hier nur wirklich
bauwürdiges Kohlenfeld mitgezählt wird, sondern besonders wegen
der größeren Mächtigkeit seiner Flötze. Die größte ist in dem
brückenberger Schachte gefunden worden, dessen 7 Flötze zusammen
über 14 Meter mächtig sind, ein Kohlenreichthum, der bis jetzt
Zwickau. 207
in Sachsen ohne Beispiel ist. Man zählt um Zwickau 128
Schächte, deren Tiefe zunimmt, je mehr sie sich der Mitte des
Bassins nähern, bei Planitz und Bockwa liegen die Kohlenflötze
der Oberfläche am nächsten, während die Fortsetzung derselben
von dem brückenberger Schachte erst bei einer Tiefe von 650 bis
760 Meter erreicht wird. Je nachdem die Schächte durch Men-
schenhände oder durch Dampfmaschinen bedient werden, ist ihre
Leistungsfähigkeit sehr verschieden; denn während ein nicht zu
tiefer Haspelschacht Mühe hat, täglich 180 Ctr. herauszuschaffen,
fördern die größeren Maschinenschächte aus 325 Meter Tiefe täg-
lich deren 4000 und mehr! Ebendarum muß auch die Hand-
förderung immer mehr dem Maschinenbetriebe weichen. Gegen-
wärtig arbeiten im zwickauer Kohlenbezirke 134 Dampfmaschinen
und ein Wasserrad von zusammen 4670 Pferdekräften, 8890
Arbeiter und 334 Beamte. Die stärksten Maschinen dienen
jedoch nicht einmal der Kohlenförderung, sondern der Bewältigung
der Grubenwasser, wozu an 2/s der ganzen Maschinenkraft ver-
wendet werden muß; in den Bockwa-Oberhohndorfer Gruben hatte
in Folge der Überschwemmung von 1858 eine Dampfmaschine
von 225 Pferdekräften fast ein Jahr lang zu arbeiten, um das
eingedrungene Waffer zu beseitigen, und doch hob dieselbe in
jeder Minute 3,60 Cubikmeter Wasser aus 160 Meter Tiefe; im
brückenberger Schachte arbeitet eine gleiche von 280 Pferdekräften,
um den Zndrang des Wassers abzuhalten. Also verzehrt der
Kohlenbau selbst wieder einen nicht unbeträchtlichen Theil der
geförderten Kohlen. Die kleinen, unverkäuflichen Kohlenbrocken
werden entweder zu Coaks gebrannt oder, ähnlich wie der Torf,
zu Ziegeln gepreßt.
Der zwickauer Bergmann steht sich weit besser als der erz-
gebirgische, dafür genießt er aber auch nicht so viele Vergünsti-
gungen wie jener. Für die Kranken und Verunglückten sind seit
1862 von den einzelnen Kohlenbanvereinen allmählich 21 Knapp-
schaftskafsen gegründet worden. Für die Bildung guter Steiger
ist seit 1861 durch die Bergschule in Zwickau gesorgt.
Zu den merkwürdigsten Erscheinungen der zwickauer Gegeud
gehören die unterirdischen Steinkohlenbrände. Ein älterer
Grubenbrand im bockwaer Walde ist im 16. Jahrhundert, nach-
dem er viele Millionen Centner Kohlen verzehrt hatte, wieder
verlöscht, weil das Ende des von ihm ergriffenen Flötzes unter
Waffer ging. Der zweite, noch jetzt vorhandene Erdbrand, bei
Planitz, ist wahrscheinlich im dreißigjährigen Kriege durch den
Mnthwillen kaiserlicher Soldaten veranlaßt worden. Alle Lösch-
versuche waren bisher ohne Erfolg, daher sucht man jetzt seine
weitere Ausbreitung dadurch zu hemmen, daß man so viel wie
möglich der Luft den Zutritt wehrt und das Flötz hinter dem
Brande abbaut, um diesem die Nahrung zu entziehen. Oft steigt
der Dampf aus der Erde, die sich an solchen Stellen heiß anfühlt
208 Kreishauptmannschast Zwickau.
und auch im härtesten Winter keinen Schnee duldet, so daß dort
das Gras ohne Aufhören grünt und manche Vögel überwintern,
weil sie stets Nahrung finden. Auf dem Rittergute Planitz
wird die Wärme dieses Erdbrandes zur Heizung von Treib-
Häusern benutzt, in denen eiue Fülle seltener, besonders tropischer
Pflanzen gedeiht.
Bockwa ist durch den Kohlenbau eines der reichsten Dörfer,
nicht Sachsens allein, sondern wohl ganz Deutschlands geworden.
Zengniß davon gibt die neue schöne Kirche, die, mit einem Auf-
wand von 135.000 Mark erbaut, über 3000 Menschen faßt und
einen kostbaren Marmoraltar enthält. — In Cainsdorf, welches
sich ebenfalls aus den Kohlengeldern eine eigene Kirche gebaut
hat, steht das größte Eisenhüttenwerk Sachsens, die Königin-
Marienhütte, 1840 durch eine Actiengesellschaft gegründet,
1851 in Besitz der Herren von Arnim auf Planitz, 1873 in den
der Deutschen Eisenbahnbaugesellschaft übergegangen. Bei vollem
Betriebe beschäftigt sie 80 Beamte, 1700 Arbeiter auf der Hütte
und 400 in den Gruben. In ihren drei riesigen Hohöfen ver-
mag sie jährlich 25 Mill. Kilo Roheisen zu prodnciren, zu welchem
der Eisenstein in Thüringen, dem Erzgebirge und Vogtlande
gewonnen wird, in den Eoaksöfen 1272 Mill. Kilo Eoaks, in
den beiden Bessemerhütten 29 Mill. Kilo Bessemerstahl, in den
Walzwerken 30 Mill. Kilo Eisenbahnschienen und andere Fabri-
kate, in den beiden Gießereien 6 Mill. Kilo Gnßwaaren. Die
hauptsächlichsten Fabrikate des Werks sind außer Eisenbahnschienen
gußeiserne Röhren, Oefen, Brücken und Maschinen. Der Umfang
des Geschäftsbetriebs erhellt daraus, daß im Z. 1875 allein an
Bahnfrachten 225.468 Thlr. gezahlt wurden. Im Jahre^ 1844
erwarb fie sich die Prämie von 1000 Thalern, welche die Staats-
regierung für den ersten Hohofen, der 1 Jahr lang ununterbro-
chen auf gutes Eisen bei Anwendung von Eoaks allein im Be-
triebe sein würde, ausgesetzt hatte, und im I. 1868 ging aus
ihr das größte bisher in Sachsen ausgeführte Gußstück, eine
2000 Etr. schwere Ambosunterlage, hervor. — Im Dorfe Eckers-
bach lag das „Trillergut", das Freigut, welches der Köhler
Schmidt für die Rettung des Prinzen Albrecht erhielt; im Schmal-
kaldischen Kriege ist es ein Raub der Flammen geworden. —
Ein Denkstein an der chemnitzer Straße erinnert an die kühne
Waffenthat des preußischen Rittmeisters v. Eolomb, der hier am
29. Mai 1813 an der Spitze seiner Freischar einen französischen
Artilleriepark aufhob.
Vom zwickauer Bahnhofe (288m h.), in welchem täglich nicht
weniger als 140 Züge ankommen und abgehen, führt die Eisen-
bahn aus dem Muldengebiete in das der Pleiße; an dieser und
der Sächsisch-Bairischen Staatseisenbahn liegen die beiden wich-
tigen Fabrikstädte Werdau mit 11.689 Einw. und 836 Häusern
und Crimmitschau mit 17.649 Einw. und 1144 Häusern, welche
Werdau; Crimmitschau. 209
beide Vicognespinnerei, Wollenweberei und Tuchfabrikation trei-
ben. Begründer der crimmitschauer Wollenindustrie ist der 1797
verstorbene Fr. Oehler, welcher durch holländische Spinner und
Spinnräder die Streichgarnspinnerei zuerst nach Sachsen brachte.
Er war es auch, auf dessen Vorstellungen hin unterdes Prinzen
Xaver Regentschaft die spanischen Merinos nach Sachsen ver-
pstanzt wurden, und hier wurde aus der in Sachsen selbst ge-
wonnenen feinen Wolle unter seiner Leitung das erste Stück
Waare, Casimir, gefertigt. Seinen drei Söhnen hat Sachsens
Wollmanufactur die Einführung der Maschinenspinnerei im Jahre
1814 zu danken. Der Hauptartikel, welchen Crimmitschau lie-
fert, sind wollene Modewaaren, wollene und Vicognegarne; von
jenen producirt es im Jahre 11.000 (Str., von letzteren 25.000 Ctr.,
wozu 75 Maschinen in Gang sind. Die Kirche in Crimmitschau
besitzt ein seit 1865 in die Sakristei verwiesenes Altargemälde
von 1624, auf welchem Christus das heilige Abendmahl unter
13 Jünger austheilt; der 13. ist der Pfarrer Martini, welcher
es malen ließ, nach Anderen der Maler selbst. Das Karthäuser-
kloster, welches ehemals hier bestand, ist das einzige dieses Or-
dens in ganz Sachsen gewesen; nach seiner 1526 erfolgten Auf-
Hebung verkaufte es Kurfürst Johann Friedrich im I. 1545 an
Luthers Schwager, Hans von Bora, um 1300 Gulden. Rings
um Crimmitschau brechen vorzügliche Kalksteine, von welchen die
Königin-Marienhütte jährlich 300.000 Ctr. zum Schmelzen des
Eisens bezieht. In Wahlen dicht bei Crimmitschau gewinnt
eine Fabrik aus dem bei der Tuchfabrikation entstehenden Walk-
schlämm, den man sonst in die Pleiße laufen ließ, Walkfett oder
Walköl, das in der Seifenfabrikation verwendet wird. — Das
schloß Schweinsburg war einst der Mittelpunkt der alten
Herrschaft Crimmitschau, welche den Herren von Crimmitschau,
später denen von Schönburg gehörte. Der Kirchthurm zu Wer-
dau, im Januar 1863 durch Blitz zerstört, ist seitdem schöner
wieder aufgebaut worden. 1865 wurde Werdau von der Cholera
schwer heimgesucht. — Altschönfels ist eines der am besten er-
haltenen mittelalterlichen Felsenschlösser, und jetzt ein Geschlechts-
gut der Familie von Römer. Bemerkenswerth darin sind.die
schöne Conventstnbe mit gothischen Fenstern, der Thurm mit ur-
altem, wohl 3,4^ dickem Mauerwerk und die Kapelle. — Das
sogenannte Ziegenhierdsche Ländchen ist eine sächsische
Enclave zwischen altenbnrgischem, reußischem und weimarischem
Gebiete.
Der südwestlichste Theil des zwickauer Regierungsbezirkes ist
das Vogtland.
das bis 1835 einen besonderen, 25 □ M. großen Kreis ausmachte.
Auf drei Seiten von der Landesgrenze umschlossen, hängt es nur
Engelhardts Baterlandskunde. 11. Aufl. 14
210 Kreishauptmannschaft Zwickau.
gegen Osten mit dem übrigen Sachsen zusammen, und daher
kommt es, daß es, ähnlich wie die Lausitz, sich bis aus den
heutigen Tag in einer gewissen Absonderung erhalten hat.
Die wellenförmige Hochebene des Vogtlandes stellt sich als
eine maßige Einsenknng zwischen dem Erzgebirge auf der einen,
dem Franken- und Thüringer Walde auf der andern Seite dar,
und gewährt dadurch einen bequemen Uebergang von der Weißen
Elster zur oberen Saale und dem Maine. Hier überstieg daher
schon in sehr früher Zeit die große Verkehrsstraße, welche das
südliche mit dem nördlichen Deutschland, Nürnberg und Regens-
bürg mit Leipzig und Magdeburg, Böhmen mit den Saalgegen-
den verband, den Mitteldeutschen Gebirgszug ebenso, wie heut-
zutage die Sächsisch-Bairische Eisenbahn, die von Herlasgrün
nach Eger und die Sächsisch-Thüringische das Vogtland durch-
schneiden. Seiner Lage wegen hat daher das Vogtland wieder-
holt in Kriegsläuften durch den Durchzug und die Einfälle feind-
licher Heeresmassen zu leiden gehabt, schwer durch die Hussiten,
unsäglich im dreißigjährigen Kriege.
Das Vogtland ist zwar nicht ohne Anmuth, mit den Natur-
schöuheiteu des Erzgebirges aber kann sich nur ein Theil des
Elsterthales vergleichen. Umfassende Fernsichten hat man vom
Kuhberg bei Netzschkau (780m), von der Schnarrtanner
Höhe, dem Wännelstein bei Falkenstein (715m), dem Stein
in Schöneck (746m) und über das Egerland vom Kapellen-
berg bei Schönberg (761 Das obere Vogtland, im Süden,
vom Erzgebirge an längs der böhmischen Grenze, reicht nord-
wärts ungefähr bis zu einer Linie, die von Auerbach über Falken-
stein und Marienei bis zu dem Punkte geht, wo Sachsen, Baiern
und Böhmen zusammenstoßen, und umfaßt die Quellgebiete der
Zwickauer oder Vogtländischen Mulde, der zur Eger hinab-
wandernden Zwota und der Weißen Elster; das untere,
im Nordwesten, begreift das übrige Gebiet der Elster mit ihren
Zuflüssen, der Trieb und der Göltzsch, sowie das kleine der
Wiesenthal im äußersten Westen. In jenem sind weite Flächen
mit Wäldern bedeckt, unter denen der Schönecker und der
Auerbacher die größten sind, in diesem herrschen Ackerland und
Wiese vor und hat der Wald selbst mehr, als zu wünschen wäre,
dem Pstuge weichen müssen, daher auch das Land an vielen
Orten ein kahles Ansehen hat, zumal wo entwaldete Bergkuppen
aus den Feldern emporragen. Getreidebau ist hier bedeutender
als im Erzgebirge. Im oberen Vogtlande freilich gibt es rauhe
und unwirthbare Gegenden, wo, wie im Sächsischen Sibirien,
der Hafer auf dem Halm, die Kartoffel in der Erde erfriert,
doch werden jetzt, Dank den Fortschritten der Landwirtschaft, die
härteren Getreidearten allerorts gebaut, in den mildern Lagen
geben selbst Weizen und Oelfrüchte lohnende Ernten; nur Obst-
und Gartenfrüchte werden noch zu wenig gepflegt. Unter den
Das Vogtland. 211
herrlichen Wiesen sind viele noch moorig und der Entwässerung
bedürftig. Großen Rufes erfreut sich die vogtläudische Rind-
Viehzucht. Die vogtländer Race, kenntlich an der braunen Farbe
ohne ein anderes weißes Haar außer der weißen Nase und wei-
ßen Schwanzspitze, und an den weißen Hörnern mit schwarzen
Spitzen, ist die einzige inländische Race, die sich zur Züchtung
und Veredlung eigner, und durch unübertreffliche, der des Pfer-
des fast gleich zu achtende Zugtauglichkeit, günstige Mastfähig-
keit und feines, fettdurchwachsenes Fleisch auszeichnet. Als der
Krieg 1813 die Viehzucht der Elbgegend ganz zerstört hatte,
wurde sie meist durch vogtländisches Vieh wiederhergestellt. Vogt-
ländische Mastochsen gehen jetzt auf der Eisenbahn weit nach Nor-
den und helfen selbst London versorgen. — Dem Vogtlande
eigentümlich ist die große Zahl der Rittergüter, deren es 120
besitzt und denen der dritte Theil der Gesammtfläche gehört;
auch mehrere von den 15 Städten des Vogtlandes haben an-
sehnlichen Grundbesitz.
Der Bergbau, welcher in früheren Jahrhunderten an ver-
schiedenen Orten auf Silber, Zinn und Kupfer betrieben wurde,
hat fast ganz aufgehört. Nur einige Eisengruben sind noch in
Gang. In der Elster, der Göltzsch und einigen andern Bächen
hat man mehrmals Versuche mit Goldwäschen gemacht, welche
zwar einige vogtländische Dukaten lieferten, doch kamen diese
theuer genug zu stehen. Ein vor ungefähr 90 Jahren verstorbe-
ner Goldschmied, Schaller in Reichenbach, war der letzte, der
sich auf das Waschen des nur in der Größe eines Nadelkopfes
vorkommenden Goldsandes verstand.
Auch von dem Vogtlande haben in der Vorzeit die Sor-
ben die milderen Gegenden in Besitz genommen, und hier deutet
noch gegenwärtig der Gesichtstypus der Landbevölkerung auf
slawische Abstammung hin, an welche auch die Namen der vogt-
ländischen Adelsgeschlechter, der Feilitzsch, Metzsch und Trützschler
erinnern; in das obere Vogtland sind sie nicht vorgedrungen,
weshalb dort alle Ortsnamen deutsch sind; an der Elster sind
sie wenig über Würschnitz hinaufgekommen. Dichter kann es
überhaupt erst von den Deutschen besiedelt worden sein, denn
die vielen Dörfer, deren Namen auf -grün oder -reuth endi-
gen, lassen auf deutsche, und zwar fränkische Gründer schließen.
Seinen Namen hat das Land von den Vögten, welche das-
selbe im Namen des Kaisers verwalteten, und deren Gebiet sich
ursprünglich noch weit über die sächsische Grenze, nämlich über
das Regnitzland mit Hof, die reußischen Fürstentümer, das
altenburgische Amt Ronneburg und Theile von Sachsen-Weimar,
selbst auch vou Böhmen erstreckte. Die Vögte, von denen sich
eine Linie seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Reußen
nannte, machten allmählich die Vogtei in ihrer Familie erblich,
aber Erbtheiluugeu, Abtretungen, üble Wirtschaft und Uebergriffe
14*
212 Kreishauptmannschaft Zwickau.
mächtigerer Nachbarn schmälerten nach und nach ihren Besitz,
und schließlich wurden die tiefverschnldeten Vögte von Plauen
genöthigt, im Jahre 1559 die Aemter Voigtsberg und Planen
dem Kurfürsten August I. von Sachseil zu verpfänden und 1569
nahm dieser das ganze, noch jetzt sächsische Vogtland förmlich
in Besitz.
Dem Vogtlande besonders eigene Erwerbszweige sind:
Weißbaumwollenweberei und die damit zusammenhängende Weiß-
stickerei und Nähterei, seit etwa 25 Jahren auch Halbwollweberei;
Fertigung von Darm- und Messingsaiten, auch Musikinstrumenten
von Holz und Messing; Pechsiederei und ^inßbrennerei. Die
Industrie beschäftigt Treiviertheile der Bewohner, und ähnlich
wie das Erzgebirge und die Lausitz hat auch das Vogtland viele,
jedoch weniger große Weberdörfer.
In Charakter, Lebensweise nnd Sprache gleicht der Vogt-
länder seinem Nachbar, dem Erzgebirger; doch spricht er stärker,
voller und gedehnter. Wenn der Vogtländer Bauer sein: i hoo
soot (ich habe genug), oder: giöhwögk (geh weg), oder: dar
Maa is nett de häm (der Mann ist nicht daheim) spricht,
oder einer den andern fragt: sei die Sei a sei?) (sind die
Schweine auch sein?), so muß mau taub sein, wenn man es nicht
hören, desto mehr aber mit der Mundart vertraut fein, wenn man
es recht verstehen will. Auch die Sprache deutet unverkennbar
daraus hin, daß das Vogtland seine deutsche Bevölkerung nrsprüng-
lich von Süden her, also aus Franken erhalten hat.
In dem Gebiete der Mulde, deren einer Quellfluß, die
Weiße Mulde, iu dem Muldenteiche, nördlich vom Dorfe
Kottenheide, seinen Ursprung hat und sich dann mit der
Rothen Mulde vereinigt, liegen drei ansehnliche Hammer-
werke: das zu Tannebergsthal nnd die vereinigten Latter-
mannschen zu Rautenkranz und Morgenröthe, welche letz-
tere 2 Hohöfeu haben, anch viele Kunst- uud Maschinengnßwerke
liefern. In Morgenröthe wnrde 1833 der erste Versuch iu
Sachsen gemacht, den Schmelzofen mit erhitzter Luft zu speisen,
sowie neuerdings der, Glocken aus Stahl zu gießen. Hier hat
der Staat eine Musterbrettmühle zur Verarbeitung des in den
umliegenden großen Forsten geschlagenen Holzes errichtet; in
Tannebergsthal ist eine große mechanische Weberei. — In Rei-
boldsgrün ist neuerdings ein Bad eingerichtet worden. — Der
Zinnbergbau bei Gottesberg, welcher wohl 50 Jahre völlig
daniedergelegen hat, ist seit 1855 wieder in Angriff genommen
worden. — Nicht weit von dem Dorfe erhebt sich über ödes
Waldgebirge der Schnecken stein (eigentlich Schönecker Stein),
ein gegen 20 m hoher Fels, welcher weingelbe Topase enthält,
die sich meist in Drnsen (Höhlungen) zwischen Krystallzacken finden.
Der größte bisher gefundene Topas wog 27/8 Loch, war aber
nicht ganz rein, die kleinsten, meist von 6—8 Millimeter Länge, sind
Das Vogtland; Markneukirchm. ^ 213
immer die reinsten. Ein auerbacher Tuchmacher, Kraut, ließ,
von Hirten auf die glänzenden Steine aufmerksam gemacht, sie
1727 zuerst im Stillen brechen, schleifen und vertrieb sie unter
dem Namen Schneckensteine oder Königskronen im Auslande.
Kurfürst August der Starke kaufte nachher den Felsen und seit-
dem ist er im Besitze des Staates geblieben. Früher legte man
großen Werth ans ihn, eine eigene Gewerkschaft besorgte das Aus-
bringen und hohe Strafen standen auf Entwendung eines der
s kostbaren Steine; jetzt ist der Abbau schon längst ganz aufgegeben,
aber als Naturmerkwürdigkeit bleibt der Schneckenstein beachtens-
werth.
An der Zwota liegt der Flecken Klingenthal (575m h.)
ursprünglich von Holzhauern angelegt, im dreißigjährigen Kriege
von böhmischen Exulanten erweitert, welche hier die Verfertigung
von Musikinstrumenten einführten; dieselbe zu fördern, hat der
Staat hier eine Musikschule gegründet. Der älteste und Ursprung-
liche Artikel dieses Industriezweigs sind die Mundharmonikas, die
jetzt das Dutzend von 60 Psg. bis 120 M. verkauft werden, seit
Ansang der 50er Jahre hat sich aber auch die Fabrikation der Zieh-
Harmonikas hier eingebürgert und immer großartiger entwickelt,
so daß sie auch Accordious und Concertinos, verschieden je nach
dem Geschmacke des Volkes, für das sie bestimmt sind, liefert, und
neuerdings ist auch noch die der Drehharmonikas und Spiel-
dosen hinzugekommen. Die Fabrikation der 1839 von Goram
in Sachsenberg erfundenen Holzkämme bildete früher einen ein-
träglichen Erwerbszweig für Klingenthal und Umgegend, hat aber
neuerdings sehr abgenommen. Der Hauptsitz der Instrumenten-
sabrikation ist jedoch, und zwar bereits seit Kurfürst Augusts
Zeiten
Markneukir hen (4621 Einw., 503^ h.^ welches bereits zum
Elstergebiete gehört; von dort aus verbreitet. sich dieselbe auch
über Adorf, Schöneck und die Dörfer Erlöach, Zwota :c.
Hier werden alle Arten von Streichinstrumenten sammt Bogen,
Guitarren, Lauten oder Mandolinen für den Orient, Violas für
Südamerika, Banjos für die Neger Nordamerikas, Schlag- und
Blasinstrumente aus Holz und Messing, Mund- und Zieh-
Harmonikas verfertigt; weitaus am werthvollsten ist aber die
Saitenfabrikation. Diese, in welcher auch viele Frauen und Kinder
thätig sind, scheidet sich in die Fabrikation von Darmsaiten, in
das Ueberspinnen derselben mit leonischem Draht und in die Ver-
fertigung von Guitarrensaiten aus Seide. Jährlich werden hier
ungefähr 100,000 Schock Darmsaiten in einer durchschnittlichen
Länge von 12—13 Klaftern fertig, wozu die Schafdärme ziemlich
ans aller Herren Ländern kommen, die feinsten und dünnsten aus
Dänemark, weil hier meist Lämmer geschlachtet werden; die stärkeren
geben die tieferen Saiten oder werden mit dem Spalteisen getheilt.
Der Geruch, den diese Därme von sich geben, bevor sie durch die
214 Kreishauptmannschaft Zwickau.
„Schleimmädele" gereinigt, gedreht und getrocknet sind, läßt sich
leichter vorstellen als aushalten. Für die Holzinstrumente kommen
außer dem einheimischen Tannenholz und dem tiroler Ahorn viele
außereuropäische kostbare Holzarten, Buchsbaum vom Kaukasus,
Ebenholz, Grenadill- und Jacarandenholz, Mahagony und Schlan-
genholz aus den Tropengegenden Afrikas und Amerikas, Rohr
für die Clarinettenblätter aus Südfrankreich und Spanien zur
Verwendung; die Fidelbogen werden mit Pferdehaaren aus Ruß-
land und aus den Pampas des Laplatastromes bezogen. Zu den
Metallinstrumenten liefert Auerhammer Argentan, Grünthal ge-
walztes Kupfer. In der ganzen Fabrikation herrscht die strengste
Arbeitsteilung, namentlich in der Geigen- und Baßmacherei, wo
Bogen, Griffbretter, Saitenhalter, Wirbel und Stege von lauter
verschiedenen Arbeitern und meist auch an verschiedenen Orten
verfertigt werden, in noch höherem Grade in der Harmonika-
fabrikation, wo für jedes größere Stück 20 und mehr Arbeiter
nöthig sind. Nur dadurch ist die erstaunliche Wohlfeilheit der
vogtländischen Instrumente zu ermöglichen, welcher sie ihre Ver-
breitung fast durch die ganze Welt zu danken haben. Nach den
Klängen markneukirchner Instrumente marschiren die Regimenter
aller Staaten, tanzen die Balldamen aller Erdtheile, und wie sie
vielen tausend Kindern als ohrenzerreißendes Spielwerk dienen,
so ist andererseits kein Concert ohne sie denkbar.
Nicht weit von dem Eintritt der Weißen Elster nach Sachsen
liegt Bad Elster (471m h.). Obgleich man die hiesigen Mineral-
quellen schon seit langer Zeit kannte, wurden sie doch erst seit 1849,
wo der Staat die Fürsorge für sie übernahm, gebührend benutzt,
und seit dieser Zeit erwuchs das unscheinbare Weberdorf zu einem
weitbekannten Badeorte, dem ersten von ganz Sachsen, dessen Kur-
liste alljährlich gegen 4000 Gäste aufweist, und der an Stärke
der Quellen mit. dem nahen Franzensbad wetteifert, diesem aber
an Milde des Klimas weit nachsteht. Den freundlichen Thal-
kessel, in dem es liegt, hat die Kunst durch Parkanlagen, durch
Säulengänge mit Reihen von Verkaufsläden, durch eine große
Anzahl reizender und geschmackvoller Häuser, welche für die Auf-
nähme von Badegästen bestimmt sind, verschönert. Die Wasser
der 13 theils Eisen-, theils alkalischen, beziehentlich Glaubersalz-
quellen werden entweder getrunken oder dienen zum Baden, zu
welchem Zwecke sie in trefflich eingerichtete Badezimmer geleitet
werden; auch Moorbäder und Molken sind vorhanden. Allmor-
gentlich begleitet ein tüchtiges Musikchor das Auf- und Abwandeln
der Trinkenden mit seinen Klängen. Armen Kranken gewähren
die Johannastiftung und das Augustusstist Unterstützung oder
selbst ganz unentgeltlich Unterkommen uud Verpflegung. Seit
1871 hat sich in und um Elster die Seidensammetweberei ein-
gebürgert.
Adorf (3301 Einw., Gerichtsamt 479m h.) hat eine, die
Adorf; Oelsnitz. 215
Hebung der Jnstrnmentenfabrikation bezweckende Musikschule, treibt
im Uebrigen Ackerbau und Viehzucht. Hier oder in dem Dorfe
Troschenreuth an der bairischen Grenze starb 1633 an der
Pest der kaiserliche Feldmarschall Holke, nachdem er das Vogt-
land aus das fürchterlichste mißhandelt hatte. Als er den Tod
herannahen fühlte, sehnte er sich, vom Gewissen gepeinigt, nach
dem Tröste der Religion und verlangte eiuen Geistlichen, aber
weit und breit war keiner aufzutreiben, weil alle der Soldaten-
gränel wegen in die auerbacher Wälder geflüchtet waren. Erst
nachdem er mehrere Reitercommaudos ausgesendet und dem, der
ihm einen Prediger verschaffen würde, eiuen Preis von 500 Thlrn.
ausgesetzt hatte, wurde einer im Walde gefunden und zu ihm ge-
führt, Holke war aber bereits verschieden. Als Johann Georg I.
dessen Tod erfuhr, schrieb er dem Obersten Schleinitz: „wie er
darob herzinniglich erfreut sei, indem der Holk fast ein böser Gesell
gewesen und absonderlich die armen Vogtländer fast geschunden."
Diese Horden aus Walleusteins Heer hausten so furchtbar im Vogt-
lande, daß die Gegend zur Einöde wurde und niemand da war,
die Leichen der Erschlagenen zu verscharren. In ihrem Gefolge
kam die Pest und raffte hinweg, was das Schwert übrig gelassen,
und ihr unterlag zuletzt fast das ganze Heer Holke's selbst.
In der adorfer Gegend wurde das Erdbeben im Januar
1824 (S. 162) besonders heftig verspürt; es schwollen dabei
alle Flüsse, Bäche und Quellen an, obschon die Witterung die
trockenste war.
Im Schnlhause des Dorfes Marien ei wurde 1803 der
Dichter Julius Mosen geboren. — Das Dorf Würschnitz ist
die Heimat unseres segensreichen Kartosselbaus, denn hier
war es, wo am Ende des 17. Jahrhunderts der Zimmergesell
Hans Wolf Löw-Kummer, der in England gearbeitet und dort
die Kartoffel kennen gelernt hatte, die erste in seines Vaters
Garten pflanzte. Der Versuch gelang und weckte Nachahmer,
besonders zu Stützengrün bei Eibenstock, wo man anfänglich
den Samen aller 2 bis 3 Jahre aus dem Vogtlande holte, weil
man sonst Abnahme und Verschlechterung der Frucht fürchtete.
Im Meißnischen lachten die Bauern lange über die vogtländischen
Knollen, wie sie die neue Frucht nannten, verspotteten die Prediger,
welche zum Anbau derselben ermahnten und schalten ihre Er-
Mahnungen sogar Knollenpredigten, dankten aber am Ende Gott
und ihren Pfarrherrn dafür. Die ersten Kartoffeln genoß man
im Vogtlande und Erzgebirge wie Butter zum Brod. Erst 1712
kamen Kartoffeln ans dem Erzgebirge nach Großenhain, und
zwar als ein seltenes Geschenk, zu dessen Genuß man Gäste lud,
und jetzt — baut man in Sachsen jährlich 12 Millionen Centner
— Unterhalb Adorf liegt an der Elfter
Oelsnitz (5685 Einw., 403 H., Rathhaus 408m h.), seit
dem Brande von 1859 fast ganz neu gebaut und durch ein schönes
216 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Rathhaus geziert. Am 13. August 1632 wurde es von dm
Kroaten des schrecklichen Holte (S. 215) unter namenlosen
Gräueln gänzlich zerstört. Superintendent war hier von 1542
bis 1546 Paul Rebhuhn, ein Schüler Luthers und Melanch-
thons und einer der ältesten Dichter deutscher Schauspiele (Su-
sanna, Hochzeit zu Cana) und der erste, der den gemeinüblichm
rohen Vers der früheren Schauspiele durch neue Versmaße zu
ersetzen versuchte. In letzter Zeit ist Oelsnitz der Hauptsitz der
vogtländischen Halbwollweberei geworden, die sich über deu ganzen
Süden und Südwesten des Vogtlandes erstreckt. Hier erreicht
auch die vogtländische Eisenbahn, nachdem sie bei Treuen, Auer-
bach und Falkenstein in vielfachen Windungen das Gebirge über-
klettert hat, das Elsterthal, welches sie nun bis jenseits Adorf verfolgt.
Von Oelsnitz aus wird die Perlenfischerei in der Elster
auf deren ganzem Laufe durchs Vogtland sowie in den meisten
Seitengewässern derselben, namentlich der Trieb, betrieben, wo sich
überall Bänke von Perlmuscheln vorfinden; die meist 14 Centm.
lang und 5 Centm. hoch, auswendig schwarz, innerlich silberweiß
sind, und viele, aber selten große und schöne Perlen enthalten.
Doch zeigt man im dresdner Naluraliencabinet Elsterperlen bis
zur Größe einer kleinen Flintenkugel und im Grünen Gewölbe
zwei Schnuren orientalischer und Elsterperlen, welche letztere den
ersteren fast gleichkommen. Eine mäßige Perle muß wenigstens
10 Jahre wachsen. An ganz versteckten Orten hat man einige-
mal über 100 Jahr alte Muscheln mit Perlen von der Größe
einer Muskatnuß gefunden. Die Perlenfischerei ist ein Regal,
welches der Staat seit 1621 durch Mitglieder der Familie Schmer-
ler in Oelsnitz ausbeuten läßt. Im Sommer durchwaten die
Perlenfischer mehrmals die Gewässer, wenn diese am seichtesten
sind, um die reifen Muscheln zu sammeln; die mit unreifen Perlen
werden mit der Jahreszahl bezeichnet und wieder ins Wasser ge-
setzt. Als man im Anfang des 16. Jahrhunderts die Perlen
entdeckte, war Alles davon entzückt, Leibes- und Lebensstrafe setzte
man auf die Entwendung einer Muschel; eine Perle bezahlte man
oft mit 50—60 Thalern, und manchen kleinen Bach schätzte man
deshalb über 100.000 Thlr. und — jetzt sind die Elsterperlen
im Werthe so gesunken, daß das Sammeln derselben kaum der
Mühe lohnt. In den letzten Jahren schwankte der ganze Erlös
der Perlenfischerei, der dem naturhistorischen Eabinet in Dresden
zu Gute kommt, zwischen 450 uud 1200 M. Die älteren, zur
Perlenzucht nicht mehr tauglichen Muscheln benutzt man neuerdings
in Adorf zum Schleifen und fertigt aus ihnen, aber auch aus ober-
pfälzischen und ostindischen Muscheln Portemonnaies und hunder-
terlei kleine Schmucksachen. — Eine Viertelstunde von Oelsnitz
erhebt sich auf einer Anhöhe das alte Schloß Voigtsberg,
der ehemalige Sitz der Vögte von Plauen, das jetzt als Filial
des zwickauer Arbeitshauses benutzt wird.
Plauen. 217
Plauen (28.756 Einw., J-527 H.), früher die Hauptstadt
des Vogtländischen Kreises, Sitz einer Amtshauptmannschaft,
eines Hauptsteueramtes und einer Handels- und Gewerbkammer,
liegt in einer freundlichen Weitung des Elsterthals und ist in
Folge wiederholter Brände in den Jahren 1844, 1853, 1859
und 1861 fast ganz neu und schmuck gebaut. Das hochgelegene
Schloß Hradschin (354 m) haben jetzt das königliche Bezirks-
gericht und das Gerichtsamt inne. Plauen besitzt ein Gymna-
sium mit Realschule, ein Schullehrerseminar, eine Baugewerken-,
eine Handelsschule, drei Bürgerschulen, ein schönes Krankelchaus
und wird seit 1865 durch eine große Wasserleitung mit Quell-
wasser versorgt, an dem es empfindlichen Mangel litt, seitdem
ein Wolkenbrnch im Jahre 1834 viele Brunnen verschüttet oder
verdorben hatte. Von großer Bedeutung sind die plaueuschen
Viehmärkte, auf denen im Jahre 1871 14.500 Stück Rindvieh
zum Verkauf ausgestellt waren. Die plauensche Actienbranerei
erzeugt jährlich über 20.000 Hektoliter Bier.
Plauen gehört zu uuseru gewerblichsten Städten; es hat
eine große Vicoguespinnerei, besonders wichtig aber ist es als
Hauptort für die Weißbaumwollenweberei, welche, nachdem
die frühere im Vogtlande blühende Spinnerei in Folge der eng-
lischen Concurrenz fast ganz aufgegeben worden ist, den aus-
gedehntesten und zugleich eigenthümlichsten Industriezweig des
ganzen Landestheiles bildet. Gardinen, Jaconets, Batist, Mulls,
Musseline und ähnliche Stoffe, welche alle man unter den Namen
„Plauensche Waare" zu begreifen pflegt, werden in Plauen selbst
und in einem ziemlich großen Bezirke, der sich bis nach Auer-
bach, Netzschkau und Elsterberg erstreckt, fabricirt; im Jahre 1871
belief sich die Productiou auf 896.843 Stück Waare aller Art.
Es sollen Schweizer, nach anderen schwäbische Musselin-
weber gewesen sein, welche im 16. Jahrhundert in Planen sich
niederließen und ihr Gewerbe daselbst einbürgerten. Besonderen
Absatz fanden im Anfange Stoffe zu Turbanen bei den Musel-
männern. Nicht lange, so traten die Schleierherren, d. h.
die Kaufleute, welche Baumwolle spinnen und weben ließen, zu
einer Zunft zusammen, deren Obere die Schau- und Stempel-
Herren hießen, weil von ihnen jedes Stück Waare, damit diese
stets bei gleicher Güte erhalten werde, durch sogenannte Schau-
gerichte untersucht, uud erst, wenn es als gut befunden war,
gestempelt wurde. Die erste Schleierordnung wurde im I. 1600
erlassen. Nach uud nach entstanden auch in den umliegenden
Städten Schleierinnungen, doch sind diese Einrichtungen schon
seil geraumer Zeit nicht mehr in Wirksamkeit. Mehr und mehr
greift gegenwärtig auch hier die mechanische Weberei um sich,
welche in geschlossenen Etablissements mit Hilfe des Dampfes
betrieben wird, doch lassen sich die feinern Stoffe nur auf dem
Handwebstuhle herstellen. Das Bogen und Ausschneiden der
218 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Gardinen wirft einen Nebenerwerb für Frauen und Kinder ab.
Wenn die Stoffe den Webstuhl verlassen, so sind sie noch ganz
unansehnlich und haben sich noch eine ziemlich harte Behandlung
gefallen zu lassen, bevor sie würdig sind, in den Dienst unserer
Damen zu treten; in der Sengerei müssen sie durch heiße Wal-
zen hindurch gehen um von allen Fäserchen besreit zu werden,
in der Bleicherei verwandelt sich ihr schmutziges Gelb durch die
sogenannte Fixbleiche mit Chlor in blendendes Weiß, und nun
werden sie noch gewaschen, getrocknet, gespannt und endlich gelegt.
Ans das engste mit der Musselinweberei verwandt ist die
Weiß stick er ei mit Platt- und Langstich, denn das Rohmaterial
sür diese Kunst, welche die Gattin des 1844 in Plauen ver-
storbenen Kaufmanns Krause als Jungfrau am Hofe zu Weimar
erlernt hatte, und nach Plauen verpflanzte, ist mit Ausnahme
der leinenen Linontücher, für welche alljährlich viele tausend Thaler
nach Frankreich und Belgien wandern, eigenes Erzeugniß des
Vogtlandes. Die größten Stickereigeschäfte befinden sich in
Plauen. Von den Fabrikanten erhalten die Stickerinnen das
zu stickende Zeug, „das Nestel", aus welchem das Muster mit
blauer Farbe vorgedruckt ist; dies wird in einen kreisrunden,
horizontalen Stickrahmen gespannt, und das einfachste Arbeits-
zeug, bestehend aus Nadel, Scheere und einem knöchernen „Böhrl"
zum durchbrechen der offenen Stellen, genügt den Stickerinnen,
um jene zahllosen Putzartikel, Kragen, Manschetten, Unterärmel,
Schleier, Tücher, Mantillen, Besätze 2c. zu schaffen, welche unserer
Frauenwelt unentbehrlich geworden sind. Der erste, welcher der-
gleichen Arbeiten in Plauen, vor etwa 45 Jahren, lieferte, hieß,
Seltmann. Im Winter nehmen auch Männer den Stickrahmen
zur Hand, Zimmerleute und Maurer, und, so unglaublich es
klingen mag, werden gerade von diesen die feinsten, zartesten
Stickereien gefertigt.
Aber auch dieser Judustrie hat sich die Maschine bemächtigt.
Im Jahre 1857 wurde die erste Stickmaschiue aus der Schweiz
in Plauen eingeführt und seitdem hat ihre Zahl von Jahr zu
Jahr zugenommen, so daß ihrer jetzt bereits 1137, in Plauen
allein 403, in Gang sind, von denen die meisten in Kändler bei
Chemnitz gebaut sind. An einer solchen Maschine setzt ein Ar-
beiter, welchem ein Gehilfe oder ein Mädchen zur Hand geht,
durch den Tritt auf einen Hebel 200—500 Nadeln in Bewegung,
so daß sie gleichzeitig das senkrecht gespannte Gewebe durchstechen.
Das Fortrücken, welches zur Herstellung der Muster nothwendig
ist, besorgt des Stickers linke Hand, indem sie eine Art Storch-
schnabel aus dem Musterblatte fortschiebt. Da jedoch eine solche
Maschine nur einfache Garnituren, aber nicht die leichtgeschwnn-
genen nach allen Seiten ausrankenden Figuren bilden kann, die
z. B. zu einem Kragen gehören, so ist nicht sie es, welche die
< Handstickerei beeinträchtigt. Die Hauptseindin der fleißigen Vogt-
Plauen; Elsterberg. 219
länderinnen ist vielmehr die Mode mit ihren wechselnden Launen,
die sich ihnen namentlich in den letzten Jahren wenig günstig
gezeigt hat. Dafür hat sie aber in Plauen als einen neuen
Erwerbszweig die Fabrikation genähter oder gesteppter Frauen-
putzartikel aus feiner Leinwand und Shirting ins Leben gerufen,
die durch Besätze oder einfache Stickmuster verziert werden, und
für diese ist jetzt eine große Zahl Nähmaschinen in Thätigkeit.
In Plauen hatte seit dem 13. Jahrhundert der Deutsche
Orden eine zur Valley Thüringen gehörige Eommende (Comthnr-
Hof). Hier lebte als Superintendent bis 1611 der nachherige
Oberhofprediger Hoö von Hoenegg, welcher im dreißigjährigen
Kriege auf seinen Herrn, den Kurfürsten Johann Georg I., einen
so unheilvollen Einfluß übte; hier war bis 1684 Diakonus der
Entdecker der Kometenbahnen Dörfel; hier wurde im Jahre
1833 das Turnen der Schulkinder eingeführt und 1843 der erste
Turnverein in Sachsen gegründet und von hier aus siud da-
mals Roth und Weiß als die Turnerfarben aufgekommen.
Von der Burg Dobenan bei Plauen, dem einstigen Sitze
der Grasen von Eberstein, ist fast nur noch der Felshügel, auf
dem sie gestanden, übrig; oberhalb derselben überspannt die
Brücke der Planen-Oelsnitzer Eisenbahn das Syrathal. — Die
Kirche zu Thossen ist eine der ältesten in Sachsen und merk-
würdig durch ihren Altar, der vermutlich ein alter heidnischer
Opferstein gewesen ist, sowie durch die räthselhafte Inschrift auf
dem darüber befindlichen Bilde. — Bei Bergen bricht Granit,
bei Theuma und Tirpersdorf Schiefer in Platten, die weit-
hin versendet werden. — Bei Altensalz, zwischen Plauen und
Treuen, gab es sonst eine, schon im 15. Jahrhundert benutzte
Salzquelle, die aber 1542 dnrch Ueberschwemmnng unterging
und seitdem zwar mehrmals, doch erfolglos wieder aufgenommen,
zuletzt 1740 ganz aufgegeben worden ist. Altensalz hat ein
Bezirksarmenhaus.
Eine Meile unterhalb Plauen überschreitet die Sächsisch-
Bairische Eisenbahn das Thal der Elster dicht bei der Mündung
der Trieb auf der einen und zwar der kleineren ihrer beiden
großen Ueberbrücknngen, die 280 m lang und 68 m hoch ist,
während das Thal entlang die Bahn von Plauen nach Greiz
läuft. Die steilen bewaldeten Thalwände zusammen mit dem
kühnen Bau bilden ein anziehendes Landschaftsbild; von hier ab-
wärts beginnt das sogenannte Steinigt, welches die Elster in
felsigem Bett zwischen senkrechten Grünsteinwänden durchbraust,
bis sich die Thalenge zu einem freundlichen Kessel, der tiefsten
und wärmsten stelle des Vogtlandes, erweitert, in welchem
Elsterbcrg (3587 Einw.) liegt. 1840 fast ganz abgebrannt,
besitzt es eine schöne Kirche in romanischem Stile und seit 1853
ein Rettungshaus für verwahrloste Kinder. Mitten im Thal
erhebt sich, von der Elster umflossen, eine der größten Burg-
220 Kreishauptmannschaft Zwickau.
ruhten Sachsens mit Gräben und doppelten Ringmauern, der
Ueberrest des Schlosses der Herren von Lobdabnrg, welches ver-
mnthlich 1354 in dem sogenannten vogtländischen Kriege von
Markgraf Friedrich von Meißen zerstört worden ist. — Unter
den Städten der rechten Seite des Elstergebiets liegt zu oberst
Schöneck (3139 Einw.), die höchste Stadt des Vogtlandes
(Kirche 702 m), im I. 1856 sammt der Kirche total abgebrannt.
Sonst hieß es ein Freistädtchen, weil es von Kaiser Karl IV.
im Jahre 1370 verschiedene Vorrechte und Befreiungen, insbe-
sondere die von Abgaben, erhalten hatte, wofür es aber dem Landes-
Herrn, wenn er dort einsprach, einen hölzernen Becher mit 5 Pfund
Schwäbischen Hellern, an Werth etwa 12 Thlr., zu überreichen
verbunden war. Doch durfte, seit 1764, die Hänserzahl nie
141 übersteigen und kein Haus weder nach innen noch nach
außen sich vergrößern, weshalb man oft so baute, daß eiu Ofen
zwei Stuben heizte, die dann nur für eine Stube gerechnet wurden.
Die Recrntirnngsbefreinng, die unentgeltliche Abgabe von Holz
aus den Staatswaldungen und alle übrigen veralteten Privilegien
und Beschränkungen sind seit Einführung der Verfassung allmäh-
lich aufgehoben oder abgelöst worden.
Treuen (5409 Einw., 550 H.) an der Trieb treibt Spinnerei,
Weberei und Bleicherei; seit 1856 hat es eine mechanische Streich-
garnweberei.
An der Göltzsch liegen die Städte Falkenstein, Auer-
bach, Lengenfeld und Mylau.
Falkenstein (5146 Einw., 386 H.) [BaHnH. 550 m h.]r 1859
ebenfalls ganz abgebrannt, war die Wiege der Kammertnchweberei,
welche hier 1793 der niederländischen nachgeahmt wurde, aber
gegenwärtig ganz eingegangen ist. Dafür ist Falkenstein nebst
dem benachbarten Ellefeld der Hauptsitz der Fabrikation von
brochirten Gardinen geworden, die sich über einen großen Theil
des Vogtlands, über Schöneck und Oelsnitz bis jenseits der
bairischen Grenze verbreitet. In einer Holzimprägnieranstalt
werden die Schwellen für die Staatseisenbahn, um ihnen größere
Dauerhaftigkeit zu verleihen, mit einer Zink- und Knpferlösnng
getränkt. Die ueue Kirche ist 1869 vollendet worden.
Auerbach (5277 Einw., 404 H., Gerichtsamt 566 m h.) hatte
eine der schönsten Kirchen Sachsens, welche aber 1834 mit einem
großen Theile des Städtchens niederbrannte und besitzt ein Seminar.
An der Stelle der früher hier herrschenden Weberei ist mehr und
mehr Buntstickerei in Tüchern und Nähterei getreten, welche letztere
hier und in Rodewisch meist Herrenchemisettes liefert. — Um
Auerbach ist das Hauptquartier unseres Pech - und Ruß Handels,
für welchen das Material die Pechsiederei in den nahen, vom
Erzgebirge bis über Schöneck reichenden Waldungen liefert, die
Kurfürst August 1579 der v. Planitz'schen Familie für 20.000 Gul^
deu abkaufte. Und doch — sagte man damals scherzweise —
Schöneck; Treuen; Falkenstein; Auerbach. 221
würden, wenn August für diese Summen Steckuadeln gekauft
und an jedem Baume eine befestigt hätte, noch unzählige Bäume
leer geblieben sein.
Die Pechsiederei wurde früher, gleich dem Bergbau, von
Gewerkschaften betrieben, deren Antheile Pechkuxe hießen; jetzt
geschieht es nur noch von den Waldbesitzern selbst, und, weil
man mehr auf Schonung der Bäume bedacht ist, in geriugerem
Umfange als früher, doch liefert sie jährlich immer noch ungefähr
3000 Ctr. Das Pech aus den sächsischen Staatswaldungen über-
trifft an Güte jedes audere. Pech gewinnt man aus Harz. Im
Frühjahr geht nämlich der Pechsteiger (Aufseher) in den für
dieses Jahr bestimmten Walddistrict und bezeichnet die Bäume,
welche „gerissen" werden sollen. Dies geschieht durch ein zwei
Finger breites Eisen, mit welchem man die Rinde so abnimmt,
daß zwischen jedem Risse noch eine Handbreit Rinde bleibt, damit
der Baum nicht absterbe. Gegenwärtig dürfen nur noch solche
Bäume gerissen werden, die in den nächsten 10 Jahren zum Ab-
trieb kommen. Im Herbst wird das aus den Rissen hervorge-
quollene Harz abgekratzt und in die Pechhütten gebracht, wo man
es in Kupserkesfeln siedet und dann in ein Sieb schüttet, durch
welches der Pech, wie der Vogtlander sagt, in Kisten abläuft;
so in Stücke von gleicher Größe und gleichem Gewicht gegossen
wird es meistbietend verkauft. Die in dem Sieb zurückbleibenden
Griefen und Rindenstückchen, Moos u. dergl., werden in trichter-
förmige steinerne Pechöfen gebracht und darin angezündet; der
rückständige Pechgehalt stießt dann durch ein am Boden des
Trichters befindliches Loch ab und gibt das sogenannte Kuchen-
pech. Die meisten Pechsieder wohnen in den Dörfern Beerheide
und Bruun. Alle Abgänge nebst dem unreinen Harze, Aufheberle
genannt, kommen in die Nußhütten; hier werden sie in einem
offenen Ofen angezündet, so daß der rußige Rauch der laugsam
verbrennenden Stoffe in die mit einem Leinwandtuche überspannte
Rußkammer zieht, wo sich der Ruß ansetzt, der dann allabend-
lich zusammengeklopft und entweder in kleine Behältnisse (Butten)
oder in Fässer geschlagen wird. In dieser Gestalt kommt er in
den Handel, um als Farbe in nnsern Kupfer-, Buch- und Stein-
druckereieu verbraucht zu werden. Seitdem er jedoch mehr und
mehr tmrch billigere Färbemittel verdrängt worden ist, wirft das
Geschäft der Rußbrenner und der Rußbuttenmänner, welche mit
ihrer Waare Hausirend das Land durchziehen, kaum geuug ab,
um damit das nackte Leben zu fristen, daher sich auch ihre Zahl
sehr vermindert hat und die Fabrikation des ächten Kienrußes
nur noch in Eich bei Lengenfeld und inGospersgrün bei Treuen
betrieben wird. Die 8 übrigen Rußhütten benutzen nicht Auf-
Hub sondern böhmische Braunkohle, deren Ruß minder gut ist.
Unterhalb Auerbach liegt der Flecken Rodewisch, einer der
gewerbthätigsten Orte des Vogtlandes, mit 3606 Einwohnern.
222 Kreishauptmannschaft Zwickau.
Hier befindet sich unser ältestes Messingwerk, zu Ansang des
17. Jahrhunderts gegründet, welches jährlich gegen 1000 (Str.
Tafelmessing und gegen 1500 Ctr. Draht von Zollstärke bis
Haarstärke liefert, 50 Arbeiter beschäftigt und einer Gewerkschaft
gehört. Messing wird aus Kupfer und Zink gefertigt. Die in
Häfen oder thönerueu Tiegeln geschmolzene Masse gießt man zu
V4 bis l/2 Ctr. schweren Platten, welche dann in Walzhütten
zu Blech, in Drahthütten zu Draht verarbeitet werden. Stück-
messing, das ohne besondere Form gegossen wird, liefert die Fabrik
nur wenig.
Lengenfeld (4933 Einw.), in den Jahren 1856, 1859 und
1865 allmählich fast ganz abgebrannt, treibt Tuchmachern; die
Weberei dichter Baumwollenstoffe ist im Zurückgehen begriffen.
Mylau (4486 Einw.) hat ein Schloß, das ehemals Jagd-
schloß Kaiser Karls IV. war, jetzt als Fabrikgebäude dieut. —
Nahe dabei liegt Netzschkau (3369 Einw.), welches 2 mechanische
Webereien hat und meist Futtermusseline webt. — Hier spannt
sich über das Göltzschthal eins der großartigsten Bauwerke der
Neuzeit, die Eisenbahnbrücke, die 90m lang und 663m hoch ist,
und deren Bau (in den Jahren 1846—51) 20 Mill. Ziegel er-
forderte.
Rechts von der Göltzsch liegt Reichenbach (14.620 Einw.,
1186 H., 372m h.), der Hauptsitz der vogtländischeu Wollspinnerei
und -Weberei; es fertigt besonders auch wollne Tücher, die im
Dutzend gewebt, dann zerschnitten und mit Fransen versehen wer-
den, treibt auch Wollkämmerei und hat eine Kunstwollsabrik,
welche wollene Lumpen und Abfälle wieder verarbeitet. In Rei-
chenbach befindet sich eine Realschule zweiter Klasse und der Cen-
tralbahnhof für die Bahn nach Eger. — Unweit Neumark
mündet die Greizer Bahn ein.
Links von der Elster liegen die beiden Städtchen Mühltruff
(2071 Einw.) und Pausa (3615 Einw.). Beide liefern Strumpf-
waareu für zeulenrodaer uud chemuitzer Fabriken, sowie Webstoffe
für Glauchau und Meeraue. Mühltruff gerbt auch viel Roßleder
uud hat ein Bezirksarmenhaus. Mühltruff brannte 1817 größten-
theils, Pausa 1822, 1848 und 1861 fast ganz ab. Bei dem
Mühltrusser Brande von 1817 kam der frühere Besitzer des Ritter-
gutes, Graf Kospoth, im Feuer um, weil er dem Aberglauben,
das Feuer besprechen zu können, vertrauend, im fünften Stock-
werke des Schlosses so lange aller Warnung trotzte, bis ihn end-
lich die Flammen ergriffen.
Bei Reuth an der renßischen Grenze erreicht die Sächsisch-
Bairische Eisenbahn ihren höchsten Punkt (552m über der Ostsee).
— Der bairischen Grenze zunächst liegen die sogenannten Streit-
psarren, welche früher unter markgräflich bairenthischem, dann
unter bairischem Patronate standen, bis dasselbe im I. 1815 die
sächsische Regierung übernahm. Eine derselben, die zu Mißln-
Lengenfeld; Mylau; Netzschkau; Reichenbach; Mühltrufs; Pausa. 223
reuth, lag von 1670—1752 in Trümmern, weil die reußischen
Cingepsarrten behaupteten, daß der Patron sie bauen müsse, dieser
aber sich nicht dazu verstand. Während der ganzen Zeit mußte
der Pfarrer in einer elenden Hütte wohnen; schließlich wurde das
Geld zum Psarrbau durch eine Collect? in ganz Deutschland und
selbst bis nach Kopenhagen zusammengebettelt. Auf dem Gottes-
acker liegt der „gelehrte Bauer", Nie. Schmidt, aus dem reu-
ßischen Dorfe Rothenacker, begraben (gest. 1671), der, ohne je
eine Schule gesehen zu haben, sich eine Fülle von Kenntnissen,
namentlich in den alten Sprachen, erwarb. Seine Gemeinde hat
ihm im Jahre 1863 ein neues Denkmal errichtet.
"Das Sächsische Königshaus in seinen jetzt leöenden Gliedern.
König: Albert, geboren den 23. April 1828, folgte den
29. Oct. 1873 seinem Vater, dem König Johann, vermählt
den 18. Juni 1853 mit Karoline, Tochter des Prinzen Gustav
von Wasa, geboren den 5. Uugust 1833.
Bruder des Königs:
Friedrich August Georg, geboren den 8. August 1832, ver-
mählt den 11. Mai 1859 mit Maria Anna, Tochter des Königs
Ferdinand von Portugal, geboren den 21. Juli 1843.
Kinder:
1) Mathilde, geboren den 19. März 1863.
2) Friedrich August, geboren den 25. Mai 1865.
3) Maria, geboren den 31. Mai 1867.
4) Johann Georg, geboren den 10. Juli 1869.
5) Max, geboren den 17. November 1870.
6) Albert, geboren den 25. Februar 1875.
Des am 29. October 1873 verstorbenen Königs Johann
hinterlassene Wittwe und Königin Mutter:
Amalie, Tochter des Königs Maximilian Joseph von
Baiern, geboren den 13. November 1801, vermählt den 21. No-
vember 1822.
Des am 9. August 1854 verstorbenen Königs Friedrich
August hinterlassene Königin-Wittwe.
Maria, Tochter Königs Maximilian Joseph von Baiern,
geboren den 27. Januar '1805, vermählt den 24. April 1833.
Die Städte des Königreichs Sachsen
nach ihrer Einwohnerzahl, einschließlich des Militärs.
Am 1. December
Am 1. December
1875: 1834: 1875: 1834:
Einw. Einw. Einw. Ernw.
1. "Dresden . 197295 (1) 66133 26. "Oschatz . . . 7243 (19) 5362
2. "Leipzig. . 127387 (2) 44802 27. Waldheim. . 7151 (43) 3385
3. "Chemnitz . 78209 (3) 21137 28. Leisnig . . . . 7671 (22) 4795
4. "Zwickau . 31491 (10) 6701 29. "Roßwein. . . 6968 (27) 4202
5. "Plauen. . 28756 (4) 9029 30. "Kamenz . . . 6784 (32) 3844
6. "Freiberg . 28756 (5) 11054 31. Eibenstock. . . 6553 (25) 4576
7. Glauchau . 21743 (12) 6296 32. Stollberg . . . 6326 (46) 3148
8. Memme. . 21277 (28) 4172 33. Lübau. . . . (55) 2530
9. "Zittau . . 20417 (6) 8508 34. "Borna . . . . 6081 (38) 3684
10. Crimmitschau 17649 (37) 3767 35. "Marienberg . 5956 (39) 3684
11. "Bautzen. . 14709 (V 8387 36. Penig.... . 5950 (40) 3627
12. Reichenbach 14620 (20) 5165 37. Sebnitz . . . . 5908 (50) 2935
13. "Meißen. . 13002 (8) 7738 38. "Radeberg . . 5894 (75) 2007
14. Annaberg . 11725 (11) 6697 39. Oederan . . . 5836 (29) 4155
15. Werdau . . 11689 (21) 4994 40. Kirchberg . . . 5765 (31) 3855
16. Döbeln . . 10969 (14) 5677 41. "Rochlitz . . . 5761 (34) 3828
17. "Großenhain 10686 (13) 5755 42. Hohenstein . . 5740 (26) 4325
18. "Pirna . . 10581 (16) 5556 43. Lößnitz . . . . 5725 (30) 4108
19. Frankenberg 10462 (18) 5549 44. Riesa . . . . 5707 [Mrftflcf.]
20. Mittiveida. 9093 (15) 5606 45. Oelsnitz. . . . 5685 (35) 3814
21. Hainichen . 8468 (24) 4623 46. Buchholz . . . 5655 (56) 2478
22. Würzen . . 8165 (36) 3800 47. Treuen . . . . 5409 (33) 3837
23. "Schneeberg 8074 (9) 6912 48. Auerbach . . . 5277 (47) 2985
24. Zschopau . 8045 (17) 5552 49. Falkenstein . . 5146 (52) 2849
25. "Grimma . 7273 (23) 4667 50. Lengenfeld. . . 4933 (41) 3482
* bezeichnet die Garntsonstädte,
Engelhardts Vaterlandskunde. 11. Aufl.
15
226 Rangliste der Städte des Königreichs Sachsen.
Am 1. December Am 1. December
1875: 1834: 1875: 1834:
Einw, Einw, Einw. Einw.
51. Lichtenstein . . 4862 (49) 2960 93. *Radebnrg. . 2658 (76) 1967
52. Burgstädt. . . 4788 (53) 2668 94. Brand. . . . 2634 (71) 2087
53. Markneukirchen 4621 (64) 2330 95. Hartenstein 2609 (94) 1708
54. Mylau . . . . 4486 (62) 2393 96. Wilsdruff . . 2569 (86) 1831
55. *Pegau . . . . 4449 (44) 3360 97. Schirgiswalde 2569 — —
56. Geyer.... 4397 (48) 2968 98. Tharand. . 2554 (106) 1473
57. Johanngeorgen- 99. Mügeln . . 2499 (79) 1937
stadt . . . 4209 (42) 3433 100. Markranstädt 2457 (127) 952
58. Ernstthal . . 4118 (54) 2603 101. Schlettau . 2372 (101) 1528
59. Eolditz. . . . 4105 (45) 3248 102. Scheibenberg 2270 (97) 1656
60. Groitzsch . . 4093 (98) 1611 103. Jöhstadt. . 2255 (85) 1848
61. Bifchofswerda 4022 (59) 2434 104. Wolkenstein 2242 (88) 1800
62. Königstein . 3750 (96) 1673 105. Elterlein. . 2239 (83) 1889
63. *Geithain. . 3706 (51) 2913 106. Strehla . . 2083 (78) 1941
64. Pausa . . . 3615 (68) 2191 107. Mühltrusf. 2071 (103) 1509
65. Elsterberg. . 3587 (65) 2320 108. Altenberg . 2049 (81) 1913
66. *Lansigk . . 3531 (72) 2062 109. Rötha . . . 2029 (120) 1065
67. Lengefeld . . 3484 (131) 787 110. Dohna. . . . 2020 (117) 1144
68. Ehrenfrieders- III. Siebenlehn . 2018 (107) 1422
dorf. . . . . 3410 (70) 2110 112. Zöblitz. . . 2017 (III) 1330
69. Netzschkau. . 3369 (100) 1594 113. Oberwiesenthal 1987 (90) 1796
70. Neustädte! . . 3335 (61) 2409 114. Brandis. . . 1971 (114) 1176
71. Adorf. . . . . 3301 (63) 2348 115. Königsbrück. 1926 (104) 1501
72. Schwarzenberg 3299 (74) 2103 116. Schellenberg. 1865 (112) 1297
73. Neustadt b. St. 3252 (77) 1950 117. Rabenau. . . 1784 (135) 648
74. Lunzenau . . 3233 (80) 1923 118. Grünhain. . 1769 (110) 1389
75. Dippoldiswalde 3172 (66) 2273 119. Glashütte . . 1712 (125) 989
76. Schöneck . . . 3139 (95) 1680 120. Wehlen . . . 1655 (132) 865
77. Wildenfels . . 3133 (115) 1167 121. Mutzschen . . 1644 (102) 1522
78. Schandau . . 3111 (109) 1403 122. Sayda. . . . 1615 (116) 1154
79. Zwenkau . . . 3094 (60) 2419 123. Ostritz 1556 (105) 1478
8V. Lommatzsch . . 3081 (58) 2459 124. Bernstadt . . 1555 (99) 1608
81. Hartha . . . . 3049 (87) 1800 125. Berggießhübel 1481 (136) 647
82. Nossen . . . . 3034 (91) 1778 126. Hohenstein. . 1429 (130) 917
83. Waldenburg . 2959 (69) 2167 127. Frauenstein . 1418 (123) 1025
84. Thum . . . . 2942 (82) 1890 128. Stolpen . . . 1397 (113) 1220
85. Geringswalde. 2921 (67) 2252 129. Naunhof. . . 1371 (126) 983
86. Pulsnitz . . . 2852 (92) 1773 130. Elstra . . . . 1291 (121) 1046
87. Frohburg . . . 2811 (57) 2468 131. Geistng . . . 1288 (119) 1104
88. Callnberg. . . 2804 (84) 1849 132. Trebsen . . . 1160 (128) 950
89. Dahlen . . . . 2714 (73) 2040 133. Weißenberg . 1141 (124) 990
90. Taucha . . . . 2698 (93) 1769 134. Neusalza. . . 1125 (129) 927
91. Zwönitz . . . 2687 (89) 1797 135. Gottleuba . . 1079 (134) 673
92. Aue...... 2677 (118) 1106 136. Kohren . . . 1077 (122) 1033
Rangliste der Städte des Kgr. Sachsen. - Größte Dörfer u. Flecken. 227
Am 1. December
1875: 1834:
Einw. Einw.
137. Nerchau ... 929 (137) 639
138. Unterwiesenthal 886 (108) 1413
139. Liebstadt... 858 (133) 734
140. Negis . . .
141. Lauenstein.
142. Bärenstein.
Am 1. December
1875: 1834:
Einw. Einw.
761 (139) 562
755 (138) 586
565 (140) 449
Die Dörfer und Flecken Sachsens
mit mehr als 3000 Einwohnern
am 1. December 1875.
1. Reudnitz ...... , 11645 Einw.
2. Lindenau...... , 9823 -
3. Volkmarsdorf . . . 8384 -
4. Schönefeld . . . . . 7220 -
5. Schloßchemnitz. . . . 7126 -
6. Gohlis....... 7013 -
7. Limbach. ...... 6879 -
8. Gablenz b/Ch. . . . 6800 -
9. Seifhennersdorf . . 6366 -
10. Löbtau ....... 6248 -
11. Connewitz . . . . . 5653 -
12. Neuschönefeld. . . . 5292 -
13. Niederplanitz . . . . 5288 -
14. Gelenau ...... 5284 -
15. Deuben....... 5259 -
16. Schedewitz . . . . . 5201
17. Schönheide. . . . . 5072 -
18. Reichenau . . . . . 5072 -
19. Oberlungwitz. . . . 4959 -
20. Striesen ...... 4894 -
21. Großröhrsdorf. . . 4794 -
22. Mülfen St. Jacob . 4706 -
23. Pieschen...... 4701 -
24, Stötteritz...... 4699 -
25. Alteibau...... 4482 -
26. Oberplanitz. . . . . 4258 -
27. Wilkau.......4102 Einw.
28. Olbernhau ..... 4007 -
29. Ebersbach ...... 3974 -
30. Plagwitz...... . 3896 -
31. Neugersdors ..... 3788 -
32. Oberoderwitz.....3711 -
33. Eutritzsch ...... 3679 -
34. Rodewisch...... 3606 -
35. Niederhaßlau .... 3598 -
36. Wittgendors ..... 3518 -
37. Crottendorf ..... 3470 -
38. Lugau........ 3462 -
39. Potschappel ..... 3453 -
40. Thalheim ...... 3427 -
41. Loschwitz....... 3387 -
42. Cotta........ 3386 -
43. Neukirchen...... 3345 -
44. Hartmannsdorf . . . 3333 -
45. Burkhardsdorf.... 3303 -
46. Reinsdorf b. Wildenfels 3290 -
47. Olbersdorf...... 3256 -
48. Grüna. ....... 3241 -
49. Kunewalde. ..... 3171 -
50. Mülfeu St. Niclas. 3059 -
51. Thonberg ...... 3058 -
52. Obercunnersdorf. . . 3047 -
15»
Orts- und Namens-Rcgister.
Äbrahamsschacht, d. 118.
Actienwesen 34.
Adamsstolln, d. 133.
Adelung 98.
Adolf v. Nassau 108.
Adorf 29. 213. 214.
Advocatenkammern 42.
Agnes, Mkgfin. 96; Ksrin 145.
Agricola, G. 196. 202. 205.
Albert, König von Sachsen 25.
Albertverein 36.
Albrecht d. Beherzte 18. 73. 91. 96.
107 f. 140. 154. 186 f. 204. 240.
— d. Stolze 128. 142.
—, Mkgrf. v. Brandenburg 139.
—, Erzb. v. Magdburg. 147.
Attenberg 14. 24. 29. 85. 89. 124;
Ger.-Amt 88. 96; -er Wasser 86.
Altensalz 219.
Altgeising 86.
Altgersdors 7. 60.
Altmügeln 145.
Altschönfels 209.
Altstadt-Waldenburg 203.
Altväterwasserleitung 128.
Altzelle, Kl. 116 f.
Amerika 138.
Amselgrund, d. 74.
Amtshauptmannschasten 44.
Angermann, Cl. 165. 180.
Anglikaner 45.
Anna, Kurfürstin 22. 24. 91 95 f.
125.
— Sophie v Dänemark 125.
Annaberg 28. 34. 122. 165. 168.
171. 177; Amtsh. 19. 161. 164.
Anton, König 38.
Apel, Th. 161.
—, Rathsherr 157.
Apian, P. 134.
Apitzsch, A. S. 136.
Appellationsgerichte 41 f.
Arkwright, R. 191.
Arno, Bischof 197.
Arnold, Bauer 147.
Aue 28. 184.
Auerbach 87. 161. 173. 220; -er
Wald 10. 210.
Auerhammer 165. 184. 186.
Auersberg, d. 2. 181.
August I. Kurfürst 11. 21.24 s. 27.
30. 73. 80. 90 f. 95. 101. 105. 120.
125. f. 140 199. 204. 212 f. 220.
— II. d. Starke, K. v. Polen, 35.
76. 79. 84. 94. 96 ff. 99 f. 104.
106. 112 ff. 134. 144. 157. 213.
- III. K. v. Polen 35. 101. 112.
136.
Augustusbad 9. 112.
Augustusberg, d. 5. 70. 78.
Augustusburg 140. 142. 199-
Bach, Seb. 149. 154.
Baderitz 13.
Balduin, Amtm. 113.
Bandfabrikation 69.
Baner, Gen. 127. 143.
Banken 34.
Barbara, Herzogin 108.
Baruth 64.
Bastei, d. 73.
Baumwollenindustrie 190. 202. 217.
Bautzen 14. 16. 20. 23. 27. 29. 34.
39. 41. 43 f. 45 f. 48 ff. 51 ff. 64.
65; Schlacht bei 65; Kreishanptm.
47 f.; Amtsh. 47.
Bahr, Baumeister 96.
Bäreuburg 14.
Bärenstein, St. 85.86; Flecken 177.
v. Bärenstein, Weinh. 86.
Bärenstein, d. 3. 81. 177.
Bärensteine, d. 81.
Beatrix, Lndgfin. III.
Beerheide 221.
Beerwalde 90.
Orts- und
v. Beerwalde, D. 136.
Beierfeld 182. 184.
Beiersdorf 65.
Bendemann 97.
Benno, Bischof v. Meißen 66 f. 104.
114 f. 134.
Bennohöhle, d. 74.
Bergbau 24. 116 ff. 164 171. 186.
211.
Bergen 219.
Berggießhübel 9. 24. 28. 51. 84. 87.
Bernsbach 184. 187.
Bernstadt 63.
v. Benrath, Herren 63.
Berthelsdorf b. Herrnhut 60 f. 63.
— b. Freiberg 127.
Bertsdorf 9.
Beuthigberg, d. 3.
Bezirksgerichte 41.
Bibelgesellschaft 36.
Biela, Fl. 6; Grund 74. 81.
Bieleboh, d. 4.
Bienenzucht 23.
Bienewitz, P. 134.
Bierbrauerei 29.
Bischofswerda 4. 27. 29. 49. 51 f. 70.
Blasewitz 95. 102.
Blaufarbenwerke 185.
Blech- u. Blechwaarenfabrikation 183.
Blochmann, R. 25.
Blnmberg 53.
Blücher 65. 160.
Blümner, Oberhofgerichtsrath 154.
Bobritzsch, d. Fl. 6. 116. 128.
Bockan 181.
Bockwa 206 f. 208.
Bodemer 198.
Boleslaw v. Polen 67.
v. Bora, Kath. 115. 142.
Boritz III.
Borna 10. 20 f. 1-16; Amtsh. 132.
Borsdorf 21.
Borstendorf 131.
Bösel, d. 106.
Böhme, Künstlerfam. 186.
Böhrigen 134.
Böhnisch, Dr. 69.
Börner, C. 151 f.
Börnichen 200.
Böttger, I. F. 80. 92. 108.
Brambach 193.
Brand 127.
—, d. 73.
Brandau 14.
Brandis 147.
Branntweinbrennerei 29.
Braunkohlen 14. 25. 56.
Bräunsdorf 44. 128. 135.
Breitenbrunn 182. 184.
^-Register. 229
Breitendorf 64.
Breitenfeld 159.
Breitenhof 182.
Brettnig 69.
Brießnitz 93. 104.
Brunn 221.
Bruno II., Bischof 71.
v. Brühl, Graf H. 103. 112.
Buch, Kl. 134.
v. Buch, L. 126.
Buchholz 172.
Budget 43.
Burgk 92.
Burgstall, d. 134.
Burgstädt 28. 138. 165. 193.
Buschbad, d. 110.
Butterstraße, d. 129.
v. Bünan, Graf H. 103. 144.
Cainsdorf 29. 33. 208.
Callnberg 36. 165. 203.
Carlsfeld 29. 162. 179.
Chausseen 31.
Chemnitz, St. 13. 15. 20. 26 f. 28 f.
31. 34. 36. 39. 165. 190; Amtsh.
19. 161.
—, d., Fl. 6. 132. 138.
Chiaveri, Baumeister 96.
Christian I., Kurfürst 20. 105. 125.
176.
— II., Kurfürst 120. 162.
Christiansdorf 117.
Civilliste 39.
Colditz 44. 132. 135. 137. 14V.
Collmberg, d. 4. 132. 145.
Colmnitz 168.
Connewitz 16. 159.
Copitz 82.
Coschütz 91 f.
Cosel, Gräfin 79.
Cosmannsdorf 91.
Cossebaude 104.
Coswig 106 f.
Cotta 82.
—, Heinrich 91.
Cottaer Spitzberg 73; Brüche 82.
Cranach, L. 108. 146. 185. 199.
Crell, Nie. 80.
Crimmitschau 10. 27. 194. 298.
Crossen 202.
Crostau 49.
Crottendorf 13. 176; -er Wald 10.
Cunnersdorf 63.
Czorneboh, d. 4. 65.
Dahlen 21. 144.
Daleminzier 107.
Damastweberei 59.
230 Orts- und
v. Daun, Feldm. 64. 88.
David, Chr. 63.
Davout, Marschall 94. 107.
Dedo der Feiste 139.
Dehnitz 49.
Deuben 92.
Deutscheinsiedel 131 f.
Deutschenbora 115.
Deutschkatharinenberg 131 f.
Deutsches Reich 37.
Deutschkatholiken 44. 46.
Deutschneudorf 131.
Diebskeller, d. 74. 81.
Diesbar III.
Dietrich d. Bedrängte 142. 149.
— v. Landsberg III. 147.
—, Maler 68.
Diezmann, Mkgs. 113. 149.
Dinter, G. F. 141. 146.
Dippoldiswalde 87. 89. 99. 116;
Ger.-Amt 88; Amtsh. 71
Dittersbach 79.
Dittersdorf 188.
Dodenau 219.
Dohna 29. 85 f. 87. 89.
v. Dohna, Burggrafen 80, 87. 116.
133.
Doles, Komponist 154.
Dorfchemnitz 187.
Dornhennersdorf 1.
Döbeln 20. 27. 87. 133; Amtsh. 19.
132.
Döben 142.
Döhlen 92 f.
Dölitz 160.
Döllnitz, d. Fl. 6. 132. 145.
Dörfel, Diac. 219
Dörfer 14.
Dörnthal 119.
Dörschnitz 114.
Draube, Brgrmstr. 139.
Brebach 173. 189.
Dreihügelsberg, d. 134.
Dresden 5. 9. 11. 15. 18. 20 f. 22 f.
25. 28 f. 30 f. 34 f. 36 f. 39. 41.
43 f. 45 f. 72. 82. 85. 87 f. 89.
94; Kreishptm. 50. 71 ff; Amtsh.
71; -er Haide 104.
v. Duba, Birken 77.
Duselskirche 187.
Ebenheit 76.
Ebersbach 28. 58.
Ebersdorf 198.
Eck, I. Dr. 150.
Eckersbach 208.
Ehrenberg 136.
Ehrenfriedersdorf 171. 188.
!-Register.
Eiban 49. 58.
Eibenstock 3. 162. 180.
Eich 221.
Eigenscher Kreis 63.
Einenkel, G. 173.
v. Einsiedel, Herren 114 f. 137 f. 146.
Einsiedler, d. 90.
Eisenbahnen 32.
Eisenberg 113.
—, d. 2.
Eisenindustrie 28. 182.
Eisenstuck, Brgrmstr. 174.
Elbe, d., Fl. 5. 7. 11 f. 81.
Elbgebiet. 5. 71.
Elbsandsteingebirge 3.
Elbschiffahrt 33. '
Elbstolln, d. 93
Elbthal, d. 2. 6. 9. 21.
Elend, d. 189.
Elisabeth, Kurfstin. 149.
Ellefeld 220.
Elster, Bad 9. 214.
Elster, Schwarze, Fl. 7 f. 47.
—, Weiße 6 ff. 10. 132. 150. 162.
210.
Elsterberg 3. 219.
Elstergebirge 3.
Elstra 68.
Elterlein 187.
Eppendorf 131.
Erbisdorf 127.
Erla 182.
Erlbach 213.
Ernefti, I. A. 153.
Ernst, Kurf. 18. 107 f. 140. 154. 204.
Ernstthal 165. 203.
Erzgebirge 2. 7 ff. 14 f. 23. 29. 164.
Erzgebirg. Steinkohlenbassin 13.
Esche, Dav. 197.
Eulenkluft, d. 139.
Evan Evans 188.
Fabricius, G. 109. 197.
Falkenan 28. 200.
Falkenberg, d. 71.
Falkenstein 162. 220.
Fastönberg, d. 178.
Ferdinand I., Ksr. 52. 67; III. 178.
Fichte. I. G. 70.
Fichtelberg, d. 2. 6. 178.
Fiedelhans 148.
Fiedler, A. G. 200.
Filzteich, d. 162. 186.
Fink v. Finkenstein, Gen. 88.
Fischer, I. F. 153.
Fischsang 12.
Flachsbau u. -Industrie 163. 165.
Flemming, P. 204.
Orts- und Namens-Register.
231
Floßgraben 8.
Flöha 13. 199; Amtsh. 161.
d., Fl. 6 ff, 119. 142. 162.
Flößen 8. 74.
Forstwesen 73. 91. 162.
Frankenberg 20. 28. 165. '200.
Frauenstein 2. 129. 164.
Freiberq 1. 3. 15. 24 f. 34. 36. 92.
117. 122. 124. 164; Amtsh, 71.
Friedensburg, d. 106.
Friedensrichter 41.
Friedewald, d 112.
Friedrich d. Freid. 108. 113.
— d. Strenge 116.
— d. Streitb. 18. 108. 136. 151.
— d. Sanftm. 91. 108. 137. 139 f.
145. 188. 198.
— Tutta III.
— d. Weise 141. 146.
— d. Große 64 f. 76. 116. 144. 159.
Friedrich August I., König. 18. 44.
70. 78. 97. 101. 103 f. 105. 116.
152. 154. 160. 187.
--II., König 38. 95. 97. 101.
104. 140. 149.
— Wilhelm II., Kg. v. Preußen 104.
--III., Kg. v. Preußen 148.
Friedrich-Bennostolln, d. 119.
Friedrichsgrund, d. 104.
Frohburg 14. 30. 145.
Frohnau 171.
Fürstenau 86.
Fürstenberg, d. 187.
Fürstenbrunnen, d. 187.
Fürstenwalde 87.
Oalgenteich, d. 89.
Garsebach 110.
Gartenbau 21.
Gas 25.
Gautzsch 160.
Geiersdorf 173.
Geising, St. 85.
-, d. 2.
Geithain 13. 132. 146
Geitner, Dr. 184
Geldwesen 34.
Gelenau 9. 166. 173. 189.
Geliert, Ch. F. 84. 106. 108. 134.
146. 149. 152. 158.
Georg d. Bärtige 97, 108. 120. 135.
139. 145 f. 171.
—, Prinz 37. 87. 104.
Georgenseld 85.
Georgenthal 28.
Gerichtsämter 41.
Geringswalde 13. 137
Germanen 16.
Gero, Markgraf 67.
Gersdorf i. Laus. 58.
— b. Roßwein 133.
— b. Lichtenstein 200.
Gertrud v. Oesterr. III.
Gerung, Bisch. 145.
Geßner, I. M. 153.
Gewerbe 30.
Geyer 166. 188.
Gimlitz, d. 6.
Gittersee 92.
Glashütte 29. 86.
Glauchau 3. 13. 26 f. 28. 45. 165.
194 201. 202.
Glößberg, d. 186.
Gnandstein 146.
Goethe 152.
Gohlis 158.
Gohrisch, d. 81.
Goldbach 71.
Goldkuppe, d. III.
Golzermühle, d. 142.
Gorbitz 102.
Gorisch 9.
Gospersgrün 221.
Gottesberg 212.
Gozne, Burg 200.
Gottleuba, St. 58. 84.
d., Fl. 6. 74. 84.
Gottsched, I. Ch. 152,
Gouvion St. Chr., Marschall 84.
v. d. Gowische, H. 117.
Göda 67.
Göhren 138.
Göltzsch, d., Fl. 6. 210. 222.
Gvrsdors-Bl. Flöße 8.
Götterfelsen, d. 110.
Götzenthal 203.
Götzinger, Pf. 71.
Grabentour, d. 128.
Greenfield 203.
Greifenstein, d. 3. 189.
Griechische Katholiken 46. 149.
Grimma 4. 14. 35.137.140; Amtsh.
19 f. 132.
Groitzsch 147.
Groitzschberg, d. 16.
Großdölzig 1.
Große, Tb. 154.
Großenhain 22. 27. 71. 115.
Großhartmannsdorf 119. 129.
Großhennersdorf 60.
Großpöhla 181 f.
Großröhrsdorf 69 f.
Großschönau 28. 49. 58. 59 f.
Großschweidnitz 64.
Großsedlitz 84.
Großzschocher 156.
Gröba 6.
232 Orts- und S
Grödeler Kanal 8.
Gröditz 114.
Grumbach 14. 177. 182.
Grüllenburg 91.
Grüna 200.
v. Grünau 80.
Grünhain 13. 184. 186.
Grünhainichen 131. 169.
Grünthal 9. 169.
Gustav Adolf v. Schweden 159.
Gustav-Adolf-Verein 36. 153
v. Gutschmid 95.
Güldengossa 160.
Hahnemann, S. 109.
Haide 187.
Hain 57.
Hainewalde 58.
Hainichen 2. 10. 13 f. 27 f. 134. 198.
Hainitz 67.
Hainsberg 91 f.
Halsbrücke 127.
Hammerdörfer, P. 88. 178.
Hammerschmidt, Organist 56.
Hammerwiesenthal 177.
Handel 31. ^
Handelsgerichte 42.
Handels- n. Gewerbekammern 30.
Handwerke 29.
Harras, Ritter 198. 200.
Hartenstein 201. 204.
Hartha 137.
Harthau 56. 197.
Hartmann, R. 194.
Haustein, d. 199.
Hauptmann, Komponist 154.
Hänichen 92.
Hänischmühe 58.
Härtel Dr. R. 151.
Häßlich 69.
Hedwig, Mkgrsin. 142.
Heerwesen 37.
Heidelberg 130 f.
Heideloff 144.
Heidenau 6.
Heiliger Weg 116.
Heine, Dr. 150. 158.
Heinicke 153.
Heinrich d. Erlauchte 17. 91 94. 96.
III. 142.
— d. Fromme 120. 125 f. 135. 138.
149. 170.
— I., Köuig 49. 107 f.
— Prinz v. Preußen 127. 133.
— II., Kaiser 67.
— VI.. Kaiser 139.
Heinzebank, d. 176.
Helfenberg 104.
'-Register.
v. Herder, Ob.-Bghptm. 126.
Herders Ruhe 186.
Herlasgrün 210
Hermannsbad, d. b. Liegau 8. 112.
—, b. Lausigk 147.
Hermsdorf b. Radeburg 112.
— b. Frauenstein 129.
Hermann, G. 149. 152.
G. E. B. 71.
Herrnhut 49. 69.
Herwig, Bischof 142.
Herwigsdorf 60.
Herzogswalde 115.
Hetzdorf 199.
Heyne, G. 197.
Heyneccius, M. 141.
Hilbersdorf 197.
Hiller, Komponist 149. 154.
Hirschfelde 53 f.
Hirschstein III.
Hochkirch 64.
Höchstem, d. 70.
Hochwald, d. b. Stolpen 4.
— b. Zittau 5. 57.
Hochweitzschen 133.
Hocksteiu, d. 78.
Hos v. Hoenegg 219.
Hoflösnitz, d. 105 f.
Hohburger Berge 4. 132.
Hohburkersdorfer Höhe 73.
Hohe Burg, d. 113.
Hoheneck 44.
Hohenstein 9. 26. 165. 203.
v. Hohenthal, Gräfin 70.
Hohnstein 44. 77. 139; -Grund 74.
Holke, Gen. 215.
Holzwaarenindustrie 169.
Hormersdorf 188.
Horstsee, d. 8.
Hosterwitz 104.
Höckendorf 90 116.
Hubertusburg 8. 44. 132. 143; -er
Wald 10.
v. Humboldt, A. 126.
Husfiten 18. 67. 69. 91. III. 139.
' 146 f. 210.
Hutberg, d. b. Hcrrnhut 60.
— b. Kamenz 69.
Hübner, I. 60.
Hütteuwesen 124.
Jacquard 197.
Jahna, d., Fl. 6.
Jahnishausen 115.
Jahrmärkte 31.
Jauernick 4.
Jean Paul 152.
Ierisau 203.
Orts- und 9
Industrie 25. 48. 58. 190
Jnstrumentenfabr. 213.
Joachimstein 54.
Johann, König 87.
— d. Beständige 185.
— III. Bisch, v. M. 108.
— VI. Bisch, v. M. 134. 142.
— IX. Bisch, v. M. 78. 145.
Johann Friedrich d. Grßm. 107. 139.
143. 146. 149. 159. 171. 186. 209.
Johann Georg I., Kurf. 11. 18. 47.
67. 69. 107. 113. 178. 199. 215.
217.
— II., Kurf. 79 f. 105. 108.
— III., Kurf. 80. 125.
— IV., Kurf. 125.
Johanngeorgenbad 84.
Johanngeorgenstadt 24. 29. 178-
Jonsdorf 13. 57 f.
Jöhstadt 162. 177.
Juden 46. 96. 149.
Just, Zitt. Bürger 53.
Kaditz 11. 104.
Kahle Berg, d. 2. 71. 89.
Kaiserstraße, d. 76. 171.
Kaiserweg, d. 144.
Kaitzbach, d.
Kamenz 14. 47. 49. 52 f. 69; Herren
v. 63. 68; -er Berge 5.
Kapellenberg, d. 3. 210.
Kappel 197.
Karcha 14.
Karl IV., Kaiser 56. 220.
— V., Kaiser 107. 134. 146. 203.
— XII. v. Schweden 106. 134. 150.
159.
—, Prz. v. H.-Homburg 148.
Karlstadt 150.
Kaschka 110.
Katholiken, röm. 45. 52. 66. 149.
Katzenhäuser, d. 115.
Kaufungeu 138.
v. Kaufungen. K. 115. 126. 137.
145. 186 f.
Kändler 197.
Keilberg, d. 2.
v. Keith, Feldm. 65.
Kemnitz 63.
Kempe, d. 133.
Kesselsdorf 115.
Keulenberg, d. 5. 70.
Kieritzsch 147.
Kirchberg 3. 27. 193. 204.
Kirchleite, d. 82.
Kirnitzsch, d., Fl. 5. 8. 74.
Klaffenbach 197.
Kleinbobritzsch 129.
's-Register. 233
Klein-Saubernitz 64.
Klein-Sermuth 6.
Kleinstruppen 81.
Kleinwelka 28. 68.
v. Kleist, Gen. 87.
v. Klettenberg 77. 80.
Klima 9.
Klingenthal 7. 29. 213.
Klinger, K. 187.
Klopstock 152.
Klosterwasser, d. 68.
Klösterlein 184.
Knaur, Bildhauer 158.
Kuohll, P. 105.
Kohlsdors 14.
Kohren 30. 145.
Konrad v. Wettin 17. 108.
— II.. Bisch, v. M. 105.
— III., Kaiser 202.
Kospoth. Gras 222.
Kottenhaide 212.
Kottmar. d. 4. 48.
König-Antonshütte 181.
Königin-Mariahütte 208.
Königsbrunn 81.
Königsbrück 14. 30. 39. 52. 68. 70.
87.
Königstein 5 f. 33. 73. 76. 79. 87. 91.
Königswartha 14. 16. 68.
v. Körbitz, R. 87.
Körner, Th. 95. 102. 126. 158. 200.
Kötzschenbroda 105 f.
Kranichsee, d.
Krause, Frau 218.
Kraut, Tuchmacher 213.
Krebs 87.
Kreckwitzer Höheu 65.
Kreischa 88 f.
Kreyuitz 5.
Kriebftem 136.
Krumhennersdorf 128.
Kuhberg, b. 210.
Kuhstall 74.
Kunnewalde 4.
Kunst 34.
Kunstgraben, Nied. n. Ob. 120.
Kühren 16.
Küuzelmann, M. 93.
v. Kyau 80.
Lachsbach, d. 5. 12. 74.
Ladegast 148.
Lampadius 25.
Laudescousistorium 45.
Landesfarben n. -Wappen 46.
Landeskulturrath 20.
Landgemeinden 14. 46.
Landtag 40.
234 Orts- und
Landwirthfchaft 20.
Langbein, (£. 109. 112.
Lange, Snp. 148.
Langeberger Haide 104.
Langenaner Höhe 129.
Langenberger Höhe 3.
Langhennersdorf 82; -er Wasser-
fall 84.
Laubegast 89. 103.
Lauenstein 86; Ger.-Amt 88.
Lausche, d. 5. 57.
Laufigk 9. 146.
Lausitz 16 ff. 21. 25 f. 45. 47. 147:
Verf. 52.
Lausitzer Gebirge 4.
Laußnitzer Haide 48.
Lauter 181. 184.
v. Leibnitz, G. W. 152 f.
Leipzig 6. 9 ff. 15. 20 ff. 28 ff. 34 ff.
38 f. 41. 43 ff. 148; Kreish. 132;
Amtsh. 1*2.
Leisnig 133. 147
Lengefeld 13. 162. 169. 170.
Lengenfeld 222.
Lenkersdorf 188.
Leopold II., Kaiser 104.
— v. Dessau 115.
Lessing, G. E. 69. 109. 152.
Leuben 103.
Leukersdorf 200.
Leutewitz 115.
Leutzsch 158; -er Holz H.
Liborius, Abt. 186.
Lichtenberg 129.
Lichtenstein 13. 165. 20l. 203.
Lichtewalde 199 f.
Lichtwer, M. G. 142.
Liebenau 87.
v. Liebenau, Gen. 79.
Liebertwolkwitz 159 f.
Liebethal 13. 82; -er Grund 77.
Liebstadt 85.
Lilienstein, d. 73. 76.
Limbach b. Chemnitz 27. 165. 197.
Limmritz 137.
Linde 119.
Lindenau 158. 160.
Lobstädt 147.
Lockwitz 71. 88 f.; -er Grund 88.
Lohmen 23. 76- 82. 139.
Lommatzsch 1. 14. 20. 23. 114; -er
Pflege 15. 114.
Löbau 13.48 f. 52.58. 64; Amtsh. 47.
Löbauer Berg 5. 53. 64.
Löbauer Waffer 7. 48. 64.
Lohr, Bankier 150.
Lößnitz 13. 28. 188. 204.
Loschwitz 102. 106.
Luchberg, d. 88.
l-Register.
Lugau 201.
Lungwitz 88.
Lunzenan 138. 165.
Luther, M. 100. 135. 141 f. 143 f.
146 f. 148 f. 150. 200. 205.
Lübschützer Höhen 4. 132.
Lückendorf 55. 57.
Lützschena 158.
Machern 143.
Magdalena Sibylle, Kfstin. 200.
Magdeborn 159.
Magdeburg, H. 109.
Mahlitzsch 133.
Mahlmann 149.
Mailust, d. 134.
Mandau, d. Fl. 7. 48. 54.
Margarethenhütte, d. 66.
Marienberg 24. 124. 169 170 f. 177;
Amtsh. 161.
Marienborn 68.
Marienei 215.
Marienstern, Kloster 45. 50. 63. 68.
Marienthal, Klostsr 45. 53.
— b. Zwickau 206.
Markersbach 82.
Markkleeberg 160.'
Markneukirchen 29. 213
Markranstädt 161.
Marschner. H. 56.
Martini, Pfarrer 209.
Maschinenbau 194.
Matthias Corvinus 67.
Maxen 13. 88.
Maximilian I., Ksr. 139.
v. Meckau 145.
Medingen 29. 112.
Meerane 10. 26 f. 165. 202.
Meißen 11. 20. 29 f. 34 f. 38 f. 45.
107; Bisth. 109; Amtsh. 19. 71;
Mark 17. 19.
Meißner Hochland 72.
Melanchthon, PH. 100. 114.141.144.
Mendelssohn, Mos. 100.
—-Bartholdy, F. 154
Mengs, R. 96. 101.
Menzel, Kanzlist 80.
Merinos 23. 76.
Merkel, Cantor 76.
Merschwitz III.
Möschwitz 4.
Meteorologische Stationen 9.
Methau 137.
Meusdorf 161.
Mickren 17.
Mildenstein 134.
Miltitz 115.
v. Miltitz. Herren 107. 115.
Milziener 67.
Orts-
Mineralien 12.
Mineralquellen 8.
Ministerien 41.
Miriqnidiwald 16.
Minkwitz 134.
Missionsverein 36.
Mißlarenth 222.
Mittweida 2. 117. 135. 165.
d., Fl.
Mohlsdorf 138.
Mohorn 3.
Moreau, Gen. 102.
Morgenröthe 212.
Moritz, Kurf. 35. 95. 109. 125 f.
135. 139. 143. 151.
Hzg. v. S.-Zeitz 96. 148.
Moritzburg 23.112; -er Teiche 8.12.
v. Mosen 204.
Mosen, I. 215.
Möckern 20. 160.
v. Mörner, Frau 115.
Mulde, d. Fl. 6 ff. 12; Freib. 132.
162; Zwick. 137. 162. 210 212.
Muldenflöße, d. 8.
Muldner Hütten 124. 127.
Musik 35.
Mutzschen 4. 8. 10. 13. 143.
Mügeln, St. 10. 13. 20. 132. 145;
-er Bucht 4.
—, Dorf 103.
Müglitz, d., Fl. 6 f. 84 f. 86 f. 89.
Mühltruff 7. 193. 222.
Müller, Brgrmstr. 154.
Mülseu St. Jac. u. St. Nie. 165.
193. 204.
Münzbach, d. 124.
Münzer, Th. 205.
Münzwesen 37.
Mylau 222.
Nadelwitz 67.
Napoleon I. 65. 76. 79. 81. 87. 95.
144. 159 f. 190.
Natschnng, d. 169.
Nauberg 134.
Naumann, Kapellmeister 102.
Naundorf 90. 113.
Naunhof 147.
Nauslitz 4.
Neander, Bischof. 170.
Neiße, d>, Fl. 7. 48.
Nenkersdorf 146.
Nentmannsdorf 13. 85.
Nerchau 142.
Netzschkau 45. 222.
Neuber, Fried. 103.
Neudörfel 206.
Neue Haus, d. 178.
Namens-Register. 235
Neugrabenflöße 8.
Neukirch 65.
Neukircheu 115.
Neumark 222.
Neunitz 132.
Neurathen 74.
Neureudnitz 159.
Neusalza 65.
Neu-Schöuau 28. 59.
Neustadt b. St. 9. 28. 78.
Neustädte! 186.
Ney, Marschall 65.
Nicolai, Pf. 73.
Nieder-Cunnersdorf 49. 64..
Niederhäßlich 93.
Niederlauterstein 170.
Niederschlema 185.
Niederwürschnitz 200.
Niederzwönitz 187 f.
Nimpschen 142.
Nischwitz 143.
Nollain, Cl. 180.
Norddeutscher Bund 37.
Nossen 116. 123.
Nosseni 125. 176.
Nöthnitz 103.
Nünchritz 12.
Oberau 106.
Oberappelationsgericht 41.
Oberhohndorf 206.
Oberjahna 110.
Oberloßnitz 117.
Oberlösnitz 105.
Oberlungwitz 203. , .
Oberreinsberg 128. *
Obersachsenberg 3.
Oberschlema 185.
Oberwartha 105.
Oberwiesenthal 2. 9. 177.
Obstbau 21. 94. 106.
Oderwitz 49. 64.
Olbernhau 1. 11. 29. 131. 168.
Olbersdorf 14. 56.
Oppach 65.
v. Oppel, Min. 87.
Oppelsdorf 56.
Orden 47.
Ortenbnrg, d. 66.
Oschatz 14. 27. 144? Amtsh. 132.
Osterberg, d. 105.
Osterland 19.
Öfterstem, Schloß 205.
Ostrau 133.
Ostritz 52. 53. 87. Ger.-Amt 45.
Oßling 69.
Ottenstein 181.
Otto der Reiche 116 f. 142. 159.
236 Orts- und
Otto I., Kaiser 107.
— v. Münsterberg 108.
Ottokar II. v. Böhmen 55.
Oederan 27. 200,
Oelsnitz i. V. 27. 215. 220.
— b. Lichtenstein 200 f.
Oehler, Fr. 209.
Oeser. Maler 148. 196.
Oybin 56.
Pabststein, d. 73. 81.
Pahlitzsch, Bauer 103.
Pappenheim, Gen. 150.
Paradies, d. 106.
Parthe, d. Fl. 6. 132.
Paunsdorf 160.
Pausa 9. 193. 222.
Pechsiederei 220 ff.
Pegau 20. 117 f.; -er Pflege 15.
Penig 28. 137. 138. 193. 201.
Penna 137.
Pennrich 115.
Perlenfischern 216.
Pescheck 56; 57.
Pesterwitz 92 f.
Peter d. Gr. 122. 169.
Pfoffendorf 158. 160.
Pfaffenstein, d. 73.
Pfannenstiel 185.
Pfeilhammer 182.
a. Pflügt, Herren 144.
Pietzfchbach, d. 116.
Pillnitz 103.
Pirna 6. 10. 20. [30. 44. 51. 81. 85;
Amtsh. 71; -er Sandstein 82 f.
Piskowitz 14.
Plagwitz 150. 158.
Planitz 206 f. 208.
Plane 199.
Plauen, St. 26 f. 29 f. 212. 217;
Amtsh. 161.
—, Dorf 91 f.; -er Grund 25. 28. 91 f.
Pleinfabrikation 180.
Pleiße, d. Fl. 6. 8. 10. 21. 150. 162.
Pleißner Land 19. 147.
Pließnitz, d. 48.
Pobershan 170.
Pockau, Schwarze, Fl. 6.
Polenz, d. Fl. 5. 74. 77.
Pommritz 20. 67.
Poniatowski, Fürst 160.
Ponikau 112.
Porsberg, d. 104.
Porschdorfer Mühle 77.
Posamentenfabrikation 173.
Possendorf 14. 29.
Posta 33. 82.
Postelwch 82.
Namens-Register.
Postwesen 34.
Potschappel 92 f.; -er Steinkohlen-
bassin 13. 25. 92.
Pöbel 14.
Pöhl, d. 6. 178.
Pöhla 182.
Pöhlberg, d. 3.
Pöltzscher See, d. 114.
Praschwitz 5.
Prebiichthor, d. 74.j
Preititz 65.
Preßnitz, d. Fl. 6.
Preusker, Rentamtm. 113.
Prießnitz 146.
Priesnitz, d. Fl. 5.
Prietitz 68.
Prinzenhöhle, d. 204.
Prinz Lieschen 136.
Probstheida 160.
Prohlis 163.
Protzschenberg, d. 67.
Pnfendorf, S. 187.
Pulsnitz, St. 28. 30. 68. 69; -er
Gegend 49; -er Gebirge 5.
—, d. Fl. 7. 48.
Purschenstein 130.
Putiatiu, Fürst 103.
Putzkau 71.
Püchau 143.
D-uanM, v. 79.
Quirl, d. 81.
Rabenau 29. 90.
Rabenbäder, d. 73.
Rabener, G. W. 84. 109.
Radeberg 16. 29. 112.
Radeburg 112.
Radewitz 114.
Rahnis, d. 200.
Rammelsberg, d. 3.
Rammenau 11. 70.
Raschau 182.
Rathen 73. 84.
Ravenstein 170.
Rautenkranz 212.
Räcknitz 102.
Rebhuhn, P. 216.
Rechenberg 129.
Resormirte 45. 149.
Regis 147.
Rehfeld 14.
Reibersdorf 39. 54.
Reiboldsgrün 112.
Reichenau 53.
Reichenbach 20. 27. 222.
Reichenbrand 3.
v. Reichenstein, St. 136.
Reichstädt 90.
Orts- und Namens-Register.
237
Reinhardsgrimma 88.
Reinsdorf 206.
Reiske, I. I. 153.
Reißersgrunv, d. 74.
Remse 203.
Rennersdorf 23.
Reudnitz 15. 158.
Reuth 222.
Riesa 1. 6. 8. 33. III.
Riese, Ad. 171 f. 175.
Riesenburg, d. 175.
Rietschel, E. 70. 97 f. 99. 149. 152.
Ringenhain 65.
Ringethal 200.
Rischendorf 134.
Rivius, I. 126. 171. 205.
Rochlitz 3. 137. 139; Amtsh. 132.
-er Berg 3. 132. 139. 165.
Rochsburg 134. 137. 138. 201.
Rodewisch 28. 220 f.
Rodewitz 64.
Rohnau 53.
Rosenthal, d. 158.
Rost, F. W. 153.
Roßwein 117. 133.
Rothenkirchen 181.
Rothenthal 169.
Rothschönberg 16. 115; -er Stölln
118.
Rothstein, d. 4. 48. 53.
Röder, d. Fl. 7. 10. 12.
Röderau III.
Röhrgraben 188.
v. Römer, Herren 205. 209.
Rötha 21. 147. 159.
Ruhethal, Schloß 145.
Rüßdorf 197.
Rutowsky 115.
Rüdigsdorf 146.
Sachs, Hans 205.
Sachsenberg 213.
Sachsenburg 200.
Sahlis 145.
Sankt Oswaldskirche 187.
Sauberg, d. 189.
Sayda 85. 129.
Sächsische Schweiz 12. 72.
Sächsisches Mittelgebirge 3.
Sächsisches Sibirien 162. 176.
Schaller, Goldschmied 211.
Schandau 5.9. 33. 75. 84; -erFlöße 8.
Scharfenberg 110.
Scharfenstein 198.
Schedewitz 165. 206.
Scheibenberg, St. 24. 122. 176.
Scheibenberg, d. 3.
Schernberg 3. 199.
Schellerhau 90.
Scheuau, Maler 60.
Schicht, I. G. 54. 149. 154.
Schiller, Fr. 102. 158.
Schilling, Bildh. 97.
Schirgiswalde 19. 28. 49. 52. 65.
Schletta 110.
Schlettau 3. 175.
Schletter, Kaufm. 154.
Schloßchemnitz 197.
Schlottwitz 87.
Schlüssel, W. G. 138.
Schmeckwitz 9. 68.
v. Schmettan Gen. 95.
Schmiedeberg 2. 90.
Schmidt, G., Köhler 187. 208.
—, Nie. 223.
Schmölln 69. 80.
Schnarrtanner Höhe 210.
Schnauder, d. 6.
Schneckenstein, d. 3. 13. 212.
Schneeberg 2. 24. 162. 168. 185.
Schneider, F., Componist 54.
Schnorr, Grubenherr 179.
Schottenberg, d. 171.
Schöna 81.
Schönbach 49.
Schönberg 2. 7.
v. Schönberg, Herren 67. 115. 130;
A. v. 126.
v. Schönburg, Herren 63. 209; E. v.
139; O. K. F. 203; O. V. 203;
Veit 204.
Schönburg, Lehusherrfchaften 39.
— Receßherrfchaften 14. 19. 39. 45.
161. 201 ff.
Schöneck 213. 220 f; -er Wald 10.
210.
Schönefeld b. Leipzig 158. 160.
Schöne Höhe, d 79.
Schönfeld b. Olbernhau 14.
v. Schönfeld, Ritter 204.
Schönheide 189. 184.
Schönheidehammer 182.
Schönherr, Mechanikus 192.
Schönleben, I., Bergmstr. 125.
Schreckenberg, d. 171.
Schröter, L. G. 77.
v. Schubert, G. H. 203.
Schulwesen 36. 46.
Schumann, R. 265.
Schürer, Glasmacher 185.
Schwanfeld, d. 205.
Schwarzenberg 162. 181; Amtsh.
161; -er Wald 10.
v. Schwarzenberg, Fürst 161.
Schwarzwasser, d. 6. 162. 178. 181.
— i. d. Lausitz 67.
Schwedentische, d. 113.
G£/
238 Orts-
Schweikershain 137.
Schweinsburg 209.
Schweizermühle 81.
Schweizerthal 138.
Schweta 145.
Sebnitz 28. 78.
—, d. Fl. 5. 74.
Sechsstädte, d. 52.
Sehma, Dorf 174.
—, d. Fl. 6. 178.
Seidau, d. 67.
Seidenberg, Herrschaft 54.
Seifersdorf 112.
Seifertshain 160.
Seiffen 29. 133 ff.
Seifhennersdorf 58.
Seilitz 110.
Seitendorf 53.
Sellerhausen 160.
Seltmann 218.
Semper, Baumstr. 97.
Serpentinindustrie 169.
Zerre, Major 88.
Seume, I. G. 141.
Seußlitz III.
Seydewitz, d. Fl. 85.
Sibyllenstein, d. 5. 70.
Sidonie, Hzgin. 91.
Siebeneichen 110.
Siebenhöfen 180.
Siebenlehn 2 f. 116. 123.
Siegmar 197.
Silberhoffnung 182.
Silbermann, G. 96. 125. 129.
Silberstraße 186.
Skassa 113.
Slawen 16.
Sohland 65.
Sommerfeld 147.
Sonnenstein, d. 81.
Sophie Hedwig, Hzgin. v. S.-Zeitz 96
Sorben 16. 211.
Sornzig 145.
Sofa 181.
Sörnewitz 12.
Spaargebirge, d. 106.
Spalatin, G. 144
Sparkassen 34.
v. Speck-Sternburg 158.
Sperling, Prediger 79.
spielwaarenfabrikation 130.
Spitzcunnersdorf 58.
Spitzenklöppelei 165. 173.
Spitzhaus, d. 106.
Spohn, F. A. W. 149.
Spree, d. Fl. 7. 48. 60. 64 f.
Spremberg 49. 65.
Staatsanwälte 42
Staatsgerichtshof 40.
Namens-Register.
Staatsschuld 43.
Stahlberg 177.
Stanislaus Lescziuski 134.
Statistisches Bureau 36. 44.
Stauchitz 16.
Staupen, d. 134.
Staupitzbad, d. 133.
Städte 14. 46.
Steiger, d. 93.
Stein 201. 204.
Steinigt, d. 219.
Steinkohlen 13. 24. 92. 200. 206.
Stella, Er. 205.
v. Sternberg, P. 139.
Stetten 21.
Steuern 41.
Stiebitz 65.
Stollberg 165. 296.
Stolpen 4. 22. 78.
Stötteritz 159 f.
Strahwalde 63.
Strand, d. 5.
Strehla 4 f. 144.
Strehlen 16. 102.
Streitpfarren, d. 222.
Striegis, Gr., Fl. 6. 117.
Strohflechterei 88.
Strowberg, d. 53. 64.
Strumpfwirkerei 165. 193. 202.
Stützengrün 181. 215.
Tambourieren, d. 180.
Tannebergsthal 212.
Taucha 147. 160.
Taurastein, d. 3. 138.
Teichsteinbrücke, d. 81.
Teichwolsramsdorf 19.
Telegraphen 34.
Teufelskluft, d. 204.
Tezel 149.
Thaer, Landwirth 154.
Thal 144.
Tammenhain 2.
Tharand2f. 9. 20.89.91; -erWald91.
v. Theler, Ritter 90.
Thelersberger Erbstolln 119.
Thenma 219.
Thimo, Bisch, v. M. 108.
Thomasius, Ch. 152.
Thonberg 159 f.
Thoffen 219.
Thum 2. 162. 189.
Tiedge, Ch. A. 98.
Tilly 159.
Tirpersdorf 219.
Torflager 25.
Torftenfon, L. 67. 105. 148. 159.
Trebfen 142.
Treppenhauer 200.
Orts- und
Treuen 220.
Trieb, d., Fl. 210.
Triebisch, d., Fl. 6. 91.
Troschenreuth 215.
Türchau 60.
Tzschirner, Sup. 135. 149.
v. Tzschirnhans, Graf 92.
Uhrenfabrikation 86. 179.
Unterwiesenthal 2. 177.
Urnenfelder 16.
Uttewalder Grund 74. 76.
Uttmann, B. 165. 172 f. 187.
Uebigau 17. 104.
Kaltenberg, d. 4. 12. 15.
Vendamme, Gen. 87.
Venusberg 189.
Vereine 36.
Verfassung 38 f.
Verwaltung 41.
Vestenberg 5. 145.
Viehzucht 22.
Vogel, Maler 204.
Bogel v. Vogelstein 104.
Vogtland, d. 3. 18 f. 22. 29. 209 ff.
Voigtsberg 44. 212. 216.
Vorschußvereine 34.
Wachau 159 f.
Wachwitz 104.
Wahlen 209.
Walddorf 49.
Woldemar, Mkgrf. 113.
Waldenburg 30. 193. 203; Hrfchft
201.
Waldheim 13. 44. 132. 135.
Waldkirchen 29, 131. 169.
Wallenstein 67.
Wollersdorf 57. [
Warnery, Oberst 79.
Waschleithe 187.
Wännelstein, d. 210.
v. Weber, K. M. 97 f. 104.
Wechselburg 139. 201.
Weesenstein 45. 86. 87. 89.
Wehlen 33. 76, 82. 84. 139.
Wehrsdorf 49. 65.
Weidenhammer, P. 185.
Weifa 65.
Weinbau 22. 106.
Weinböhla 16. 105.
Weipert 33.
Weisbach 204.
Weise 172.
Weiße, G. F, 149.
Weißenberg 48 f. 64.
Weißer Hirsch 102.
^-Register. 239
Weißeritz, d. 6 f. 84. 89. 91; -Flöße 8.
Weißeritzstolln, d. 93.
Weißig 49.
Weißstickerei 218.
Weißtropp 104 f.
Wenden 16. 79.
Wendisheim 134.
Werdau 13. 27. 194. 208.
Mennsdorf 143.
Werner, A. 102. 125.
Wesenitz, d. Fl. 5. 47. 74.
Whitsield 191.
Wiesa b. Kamenz 68.
— b. Annaberg 175.
Wiesen 21; Dorf 204.
Wiesenbad 9. 175.
Wiesenburg 7.
Wiesenthal 177.
Wiesenthal, d., Fl., 7. 210.
v. Wietersheim 179.
Wildenfels 13,204; Herrfchaft39.204.
Wildstand 11. 162.
Wilhelm, Mrkgrf. 87. 108.
Wilhelmine Ernestine v. d. Pfalz 125.
Wilisch, d. 88.
Wilsdruff 115.
Wilthen 49.
Wilzsch, d. Fl. 163. 179.
Windberg, d. 92.
Wingendorf 200.
a. d. Winkel 146.
Winterberg, d. Gr. u. Kl. 73.
Wiprecht v. Groitzsch 16. 147.
Wissenschaften 35.'
Withego I., Bisch, v. M. III.
— II., Bisch, v. M. 108.
Wittich, d., Fl. 7.
Wittichs Schloß 86.
Wittichsthal 182.
Wladislaw v. Böhmen 202.
Wohlgemuth, Mich. 173. 205.
Wolfsschlucht, d. 77.
Wolkenburg 137. 140 f. 142.
Wolkenstein 2 f. 9. 15. 162. 175.
Wollmärkte 23.
Woz, Burgwart 104.
Wölfnitz 102.
Wuischie 64.
Wurschen 65.
Würzen 4. 142; Stift 39. 109.
Wünschendorf 131.
Würschnitz 13. 215.
-, d. Fl. 6.
Wyhra, d. Fl. 6. 132
Xaver, Prinz 22. 209.
Hork, V., Gm. 67. 160
240 Orts- und 9
Zabeltitz 13. 113.
Zaschendorf 105.
Zaukerode 92 f.
Zaunhaus 14. 89.
Zeisig, Maler 60.
Zeisigwald, d. 3. 198.
Zeithain 114.
Zethau 120.
Zettlitz 137.
iegenbalg, B. 70.
iegeuhierd. Ländchen 209.
v. Ziegler n. Klipphausen, I. S. 54.
Zinnbergbau 85.
Zinnwald 85.
v. Zinzendorf, N. L. 60. 63.
Zittau 14. 20. 22. 27 f. 30. 48 f. 52.
54. 57; Amtsh. 47.
Zittauer Gebirge 5. 56.
^-Register.
Zollverein 31. 190.
Zöblitz 13. 169. 170.
Zöllner, Komponist 158.
ö Ilsdorf 147.
scheckwitz 103.
schillen 139.
Zschirnstein, d. 73.
Zschopau 28. 198.
—, d., Fl. 6 f. 12. 132. 142. 162. 198.
Zschortau 186.
Zürner 113.
Zwenkau 147 f.
Zwickau 2. 13. 21. 29. 33. 39. 41.
43 f. 135. 168. 185. 205; Amtsh.
161; Kreishauptm. 26. 161.
Zwota 173. 213.
—, d., Fl., 7. 210.
Zwönitz 162. 173. 187.
- d., Fl. 6.
Berichtigungen und Zusätze.
Seite 32 Zeile 5 v. o. lies statt 1857: 183 7.
„ 32 „ 6 V. 0. „ „ 1859: 18 39.
„ 33 „ 1 v. o. „ „ 1591 Kilom: 1 622 Kilom.
„ 41 „ 11 v. u. „ den Vorsitz im Gesammtministerium führt
seit 1. Novbr. 1876 der Staatsminister
v. Fabrice.
„ 44 „17 v. u. „ statt Hohenstein: Hohn stein.
,, 46 „ 26 v. o. „ die Generaldirection der 1 Sammlungen
für Kunst und Wissenschast ist 1876 dem
Minister des Kultus und öffentlichen
Unterrichts übertragen worden.
„ 74 „ 18 v. o. „ statt Hohensteiner: Hohnsteiner.
„ 108 „ 3 v. o. ist einzuschalten: Auf dem Burghofe erhebt sich
seit 1876 die von Hultzsch in Dresden
entworfene, von Wierling ebendaselbst
gegossene Erzstatue Herzog Albrechts
des Beherzten.
„ 139 „ 6 v. o. lies statt Schönberg: Schönburg.
„ 200 „ 8 v. u. „ „ Lenkersdorf: Leukersdorf.
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F. Aßrockliaus' Getigr- arlist. Anstalt, Leipzig