138 XI. Der Unterricht in der Himmelskunde. Schon das praktische Leben fordert Kenntnis der wichtigsten Erscheinungen und Lehren aus der Himmelskunde, die so bestimmend in unser Leben ein- greisen, und manch Stück schädlichen Aberglaubens würde aus dem Volke verschwinden, wenn die Jugend die wichtigsten Kenntnisse aus der Himmels- künde ins Leben mitnehmen könnte. Noch immer sieht das Volk vielfach im Erscheinen eines Kometen die drohende Zuchtrute Gottes, welche dem verderbten Menschengeschlechte Krieg und große Schrecken verkündigt. Die Sternschnuppe ist ihm das Zeichen eines auf Erden in demselben Augenblicke verlöschenden menschlichen „Lebens- lichtes", und während der Sonnenfinsternis kämpfen nach seiner Meinung Sonne und Mond am Himmel um die Herrschaft. Aber auch die gebildete Welt wendet sich vielfach noch gleichgiltig von der nähern Kenntnis der gewöhnlichsten Himmelserscheinungen ab und hat durchaus nicht durchweg die Überzeugung, daß ein gebildeter Mensch über dergleichen Dinge ein richtiges Urteil haben müsse. Viel eher rechnet man allerlei bedeutungslose Dinge zu den absoluten Notwendigkeiten einer ange- messenen Bildung, als Kenntnisse aus dem Gebiet der Himmelskunde. Der einsichtsvolle Beurteiler wird jedoch zugeben, daß ein guter Unter- richt in der mathematischen Geographie in hervorragender Weise auf die Entfaltung sämtlicher Seelenthätigkeiten einwirkt. Er gewöhnt das Auge an aufmerksame, genaue Betrachtung; er schärft in hohem Grade die Urteilskraft; er belebt die Phantasie und erfüllt das Gemüt mit neuer, zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht gegen den allwaltenden Geist der Geister. So bietet die Himmelskunde in jeder Hinsicht eine Fülle geistiger Anregung, „und an die Stelle des träumerischen und abergläubischen Be- trachtens tritt die Selbstthätigkeit der Sinne und des Geistes. Dies be- wahrt vor dem Grundfeinde aller Geistesthätigkeit, der Gewöhnung, das Nächstliegende nicht zu sehen, das Erhabenste zu sehen, ohne es zu empfinden, das Unerklärte zu betrachten, ohne es erklären zu wollen." (Diesterweg.) Ist somit in Vorstehendem aus den praktischen und formalen Wert der mathematischen Geographie hingewiesen, so erübrigt noch, kurz den Zu- sammenhang derselben mit dem übrigen erdkundlichen Unterrichtsstoff in der Volksschule zu erörtern. In der Volksschule steht die Himmelskunde nicht als selbständige Disziplin da, sondern sie steht im Dienst der Geographie überhaupt und mit dieser in organischem Zusammenhang. So lehrt sie uns z. B. die Erde in ihrer Totalität kennen, gewährt uns die Mittel, uns auf derselben genügend zu orientieren, zeigt uns die Ursache klimatischer Grunderscheinungen, sowie eigenartiger Bewegungen im Weltmeere und Luftkreise :c. und führt