Rußland. Die europäischen Polarländer. 55 zerstört wurde. Den Kern der Insel bildet ein wenig gegliedertes Hochplateau von ca. 600 m mittlerer Höhe, das sast die ganze Insel einnimmt. Aus ihm erheben sich die teilweise noch thätigen Vulkane, von denen die höchsten mächtige Gletscher tragen, während zahlreiche kleinere Krater und Springquellen über die ganze Insel zerstreut (S. ^?9) sind. <£rst jenseits des Polarkreises, zwischen Island und Jan Mayen, verrät den: nordwärts steuernden Seefahrer ein weißer Glanz am Horizont, der Eisblink genannt, die Nähe der Listrist. Das Quecksilber im Thermometer sinkt, schneeweiße Sturmvögel eilen in Scharen heran, ein donnerähnliches Rauschen und Krachen wird vernehmbar. Die ersten Vorposten des Eises schlagen als lockeres Grundeis an das Schiff, und bald ist es umringt von größeren und kleineren Schollen (S. \7ty u. J80). In die Eintönigkeit der polarfahrten bringt zunächst das Tierleben des Meeres willkommene Abwechselung. Walsische, begleitet von unzähligen Heringen, Schwert- und Sägesische, Meersischottern und Seelöwen beleben die eisigen Fluten, und manches Schiff erscheint hier zum Fange dieser Tiere. Erstaunlich ist namentlich die Menge der Robben in manchen Gebieten. Gst lagern sie so dicht aus dem herantreibenden Eise, daß die Jäger an einem einzigen Tage tausend und mehr Felle an Bord bringen und alle Schiffs- räume übersüllt werden. Wunderbarer aber sind die Erscheinungen am Himmel. Südlich vom Polarkreise geht die Sonne täglich aus und unter, nördlich davon aber bleibt sie, je nach Jahreszeit und Breite, längere Zeit ganz über oder unter dem Horizonte. Schon unter dem 70.° nördl. Breite, also an der Nordspitze des europäischen Festlandes, ist sie 65 Tage ununter¬ brochen sichtbar und kommt 60 Tage lang nicht zum Vorschein. Aber auch der Sommer der Arktik bringt nicht das Leben unseres Sommers. Nur leichthin dringt der schräge Strahl durch die Erdscholle, sie spärlich erwärmend, und ost genug streckt der Winter mitten hinein die eisige Hand. Düster glühend und strahlenlos steht die Mitternachtssonne am Himmel, umgeben von Höfen, Ringen und Nebensonnen, und Meer und Eisberge, von ihrem Scheine angeglüht, leuchten im wundersamsten Farbenzauber. Doch bald wird man in der Schätzung der Tages- zeiten irre, der Schlaf erquickt nicht mehr, und der Polarfahrer sehnt sich nach dem Dunkel der heimatlichen Nächte. Nördlich von Island steigt aus dem Polarmeere die Insel Jan Mayen auf (372 qkm), deren mächtigster Vulkankegel, der Beerenberg (S. \80 u. \8\), bis zu 25^5 m sich erhebt. Das aus schroffen, schwarzen Basaltselsen bestehende öde Eiland ist unbewohnt und darf wohl als eine Fortsetzung der Vulkanzone Islands betrachtet werden. Die drei Inseln Jan Mayen, Island und Grönland liegen in einem flachen, nicht über \800 m tiefen Meeresbecken, das gegen Osten von einer bis zu 4.850 m reichenden Einsenkung, der sogenannten Eismeertiefe, begrenzt wird. Dieses Senkungsfeld trennt die Küsten Norwegens und Spitzbergens von den genannten Inseln und zieht, wie Nansens Messungen erwiesen haben, in das unbekannte polar- meer hinein. Die Inselgruppen nördlich von Skandinavien, bedeutsame Etappen für die Expeditionen zur Erreichung des Nordpols, sind nicht vulkanisch, sondern bestehen aus alten Gesteinsforma¬ tionen wie die genannte Halbinsel selbst. Wahrscheinlich haben wir in ihnen Neste eines Tasel- landes vor uns, das teils durch Senkung, teils durch die Zerstörung der Wellen bis auf die vorhandenen Teile abgetragen worden ist. Sie gehören zum Festlandssockel Europas. Dem Nordkap am nächsten liegt die Bäreninsel (670 qkm, S. J(82), ein ödes, pflanzen¬ armes Plateau von 70—JOO m Höhe, in dessen Steilküste das brandende Meer die seltsamsten Formen von Festungen, Bogen, Grotten und Türmen ausgenagt hat (S. }8J). Sie ist ein ab- gesprengtes Stück der <Lafel von Spitzbergen. Dieses Land bildet einen Archipel, bestehend aus einer südnördlich ziehenden Hauptinsel und einer Reihe kleinerer und größerer Eilande, die durch Fjordstraßen voneinander getrennt sind. Nur an der Westseite erhebt sich eine hohe Gebirgskette mit wilden, zackigen Formen, wovon die Insel den Namen erhalten hat (S. \82). Den übrigen Teil nimmt ein Tafelland ein, das von ungemein mächtigem Inlandeis bis zu < 00 m Höhe bedeckt ist und in langgestreckten, vielfach zerschnittenen Mauern (S. J(82) steil zum Meere abbricht. Das Klima des westliche?: Spitzbergen steht unter dem Einflüsse des Golf- stromes und ist daher verhältnismäßig warm. Der kälteste Monat (März) hat bei 79° nördl. Breite eine Mitteltemperatur von —^7°, der Juli eine solche von +^,8°. Stellen reicheren Pflanzenwuchses sind gelten. Doch weist die Flora außer sehr zahlreichen Moosen und Flechten