Nordfrankreich. Mittel- und Südfrankreich. 37
zusammenlaufen, wo die Seine für größere Schiffe fahrbar wird, mußte eine Großstadt
emporkommen, hier ist Paris, nur 30 m über dem Meere gelegen. Dank einem seit Iahr-
Hunderten durchgeführten, zentralisierenden Regierungssystem ist Paris auch der Mittelpunkt
des ganzen Landes für Handel und Verkehr, Kunst, Wissenschaft und Politik geworden, so daß
das Wort „Paris ist Frankreich" seine volle Berechtigung hat. Die Geschichte von Paris ist
die Frankreichs, wahrhaft großartig ist der Anblick der Stadt, wenn man sie von Westen
her betritt, wo all die historischen Denkmäler sich befinden, die von der politischen Bedeutung
der Stadt zeugen. Durch das Boulogner Gehölze erreicht man zunächst den Triumphbogen,
den Napoleon I. zur Verherrlichung der Republik und des ersten Raiserreiches errichten ließ.
Acht Straßen strahlen von ihm nach allen Richtungen aus. Durch das mächtige Thor führt
die Hauptstraße zu den Llysäischen Feldern (Champs-Elysees), einem Vergnügungspark gleich
dem Wiener prater mit Schaubuden, Tafes u. dgl. Daran stößt der Lintrachtsplatz (Place de
la Concorde), wo in der Zeit der Schreckensherrschaft die Guillotine stand, unter der über
3000 Franzosen verbluteten. Nun eröffnet sich der Ausblick auf den Tuileriengarten und
die Tuilerien selbst, einst die kaiserliche Residenz, die im Frühjahr J87]( durch die Kommunisten
größtenteils niedergebrannt wurde. Ostwärts davon liegt das Louvre(S. \27>), das alteKönigs-
schloß, jetzt das größte Museum für Kunst und Völkerkunde in Frankreich. Im Süden werden
diese Anlagen und Bauwerke von der Seine bespült, über die nicht weniger als 28 Brücken
führen (S. \25). Auf der nahen Seineinsel ragt weithin sichtbar die Kirche Notre-Dame auf,
das alte Wahrzeichen der Stadt.
Bietet Paris auch nicht so schroffe Gegensätze seiner Stadtteile, wie sie London im Ost-
und Westend aufzeigt, so unterscheiden sich die (Quartiere im Norden und Süden der Seine
doch wesentlich voneinander. L^ier befinden sich vornehmlich die großen Anstalten für Kunst
und Wissenschaft, das Opernhaus, die Universität (im Quartier latin), der botanische und
zoologische Garten, außerdem noch das Pantheon, der Invalidendom mit der Asche Na-
poleons I., das Stadthaus und die Börse. Dort in den prächtigen Boulevards flutet ein drän-
gendes Verkehrsleben und entzücken den Beschauer die glanzvollen Auslagen der großen
Kaufhäuser. Am äußersten Norden aber, hart am L)ochrande der Seine und diesen hinan
ziehen die Arbeiterviertel Montmartre, La villette und Belleville mit engen, unsauberen
Gassen und verwahrlosten Däusern.
Paris ist der Sitz einer großartigen Industrie, namentlich in Modeartikeln, und deshalb
in starker Zunahme begriffen, obwohl die Einwohnerzahl Frankreichs kaum wächst. Die Stadt
zählt heute mit den größeren Nachbarorten 2,7 Millionen Seelen.
Im Norden und Nordosten wird das Seinebecken von der breiten Kreidetafel umsäumt,
die von der Champagne herüberzieht und mit einem ungegliederten Steilrande hundert Meter
hoch zum Meere abfällt. Diese fast unzugängliche Küste, Falaisenküste genannt (S. \2§, deren
Fuß ein schmaler Saum von Feuersteingeröllen begleitet, ist das getreue Seitenstück von Stub-
benkammer auf Rügen (S. ^0). Auch hier konnten wie an der deutschen Küste die wichtigsten
Handelshäfen nur an den Trichtermündungen der Flüsse entstehen, in denen die Flut stundenweit
landeinwärts dringt.
von Paris führt in fast südlicher Richtung eine der schönsten Straßen Frankreichs über
die fruchtbare, tischflache Hochebene der Beauce Q20—S^5 m) nach Orleans, dem Lwupt-
orte im Becken der Loire. Diese militärisch so wichtige Bodenschwelle wird ewig denkwürdig
bleiben in der Kriegsgeschichte Deutschlands und Frankreichs durch die Dezemberkämpfe in:
Jahre ^870. Lsier stellten sich die eilig zusammengerafften republikanischen L^eere den siegreich
vordringenden Deutschen entgegen. Um Artenay, Loigny und Poupry tobte der Kampf am
heftigsten, und jeder Zoll <£rde ist hier mit deutschem Blute getränkt und geweiht durch un-
vergleichliche -k^eldenthaten der deutschen Armee.
2. Mittel- und Äüdfrankreich.
vom Becken der Loire, dem Garten Frankreichs, führt eine flache, kaum ^80 m hohe
Bodenschwelle, das Hügelland von poitou, in das Garonnebecken, dessen fruchtbare Thal-
Niederungen, dank dem südlichen Klima, reiche Erträge an Weizen, Mais, Tabak, namentlich