216 Bilder aus den mitteldeutschen Gebirgslandschaften. mehr die Aufmerksamkeit der Reisenden an sich ziehen, und durch viel- sache Thalfurchen und Buchten dergestalt durchschnitten, daß es den erschöpften Wanderer durch Öde und Dunkelheit geheimnisvoll von sich zurückschreckt. Im Osten sind es die böhmischen blauen Gebirge, die durch ihre reichen Bäder die müßige vornehme Welt an ihre Bezirke fesseln, und die Blicke der Gäste in dem einsamen Eger richten sich nach Morgenaufgang gegen Karlsbad und Teplit; zu; das Fichtelgebirge aber schaut sie hinter einer öden und stillen Hügelebene finster und melancholisch an. Im Norden ist es das Erzgebirge, das dicht heran- rückt, aber den Kaufmann und Fabrikanten in seinen Schoß lockt; ermüdet von der erschöpfenden Berg- und Hügelkette, die er von Alten- bürg oder von Dresden her durchwandert, fchaut er mit Zürnen anf die neuen Beschwerlichkeiten, die hinterher ihm entgegentreten, uud eilt nur um so schneller den südlichen bequemen Sonnenebenen zu, die das glänzende Thal von Baireuth am jenseitigen Fuße des Fichtelgebirges ihm verheißt. Im Nordwesten ist es der Thüringerwald, der mit seinen historischen Erinnerungen die Reisenden fesselt; im Süden das von Nürnberg, Erlangen und Bamberg leicht erreichbare, von grünem Laub¬ holz bewachsene, freundlicher bewohnte Kalksteingebirge, die fränkische Schweiz genannt, mit seinem schönen Thal von Streitberg, den ge- heimnisvollen Müggendorfs Tropfsteinhöhlen, das der Naturforscher und der reiselustige Jüngling besucht; er wendet dem hohen, dunklen Rücken des Fichtelgebirges, der ihm hier auf jcbcr Höhe entgegenstarrt, gleichfalls den Rücken und fchaut höchstens in die sonnige Ebene von Baireuth hinein; drüberhinaus fürchtet er nichts zn erblicken, als das rauhe, kalte uud steinige voigtländische Plateau, dessen Fortsetzung das Fichtelgebirge darstellt. Nicht immer aber war das Fichtelgebirge im deutschen Vaterlande ein so unbeachteter Landstrich. Freilich ward es bei seinem rauhen Klima und seiner Unwegsamkeit auch früher von Fremden nicht mehr betreten als jetzt, aber desto mehr Wunderbares erzählte ihnen die Sage von dem düftern, grünen, einsamen und hohen Waldgebirge, das dem ganzen mittleren Deutschland sein Wasser zuschicke uud eine Art Hauptknoten bilde, von dem die deutschen Mittelgebirge nach den ver¬ schiedenen Seiten hin ausliefen uud bedingt seien. Die Alten ver- standen unter dem Namen Fichtelgebirge hauptsächlich die Höhen, welche Bischofsgrün, in der Mitte des Waldrückens belegen, zunächst nm- schließen, und beschrieben die Gegend bald als einen Berg von wunder- barlicher Höhe, nnersteiglichen Felsen und einem unschätzbaren Über- flnffe von Metallen, Holzungen, Kräutern und Gewilde, als den Ursprung vier großer Flüsse, bald als eiu au den Grenzen zwischen Böhmen, der Pfalz, Franken und Thüringen liegendes Gebirge, für dessen Arme auch die Berge von Wnnsiedel und Weißenstadt an- gesehen wurden. Die alten Orographen waren unerschöpflich in Aus- drücken der Bewunderung dieses Fichtelgebirges. „Gleichwie auf dem ganzen Erdboden," erzählt u. a. der Geograph Willen in seinem paradiso pinifero (Fichtelparadies), „kein Geschöpf ist, das nicht Gott