Die Weser und das Weserbergland. 293 hingeben; ruhig und glatt liegt die ins Grünliche spiegelnde Wasser- fläche vor ihm, und feierliche Stille herrscht ringsum in Feld und Wald; nicht selten sieht er an einer seichten Stelle unbeweglich einige Reiher, jene scheuen Fischräuber, auf ihre Beute lauern, ein schüchternes Reh aus dem Walde hervortreten oder gar einmal eine Otter ihren Kopf aus dem Wasser emportauchen. Und nach wenigen Minuten schon könnte er glauben, auf dem verkehrsreichen Rhein sich zu be- finden. Keuchend kommt ihm ein Schleppdampfer mit mehreren Bock- schiffen entgegen; vor sich erblickt er eine kühn über den Strom ge- worfene Eisenbahnbrücke, auf der gerade ein Personenzug dahinfaust; und auf einer zweiten am Ufer entlang führenden Bahn windet sich langsam ein Güterzug vorwärts, während in der Ferne auf hohem Ufer umfangreiche Fabrikgebäude mit mächtigen Schloten emporragen. So ist es die freundliche Wefer, welche, „in träumerischem Lauf durch grüne Auen herabfließend", der ganzen Landschaft etwas ungemein Liebliches verleiht; so ist es aber auch wieder derselbe Strom, welcher, die Ansiedelung der Menschen begünstigend, Handel und Industrie fördert und rafches, lautes Leben weckt. Ein wenig unterhalb der Stadt Hameln tritt die Weser, zunächst die nordwestliche Richtung beibehaltend, in ein weites fruchtbares Thal. Dasselbe wird am linken Ufer von den allmählich sich senkenden Höhen des Lipper Berg- und Hügellandes eingefaßt, welche großenteils mit Wald bedeckt sind. Am rechten Ufer aber erheben sich weiter, von dem Flusse entfernt, schroff und steil zu imposanter Höhe die langgestreckten Rücken oder einzelnen Bergkuppen des Süutels. In unzähligen Windungen schlängelt sich der Strom durch die reichgesegneten Fluren, und viele nahe bei einander liegende wohlhabende Ortschaften zeugen von der Fruchtbarkeit des vom Strom abgelagerten Bodens und dem Fleiße seiner Bewohner. Gleich unterhalb der Grenze der hamelnschen Feld- mark, wo noch einmal die Berge nahe zusammenrücken und das Thal verengen, gelangen wir der Weser folgend in die alte Grafschaft Schaum- bürg, die jetzt teils zur Provinz Hesfen-Nassau, teils zu Lippe-Schaum- bürg gehört. Malerisch auf einer dem Hauptgebirge vorgelagerten Bergkuppe gelegen, grüßt freundlich zu uns die Schaumburg herüber, der Stammsitz des früher hochangesehenen Geschlechts der Schaumburger. Etwas weiter unterhalb, da wo die Weser bereits ganz nach Westen sich gewandt hat, liegt Rinteln, die Hauptstadt der Grafschaft, und in der Nähe das alte ehemalige Nonnenkloster Möllenbeck. Enger wird hier das Thal; die Eisenbahn, welche von Hameln nach Löhne und weiter nach Osnabrück hindurchführt, muß das rechte Ufer verlassen und auf dem linken Platz suchen. Sie berührt dicht hinter der stattlichen Eisenbahn- brücke das malerisch gelegene, westfälische Vlotho, das in dem von steilen Bergen eingeschlossenen Thal kaum Platz findet. Hier wendet sich die Weser nach Norden, nimmt, wieder von einer Eisenbahn, der Köln-Mindener, überbrückt, bei dem berühmten Solbade Öhnhauseu die vom Teutoburger Walde kommende Werre aus, durchbricht, bald darauf ganz nach Nordosten umbiegend, in der sogenannten Porta Westfalica