100 Zur physischen Geographie. immer weiter dringend, 1607 die grönländische Küste, 1608 Spitzbergen, das er sich irriger Weise bis zum 82. Grade nördl. Br. ausgedehnt dachte, 1609 die Uferlande des heutigen Newyork und fügte diesen Entdeckungen 1610 die der Hudsousstraße und der meerartigen Hudsonsbai hinzu, indem er gleich- zeitig auf die außerordentliche Fülle der Pelzthiere aufmerksam machte, welche den hohen Norden Amerikas auszeichnet und bald dem englischen Großhandel ein neues ergiebiges Feld eröffnete. Wenige Jahre später folgte ihm William Baffin. Nachdem derselbe bereits mehrere Fahrten unternommen, gelang es ihm im Jahre 1616 die ungeheure nach ihm bezeichnete Bai in ihrer ganzen Ausdehnung zu umsegeln. Er drang nacheinander in den Smithsund, den Jonessund, den Lancastersuud; dann einen südöstlichen Curs verfolgend, arbeitete er sich längs der (ihm un- sichtbaren) Küste durch das Eis, um endlich der Cumberlandstraße gegenüber wieder Land und freies Wasser zu erreichen und nach England zurückzukehren. Es war eine ebenso entscheidende als gefahrvolle Entdeckungsreise. Denn sie zuerst hat den arktischen Seefahrern unseres Jahrhunderts in dem Lancaster- sunde das Thor zu der wirklichen Durchfahrt gezeigt, wiewohl Baffin selbst die Bedeutung jener Straße nicht erkannte. Er hielt sie für eine geschlossene Bucht, und erklärte daher bei der Rückkehr, es gebe keinen nordwestlichen Seeweg weder in der Hudsonsbai, noch in der Verlängerung der Davisstraße, da dieselben nichts anderes seien als Golfe in großem Stil. Dies offene Geständniß hatte zur Folge, daß die Baffinssee fast zwei volle Jahrhunderte nicht wieder befahren ward. Nur Walfischfänger besuchten die reichen Jagd- reviere derselben. Die nordwestliche Durchfahrt aber hatte all ihren lockenden Zauber verloren. Ihre Aufsuchung konnte fortan lediglich ein geographisches Interesse haben, und daher begreift sich, daß eben jetzt ein gewisser Stillstand in den arktischen Entdeckungen eintritt, von dem jedoch das mächtig anwach¬ sende Rußland eine Ausnahme machte. Denn in russischen Diensten begann mit dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts der Däne Vitus Bering jene Küsten- fahrten, die den amerikanischen Nordwesten und damit auch diejenige Meeres- straße erschlossen, durch welche die alte von der neuen Welt geschieden wird.*) Es ist eine lange Reihe friedlicher Eroberer, die wir überblicken, aber auch eine lange Reihe von Märtyrern. Eabot, der Erste, wird nur durch eine Meuterei seiner Matrosen, die ihn zur Umkehr zwingt, gerettet. Der edle Barentz findet, nachdem er alle Bedrängnisse eines arktischen Winters überstanden, auf Nowaja Semlä seinen Tod. Willonghby verhungert mit seinen Gefährten an der Mündung der Artschina, und erst Jahre nachher *) Sie heißt bekanntlich Beringsstraße, In der That aber hatte schon vor Bering der Russe Gwosdew dieselbe aufgefunden. (Peschel, Gesch. der Erdkunde. S. 413.)