126 Afrika. 36. 3 n R h a t. Erwin von Vary. Den 9. Oktober 1876, nachmittags 3 Uhr, hielten wir am Rande der Dünen vor Rhat, um unsere Reisekleider gegen Galagewänder nmzu- tauschen, unser Gepäck zu ordnen und etwas zu rasten; denn die Tages- Hitze war unerträglich. Hadsch Mustafa, mein Begleiter, sorgte dafür, daß mein Äußeres sowie mein geringes Gepäck den Europäer nicht ver- riet, und empfahl mir, so wenig als möglich auf alle neugierigen Fragen zu antworten. Um 5 Uhr durchzogen wir die Ebene, welche Rhat von den Dünen trennt, und bald fah ich ein dunkles Gewirre von Lehm- mauern vor mir, welches eiueu Hügel überdeckt, so daß die Häuser in der Mitte der Stadt weit über die anderen erhaben sind. Das Ganze hat einen festungsartigen Charakter; denn von außen sieht man nur wenig kleine Thore in den langen, braunen Lehmmauern, die ohne Unter- brechnng die ganze Stadt einschließen. Große Männergestalten, in lange, weiße Gewänder gehüllt, traten aus den kleinen Thüren, wobei sie sich tief bücken mußten; hier und da sah ich einen türkischen Soldaten; im ganzen war mir die Ruhe und Stille auffallend, da wir bei Annäherung an eine Stadt jenes Getöse von vielen Menschen und Wageu gewohnt sind. Hier giebt es keine Wagen, überhaupt keine Straßen in der Stadt, sondern nur enge Fußwege, und da überall reichlich Sand vorhanden ist, hört man keinen Schritt. Wir waren schon erwartet worden; denn Hadsch Mustafa hatte seine Ankunft gemeldet, so daß wir Diener bereit fanden, die unsere Sachen in Obhut nahmen und nach Mustafas Haus schaffte«. Alle Thore sind von Soldaten besetzt, die dem Eintretenden seine Waffen abnehmen und beim Verlassen der Stadt wieder einhändigen. Auf der Straße begrüßten mich viele Einwohner und drückten mir ihre Freude über die Ankunft eines Arztes aus, der nun, wie sie glaubten, bei ihnen bleiben würde. Ein steiler Weg führt hinauf zu den Ruinen eines früheren Kasr (Citadelle), welches auf dem Gipfel des Hügels angelegt war, der jetzt ganz von Häusern bedeckt ist; dicht daneben liegt Mustafas Haus, wo ich vorderhand mein Quartier nahm. Die Bauart der Häuser ist ungemein einfach. Meist tritt man durch die Skifa (Vorhalle) in den viereckigen Hofraum, von dem aus nach allen Seiten kleine Thüren in die Zimmer und Magazine führen, von denen je eines der einen Seite des Hofranmes entspricht. Ein zweites Stockwerk kennt man nicht, ebenso wenig giebt