204 Wanderungen im Sagenlande. und Hildegunde^ Flucht große Aufregung uud Zorn des Hunnenkönigs; aber Niemand wagte sich um deu Preis, deu der König für die Zurück- bringung Walthari's, des gefürchteten Helden, aussetzte, zn bewerben. Vierzig Male schon war die Sonne untergegangen, seitdem Walthari und Hildegunde die Königsbnrg der Hnnnen verlassen. Da ans einmal glänzte aus lichtem Waldsaum eiu Fluß zu ihnen herüber: es war der Rhein, und jeuseits am Ufer lag Worms, die Königsburg der Franken. Ein Fischer setzt Beide über, und Walthari giebt ihm zum Lohn von den Fischen, die er als Vorrath mitgebracht. Die Fische werden auf des Köuigs Tafel gebracht; verwundert forscht dieser nach, woher die ihm fremden Fische kommen: „Von einem gewappneten Fremdling, der übersetzte", sagt der Fischer, „rühren sie her, und der rasch in den Forst ritt; an seiner Seite sitzt mit ihm auf gleichem Roß eine Maid, schön wie Sonnenschein, und auf dem Rücken des Rosses hängen zwei Schreine, wie ich aus dem Klang hörte, mit Gold und Edelstem gefüllt." „Das ist Walthari, mein Gesell nnd Genoß an Etzel's Hose", ruft freudig Hagauo aus, „der heimreitet aus Hunnenland". Jubel schallte durch deu Saal; aber Guuthari, der König, stieß zornig die Tische um und sagte: „Jetzt ist Gelegenheit, deu Schatz wieder zu erlangen, den mein Vater den Hnnnen geben mußte. Auf, sattelt die Rosse!" Vergebens bat Hagano, des alten Freundes gedenkend, von der That abzustehen, und Gnnthari wählte der Mannen zwölf als Heeresgefolg. Walthari war unterdessen mit Hildegunde landeinwärts jenseit des Rhei- nes geritten in den schattig düstern Forst, Wasichenwald (Yosagus) genannt, des Weidmanns Freude, wo Jagdhorns Schall nnd Hundegebell so fröh- lich zusammenklangen. Dort ragen dicht beisammen zwei Berge in die Luft, Es spaltet sich dazwischen anmnthig eine Schlucht, Umwölbt von zackigen Felsen, umschlungen von Geäst, Und grünem Strauch und Grase, ein rechtes Räubernest. Hier ruhten die Flüchtlinge ans. Während Walthari, der schon lange des Schlafes entbehrte, in süßen Schlummer gesunken, hält Hildegunde Wacht. Da sieht sie auf einmal vom Bergesgipfel herab im Thale Staubes- Wirbel und Rossegetrab. Sie strich mit leisem Finger des Schläfers braunes Haar, und bald staud Walthari da im Glänze der Waffen. Hildegunde glanbt, es feieu die Hunnen, und will lieber sterben als ihnen überliefert sein. „Nein", sagt Walthari, nachdem er sich die Schar besehen, „Nicht Hunnen sind die Feinde, es sind nur dumme Jungen, Die hier im Lande wohnen, sind fränkische Nibelungen" (Franci Nebulones). und er erkennt unter ihnen Hagen, seinen alten Kampsgenossen, den er allein fürchtet wegen seiner List, und er stellt sich drohend an das Felsenthor. Der Name Nibelungen oder Nebellungen wird hier znm ersten Mal und am frühe- sten genannt. Noch einmal bittet Hagano, vom Kampfe abzustehen oder friedlichen Vergleich zu suchen. Walthari bietet dem Boten hundert goldrothe Spangen.