206 Aachen, die Kaiscrstadt. Die Aufstellung dieser beiden Figuren rechts und links auf gauz uumotivirte Pfeiler neben den Haupteingang trug jedoch keineswegs zur Verschönerung des ehrwürdigen Münsters bei. Schwerlich werden sie nach der Restauration diesen Ehrenplatz wieder einnehmen. Es wäre dabei immerhin gewonnen, auch auf die Gefahr hin, daß wir um eine Sage ärmer werden sollten. Die in den Schatzkammern des Münsters aufbewahrten Heiligthümer werden in große und kleine eingetheilt. Die vier großen sind: die Windeln Christi, das Tuch, welches um die Lenden des Gekreuzigten hing, das Tuch, auf welchem Johannes der Täufer enthauptet wurde und ein Kleid der Gottesmutter. Diese Heiligthümer werden in einem reich verzierten und mit Edelsteinen besetzten Schreine aufbewahrt, der ferner mit den Silberstatuetten des Heilauds, Marians, Karl's des Großen und der zwölf Apostel geschmückt ist. Die kleineren Heilig- thümer sind zahlreich und werden alle in kostbaren Monstranzen und mit Edel- steinen besetzten Truhen aufbewahrt. Eine besondere werthvolle Merkwürdigkeit ist der Sargschrein Karl's des Großen. Er ist, wie schon gesagt, im 12. Jahrhundert angefertigt worden, und seine Außenflächen zeigen Bildwerke deutscher Kaiser und Könige in vergoldetem Silberblech. Die Dachflächen bieten in flachen Reliefs Seenen und Sagen aus dem Leben des Kaisers. Eine zweite Kapelle enthält einen Marmorsarg aus spätrömischer Zeit, auf welchem der Raub der Proserpina dargestellt ist. In diesem Sarge sollen die Gebeine Karl's eine Zeit lang geruht haben, als sie aus der Gruft genommen waren, bis der neue Schrein fertig war. Außer diesen besitzt das Münster noch folgende Merkwürdigkeiten: den Krönungsmantel Richardis von Eornwallis, ein Meßgewand St. Bernhardts, die goldene Brautkrone der Margaretha von Aork, Gemahlin Karl's des Kühnen, ein auf Pergament geschriebenes Evangeliarium und einige goldene Platten mit Darstellungen aus der Passion aus den Tagen Otto's III., ferner das elfenbeinerne Jagdhorn Karl's des Großen, ein mit Edelsteinen besetztes Krenz von Kaiser Lothar, ein Sprenggefäß aus der Zeit der Ottonen und eine Menge anderer kleinerer kunstvoller Sachen aus alter Zeit. Keine Kirche Deutschlands ist so reich an werthvollen Alterthümern als eben das Münster in Aachen. Die großen Heiligthümer werden nur alle sieben Jahre dem Volke gezeigt, die kleineren jedoch, wie die anderen Werthgeräthe, kann man jederzeit gegen ein Entgelt in Augenschein nehmen. Auf dem Emporium des Münsters befindet sich auch der historisch merk- würdige Marmorstuhl, auf dem die Leiche Karl's des Großen in der Gruft saß. » Auf dieseni nahmen später die Könige nach der Krönung Platz und ertheilteu von hier aus den Ritterschlag. In der Mitte des Oktogons hängt an einer schweren Kette der von Friedrich Barbarossa geschenkte, schwer vergoldete, messingene Kronleuchter; unter diesem sind auf dem Fußboden in einer Stein- platte die Worte „Carolo Magno" eingegraben. Wie schon gesagt, hat man längere Zeit dies fälschlich für die Kaisergruft gehalten. Ueber der Sakristei befindet sich die Evangelienkanzel, ein Geschenk Kaiser Heinrich's II., ein seltenes, mit Goldblech überzogenes Werk. In der Mitte des Chores deutet ein flach- liegender Grabstein das Grab Otto's III. an; vor diesem steht ein Lesepult in Gestalt eines Adlers, ein Meisterwerk Aachener Kupfergießer aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts.