106 Bremen und die Wesermündung. 1803 befreite Bremen endlich auch von den Rechten der Oberherrlichkeit, die der Kurfürst von Hannover als Herzog von Bremen noch über verschiedene Teile des Gebietes geübt hatte. Ihm hatte noch der Dom, ein Gymnasium und 200 Häuser in der Stadt sowie auch das Recht zugestanden, einen Stadt- Vogt zur Verwaltung peinlicher Rechtshändel zu ernennen. Nach der Auflösung des Deutschen Reiches kam Bremen auf kurze Zeit in den Besitz völliger Unabhängigkeit, aber 1810 wurde es wie die übrigen Hanse- städte mit dem französischen Reiche vereinigt und der Hauptort des Departe- ments der Wesermündung. Die Departements-Behörden und der Titel „bonne ville" waren kein Ersatz für den gestörten Handel. In diesem Verhältnisse blieb es bis zum Jahre 1813, wo es von Tettenborn belagert, und da der französische Kommandant gleich anfangs getötet ward, auch sofort erobert wurde; am 6. November desselben Jahres trat der Senat wieder die Regie- rnng der „Freien Hansestadt Bremen", wie jetzt der Staat sich nannte, an. Im allgemeinen war zur Franzosenzeit das Schicksal Bremens dem von Hamburg gleich. Durch den Eintritt Bremens in das neue Deutsche Reich (1871) machten sich großartige Verbesserungen, namentlich auf dem Gebiete des Ver- kehrslebens geltend. Das Rathaus und die Rolandssäule. Nach dieser historischen Skizze kehren wir wieder zum Marktplatze zurück. Hier liegt, wie bereits bemerkt, das ehrwürdige und schöne von 1405—1410 erbaute Rathaus. Dem gotischen Kern wurde an der Ostseite in der Spätzeit der Renaissance (1612) noch eine Fassade vorgebaut, welche auf zwölf dorischen Säulen ruht und durch einen reichgeschmückten Erker und stattlichen Giebel sich auszeichnet. Als Bau- meister der Fassade wird ein Lüder von Bentheim genannt. Außer vielen allegorischen und satirischen Figuren, welche den Beschauern reichlichen Stoff zur Übung ihres Scharfsinnes darbieten, befinden sich nach dem Markte zu- gekehrt zwischen den Fenstern die Statuen des Deutschen Kaisers mit seinen sieben Kurfürsten, jeder mit seinen Emblemen, in Sandstein ausgehauen, ehr- würdig anzusehen. Vor dem Rathaus steht der berühmte 5,g in hohe, überdachte Roland, der im Jahre 1412 an Stelle eines hölzernen aus Stein neu aufgerichtet wurde. Am linken Arme trägt er einen Schild mit dem Reichsadler und der Umschrift: „Vryheit do ik ju openbar, de Karl (d. i. Karl d. Gr.) und menmch Vorst vorwar desser Stede gheghe ven hat, des danket Grode is min Radt." Der Roland, bekanntlich von Rückert in alliterierenden Reihen besungen, sieht nicht so grimmig aus, wie man aus dem Kopfe des Verbrechers zu feinen Füßen entnehmen sollte, schaut vielmehr freundlich und treuherzig drein. Die Rolands- fäulen, welche in Niedersachsen häufig vertreten sind, hält man wohl mit Recht für Rechtssäulen, an denen Gericht gehalten wurde. Nach Zöpfl haben sie eine dreifache Bedeutung: sie sind Blutgerichts-, Markt- und Mundatssänlen, wo- mit man fpäter noch die Bedeutung als Wahrzeichen der Reichssreiheit verband. Das bloße Schwert in der rechten Hand deutet gewiß aus die der Stadt ver- liehene peinliche Gerichtsbarkeit hin.