Neiße. 261 es sich hätte schützen sollen, zum Schutzherrn erwählte. Preußen rüstete gegen den Imperator mit Zusammenraffung aller Kräfte im Jahre 1806 zum Streit; aber bald nach der Kriegserklärung folgte Schlag auf Schlag. Schon am 13. Januar 1807 standen die Vorposten der mit den Franzosen verbündeten Bayern nur eine Meile von Neiße. Diese Feste, durch das Beispiel der übrigen gewarnt, auf lange Zeit mit Mundvorrat und Kriegsschützzeug, auch mit einer Besatzung von mehr als 8000 Mann ausgerüstet, stand unter dem Kommando der Ge- nerale von Steensen und von Wegern. Gegen Ende des Februar begann Vandamme mit württembergischen Hilfsvölkern die Belagerung. Die Besatzung der Festung hält sich tapfer trotz der fürchterlichsten Angriffe. Bomben und Granaten fallen in zahlloser Menge auf die Schutzwerke und Gebäude der Stadt. Ein Munitionskarren wird von einer feindlichen Granate getroffen, und mit einer alles erschü!ternden Explosion werden Artilleristen und Pferde zerstückelt. Eine Bombe schlägt in das Salzmagazin, die Kirche und das Kollegium der Jesuiten gerät in Feuer und die stolz sich erhebenden brennenden Türme gewähren ein schauerlich schönes Schauspiel; die schmelzenden Glocken entstürzen der Höhe, den in dem Kollegium geborgenen Mundvorrat verzehrt die Glut. Verwüstung folgt auf Verwüstung, Belagerer und Belagerte gönnen sich keine Ruhe. °Jm Anfange des Monats Mai hatte die Besatzungsmannschaft schon über 1000 Mann verloren; die Befestigungswerke waren durch das feindliche Geschütz zum Teil ruiniert; die Nahrungsmittel wurden immer knapper, trotzdem der einzelne Mann in der Woche nur 1/2 Pfund gesalzenes und 1j<.A Pfund frisches Fleisch erhielt. Obwohl gegen Ende des Mai die Mannschaft in Neiße auf zwei Dritteile der anfänglichen Stärke zusammengeschmolzen war, die Soldaten auch infolge des schweren Dienstes und der schlechten Nahrung meist kraftlos und kränklich waren, fo wurde doch im Kriegsrate, weil noch bis zum 15. Juni der Pulvervorrat ausreichte, beschlossen, die Verteidigung fortzusetzen; aber der Zustand der Dinge änderte sich durch eine Unterredung zwischen Vandamme und Steensen. Die beiden Generale einigten sich dahin, daß die Festung Neiße mit dem Fort Preußen, wenn bis Zum 16. Juni keine Hilfe anlange, an diesem Tage dem Belagerungskorps übergeben werden solle; daß aber bis zu diesem Termine alles in einstweiliger Verfassung und in Waffenruhe bleiben, von beiden Teilen keine neuen Arbeiten vorgenommen werden sollen; daß, wenn während dieser Zeit irgend ein Entsatz herankäme, der Waffenstillstand als beendigt anzu- sehen und die Garnison zu dem freien Gebrauche ihrer Verteidigungsmittel zu schreiten berechtigt sei. Zu diesem Schritte sah sich der Kommandant gezwungen infolge der beträchtlichen Verminderung seiner Garnison, des Mangels an barem Gelde, frischem Fleische und Heilmitteln. Auch war das Pulver schon auf nur 1900 Zentner geschmolzen, während über 6000 Zentner bereits verschossen waren. Am 15. Juni, dem Tage der Übergabe der Festung, zogen nur 3700 Mann Infanterie und Artillerie, 400 Mann Kavallerie ab; in den Lazaretten blieben über 600 Kranke und Verwundete zurück. Der Feind ehrte die Aus- dauer der Verteidiger des ihnen anvertraut gewesenen Platzes, besonders den Mut und die geschickte Umsicht der Artillerie und des Jngenienrkorps. Vandamme selbst schrieb am 15. Juni an den General Steensen, daß die Verteidiger Neißes bei ihm in hoher Achtung ständen und er es sich zum Ruhm anrechne, einem Feinde begegnet zu sein, der seiner Pflicht in so würdiger Weise genügte.