177. Charakteristik der einzelnen Landestheile und ihrer Bewohner. 539 Eigenschaften der Franzosen sich wenig aneignen können. Das Volk hat hier häufig eine gewisse Plumpheit und Schwerfälligkeit, eine Ungesälligkeit und Rauhigkeit im Betragen, ja, sogar manches Düstere und Trübe, was der Bauer im Limburgischen, Luxemburgischen, Brabantischen nicht kennt. Wie viel offener und liebenswürdiger ist dagegen der auch ernste Burgun- der! Diese Nordfranzosen, am meisten Menschen von unserer Art, sind gerade die Heftigen und Hossährtigen, die, jetzt lange romanisirt und verwälscht, sich einbilden, wir Deutsche müßten uns glücklich preisen, von ihnen erobert und beherrscht zu werden. Die Normandie darf mehr als irgend eine andere Landschaft germa- nisches Land heißen. Der Mensch der Normandie ist ein rüstiger, kräftiger, arbeitsamer Schlag, der beste Seemann, der beste Ackerbauer, Viehzüchter und Obstgärtner in ganz Frankreich, der durch seinen Fleiß und seine un- verdrossene Tüchtigkeit die Normandie in eine der schönsten Landschaften des Reichs verwandelt hat. Welch ein Unterschied, wenn man zwischen dem Bauer der Picardie und des Artois und dem um Caen und Ronen woh- nenden eine Vergleichung anstellen will! Dort häufig eine verschlossene, finstere Geberde, welche Trotz, Stolz und Jähzorn verkündigen; hier frische, helle Geberde und leicht und lustig hinfliegende Worte. Daher heißt der Normanne dem Franzosen der geborene Windmacher, der fanfaron, der Lär¬ mer, Schreier und Prahler. Von diesem normännischen und von dem westgothischen südlichen Stamm ist im Mittelalter die gewaltige französische Ritterschaft ausgegangen, welche allenthalben erschien, wo große Thaten zu thuu und kühne Unternehmungen zu wagen waren, immer voran auf allen Schlachtfeldern, und in allen Kriegsorden, unter den Templern, unter den Johannitern u. f. w., der Glanz. Die Kleinbriten in der Bretagne sind wieder ein gar eigenthümliches Völkchen, welches ein Jahrtausend seinen eigenen politischen Zustand und, obgleich ein französisches Lehn, doch eigene Selbständigkeit hat behaupten können. Sie haben offenbar viel mit dem englischen Wallifer, noch mehr mit dem Jrländer gensein, vorzüglich aber das gemein, daß sie in Anhäng- lichkeit an ihren Oberherrn, in Vasallentreue die meisten Franzosen immer übertroffen haben. Dieser Anhänglichkeit und Treue ist ihre Beharrlichkeit in alten Sitten und Gebräuchen gleich. Zuletzt die Mitte Frankreichs. Wer vermag dieses bewegliche, wechselnde, in unaufhörlicher Unruhe sich mit neuen Farben gestaltende Proteuswesen zu beschreiben? Lebendigkeit, Leichtfertigkeit, Lüsternheit, Lust an dem Jmmerneuen und Wechselnden, mächtiges Leben des Scheins, jenes esxrit, wie man den unbeschreiblichen wälschen Witz nennen muß, leichtes aber auch leichtsinniges Spiel mit Allem. Der Grundzug 7 in kleinlicher Selbstgefälligkeit sich spiegelnde Eitelkeit und Prahlsucht, welche bei einiger Aufwallung oder Aufreizung unleidliche Hoffahrt wird. Diefe Mitte Frank¬