516 XVII. Das Königreich Rumänien. Zunächst gelangen wir von der Balkanhalbinsel nach dem XVII. Das Königreich Rumänien. § 459. Rumänien besteht aus zwei von Natur vortrefflichen Ländern, die in einem großen Bogen um die Karpaten her liegen, die Moldau zwischen Bessarabien und Siebenbürgen, die Walachei im S. des letzteren, zusammen ein Gebiet von 130000 qkm. Sie waren bis auf die neuere Zeit zwei gesonderte türkische Vasallenstaaten, jeder unter einem „Hospodar" aus griechischen Fürstenfamilien (was mit dem I. 1711 begann). Seit 1802 standen diese Hospodaren unter dem „Schutze" Rußlauds, wirtschafteten aber nicht besser als ein türkischer Pascha. Gewöhnlich erlangten sie den Fürstenthron durch Ränke und Bestechungen in Konstantinopel, und saugten dafür ihr Land aus, mußten dann aber auch den Adel gewähren lassen. 1861 wurden die Moldau und Walachei zu einem Fürstentum Rumänien vereinigt, als dessen Herrscher das Volk 1866 den Prinzen Karl von Hohenzollern wählte. Durch den Frieden von Berlin 1878 erhielt Rumänien seine Un- abhängigkeit von der Türkei und 1881 wurde es als Königreich proklamiert. — Fast aller Landbesitz gehört dem Adel, den Bojaren (etwas über 4500 Familien), die meist in den Städten dem Vergnügen lebten, während sie ihre Güter durch Pächter aussaugen ließen und am Ende selbst zu Gruude giugeu. So blieben diese guten Lande in jeder Beziehung verwahrlost. Erst seit 1864 sind die Bauern, 3U der Bevölkerung, von den Frohndiensten erlöst und zu Grundeigentümern ans Staatsdomänen gemacht worden. Sie sind natürlich arm, wohnen in eleuden Erdhütten mehr unter als über der Erde, neben ungeheuren Schuppen von Flechtwerk (die übrigens sehr praktisch sind), und leben von Gurken, Kürbissen, Melonen und Mamaliga (Maismus), bei Wasser oder schlechtem Wein, in stetem Gleichmut. Doch ziehen sie das Hirtenleben dem Ackerbau vor, oder legen sich auf die faule Haut. Übrigens haben sie treffliche Pferde, vorzügliches Rindvieh, Schafe, auch Büffel und Kamele. Die Wege sind völlig roh, auf den Steppen finden sich Feldbrunnen, und zwischen den Dörfern einzeln stehende Wirtshäuser, wie in Ungarn. In ganz quellenarmen Gegenden besteht die Sitte, daß die Bewohnerinnen an alten Bäumen auf angenagelten, mit Schindeln bedeckten Gestellen frisches Wasser für die vor- überziehenden Durstigen aufstellen, — eine Pietät, die dem ganzen Orient eigen ist. Ein eigentlicher Bürgerstand fängt jetzt erst an mit dem Aufblühen von Handel und Gewerbe Wurzel zu fassen. Beide Länder haben jedoch zweierlei Landesart. Die an Siebenbürgen grenzen- den Gegenden liegen auf den Abhängen der Karpaten, und sind somit Bergländer, Kette an Kette, von wilden verheerenden Gebirgsströmen durchrauscht; weiterhin ist Hügelland mit einigem Weinbau, und endlich Tiefebene, unendlich fruchtbar, eine wahre Kornkammer, wenn sie ausgenützt würde (auch der Tabaksbau gewinnt immer größere Bedeutung). Hier liegen die wenigen „Städte", die indessen lange nicht so sauber sind, als in Deutschland die Dörfer. Städtisch ist bloß das Herz einer wa= lachischen Stadt — die mit Bäumen bepflanzte Gasse der Verkaufsläden europäischer und asiatischer Waren; um sie her liegen Erdhütten und zerfallende Häuser, weiterhin kommen die Löcher der Armen und draußen die Zelte der Zigeuner. Die Moldau, zwischen den Karpaten, dem Prnth und der Mündung des Sereth in die Donau gelegen, war einst ein großes Reich, zu dem auch die Buko- wina und Bessarabien gehörten. Sie ist fast ganz mit dem fetten Thonboden des Hügellandes von Podolien und Bessarabien bedeckt, dessen Fortsetzung sie bildet, von dem Sereth mit Bistritz und Verlad durchströmt und (gegen Rußland) von dem Prnth begrenzt. Vorherrschend betrieben wird Schweine-, auch Geflügelzucht und, wegen der Menge herrlicher Lindenwälder, die Bienenzucht. Salz bei Okna am Gebirge. Die Gewerbe liegen in den Händen der Inden und etlicher Deutschen.