mit der das ganze Dorf und jedes einzelne Gehöft angelegt war, und die blinkende Sauberkeit von Haus und Hof. Malerisch ist ein solches deutsches Stepperiöorf allerdings nicht, darin unterscheidet es sich von den Dörfchen der alten schwäbischen Heimat. Es fehlen die krummen Gassen, die überhängenden spitzen Giebel, die sich wie eine Herde Küchlein unter dem Schutz der Kirche zusammendrängen, es fehlt der munter plätschernde Dorfbrunnen und der grüne Kranz von Obstbäumen, hier ist alles breit und einstöckig mit viel Raum- Verschwendung hingestellt. Der rauhe Wind der Steppe läßt den Obstbaum nicht aufkommen, das Wasser mutz mit dem Windmotor aus der Tiefe der Erde heraufgeholt werden, kurz, der ganze Eindruck des Dorfes ist nüchtern, zeigt aber sicheren Zweckmäßigkeitssinn und behäbigen Wohlstand. Diesen Wohlstand dankt der deutsche Bauer dort unten neben seinem Fleiß dem Reichtum des Steppenbodens. Man macht sich kaum eine Vorstellung von der Fruchtbarkeit dieser Schwarzerde, die genährt und immer wieder neu auf- gebaut ist von den Myriaden mannshoher Gräser und Blumen, die aus ihr emporsprießen, um verwelkend und verwesend sie ständig zu erneuern. Seit nunmehr hundert Jahren sät der deutsche Bauer in dieselbe fette Scholle, ihr mit kleinem schwachen Pflug nur die haut ritzend, seinen Weizen. Niemals führt er ihr auch nur eine Krume Düngers zu, aber mit ungeschwächter Frucht- barkeit bringt dieser Boden jedes Jahr ein wogendes Meer der schwersten Weizenähren hervor, fln anderer Stelle wieder dient er meilenweit zur üppigen Weide für die Schafherden des Kolonisten' Rein Wunder, daß der Fleißige vorwärts gekommen ist und daß heute der Durchschnittsbauer dort unten Weizen- land von 150—200 Morgen und mehr besitzt. Einzelne sind sogar riesengroße Grundbesitzer geworden. Besitzt doch dort unten eine einzige Familie, die Falz- Fein, einen Güterkomplex von der Größe des Herzogtums 5lnhalt mit rund 300 000 Morgen Ackerlandes und 200 000 Schafen — ein kleines Steppen¬ königreich ! In Groß-Liebenthal ist trotz des Obengesagten hinter jedem Hause ein stolzer Düngerhaufen aufgeschichtet- aber er stellt die holz- und Kohlenkammer des Bauern dar. vom Steppenwinde gedörrt und dann in viereckige Stücke zerlegt, ist er in der baumlosen Steppe das einzige, übrigens vortreffliche und saubere Heizmaterial. Dort in Groß-Liebenthal haben wir im gastlichen Hause eines der an- gesehensten Kolonisten aus schwäbischem Blut fröhliche und gemütliche Stunden verlebt, bis wir nach nur zu kurzem verweilen und herzlichem Abschied quer durch die Steppe zur Hafenstadt zurückkehrten. Mit Staunen haben wir ge- sehen, welch eine Fülle von blühenden, gemeinnützigen Einrichtungen dieses ferne deutsche Dorf sich geschaffen hat. Da gab es eine Sparkasse, eine Konsum- anstalt, ein stattliches Gemeindehaus, ein Krankenhaus, in dem 5lrzt und 5lpo- theker kostenfrei zur Verfügung stehen, eine Gemeinde- und höhere Bürger- schule, ja sogar eine höhere Mädchenschule, zu der die Kinder aus weit ent- legenen kleineren Kolonistendörfern gesandt werden. Die hübscheste und freund- lichste Erinnerung an den gastlichen Tag im deutschen Steppendorf ist unser Besuch in der Gemeindeschule, wo uns im Schulhof hunderte von deutschen Blond- und Braunköpfen mit blanken 5lugen fröhlich umsprangen, um den fremden Landsmann mit herzlichem ,,Grüß' Gott zu bewillkommnen. War das eine Freude für die muntere Schar, als wir sie auf der breiten Treppe ihres stattlichen Schulhauses, dessen Bausteine die Liebenthaler mit großen