A. An der deutschen Meeresküste. 1. Ebbe und Flut — Sturmflut. Für eine Bewegung der ungeheuren Wassermassen, welche den Oeeau erfüllen, ist hinreichend Sorge getragen. Nicht nur erregen regelmäßig und unregelmäßig wehende Winde die Oberfläche des Meeres bis zu einer gewissen Tiefe, sondern es durchsetzen auch gewaltige Strömungen, die bis in die untersten Wasserschichten hinabsteigen, allenthalben die weitgedehnte Wasserwüste. Dazu kommt aber eine höchst regelmäßig pulsierende, aus- und absteigende Beweguug, die das Meer fast als ein Lebewesen erscheinen läßt (was in der That vor mehr als 200 Jahren geglaubt wurde), uud die unter dem Namen der Ebbe und Flut oder der „Gezeiten" bekannt ist. Will man dieses Steigen und Sinken, dieses Zurückweichen und Wiederkommen der Wassermassen beobachten, so findet man als Deutscher dazu an der Nordseeküste die beste Gelegenheit, während die Ostsee als ein Binnenmeer diese perpendikuläre (auf- und abgehende) Be- wegung fast gar nicht zeigt. Zweimal innerhalb 24 Stunden stellt sich die Flut ein, und zweimal in derselben Zeit sinkt das Wasser zur Ebbe herab. Da aber jeden folgenden Tag die Flut etwa 50 Minuten später eintritt als am vorhergehenden, und ebenso der Mond 50 Minuten später kulminiert (den höchsten Punkt seines Bogens über dem Horizont erreicht), so muß zwischen beiden Erscheinungen ein gewisser Zusammenhang bestehen. In der That weiß man seit Newton, daß die Gezeiten eine Folge hauptsächlich der Anziehungs- krast des Mondes, teilweise auch der unserer Sonne sind. Zum Zeichen, daß sie diese Anziehungskraft fühlt, erhebt sich die Erde in ihrem beweglichsten Teile, dem Wasser, täglich zweimal zu den besreundeten Himmelskörpern. Stürme ändern das gewöhnliche Verhältnis zwischen Ebbe und Flut wesentlich; die Ebbe ist dann weniger bemerklich, während die Flut ihre Normalhöhe bedeutend überschreitet. Stürme aus Nordwest sind deshalb auf der deutscheu Nordseeküste sehr gefürchtet. Die Flut hat man sich als eine große Wasserwelle gedacht, welche in irgend einem weiten Meere entsteht und sich von hier aus — von Ost nach West sort-