78 B. Auf der Apenninhalbinsel, außerordentlich angezogen. Immer sind hier die antiken Gegenstände in lehr- reicher Weise zusammengestellt. So finden wir in einem Räume alles beisam- men, was sich auf die Rennen und Wettfahrten bezieht; so sehen wir den himmlischen Chor der Pieriden (Musen) vollständig versammelt, geschart um die gemeinschaftliche Mutter Mnemosyne. Ein Besuch der Museen im Belve- dere (so heißt der Flügel des Vatikans, in welchem die Kunstsammlungen untergebracht sind) lohnt allein die Reise nach Rom. Mit freudiger Begeisterung betrachtet der Kunstfreund die berühmte Grnppe des Laokoon sowie den gött- lichen Apollo. Er verweilt bei der Statue des Kaisers Angustus, der im Panzer, aber mit entblößtem Kopf und entblößten Füßen vor ihm steht; er erfreut sich an der schönen Gruppe des Flußgottes Nil, der halb aufgerichtet am Boden liegt und 16 reizende Kinder auf sich herumklettern läßt. Im Vatiean befindet sich auch die bekannte Sixtinische Kapelle. Wer in diesen Räumen am Vorabend des Charsreitags weilte, unter uralten, eintönigen Trauer- liedern eine Kerze nach der andern auslöschen sah und endlich, nachdem eine Weile lautlose Stille geherrscht, das berühmte Miserere singen hörte: der kann den Eindruck nie wieder vergessen. Still nnd zurückgezogen lebt in den ehrwürdigen Räumen des Vaticans der heilige Vater, der „Knecht der Knechte Gottes", der sich, seit Rom die Hauptstadt Italiens ward (1. Juli 1871), als den „Gefangenen des Vaticans" betrachtet. Nur selten zeigt er sich in seinem Glänze; dann aber sieht man ihn in der dreifachen Krone, um seine Schultern wallt der fürstliche Purpurmantel, Kammerherrn tragen seine Schleppe, Nobelgarden und Schweizer bilden seine Schutzwache. Seit der Papst nicht mehr der alleinige Herrscher Roms ist, hat er seine Funktionen in der Peterskirche eingestellt. Ostern 1870 war es das letzte Mal, daß er über den Petersplatz hin der Stadt und dem Erdkreis (urdi et orbi) seinen Segen spendete. Die Engels bürg auf dem rechten Tiberuser ist ein ungeheurer, runder Turm, ursprünglich das Grabmal Kaiser Hadrians, das sich im Lause der Zeit in eine Festung verwandelte. Täglich zeigt von der Engelsbnrg herab ein Kanonenschuß an, daß die Sonne in den Meridian getreten. Am wunder- barsten aber ist die Engelsburg, wenn sie am 1. Sonntag des Monats Juni (dem Versassungsseste) in jenem großartigen Feuerwerk erstrahlt, das unter dem Namen der Girandola bekannt ist. Über die Engelsbrücke, die schönste Roms, gelangen wir nun wieder nach dem linken Ufer des Stroms und wenden uns nach einem der größten und belebtesten Plätze im nördlichen Teile der Stadt, nach der Piazza del Popolo. Drei Hauptstraßen, von denen die mittlere der Eorso ist, münden hier ein. In der Mitte des elliptisch geformten, mit Springbrunnen geschmückten Platzes erhebt sich der mit Hieroglyphenschrift bedeckte Obelisk, welchen einst Augüstus auf dem Circus Maximus aufstellen ließ. Rasch gelaugt man von der schönen Piazza hinauf uach dem Monte Pincio,