272 F. Österreich-Ungarn. 53. Volksbräuche und Volksglaube in Steiermark. Auf dem Lande und in den versteckten Gebirgswinkeln hat sich in Steier- mark mancher Brauch erhalten, der aus der alten germanischen und flavifchen Vorzeit stammt und in den kirchlichen Festzeiten oder bei der Feier von Familienfesten (besonders Hochzeiten) zum Vorscheine kommt. Der langen Fastenzeit, welche in der katholischen Kirche mit der Aschermittwoch beginnt, geht der Fasching voraus, die Zeit, iu welcher man sich noch einmal allen möglichen Vergnügungen überläßt. Tanz und Schmausereien nehmen in dieser Woche kein Ende, beginnen mit Donnerstage vor Aschermittwoch und werden besonders am daraus folgenden Faschingsonntage und Faschingdienstage fort- gesetzt. In dieser Zeit ist man mit Sieden und Braten unablässig beschäftigt und vertilgt Krapfen, Schmarrn, fettes Schweinefleisch und andere fette Speisen, die der Älpler so sehr liebt, in ungeheuren Mengen. Von diesem Donners- tage an darf nicht gearbeitet werden; selbst die Spindel ruht; denn die Spinnerin weiß, daß das in der Faschingszeit angefertigte Gespinst sicher vom „Pfingsttag- Weibl" (den fünften Wochentag nennt man noch allgemein den „Pfingsttag") wieder aufgelöst nnd zerstört wird. Das ist offenbar eine Erinnerung an die altgermanische Göttin Perchta, die das Korn- und Flachsfeld behütet, und in Salzburg wird zn dieser Zeit von phantastisch geschmückten Mannspersonen der „Perchtentanz" aufgeführt. Der Faschingsonntag heißt in einigen Gegenden Steiermarks der „Burschen- sonntag". An diesem Tage lassen die jungen Burscheu des Dorfes ihrer Heiterkeit die Zügel schießen, führen allerlei Schelmerei und Schabernack aus und ver- anstalten Mummereien und Maskenzüge in ursprünglichster Form. Für Tanz- lustige ist der Sonntag der Faschingswoche der Hauptfesttag. Kein Bnrfche, keine Dirne bleibt an diesem Tage daheim; denn im Dorfwirtshause giebt es Freimusik, bei der fich alles munter im Tanze dreht. Der darauf folgende Tag ist auch unter dem Namen „blauer Montag" bekannt, weil in der katholischen Kirche früher die Sitte herrschte, am Faschingmontage das Gottes- haus (angesichts der nahen Fastenzeit) mit blauen Tüchern auszuschlagen, Das lustige, tolle Lebeu wurde auch an diesem Tage fortgesetzt; der Handwerker stellte seine Arbeit ein, der Bauer that uur das Nötigste. Iu manchen Gegenden heißt dieser Montag anch der „damische", d. h. der närrische, tolle. Die deutschen Handwerksgesellen haben iu der Folge jene Sitte des „blauen Montages" ans alle Montage im Jahre ausgedehnt nnd lieben es, am ersten Tage der Arbeits- woche „blau^-zn machen". Am Faschingdienstage findet in Steiermark vielfach das „Faschingsrennen" statt. Darunter versteht man einen von ledigen Burschen ausgeführten Umzug.