30 der Geißbub, der seine Schutzbefohlenen täglich heraustreibt und dem neuesten Dorfklatsch mitteilt. Sanft verläuft mit Ausnahme kleiner Unterbrechungen, welche die „Einsegnung der Alpe" *) oder der Fremden¬ besuch bringt, das Leben gleichförmig zwischen Arbeit und Ruhe. Das sind die rosigen Tage des Almlebens. Es giebt aber auch, trübe und bittere. Wenn sich der Himmel verfinstert, tiefhängende Wolken- mnssen sich heranwälzen und der sausende Sturmwind in den Felsklippen heult, wenn der Blitz Schaden anrichtet, Schnee und Hagel einfällt oder Wildbäche und Lawinen Hütten, Weg und Steg zerstören, wenn Seuchen und Sterbesülle eintreten, dann ist es mit der Poesie und Gemütlichkeit auf den Almen oft aus lange Zeit vorbei! Besonders oft naht das Un¬ glück in Gestalt eines Hochgewitters. Wenn an einem Sommertage die Sonne recht heiß niederbrennt, so daß selbst der eisige Gletscherhauch die drückende Schwüle uicht zu lindern vermag, wenn der Ferner schwarz aussieht, iu deu Klüften der Wind heult und die Kühe matt die Ohren hängen lassen, dann schließt der Senne aus ein nahendes Gewitter und trifft seine Vorbereitungen. Und wirklich! Allmählich krriechen schwarze Wolken heran, die immer tiefer und tiefer niederhäugen, daß sie fast die Tannenzipfel zu berühren scheinen. Alles wird finster, in einzelnen Stößen führt der Wind durch die Büsche, und der erste Blitzstrahl zuckt flammend über die Felsen. Da stutzt das Vieh, das bis dahin ahnungslos geweidet hat, und drängt sich erschreckt und zitternd um die Wettertanneu. Immer heftiger bricht das Wetter los, Blitz folgt auf Blitz, Schlag auf Schlag, links und rechts fährt der Fenerstrahl irr die Bäume, der Hagel prasselt, der Sturm heult, der Regen gießt wie aus Scheffeln herab. Wehe, wenn das Un¬ heil zu fchuell gekommen, so daß kein sicherer Platz mehr erreicht werden konnte! In schauerlichen Tönen halb stöhnend, halb brüllend, stiebt dann das erschreckte Vieh mit vorgestrecktem Kopfe und aufgeworfenem Schwänze blindlings auseinander, und statt einen sicheren Ort zu finden, stürzt es in Abgründe oder verirrt es sich iu unzugängliche Felsenwüsten, aus 0 Bald nach dem Auftriebe des Viehes geht der Pfarrer, begleitet vom Meßner,, hinauf zur Alm, wo ihn der Senne im Festtagskleide erwartet. Dort nimmt er ein Frühstück. Unterdessen treibt der Senner das Vieh in den Hag, ein anderer zündet die Kerzen an, und die Einsegnung geht vor sich. Sie besteht in dem Lesen von diesbezüglichen Gebeten und darauffolgender Besprengung und Einsegnung der Hütten, sowie der Gerätschaften, des Personals und des Viehes, das klingelnd und brüllend die Gruppe umsteht. Alles geschieht, um Hütte und Vieh vor dem Spuk und Einfluß böser Wetterhexen und schadenfroher Kobolde zu bewahren und um füv den Ertrag des Alpennutzens den Segen des Himmels zu erflehen.