— 78 empor und geradeaus, genau im Süden, erblicken wir Capri und die sorrentinische Halbinsel. Im ganzen ist es aber doch eine ununter¬ brochene Kette von Menschenwohnungen, durch die wir südostwärts dahin wandern. Bald durchschreiten wir Portici, und an dieses schließen sich die Häuser von Rosina an, die zum größten Teile auf den Lavaströmen erbaut sind, die das alte Herkulanum decken. Auf den Straßen und Gassen, die wir berühren, an den Hecken, längs den Wegen zeigt sich uns das Menschenleben wieder in offenster Weise, „in mannigfachen Verrichtungen, in wechselnden Szenen, bald naiv rührend, bald lächerlich, wrohl auch anstößig durch Natürlichkeit; Männer in spitzen Hüten, ernst und braun, mitunter launig und ausgelassen, immer aber maßvoll; reizende halb oder ganz nackte Buben, mit verwildertem Haar, ähnlich den Engel¬ knaben auf Rafaels Madonna von Foligno; Frauen schreitend mit dem Korbe auf dem Haupte, voll Würde und Haltung, mit Augen ausdrucksvoll, fremdblickend, schwarz wie die Nacht. Es sind Kinder eines sonnigen Landes, träge und leidenschaftlich zugleich, ebenso fleißig als sorglos.-' Von ihrer Hand sind alle die Öl- und Wein¬ gärten gepflanzt und unterhalten, die die Küste weithin bedecken, und Weinstock und Ölbaum fordern viel Arbeit — Düngung und Auflockerung des Bodens, Reinigung, Beschneidung, Vorsicht bei Lese der Früchte usw. Aber nicht bloß Gärtner, auch Fischer und Schiffer sind die Bewohner dieser Küstenlandschaft, sie flicken und trocknen ihre Netze, sie zimmern an den Balken halbfertiger und beschädigter Boote u. a. m. (Hehn). — Von Rosina aus besteigen wir den Vesuv. Auf einem Maul¬ tiere reiten wir die sanft ansteigende, aber steinige und schlecht gangbare Straße in die Höhe, anfangs zwischen einzelnen Ansiede¬ lungen dahin, dann von üppigen Pflanzungen von Wein, Feigen und Oliven umgeben, welche Mauern oder Dornhecken, oft auch Agaven oder Aloe von uns scheiden. Mit sicherem Tritt, unbe- zwinglich hartnäckiger Langmut, aber unfehlbarer Klugheit schreiten unsere Tiere über zerrissenes Pflaster und steiniges Geröll aufwärts, oft in Schlangenwindungen den bequemsten Pfad wählend. Immer tiefer wird die Asche, die lose, staubig rings den Boden bedeckt, immer dürftiger wird der Anbau. Die Weinstöcke stehen spärlich im heißen Staube, aber um so glühender und süßer schmecken „in des Herbstes reifen Tagen" ihre köstlichen Früchte. Bald bleiben auch sie hinter uns zurück, und unser Blick begegnet nur noch