23 Die den Aeolcrn zunächst sich anschliessenden Tyrse- ner oder Tyrsenischen Pelasger') scheinen sich, aus Argos, Acarnanien, Theben, Athen, Creta, den Westküsten Kieinasiens vertrieben, zum grössten Theile nach dem Westen — namentlich Italien (s. §. 134) — gewendet zu haben, zum Tlieil auch nach den nördlichen Küsten und Inseln des Aegaeischen Meeres, wo sie auf Pallene, am Alhos, an der Propontis, auf Leinnos, Imbros und Samothrace sich noch in historischer Zeit finden und erst von den Colonien der Chalcidischen und Asiatischen Ionier, zum Theil erst von Athenern unterworfen oder unter sich aufgenommen wurden. Sie sowohl, als die gleichfalls pelasgischen (d. i. den ältesten Hellenen nahestehenden) aber mit Illyriern vermischten Epirotischen Völker, zu denen der Abstammung nach auch die Macedonier gehören, wurden von den Hellenen selbst in ihrer besten Zeit durchaus als Barbaren betrachtet, wie diess auch bei den, den Griechen nächstverwandten süditalischen Völkern der Fall ist. §. 105. Vermischung der Stämme und politische Gegensätze in der historischen Zeit. Diese ursprünglichen Stammunterschiede lassen sich aber in den uns genauer bekannten historisehen Perioden keines¬ wegs mit solcher Bestimmtheit nachweisen, indem schon im Mutterlande bei der Dorischen Wanderung und früheren ähnlichen Völkerzügen die Besiegten nie ganz auswanderten, vielmehr die zurückbleibenden den Eroberern, als herrschen¬ dem Adel, unterworfenen Bewohner jene an Anzahl, meist wohl auch an Bildung weit übertrafen, und daher auf die Eigenthündichkeit und besonders die Sprache des herrschen¬ den Volks den grössten Einfluss ausübten. Wiederum trat in den Colonien eine noch grössere Mischung der Stämme ein, da meist unter Führung des herrschenden Staates Un¬ terworfene desselben von verschiedenem Stamme (z. B. Achaeer und Aeoler in last allen von Dorischen Staaten ge¬ gründeten Pflanzstädten, in den Argeischen auch Ionier) in grösserer Zahl an der neuen Gründung Tlieil nahmen, oder sogleich Staaten verschiedenen Stammes sich zu einer solchen vereinigten (z. B. Locrer, Achaeer und Dorier, Achaeer und Boeoter u. s. w.), oder frühere Gründungen durch neue Co- lonisten eines andern Staats (wie die meisten späteren Athe¬ nischen Colonien in Thracien) verstärkt wurden, oder end¬ lich, wie in den spätem Colonien (z. B. Thurii, namentlich aber in den griechischen Anlagen der Macedonischen Epoche) allgemein geschah, Griechen von allen Stämmen und Staaten sogleich als gleichberechtigte Bürger aufgenommen wurden. Andererseits ist nicht zu übersehen, welchen bedeutenden Einfluss die geographischen und climalischen Verhältnisse der griechischen und von Griechen bewohnten Landschaften im Laufe der Jahrhunderte auf die Umbildung der Eigentüm¬ lichkeiten (auch der Dialekte) der einzelnen Stämme hatten, so dass dadurch Völker von ursprünglich gleichem Stamme verschiedene Charaktere erhielten (wie Attica und das asia¬ tische Ionien), umgekehrt andere von verschiedenem Ursprung sich ähnlich wurden (wie die Dorischen und Aeolischen Staaten der Peloponnesus u. a.). Es folgt daraus, wie es auch die ganze Geschichte Griechenlands lehrt, dass die Tren¬ nung der Griechischen Stämme, wie sie nach den Angaben der Alten auch auf der Karte durchzuführen versucht ist, im *) Die Form Tyrrhener, Tuppijvoi, kommt erst bei späteren Schrift¬ stellern vor, die ursprüngliche ist lipayvot, vielleicht zusammenhängend mit Ttyxnr (lat. turris), da diesen Pelasgern die Erbauung der uralten sogenannten cyclopischen Mauern vonliryns, Mycenae, Argos, Athen u. a. zugeschrieben wird. wirklichen historischen Leben der Nation nicht so scharf und bestimmt hervortrat, sondern durch mannigfache Übergänge j vermittelt und überhaupt im Laufe der Jahrhunderte immer mehr verwischt wurde, so dass sich später ein mehr poli- j tisc h e r Gegensatz ausbildete: zwar zunächst auf der Grund¬ lage der Dorischen (mit Anschluss der Aeolischen) und ) der Ionischen Nationalität, unter Hegemonie Spartas als der Hauptlandmacht, namentlich unter den Peloponnesicrn, und Athens als des ersten unter den Seestaaten; jedoch so, dass eine Zahl Aeoljscher und Dorischer Seestädte (in Asien, auf den Inseln, Corcyra u. a.) zur Partei Athens hal¬ ten, andere Dorische Staaten, wie Argos und Creta, sowie die Achaeer, neutral bleiben, und sich so ebenfalls ihrer natürlichen politischen und Stammes-Verbindung mit der Pe- loponnesischen oder Dorischen Partei entziehen '). Diese Gegensätze der Dorisch-Aeolischen und Ionischen Staaten verschwinden mit der Schwächung ihrer Haupt¬ mächte — Sparta, Theben, Pbocis, Athen, besonders durch die dauernde Unterwerfung unter Macedonischer Oberhoheit; an ihre Stelle tritt ein neuer Gegensatz zwischen Pelopon¬ nesus und Nord-Hellas in den westlichen Aeolischen Staaten, den Bundesstaaten der Achaeer und Aetoler, welche (um 280 v. Chr.) gegen jene Fremdherrschaft sich erhebend, zum ersten Mal selbständig handelnd in der Ge¬ schichte auftreten **). Die Aetoler vereinigten mit ihrem Lande das westliche Locris, Doris, die südlichen Thessali- sclien Gränzgebiete der Aenianer, Doloper, Malier, auf einige Zeit auch das den epirotischen Königen abgewonnene Am- bracia (bis letzteres, nebst dem den Aetolern feindlichen Acarnanien 220 v. Chr. von Macédonien occupirt wird); in der Peloponnesus sind ihnen die stammverwandten Eleer ver¬ bündet. Die Achaeer vergrössern ihrer alten Zwöllstädte- bund zunächst durch die früher Dorischen Staaten Sicyon, Phlius, Corintlius, welche seit dieser Zeit auch gewöhnlich zur Landschaft Achaia gerechnet werden ; seit 240 v. Chr. schliessen sich ihnen an: Megaris, ganz Argolis, Arcadien (ausser den noch längere Zeit von Macédonien abhängig ge¬ haltenen östlichen drei Städten: Tegea, Mantinea, Orclio- inenos) und Messenien; in seiner grössten Ausdehnung (seit 192 v. Chr.) begreift der Bund auch Sparta, Athen, ßoeolien, Phocis, Ost-Locris und Euboea. Da der politische Na me der Achaeer von allen diesen Bundesstaaten geführt wurde, welche den Kern des eigent¬ lichen Griechenlands bildeten, so wurde dieses als Land von den Römern in dieser Zeit nur Achaia genannt, welcher Name natürlich bestehen blieb, da es nach Auflösung beider Bündnisse 146 v. Chr. in Abhängigkeit von Rom trat; dass es nicht gleich andern unterworfenen Ländern (wie selbst Thessalien und Acarnanien, welche resp. bei Macédonien und Epirus bleiben) eigentliche Provinz wurde, sondern die einzelnen Staaten mit freien Municipalverfassungcn in ihren Gebieten (deren Gränzen seihst noch unter den Römischen Kaisern mehrfachen Veränderungen unterlagen) bestehen blie¬ ben, ist bekannt; das Römische Element wurde besonders seit Caesar befestigt durch Anlegung der italischen Colonien *) Gipfelpunkt dieser politischen Gegensätze im Peloponnesischen Kriege ; s. Darstellung des damaligen Zustandes der Griechischen Staa¬ ten , doch mit Berücksichtigung der späteren Zeit, auf Taf. VII.; das unmittelbare Gebiet und die Colonien und Unterthanen Athens —• Euboea, Naupactus, Amphipolis mit Umgebung, Thasus, die Thracische Cherso¬ nesus — sind mit der Farbe Athens umzogen; die factiscll abhängigen sogenannten Bundesgenossen Athens mit derselben Farbe nur unter¬ strichen. *’) S. ihre grösste Ausdehnung, zugleich mit der des Macedonischen Reiches auf Taf. IX. Corintlius (Sitz dos Römischen Proconsuls und somit wie¬ der Hauptstadt der Provinz Achaia) und Patrae. Politische Zustände lind Be^ränzuiigen der einzelnen Hellenischen Staaten in historischer Zeit. §. IO». Peloponnesus. Acolisclic Stnaten. Achaia. Seit ältester Zeit ein Bund von 12 autonomen Städten, von denen die Hauptorte Patrae und namentlich Ae gi u in waren; die übrigen sind Dynie, Olcnus, Pharae, Tritaea, Rhypae, Bura, Helice (diese beiden 380 v. Chr. durch Erdbeben zerstört), Aegae, Aegira, Pellene. Letzteres schlicsst sich zur Zeit des Peloponnesischen Krieges an die benach¬ barten Dorischen Staaten der Argolis an: statt des gesunkenen Aegae und Rhypae treten in späterer Zeit (280 v. Chr.) Ce- rynia und Leonlium in den Bund ein. 1dl is (7Ikict) begreift zunächst das nördliche oder eigent¬ liche Elis, von Aetolern in Dörfern bewohnt, die erst 463 v. dir. die nach dem Lande benannte Hauptstadt erbauten (deren Hafenstadt Cyllene); ferner das Aehaeisch - Aeolisclie Milteiland am Alpheus, nach der alten mythischen Hauptstadt Pisa (bei welcher der heilige Bezirk Olympia, zur all¬ gemein hellenischen Festfeier der Olympiaden, keine Stadt) Pisatis benannt, seit 570 v. Chr. den Eleern unterworfen; endlich im Süden das ursprünglich von Arcadischen Parorea- ten bewohnte, dann von Aeolischen Minyern besetzte Küsten¬ land Tr i p li y I i a, ein Bund von 7 kleinen Städten (Ilauptort Lepreum), ebenfalls früh von den Eleern unterworfen, mit Spartanischer Hülfe häufig selbständig, endlich seit 398 v. Chr. von Elis unabhängig und an Arcadien angesclilossen. (Dieser Strich ist gemeint, wenn einige Autoren dieser Zeit Arcadien bis zum Meere reichen lassen.) Arcadia, in älterer Zeit Königreich, besteht später ohne feste Bundesverfassung aus einzelnen Republiken, wo¬ von die westlichen, nördlichen und östlichen zugleich be¬ deutende Städte sind: Phigalia, Heraea , Thelpusa, Psophis, Clilor, Pheneos, Stymphalus, Orchomenus, Mantinea, Tegea; das ganze südliche Land hatte nur kleine Land¬ städte und Flecken, welche in einzelnen Cantons oder Land¬ schaften unter einander verbunden waren, als: Cynuria (bud. Stadt Gortys), Parrliasia (wo die uralte Stadt Aegys genannt, die aber schon früh von Sparta erobert wurde), Eutresia, Maenalia; diese sämintlich nebst den früher vielleicht auch selbständigen, zur Zeit des Peloponnesischen Krieges aber unter Orcliomenos stehenden Orten des innern Landes, Mc- tliydrium, Tliisoa, Teuthis, wurden seit 370 v. Chr. zum Ge¬ biete der neuerbauten Hauptstadt Megalopolis vereinigt. §• 107. Peloponnesus. Dorische Staaten. Nlcsscina, in ältester Zeit besonderes Dorisches König¬ reich, östlich bis zum Fluss Clioerius ausgedehnt, dann durch die ersten Spartanischen Eroberungen am Fluss Nedon bc- gränzt, endlich um 670 v. Chr. ganz von den Spartanern erobert und daher in der Zeit der Perserkriege und des Pe- loponnesischen Krieges in gewöhnlichem Sprachgebrauch unter dem Namen Laconica mit einbegriffen, bis durch Epa- minondas 369 v. Chr. der Messenische Staat als Republik wiederhergestellt, die Gränze südöstlich bis zum Laconischen Leuctra ausgedehnt und als Hauptstadt Messene neben der alten Burg Ithome erbaut wird; unter den Römischen Kaisern gilt wieder die ältere Gränze gegen Lacouien.