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Antiquitäten der Griechen.
94.
Aehnliche Ansichten gewährt die Erziehung der spartanischen Töch¬
ter. Von frühester Jugend an wurde in ihnen das Weib unterdrückt,
damit die Spartanerin desto kräftiger hervorträte. In eigenen Uebungs-
plätzen trieben sie eben die Kämpfe, denen sich die Jünglinge widmeten,
um den Körper gegen Krankheiten und Schmerzen zu stählen und ihm
mehr Festigkeit und Dauer zu geben. Dabei behielten sie die alte dori¬
sche Bekleidung bei, d. h. sie trugen blos ein ganz leichtes Gewand,
welches nicht einmal die Hüsten fest bedeckte (cpairoprjQtdeg), wodurch
sie späterhin zu manchen nachtheiligen Vergleichungen mit den ionischen
Frauenzimmern Veranlassung gaben. Uebrigens fand auch zwischen
Mädchen und Weibern dasselbe Verhältniß statt, welches zwischen Män¬
nern und Epheben ($ 91) erwähnt ist.
95.
Mit dem dreißigsten Jahre hörte zwar die eigentliche Erziehung
des Spartaners auf, gleichwohl mußte er sich fortdauernd gewissen Ein¬
richtungen unterwerfen, die ihn in seiner bisherigen Abhängigkeit vom
Staate erhielten. Dahin gehören vorzüglich die gemeinsamen
Mahlzeiten, Syssitien oder Phiditien (ovctgltiu, cpeidixiu,
cpcdirou), die gewiß schon früher da waren, als Lykurg, dem ihre Ein¬
richtung zugeschrieben wird. Sämmtliche Spartaner mußten täglich
mit einander, fünfzehn der Regel nach an einer Tafel, speisen. Jede
Tischgenossenschaft wählte sich ihre Mitglieder (av (jxrjroi) durch Kuge¬
lung (Brodtftückchen, in ein Gefäß, xaddog, geworfen), und sämmt-
liche 600 Gesellschaften (zu 9000 Spartanern gerechnet) speisten wahr¬
scheinlich innerhalb eines gemeinsamen Bezirks. (Die Tischgenossen
kämpften auch in der Schlacht neben einander.) Nur die Darbringung
eines Opfers oder die Ermüdung von der Jagd war eine hinreichende
Entschuldigung, sich von diesen Mahlzeiten auszuschließen (acpidtrog
fifieQu), wobei ein solcher einen Thcil von den geopferten oder erjagten
Thieren an das Phidition zu verehren hatte. Eben so streng war es ver¬
boten, sich zuHause gütlich zu thun und sich vor der gemeinsamen Mahl¬
zeit zu sättigen. Ueber die bei derselben vorgeschriebenen Gerichte siehe
K 105. Diese ganze Einrichtung bestand mehrere Jahrhunderte hindurch,
bis zunehmende Sittenverderbniß, besonders nach Agesilaos Tode, die
alte Einfachheit verdrängte.
7) Kriegswesen.
96.
Die spartanischen Heere bildeten seit den messenischen Kriegen ein
aus Spartiaten, Lakedämoniern (an welche sich späterhin die Neoda-
moden anschlossen), aus Bundesgenossen und Heloten zusammengesetztes
Ganzes. Hier ist zunächst von den Spartiaten, dem Kern des Heeres,
die Rede. Diese dienten vom zwanzigsten Jahre (r//%r»ti) rjlucia) bis,
der Regel nach, zum sechszigsten und wurden zu jedem Feldzuge anfangs
durch die Könige, nachmals durch die Ephoren, aufgeboten. Wahrschein¬