Die
Lesebuch
für
die Bürger- und Landjugend.
Erster Band.
Mit Kupfern.
Von
Johann Christoph Fröbing.
Convector an der Nenftadter Schule.
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gedruckt ben W. Pockwitz, iun,
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uch dieses Buch hat das Schicksal meiner bis-
herigen Schriften: es erscheint fpdtCl*, als
es meinem Versprechen nach hatte erscheinen müssen-
Theilö liegt die Schuld am langsamen Besinnen der
meisten Beförderer, von denen sich die größere Zahl
erst nach Jahresfrist, vom Termin der Ankündigung
an zu rechnen, gemeldet hat; theils aber hat diese
große Sorte Papier, die ich einmal versprochen
hatte, einen langen Aufschub veranlaßt, so wie über-
haupt das Druckpapier gewissermaßen jetzt zu den
seltenen Maaren gehört. Um jedoch die Beförderer
für ihr langes Harren etwas zu entschädigen, habe
ich nicht die versprochenen Lettern, mit welchen diese
* 2 Vor-
2
IV
Vorrede gedruckt ist, sondern kleinere gewählt, und
dennoch die versprochene Bogenzahl bis auf einen
Bogen geliefert. Lieber hatte ich freylich dies Opfer
bringen und zugleich Wort halten mögen: denn ich
würde manchem Schaden entgangen feyn.
Was den Werth dieses Buchs betrift, darüber
mögen Richter und Kenner urtheilen. Die ersteren
muß ich jedoch bitten, zu erwägen, daß ich für
Kinder aus den niederen Volksclasten geschrieben
habe; wiewohl ich bey der Ausarbeitung der Schrift
immer beflissen gewesen bin, auch jungen Lesern von
höheren Kenntnissen nicht zu mißfallen.
In der Manier, mit der ich mich mit mei-
nen Schülern unterhalte, bin ich von der Methode
einiger Jugendschriftsteller abgegangen, weil ich
glaube, daß allzuvieleö Schwahen pedantisch, und
kindisches Tändeln der Würde zuwider ist, die ja
auch ein Kind in den Augen seines Lehrers haben
muß, und weil ich als Schulmann aus der Erfah-
rung weiß, daß Kinderschriften, in einem kindi-
schen Ton geschrieben, selbst Kindern lappisch und
abgeschmackt Vorkommen. Ich habe mir jedoch
Mühe gegeben, meinen Unterhaltungen auf eine
andere Art Interesse mitzutheilcn.
Etwas
V
Etwas schwer ist mirö geworden, beydenGran-
zen, die ich abgesteckt hatte, eine solche Auswahl
der Materien zu treffen, daß ich mich überzeugen
konnte, ich habe für meine, d. i. für ganz unkun-
dige Leser genug gesagt. Noch schwerer aber ward
es mir, neben dieser Auswahl, mich kuvg genug
auszudrücken; ein Bedürfnis, baß ich besonders
bey Ausarbeitung der Naturlehre und Astronomie
fühlte. Billige Kenner werden der 'Arbeit diesen
Zwang ansehen, aber auch zugleich in ihrem Urtheil
nicht zu streng verfahren. Daß ich in diesem Ab-
schnitt, vornemlich aber in der Lehre vom Feuer und
der Warme nicht den Theorien der neueren Natur-
forscher, besonders aber der Herren Lichtenberg,
de Luc und Crawford gefolgt bin, ist blos deswegen
geschehen, weil ich bey dem Vortrage derselben allent-
halben auf Schwierigkeiten stieß, die mir meine jungen
Leser durch ihren Mangel an Vorkenntnissen in den
Weg legten. Wollte ich diese erst wegraumen, dann
hatte ich vorher weit aushohlen und wahrscheinlichLam-
geweile erwecken müssen. Ohnehin ist ja — was auch
schon unsere gründlichen Aufklarer gestehen — ge-
rade nicht gleich das offene, Helle Tageslicht für unsere
bisher mit Nacht eingehüllte Bürger-und Landju-
gend nöthig: dies würde sie nur blenden; ein maßi-
* 3 ger
ger Schimmer aber ist ihnen fürs erste am dienlich-
sten^ so wie überhaupt eine gewisse Dämmerung in
manchen Kenntnissen auf immer für sie nützlicher seyn
wird, als der höchste Grad der Helle. Denn so wie
unsere erwachsenen Bücherverschlinger aus den nie-
deren Klassen sich das Gehirn verderben, und beym
Mangel von Reinigungs - und Digestivmitteln ent-
weder die Schwarmesucht/ oder das Kannengießer-
fieber bekommen; wie denn schon mancher Besenbin-
der und Korbmacher von den Fragmenten deöWol-
fenbüttelschen Ungenannten, von der Steinbardti-
schen Philosophie, von Bahrdts neuem Testamenten,
spricht: so muß eine starke und leckere Bücherspeise
noch mehr für Kinder schädlich seyn.
Sollte dies Buch das Glück haben, in Schu-
len eingeführt zu werden, so würde meiner Meynung
nach die Absicht desselben auf folgende Art erreicht
werden. Einer der besten Schüler müsse erst einen
kleinen Abschnitt vorlesen, und der Lehrer könnte
dann über das Gelesene catechisiren. Ich habe in
dieserHinsicht dieHauptmomente immer m-'t Schwa-
bacher-Schrifr abdrucken lassen, damit sie gleich in
die Augen fallen. Da die hier vorgetragenen Wis-
senschaften von der Art sind, daß sie uns die All-
macht,
VII
macht, Weisheit und Güte des Schöpfers mit einer so
lauten, tief ins Herz dringenden Stimme predigen,
und zugleich den Menschen von der einen Seite als
ein schwaches, und von der andern dagegen als ein
mächtiges Geschöpf darstellen; so bedarf es wohl
für einen rechtschaffenen und klugen lehrcr der Erin-
nerung nicht, dieses Buch zu nützen, um bey schick-
lichen Gelegenheiten durch eingestreuete kurze, aber
eingreifende Ermahnungen und Winke, die durch
die Sache schon vorbereiteten Kinder zu rühren, und
mir zur Erreichung meiner Absicht, die ich bey die-
sem Buche habe, behülflich zu ftyn.
Herzlich gern hatte ich mehrere Kupfer für
meine lieben befer stechen lassen, wenn nicht diese
Arbeiten so hoch ins Geld liefen. Schon diese
4 Platten kommen an 50 THaler. Sollte aber ein-
mal eine zweyte Ausgabe des Buchs nöthig ftyn:
dann wirds gewiß geschehen.
Endlich habe ich noch ein Anliegen an denjenigen
großen Theil der Beförderer die nicht bezahlt haben:
ich ersuche sie, mich nicht aufs Geld warten zu lassen.
Ich habe dies Schicksal bisher bey der Herausgabe
meines Calenderö fürs Volk erfahren, und dabey
* 4
man-
VIII
manchen Mahnbrief vergeblich schreiben müssef
Wenn sie bedenken, daß ich den Druck dieses ersten
Bandes nicht unter zzv Rthlr. bestreiten kann, so
werden sie meine Bitte nicht übel nehmen. Eben so
dringend ersuche ich alle, die die Fortsetzung des
Buchs wünschen, die Pränumeration mit 20 Ggr.
Cassengeld nächstens einzuschicken. Einen Termin
der Erscheinung will ich nicht versprechen; alle Mühe
aber werde ich mir geben, das Buch zur nächsten
Ostermesse zu liefern.
Hannover, den 8ten August 1788.
Johann Christoph Fröbing.
--- =!>
Ver-
V
Verzeichniß der Subscribenten.
Bremen, 5 Ex. Ex.
Herr Notar. Capit, von Einem s
Burgtorf, io Ex.
Herr Superint. Bütemeister 10
Büttel, ii Ex.
Herr Past. Telge X
— Past. Wohlers zu Stotel 2
— Ioh. Friedr. Carstens in Büttel X
— Ioh. Cordes daselbst I
— Past, von Stade zu Sandstedt X
— Generals. Pratje zu Stade I
— P. Meeden zu Bexhövede I
— Cand. Ortmann daselbst I
— Ioh. Bödjer daselbst X
Ein Ungenannter I
Cassel, 24 Ex.
Herr Cant. Georgi 24
Döhren, 10 Exempl.
Herr Küster Hennies r
— Greten, Informator im Waisenh. zu Moringen x
— Deichmann, der Musik best. x
— Westvhai --- — — i
*
Herr
5
Er.
Herr Dankert, der Musik best. r
— Schlotte, Pa st. zu Egestorf i
— Leo, Sattler in Hannover r
— Frankenfeld, Past. zu Döhren i
— Deichmann, Cand. Theol. i
— Gronau, Schullehrer i
Drakenburg, s Ex.
Herr Cant. Kraul 8
Elbingerode, 5 Ex.
Herr Past. prim. Daring 5
Enrlebeu bey Gotha, 15 Ex.
Herr Cant. Armstrost 15
Fallersleben, 10 Ex.
Herr Rect. Bötticher 10
Soßlar, 7 Ex.
Herr Rector Gchrig 7
Gotha, 9 Ex.
HerrAdloff 9
(Nöttingen, 6 Ex.
Herr Prof. Euring 1
5Öie dasige Schule ^
Großengoltcrn, 16 Ex.
Herr Past. Schmidt j6
Großenfchneen, 2 Er.
Herr Past. Dißen 2
Hemmendorf, z Ex.
Herr Cant. Schmalstich 3
Hameln, 10 Exempl.
Herr August Lucaö Blume, aus Hugli in Bengalen 1
Madam Lackemann 1
Herr Peine 1
— Hacke 1
— Direct. Kulemann 1
Herr
Er.
Herr Küster Bode i
— Küster Bertram i
— Forst-Inspecwr Klambeck x
— Schulcollege Barteldes x
Hantwver, 125 Exempl.
Herr Landrath von Behr zu Heuslingen x
— Candid. Hanning 3
— Canzelist Lauf x
— Staabssecr. Crome 1
— Confisi. Secret. Schüdtler x
— Hofkupferstecher Ganz _ 1
Das Hochwürdige Fräuleinstist zu Mariensee 1
Freyherr von Oldershausen zu — — 1
Herr Geh. Canzl. Secr. Werner x
— Commisi. Gerte 1
— Kaufmann Dam mann 1
— David x
— Past. Ebert in Lüthorst 1
— Conststorialrath Koppe 1
— Past. Jfland zu Banteln x
— Past. Rothe zu Eime 1
— Decker Thies 1
— Postmeister Ebeling in Stade X
— Vice r Canzleydirector Hartmann 1
—- Cant. Krüger zu Bergen an der Dümme 1
— Candid. Bremer J
— Past. Zuckschwerdt in Flechtorf x
—- Cand. Lamprecht in Hattorf x
— Müller Matthäi zu Calenb. x
— Cand. Weist in Großenschneen x
— Kaufm. Urb off 1
— — John x
— ■— Schöpfer 1
— Past. Fnedenci zu Langenhagen x
— Apotheker Dode in Uelzen x
— Bürgermeister Langner in Lauenburg x
— Schullehrer Führloh in Harpstedt .1
— — Fischer in Neuenkirchen x
— — Grete zu Altmerdingsen 1
— Seminarist Weidrg r
— — Vespermann x
— — Walte " 1
— — Sievers *
Herr
Ex.
Herr Seminarist Schubach i
-—• -— Brand i
— — Friederichs i
— — Wubbenhorst i
—- Ehlers i
— — Kruse x
— — Meyer i
•— — Bode X
— — Kast i
— Schullehrer Kolbe zu Lichtenhagen i
— Cant. Cordes zu Winsen a. d. Luhe i
— Steinwachs in Einbeck i
— Superint. Frante in Bardowiek l
—- Oppenhèimer i
-— Schneidermeister Màster i
— Cand. Gunther i
— Biermann i
—. Organist Iona in Natzeburg i
— Past. Hoppenstedt zu Seelze i
— — Làdemann zu Idensen i
— Evers i
—- Apotheker Ebermeyer in Meste i
•— Rector Pauli i
— Magister Krochmann in Osnabràck i
— Commiss. Ecks zu Halsmuhlen i
— Past. Beussell zu Isenhagen 2
— OberiVerwalter BSse zu Brunckensen 2
—- Postschreiber Kàstner zu Scharzfels X
— Past. M. Schmid zu Burlage I
— Verwalter Goldmann zu Wulmstorff I
— LandrChirurgus Kleine in Gifhorn 2
— Christ. Lud. Hausmanns Witwe in Lauenstein I
— Postschr. Mànster I
Die Schmidtsche Vuchhandlung 9
DasKSnigl. Jntelligenzcomtoic 16
Die KSnigl. Hofbuchhandl. 24
Harpftedt, x Ex.
Herr Cant. Knickmann 1
Hildesheim, ZZ Exempl.
Herr Past. Schulze 1
— — Deyer 1
-— Friedrich Andreas Schneidler 1
Herr
Herr Christoph Frîedr. Lüntzel
— Diedrich Mich. Ko ken
—- Past. Bartrls
— Secret. Baumeister
— Sénat. J. A. Kinderling
— Sénat. I. E. Cludjus
— Nath A. W. Baumeister
— Schatzeinnehmer Fr. V. Weinhagen
— J. C- Volbrechr
— Siegfr. Heinr. Harmke
— C. G. Baumeister
— Past. H. H. Cludiuü
— Consist. Secret. Brandis
— Gerh. Sylv. Tappe
— Rarh Gericke
—- Syndic. Weinhagen
—• Z. G- Schnabel
Fr. Past. Witwe Fulda
Herr C. A. Schultz
— von Harlessen
— J. C. Hemmeede
— A. C. Kerling
—■ Seegers
— Wendt
— Lindemann
— Barrels
— HostCond. Gladen
— Wehrhahn
— Opfermann Schulze
— Barman n
— BrulleèweS
Hoya, 15 Ex.
Herr Amtmann Parz
Hohnftedt, 9 Exempl.
Herr Superint. Klingsühr
— Past. Plattner zu Harriehausen
— Kayser zu Holtensen
Basse zu Avershausen
— Cramer zu Hammenstedt
— Wüstenfeld zu Sudershausen
— Past. Plasse zu Bühle
— Amtmann Gebser
— Amtmann Baise
Ex.
Roppenbrügge, io Ex.
Herr Cand. Schnorr 10
Lüneburg, 15 Exempl.
Herr Posischr. Kühner i
— Stuöbemann f />i ."ìli ft i
— Gaftwirth Meyer i i
— Doctor Kraut i
— Riebock i
— Past. Blum i
-— Klünder i
— Cand. Reim in Ebstorf 1
■— Superint. Súber in Dannenberg 2
— Lieut. Wolkenhaar in Hameln i
— Cant. Greif in Pattensen i
— Past. Küchenthal zu Nrbrau ï
— Factor Liesmann i
— Dierr. Heinr. Welte i
Leipzig, 4 Ex.
Das Churfürstl. InteMgenzcomtoir 4
Lübeck, 5 Ex.
Herr Superint. Schinmeyer 5
Lccstc, 2 Ex.
Herr Past. Holzmann 2
Lüchow, 5 Ex.
Herr Probst Dankwerts 5
Münden, 17 Exempl.
Herr Bürgermeister Eike i
— Dort, und Stadtph. Nosenbach I
— Kauftn. Wiih. Hampe I
— Kaufm. Phil. Holzmüller I
— Apotheker Dan. Köster I
— Kaufmann Just Köster I
— Kaufm. Fr. Hüpeden I
— Dan. Baurmeister I
— Chr. Fried. Ballauf I
— Christoph Phil. Ballauf I
Herr
~
Er.
Herr Kaufm. Ioh. Heinr. Elberfeld i
—- Ioh. Christ. Neichenbach, StadtmufikuS i
— Schiffer Ioh. Dan. Schepeler r
— Stadtfchr. Mart. Küper -i
— Gastwirch Georg Lud. Rosenbach i
— Schreibmeister Bendrott r
— Past. Ströber 1
Medingen, io Exempt.
Herr Pastor Nibow
Marschacht, n Ex.
Herr Organist Wiese i
— Apotheker Iüßow
— Hans Ahrens, Kirchen-Jurat. r
— Cord Heinrich Nehr, Kirchen-Jurat. l
- Peter Meyn H-n. i
— Peter Meyn jun. i
— Anton Wolter i
— Hildebrand Küster i
— Hein Mohrmann x
— Schulm. Lindhauer i
—^ Becker Harms i
Obernkirchen, 6 Exempt
Herr Rector Heermann 6
Osterode, 6 Ex.
Herr Superint. Unverzagt 6
Ohrdrufs, z Ex.
Herr Consistorialrath Gutbier
— Vermalter Srröhl
Rostock, zi Ex.
Herr Dort. Theol. Detharding 1
— Magister Detharding 1
— Justi Hr. Baron von Nettelbladt i
— Dock. C. H. Krehse x
— — C. W. Taddel x
— — C. H. Kreuel i
— Paff. Magister Taddel, Prediger zu Marien -
— Magister I. C. Wendelborn x
— P.E. Otto, Kaufm. u. Vorst, zu St. Zac. _ x
Herr I. W. Noggenbau, Ka-ufm. u. Vorst, zu. St. Jac. i
— I. G. Neuendorf, Kaufm. i
— L. Vorge, Kaufm. i
— A. Kühl, Cand. d. heil. Predigtamts i
Eben derselbe für 8 seiner Eleven 8
— C. F. Kirchner, Cand. d. heil. Predigtamts i
— I- H. Andorf i
— P. C. Koeve, Secret. beym Landkasten i
— Cämmerey-Secr. Eyller i
— Procur. Lexow r
— C. G. Dietz i
— Kaufdiener Struck i
— — G. Meuel i
Schwerin, 70 Er.
Die Herzogl. Negierung 7
Herr Canzelist Drümm-er 6 z
Sülfeld, 5 Ex.
Herr Cand. Gehrig 1
— Lieuten. Behne x
— Einnehmer Krebs 1
— Cand. Helmuch 1
— — Mevers 1
Uelzen, 10 Ex.
Herr Probst Drönewolf 10
Visselhövde, 1 Ex.
Herr Cand. Küper t
Wildeohaufen, 2 Ex.
Herr Superint. Hahne 2
Erster Abschnitt.
Naturgeschichte.
A
(Bürgersch. irBd.)
*1
Erster Abschnitk.
Die Naturgeschichte.
E i n l e i t u n g.
H^enn Ihr, lieben Kinder, in Eurer Stadt, oder in
Eurem Dorf nicht wüßtet, was ein Thurm, —-
eine Mühle, — ein Brunneu, — ein Haus, — ein
Baum wäre: nicht wahr, Ihr würdet Euch schämen? Und
wenn ich nun gar in Euer Hans käme, und Such fragte,
was nran mit dem «Ofen, dem Tisch, dem Messer, dem
Eimer mache, und Ihr könntet mir denn nicht antworten,
so würde ich entweder glauben müssen, Ihr gehörtet an eir
nem Orte zu Hause, wo es keinen Ofen, keinen Tisch, kein
Messer und keinen Eimer gäbe, oder ich müßte denken, Ihr
hättet einen großen Fehler am Verstände.
Nun, Kinder, wir haben außer unserm Wohnorte,
wo wir gebohren werden, essen, schlafen, arbeiten und er-
ben, noch ein allgemeines, großes Haus: die wclt, gleich-
wie Ihr ja ausser Eurem Vater, der Euch das Leben gab,
Noch mit mir und mit allen Menschen und Engeln einen
A r alh
\
4 Naturgeschichte.
allgemeinen Vater im Himmel besitzet, der uns alle erschaf-
fen hat. So wie es Euch nun nüs und gut ist, alle Dinge
Eures Hauses, Eures Gartens, Eures Dorfs zu kennen;
eben so nütz und gut LstS Euch auch, von alledem eine
Renntniß zu haben, was in unftrm großen Hause, irr
der Welt lebt und webt! Damit Ihr mir nicht auf mein
bloßes Wort glaubt, will ich euch das mit zwey Beispielen
zeigen.
Ich habe eine ehrliche Bauerfrau gekannt, die sonst-
ganz vernünftig war, brav arbeitete, und ihre Kinder zu
allem Guten erzog. Aber einen ganz besondern Wahn
hatte sie: sie hielt die Spinnen für giftig, und fürchtete
sich vor diesen unschuldigen Thieren so entsetzlich, daß ichs
euch nicht beschreib n kann. Vor drey Jahren im Julius
war sie einst im Felde bey der Erndtearbeit; und weil sie
sich sehr durstig gearbeitet hatte, eilte sie nach ihrem im
Schatten eines Baums stehenden Milchtopf hin, um sich
zu laben. Sie ergreift den Topf sehr hastig, ohne hinein
zu sehen; als sie aber absetzt, erblickt sie eine gewaltig große
Kreuzspinne in der Milch. Die arme Frau wird von einem
fürchterlichen Grausen überfallen, bekömmt Zuckungen, gei
rath in eine Art Epilepsie (fallende Sucht) — denn diese
und andere fürchterliche Krankheiten, kann der plötzliche
und heftige Schreck verursachen — und giebr, weil niemand
da war, der ihr helfen konnte, ihren Geist auf. Die Frau
hatte fünf kleine Kinder, wovon das jüngste noch an der
Brust lag, die wurden also auf einmal ihrer Mutter ber
raubt; der Vater hatte seine liebe Gesellschafterin und beste
Freundin verlohren und sie selbst war plötzlich um alle die
wichtigen Jahre gekommen, die ihr Gott zur Vorbereitung
zum- Himmel angewiesen hatte, blos deswegen, weil die
gute Frau nicht wußte, was eine Spinne ist.
Nun
T
Einleitung.
Nun ein anderes Beyspiel. In Asrica liegt ein gros-
ses Land, wo vor vierthalbtausend Jahren die Jsraelirew
Sclavendienste thun mußten, Aegypten heißts. Da lebte
vor ein paar hundert Jahren unter den daselbst befindlichen
Christen ein Bauer, der bekam einmal ein Buch in die
Hände, worin eine kurze Geschichte der Natur enthalten
war. Er hob dieses Buch auf, wie einen Schatz, und
wenn er von der Arbeit nach Hause kam, las er einige
Blatter in seinem lieben Buche. Dieser Manu war vor-
her arm; auf einmal baute er sich ein eigenes Hüttchen,
legteeinen Garten an, verschaffte sich Wiesen und Accker,
und ward zuletzt ein reicher Mann. 'Alle seine Nach-
barn dachten hin und her, wie er wohl zu dem Reich-
thum gekommen wäre; einige freuten sich darüber, denn
er war ein fleißiger und dabey rechtschaffener Manu, den
jeder liebte und ehrte; andere aber beneideten ihn, dichte-
ten ihm dies und jenes Böse an, und sagten ihm nach, er
sey mit dem Teufel im Bunde. Man glaubte den neidir
schen Verlaumdern, weil man in Aegypten damals im
Wahne stand, der Teufel könne sich nach Lust und Belieben
Menschen zu seinen Cameraden aussuchen, könne sie mit
Geld und Gut erkaufen, und könne mit ihnen Schmause-
reyen und Lustbarkeiten ansiellen: da doch die Menschen
Christo, und nicht dem Teufel zugehören» Der unschuldige
Mann wurde also vor Gericht gebracht, und der Zauberey
angeklagt. Da sagte er folgendes: „ich bin ein ehrlicher
Mann und habe mit dem Teufel keine Gemeinschaft, und er
mit mir nicht, denn Christus, mein Heiland, hat ihm die
Macht genommen, mir nahe zu kommen. Ich bete und ar-
beite fleißig, und lese dann in diesem Buch — er hatte das
Buch mitgebrachr — dies hat mir meinen Neichthum ge-
geben. Es steht nein dich unter vielen nützlichen Dingen,
A 3 auch
6
Naturgeschichte.
auch eine Beschreibung von den Thieren in der Welt, und
also auch manches von den Hünern darin. Bey der Be-
schreibung von diesen nützlichen Thieren ist unter andern
auch gesagt, daß man Hünereyer ohne Henne, blos in
einem warmen Ofen ausbrüten könne. Ich versuchte das
Ding; es gelang. Ich kaufte Eyer auf, brütete sie aus,
verkaufte die Küchlein; setzte mein Geschäfte fort; Gott
segnete esr und so bin ich zu meinem Vermögen gekom-
men. " — Man machte den Versuch nach, und fand die
Erzählung des Bauren bestätigt; und seitdem ist die Ge-
wohnheit, Evtzr ohne Henne auszubrüten, in Aegypten all-
gemein; ja man hat sie auch bey uns nachgemacht.
Nicht wahr, Kinder, ihr machet aus diesen beyden
Beyspielen den Schluß: Wer eine richtige Kenntniß von
den Dingen hat, die man in unserm großen Wohnorte, der
Vielt findet, der bewahrt sich vor manchem Schaden,
und verschafft sich manchen Vortheil.
Das ist es aber noch nicht alles: die Kenntniß der
Geschöpfe macht uns auch genauer mit dem Schöpfer be-
kannt: denn wir lernen von ihnen — wie das auch Pau-
lus, Röm. i, 19. f. sagt, — seine allmächtige Größe,
und zugleich seine hohe Weisheit und seine zärtliche Va-
tergüte kennen. — Endlich, Kinder, verschafft uns die
Naturgeschichte auch ein sehr reines und unschuldiges
Vergnügen; ein solches Vergnügen, dergleichen Ihr einst,
wenn Ihr — Gott gebe es — in den Himmel kommet,
empfinden sollet, wo Ihr die Creaturen alle sehen werdet,
die in den vielen tausend Sonnen und Welten, welche Ihr
des Abends als kleine Feuerpuncte erblicket, ihre Wohnung
haben.
Ich kann Euch zwar, lieben Kinder, von allen Din-
gen, die zur Natur gehören, keinen vollständigen Begriff
geben;
7
Einleitung.
geben; dazu ist unsere menschliche Erkenntniß überhaupt
noch, so lange wir in unserem irdischen Körper wallen, zu
schwach, die meinige insbesondere aber zu gering, auch
wäre dies Buch viel zu klein dazu. Aber von vielen Dinr
gen um und neben Euch sollet ihr doch manches Angenehme
und Nützliche lernen, was Ihr bisher noch nicht gewußt
habet. Um euch also nicht länger aufzuhalten, wollen wir
sogleich anfangen.
Die Zahl der erschaffenen Wesen ist unaussprechlich,
und die Majestät des Schöpfers unbeschreiblich groß. Er
schuf viele tausend Welten, die seine Gegenwart alle uro;
schwebt, und mit ihren Bewohnern erhält und regiert.
Er ist also der Urheber, Gebieter und Vater vieler tausend
großer Familien, wovon jede in einem Weltkörper wohnt.
Diese Welten nun, lieben Kinder, nebst dem, was in ihnen
und um sie her ist, nennt man Natur.
Unter den großen Familien, die in den tausend Welten
Gottes wohnen, lebt auch eine derselben mit ihren unzählss
gen Nebenhaushaltungen, auf unserer Erde. Auch diese,
nebst alle dem, was in, auf und über ihr ist, nennt man
im engern Verstände, gleichfalls die s^atur.
Diejenige Wissenschaft nun, die alle, auf und in der
Erde befindlichen Dinge erzählt, ordnet und beschreibt,
heißt die Naturgeschichte. Und diese angenehme Wissem
schaft soll denn in unserm Buche den Anfang machen.
Naturgeschichte.
Der Wohnort, lieben Kinder, auf welchem wir Mem
schen, nebst den Thieren, Gewächsen, Steinen, Metallen rc.
uns befinden, ist, wenn wir ihn alleine betrachten, ein gross
fer Körper, und seine Bewohner sind, wenn wir die Seele
A 4 des
8
Naturgeschichte.
des Menschen nicht mitrechnen, gleichfals Körper, daS
heißt, Wesen, die aus Theilen zusammengesetzt sind. Euer
Leib; zum Beyspiel, ist ein Körper, weil ihn ja das Grab
in Millionen Aschenstäubchen aufiösen kann. Ein Baum
ist ein Körper, denn Zhr könnet ihn ja in Späne spalten.
Das Wasser ist ein Körper, weil Ihrs in Tropfen ver«
sprühen könnet rc.
Diese auf der Welt befindlichen Körper ordnet die Nar
lurgeschichte in drey große Haufen, oder Classen. Die eine
davon besteht aus solchen Körpern, welche leben, empfinr
den, und sich durch eignen Willen bewegen: dies sind
die Thiere. Die zweyte Klasse hat solche Körper, die zwar
eine Art des Lebens haben, aber weder empfinden, noch
sich durch eigenen Willen bewegen, sondern nur wachsen:
und das sind die Gewächse, oder Pflanzen. Der dritte
Haufe der Körper endlich, sind diejenigen, die weder leben,
noch empfinden, noch wachsen, sondern die Vermehrung
ihrer Masse von außen durch Theile erhalten, welche sich
nach und nach ausetzen: und dies sind die Mineralien oder
Loßilien. Diese drey Körperklassen nennt man die drcy
Aeiche der Natur, nemlich das Thierreich— das Ger
wächsreich (Pflanzenreich) — das Mineralreich (Steirn
reich.)
Das Thierreich.
Die Thiere, worunter auch der Mensch, seines Körpers
wegen, gehört, behaupten auf dieser Welt, ihrer großen
Vollkommenheiten wegen, den obersten Rang. Sie sind
sämtlich dazu erschaffen, sich zu freuen, und den Grad de§
Glücks zu genießen, dessen sie fähig sind. Ihr sehet es auch
selbst, Kinder, ob ihr gleich die Sprache der Thiere nicht
9
Das Thierreich.
verstehet, das Thiere vergnügt sepn können. Der Hund
drückt sein Entzücken durch Mienen, Bewegungen und
frohes Bellen; das Lämmchen durch freudiges Hüpfen;
die Katze durch muthtvillige Sprünge; der Hase durch ger
sellschastliche Scherze; das Vögelchen durch lebhafte Thatigr
keit, und durch muntere Gesänge aus. Seyd nur ein-
mal recht aufmerksam, da werdet Ihr finden, daß, so weit
Ihr nur blicken könnet, in diesem Theil des unermeßlichen
Gebiets Gottes alles Lebendige sich freut, und er, der All-
gütige, sieht diese allgemeine Freude, dies millionenfache
Jauchzen der Geschöpfe, diesen tausendstimmigenZubelgcrn,
ja er befördert sogar ihre Freude und ihr Glück aufalle Weise.
Um nemlich die Thiere auf der Welt, kein einziges ausge,
nommen, recht froh und glücklich zu machen, hat dieser zärt-
liche Vater den Neichthum seiner Macht und Weisheit auf
eine so herrliche Art gezeigt, daß Ihr selbst gestehen werdet:
Gott ist unaussprechlich groß, majestätisch, weise, freund-
lich und gütig. Ihr könnet dies sehen:
i) Aus der unbeschreiblichen Menge der Thiere. —
Wo Ihr nur hinsehet, Kinder, wo Euer Fuß hintritt, so
weit Euer Ohr hören kann: da lebt eine Haushaltung Got-
tes, da leben wohl hundert seiner Familien, die er ernährt
und beglückt. Auf jedem Gräschen, auf jeder Blume, auf
jedem Blatte sind lebendige Geschöpfe zu Hause; in jedem
Sumpf, im kleinsten Misthäufchen, in jedem Klümpchen
Erde wohnen Familien; im Bauch der Erde, auf den höch-
sten Gebürgen, in den Thälern, auf den Hügeln, in den
Wäldern, in den Flüssen sind unzählige Heerden von den
Kostgängern Gottes; in den Seen und Meeren leben
viel tausend Millionen Einwohner: sie wimmeln da im
eigentlichen Verstände, die Unterthanen Gottes, und
er sättigt und erfreut sie alle. Za, Kinder, es ist fast kein
A 5 , Thier
I
io Naturgeschichte.
Thier in der Welt, so klein es auch sey, das nicht auf seiner
Haut, und in seinen Eingeweiden kleinere Thiere ernähren
müßte: jedes Thier ist für eine gcr-ze Na ion eine besondere
Welt. Selbst in den Gedärmen des kleinsten Vögelchens,
das Gott geschaffen hat, im Colibrì, der so groß ist alL
ein Mistkäfer, hat man einige hundert Würmer gezählt.
Auch Ihr, Kinder, tragt in Euren Gedärmen, im Mar
gen, ja in Euren Zähnen M-llionen Thiere mit Euch: Ier
der von Euch ist also eine Welt, und fast jeder innere Theil
Eures Körvers ist ein Königreich für viele Völker. Mit
bloßen Augen könnetJhr frcylich nur wenige derselben, nur
die Maden und Würmer Eurer Eingeweide sehen, für die
kleineren Nationen aber ist ein'Vergrösserungsglas nöthig.
Ach wenn Ihr da durchsehen solltet, Ihr würdet des Be.'
trachtens nicht satt werden. In einem Klümpchen, so groß
als ein Mohnkörnchen, von dem Unrath, der an Euren
Zähnen klebt, wohnen viele tausend lebendige Thiere, wor
von jedes wie Ihr, ein Herz, einen Magen, einen Mund,
Gedärme und Glieder hat: jedes sich auf seinem Fleckchen
des Lebens erfreut, so wie Ihr Euch auf Eurer Wiese, auf
Eurem Spielplatz Eurer Jugend erfreuet. 0 betet ihn mir
Ehrfurcht und Bewunderung an, den Allmächtigen, dessen
Hand ein so kleines, Eurem Auge unsichtbares Geschöpft
chen hervorbringen, beleben und beglücken konnte. Wenn
Ihr einst kein Vergrößerungsglas mehr brauchet, im Hirn.-
mel, da werdet Ihr die vielen Welten Gottes alle sehen,
wie sie sind.
Man hat sich bisher viele und große Mühe gegeben, die
Gattungen — Ihr wisset doch was Gattung ist? aller auf
unserer Erde befindlichen Thiere zu zählen; und da hat man
gefunden, daß man ihrer zoooo annehmen kann. EineGatr
tun« der Drosseln, die Ihr unter dem Namen Krammtsr
vöael
Das Thierrcich.
11
vögel kennet, ist in so erstaunlicher Menge vorhanden, daß
in Deutschland manchen Herbst, ihrer viele Millionen gc-
fangen werden; und dies Kinder, ist nur eine der dreißig-
tausend Gattungen.
. Wie ge rn Gott alle Thiere vom größten bis zum kleim
sten erfreut und beglückt, das lernet Ihr
2) aus der bewundernswürdigen Fürsorge, mit wel-
cher Gott jedem Thier seinen rechten Wohnort, seine ihm
gede^liche Nahrung, sein bequemes Lager, sein nöthir
ges Bleid, seine für jedes derselben sich schickenden Werk-
zeuge zum Fang der Speise, und bas gehörige Hand-
werksgeräthe zum Bau ihrer Wohnungen mittheilte. —
Hier, Kinder, könnte ich Euch Monate lang erzählen, wel-
che Macht und Weisheit Gott an den Thieren bewiesen hat,
um ihnen seine Vatergüte zu zeigen. Jedes hat gerade den
Wohnort, der für sein und seiner Jungen Bestes der schick-
lichste ist. Der Löwe würde da verhungern, wo das
Rennthier sich satt frißt; das Bameel würde auf den
Eisbergen erfrieren, auf welchen der Eisbar schwitzt. Der
Strauß würde umkommen, wenn er seine Wohnung im
tiefen Schnee nehmen sollte, und das Schneehuhn wüßte
da, wo der Strauß wohnt, nichts anzufangen. Der
Schwan schickte sich nicht auf die Felsen des Adlers, und
dieser wäre in dem Elemente des Schwans gar bald ver-
lohren. Gort hat daher mit Weisheit und Güte dafür ge-
sorgt, daß jedes Geschöpf den Wohnplah bekam, der zu
seinen und seiner Jungen Vesten, der rechte ist. — Jedes
Thier empfängt aber auch von ihm die rechte Nahrung.
Der prächtige -pirsch würde umkommen, wenn er gleich
dem Biber von Fischen leben sollte. Die Ente würde Hun-
gers sterben, wenn sie wie die Schwalbe blos mit Mücken
i2 Naturgeschichte.
vorlich nehmen müßte. Das Schwein kann nicht mit dem
Luchse, und dieser nicht mit dem Schweine einerlei) Mahl-
zeit genießen. Aber Gott hat für alle gesorgt: alle seine
Kostgänger finden ihren Tisch gedeckt, finden ihn reichlich
gedeckt, denn Gott selbst hat ihn zubereitet. Und sollte es
manchen Thieren im Winter an Nahrung gebrechen, so
laßt sie Gott entweder vom Herbst bis zum Frühlnng bestän,
dig schlafen, wie dies unter andern das Murmelthicr
und der Dachs thun müssen ; oder er befiehlt ihnen, ein
halbes Jahr in einem fremden Lande zuzubringen. Diese
Nahrungsreise müssen jährlich die Kraniche, die Störche,
die Drosseln, verschiedene Schwalbenarten, die Schne-
pfen und andere Vögel, so wie auch manche Mäusear-
len übernehmen. — Jedes Thier empfängt ferner von
Gott das rechte Kleid, und die nöthige Bedeckung. Da,
wo es fast beständig Winter ist, verfertigt er für sie dichte,
warme und Jahr aus Jahr ein dauerhafte ^>elze. Der
Sisbar, der das ganze Jahr hindurch zwischen Schnee und
Eis wohnt, hat ein so warmes Winterkleid, daß unsere
vornehmen Herren, wenn sie im Winter auf Reisen gehen,
oder das Vergnügen der Schlittenfahrt genießen wollen, ihr
Pelzkleid, die Wildschur, von diesen Thieren leihen muß
sen. — Andere Thiere, die, wie bey uns, im Jahr einen
warmen Sommer, und einen kalten Winter zu erwarten
haben, bekommen von Gott, wenns warm ist, eine leichte
und kühle, und wenns kalt ist, eine dichte und warme
Kleidung. Ihr könnet das schon an den Rayen und Vö-
geln sehen: jene haaren, und diese mausen sich im Som-
mer, und im Winter ist ihr Kleid wieder dicht und warm.
Wie väterlich der große Versorger selbst für die nöthige Be-
deckung ganz kleiner, und in manches Menschen Auge ver-
ächtlicher Geschöpfchen bedacht ist, daö muß ich Euch noch
sa-
Das Thimcich. s 3
sagen, so sehr wir auch Ursache haben zu eilen. Damit die
Heine unansehnliche Motte, die beständig wächst, ihr Kleid
nicht verwachse, so wie Ihr das wohl thut, wenn Ihr im
Wachsen seyd, so lehrte sie Gott selbst, sich das Kleid zu ver-
fertigen: denn er unterrichtete sie im Rürfchnerhand-
werk. Sie macht sich nemlich Ihr Gewand, das einem
Fußsack gleicht, aus den Fasern von seidenen und wollenen
Zeugen, von Federn und von Pelzhaaren, und fragt
Euch nicht vorher, ob Eure seidenen Tücher, Eure wolle»
nen Kleider, Eure Federbetten, Eure Pelze Geld gekostet
haben: denn sie kann eben so wenig ohne Kleid leben, als
Ihr. Zuweilen fügt sichs nun, daß sie nicht aufs Wachsen
gerechnet hat, und ihr schönes, neues Kleid, in dem sie
kaum einige Tage Staat gemacht hat, ist zu klein gewor-
den. Ihr meynet wohl, sie müßte es wegwerfen: nein, sie
schneidet es der Länge nach auf, und setzt ein Stück hinein,
und nun sitzts wieder schön. Am häufigsten aber trist sichs,
daß ihr Sterbekittel — denn die Motte stirbt nie anders,
als in einem Kleide — zu klein und eng geworden ist. Von
der Farbe, und dem Zeuge, was sie in ihrer Jugend trug,
kann sie nichts mehr auftreiben: was soll sie nun machen;
ein neues Aleid? das wäre für ihre alten Tage zu kost-
bar. Sie setzt auf ihren gelben Kittel, den ersten, den
besten Flicken, von dem Zeuge, worauf sie wohnt, es sey
roch, blau oder schwarz. Und in diesem Falle ist ihrTodtenr
Hemd mit Flicken von mancherlei) Farben zusammengesetzt.
Ihr lachet? die Motte nicht; ihr fiels nicht einmal ein,
im Sarge noch eitel zu seyn, wie man das allenfalls bcy
vernünftigen Thieren, bey Menschen, findet.
Jedes Thier, lieben Kinder, empfängt von Gott auch
die rechten Werkzeuge, womit es sich seine Nahrung er-
werben und seine Wohnung aufbauen kann. — Solchen
Thie-
14
Naturgeschichte.
Thieren, die durch den Tod anderer ihr Leben fortsehen,
gab er Gewehr, Stärke, Mulh, Klugheit und scharfe
Sinnwerkzeuge. Den Adler versah er mit dem feinsten
Auge, mit körperlicher Stärke, und mir der lödtenden
Klaue, die Spinne lehrte er, sich ein tTey zu spinnen,
worin sie ihren Feind fangen kann. Es giebt einen kleinen
Zisch, der Sprützsisch genannt, Kinder, der muß nachGot-
tes Befehl von Mücken leben, die- auf Bäumen wohnen.
Wie mag er zu diesen aus seinem Wasser hinauf kommen?
In den Mund hinein stiegen sie ihm gewiß nicht, das wer-
det Ihr leicht denken: er schießt sie herunter, mir Ku-
geln bombardier er sie herunter. Ist das nicht sonder-
bar? Er hält sich nemlich an waldigten Ufern auf; und
sobald er ein Stück Wild auf einem Blatte sieht, nimmt
er den gehörigen Stand, und schießt aus seinem Maule ei-
nen Wassertropfen hinauf, wovon sein Wildprett fällt.
Sollte er einmal fehlschießen — wie denn das dem besten
Jäger wiederfahren kann —- so giebt er seiner Beute die
zweyte Kugel; und diese trist gewiß. Kurz, lieben Kinder,
jedes Thier, es sey groß oder klein, ist von Gott so gebaut,
daß es seine ihm dienliche Nahrung mit der größten Be-
quemlichkeit einerndten und geniessen kann. Dem hohen
Kamee! würde es sehr sauer werden, wenn es, um Gras
zu mähen, niederknieen müßte. Das hat es aber nicht nör
thig: denn Gort gab ihm einen langen biegsamen Hals,
mit dein es die Erde berühren kann. Der mächtig große
Elephaut hat fast gar keinen Hals. Und doch soll auch
er Gras und Pflanzen geniessen. Wie fängt er das an?
Frißt er etwa liegend? Nein, Kinder, Gott gab ihm ein
sechs Fuß langes, aus lauter Nerven bestehendes, und also
sehr biegsames Werkzeug, den Rüssel. Der ist seine Hand
— sein Wassereimer — sein Schwerdt: denn er nimmt
damit
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i6 Naturgeschichte.
reiten. Könntet ihr sehen, welch ein Gebäude sich der Bi-
ber baut: Ihr würdet erstaunen, würdet glauben, ein
Zimmermann habe es aufgeführt. Betrachtet einmal den
innern Bau eines Bienenstocks, sehet, welche künstliche
sechseckigte Kammern die Biene da angelegt hat: sind sie
nicht alle sich einander so gleich, als ob die Werkmeisterinn
jedes derselben nach einer besonders dazu verfertigten Form
gegossen hätte? Ich will Euch zwar Euren Verstand, und
Eure Geschicklichkeit nicht streitig machen, aber so einen
Bau, als die Biene verfertigt, könnet ihr doch nicht machen.
— Ein noch kleineres Geschöpf, als die Biene, das nicht
so viel Gehirn, als das kleinste Stecknadelknöpfchen, in
seinem Kopfe trägt, hat gleichwohl in diesem bischen Ge«
Hirn so viel Verstand, als mancher Briegsbaumeifter in
seinem großen Kopfe. Es ist die weißeAmeise (Termite)
in Asien und America. Dieses dem Anschein nach erz-
dumme Ding mauert sich förmliche Festungen, von einer
solchen Höhe, Größe und Festigkeit, daß große, schwere
Thiere, als Kühe und Pferde drauf herumgehen können.
Kurz, lieben Kinder, jedes lebendige Geschöpf, vom größ-
ten bis zum kleinsten, ist von Gott mit einem Werkzeuge
ausgerüstet, sich seine Wohnung zu verfertigen. Das eine
arbeitet mit der Schaufel, das andere mit dem Hammer;
dies mit dem Bohrer, jenes mit der Zange; das eine
strickt, das andere spinnt, das dritte webt, das vierte
zimmert, das fünfte mauert, das sechste miniert sich
sein Haus; manches hat seine Kraft im Bopfe, das an-
dere in den Füßen, um zu arbeiten. Und für solche Thiere,
deren Kopf das schwere Handwerk nicht begreifen kann, ar-
beitet Gott selbst und baut ihnen, wie der Schnecke, mit
eigner Hand ein Haus.
Das Thierreich. 17
Diese große Sorgfalt, Kinder, mit welcher Gott den
Thieren ihren Wohnort, ihr Kleid, ihre Nahrung und
ihre Werkzeuge zubereitet, scheinen sie auch gehorsam und
dankbar zu erkennen, denn sie nehmen vorlieb mit dem,
was ihnen Gott gab, und lassen sichs nie einfallen, von ih-
rem Wohnort zu weichen, und einen bessern zu suchen. —
Wie bald würde Asien und Africa zur Einöde werden, wenn
der Elephant, dieser lebendige Berg, der 22 Fuß lang, und
14 hoch ist, nach Fleisch lüstern wäre. Aber er ist genüg-
sam, weils sein Schöpfer so haben will, er behilft sich gern
mit den Blattern, Zweigen und Krautern, die ihm sein
Versorger reicht. Der Tygcr würde gar bald umkommen
müssen, wenn er seine Wälder verlassen, und gleich dem
Fuchs nahe an den Wohnungen der Menschen wohnen
wollte. Selbst die Vögel haben, eine jede Art, ihr eigenes
Revier, dessen Gränzen sie nicht leicht übertreten; und so-
gar die Fische in den Meeren und Flüssen bleiben gehorsam
auf dem Platze, den ihnen die Natur anweist, bis ihnen
Gott selbst winkt, einen Zug anzutreten.
Wie gern Gott jedes Thier erhalte und beglücke, das
werdet Ihr mit Erstaunen z)sehen an den Waffen, ander
wehr und an den 'ganz besondern Vertherdigrrngsmit-
teln, womit er jedes Thier ausgerüstet hat. -— So gleich-
gültig Ihr auch bey dem Tode eines Thiers seyd, Kinder,
so jehr ists dem König der Geschöpfe ein Ernst, seine Unter-
thanen am Leben ;u erhalten: er allein hat ihnen dieDauer
ihres Lebens bestimmt; er allein hat ihre Sterbestunde
festgesetzt: sie sollen sich auf seinen Befehl am Leben erhal-
ten, und damit sie es vertheidigen können, leerte er für sie
gleichsam seine ganze große Waffenkammer aus. Dem
Rrokodill zog er den undurchdringlichen Harnisch an;
dem Nashorn schmiedete er den dichten Panzer; der
(Bürgersch. er Bd.) B Schild-
3S
Naturgeschichte.
Schildkröte gab er den festen Schild; demElephanten
lieh er zwey fürchterliche Speere; dem Eber die blitz-
schnelle Sichel; der Schlange den giftigen Pfeil; dem
Stier den zweifachen Dolch; dem Stachelschwein tausend
Lanzen; dem Löwen Heldenmut!), unbezwingliche
Stärke, die eiserneRlaue und das zermalmende Gebiß;
dem Tyger die schreckliche Behendigkeit der Glieder
und die zerreiffende Bralle; dem Roß unerschrockenen
Muth und den bewaffneten Huf; dem Sägefisch dir
zackigte Sage; dem Scorpion den scharfen Stachel. —*
Denen, die keine Waffen gebrauchen konnten, schenkte er
Schnelligkeit der Füße, wie dem schüchternen Haasen, und
dem flüchtigen Reh; List und Scharfsinn/ wie dem
schlauen Luchs; eine unbezwingliche Festung, wie der
wehrlosen Auster; ein Bollwerk, wie dem trägen Dachs.
— Einige Thiere, lieben Kinder, bewaffnet Gott auf eine
so wundervolle Art, auf die Ihr gewiß nicht verfallen soll-
tet. Das Stinkthier z. B. vertreibt seinen Feind durch ei-
nen unausstehlichen Gestank, den es von sich gicbt: der
Blackfisch (Tintenfisch) strömt eine große Menge schwar-
zer Farbe um sich her, in die er sich, wie in einen dicken
Nebel verhüllt; der Mantelfisch wirft eine Decke,
die ihm der Schöpfer mit auf die Welt gab, über seinen
Verfolger und erstickt ihn; der Zitteraal theilt dem, der
ihn nur anrührt, einen so schmerzlichen und gewaltigen
^ Schlag mit, daß man auf einige Zeit völlig davon ge-
lähmt wird.
Daß der Schöpfer der Thiere, mit väterlichem Eifer
für ihre Erhaltung besorgt sey, sehet Ihr endlich
4) aus der Menge, in welcher fitst alle sich fortpflanr
zen, und aus der zärtlichen Sorgfalt Gottes für ihre
Junten.
* Bi-
Das Tbierreich
19
Bis zum Erstaunen groß ist die Fruchtbarkeit der
Thiere. Am zahlreichsten pflanzen sich diejenigen fort, die
andern Threren zur Nahrung dienen; am allcrfruchtbarr
sten aber sind solche, die der Mensch, der König der Thiere,
zur Speise gebraucht. Das Weibchen von einem -Hering
hat nicht selten 10020 Eyer, und in dem Rogen eines Mar
bliau hat man gar eine Million Eyer gezählt. Fast eben
so fruchtbar unter den Fischen sind die Schellsische, die
Stinte, die Lachse, die Marpfen, die Schmerlinge.
Aber auch unter den Vögeln und unter den Säugthie-
ren ist die Vermehrung bis zur Bewunderung groß. Denkt
einmal nach, wie viel Tauben, Hüner, Enten, Gänse,
Mramtsvögel Lerchen; wie viel Hasen, Rehe, Hier
sche, wilde Schweine; wie viele Kälber, Lämmer,
Ferkel in einem Jahr von Gott hervorgebrachk werden.
Blos in der einzigen Stadt London sind im vorigen Jahre
geschlachtet worden: 7221:2 Schafe und Lämmer; 100364
Ochsen, 199790 Kälber, 157932 Schweine und 72640
Ferkel. Dies macht zusammen eine Million und 232838
geschlachtete Thiere: welch eine Summe mag nun nicht in
ganz Europa geschlachtet worden seyn. Nun sehet dagegen
einmal zu, wie wenig sogenannte Raubthrere, neben die-
sen für uns nützlichen Thieren leben. Ihr kö.uent allemal
hundert Hüner gegen einen Fuchs; tausend Tauben gegen
einen Habicht, zehntausend Kramtsvögel, Lerchen, Schnei
pfen rc. gegen einen Sperber zahlen. In unserm hannör
verischen Lande sind wenigstens 400000 Schafe, und doch
ist kein einziger Wolf zu sehen, und zu hören. Nun denkt
einmal, Kinder, der schwache, wehrlose, schüchterne Hase
wird vom Menschen, vom Hunde, vom Wolf, vom Adler
verfolgt, und vermehrt sich doch jährlich zu einer entsetzli-
chen Menge; und der Adler, nach dem höchstens einmal das
B 2 Ge>
20
Naturgeschichte.
Geschoß des Menschen zielt, ist ein sehr einsames und selten
nes Thier. Woher kommt das? Hat der Adler keine Lust,
sich so zu vermehren, als das Täubchen? Gott hñts ihm
verboten: er soll, da er seine Nahrung von Thieren hat,
nur in einer solchen Zahl da seyn, damit der Mensch, der
ein weit höheres Recht hat, als er, keinen Mangel leide.
Mit eben der genauen Sorgfalt ist Gott auch für die pflege
der jungen Thiere bedacht. Zwar giebts in den Wäldern,
auf Gebirgen, in Felsenhölen keine Wiegen, keine Windeln,
keine Oefen für die zarten und schwachen jungen Thiere.
Gleichwohl müssen die Alten für ein warmes, weiches und
sicheres Bette ihrer Jungen sorgen; auch dürfen sie sich nicht
eher begatten, als so, daß die Jungen zu einer Zeit aufdie Welt
kommen, wo sie eine für sie gesunde warme Witterung, und
die nöthige Speise finden. Und wenn denn die Mutter ihre
Kinder zur Welt gebracht hat, so scheint sie von Gott ein
ganz anderes Herz bekommen zu haben. Sie pflegt ihre
Kinder mit unbeschreiblicher Zärtlichkeit, füttert sie mit der
größten Sorgfalt, beschützt sie mit allen ihren Kräften, und
vertheidigt sie mit einem Muth, den man sonst an ihr
nie gesehen hat. Ihr habet dies alles an der -Henne beob,
achtet, lieben Kinder, Ihr wisset es also, wie mütterlich
sie ihre Küchlein liebt, wie zärtlich sie sie lockt, wie gütig sie
einem nach dem andern das Körnchen anweist, was sie fin-
der, wie bekümmert um sie sie bey Gefahren ist und wie
mächtig sie sie vertheidigt und beschützt. Diese Liebe ist so
groß, daß so gar der größte Menschenfreund, Jesus, seine
Liebe zu uns mit der Zärtlichkeit einer Henne gegen ihre
Jungen vergleicht: wisset Ihr wohl, wo dieser schöne, ruh-
ende Spruch steht?
Ueberhaupt, Kinder, wird es Euren Eltern, und mir,
sehr angenehm seyn, wenn Ihr über das, was ich Euch
21
Das Thiemich.
von der göttlichen Sorgfalt für die Nahrung, für das Le-
ben, für den Wohnort und für die Lebensdauer der
Thiere, gesagt habe, einige schöne Sprüche aus der Bibel
nennen könnet. Damit Ihr sie genau findet, will ich Euch
auf den Weg bringen, der eine sieht in den Psalmen, der
andere im Evangelisten Matthäus, und der dritte in der
Apostelgeschichte.
Nun aber, Kinder, muß ich abbrechen. Ich hatte
Euch zwar noch viel von dieser großen, väterlichen Liebe
Gottes gegen die Thiere Zusagen, aber Ihr seyd begierig,
ein jedes derselben selbst kennen zu lernen, und ich sehe es
Euch allen an, ihr wolltet, daß ich sie Euch vorführen soll.
Ich wills auch gleich thun, aber eins müsset Ihr mir erst
versprechen. Ihr habet jetzt gehört, mit welcher Sorgfalt
Gott für das Leben der Thiere sorgt, welche Wunder
der Macht und Weisheit er anwendet, ihnen ihr Leben, —
bas einzige, was sie zu hoffen haben, — angenehm zu mar
chen; wie väterlich er sie pflegt, wie kräftig erste gegen Ger
fahren ausrüstet- und wie vollkommen er sie unterrichtet
hat, sich selbst zu beschützen und zu vertheidigen. Und doch
habe ich gesehen, daß mancher unter Euch ein junges Thier,
das erst vor wenig Stunden aus der Hand Gottes hervor
kam, mit unmenschlicher Grausamkeit mißhandelt, quält,
verstümmelt, sich an seinen Qualen labt, und sein schmerze
liches Ringen mit dem Tode mit frohem Entzücken ansieht:
das, Kinder, habe ich an manchen von Euch gesehen.
Nicht wahr, es thut Euch jetzt leid, solche boshafte, graur
same Mörder unter Euch zu haben? Nicht wahr, Ihr schämet
Euch, das mit frevelhafter Hand zu zersiöhren, was Gott er-
halten wissen will? Nun so versprechet mir jetzt, nicht eher
wieder ein Thier zu quälen, oder wohl gar zu morden, bisIhr
B 3 sehet.
22
Naturgeschichte.
daß Gott aufhört, der zärtliche Vater der Thiere zu seyn.
Schlachten dürftrZhr Thiere; wenn ihr Tod Euch anders
nützlich ist; aber quälen, verstümmeln und morden: daS
kann nur der Geist der Hölle.
Damit Ihr die Thiere eins von dem andern leicht unr
terscheiden lernet, so sollen sie sämtlich in gewissen (Ordnun-
gen^ die Ordnungen aber wieder Ln besondern Geschlechr
lern vor Euch auftreten. Gebet also genau acht, und mer-
ket Such, was ich Euch von ihnen sage. Von den unbe-
kannten, von sehr nützlichen und von den vorzüglich
merkwürdrgen werde ich Euch hinlängliche Nachricht ge-
ben, die übrigen aber sollen nur schnell vor Euch vorbey
Marschieren,
Die Ordnungen sollen seyn: i) die Saugthiere,
r) die Vögel, z) die Fische, 4) die Knorpelthiere (Ami
phibien) z) die Insekten, 6) die Würmer.
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A. Die SaugeLhiere.
Diese Classe von Geschöpfen ist zwar am wenigsten
zahlreich, aber ihres großen Nutzens wegen diewichtigfte.
Sie heissen Saugethiere, weil das Weibchen seine Jungen
an den Brüsten sauget. Die Eigenschaften, die diese Thiere
sonst noch mit einander gemein haben, sind folgende: ste ha-
ben ein Herz mit zwey Kammern; rothes warmes Blut;
holen durch dir Lunge Othem und gebähren lebendige
Zunge. Sie haben auch alle feste Knochen, sind größten-,
theils behaart, haben bewegliche Augenlieder, besitzen
alle Sinnwerkzeuge, die der Mensch hat, und oft in grös-
serer Stärke, und gehen fast alle auf vier Füßen. Eben
heö letztern Umstandes wegen, neunen einige Leute sie auch
die
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in der Grafschaft Hoya / im Herzogthum-Bremen und
im Herzogthum Oldenburg zu Hause sind, haben vielleicht
einen solchen Grönlandsfahrer zum Vater.
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24
Naturgeschichte.
Dieser wallfisch ist ein ungeheures Thier: denket ein«
mal, er ist so lang, wie eine gewöhnliche Dorfkirche und
auch so breit. 2fuf seinem Rücken arbeiten, wenn er gefanr
gen ist, 40 bis 50 Menschen, und in seinem Rachen kann
ein Boot sich verstecken. Diejenigen von Euch, die den
Weg von Hannover nach Hameln gemacht haben, oder noch
machen werden, können sich eine kleine Vorstellung dieses
entsetzlich großen Thiers verschaffen: denn hinter Rönnen»
borg, dicht an der Chaussee, liegt ein Lustgarten des Herrn
Vice-Oberstallmeister von Münchhausen; und links am
Haupteingange ist ein Thorweg, dessen Bogen blos aus den
beyden Knochen der Rinnlade eines Wallfisches besteht,
wodurch ein mäßiges Fuder Heu fahren kann. Verstehet
mich wohl, es sind nicht Rippen, wie manche von Euch
glauben, sondern zwey Knochen aus der Ninnlade. Kurz,
Kinder, dies ungeheure Thier, das größte lebendige Geschöpf
auf der Erde, ist 8o bis 90 Fuß lang. Es würde vielleicht
noch einmal so groß werden, wenn die Menschen nicht jahrs
lich allgemeine Jagd darnach machten; wenigstens will man
ehemals Wallfische von 160 bis 200 Fuß lang gesehen har
ben. Der ungeheure Kopf macht den dritten Theil seiner
Länge aus. Auf demselben ragen zwey Röhren empor,
durch die er Oden; hohlt, aus denen er aber auch Wasser
sprützt. Wenn er Lust hat, treibt er den Wasserstrahl so
hoch; beynahe, als unsere berühmte Fontaine zu Herren-
Hausen, so, daß man dadurch seine Gegenwart eine Meile
weit auf dem Meeresehen kann; und ist er einmal im Zorne,
Kinder, dann ertönen diese Luftlöcher mit solchem fürchterr
lichen Gezisch und Brausen, daß Ihr gewiß erschrecken wür-
det. Seine Figur hat die Gestalt eines unförmlichen Fisches.
Das ist es aber auch alles, was ihn allenfalls zum Fisch
macht: denn er ist, wie gesagt, ein wahrhaftiges Sauge«
«hier»
T
Das Thierreich. 2?
thier. Das, was die beyden Vorderfüße seyn sollen, hat
die Natur in Zwey, acht Fuß lange Finnen verwandelt,
die neben dem Kopfe sitzen. Mit diesen rudert er so schnell,
daß ihn kein Schiff mit vollen Segeln einhohlen kann. Was
aber bey den Landthieren die Hinterfüße sind, das ist am
Wallfisch in einen gabelförmigen, an beyden Enden in
die Höhe gekrümmten, vier Master breiten Schwanz
zusammengewachsen. Mit diesem, Kinder, hat das Thier
eine solche Stacke, daß er ein Boot mit 40 Mann eben so
leicht in die Luft schleudern kann, als Ihr einen Ball in
die Höhe werfet. Seine Haut hat keine Schuppen, son-
dern sie ist glatt wie Sammet. Oben ist sie schwarz, unten
weiß, und auf den Seiten und am Schwänze schön gemarr
melt. Die Augen im ungeheuren Kopse sind zwar nur klein,
etwas größer wie Ochsenaugen; er kann aber dennoch so gut
damit sehen, als Ihr. Fahne hat er nicht, weil er keine
braucht; denn seine Speise hat ihm der liebe Gott schon
ganz kleinerschaffen, die besteht in einer lebendigen Gal-
lerte, (in kleinen Würmern, die Medusen heißen.) Den
Platz aber, den in dem Munde anderer Thiere die Zähne
ausfüllen, hat der Gott der Macht mit einer großen Reihe
von Blättern besetzt, die 500 an der Zahl gleich großen und
kleinen Orgelpfeifen in einer schönen Ordnung da stehen.
Diese hornartigen mit Borsten behangenen Blätter, die
man Baarden nennt, kennt Ihr alle: sie sind das soge-
nannte Zischbein, was Eure Schwestern in den Schnür-
brüsten tragen, um sich damit eine dünnere Brust zu ma-
chen, als sie der Schöpfer geschaffen hat, um aber auch
eben damit über kurz oder lang, sich verschrobene Glieder
und Eingeweide, und also Krankheiten zuzuziehen. — Die
Zunge des Wallfisches besteht aus einem großen Stück
Speck, und giebt so viel Fett, daß man sechs große Tonnen
B 5 damit
26
Naturgeschichte.
damit anfüllen kann. So groß auch der Nachen ist, in dein
diese Zunge sitzt, so klein ist der Schlund: denn dies Rier
senthier ist nicht, wie der Elephant, bestimmt, Fleisch zn
fressen. Es ist daher der Prophet Jonas nicht von einem
Wallfisch, sendern von einem Hay verschlungen worden.
Unter der Zolldicken Haut dieses ungeheuren Thiers sitzt eine
große Lage Speck, die gemeiniglich eine Elle dick ist. Das
Fleisch ist sehr grob und wird von den Eisbären, aber
auch von den Grönländern, und andern Americanischen
Völkern mit großem Appetit verzehrt.
Dieses große, furchtbare, mächtig starke Th'ier, diesen
größten Niesen in der Welt, Kinder, kann der kleine Mensch
bezwingen, mit einem 9 bis 12 Zoll langen, an einen
Schaft befestigten Pfeil erlegen. Wie das zugeht, will ich
Euch noch kurz erzählen.
Um nemlich das Fischbein im Rachen des Thiers, wo-
mit ein großer Handel getrieben wird, und um sein Fett,
woraus man den Fischthran siedet, zu besitzen, fahren
jährlich im April viele tausend Menschen ins Eismeer, und
wagen deswegen ihr Leben, um mit dem erhaltenen Ge-
winn ihre Familien zu ernähren. Jedes Schiff,. das auf
diesen Fang ausgeht, hat 6 bis § Boote bey sich. Auf eb
nem derselben befindet sich der Schütze, der die Harpune,
das ist, das Gewehr führt, das den mächtigen Wallfisch
erlegen soll. Sobald die Jäger ein Stück solches Wildes
gewahr werden, rudern Bööte und Schiff nach ihm zu, und
zwey von den ersten nehmen ihn in die Mitte, und suchen
ihm so nahe, als möglich, an den Leib zu kommen. Ge-
meiniglich verwehrt es die mächtige Creatur den kleinen
Persönchen nicht, so wie wirs einem Vögelchen nicht ver-
wehren, uns nahe zu kommen. Derjenige Harpunier
von einem der beydcn Kähne, der ihm zuerst auf zo Fuß
1 nahe
27
Das Thierreich.
nahe kömmt, wirft ihm unter den Finnen, wo das Herz
liegt, mit aller nur möglichen Kraft, den scharfen Pfeil in
den Leib, und in eben dem nemlichen Augenblick rudern
beyde Kahne zurück, um nicht samt den Jägern in die Lust
geschleudert zu werden. An dem Schaft der Harpune ist
ein Ring und in demselben liegt ein dicker hänfener, 200
Klafter langer Strick, der auf einer im Boote befestigten
Nolle läuft. Sobald der Wallfisch die Wunde fühlt, eilt
er mit blitzschneller Geschwindigkeit in die Tiefe, und der
auf der Nolle laufende Strick zieht das Boot auf der
Oberfläche des Wassers über ihm nach, so wie auch die übrir
gen Bööre nacheilen, um ihm, wenn er sich wieder sehen
läßt, einen neuen Fang zu geben. Die Geschwindigkeit,
mit der der Strick sich abwickelt, ist so groß, daß man der
ständig Wasser auf die Rolle gießen muß, damit der Strick
nicht in Brand geralhe. Ost ist das Seil nicht lang ge,
nug, und dann muß ein anderes von gleicher Länge anger
knüpft werden. Zuweilen geht der angeschossene Wallfisch
auch wohl unters Eis; dann muß der Strick abgehauen
werden, und in diesem Fall ist gemeiniglich der Fisch, und
mit ihm iOOO Nthlr. verlohren. Zst der Fisch gut getrost
fen, so färbt sich die ganze Dahn, die er macht, mit Blut,
und sein Tod erfolgt bald; zuweilen aber müssen seine Err
ben eine und mehrere Stunden warten, bis er die Augen
zuthut; und nun erst kömmt der ungeheure Körper langsam,
gleich einem Berg herauf. Man befestigt ihn beym Schwänze
ans Schiff, und ein Boot von zehn Mann fährt ihm so,
gleich in den offenen Nachen, um da das Fischbein zu hör
len; zo bis 40 andere Männer aber klettern ihm auf den
Leib, um den Speck auszuschneiden. Sie haben Stacheln
in den Schuhsohlen: was meynetIhr wohl, Kinder, warn
um? In Zeit von 24 Stunden sind die Barden abgelöst,
dev
28
Naturgeschichte.
der Speck abgeflenzt und in Tonnen geschlagen, und Schwanz,
und Finnen, aus denen man Leim kocht, abgeschnitten, und
tausend Thalev — denn so viel ist ein mäßiger Wallt
fisch werth, verdient. Ein hannöverisches Schiff, das
im vorigen Jahr auf den Wallfischfang gieng, rechnete den
Werth Zweyer gefangenen Fische auf48O/ Nthlr. 9 mgr.;
mithin wäre jeder Fisch beynahe dritthalbtausend Thaler
werth gewesen. Kann das Schiff noch mehr Speck fassen,
so lauert man auf ein neues Wild dieser Art, oder man
macht auch wohl auf kleinereFische Jagd, die Thran geben.
S. Taf. 2. Fig. 1.
b. Der Cachetot.
Dies Thier ist eine kleinere Art Wallfische. Es hat
nur eine einfache Sprützröhre, und in der untern Kinnlade
scharfe, spitzige Zähne. Seine Länge beträgt 20 bis 30
Fuß, und es wird, weil es gleichfalls Thran gicbt, auf dem
Fange des grönländischen Wattfisches gelegentlich mitgefam
gen. Von eben dieser Art ist der pottsisch, der einen ger
waltig großen Kopf, und einen ungeheuren Nachen hat.
Einen sechs Fuß langen Fisch zu speisen, ist ihm daher ein
bloßes Morgenbrodt. Er wird so groß als der Wallfisch,
giebt aber lange nicht so viel Thran. Auch der NIastftsch
ist eineArr des Cachelots, ein fürchterlich großes, 80 Fuß
langes Geschöpf, mit einer grade in die Höhe stehenden,
gleich einem Segel ausgespannten Nückenfloßfeder, die ihm
auch zum Segel dient, und ihm deswegen den Nahmen
des ^Laftftsches gegeben hat.
c. Der Narwhal.
Auch dies Geschöpf ist ein Wattfisch; es unterscheidet
sich aber dadurch von ihm, daß ihm zwey lange, glänzende,
in einander gewundene Zahne aus dem Nachen hervorrcu
gen,
29
Das Thierreich.
gen, die man gleich dem Elfenbein polieren, drechseln unb
schneiden, und also zu niedlichen Geräthschasten gebrauchen
kann.
d. Der Delphin.
Gleichfals ein Wallfisch, mir zwey Reihen spitziger
Zähne, und einer Luftröhre. Desgleichen der Nc-rdr
caper, ein gewaltiger Fresser, denn er verschling: die He-
ringe Tonnenweise.
Diese Thiere, Kinder, die Ihr dem Wallfisch folgen
gesehn habet, geben sämtlich Thran mit ihrem Speck, aber
sie schenken uns auch noch etwas, was viele von Euch bis-
her nicht gekannt haben: den Wallrath. — Was das
wohl seyn mag? Ihr brauchet Euch dieser Frage nicht zu
schämen, Kinder, denn selbst viele Gelehrte wußten vor
ZO Jahren nicht, was sie daraus machen sollten. Es ist
das Gehirn des Cachelots, und der übrigen genannten
Thiere, wovon jedoch der erstere eine sehr große Portion
hat. Weil man nemlich den Wallrath auch auf dem
Meere schwimmend findet, so haben sich die Gelehrten lange
die Köpfe bey der Frage zerbrochen, woher diese Materie
komme. Dies geht aber so zu, der Cachelot, LTarwhal
und die genannten Thiere haben im Meere ihre Feinde.
Von diesen werden sie oft so unfreundlich behandelt, baß
ihnen das Gehirn aus dem Kopf gestoßen wird, und dies
schwimmt denn, da es ein fettiges Wesen ist, auf dem Meere.
Der Wallrath sieht aus, wie milchweißes Oel, und er wird,
wenn er durchs Sieden gereiniger ist, zur Arzcney, zu Po-
maden, zur Schminke, zu Lichtern für reiche Herrschaften
u. s. w. gebraucht. Sonst, wie man nur blos schwimmen-
den Wallrath kannte, kostete das Pfund 20 Rthlr, jetzt
höchstens nur einen Ducaten.
30
Naturgeschichte.
2) Saugethiere mit Füßen, die halb Fuß, halb
Floßftder sind.
Die Thiers, die zu dieser Ordnung gehören, lieben
Kinder, machen wieder mancherley Geschlechter aus, und
einige Arten derselben sind vom Schöpfer in sehr großer
Menge erschaffen worden. Sie halten sich sämtlich, wie
der Wallfisch, im Meere auf, und haben deswegen solche
Füße, die sie zum Rudern gebrauchen können. Ihre Iun-
gen, die sie mit unbeschreiblicher Zärtlichkeit lieben, und
mit unglaublichem Muthe vertheidigen, gebären sie fast
alle am Lande. Ihr Körper ist lang, und dem Körper der
Wallfische ähnlich. Da wir uns bey ihm, seiner Merk«
Würdigkeit wegen, etwas lange verweilt haben, so sollen
dagegen diese Thiere etwas, schneller gemustert werden.
a. Die Seekuh.
Dies Thier, auch der Manati genannt, wird 12 bis
24 Fuß lang, hat beynahe die Figur des Wallfisches, besitzt
aber doch Backenzähne, lebt von Seegräsern, und kömmt
nicht aufs Land. Es ist das Muster einer ehelichen Liebe,
denn das Männchen wählt sich zu seiner Freundin und be-
ständigen Gesellschafterin nur ein Weibchen, das er mit un-
beschreiblicher Zärtlichkeit liebt. Das Fleisch der Seekuh
wird gegessen, und aus ihre? Haut machen die nordischen
Völker Kahne.
I). Das Wallroß (Meerroß).
Es hat 2 große von oben nach unten zu gekrümmte,
dem Elfenbein nahe kommende Zähne imMaule, bläst Wasser
ans seinen Naselöchern und wird i8 Fuß lang. Die Vor-
der- und Hinterfüße des Wallrosses sind schon zum Gehen
geschickter, als die der Seekuh. Daher wandert cs auch
gerne
Das Thierreich» 31
gerne auf dem Eise herum, schläft auch darauf, wird aber
auch im Schlafe — denn natürlicher Weise hörts und siehcs
alsdann nicht — gefangen. Sein 18 Fuß langer Körper
giebt ziemlich viel Thran, und seine, einer Elle lange
Zähne sind den Elfenbeindrechslern höchst willkommen. Es
nährt sich von Seegewächsen und Muscheln, dient aber
auch selbst den Menschen wieder zur Speise.
c. Der Robbe.
Dies Thiergeschlecht ist in erstaunlicher Menge vor-
handen. Es hat nicht, wie das wallroß elfenbeinerne
Zähne, sondern oben und unten sechs spitzige Vorder, und
zwey lange Eckzähne. Der Kopf gleicht dem Hundskopf,
weswegen man auch die kleinste Robbenart Seehunde
nennt. Der Leib geh: vorn und hinten spitzig zu, und ist
mit schwarzen und weißen Haaren bedeckt. Die Robben
können nicht lange im Wasser leben, daher sind ihre Füße,
den Füßen der Landthiere schon ähnlicher. Ihr Fraß sind
Fische und Seegewächse, und ihr Aufenthalt sind die Ufer.
Jedes Männchen hat zwey Weibchen, die es mit unglaub-
lichem Muth beschützt. Eben so eifrig lieben die Robben
ihre Jungen. Man hat mehr a!s einmal mit Erstaunen
beobachtet, daß der Mntter der Hinterleib abgeschossen,
daß sie alle Eingeweide nach sich geschleppt, und in diesem
Zustande gleichwohl noch ihre Jungen vertbeidigt hat.
Ihr Fleisch ist das vornehmste Nahrungsmittel der Völker,
die in Norden wohnen. Auch von diesen Thieren erhält
man Thran, und ihre Haut wird auf mancherley Weise ge-
nutzt, besonders zu Ueberzügen großer Kasten. Es giebr
viele Arten der Robben; eine daoon ist der Seehund. Er
ist 2 bis 4 Ellen lang, hat braune und weiße Haare und
frißt Hecringe. Die Bewohner der nördlichen Gegenden
bram
Z2
Naturgeschichte.
brauchen sein Fleisch zur Speise, seinen Thran zum Ge-
tränke, seine Sehnen zum Zwirn, seine Gedärme zu
Hemden und zu Fensterscheiben, den Magen zu Tchran-
köpfen, die Knochen zu Pfeilen und anderen Iagdwerkr
zeugen und die Haut zurRleidrmg, zum Bett und zu Be-
schlägen für Koffer. Man kann den Seehund zu allerley
Künsten abrichten, auch laßt er sich in Seewasser lebendig
weit verführen, er stinkt aber gewaltig. S. Taf. 2, Fjg. 4.
3) Die RaubLhiere.
Die Haufen, Kinder, die jetzt vor euch vorbeyziehm
sollen, sind vom Schöpfer sammtlich dazu angewiesen, von
andern Thieren zu leben. Natürlicherweise wird seine all,
mächtige Hand sie auch zum Fange, und zum Genüsse ihrer
Beute ausgerüstet haben. Betrachtet nur, wenn sie kom-
men, ihre hellfunkelnden und ungemein lebhaften Augen, ihre
scharfen Klauen und ihre starken, spitzigen, zum Zerreissen und
Kauen eingerichteten Zähne; denn jedes Thier aus dieser
Ordnung hat in jeder Kinnlade sechs spitzige Vorderzähne,
die mit vier keilförmigen, etwas gekrümmten Eckzähnen
eingefaßt sind. Die Füße sind bey einigen in vier, bey
andern in fünf Zähen gespalten, alle aber haben in densel-
ben scharfe, gekrümmte Dolche, die sie in einer Scheide tra-
gen, und nach Gefallen aus und einziehen können. Sie
brauchen diese fürchterlichen Krallen theils zum klettern,
rheits zur Jagd. Wie listig, verschlagen und grau-
sam sie alle sind, das wird Euch fast bey allen ihr funkeln-
des Auge und ihr drohender Blick sagen. Sie sind sämmtr
lich im Laufe schnell, und des Nachts munter. Einige
besteigen Bäume, andere gehen ins Wasser und noch andere
jagen in der Ebene, um Beute zu erhalten. Ihr Fell ist
bey den meisten sehr schön, und wird geschätzt; ihr Fleisch
aber
Das Thierreich. Zz
aber wird gewöhnlich nicht gegessen. — Nun machet Euch
fertig, sie sollen sogleich in acht Geschlechtern erscheinen.
a) Die Otter.
Dies Thier schließt sich noch an die vorigen durch seine
Schwimmfüße an, denn zwischen seinen 5 Zähen ist eine
Haut, die es zum Rudern gebraucht. Es hat einen dicken,
platten Kopf und kleine, finstere Augen, und sieht also sehr
dumm aus, ist es aber nicht. Dabey hat es kurze, rund,
liehe Ohren; einen langen Leib; kurze Beine und trägt ein
braunes Fell mit starken, kurzen, platten und glänzenden
Haaren. Dies Thier jagt Fische und kann starke Mahl,
zeiten davon machen. Daher rüstete es der Schöpfer mit
der Kraft aus, zu schwimmen; und diese Kunst versteht eS
auf und in dem Wasser mit gleicher Fertigkeit. Ihr könnet
die Otter fast in allen deutschen Flüssen finden. In unse,
rer Weser, 2lller, Leine, Ilmenau, Hunte, ist sie
auch. Wenn Ihr einmal Fischteiche bekommet, Kinder,
so nehmet Euch vor diesem Gast in Acht: er frißt Euch in
kurzer Zeit den ganzen Teich leer. — Seine Haut wird 'zu
Tobacksbeuteln verarbeitet, und sein Fleisch ißt man hie
und da in katholischen Ländern, als eine Fastenspeise; es
riecht aber wie todte Fische.
b. Das Marder- und Wiefelgefchlecht.
Die Marder, lieben Kinder, und zwar den Baum,
und Zeldmarder, den Iltis, das Frettchen, das wie,
selchen, den am weissen Schwanz mit einer schönen schwär,
zen Spitze versehenen Hermelin, müssen wir nur blos vorr
bey marschieren lassen. Wenn Ihr einmal einen von diesen
Taubenfängern und Ez?erdreben in die Hände bekommet,
so könnet Ihr sie länger betrachten. Nehmet Euch aber in
Acht, daß Euch der gefangene Dieb nicht wieder entwischt,
(Pürgersch. n Dd.) C denn
34
Naturgeschichte.
denn sein Leib ist vorn und hinten gleich schlank; hütet
Euch auch, daß sie Euch nicht beißen, dies mögen sie
gar zu gern. Einen unter diesen Gästen muß ich euch jedoch
etwas genauer zeigen, das ist der Zobel. Er sieht bepr
nahe so aus, wie der Baummarder, ist 18 Zoll lang, und
'hat ein allerliebstes schwarzbraunes, langes, glänzendes
Haar. Daher wird sein kleiner Balg erstaunlich theuer ber
zahlt, und nur sehr reiche Herren und Damen können ihn
kaufen. Denn ein einziger Balg kostet, wenn er recht schön
ist, 80 Nthlr. Nun denket einmal selbst, wie viel Bälge
von diesen kleinen Thierchen zum Futter eines Manns- oder
Damenpelzes erfordert werden. Daher macht schon dieje-
nige Person grosse Parade, die an ihrem Pelz blos eine
^Verbrämung von Zobel hat. Um ja nichts am Fell dieses
kostbaren Balges zu verletzen, wird der Zobel mit hölzernen
Bolzen geschossen. Weil Ihr, um dies Thierchen Zuse-
hen , schwerlich eine Reise von beynahe 2000 Meilen machen
werdet — denn sossveit ist Siberren, das Vaterland des
Zobels, von uns — so habe ich Euch das Thier lieber zei-
gen wollen.
c. Das Stinkthier.
Dies Völkchen Thiere, Kinder, was man Stinkthiere
nennt, ist in Europa nicht zu Hause. Sie sind fast alle
von der Größe eines Marders, und haben zwischen den Hin-
terfüssen einen doppelten Sack, in dem eine schmierige,
starkriechende, bey den mehrsten äußerst stinkende Materie
sich befindet. Es gehören dahin: die Ziebethkatze, ein
in Asien wohnendes Thierchen, mit einem geringelten Katzen-
schwanz, und einem Sack zwischen den Hinterbeinen, der
einen sehr starken, wohlriechenden Saft hat, den man ehe-
dem zu Pomaden, jetzt aber in den Apotheken zu Arzeneyen
ge-
35
Das Thierreich.
gebraucht. Die Holländer bringen die Ziebethkatze lebenr
dig aus Asien, machen sie zahm, und nehmen ihr wöchenl,
lich dreymal das wohlriechende Fett ab. — Die ipharaonsr
ratte. Dies Thier, was auch Ichneumon heißt, muß
sich nachsagen lassen, daß es dem Krokodill in den Nachen
kriecht und sich durch seine Eingeweide durch, und hinten
wieder heraus frißt. Es ist ihm aber eine solche seltsame
Reise nie in den Sinn gekommen, Arokodilleneyer dar
gegen verzehret die Pharaonsratte sehr gern, und diese finr
det das Thier in Aegypten, wo es sich aufhäit, in Menge.
— Der Skunk (Chinge) in Nordamerica, ist das eigentr
ltzche Stinkthier, deren es verschiedene Arten gicbt. Der
Gestank seines Beutels kömmt dem Gerüche gleich, den
man bey Ausgrabung unterirrdischer Gemacher empfindet,
und ist eben so erstickend. Dieser abscheuliche Geruch ist das
Wehrmittel des Stincthiers, wodurch es jeden Feind von
sich abhält.
6. Der Dachs.
Dieses einsiedlerische Thier kennet Ihr wahrscheinlich
schon, denn es ist unser Landsmann; seine Haut wenigstens
könnet Ihr täglich sehen, wenn Ihr nur die Jagdtasche eir
nes Jägers betrachten wollet. Es hat kurze Friste mir fünf
Zähen, einen aschgrauen Körper, längst dem Rücken einen
breiten schwarzen Strich, und eben einen solchen am Baus
che, so auch einen schwarzen Streifen über Augen und Ohr
ren. Der Dachs hält wenig von Umgang und Gesellschaft.
Er gräbt sich in waldigten Gegenden eine Höhle, in welcher
er am Tage über schläft; des Nachts aber geht er heraus,
und besucht Eure Höft, um ein Huhn zu holen. Kann
er das nicht finden, so sucht er Eure Bienenstöcke auf, um
Honig zu schmausen. Er nimmt aber auch mir Mäusen,
C r Vör
Z6
Naturgeschichte.
Vögeln, Eyern, Fröschen, Käfern und Wurzeln verlieb.
Da nun diese Gerichte im Winter nur selten sind, und der
faule, träge Dachs nicht Lust hat, lange zu suchen, so
schläft er um Martini ein, und wenn er im May die FrS,
sche quaken hört, macht er sich wieder auf. Zuweilen jedoch
weckt — vielleicht ein böser Traum — den Schnarcher mit,
ten im Winter auf, dann saugt er an einen Fettbeutel um
ten am Schwänze, woraus er eine Art von Suppe bekömmt.
6. Das Bärengeschlecht.
Eine Art dieser Thiere, die braune, aus Polen zu
uns kommende Gattung kennet Ihr; denn viele Polacken,
die nicht so viel gelernt haben, um sich ehrlich zu nähren,
fangen junge Bären, richten sie mit schrecklichen Schlägeir
zum Tanz ab, bringen sie dann zu uns, und lassen sie auf
unfern Dörfern eine Menuet tanzen, Burzelbäume machen,
die Leiter hinauf klettern, und mit dem Hut in der Hand
die, dem Landstreicher zugedachte Allmosen betteln.
Der Bär hat fünf Zehen, geht auf den Fußsolen, kann
aber, so tölpisch ergeht, doch vortreflich klettern. Er frißt
Aeser, frisches Fleisch, Insekten, Honig und Früchte. Men,
schen fällt er nicht anders an, als wenn man ihn beleidigt.
Wehe aber dann dem Leichtsinnigen: denn der plumpe Bär
versteht keinen Spaß, und seine dicke schwere Tatze kann
solche Ohrfeigen austheilen, daß einem das Gehirn aus dem
Kopfe fliegt. Im Winter verschließt .sich der Bär mit sei,
nem Weibe in die Erde, fastet da mit ihr, und faulenzet
dabey. Sein Fell brauchen die Polacken zu Betten; dar
der nennt man in Polen einen faulen, trägen Knaben einen
Bärenhäuter. Es soll aber auch hie und da in Deutsch,
land kleine Bärenhäuter geben.
Außer
37
Das Thierreich.
Außer den braunen, schwarzen und weissen Landbären,
giebtsin den nördlichen Ländern ein mächtig großes weist
ses Thier, der Eisbär genannt, der sich aber durch seine
Gestalt und Größe gar sehr vom Landbären unterscheidet.
Dies Thier greift im Hunger Menschen an, nährt sich aber
gewöhnlich von den Aesern der Wallfische und anderer See«
thiere. Seine Haut wird zu Wildschuren gebraucht.
Zum Bärengeschlecht gehört auch der Vielfras. Er ist
zwey Fuß lang, und hat einen kurzen Hals, dicken Leib,gewölbr
ten Rücken, und ein mit langen braun melierten Haaren
besetztes Fell, das zu Müssen und Verbrämungen gebraucht
wird. Er wohnt in Norden, und jagt Thiere, die noch
zweymal größer sind, alö er selbst. Wie er das wohl an»
fängt: er lauert auf einem Baume auf, bis ein Rennthier,
oder ein anderes Thier darunter weggeht; dann springt er
ihm auf den Nacken, hängt sich mit seinen scharfen Klauen
fest, und versetzt ihm mit seinen spitzigen Zähnen eine Wunde
nach der andern. Man hat ihm nachgesagt, daß er nichts
chue als Fressen, und um seinen Unrath früher, als ihn die
Natur wegschafft, los zu werden, dränge er sich zwischen
zwey Bäume, und gebe auf diese Art seinen Koch von sich.
Allein hierin thut man dem Thiere zu nahe. Seinen Nähr
rnen jedoch hat er von seiner Gefräßigkeit»
f. Das Kaßengeschlecht.
Alle zn diesem Geschlecht gehörigen Thiere haben an
den Vorderfüßen fünf, an den Hinterfüßen aber vier Zehen,
krumme Klauen, mit Krallen, die sie aus und einziehen
können; einen rundlichen Kopf; eine kurze und dicke
Schnauze, mit einem Knebelbart, eine rauhe stachlichre
?ungc und einen dicken Leib. Sie sind alle grausam,
C 3 und
38
Naturgeschichte.
und meiñentheiks sehr fürchterlich, denn sie leben durchgän*
gig vom Blute und Fleisch anderer Thiere. Daher sind sie
im Laufen, Springen und Klettern leicht und behende, ger
hen auf den Zehen, und brauchen sie, ihren Raub damit
anzupacken. Erschrecket nicht, Kinder, denn jetzt kömmt
das größte darunter.
Der Löwe. Versuchtseinmal, ob Ihr den festen, feu*
rigen, muthigen, drohenden Blick seines Auges lange auss
halten könnet. Nrcht wahr, Ihr müsset eure Augen schüch*
lern wegwenden? So geht es auch jedem Thier, das ihn
anblickt, denn der Löwe ist seines Muthes und seiner Stärke
wegen, de- Schrecken aller Landthiere. Er ist 9 Frist lang,
bar gelbe ¿¡aare, einen großen Kopf, ein viereckigtes Ge«
fickt, schrecklich funkelnde, im Dunkeln leuchtende Augen
einechr-'ite, dem Eisen an Starke gleichkommende Brust,
starke Glieder, harte Knochen und eine erstaunliche Menge
Muskeln, die ihm eine fürchterliche Behendigkeit geben.
Der Löwe trägt eine Mähne, die ihn sehr furchtbar macht,
die Löwin aber hat keine. Seine Stellung ist edel, seine
Bewegung majestätisch, sein Blick voll Ernst, sein
Sch utt bedeutend , und sein Gang langsam, aber nicht
träge, sondern voll. Wurde: denn mit der Schnelle des
Pfeils fährt er daher, wenn er Deute sieht. Wehe dem
Geschöpf, auf welches er los zielt, denn er ergreift es ge*
wiß; doch schont er den Menschen, er müßte denn int aller*
größten Hunger sryn, und keine andere Speise, die ihm
dock nicht leicht fehlen kann, bekommen können. Nichts
auf der Welt ist schrecklicher, als ein Löwe im Grimme.
Er zeigt das Weisse im Auge, fletscht die Zähne, runzelt
die Stirne, schüttelt die Mähne, schlägt den Schwanz oes
gen die Erde, richtet sich auch wohl auf die Hinterfüsse und
erhebt
ZA
Das Thierreich.
erhebt dann das gewaltigste, lauteste, fürchterlichste Ger
brüll, das allein schon einen muthigen Mann zaghaft mar
chen sollte. Ihr seyd erschrocken, nicht wahr, Kinder; aber
sehet jetzt den Löwen einmal von der Seite an: da werdet
Ihr finden, daß er bey aller seiner Furchtbarkeit doch viel
Ehrliches und Großmüthiges in seinem Gesicht und in allen
seinen Bewegungen hat. Und diese Eigenschaften hat er
auch wirklich, und viele andere gute Sitten, die man wohl
Tugenden nennen könnte, dazu. Denn wenn man ihn jung
fangt, und zahm macht, wozu er sich gern versteht, ist er
so treu und so dankbar wie ein Hund. Wahrscheinlich
werden Euch Eure Lehrer die allerliebste Geschichte vom Lö-
wen des Androcluö erzählen können; ich wollts gern selbst
thun, aber wir müssen eilen. Dagegen will ich Euch eine
andere erzählen, die auch recht niedlich ist. In der berühmr
ten Festung zu London, die der Tower heißt, sind große
Behältnisse, worin wilde Thiere, als Löwen, Tyger, Panr
ther u. d. gl. aufbewahrt werden, und die man täglich ser
hen kann. Vor ein paar Jahren gieng auch eine Dame
dahin, und verweilte sich unter andern sehr lange bey dem
Vehältniß eines Löwen, der Nero hieß. Diesen Namen
hatte ein grausamer, römischer Kayser, der die Apostel pe«
trus und Paulus hinrichten ließ, und dieser Löwe hieß
gleichfalls seiner Grausamkeit wegen fr... Die Dame hatte
ein artiges Schooshündchen auf dem Arm- Indem sie. sich
etwas unvorsichtig übers Geländer hinlehnt, womit das
Behältniß eingefaßt ist, stürzt ihr kleiner Liebling, das
Hündchen, hinunter. Nero fährt blitzschnell auf das Ge<
scböpfchen zu, um es zu verschlingen, und das arme kleine
Hündchen legt sich auf den Rücken, reckt flehendlich die
Füsse, und wimmert so kläglich, daß sich ein Stein hätte bei
wegen lassen sollen. Indem Nero der wehklagenden Figur
C 4 nahe
40
Naturgeschichte.
nahe war, stand er plötzlich still, betrachtete sie mit einem
besonder» Ernst, beroch sie, legte sie auf die Seite, und
kehrte endlich langsam um. Das kleine Geschöpf nützte
diese Zeit, und kroch leise in einen Winkel. Da faßte
es wieder etwas Herz, stützte sich auf die Vorderbeine,
schüttelte sich den Staub ab, und sah sich um. Indem fiel
dem Löwen wieder ein, zum ungebetenen Gast hinzugehen.
Das Hündchen empfing ihn mit einem lauten Geschrey;
und als der Löwe es wieder beriechen wollte, fuhr es ihm
trotzig in die Nase, biß ihn in die Beine, und that auf einmal
gewaltig dreiste. Der Löwe nahm nichts übel, und gieng
wieder fort, und der kleine Patron hatte nun gar die Keck«
heit, den Löwen zu verfolgen, denn er fuhr ihm in den
Schwanz, und bleffte so trotzig, als wenn er hier viel Recht
gehabt hätte. Der Löwe sah ihn voll Verwunderung an,
blieb aber doch ganz gelassen, und that, als ob er von
nichts wüßte. Kurz, Kinder, der gewaltige, furchtr
bare Tyrann der Thiere, und der kleine Vlesser wuri
den zuletzt gute Freunde. Wenn Nero Mittagsruhe halt
ten wollte, kam der kleine Narr herbey, lief muthwillig um
ihn herum, zerrte ihn am Schwänze, verkroch sich in feit
nen Mähnen, und machte tausenderley närrisches Zeug.
Das behagte dem alten König, und er vergas seinerWürde
so, daß er sich der Länge nach hinstreckte, und alles mit sich
machen ließ. Nun wurde der kleine Hofnarr so unverschämt,
daß er nach Art aller Hunde, den Löwen nie zuerst wollte
fressen lassen, er als Hund wollte den Rang haben. Er
knurrte, grinzte, wieß die Zähne, und biß seinen Wirth ins
Maul. Dieser ließ sich endlich die sonderbare Laune des
unhöflichen Gastes gefallen, und wartete bis der kleine Neir
dische satt war. So verstrichen einige Monate, da ward
das Hündchen krank, und starb. Nero sah es da liegen.
Er
4i
Das Tierreich.
Erhobs auf, und stellte es auf die Füsse; es fiel um. Er
berochs, kehrte es um, berochs wieder: es wollte nicht mehr
spielen. Da erhob er ein fürchterliches Gebrüll, und
grämte sich non Stund an so sehr, daß er nach einigen Ta»
gen starb. Seine Haut, so wie die Haut des Hündchens,
könnet Ihr, wenn Ihr Lust habet, deswegen nach London zu
reisen, recht schön ausgeftopft, und neben einander stehend,
täglich sehen. — Was saget Ihr von diesem Löwen? Nicht
wahr, es war doch artig, daß er seine Stärke gegen ein so
sehr kleines, und um Gnade flehendes Geschöpf nicht ger
brauchte. Gibts doch sogar Menschen, die sich deswegen
an schwächere Mitmenschen machen, weil sie sich ihrer
Stärke bewußt sind; und ich habe manchen Knaben gesehen,
der ein Kind deswegen geschlagen hat, um ihm zu zeigen,
daß er stärker sey. Diese müßte man also bey Nero dem
Löwen in die Schule schicken. Nun, Kinder, sag ich euch
nichts mehr vom Löwen, als daß er in Afrika und in Asien
lebt, und daß neulich ein Gelehrter, Nahmens Sparr-
mann, der lange in Africa gewesen, und manchen Löwen
gesehen hat, diesen Helden, den das ganze Alterthum den
Röntg der Thjere nennt, das bisher so lange genossene
Lob desMuthes absprechen will. Wir wollen hoffen, daß
sich der Mann hierin geirrt hat.
Ein eben so furchtbares Thier ist der Tyger, eine
schreckliche, acht bis zehn Fuß lange, auf der weißgelben
Haut mit schwarzen Streifen gezeichnete, der Katze ähnlft
che Figur. Der Tyger würgt alles Lebendige, was er sieht,
und schont oft seiner eigenen Jungen nicht. Ihr könnet
ihm seine Bosheit und Tücke gleich an den Augen ansehen;
auch verkündigt Euch die aus dem Nachen hängende Zunge
seinen lechzenden Durst nach Blute. Zahm machen läßt
er sich äußerst selten; er ist sogar im Stande, seinem Wohl,
C 5 thäter
42
Naturgeschichte.
thäter die Hand abzubeissen, die ihm Futter reicht. Wie
dies Thier, das mit dem edlen Löwen einerley Gegenden
bewohnt, zu einer solchen, unter den übrigen Thieren unen
hörten Bosheit komme, weiß ich nicht. Ich weiß es nicht
einmal, wie ein Mensch, von Menschen, das ist von ver/
nünftigen Wesen gebohren, und erzogen, zu der teuflischen
Wuth kommen könne, seinen Vater, oder seine Mutter,
oder sein Kind, oder seinen Bruder zu erwürgen. Und
doch werden manche unter Euch von solchen Unmenschen
gehört haben; einen Brudermörder wenigstens kennet
Ihr alle. — Die Haut des Tygers wird zu Pferdedecken,
als ein Schmuck gebraucht; auch tragen die Husarenoffi/
ciere bey der preußischen Armee, wenn sie in feyerlicher
Parade erscheinen, köstlich zubereitete Tygerfelle gleich eit
nem Mantel.
Der Leopard ist fast ebenso stark, und so furchtbar,
als der Tyger, verschont'aber die Menschen. Sein Fell ist
gelblich, mit kleinen schwarzen Flecken, und nimmt sich
vortreflich aus.
Der Panther ist größer als der Leopard, aber seine
Flecken, die die Figur eines Ringes machen, sind nicht so
schön, wie bey diesem. Einen lebendigen Panther, einige
Leoparden, einen Tyger und einen Löwen haben die mev
sten unter Euch, die in Hannover wohnen, diesen Winter
gesehn, so wie auch den mächtig großen Strauß und einige
andere Thiere. Die gute Pflege und das reichliche Futter,
welches sie von ihrem Besitzer bekamen, zeigte sie uns frey,
lich in einem ziemlichen Grade der Schönheit; sie werden
aber doch im Stande der Sclaverey nie so groß, schön und
lebhaft, als im Stande der Freyheit.
Das Thierreich. 43
Der Jaguar, ein americanisches Thier, hat zwar die
Haut der vorhergehenden drey, nicht aber ihren Much. ^
Der Luchs, ist etwas größer als eine Katze, und
trägt an den Enden der gespitzten Ohren einen Busch von
Haaren, wie ein Pinsel. Er wohnt in dicken Wäldern,
und macht Jagd auf große Thiere, denen er gleich dem Viel/
fraß von einem Baum herab auf den Rücken springt. Er-
staunlich weit kann er sehen, so wie alle katzenartige Thiere.
Die Raye, d'ss geschmeidige, niedliche, aber falsche
Thier kennet Ihr genug. Man sagt ihr viel Tücke nach,
wovon aber das ein Märchen ist, baß sie schlafende Men-
schen ersticken soll. Die rvrlde Art ist größer, als die zah-
me, und gemeiniglich einfarbig, oder vielmehr grau mit
schwarzen Ringen.
g. Das Hundegeschlecht.
Alle hieher gehörigen Thiere, sind schnell im Laufen,
graben sich zum Theil Wohnungen in die Erde, klettern
nicht, und nähren sich gewöhnlich vom Fleisch anderer
Thiere, selten von Früchten. Ihr Fleisch ist in einigen
Gegenden eine beliebte Speise, und ihr Fell wird gegerbt, und
von Schuh- und Handschuhmachern verarbeitet. Wenn Ihr
denHund, dies treue, gehorsame und dankbareThier selbst auf-
gezogen habt, so könnet Ihr Euch ihm sicher anvertrauen;
aber trauet dem tollen Hunde ja nicht; er sey ein fremder
oder Euer eigener. Ihr könnet diese schreckliche Krankheit
dem Thiere ansehen: denn wenn der Hund nicht fressen
will, — wenn ihm vor dem Saufen cckelt, — wenn er
die Ohren fallen läßt, — den Schwanz zwischen den Bei-
nen trägt — die Zunge aus dem Maule steckt; — ein
trübes, kaltes und dabey drohendes Auge zeigt — seinen
Herrn
44
Naturgeschichte.
Herrn nicht mehr kennt, einen stockenden Sang hat, und
wohl gar mit dem Maule schäumt: dann laßt ihn ja tSdten,
so lieb er Euch auch ist.
Abarten vom gewöhnlichen Haushund sind: der
dickköpfige bleffende Mops; der fürchterliche, aber dabey
ehrliche Bullenbeißer; der gelehrige, gehorsame, bedacht-
same, kluge Jagdhund; der kraushaarige, geschickte und
his zur Bewunderung getreue Budel; das niedliche, freund-
liche Bologneserhündchen; der krummbeinigte, sanfte
Dachshund; das schlanke, schnelle, leichte Windspiel,
und der kahle türkische Hund.
Mit dem Hunde sehr genau verwandt ist der Wolf,
mit dem er auch in der Bildung viel ähnliches hat. Sein
Fell ist ein schmutziges gelb. Die große Schnauze sitzt voll
scharfer Zähne, und die Ohren sind aufmerksam gespitzt,
den Schwanz aber trägt er gemeiniglich zwischen den Bei-
nen. Er ist ein sehr gefräßiges und listiges Raubthier.
Seine liebste Beute sind Schaafe, auch fällt er, doch nur
im äußersten Hunger, Menschen an. Er geht am liebsten
in Gesellschaft auf Raub aus. In unserm hannöverischen
Lande sind seit vielen Jahren nur zwey Wölfe gesehen, und
auch geschossen worden; dagegen wird er dann und wann
im Thüringer-Walde gefunden. Seine Haut wird zu
Wildschuren und Decken gebraucht, und seine Zähne zum
Glätten.
Der Schackal (Goldwolf) ist im Ganzen wie der
Wolf gebaut, aber kleiner von Körper und anders gezeich-
net. Er scharrt Leichen aus und bricht in Viehställe ein.
Vor erwachsenen Menschen fürchtet er sich; Ihr aber, Kin-
der, würdet vor seinen Klauen nicht sicher seyn: ein Glück
für
47
Das Thierreich.
für Euch, daß er nicht bey uns wohnt, denn er ist nur in
Asien und »Africa zu Hause, wo er Heerdenweise auf den
Raub ausgeht. Das Thier, was Simson gebrauchte, die
Kornfelder der Feinde seines Vaterlandes zu verbrennen,
waren Schackals.
Der Fuchs, ein schlauer und listiger Schalk, voller
Ranke und Schelmereyen. Der Jäger ist ihm oft nur auf
zwey Schritte nahe, ohne ihn zu bemerken, so klug weiß
er sich zu drehen, und zu verstecken. Sein Geruch ist äuft
serst fein, so daß er Eure Hüner und Ganse auf zoo Schritte
weit wittern kann; und eben so weit merkt auch seine Nase
den Jäger. Wenn er keine Nahrungssorgen hat, und
sonst bey guter Laune ist, reißt er, besonders in Gesellschaft
seiner Frau Füchsinn, wunderliche Possen. Er ist in ganz
Europa zu finden. In den kalten Ländern dieses Welt-
theils, so wie auch im nördlichen Asien giebts weiße Füchse,
Rreuzsüchse mit weißem Balge und einem schwarzen
Streifen auf den Rücken, und einem dergleichen über den
Bauch, und kohlschwarze Füchse, deren Pelz sehr theuer
bezahlt wird.
Die Hiane (das Grabthier.) Dies boshafte, tückir
sche und räuberische Thier hat mit dem Schackal einerley
Vaterland, und auch fast gleiche Bildung, doch ist es giert,
ger und stärker; auch hat es über dem Rücken steife lange
Borsten, die ihm, wenn das Thier sie sträubt, ein fürchr
terliches Ansehen geben. Den Nahmen Grabthier führt
ks, weil cs sich Löcher in die Erde gräbt.
4) Die nagenden Thiere.
Ihr könnet diese Thiere alle an ihren Zähnen erkennen,
denn sie haben in jeder Kinnlade 2 lange, schmale, hinten
schräg
46 Naturgeschichte.
schräg abgestutzte Vorderzähne, drey bis vier Backen-
zähne, Eckzähne aber gar nicht. D ese Zahne hat ihnen
Gott weislich in dieser Gestalt und Zatzl eingesetzt, daß sie
mit denselben ihre Nahrung, die in allerhand Gewächsen
besteht, zernagen können. Alle haben eine gespaltene Ober-
lippe. Sie bedienen sich der Vordersüße, statt der Hände,
und sitzen gern auf den Hinterfüßen. Zwischen denselben
haben die meisten einige Drüsen, die einen starkriechen-
den Saft von sich geben, der zuweilen zur Arzeney ge-
braucht wird. Sie fressen sämmtlich Gewächse; doch
lassen sich manche von ihnen auch Vögel, Eyer und Fische
gut schmecken. Alle sind kluge, muntere, nette, reinliche,
aber furchtsame Geschöpfe. Sie geben uns vortrefliches
Pelzwerk; einige von ihnen dienen uns zur Speise, und
manche liefern uns Arzeneyeu. Ihre acht Geschlechter
sollen in folgender Ordnung auftreten.
a. Der Biber.
Der geschickteste Zimmermann unter den Thieren;
oder vielmehr, er ist Maurer, simmermann, Tischler,
und Tapezierer zugleich. Sehet ihn einmal genau an,
Ihr solltet ihm so viel Kunst nicht zutrauen. Er ist z Fuß
lang, hat langes, feines, hellbraunes Haar, und unter
demselben noch eine ganz kurze, weiche, den Pstaumfedern
ähnliche Wolle. Seine Vorderfüße haben 5 Zehen, seine
Hinterfüße aber sind wie Gänsefüße. Das merkwür-
digste Glied seines Leibes ist sein dicker, platter, mit Schup-
pen bedeckter Schwanz. Kein Thier auf der Erdes hat
einen solchen wunderbaren Schwanz von Gott bekommen;
Ihr könnt also auch leicht denken, daß ihn der Schöpfer
nicht ohne Ursache also gebildet hat. Es braucht ihn nem-
lich der Biber bey seinem Zimmermannsr und Maurerge-
schäfte,
47
Das Thierreich.
schäfte, statt eines Schiebkarrens, statt einer Maurer-
kelle, statt eines Blauels und statt eines Streichholzes.
Um ihn immer geschmeidig zu erhalten, schmiert er ihn
mit (Del, und dies Oct hat ihm Gott in 4 besondern Beu-
teln gegeben, in welchen immer Vorrath ist. Wie doch
der Monarch der Engel so gütig gegen ein — Thier ist:
nicht wahr, Kinder, Ihr mögtet mehr von diesem Geschöpf
wissen?
Die Biber wohnen, nur wenige ausgenommen, in
förmlichen hölzernen Häusern, die ihnen niemand baut,
als sie selbst. Diese Häuser werden von ihnen auf einem
See, oder auf einem Fluß angelegt; denn dies Thier liebe
ein ganz eigenes Vergnügen: es sitzt gern mit dem hintern
Theil seines Körpers im Wasser. Hältser auf dem Was-
ser; von einem unvernünftigen Thier gebaut! nicht wahr,
das kömmt Euch seltsam vor? Natürlicherweise muß der
Biber einen festen Grund oder einen Damm haben, wor-
auf seine Wohnung ruhen kann, und dies fängt er so an.
Eine Zahl von hundert und mehreren Bibern fällt Bäume.
Ihre Axt haben sie im Maule, es ist ihr scharfer Backzahn.
Damit hat ein einziger Zimmermann einen Baum, so dick
wie Ihr im Leibe seyd, in einer Stunde umgehauen.
Wollet Ihr einmal zusehen, wie ers macht? Er setzt sich
aus die Hinterfüße, und stützt sich zugleich aufseinen starken
Schwanz. Nun fängt er an zu sägen, und hält die beyden
Vorderpfoten an bepde Seiten des Mauls, um die hinein-
gefallene Späne herauszuholen. So säget er immer rund
um den Baum herum, und eh' Ihrs Euch versehet, stürzt
der Baum um. Aber wenn er nun den Biber erschlägt'.
Das hat nichts zu sagen, denn das kluge Thier weiß in die-
sem Augenblicke so schön auszuweichen, als der vorsichtigste
Mensch.
48 Naturgeschichte.
Mensch. Eben so geschwind wird er mit den Aesten und
Zweigen fertig. Mit diesen Baumen, Aesten und Zweigen
macht er sich auf einem See, oder Fluß, einen Damm.
Am liebsten legt er jedoch diesen Damm auf einem Fluß an;
und um ihn recht stark zu machen, wird ein großer am
Ufer stehender Baum abgesägt, und so künstlich gefällt, daß
das äußerste Ende an das jenseitige, und das unterste Ende
an das diesseitige Ufer zu liegen kömmt. Auf beyden Sei-
ten des Baums werden Pfäle cingerammelt, wozu der
kluge Baumeister kleine Bäume, und die Aefte des großen
braucht,und mit den Zweigen umflicht er dies Pfalwerk. Zum
Schlägelbey diesem ELnrammeln nimmt erden Schwanz.
Unterdessen aber einejGesellschaft Biber oben rammelt, sind
auf dem Boden des Wassers noch andere an der Arbeit, die
mit ihren Vorderfüßen die Pfäle halten, die Erde rund
herum auskratzen, und sie dann fest treten. Ist das Pfalr
werk fertig, so wirds mit Thon und Erde ausgefüllt, die
sie in großer Menge im Maule, und auf dem Schwänze
herbey bringen. Nun ist also ein Damm entstanden, der
oft so bis ioo Fuß lang, und io bis 14 Fuß breit ist. Aber
wie, wenn nun das Wasser ihn einreißt, oder wenn es Über-
tritt! Für beydes haben die scharfsinnigen Baumeister ge-
sorgt, denn sie liessen Oefnungen im Damm, damit der
Strom durchziehen konnte. Ist diese Arbeit richtig gesche-
hen, so vertheilen sich die Zimmerleute in einzelne Haufen,
um ihre Wohnungen aufzubauen. Diese bestehen in run-
den, sehr zierlich und fest angelegten Häusern, die zehn
bis vierzehn Fuß im Durchschnitt halten, und zwey, auch
wohl drey Stockwerkchoch sind. Nach vollendetem Bau,
den die sämtliche Gesellschaft fast zu gleicher Zeit zu Stanche
gebracht hat, wird jedes Zirnmer von den Spahnen gereini-
get, die hervorstehenden Holzspitzen abgesagt, und die
Wä.ide
Das Thierreich. 49
Wände mit Moos recht nett austapeziert; und nun solltet
Ihr glauben, Kinder, Ihr sähet ein kleines Dorf, worinn
Menschen wohnen, so ordentlich und regelmäßig stehen die
Häuser. In jedem derselben wohnt eine Familie von io
bis 20 Bibern einträchtig beysammen; und solcher Häuser
zählt man gemeiniglich zwölf bis zwanzig neben einander«
Um jeden Wasserschaden sogleich wieder auszubessern, wird
der Damm täglich visitirt, denn jeder Biber ist zugleich
Deichinspector, und dies Amt verwaltet er so treu, als
ob er in Eyd und Pflicht genommen worden wäre. —
Was sie wohl in ihren Häusern machen: nicht wahr, das
möchtet Ihr gern wissen? Wenn der Biber eine rechte Fürr
stenlust haben will, so setzt er sich mit dem hintern Theil des
Leibes ins Wasser. In dieser Stellung huckt er an der Seite
seines Weibchens, das er herzlich lieb hat, ganze Stunden
und tauscht dann selbst mit dem König der Thiere, mit dem
Löwen nicht. Dies herrliche Leben genießt der Biber vom
Herbst bis zum Frühling, und lebt dabey mit seinen Hausr
genossen, und mit den übrigen Bewohnern in einer so zärtt
liehen Eintracht, als manche menschliche Brüder nicht mit
einander leben. Zu Anfang des Frühlings ziehen die Mam
ner aus, und sammlen Vorrath für die Jungen, die die
Weiber unterdessen gebären, auch hohlen sie zugleich so
viel, um den Winter über nicht darben zu dürfen. Gegen
den Herbst ist die ganze Gesellschaft wieder im Dorfe beyr
sammen; da bessert siemus, was auszubessern ist, und die
häuslichen und geselligen Freuden nehmen aufs neue ihren
Anfang.
Es giebt auch ungesellige Biber, besonders in Deutsch?
land, und überhaupt in Europa; denn eigentlich müssetIhr
nach America gehen, wenn Ihr ein rechtes Biberdorf sehen
(Bürgersch. rrBd.) D wollet-
ß
5© Naturgeschichte.
wollet. Diese europäischen Biber leben wie der Dachs: sie
graben sich Löcher in die Erde, doch richten sie ihre Wobst
nung so ein, daß sie einen Vadeplah in der Nähe finden.
Die Biber werden gegessen. Der vordere Theil ihres
Leibes ist eigentlich Fleisch, und schmeckt wie Rothwild; der
Hintere Theil aber hat, weil er fast beständig im Wasser ist,
einen Fischgeschmack. — Das Zell giebt unfern Kürschnern,
Strumpsfabricanten und Hutmachern herrliche Materialien.
Denn aus den langen Haaren macht man warme Müsse
und Mützen, und aus den kleinen die feinsten Hüte und
Strümpfe, die man Bastorhüte, Bastorstrümpfe nennt.
Am Leibe tragen beyde Geschlechter längliche/runde,
stark riechende Kugeln, von der Größe eines Hünereys;
man nennt sie Bibergeil, welches die Aerzte gegen viele
Krankheiten verschreiben.
Man findet dieses bewundernswürdige Thier, wie get
sagt am häufigsten in America; einzeln aber auch in Eu«
ropa. Wollet Ihr einmal einen Biber sehen, so müsset Ihr
an die Elbe, oder an die Spree, oder an die Havel ger
hen; auch in der Mulde hat man neulich einige bemerkt.
S. Taf.4, Fig. i»
b. Das Stachelschwein.
Dies sonderbare Thier hat einen Wald von Lanzen,
oder Stacheln auf seinem Leibe, die es, sobald es vom
Feinde angegriffen wird, mit einem großen Geräusch sträubt.
Unter diesem Schutze kann ihm selbst der Löwe nichts anhcu
den. S. Taf. z, Fig. Jt
0
Das Thierreich. ?x
e. Das Meerschweinchen,
ein sehr munteres, artiges Thierchen, etwas größer
als der Maulwurf. Man hielt sie ehemals häufig zum
Vergnügen, auch aß man ihr Fleisch.
d. Das Mäusegeschlecht.
Hieher gehören sehr viele Arten kleiner Thiere, welche
Ihr fast alle kennet: Die Hausmaus, wovon die weiße
ein sehr nettes Geschöyfchen ist; dieRatte, ein gefräßiges und
keckes Thier; der Ratz (Siebenschläfer, Rollmaus) so groß,
als ein Eichhörnchen, aber dicker, mit einem vollhaarigten,
runden, grauen Schwanz. Er kömmt nur in den Somr
mernächten zum Vorschein; denn er schlaft den ganzen Winr
ter hindurch, und auch im Sommer sieht man ihn bey Tage
nur selten. Sein Fell ist ein sehr gutes Pelzwerk. Ihr
habt also jetzt eine Ratte, und zugleich einen Ratz gesehen,
und werdet mithin künftig bepde Wörter nicht verwechseln:
denn die ersteren giebts Ln ganz Deutschland häufig; der
Ratz aber ist in unserm Hannoverischen Lande nicht, som
dern nur im südlichen Deutschland zu finden. —
Der Lemming; eine sehr beißige und geschwinde
Mäuseart, im nördlichen Europa. Sie gehört zu den
wandernden Thieren. Wenn ihnen dies Wandern in
den Kopf kömmt, so sind sie schlechterdings nicht zu halten;
und in dieser ihrer Wandersucht gehen sie immer grade
aus. Ist ihnen ein Berg im Wege, so bohren sie sich
durch; treffen sie auf ein Haus, auch da nagen sie sich
Lurch, und kommen sie an einen Fluß, oder an ein Meer,
so plumpen sie ohneUeberlegung hinein. Natürlicher Weise
kommen die wenigsten dahin, wo sie hin wollen. Aber
Zehts nicht auch den Menschen so, die daswauderfteber be,
D a fallt,
5Z
Naturgeschichte.
fällt, und die in Ostindien, oder in America goldne
Berge suchen? Bleibet in Eurem Vaterlande, Kinder, lernet
was Gutes und werdet brave Menschen; so wird Euch
Gott schon segnen.
Das Murmelthier; ein munteres'und possierliches
Geschöpf. Es wohnt auf hohen Gebirgen, da hat sichs
gegen den Winter bisweilen so fett gemästet, daß es 20
Pfund wiegt. Sein Fleisch ist sehr schmackhaft. Gegen
Len Winter legt sichs in seine Höle schlafen und schlaft, bis
die warme Frühlingssonne es wieder aufweckt. —- Der
Hamster, zwar nur einer Mannshand lang, aber so mur
thig, keck und beißig, daß er Menschen, Pferde und Hunde
angreift; auch hat er Ln seinem Kopf großen Verstand, denn
er versteht das Miniren und Sappiren aus dem Grunde.
Er weiß nemlich so geschickt durch die Erde zu graben, und
Wohnungen anzulegen, daß Ihr lange suchen müsset, wenn
Ihr ihn finden wollet. Der Hamster gehört mit unter die-
jenigen Thiere, denen Gott zu ihrem Futter Getreide anr
wies: denn der Mensch ist es nicht allein, für den Gott das
Korn erschaffen hat. Da dies Thier nicht Lust hat, oft
auf die Erndte auszugehen, so legt es sich Magazine an, in
welche es ganze Säcke voll Korn schleppt. Diese Säcke,
Kinder, bringt der Hamster mit auf die Welt. Betracht
tet ihn einmal genau, so werdet Ihr sie finden, nehmet Euch
aber in acht, daß er Euch nicht beißt. Sehet, er hat sie an
beyden Backen hängen. In diesen Säcken kann er auf
einem Gange einige tausend Körner wegschleppen, um sie
in seinem Magazin aufzuschütten. Sollte er Euch also zu
viel Korn wegholen, so könnet Ihrs dem habsüchtigen Pa-
tron nur immer wieder wegnehmen; aber zum Säen könnet
Ihrs nicht wieder gebrauchen, wohl aber zum Backen: denn
dee
Das Thierreich. sz
der kluge Sammler hat allen Körnern die Keimspihen abger
bissen, damit in seiner Scheure kein Kornfeld entstehe.
Wer ihm das wohl gerathen hat? In reichen Kornländern
z. B. in Obersachsen, giebts Leute, die man Hamstergrät
der nennt, die verdienen sich ein artiges Stück Geld mit
der Hamsterjagd; denn sie finden oft ganze Scheffel voll
Korn in einem Magazin, und die Hamster selbst machen sie
zahm, legen sie an eine kleine Kette, und verkaufen sie.
Der Hamster schläft gleichfalls im Winter.
e. Der Springer. (Erdhaase)
Ein Thiergeschlecht, das in Europa nicht zu finden ist.
Es hat kurze Vorderbeine, aber sehr lange Hinterbeine,
womit diese Thiere, gleich dem Frosch, erstaunliche Sätze
thun können. Es gibt grössere und kleinere Arten: die
größten sind so groß, alö ein Schaaf.
f. Das Eichhorn.
Dies artige und behende Thierchen habet Ihr schon
spielen, und allerhand Hocuspocus machen gesehen. Dies-
mal soll es also mit seinen 22 Arten, worunter auch eine
sehr schöne schwarze Art ist, geschwind vorbey marschieren.
Aber da stiegt ja eins darunter. DaskennetIhr noch nicht,
es ist das fliegende Eichhorn. Sehets einmal an, es hat
zwischen den Vorder« und Hinterfüßen eine solche Flug-
haut, wie die Fledermaus, und kann also vom höchsten
Baume herunter auf die Erde stiegen.
g. Der Haaft.
Dies furchtsame und schnelle Geschöpf kennet Ihr eben-
falls. Sehet, da ist er schon weggelaufen; dort steht er still,
setzt sich auf die Hinterbeine, spitzt die Löffel (so nennt der
D 3 Iä-
54
Naturgeschichte.
Jäger seine Ohren) und putzt sich den Bart. — Das Ka-
ninchen habet Ihr selbst; wenn Jhrs lange behalten wollet,
so nehmet es vor der Katze in Acht. — Der Zwerghaase
ist ein leibhafter Bruder vom gemeinen Haasen; er hat aber
keinen Schwanz, und wohnt nur in der Tararey, statt
daß jener in der ganzen Welt zu Hause ist.
5) Einige wühlende Thiere mit langen
Schnauzen.
Diese Thiere haben vieles mit unserm dritten und vier-
ten Regiment gemein, in vielen Stücken aber unterschei-
den sie sich wieder. Daher habe ich ein eigenes Corps aus
ihnen gemacht.
a. Die Spitzmaus.
Sie hat einen gestreckten Kopf, mit einem spitzigen
Rüssel UebrigenS sieht sie aus, wie die Hausmaus. — Die
Bisamratte, eine Maus, noch fünfmal so groß als unsere
Ratte. Sie wohnt in Africa und America. Dies Thier
hat in seinen Nieren den Bisam, eine schwarzbraune,
schmierige, dem geronnenen Blute ähnliche, sehr wohlrie-
chende Materie. Man braucht den Bisam als eins der
vornehmsten Wohlgerüche, die man vielen Dingen, z. E.
der Wäsche, Kleidern, Büchern rc. aus eine sehr lange Zeit
mittheilen kann; auch nützt man ihn gegen übelriechenden
Athem. — Die ungeschwänzte Spitzmaus. Dies Ge/
schlecht enthält die kleinsten Säugethiere, denn es giebt
Spitzmäuschen der Art, wovon eins nur so groß ist, als
ein mittelmäßiger Roßkäfer, und nicht mehr, als ein hal-
bes Quentchen wiegt.
b.
Das Thierreich. 55
b. Der Maulwurf,
nicht Maulwurm, wie ihn einige von Euch nennen«
Er hat eine lange Schnauze mit einem stumpfen Rüssel,
ganz kleine, aber doch wahrhaftige Augen, kein äußerliches
Ohr; kurze, unter der Haut versteckte Beine, und an den
Vorderfüßen Gchaufelpfotm. Ihr wundert Euch oft,
wennIhr des Morgens so viele Maulwurfshaufen sehet, wo
doch am Abend keine waren: Sehet die Vorderpfoten des
Thiers genau an; eben mit diesen Schaufeln schaufelt er so
geschwind; und zwar eigentlich nicht zu Eurem Schaden,
sondern zu Eurem Vortheil, denn er frißt die Negenwür,
mer und die Maden, und viele Infecten weg. Es ist also
eigentlich dies Thier Euer Gartenhüter, und Ihr müsset es
nicht tödten, am wenigsten aber martern. Vermehrt sich
jedoch dieser Gast allzusehr Ln Eurem Garten,"so will ich
Euch sagen, wie Ihr ihn belauren könnet. Er pflegt nem,
lich täglich dreymal hungrig zu werden, des Morgens um
fünf Uhr, dann um acht Uhr, und des Abends zwischen
fünf und sechs Uhr. In diesem Fall wirft er auf. Wisset
Ihr wohl, warum? Um die Negenwürmer durch die ge,
machte Erschütterung zum Vorschein zu bringen und zu
verzehren. Wollet Ihr ihn nun fangen, so stellet Euch mit
dem Spaden hinter den frischen Haufen, doch so, daß Ihr
denWind gegen Euch habet — denn der Maulwurf hat eine
sehr feine Nase. Fängt eran zu wühlen, so stecket den
Spaden tief in den Haufen, und Ihr werdet gemeiniglich
den kleinen Minirer herauswerfen können.
c) Dü6 Beutelrhier,
ein besonderes Geschöpf, desgleichen Ihr noch nicht ge,
sehen habet. Es hat unten am Leibe eine Tasche, worin
D d. es
4
Naturgeschichte
56
es seine Jungen, so lange diese noch klein sind, stecken, und
vor Kälte und andern Gefahren schützen kann. Die größte
Art dieser Thiere, die Marsupial heißt, ist von der Größe
eines Marders.
d. Der Igel. (Zauniget)
Auch dieses ist ein sehr nützliches, und dabey gutmür
thiges Thierchen. Es fängt Mäuse, und räumt unter den
Infecten und Würmern gewaltig auf. Sehet, jetzt richtet
es alle seine Stacheln in die Höhe, und wird zur förmlichen
Kugel. Es glaubt, Ihr wolltet es beleidigen, weil es
dies unverdiente, aber doch nicht seltene Complimenk von
Knaben wohl gewohnt ist. Der Igel verschläft den Winter,
auch ruht er gemeiniglich am Tage; des Nachts aber ist er
desto geschäftiger.
e. Das Schwein.
Dieses eben so^nützliche, als schmutzige Thier brauch
ich Euch nicht lange zu beschreiben. Ausser seinem Fleische,
nützt man auch die Haut dieses Thiers, die ehedem sehr
häufig von den Buchbindern gebraucht wurde. Aus seinen
Borste» macht man vielerley Arten von Bürste» und
Pinsel», auch werden damit Perlen durchbohrt, und aus
seiner Blase verfertiget man Tobacksbeutcl. Sein Mist
wird zum Dünger gebraucht. Am schmackhaftesten wird
dies nützliche Thier durch Eicheln; es frißt aber auch fastal-
les, was Ihr ihm gebet; auch sogar Menschenfieisch. Sollte
Euch daher von Euren Eltern Euer kleiner Bruder, oder
Euer Schwesterchen zur Wartung anvertraut werden', und
Ihr leget das Kind etwa im Garten, oder auf dem Felde
hin: ach so verlasset es ja nicht; denn es ist nicht das erste-
mal, daß kleine Kinder von einem Schweine aufgefressen
wor-
Das Thierreich. 5?
worden sind. — Das wilde Schwein ist immer schmuz-
zigbraun von Farbe, und hat 2 große Hauzähne, mit de-
nen es Jägern und Hunden den Unterleib aufreißen kann.
Vergolder und Buchbinder brauchen diese Zähne zum
Glätten. — Hieher gehört auch der Hirsch-Eber in Dfitru
dien. Dies Thier hat Aehnlichkeit mit dem Hirsch; kann
aber auch schwimmen und untertauchen.
'• • ' v . 7:Y-’ . c. ■
6) Die wiederkauendeu Thiere.
Diese Ordnung, lieben Kinder, enthält die nützlichstcu
Thiere für den Menschen: denn ihr Fleisch, ihre Milch, ihr
Talg, ihre Haare und Wolle, ihre Haut, ihre Sehnen,
ihre Hörner geben uns unbeschreiblich viele Wortheile.
Einige von ihnen sind beym Ackerbau ganz unentbehrlich;
andere dienen uns als Lastträger, und einige geben uns
Arzeneyen. Ihr könnet sie alle an folgenden Kennzeichen
von andern Thieren unterscheiden: sie haben in der obern
Kinnlade gar keine Vorderzähne, unten dagegen ihrer
sechs bis acht, die von den Backzähnen abgesondert stehen.
Die Füße haben gespaltene blauen. Die Euter sitzen
zwischen den Hinterbeinen. Sie tragen, ein paar Ge-
schlechter ausgenommen, alle Hörner. Sie nähren sich
nur von Gewächsen, die sie in verschiedenen Magen verar-
beiten. Aus der Speiseröhre nemlich geht ihre Speise in
den ersten Magen, wo das genossene Futter nur eiliger
weicht wird. Aus diesem geht es in den zwepten Magen,
der die Haube heißt, und von da wieder ins Maul, wo
das Thier die Speise nochmals kaut und zermalmet, alsdann
kömmt sie gradezu in die Haube, von da in den dritten
Magen, der der Salter heißt, wo das Futter nochmals
zerrieben wird; und nun gelangt es in den vierten Magen,
D 5 den
58 Naturgeschichte.
den Rohm, wo es mit Milchsaft vermischt, und völlig
verdaut wird.
Diese Ordnung hat acht Geschlechter.
3. Der Ochse.
Dies Geschlecht ist jetzt den Menschen fast unentbehr-
lich: denn Kinder, was würde aus dem Ackerbau werden,
wenn wir kein Rindvieh hätten; was wollten die Land-
Tente anfangen, wenns ihnen an Milch, Käse und Butt
ter fehlte. Diesen letzten Vortheil geben gute Kühe Ln sol-
chem Ueberfluß, daß mit Butter und Käse ein großer Han-
del getrieben wird, der viele tausend Menschen reich macht.
Eine gute Schweizer-Kuh giebr täglich 20 Kannen Milch, und
im Holsteinischen, Bremischen, Oldenburgischen und Hoyai-
sehen giebr es gleichfalls vortrefliche Kühe. Der Ochse ist
wegen seiner Stärke im Kopf und am Halse, zum Ziehen
sehr gut zu gebrauchen; auch nützt man ihn zum Lasttragen.
Sein Tod giebt uns eben so viele Vortheile als sein Leben,
denn aus seinen Hörnern macht man Ramme, Tinten-
fässer, Büchöchem.uud andere nützliche Dinge; — sein
Sell, dessen Bereitung, und Verarbeitung in Deutschland
wenigstens eine Million Menschen ernährt, giebt iuris viel
nützliche Rleidungsstücke; das Häutchen am Mast-
darm ist den Goldschlägern unentbehrlich; — sein Fleisch
erhält viele Haushaltungen, auch wird mit dem geräucher-
ten Rindfleisch ein beträchtlicher Handel getrieben und sein
Talg braucht man zu Lichtern. Mit lebendigen Ochsen
selbst wird gleichfalls sehr häufig gehandelt, besonders lösen
die Polen und Ungarn jährlich viele Tonnen Goldes aus
dem Ochsenhandel; und in unserer Nachbarschaft nehmen
manche Bremische, Oldenburgische und Hoyaische
Viehhändler gleichfalls starke Summen für fettes Rindvieh
59
Das Thimejch.
ein. '— Der Büffel stammt aus ?tsion, ist aber in Ungarn
und Italien zahm. Er hat ein dickes schwarzes Fell, aber
nur wenige Haare. Erstaunlich viel Kräfte hat der
Büffel; denn was drey starke Pferde kaum fortbriugen
können, daS kann er ziehen. Aus der dicken Haut bereitet
mau Koller für die Reiterey, Patrontaschenriemen, Der
gengehauge, Handschuhe rc. Mit den Haaren werden
Sättel ausgestopst, und aus dem Horn werden Rosem
kränze, Tobacksdvsen und andere Sachen gedreht. — Dev
Auerochs war vor einigen tausend Jahren im Harzwalde
zu finden, jetzt aber ist er nur in polnischen Wäldern zn
suchen. Er ist ebenfalls größer, stärker und geschwim
der als unser Ochs, hat grimmige Augen, kurze, aber dicke
Hörner, und auf dem Rücken einen Höcker. — Der Buks
kelochse (Wisent ; Bisonch ein großes, grimmiges Thier, lebt
in Nordamerica, wo er Heerdenweise an sumpfigen Orten
wohnt. Seyet einmal seine dicken langen Mähnen an;
wenn er die schüttelt, dann ist ihm nicht zu trauen. Auf
dem Rücken hat er einen größeru Höcker, als der Auerochse
Sein Fleisch schmeckt sehr gut. — Nun Kinder erscheint
b. Das geduldige Schaaf.
Dieses furchtsame, wehrlose und dabey sehr vielen
Krankheiten unterworfene Thier hat unter den lebendigen
Geschöpfen die Hülfe und den Beystand des Menschen
am meisten nöthig. Für diese Dienste ist es aber auch
wiederum sehr dankbar: denn es ist eines der nützlichsten
Thiere. Fast alles an ihm kann der Mensch brauchen:
seine fette Milch, so wie »die daraus verfertigten Käse,
geben uns eine gesunde Speise. Aus seiner Haut macht
man entweder £M;e, oder man nützt sie als Leder, auch
bereitet man Pergament daraus. Von seinen Gedärr
men
6o
Naturgeschichte
mcn macht man Violin- Violoncelli Harfen- undLaur
tensaiten. Sein Fleisch ist eine sehr nahrhafte Speise.
Das Mark aus den Knochen wird zu allerhand Salben
gebraucht. Die Abgänge von dem Felle, den Füßen und
den Ohren geben guten Tischerlcim, und der Mist ist
ein herrlicher Dünger. Der allernühlichste Theil des Thiers
aber ist seine Molle, woraus unbeschreiblich vielerley Ze^ge
verfertigt, und womit in Europa wenigstens 20 Millionen
Menschen ernährt werden. Betrachtet einmal die cnglir
schen und holländischen Tücher; wie fein, weich und
glänzend sie sind: das Schaaf hat sie Euch gegeben. Weich
ein schönes Werk ist der Manschester, den mancher von
Euch zu Beinkleidern bekömmt: das Schaaf hat ihn Euch
geschenkt. Die schönste, das ist, die feinste und weichste
Wolle geben die spanischen und englischen Schaafe.
Einige ausländische Schaafe haben 4 bis 6 Hörner, und
andere, besonders in Africa und Arabien, einen 30 bis 40
Pfund schweren Fettschwanz. Ein Märchen aber ists, daß
sie diesen Schwanz auf einem kleinen Wagen ziehen.
c. Die Ziege.
Sie ist muthwilliger und munterer als das Schaaf,
und klettert gerne. Da kömmt der ehrwürdige Bock; sehet
wie groß er mit seinem Barte thut. Die Ziege frißt Gras,
Moos, Laub, dornigteö Gesträuch und sogar den giftigen
Schierling. Auch dies Thier ist sehr nützlich. Seine
Milch trinket Ihr alle sehr gerne; in vielen Ländern
macht man herrliche Rase daraus. Das Fleisch schmeckt
zwar nicht so gut, als Hammelfleisch, wird aber doch geges-
sen. Aus seinem Fell macht man Beinkleider, Handschuh rc.
auch wirds zu Pergament verarbeitet; und aus den lan,
gen
6i
Das Thierreich.
gen Haaren schafft der Peruckenmacher ein zwar bequemes,
aber doch immer seltsames Geschöpf: die Perücke. —
Ein vollkommen schönes Thier ist die angorische Ziege,
(Kämelziege) in einem Lande in Asien, dasNatolien heißt.
Ihre feinen silberfarbigen Haare, die in langen Locken am
Thiere herunter hangen, geben ihr ein herrliches Ansehen.
Aus diesen Haaren, Kinder, wird daS sogenannte Ramel-
garn gesponnen. —
Die Gemse, ein schnelles und furchtsames Thier, das
entsetzlich klettern und springen kann. Wenn Ihrs sehen
wollet, müsset Ihr nach der Schweiz gehen. Ihre Haut
giebt ein dichtes, und doch sehr geschmeidiges Leder. — Der
Steinbock iss desto wilder und muthiger. Er lebt auf ho-
Heu Schneegebürgen, und wagt sich auf die schroffsten Fel-
sen. Der Jäger, der nach einem Steinbock nicht fehl--
schießt, versteht seine Kunst. — Die Gazelle, ein Geschlecht,
was durchgängig wohlgebaut ist. Die Gazellen haben
meistentheilS röthliche Haare, einen schlanken Körper, nied-
liche Beine, und schöne schwarze Augen. Die größten sind
von der Größe unserer Ziegen, es giebt aber auch eine ganz
kleine Art, die Zwerg Antilope, die nur 9 Zoll hoch ist.
Sie wohnen Hordenweise in Asien MNd Africa. Wenn der
König Salomo in seinen Schriften ein schlankes, niedli-
ches, schönes Geschöpf nennen will', so vergleicht ers mit
der Gazelle; welches der selige Luther durch Reh über-
setzt hat.
d. Der Hirsch.
Alle Thiere dieses Geschlechts haben dichte, und da-
bey lockere oder schwammigte Hörner, (Geweihe, in
der Jägersprache) die jährlich abfallen, dem Weibchen aber
ge-
6Z
Naturgeschichte.
gemeiniglich fehlen. Der gemeine Hirsch ist ein prächtiges
starkes, herrlich-gebauetes, und dabey sanftes, aber furchtt
sames Geschöpf. Zm Frühjahr wirft er sein Geweihe ab,
und erhält dafür im Julius ein größeres wieder, denn aller
mal findet er einen Ast (Ende) mehr daran, weswegen
man auch am Geweihe das Alter des Hirsches erkennt.
In der Begattungszeit dürfet Ihr ihm nicht nahe komr
men, Kinder, denn da ist er nicht mehr das sanfte und mir
schuldige Thier. Der Hirsch giebt ein herrliches Fleisch;
feine Haut vortrefliches Leder, seine Haare weiche Pol*
ster; sein Talg Arzeneyen und seine Geweihe allerley
Hefte zu Messer und Degenklingen; auch werden Mnge
daraus gedrechselt. — Der Dammhirsch ist kleiner. —■
Das Rennthier wohnte sonst in unserm Harz, ist aber
nun nirgends, als in ganz kalten Ländern zu finden. Seine
Speise ist Moos, das es mit seinem spitzigen, schaufelarr
Ligen Geweih aus dem Schnee scharrt. Für die Einmohr
ner kalter Lander ist es ein unbeschreiblich nützliches Thier,
noch nützlicher, als uns das Schaaf; denn man genießt
seine Milch, woraus man verschiedene Arten'Aase macht;
man ißt sein leckeres Fleisch; sein Geweihe giebt aller-
lei) Gerathe zum Fischfang und zur Jagd; aus seiner
Haut verfertigt man Kleider, Betten und Zelte, und
seine Gedärme und Sehnen werden zu Zwirn ge<
braucht. Im Sommer dient dies gesellige und fromme
Thier zum Lastträger, und im Winter wird es vor den
Schlitten gespannt; mit diesem und seinem darinn fizr
zenden Herrn kann es unglaublich geschwinde laufen. Das
zahme Nennthier ist z Fuß hoch, und 4 Fuß lang, die wilr
Len aber find viel größer. — Das Elendthier ist so groß
wie ein Pferd, hat schwere, breitgedrückte, kurzzackigteHörr
ner, lebt in kalten Ländern von Europa, nährt sich von
Baum-
Das Thierreich. 6z
Daumblättern, und ist sehr schnell. Sein Fleisch/ seine
Haut, Geweihe, Haare, Knochen sind eben so nützlich, wie
beym Hirsch. — Das niedliche, muntere und verschmitzte
RehkennetZhr alle. — Das Moschus- oder Bisamthier
ist dem Rehe ähnlich, hat aber am Nabel einen besondere
Sack hängen, worin Moschus oder Bisam steckt, den
Vornehme und Reiche, als einen vortrefiichen Wohlgeruch
sehr theuer bezahlen. Ihr müsset eine weite Reise, nach
Asien, machen, Kinder, wenn Ihr das Moschusthier auft
suchen wollet, um ihm seinen kostbaren Beutel zu nehmen;
ohnehin ist dies Thier selten, und lebt einsam. — Das
Mosethier (der Orignal) ein Americaner von entsetzlicher
Höhe: denn er wird io Fuß hoch und hat vier Geweihe,
wovon jedes an 50 Pfund wiegt. Es hätte also dies Thier—-
wenn die Nachrichten davon nicht etwas übertrieben sind —
zwey Centner auf seinem Kopfe zu tragen. Das Moser
thier ist schwarzbraun von Farbe, und gleicht dem Leibe
nach einem Stier, seinen Hals und Kopf aber hat es mit
dem Hirsch genrein, an dem jedoch die Natur ein Paar
Eselsohren angebracht hat. Die Vorderbeine sind etwas
kürzer, als die Hinterbeine: es hat deswegen einen schweren
Gang und bey seinem plunrpen Körper eine dumme Miene.
Es beleidigt niemanden, ausgenommen in der Brunstzeit,
oder wenn es angefallen wird: dann wehrt es sich mit Ger
weih und Füßen zugleich. Die Indianer nützen dies Thier
sehr; das Fleisch wird gegessen; die Geweihe geben aller,
Hand Küchengeräthe, besonders Löffel; die-Haut wird zu
Ueberzügen derRähne, zu Schuhen rc. gebraucht und
aus den 10 Zoll langen Haaren auf dem Rücken werden
Neye, Matratzen und Satte! gestochten»
6'4 Naturgeschichte.
e. Der Kameelparder. (die Giraffe)
Dies fchörre, fromme und sanfte, aber sonderbar
gebildete Thier muffet Ihr genau ansehen, Kinder; es
möchte Euch sobald nicht wieder kommen: denn es ist weit
von hier, in Africa zu Hause. Sehet, vorn ist es so hoch,
als drey große. Männer seyn würden, die sich einander
auf den Köpfen stünden, hinten aber grade halb so hoch.
Es kann Euch daher in den zrveyten Stock Eures Hauses
. sehen, ohne sich aufzurichten. Die ungleiche Größe seiner
Beine sind die Ursache dieser Bildung; denn die vordersten
sind noch einmal so hoch, als die hinteren. Dieses Umstands
wegen hat das Thier auch einen schaukelnden Gang; aber
es läuft gleichwohl entsetzlich geschwinde. Mit dem Hansen
hat es die Furchtsamkeit, mit dem Reh die Hörner, mit
dem Panther die Flecken und mit dem Buckelochsen die
Mahnen gemein. Es genießt Blätter, und giebt ein
schmackhaftes Fleisch.
f. Daö Kameel.
Dies berühmte Thier, Kinder, werdet Ihr recht hcrz-
lich lieb gewinnen, wenn Ihrs etwas genauer kennen ge-
lernt habet. Seine Größe, sein krummer Schwanenhals,
und der Berg auf seinem Rücken schrecken Euch zwar et-
was ab; aber Ihr könnet ganz nahe zu ihm hintreten,
denn es ist eben so fromm, sanft und gehorsam, als e§
groß ist. Das Kameel ist in Asien und Africa zu Hause,
wo es ein eben so nützliches Hausthier ist, als bey uns
der Ochse, und bey den Völkern in Lappland das Renn-
rhier; oder besser zu sagen, das Kameel vertritt die Stelle
des Pferdes und des Rinds zugleich. Sehet, es hat einen
natürlichen Sattel auf seinem Rücken, zum Zeichen, daß
eL
Das Thlemich. 6s
es Gott zum Lasttragen bestimmt hat. Wirklich kann es
1200 Pfund tragen, macht damit in dürren Sandwüsten,
und in der größten Sonnenhitze, gleichwohl täglich zehn bis
zwölf Meilen; behilft sich dabey mit einer Hand voll Disteln,
und ist im Stande vier bis sechs Tage zu dursten. Wenn
Ihr diese Beschwerlichkeiten einem Pferde, oder einem Och,
sen bieten wolltet, so würdet Ihr Pferd und Ochsen nicht
lange haben. Das Kameel aber hat der Schöpfer nach sei-
ner Allmacht und Weisheit so eingerichtet, daß es lange hun-
gern und dursten kann: denn es hat eben so wohl, wie die
vorhergenannlen wiederkäuenden Thiere, vier Magen, und
überdem noch einen großen Wasserbehälter im Leibe.
Wenn es also eine Reise durch die unfruchtbaren Gegenden
seines Vaterlandes zu machen hat, wo man oft in vier bis
acht Tagen kein Gräschen und keinen Tropfen Wasser findet,
so füllt das Kameel so viel Vorrath an Speise und Wasser
in sein Dehältniß, damit es Proviant habe. Sehet, Kin-
der, so weiß also der Allgütige die Stelle des Pferdes und
Ochsens, die beyde solche beschwerliche 'Arbeiten nicht ertra-
gen würden, auf eine so wundervolle Art, durch Kameele
zu ersetzen. Bey aller seiner Bürde, die dies Thier zu tra-
gen hat, giebl es gleichwohl seine tägliche Milch, die eben
so genützt wird, als Kuhmilch; auch wird sein Mist zur
Feurung gebraucht; und nach seinem Tode leisten sein
Zleisch, seine Haut, und seine Haare gleichfalls den ge-
wöhnlichen Nutzen. — Gebet Acht, jetzt soll es beladcu
werden; wahrscheinlich wird man eine Leiter anlegcn must
sen, um an dem hohen Geschöpf hinauf zu kommen. O,
sehet, es legt sich nieder, damit sein Herr es mitBeeuemr
lichkeit bepacken kann. Jetzt hats izoo Pfund aufgeladen:
wie wird sich wohl das arme Thier, dessen eigener Körper
schon 2000 Pfund wiegt, wieder aufhelfen können? Seht
(Vürgersch. ir Bd.) E einmal
I
68 Naturgeschichte.
einmal hin: an seinen Vorder süssen hat es vier Schwielen,
und an den hintern auch zwey'dergleichen. Geber Acht, an
diese Schwielen ftämmt es sich, wenn es aufstehen will;
•— da stehts schon. Nun muß es noch einmal fressen, ehe es
die weite Reise antreten soll. Der Treiber bringt ihm einige
Disteln, und einen Dornbusch mit scharfen Stacheln.
Diese elende Speise wirds doch nicht fressen sollen: meynet
Zhr. 0 ja, sie schmeckt ihm wie Zucker; in den Wüsten
wächst nichts anders, und der Allmächtige weiß auch Dorr
neu und Disteln einen Wohlgeschmack zu geben. Ihr glaubet,
es verwunde sich an den Dornen. Ja, wenn es die weit
chen Lippen des Pferdes, oder des Ochsen hätte. Aber sehet
einmal, seine Lippen, sein Zahnfleisch und sein Gaur
men sind mit einem HornfcU überzogen. Aber wie bringts
bey seiner gewaltigen Höhe den Kopf zur Erde, um zu fres-
sen. Sehet, jetzt dehnt es seinen Hals aus, es macht ihn
krumm, wie der Schwan Lhut: da frißts. Nicht wahr/Kinr
der, das Kameel hat Euch viel von der Macht, Weisheit
und Güte Gottes gepredigt? Vergesset diese Predigt nicht,
und bedenket, daß dieser Gott um Lurentwillen seine
Macht, Weisheit und Güte am Kameel gezeigt habe. Ei-
nen Umstand von diesem merkwürdigen Thier muß ich Euch
doch noch sagen: es kann so abgerichtet werden, daß es nach
Musik marschieren lernt. Singt sein Treiber ein geschwin-
des Lied, so trabt es geschwinde; ist aber das Lied langsam;
so geht es auch langsam. Kurz es richtet sich so vollkommen
nach dem Takte, als ob es Musik gelernt habe. —
Das Trampelthier gleicht dem Kameel völlig, hat
aber zwey Höcker auf dem Rücken, zwischen welche sich der
Treiber setzt: denn zumReitenwird essehr häufig gebraucht.
Diese
Das Thierreich. 67
Diese Thiere sind die Läufer, von denen in der H. Schrift
vorkömmt. —-
Die RameetzLege, (das Lama) ein Thier im südlichen
America, das in der Bildung der Ziege, in der Lebensart
aber dein Kameel gleicht. Es wird gezähmt und zum Lastr
tragen gebraucht, und liefert gute Milch und wohlschmekr
kendes Fleisch. Wer unter Euch das schöne Kinderbuch:
Aobmson Crusöe, vom Herrn Rath Lampe gelesen hat,
der kennt dies gute Thier hinlänglich. Ihr müsset es nicht
mit der Nämelziege in Natolien verwechseln, die Jhrvorr
hin gesehen habet. —- Das Schaafkameel;, auch in Süd,
america, ist aber kleiner als das Lama. Seine schöne
röthliche wolle wird verarbeitet.
7) Die einhufigen Thiere; oder das Pferde-
Geschlecht.
a. Daö Pferd. (Roß)
Dies edle, schöne, muthige, rasche, treue Geschöpf
kennet Ihr alle. Es ist in der großen Tatarey und Sir
brrteu wild zu Hause, von woher es über den ganzen Erdr
Loden gebracht worden ist. Die besten Reitpferde sind? in
Arabien, in der Barbares, in England und in Spar
nien, die schönsten Kutschpferde aber findet Ihr in %lea*
polis und in Dännemark; und wenn Ihr ganz kleine
Reitpferde für Eure kleine Persönchen haben wollet, so müsset
Ihr sie Euch von der Insel Island hohlen lassen. Das
Pferd giebt den Menschen erstaunlich viele Vorrheile: der
'Ackerbau, die Armeen, der Handel, die Posten und die
Bequemlichkeit der Menschen würden viel verlrehren, wenn
Gorr dies Thier nicht geschaffen hätte. Natürlicher Weise
E ? ver,
68
Naturgeschichte.
verschaffen also auch Stutereyen einem Lande sehr großen
Nutzen. Ueberdem bietet uns selbst der Körper des Thiers
sehr viele Vortheile dar: die -Haare im Schweifund in den
Mähnen dienen zu Violinbogen, zu Arm- und Hals-
bändern, zu Ringen, Rnöpfen, Bändern, Sieben,
LTeyen und Matratzen, und die kurzen Haare werden
zu Polstern und Hüten gebraucht. Aus dem Huf macht
man Ramme. Die gegerbte Haut wird zu Schuhsohlen,
zu Sattlerarbeiten, und unter andern auch zu einer Ler
derart genützt, die man Chagrin (Schagrang) nennt; und
Pferdemilch, und Pferdefleisch ist in der Tatarey, wo
das Pferd zu Hause ist, eine gewöhnliche Speise. —
Der Esel. Lachet ihn nicht aus, den geduldigen, und dar
bey genügsamen Lastträger. Er dient Euch so gern und so wil-
lig, als das Pferd, und es läßt sich sanfter und sicherer auf
ihm reiten, als auf dem stolzen und muthwilligen Roß, wes-
wegen er auch in gebirgigten und in warmen Gegenden sehr
gern und von den vornehmsten Personen zum Reiten ge-
braucht wird. Zhr wisset ja, unser Erlöser brauchte dies
Thier zum Reiten. In warmen Ländern ist er groß, mun-
ter und ansehnlich; je kälter aber seine Wohnung, desto
kleiner und träger ist er. Am schönsten findet ihr ihn in
Spanien und Mayland. Seine Haut wird zu Trommeln,
Chagrin, und Pergament verarbeitet, und seine Milch
braucht man in verschiedenen Krankheiten als eine gute
Arzeney. —
Der Maulesel ist seiner Geburt nach ein gar sonder-
bares Thier: denn sein Vater ist ein Pferd, und seine
Mutter eine Eselin; so wie das Maulthier eine Stute zur
Mutter, und einen Esel zum Vater hat. Dies Thier ist
in gebirgigten Gegenden zum Lasttragen und Reiten sehr
nützr
Das Thierreich. 6-
nützlich. Seinen natürlichen Murhwillen, in welchem es
gewaltig beißt, bändigt man durch einen Maulkorb. —
Das Zebra, ist wie der Maulesel gebaut, aber dabev ein
unvergleichlich schönes Thier; denn sein weißer Körper hat
von der Stirn, bis über den Schweif lauter schwarze Streb
fen, die alle in gleichen Zwischenräumen liegen, und von
gleicher Breite sind, so daß das Thier aussieht, als ob es
mit schwarzen Bändern geschnürt wäre. Es wohnt im Mittt
lern von Africa.
8) Einige starke, große, dickhäutige, dünn-
behaarte, dickbeinigte von Pflanzen lebende
Thiere.
Alle Thiere von dieser Beschaffenheit sind Bewohner
der heissen Länder, und halten sich gerne in sumpfigten Ger
genden auf. Machet Euch fertig, Kinder; jetzt kömmt der
Niese unter den Landthieren,
a. Der Elephant.
Ihr wollet weglaufen? Das habet Ihr nicht nör
thig: kommet nur alle her, und stellet Euch neben ihn hin,
denn dies Thier ist ein edles, kluges, treues, gehorsames
und nützliches Geschöpf, so daß es unter allen lebendigen
Wesen auf der Erde nächst dem Menschen, den ersten Rang
verdient. Ihr fürchtet Euch nur deswegen vor ihm, weil
er so groß ist. Sehet, wir müssen an ihm, wie an einer
Mauer hinaufsehen. Er ist i; bis 16 Fuß hoch, und 27
Fuß lang. Es gehört also ein sehr hoher und langer Saal
dazu, worinn dies entsetzlich große Thier stehen kann. Die
zwey großen nach oben zu gekrümmten drey Fuß langen
Balken, die ihm aus dem Maule stehen, sind seine beyden
E 3 Stoß-
70
Naturgeschichte.
Stoßzähne. Die sind alleine so schwer, als looov Ochsern
zähne: denn sie wiegen wenigstens das Stück einen ZenLr
ner Wehe dem, den er damit stößt; der vergißt gewiß
das Aufstehen. Sie sind das Elfenbein, woraus, wie
Ihr wisset, vortrefliche Arbeiten gedrechselt werden. Ein
einziger Zahn kostet holländische Gulden; das ganze Thier
aber wird mit 8000 bis 9000 Reichsthalern bezahlt. — Die
lange, schlangenfö'mige Figur, die ihm zwischen den Zäh-
nen herunter hängt, ist seine Nase; die kann er drey Ellen
lang machen, und wieder zu einer Elle verkleinern, wie er
will. Mit dieser Nase hehlt er Odem, riecht er, schreft
er, schöpft er sein ìVasser, indem er sie vollsaugt und das
Ende davon ins Maul steckt; auch ist sie seine Hand: denn
mit ihr ergreift er das Futter von der Erde, und bringts dann
zum Munde. Desgleichen braucht er sie zum Gewehr:
den stärksten Menschenkopf kann er damit vom Rumpfe
schlagen, und zwanzigjährige Eichenbäume so leicht damit
ausreißen, wie Ihr ein Flachshälmchen crusruyfet. Er
kann 200 Pfund damit tragen; auf seinem Rücken aber
trägt er 3200 Pfund. 2tn der Mündung des Rüssels wer-
det Ihr ein Häkchen sehen: damit kann er Stecknadeln,
Geld, Papier aufheben, Blumen pstücken, Knocen binden
und lösen, Thüren vermittelst Herumdrehung des Schlüsr
sels öfnen und verschliessen; ja er kann sogar mit einem
Stöckchen, Pinsel oder Griffel, den er in diesen Finger
nimmt, künstliche Buchstaben schreiben. An beyden Seiten
des großen eckigten Kopfes hängen zwey lange Lappen von
der Größe eines Mannes herunter: das sind seine Ohren.
Diese Lappen braucht er, sich die 2(ugen auszuwischen, und
Staub und Insekten aus denselben zu entfernen. Die Am
gen sind nicht groß, aber voll lebhaften Feuers; auch leuch-
tet aus ihnen viel Sanftmuth, und zugleich manche Spur
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Die Elephanren können 150 öiö zoo Jahre alt werden, und
wachsen bis ins 40^ Jahr. Sie leben in Gesellschaft, und
man findet nicht selten tausend Stück beysammen. Ihre
Nahrung sind Baumblätter, Gras, Reis und allerhand
E 4 Früchte;
72 Naturgeschichte.
Früchte; und das Wasser machen sie erst trübe, ehe sie es
trinken; wenn sie aber zahm sind, mögen sie gern Back/
werk, und streben nach Wein, Drandlewein und Punsch.
Das Futter nehmen sie allemal mit dem Finger ihres Rüst
sels auf, und bringen es so in den Mund, und wenn sie
saufen, stecken sie, wie gesagt, den Rüssel ins Wasser, sau/
gen ihn voll, krümmen ihn, und bringen dann die Münr
düng ins Maul. — Dies entsetzlich große Thier, dies mächr
tige Geschöpf, das mit seinen Zähnen einen Ochsen thurm-
hoch in die Luft schleudern, und Mauren einrennen kann
— dies kann der kleine Mensch zähmen, in wenig Tagen
so gehorsam, willig und dienstfertig machen, daß es sich von
den kleinsten unter Euch Kindern, führen laßt, wie Ihr
ein Lamm führet. Man braucht seinen'äörper, und zwar
dessen Kräfte und Stärke, Lasten zu tragen, Schrffe zu zie-
hen rc. man braucht aber auch seinen Verstand: denn der
Elephanr, so plump auch sein Kopf aussieht, ist ein so klu-
ges Thier, daß man ihm förmliche Geschäfte aufträgt; er
muß nemlich Waaren im Schiffe aus und einpacken, Bänder
um Packen binden, Steine auflescn :e. Diese Aufträge
verrichtet er, wenn er erst die Sprache seines Herrn zu ver-
sichen weiß, so treu und pünktlich, als mancher menschliche
Bediente nicht thut. Er kann z. B. die Waaren, die er
ins Schiff legen soll, so klug ordnen, daß sie nicht über-
einander fallen, weiß sie vor dem Naßwerden zu schüz-
zen, nimmt alles sehr sorgfältig vor dem Zerbrechen,'Zer-
reiben und Beschmutzen in Acht rc. Um die Vollkom-
menheit dieses Thieres zu vermehren, gab ihm Gott auch
einsehr gutes Gedachtniß Denn der Eléphant kann
Zahlen Nahmen von Personen und<l>ertern, und beschrie-
bene Farben, Größen und Figuren mancher Dinge mer-
ken. Aber auch die Person seines Beleidigers kann er sich
viele
73
Das Thierreich.
viele Jahre in sein Gedächtniß fassen, seinen Wohlthäter
dagegen vergißt er Zeitlebens nicht, und die erste Gelegenheit
erkenntlich zu seyn, nützt er gewiß. Nicht wahr, Kinder,
das ist eine vortrestiche Eigenschaft eines Geschöpfs, dem
Ihr den Namen Bestie gebet? Wie mancher Mensch hat
heute die tausendfachen Wohlthaten schon wieder vergessen,
die gestern noch ihm Gott erzeigte: er gehe zumElephanr
ten, und lerne von ihm, dankbar zu seyn. Denn, Kinder,
wenn Ihr ihn nur einige Tage gefüttert habet, so ist er Euer
aufrichtiger Freund, und dankbarer Hausgenosse. Wollet
Ihr alsdann auf ihm reiten, so kniet dieser Niese vor Euch
nieder, nimmt Euch mit seinem Rüssel behutsam von der
Erde auf, und setzt Euch ganz sanft auf seinen Hals —
denn auf seinem breiten Rücken könnet Ihr nicht reiten.
Wollet Ihr jagen — so jagt er; langsam reiten, so geht er
langsam; absteigen, so faßt er Euch vorsichtig mit seiner
Nase, und setzt Euch wieder ab. Einige Fehler har
freylich dies Thier auch — giebts doch keinen Menschen,
der ohne Fehler ist — und diese Fehler des Elephanten
sind der Stolz, und die Tvache. Diese letztere ist ihm gar
zu süß, aber sie ist doch immer so eingerichtet, daß sie mit
keiner Tücke, Bosheit oder Grausamkeit verbunden ist.
Ich muß Euch doch ein Beyspiel davon erzählen. In einer
großen Stadt in Asien trieb neulich ein Führer seinen Eler
phanten zur Schwemme. Unterweges kamen sie vor dem
Hause eines Schneiders vorbey, wo der Führer etwas zu
bestellen hatte. Die Fenster am Zimmer des Schneiders
standen offen, und auf dem Tisch lagen einige Aevfel. Nach
diesen Früchten bekam unser Elephant Appetit, und er grif
mit seiner langen Hand hinein, sich einen zu hohlen. Allein
der Schneider nahm ihm den Apfel wieder weg, und stach
ihn noch darzu mit seiner Nadel in den Rüssel. Das letzr
E 5 tere
74
Naturgeschichte.
tcre häkle der Schneider sollen bleiben lassen; denn Ihr
müsset wissen Kinder, daß dieser Rüssel aus lauter Nerven
besteht. Eben deswegen ist dieses Glied so erstaunlich bieg-
sam, geschmeidig und stark; aber auch jede Verwundung
daran schmerzt das Thier sehr empfindlich. Auch dieser
ohnehin schimpfliche Nadelstich that dem Thier wehe; es
ließ sich jedoch nichts merken, steckte den Rüssel ein, und
gieng mit seinem Führer ruhig nach der Schwemme. Hier
machte der Elephant mit seinen dicken Beinen das Wasser
trübe, sog sich den Rüssel voll Schlamm und nahm dann den
Rückweg. Als er wieder vor den Laden des Schneiders kam,
hielt er dem muthwilligen Mann den Rüssel nach dem Ge-
sichte, und gab ihm nun die volle Ladung Schlamm. Wie
gefällt Euch diese Rache, Kinder? Rache bleibt jfreylich
Rache, und ist ein Fehler, aber die Art dieser Rache war
doch gelinde, und glimpflich. Ein anderes Geschöpf von
weit geringerer Stärke hätte dem Schneider gewiß einen ge-
fährlichen Streich versetzt. Ueberhaupt ist es vom Elephanten
bekannt, daß er me seine ungeheure Stärke misbraucht.
Ich könnte Euch hievon und von den übrigen Eigenschaften
dieses merkwürdigen Thiers noch manches Angenehme er-
zählen; aber wir müssen eilen. Das müsset Ihr jedoch
noch wissen, daß man ehedem die Elephanten im Kriege ge,
brauchte. Sie dienten da als lebendige Festungen, und
als verwüstende RriegsinftrnmenLe zugleich: denn auf
ihrem Rücken war ein Thurm gebaut, aus welchem 4 bis
6 Krieger auf den Feind schossen; ihr Rüssel und ihre
Zähne aber konnten ganze Glieder Soldaten niederstrecken.
Schrecklich soll der Anblick gewesen sepn, wenn in beyden
Armeen Kriegselephanten waren, und diese Thiere auf ein-
ander gehetzt wurden. Seitdem in Asien und Africa der
Gebrauch der Feuerröhre eingeführt ist, hat diese Art Krieg
zu
Das Thierreich. 7s
Zu führen, aufgehört. — Uebrigens, Kinder, werdet Ihr
aus dieser Beschreibung schon so viel gemerkt haben, daß
Hiob, Cap 40, 10 (19. unter demBehemot kein anderes
Thier, als den Elephanren gemeynt har. S. Taf. 3, Fig. 1.
b. Das Wasserschwein. (Anta; Tapir)
Ein großes, aber doch furchtsames Thier, mit einem
gleichfalls beweglichen, aber kurzen Rüssel, Ln America.
Es schwimmt sehr gut, nährt sich von Gewächsen, und
läßt sich nur des Nachts sehen. S. Taf. 4, Fig. 7.
0. Das Flußpferd. (Nilpferd; Flußochse; Hippe-
potamus)
Ein entsetzlich großes, aber plumpes und ungestaltesThier,
Laß sich an und in den großen Flüssen Asiens und Africa's,
besonders aber in dem berühmten ägyptischen Fluß Nil
aufhält. Sein Kopf hat Aehnlichkeit mit dem Ochsenkopf;
am Halse aber tragt es Mähnen, wie das Pferd, auch
wiehert es, wie dies Thier. Der fürchterliche Nachen ist
mit zwey Hauern bewaffnet, die feineres Elfenbein geben,
als die Zahne des Elephanten. Die Haut des Flußpferdes
ist entsetzlich dick und hart; Flintenkugeln prallen daran
ab, wie an einem Stein, und die Mohren sollen sich sogar
Pfeile daraus drechseln. Daß eine ziemlich große Personage
in dieser Haut stecken mag, könnet Ihr leicht denken: denn
es giebt Flußpferde, die 2500 Pfund wiegen. Wer diesem
ungeheuren Thier nichts zu leide thut, hat auch von ihm
nichts zu fürchten; ist es aber im Zorn: dann wehe dem,
den sein Zahn trist. Dies Thier ist ein fertiger Schwimm
Mer und Taucher. S. Taf. i, Fig. 1.
76
Naturgeschichte.
d. Das Nashorn. (Rhinocéros)
Dies Thier hat den Nahmen von einem 3 Fuß langen,
rückwärts gebogenen Horn, das ihm auf der Nase sitzt.
Außer diesem Gewehr hat es einen undurchdringlichen Panr
zer an; denn seine in lauter Runzeln übereinander gefal-
tete Haut ist so hart und so dick, daß eine Büchsenkugel
daran eben so breit wird, wie am Felle seines eben vorbey-
gegangenen Cameraden. ES ist beynahe so groß, wie der
Eléphant, hat aber keine einzige von dessen Eigenschaften;
im Gegentheil ist es dumm und träge. Es wohnt in
Asien und Africa. Auch dies starke Thier beleidigt keinen
Menschen, es müßte denn gereizt werden: dann steht seinem
Feinde nichts bessers zu rathen, als die Flucht. S. Taf.
Z, §rg. 2.
9) Einige, durch Bildung, Bedeckung und
Trägheit sich auszeichnende Thiere.
Diese Compagnie, Kinder, besteht größtentheils aus
Südamericanern; wenigstens sind sie sämmtlich Bewoh-
ner der heißen Länder. Sie haben keine Vorderzähne,
manche sind wohl gar zahnlos; alle aber sind sie furcht-
sam, und ohne Waffen, doch nicht ohne allen Schutz.
a. Das Panzerthier. (Gürtelthier, A'rmadill)
Der Kopf, Rücken und Schwanz dieses sonderbaren
Thiers steckt in einer knöchernen Schale. Auf dem Rücken
ist ein doppelter Schild, der sich halb nach dem Kopf, halb
nach dem Schwänze ausdehnt, und zwischen demselben hat
die Natur eine Anzahl von Gürteln angelegt, die dies
Thier bewegen und schieben kann. Es gräbt sich Löcher in
die Erde, speist Gewächse, Insekten und Fleisch, ist aber
77
Das Thierreich.
weder beißig, noch sonst bösartig. Das Fleisch derIun,
gen ist eine gute Speise. Ein ausgewachsenes Panzerthier
ist Fuß lang. S. Taf. 4. Fig. 2.
b. Daö Schuppenthier, (formosanische Teufelchen)
Ebenfalls ein schuldloses Thierchen, so böse sein Beyr
name ist.' Es sieht einer Eydechse ähnlich, und hat über
und über Schuppen. Sehet, da rollt es sich wie eine Kur
gel zusammen. Ganz gewiß hat einer von Euch nach ihm
schlagen wollen. Es verdient aber Euren Haß nicht; denn
es thut keinem Menschen Schaden, sondern lebt blvs von
Ameisen.
c. Der Ameisenfresser. (Ameisenbär)
Dies Thier gleicht dem vorigen in der Bildung, ist
aber größer, und hat flachsartige Haare. Es lebt gleich,
falls von Ameisen, die ihm ein großer Leckerbissen sind.
Um sie fangen zu können gab ihm Gott ganz besondere
Werkzeuge, nemlich starke, gekrümmte, spitzige blauen,
womit es die Wohnungen dieser Thierchen aufscharrt, und
einen Angel. Dieser Angel ist seine lange, pfriemenförmige
Zunge, welche er in den Ameisenhaufen, so lang sie ist, hinr
einsteckt. Die Ameisen, die den Saft an der Zunge gerne
saugen mögen, reißen sich nun um das Glück, einen Platz
daran zu besitzen, ohne zu wissen, daß sie sich auf ihrem Tod,
tenwagen befinden: denn sobald der Ameisenbär eine volle
Ladung hat, zieht er die Zunge zurück, und verzehrt seinen
Fang. Man kann dies artige Thier zähmen: dann laßt
es sich auf americanische Tyger (Jaguar) Hetzen, die er mit
seinen spitzigen Klauen todtkratzen kann.
78
Naturgeschichte,
d) Das Faulthier;
Ein seltsames Geschöpf. Die größten, welche Ar
heißen, sind von der Größe eines Luchses, haben die Ger
statt eines Asten, und sind, wie die wiederkäuenden Thiere,
mit vier Magen versehen, haben aber ein so mattes Auge,
so frostige Bewegungen, einen so trägen Schritt, und einen
so langsamen Gang, daß sie von dieser Seite keinem Thiere
gleichen. Der Ai soll nur 50 Schritt in einem Tage mar
chen. Wenn er auf einen Baum geklettert ist —- denn Blätr
ter sind seine Speise — so geht er nicht eher herunter, bis
er alle Blätter abgefressen hat; und dann hat er nicht einr
mal Lust, den für ihn langen Rückweg zu machen, sondern
das faule Geschöpf fallt unter einem kläglichen Geschrey,
das wie Ar ai lautet, herunter. Ihr möget das Faulthier
nicht leiden, sehe ich wohl; aber was sollen wir Lehrer denn
zu einem faulen Bnaben sagen?
:v) Thiere mit beflügelten Vorderfüßen.
Die meisten dieser sonderbaren Thiere haben längere
Füße, als ihr ganzer Leib ist, ein weites Maul, scharfe
Zähne, und eine starke Brust. Was sie besonders merkr
würdig macht, ist eine Flughaut, die ihnen zwischen den
Händen und Schultern gegeben ist, welche sie ausspannen
und zum Flug gebrauchen können. Sie leben paarweise,
und sind über den ganzen Erdboden verbreitet. Ihre Wohr
nungen sind Bäume, Felsenklüfte, alte Mauren und wüste
Gebäude. Aus diesen gehen sie nur des Abends, um Nah-
rung zu suchen, die in Insekten, Fett, Oel und Fleisch be-
steht. In kalten Ländern schlafen sie den Winter über; denn
sie hängen sich an Balken auf, hüllen sich in ihre Fiughaur,
wie
Das Thierreich. 79
wie in einen Mantel, und wachen nicht eherH auf, bis sie
die Frühlingswärme weckt.
a. Die Fledermaus.
Dies Thierchen kennet Ihr alle; und mancher von Euch,
hat schon eins und mehrere derselben ermordet. Thut es
nicht wieder; denn die Fledermaus ist ein gemeinschaftlicher
Bedienter der Menschen, und fängt Millionen Insekten
weg. Freylich frißt sie auch Speck, Talglichter und-Fleisch;
sie thut es aber nicht eher, als bis Ihr sie in Eure Küchen
und Speisekammern herein lasset.
b. Der Vampyr.
Diesem Patron könnet Ihr eher den Kopf eknfchlage»,
wenn er Euch zu nahe kommen sollte. Denn er will Euch
zur 2lder lassen, ohne erst Eure Erlaubniß zu haben»
Er ist so groß, wie ein Eichhorn. Mit seiner Zunge, die
so scharf, wie eine Lanzette ist, öfnet er schlafenden Men-
schen und Thieren die Ader, um das Blut zu saugen. In
Europa läßt er sich nicht sehen; nur in America treibt die;
ser unbefugte Wundarzt sein Wesen.
c. Der fliegende Hund;
von der Größe eines Vampyrs, lebt blos in America.
11) Saugethiere mit vier Händen.
Die Füße aller dieser Thiere sind wie Hände gestaltet,
und haben auch einen abgesonderten Daumen, daher man
sie füglich Hände nennen kann. Es gehören hieher
a. Der Affe.
Dieser Halbbruder des Menschen hat ein Menschen-
artiges Gesicht, Wimpern an den Augenliedern, und eine
solche
80
Naturgeschichte.
solche Bildung der Ohren. Aber seine flachen Schenkel,
seine mit Haaren bewachsene Stirne, sein weit hervorster
hender Vorderkopf, seine lange, platte Nase, der
Schwanz, den einige haben, und dann der Mangel der
Sprache und Vernunft, machen ihn dennoch zum Vieh.
Man findet dies poßierliche Thier in allen heißen Landern
von Asia, Africa und 'America; in Europa dagegen ist nur
eine kleine Gegend, wo sie wild wohnen; das sind die Ger
birge bey der berühmten englischen Festung Gibraltar,
in Spanien. Sie halten sich Schaarenweise beysammen,
jede Gattung für sich, und nähren sich von Daumfrüchten,
und vom Getreide; einige fressen auch Eyer, andere aber
Insekten und Austern. Am liebsten mögen sie süße Weinr
trauben, Melonen, Pfirschen, Kastanien, Feigen, Nüsse
und Aepfel. Sie klettern und springen mit erstaunlicher Ger
schwindigkeit, und gehen theils aufrecht, theilö auf 4 Füßen.
Es giebt Affenarten, wovon Ihr eine ganze Person derselr
ben in Eure Tasche stecken könnet; es giebtkaberauch andere
Arten, die so groß sind, als der Mensch. Man kennt bis
jetzt 40 besondere Gattungen der Affen. Einige haben gar
keinen Schwanz, einige haben einen abgestumpften,
einige einen langern, und noch andere einen sehr langen
Wickelschwanz. Einige gleichen im Gesicht dem Menr
schen; andere haben -Aundsköpfe. Manche von ihnen
sind wild, wie der Tyger, andere lieben die Gesellschaft
des Menschen. Nicht so sehr verschieden sind die Affen ihr
rem Geiste nach. Sie haben fast alle die Affekten und
Launen des Menschen, und wissen ihre Empfindungen
durch Mienen und Geberden sehr treffend zu erkennen zu
geben. Sie seufzen, wehklagen, weinen, zischen, lachen,
je nachdem sie Traurigkeit, Spott oder Freude zu erkennen
geben wollen. Ist der Affe bey guter Laune, Kinder, so
könnt
8l
Das Thierreich.
könnetJhr Euch keinen drollichtern Possenreißer gedenken,
als ihn, und der ernsthafteste Mensch muß über seine kurz,
weiligen Grimassen, künstlichen Sprünge und muchwilligen
Tändelepen lachen. Sich Nahrung zu verschaffen und sich
gegen Feinde zu beschützen, sind diese Thiere sehr listig und
klug. Wenn sie einen Weinberg besuchen, oder ein Melor
nenfeld beschmausen wollen, stellt sich die ganze Cammerad-
schaft ihres Districts in eine lange Reihe, so daß der erste
von ihnen am Speiseplatze steht, der letzte aber bis an die
Wohnung ihres Waldes, oder doch bis zu einem hohen und
buschigten Baume reicht; andere von ihnen aber stehen
Schildwache. Wenn die Ordnung geschlossen ist, und die
Wachten postrrt sind, bricht der erste seine Traube oder
Melone, und wirft sie seinem Nachbar, dieser dem folgen,
den, und so weiter zu. Diese Würfe sind so schnell und so
geschickt, und der Fänger fängt so gut, daß es eine Lust ist,
zuzusehen. Sobald die Schildwache einen Feind ansichtig
wird, macht sie das Feldgeschrey, und die ganze Fourar
giergesellschaft nimmt die Flucht, wobey die jungen Affen
dem Vater oder der Mutter auf den Rücken hucken, und
sich so forttragen lassen. Sind aber gar Säuglinge darum
ter, so nimmt die Mutter eines oder auch zwey ihrer wertsten
Kinder in ihre Arme, und der Vater gleichfalls. Zuweilen
wird ihnen die Flucht versperrt: dann wehren sie sich. Da
solltetIhr einmal sehen, Kinder, wie eine Compagnie Affen
sich aufs Prügeln versteht. Können sie Steine bekommen,
so werfen sie damit nach dem Kopf ihres Feindes. Die Af-
fen mit langen Wiekelfchvoänzen wehren sich ansseineganz
neue Art: sie umschlingen mit dem Ende ihres sehr beweg-
lichen Schwanzes einen Ast, machen im Hängen ihrem
Feinde tausenderley Fratzengesichter zu, zeigen ihm die Zähne,
speyen nach ihm, und sind wohl gar im Stande — denn
(Bürgersch. u’ Bd.) F
r
8L Naturgeschichte.
Höflichkeit glauben sie ihrem Räuber oder Mörder nicht
schuldig zu seyn— ihm ihren Koch ins Gesichtzu werfen.—
In der Gefangenschaft verliehrt dies Thier nichts von fei-
ner muntern Laune, im Gegentheil wird es durch einigen
Unterricht des Menschen noch possierlicher. Man zieht ihm
alsdann die Jacke eines Hanswursts an, und läßt ihn auf
dem Seil tanzen, das Rad schlagen, Burzelbäume machen,
die Trommel schlagen, auf Ziegenböcken reiten, und tau-
senderley Hocuspocus mehr machen. Auch zu einigen Dienst-
leistungen kann man ihn gebrauchen: er stellt sich mit der
Serviette und dem Teller hinter den Stuhl seines Herrn,
präsentirt Gläser, reicht Brod herum, setzt Speisen vor rc°
ist aber dabey so wenig blöde, daß er gemeiniglich von jedem
Gerichte nascht. Zum Karrenschieben, Feuerwachen und
Bratenwenden laßt sich der Asse gleichfalls ab richten. Deym
letzten Geschäfte dreht er mit einer Hand den Bratenwender,
mit der andern tunkt er Brod in die Brühe, um sichs bey
seiner Arbeit wohl schmecken zu lassen. Man fängt die Aft
sen auf vielerlei) 2lrt, und es ist leicht, sich ihrer zu bemächr
tigen; denn man darf nur ihre unwiderstehliche Begierde
zur Nachahmung nützen. Zum Beyspiel: ein Jäger thut
in einer Gegend, wo viele 2lssen sind, als ob er sich rasiere,
und laßt dann im Barbierbecken statt des" Seifenwassers
Leim zurück. Der 2lffe kömmt neugierig herbey, seift stch
ein, klebt sich die Hände am Gesicht fest, und kann nun
nicht entfliehen.
Die beyden 2lrten unter den Affen, die dem Menschen
in der Bildung am nächsten kommen, sind der (Drang
Utang in Asien, (Taft Z, Flg. 4.) und der Troglodyt in
2tfrica. Jener wird vier bis fünf Fuß hoch , geht mehren-
theils auf den Hinterfüßen, ist aber nicht gut gewachsen;
dieser
I
83
Das Thierreich.
dieser ist zwar menschlicher gebildet; allein er wird nur drey
Fuß hoch, und hat so lange Arme, daß sie ihm auf die
Knie reichen. — Die muthwilligsten und boshaftesten Aft
fen sind die Paviane, und die treusten hingegen die ger
schwänzte Art, die man Meerkatzen nennt.
b. Der Maki.
Dies Thier hat in seinem Gange, in der Geschicklichr
keit zu springen und in seiner ganzen Lebensart viel Aehnr
lichkeit mit dem Affen, aber in der Bildung ist er von ihm
verschieden, denn sein Kopf verlängert sich in eine lange
Schnauze, und am Bauche hat er vier Säugewarzen,
statt daß der Affe nur zwey hat; auch ist sein Gliederbau
stärker«
B. Die Vögel.
Alle Vögel haben zwey Füße, zwey Flügel, einen
hornartigenSchnabel und einen mit Federn bedeckten, längr
licht runden, hinten zugespitzten Nörper, den der allmächr
tige und weise Baumeister absichtlich so eingerichtet hat,
daß sie in der Luft schwimmen, d. i. fliegen können. Der
Aopf ist bey allen Vögeln im Verhältnis gegen den Körr
per klein, und eyrund von Gestalt. Wisset Ihr wohl,
Kinder, warum der Schöpfer diese Figur gewählt hat?
Ganz gewiß deswegen, damit diese Thiere die Luft leichter
spalten und durchschnetden können« Um jedoch diesem
Kopfe gewissermaßen die nörhige Größe zu geben, hat ihn
Gott gerneiniglich mit einem besondernPntz versehen: bald mit
einer Krone, bald mit einem Busch, bald mit einem Kamm.
Das Gesicht dieser Thiere ist sehr gut. Eine Henne sieht
den Habicht lange vorher, ehe Ihr ihn sehet, unddieRaub-
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Das Thierreich. 8s
gel beynahedas, was dem Schiffe das Steuerruder ist:
denn sie lenken ihren Flug damit, erhalten sich aber auch
zugleich vermittelst desselben im Gleichgewicht. Die Ger
schwindigkeit, mit der die Vögel fliegen, und womit
manche zugleich hoch in die Luft steigen können, ist erstaun-
lich. Ein Adler kann in Zeit von zwey Stunden, von ei-
nem Ende des hannöverischen Landes bis zum andern flie-
gen, und in Zeit von einer Minute ist er schon über den
Wolken, und Ihr sehet ihn nicht mehr. Ueberhaupt kann
fast jeder große Vogel, den Strauß, den Trappen, und einige
andere Vögel ausgenommen, in einem Tage 125 Meilen
recht sehr bequem machen, und die Schwalbe fliegt in einer
Stunde io Meilen, also in einem Tage 240 Meilen. Die
Beine der Vögel sind gleichfalls nicht von gleicher Größe:
manche große Vögel haben kurze, und manche kleine haben
lange Beine. Ob das wohl durch ein Versehen geschehen
ist? Nein, lieben Kinder, der Allweise kann sich nie ver-
sehen, wie das wohl Menschen thun können, wenn sie
auch noch so weise waren. Die achtel z. E. ist so groß
als die Schnepfe; aber jene hat kurze, diese lange Beine;
wisset Ihr warum? Die Schnepfen müssen an den Süm-
pfen herum gehen, um Speise da zu suchen; das braucht
aber die Wachtel nicht, die findet ihr Futter auf trockener
Erde. An den Füßen haben die Vögel gemeiniglich vier
Zehen, wovon drey vorwärts; und einer hinten steht.
Die Brallen an diesen Zehen sind spitzig und scharf, und
bey den Raubvögeln, die Gott dazu erschaffen hat, daß sie
vom Tode anderer Thiere leben sollen, sind diese Krallen
gebogen, gerändert, und entsetzlich stark. Auch die Große
der Vögel ist sehr ungleich. Der neun Fuß hohe Strauß
reicht mit seinem Kopf an die Decke Eures Zimmers, und
vom kleinen Colibri könnet Ihr ein Paärchen in Eure hohle
F 3 Han-
86 Naturgeschichte.
Hand verstecken. — Zähne hat kein Vogel, weil er sie
nicht braucht, denn um die Speisen klein zu schneiden,
nehmen sie den Schnabel; und diejenigen, die Körner fres-
sen, haben von Gott ein Behältniß bekommen, worin sie
has Futter einweichen, und zum Verdauen geschickt machen
können: das ist der Rropf.
Diele Thiere, Kinder, pflanzen sich durch fort,
denen sie durchs Brüten das Leben geben. Um diese Euer
ruhig und bequem legen, sie vor dem Besuche eyerfres-
sender Thiere verwahren, zu seiner Zeit sicher ausbrüten,
und den Zungen ein weiches, sanftes und gesundes Lager
verschaffen zu können, bauen sie mit unglaublicher Geschwirr-
digkeit, mit bewundernswürdiger Kunst, und mit eben so
viel Klugheit und Vorsichtigkeit, LTester, wozu sie kei;ff ande-
res Werkzeug, als den Schnabel und zuweilen die Füße
gebrauchen. Ich könnte Such von der bewundernswürdigen
Mannigfaltigkeit dieser Nester in ihrer Bauart, Anlage,
Befestigung, Auskleidung, Figur, Größe, in ihren Bau-
materialien rc. mancherley Artiges und Nützliches erzählen,
aber wir haben noch von gar vielen Dingen zu sprechen.
Nehmet Euch einmal die Zeit, und sehet der Schwalbe zu,
wenn sie bauet. Diese mauert sich ihr Nest im eigentlichen
Verstände. Denn sie sammlet sich Erde, befeuchtet sie
mit Wasser, welches sie in ihren Federn aus dem Flusse
hohlt, knätet sie zu Mörtel, und mauert dann das ganze
Gebäude damit, und wenn es fertig ist, kleidet sie es mit
Federn und Haaren aus. Sehet, wie fleißig sie den Mör-
tel einträgt, wie emsig sie arbeitet; sie klammert sich mit
den Füßen fest, und mit dem Schnabel mauert sie, indem
sie jedes Häufchen Mörtel gehörig legt, ordnet und fest-
schlägt. Aber daß Ihr die gute Arbeiterin ja nicht flöh-
VCty
87
Das Tierreich.
ret, oder wohl gar mit boshafter Hand ihr Nest einreisset:
denn sie hats mit saurer Mühe gebaut, hats für ihre künf-
tigen Jungen gebaut, die ihr Gott, unser und ihr Schöpfer
schenken wird. — — Wenn das Nest fertig ist, fängt das
Weibchen an, seine Eyer zu legen, aber es brütet diese
Eyer noch nicht, weil es sonst allzuviel Arbeit bekommen
würde. Nicht eher, als bis es so viel Eyer hat, als es mit
dem Bauche bedecken kann, hört es auf zu legen, und
sängt dann an zu brüten. Einigen Vögeln, die durch ihre
Eyer unfern Tisch versorgen, nimmt man sie weg, bis man
selbst Lust hat, sie brüten zu lassen. Sie legen oft vom
Frühling bis zum Herbst immer fort. Kenner Ihr wohl
solche Vögel? Nicht wahr, die Hüner, Enten, Ganse rc.
Das Brüten verrichtet bey den großen Vögeln das Weib-
chen; bey denkleinen aber wird die Mutter vom Männchen
abgelöst; doch ist in allem Fall der Pater für das Leben
seiner künftigen Kinder besorgt: denn er füttert wenigstens
die brütende Mutter mit geschäftiger Zärtlichkeit. Die
mehrsten Pögel brüten im Jahr zwey-, auch wohl drey- ynd
mehrmal. Diejenigen unter Euch, die auf dem Lande
wohnen, und Tauben halten, wissen das besser als ich.
Die Fahl der Eyer ist verschieden, einige legen eins, an-
dere zwey, und so steigt die Zahl bis auf 50; doch legen die
Raubvögel bey weitem nicht so viel Eyer, als die übrigen.
Der fruchtbarste Vogel ist die Feldtaube: denn ein einziges
Paar kann in Zeit von vier Jahren 18000 Junge hervor-
bringen; und eben so fruchtbar beynahe sind auch die Dros-
seln. — So lange die Jungen es bedürfen, werden sie
von den Alten mit sehr großer Sorgfalt gefüttert, aber auch
nach und nach angewöhnt, ihr Futter selbst zu suchen, und
wenn sie dies können, welches gemeiniglich geschieht, wenn
sie slück sind, d. i. fliegen gelernt haben, hört diese väterliche
F 4 und
88
Naturgeschichte.
und mütterliche Sorgfalt auf, und sie werden gemeiniglich
von den Alten entlassen. Nur die Feldhüncr und Schwär
neu behalten ihre Jungen bis ins zweyte Jahr bey sich,
und machen mit ihnen eine einträchtige Familie aus. Ger
wohnlich sind die Männchen unter den Vögeln schöner
als die Weibchen, und unter den Sangvögeln hat gleichfalls
das Männchen den Vorzug in seiner musicalischen Geschickr
lichkeit. Nur unter den Raubvögeln werden die Mannr
chen von den Weibchen an Größe und Schönheit übertrofr
fen.-------Das Alter der Vögel ist gleichfalls sehr verr
schieden. Ein Haushahn kann etwa io Jahr, eine GanS
50 Jahr, ein Adler 100 Jahr, und ein Papagay noJahr
alt werden.
Jede Gattung von Vögeln hat ihre eigne Nahrung.
Manche fangen sich Fische, andere jagen Saugethiere;
verschiedene leben vom Aase; noch andere speisen kleinere
Dögel; viele Haschen Insekten und Gewürme, und
noch mehrere bekommen ihr Futter aus dem Gewachsreir
che. Die Mittel, diese Nahrung bequem zu fangen, und
zu verzehren, hat ihnen der Schöpfer hinlänglich gegeben,
so daß keines derselben Mangel leidet, denn er, der dem
Vieh sein Futter reicht, giebts sogar den jungen Naben, die
ihn anrufen.
Viele Gattungen Vögel leben in Gesellschaft, wie
die Hüncr, Sperlinge, rc. andere leben paarweise.
Manche sind allgemein verbreitet, und allenthalben zu
Hause, andere hingegen findet man nur in gewissen Ger
gcnden. Vielen befiehlt der Schöpfer, wenn sie^ die Kälte
ihres Aufenthalts nicht mehr vertragen, und daselbst keine
Nahrung mehr finden können, ein wärmeres Land, und
eine gedeckte Tafel zu suchen, von wannen sie zur Frühr
jahrsr
Das Thierreich. 89
\ ;'
jahrszeit wieder zurückkehren: dies thun z. B. die Störche,
Kraniche, Kramtsvögel, einige Schwaiben :c. Lustig ist
es, einen solchen Zug reisender Vögel zu sehen. Damit ih-
nen nemlich auf ihrem langen Wege das Fliegen nicht all-
zusauer werde, so pflegen sie im Ziehen eine solche Proceßion
zu wählen, wodurch sie die Luft leicht durchschneiden kön-
nen: sie machen also die Figur eines querliegenden römi-
schen Vau ( <J). Der Anführer, wozu allemal ein alter
und erfahrner Passagier gewählt wird, macht vorn die
Spitze; auf seinen Rücken legen zwey andere ihren Schna-
bel, und hinter diesen zweyen folgt die ganze Gesellschaft in
zwey Linien, doch so, daß die Jungen und Schwachen hin-
ten sind. Ist aber der Anführer müde, so wird er abge-
löst, und er selbst nimmt nun seinen Platz am Ende. Wer,
Kinder, mag diesen Thieren wohl einen so klugen Einfall
gegeben haben? Andere Vögel, die solcheZüge nicht machen
können, und gleichwohl im Winter nichts zu leben haben,
verschlafen den Winter in hohlen Bäumen oder in Süm-
pfen, wie dies unter andern die Eulen und einige Schwal-
benarten thun.
Der Gesang unterscheidet die Vögel von allen Thie-
ren. Zwar singen die Raubvögel, die Wasservögel und ei-
nige Hünerarten keine förmliche Melodie, aber alle haben
doch einen singenden Laut. Die schönsten Musikanten sind
die kleinen Vögel. Die Nunst, mit welcher manche der-
selben ihr Lied vortragen, die iAraft, mit der die kleine
Kehle arbeitet, die2lnmuth, die in ihrem Gesänge herrscht,
und die Stärke des Tons ist erstaunlich. Nicht wahr,
Ihr freuet Euch, wenn Ihr die Nachtigall höret, Ihr be-
wundert ihren reinen, starken Ton, den silbernen Klang der
Stimme, den künstlichen und doch zugleich lieblichen Vor-
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9i
Das Thierreich.
keckeres Fleisch, wovon jede Art derselben einen andern,
aber immer angenehmen Geschmack hat; andere bringen
uns ihre Eyer in die Küche, von denen Ihr so manchen süss
sen Kuchen, und so vielerley andere Speisen genießen könnet.
Manche von ihnen, z. B. die Sans, der Schwan und der
EydervogeL geben uns ausser ihrem Fleisch und ihren
Eyern, durch ihre Duhnen ein weiches Bette, «und verr
mehren dadurch zugleich die Einnahme vieler Handelsleute.
Noch andere sorgen für unsern putz: denn der Strauß,
der Reyher, der Paradiesvogel re. versah schon vor ab
ren Zeiten die Helme der Helden mit einem prächtigen
Schmuck, und noch jetzt geben sie den Hüten unserer Krier
ger, so wie auch unserer Damen die nemliche Zierde. Verr
schredene Vögel liefern den Kürschnern ihre Felle zu Verr
fertigung warmer Muffen und Verbrämungen, und setzen
also zugleich diese Handwerker in Nahrung, so wie sie eü
nem eigenen Handwerk, den Lederschmückern, ihr Dar
sey-n gegeben haben. — Noch andere, wie z. B. der Falke
wird zur Jagd gebraucht, und — wie schon gesagt ist —-
sehr viele ergötzen uns durch ihren Gesang, verschaffen
aber auch durch diese ihre Kunst vielen Menschen Nahrung.
Wie mancher Mensch hat;. V. sein Brodt lebenslang und
reichlich vom Handel mit Kanarienvögeln. Viele Einr
wohner auf dem Harze verdienen sich gleichfalls artiges
Geld mit dem Verkauf der Vögel, sowie die Nadler, Drechsr
ler:c. mit Verfertigung der Vogelbauer.
Der Schaden, den uns manche Vögel thun, ist sehr
gering, oder eigentlich nur scheinbar. Es bilden sich
nemlich manche Menschen ein: der Mensch allein habe das
Recht, auf dem Erdboden zu wohnen, sich zu freuen, und
nach eigenem Gefallen da zu regieren.- Dies, Kinder, ist
92
Naturgeschichte.
ein frecher, stolzer Gedanke. Der ncmliche Gott, der die
Menschen schuf, hat auch die Thiere, und also auch die Vö-
gel erschaffen; auch sie sollen leben und sich freuen. Wenn
also der Sperling uns ein Körnchen wegpickt, oder eine
Kirsche verzehrt, so nimmt er dies Körnchen, diese Kirsche
nicht dem Menschen, sondern dem Schöpfer der Saamenr
körner und der Kirschen, der sie ihm reicht. Ueberdem,
Kinder, ist es nicht wahr, daß der Sperling, wenn er an
die Aehren des Getraides hinanfliegt, allemal nach Körnern
strebt: die Insekten hascht er, die sich ans Getraide sez-
zen, und es verzehren. Er ist also kein Korndieb, sondern
der Wächter Eures Korns; und dafür verdient er nicht den
Tod — das wäre ja ein unmenschlicher Lohn — sondern
Euren wahrhaftigen Dank. Lasset ihn also immerhin ein
paar Körnchen picken, und einige Kirschen abnehmen.
Wollet Ihr ihn aber verzehren, oder vermehrt er sich zu Eu-
rem wirklichen Schaden, so könnet Zhr ihn tödten; aber
martern — das thut nur ein Mörder, der in der Hölle
wohnt.
Nun, Kinder, sollen auch die Vögel, von denen man
78 Geschlechter, und 2000 Arten zählt, nach der Reihe
vor Euch vorbepgehen; aber lange ansehen können wir sie
nicht, weil wir wenig Zeit haben.
i) Die Raubvögel.
Alle diese Thiere haben einen krummen starken Schna-
bel, und große, gebogene, scharfe drallen. Ihre Nah-
rung ist Aas und anderes Fleisch. Hieher gehören
a. Der Contor. (Cuntur, Greifgeyer)
Ein gewaltig großer Vogel, der mit ausgespannten
Flügeln acht bis neun Ellen breit seyn soll. Einen Och-
sen
93
Das Thierreich.
sen anzufallen, soll ihm nur Spaß seyn. Er hackt ihm
erst die Augen aus, und dann wird er bald mit ihm fertig.
Fressen kann dies Thier gewaltig, denn er sott ein ganzes
Kalb zu einer Mahlzeit nöthig haben. Euren Kälbern
thut er nichts, denn er mag die weite Reise aus Asien und
Africa, wo er wohnt, nicht hieher machen.
b. Der Lämmergeyer.
Dies ist der größte europäische Vogel, denn er ist mit
ausgespannten Flügeln 7 bis 8 Fuß breit. Seine Farbe
ist braun, und am Schnabel trägt er einen starken Gre-
nadierbart. Schaafe, Ziegen und Haasen anzufallen, ist
er groß und keck genug, und zuweilen greift er, besonders
in bergigten Gegenden auch Menschen an. Er wohnt in
den Gebirgen von Tzwol, Schweiz und Italien.
c. Der Aasgeyer,
nährt sich vorn Aase, und von Feldmäusen. Er hat,
so wie alles, was nur Geyer heißt, einen ganz nackten
Hals, und läßt, wenn er sitzt, die Flügel hängen, als wär
er unpaß; es ist aber seine Weise so. Ihr könnet ihn Taf.
r, Fig. z. sehen.
d. Der Goldadler, (Steinadler, Königsadler)
ein sehr großer, schöner, mit Goldglanz überzogener
Vogel, von starkem Körperbau, und erstaunlich dicken und
sieischigten Schenkeln. Man hat ihn von jeher den Röntg
-er Vögel genannt, und diesen Namen verdient er auch:
denn seine Stärke ist fürchterlich, sein Auge, das wie ein
Diamant blitzt, voll Feuer, und sein Blick ist fest und
schrecklich. Er hält sich fast auf allen hohen Gebirgen von
Europa aus Auch in Deutschland ist er zu finden, beson-
ders
94
Naturgeschichte.
ders kann man ihn auf den Gebirgen in Oesterreich, Schle-
sien und Böhmen in großer Menge sehen. Das Weibchen
wieg! wohl 22 Pfund. Bey heiterm Wetter fliegen diese
Vögel so hoch in die Luft, daß man sie nur noch als einen
kleinen Punkt sieht; will aber ein Gewitter kommen, so
flattern sie bey Hunderten so niedrig, daß man sie mit der
Flinte erreichen kann. Daher pflegt man in diesen Gegen-
den im gemeinen Leben zu sagen: Die Adler fiiegeu tief;
es wird ein Gewitter kommen. Der Adler horstet,
d. ist nistet auf hohen Felsen. Adler mit doppelten Köpfen
giebt es nur auf den Wappen des römischen und russi-
schen Kaysers; in der Natur aber nicht, da hat jedes Thier
an einem Kopf genug.
6. Der Fischadler.
Dieser Vogel, der im nördlichen Europa zu Haufe ist,
nährt sich blos von Fischen; kann er die nicht bekommen, so
hungert er lieber acht Tage.
f. Der Habicht, (Weihe, Gabelgeyer)
lebt vom Aas, von Amphibien und vom Hausgeflügel.
Im Herbst reist er nach Africa, kömmt aber im Frühjahr
richtig wieder.
g. Der Falk, (Edelfalk)
ein schöner Vogel, der sich auf den höchsten Berge»
aufhält. Er wird zur Jagd abgerichtet, und gewährt als-
dann den Fürsten eine große Lust. Am meisten schickt man
ihn gegen den Reiher, den er alsdann anfällt, und nicht
eher verläßt, bis er ihn überwunden hat. Die Balgereyen,
Schwingungen und sonderbaren Kampfe, die beyde Vögel
in der Luft machen, geben manchem Zuschauer große Unter-
haltung. An verschiedenen Höfen großer Herren hat ei-
Das Thierreich. 3S
ner der vornehmsten Hofbedienten den Namen Ober-Falke-
niermeister, welches allemal eine adeliche Stelle ist, und
fast das nehmliche sagt, was die Stelle eines Ober-Jäger-
meisters bedeutet. Zu Fontarneblau, in Frankreich, hielt
einmal ein König, Heinrich der zweite hieß er, eine
Reiherbeize, d. i. eine solche Jagd, wo die Falken gegen
die Reiher gehen. Einer der Falken verflog sich, und wurde
des andern Tages auf der Insel Malta gefangen; er war
also in einem Tage nicht weniger als 272 deutsche Meilen
geflogen.
h. Der Sperber;
ein bekannter Feind der Tauben. Erläßt sich, wieder
Falke, zur Jagd abrichtèn.
1. Die Eule»
Alle Thiere von diesem Geschlecht haben einen dicken,
großen Kopf, mit einem kurzen Schnabel, der in ihrem
Gesicht beynahe die Figur der Nase macht, und große,
scharfe Augen, die im Finstern leuchten. Sie sehen, wie
das Katzen-Geschlecht, im Dunkeln, und suchen des NachtS
ihre Nahrung, am Tage dagegen schlafen sie. Fügt sichs,
daß eine Eule sich zu früh, und also noch am Tage heraus
wagt, so wird sie preis gemacht, denn eine ungeheure
Menge kleiner Vögel, besonders Krähen, verfolgen sie mit
einem großen Geschrey, und rupfen sie, die eine hier, die
andere dort. Die arme Eule hält, so lange es noch Tag ist,
geduldig still, als ob sie wer weiß was für ein Verbrechen
begangen hätte. Aber vergessen diese muthwilligen Beglei-
ter, daß es Nacht werden will, und diese bricht herein:
denn vergeht der Eule auf einmal alle ihre Geduld, und
sie rächt sich so gewaltig, daß mancher von den kleinen mach-
Willi-
9§
Naturgeschichte.
willigen Schreyern den Kopf hergeben muß. Solche kleine
Vögel, so wie Aas, junge Haasen und Eichhörnchen, auch
Natten, Mäuse, Fledermäuse, desgleichen Eidechsen und
Heuschrecken machen überhaupt die Nahrung der Eulen
aus. Im Winter hält die Eule sehr viel vom Schlafen;
wenn sie das nicht thut, muß sie hungern. Sie lebt in ab
tem Mauerwerr, hohlen Bäumen und Felsenhöhlen. Die
bekanntesten Arten sind der Uhu, (Schuhu) von seinem
Geschrey so genannt. Er ist ein ziemlich großes und starkes
Thier, das kein Bedenken trägt, den Adler heraus zu forr
dern. An beyden Seiten des Kopfs ragen ihm zwey große
Federbüsche in die Höhe, die wie Hörner oder Eselsohren
aussehen. Er heißt deswegen auch die Ohreule. Das
Käuzchen, (die Steineule) ist so groß als ein Haushahn.
Vor dem Geschrep dieses Thiers fürchteten sich unsere Vori
fahren gewaltig. Wisset Ihr wohl warum ? man glaubte,
in dem Hause, auf welchem der Kauz sitze und rufe, müsse
bald jemand sterben. Jetzt denkt man vernünftiger: man
sieht nemlich, daß dem Kauz der Schnabel eben so wenig
zugewachsen ist, als den andern Vögeln, und daß er, da
er am Tage schläft, natürlicher Weise des Nachts seine Ger
schäfte haben, und wie andere ehrliche Vögel auch mit seir
nes Gleichen sprechen müsse. Auf meiner Schulwohnung
hat, seit meinem Elfjährigen Aufenthalt darinn, schon
mancher Kauz geschwatzt, und doch leben bis jetzt Gottlob
alle die Meiuigen noch. Ich lasse ihn auch ruhig plaudern;
denn dazu har er ja seinen Schnabel.
k. Der Würger, (die Bergatsier)
ein gefräßiger Raubvogel. Er kann wie der Falke zur
Jagd abgerichtet werden.
97
Das Thierreich.
1. Der Neuntödter,
ist, wie der vorige, so groß als eine Drossel, greift aber
grössere Vögel an. Doch ist es nicht wahr, daß er täglich
neu»: Vögel würge. Er muß manchen lieben Tag hinbrinr
gen, ehe er einen Vogel bekömmt. Aber Heuschrecken,
Kaser, und Schmeißfliegen jagt er in Menge. Um Von
rath zu haben, spießt er die gefangenen Thiere auf die Sta,
cheln des Schrvarzdorns. Manche von Euch pflegen den
Neuntödter gleichfalls zu spiessen; ich dächte aber, Kinder,
Ihr liesset dies Henkergeschäfte bleiben; denn der Vogel
spießt nicht aus Bosheit',' sondern aus natürlichem Trieb.
2) Vögel mit großen, aber sehr leichten
Schnäbeln.
Die Vögel dieser Klaffe sind lauter Ausländer. Es ger
hören dahin
a. Der Papagey,
ein schöner Vogel von allerhand Farben. Er ist in
dem wärmsten Theil von Asien, Africa und America zu
Hause; Ihr könnet Euch aber einen kaufen, wenn Ihr
zehn Pistolen anwenden wollet.. Dieser Landsmann des
Affen ist auch eben so geschäftig, ob »vol nicht so muthwillig
wie er. Er kann niese»:, sich ränjpern, und mit seiner
dicken und fleischigten Zunge einzelne Worte, z. B. guten
Morgen — gute Nacht — mich hungert —:c. nachsprer
chen lernen. Es giebt Papageyen von der Größe der
Naben, aber auch Arten, die nicht größer, als die Sper/
linge sind.
(Bürgersch. ir Dd.)
b.
Naturgeschichte.
b. Der Arras^ (indianischer Nabe)
ein großer, sehr prächtiger Vogel in den dicken Wäb
dern von America. Seine Federn sind hochrolh und seine
Flügel blau.
e. Der Cacadu,
ein ostindischer Vogel, weiß am ganzen Leibe, mit elr
nem großen Federbnsch auf dem Kopfe, den er im Zorn bis
zu einer beträchtlichen Größe sträuben kann. Er ist ein
muthwilliger Patron und weiß besonders das Mauen der
Katzen sehr drolligt nachzumachen.
6. Der Pfefferfras. (Pfeffervogel)
Dieser Vogel hat eine entsetzlich lange, hornigteFunge,
weswegen er auch einen ungewöhnlich großen Schnabel
trägt, der ihm so zuläßt, als gehörte er nicht sein. Da er
in America wohnt, wohin Ihr wohl nicht alle kommen
werdet, so habe ich ihn seines großen Schnabel wegen Taf.4.
Fig. 6. abzeichnen lassen.
e. Der Nashornvogel
in Ostindien. Er hat an der Wurzel des ungeheuer
großen Schnabels eine krumme Erhöhung, die ihm auch
den Namen giebt. Sein Geruch ist höchst häßlich, und
seine Speise ist Aas.
3) Vögel mit kurzen Füßen und mehrentheils
geradem dünnen Schnabel.
Die Vögel dieser Ordnung haben kurze Füße, einen
geraden, eckigten Schnabel von kurzer Länge, und ihrFraS
sind mehrentheils Insekten und Würmer.
a.
99
Das Thierreich.
a. Der Specht.
Die Vögel dieser Art lauren solchen Insekten auf, die
sich zwischen den Rinden der Bäume befinden. Um sie ja-
gen zu können, gab ihnen der Schöpfer einen starken, scharf
zulaufenden, keilförmigen Schnabel. Drollicht siehts aus,
wenn der Specht die innerhalb der Bäume befindlichen Kär
ferchen locken will. Er klammert sich mit seinen Krallen an
die Bäume fest, stemmt sich mit dem starken Schwanz, und
fängt nun mit dem Schnabel an zwischen die Baumrinden
zu bohren, worin er ein solches Knarren macht, daß die
Insekten vor Schrecken aus dem Baume herauslaufen.
Das war nun gerade seine Absicht, denn er erhascht sie und
frißt sie auf. Es giebt bep uns Schwarzspechte, Grüm
spechte, Blauspechte und Grauspechte.
b. Der Mauerspecht/
ein einsiedlerisches Geschöpf, denn er lebt, wie die
Eule, in alten Mauren, und auf verfallenen Thürmen.
Zu seinem Nestwählt er sich den Hirnschädel von einem rodr
ten Menschen, oder Pferd, belegt ihn mit Moos, und legt
dann seine Eyer hinein.
c. Der Karmoisinspecht,
ein kleiner sehr schöner Vogel, von karmoisinrother
Farbe. Er ist ein Bewohner des erst entdeckten fünften
Welttheils, wo seine herrlichen Federn die Stelle der Schaaft
wolle vertreten, denn die dasigen Einwohner verfertigen sich
daraus ganze Mantel, und aus den schönsten und läng,
sten Federn machen sie andere Arten des Putzes. Einen
solchen Mantel, der einer Damen.-Saloppe gleicht, können
diejenigen von Euch, die in und bey Göttingen wohnen,
G * nebst
ICO
Naturgeschichte.
nebst andern Kunst, und Natursachen aus Südindien,
auf dem dasigen Museum sehen.
d. Der Eisvogel;
auch ein schönes Geschöpf, und zugleich unser Lands,
wann. Er frißt sehr gerne Fische, kann aber die Gräten
davon nicht vertragen, daher speyt er sie nach gehaltener
Mahlzeit in einem Ballen wieder von sich.
6. Der Bienenvogcl, (Immenwolf)
gleichfalls ein schöner Vogel, der in Griechenland,
Italien, Frankreich und Spanien lebt, zuweilen auch wol
einen Besuch in Deutschland abstattet; aber in unsere Lü,
neburger Heide köinmr er nicht. Man würde ihn da auch
nicht gerne sehen, denn er kann gewaltig viele Bienen, die
seine Speise sind, wegfangen. Im Nothfall nimmt er
auch mit Heuschrecken vorlieb.
f. Der Drehhals. (Wendehals)
Dies hübsche Thierchen, mit dem langen, gelenkigen
Halse werdet Ihr wahrscheinlich kennen, denn es ist in ganz
Europa zu Hause.
g. Der Wiedehopf;
auch unser Landsmann. S chade, daß dieser sehr präch-
tige, mit dem herrlichen Busch gezierte Vogel, ein sehr
schmutziges Handwerk treibt: er sucht aus dem Koth der
Menschen und Thiere die Käfer auf, daher stinkt er denn
auch so häßlich. Sehet, er sträubt, gleich dem Cacadu,
seinen Federbusch; wahrscheinlich steht ihm unser Conipli,
ment nicht an. Lasset ihn nur zürnen, und betrachtet nun
dagegen
h. den Kolibri.
Nicht wahr, so ein allerliebstes, prächtiges Geschöpf,
chen habet Ihr noch nicht gesehen? Nehmet Euch nurZeit, es
anzu,
io r
Das Thierreich.
«nzusehen, denn weder Worte, noch Pinsel, können Euch
die Pracht dieses Vögelchens beschreiben. Sehet, das Grün,
Roth und Blau gleicht dem gefärbten Solde, und spielt
im Sonnenschein mit einem herrlichen Glanze. Diese nied-
lichen Geschöpfchen sind so schwach, daß sie von den großen
Vuschspinnen bezwungen und gefressen werden, und so zart
gebaut, daß man sie nicht anders, als mit kleinen Wasser-
sprützchen schießt, um sie zu fangen: denn der kleinste Schuß
vom allerfeinsten Staubschrote würde sie in tausend Stücken
zerschmettern. Sie nähren sich vom Honigsafte der Blu-
men, den sie im Flattern und Schweben mit ihren kleinen
Schnäbelchen aussaugen. Oft sitzt das ganze Thierchen in
einer Blume versteckt. Die kleinste Art dieser Geschöpfchen
wiegt nur zo Gran. Sein Nestchen, daß nur so groß, als
eine welsche Nußschale ist, macht sichs von Baumwolle, und
seine Eyerchen sind nicht größer als Zuckererbsen. Die
schönste Art heißt der Juwelencolibri. Bey den amen-
canischen Damen — denn da lebt dies prächtige Thierchen
— vertritt dieser Colibrí auch wirklich die Stelle der Juwe-
len; denn einige von ihnen tragen das ganze Thierchen als
Ohrengehänge. S. Taf. 4. Fig. 5.
4) Schwimmvögel mit Ruderfüßen.
Alle diese Thiere halten sich an den Ufern der Flüsse,
der Seen und des Meeres auf Inseln, Klippen, im Schilf
K. auf, und sind vom Schöpfer so gebaut, daß sie ihre
Nahrung im Wasser finden können: denn sie haben
sämmtlich Ander an den Füßen und ihre Federn sind mit
C>el bestrichen, damit ihnen das Wasser nicht schaden kann.
Sie legen insgesammt sehr viele Eyer, und sind dadurch,
so wie auch durch ihre Zedern und durch ihr Zleisch, den
Menschen sehr nützlich.
G z
102
Naturgeschichte.
a. Der Schwan.
Diesen Vogel mit dem langen Halse und höckrichten
Schnabel kennen manche von Euch; denn im Winter
kömmt er zuweilen aus dem kalten Norden auf unsere Elbe,
Weser, Hunte rc. Er nährt sich von Fröschen undWasserr
gewächsen. Daß er vor seinem Tode noch ein Lied anstim?
men soll, wie man ihm nachsagt, ist wol nicht viel wenir
ger, als ein Märchen; da er ja bey gesunden Tagen, seine
Jugendzeit ausgenommen, keinen Laut von sich giebt.
b. Die Gans
kennet Ihr alle. Außer der zahmen giebt es im nördr
lichen Europa große Schaaren wilder Gänse. Die zahme
Gans würde das Futter, das wir ihr geben, durch ihre
Jungen nicht ersetzen, wenn sie uns nicht erlaubte, jährlich
zweyr bis dreymal ihre Federn auszurupfen.
c. Der Eidervogel. (Eidergans)
Ein ungemein nützliches Thier, das sich in Norwegen^
Schweden, Island und andern nördlichen Ländern auft
hält. Sein Fleisch und seine Eyer sind sehr schmackhaft.
Die Haut brauchen die Kürschner zu einem sehr weichen
und warmen Futter unter Winterkleider, und die grauliche
ten Pflaumfedern, die unter dem Nahmen Duhnen, El-
derduhnen bekannt sind, geben unfern Betten die kostbar-
sten Federn. Da der Eidervogel gemeiniglich an steilen,
schroffen Felsen nistet, so kann man sein Nest nur mit Le-
bensgefahr aufsuchen; und doch geben sich in den genann-
ten Ländern viele tausend Menschen mit der Jagd des Ei?
dervogels ab: denn, dies sehet Ihr oft selbst, mancher Var
rer muß es sich sehr sauer werden lassen, seine Familie zu
ernähren.
6.
Das Thierreich. roz
ä. Die Enke.
Die zahme, sowohl als die wilde Art nährt sich von
Fröschen, Kröten, Eidechsen, Schlangen und Meerlinsen.
6. Der Pengum, (Fettgans)
mit glattem, glänzenden Gefieder, und nackten, stum-
pfen Flügeln, die ihm wie Lappen am Leibe hängen; da?
her er nur wenig fliegen kann. Der Penguin steht auft
recht, wie ein Mensch, sieht aber in dieser Stellung gewal-
tig dumm aus. Wenn ihrer einige tausend — welches
oft der Fall ist — so beysammen stehen, macht diese selt-
same Stellung einen lächerlichen Anblicks Dies Thier wohnt
in Norwegen, aber auch in Nordamerica, und erscheint oft
in unglaublicher Menge. S. Taf. 2, Fig. z.
f. Der Sturmvogel, (Ungewittervogel)
lebt in der offenbaren See auf Klippen. Begiebt er
sich aber von diesen feinen Wohnplätzen weg, und fliegt auf
Schiffe, so halten dies die Seefahrer für das Zeichen eines
nahen Sturms. Er hat, da er sich häufiger im Wasser
aufhält, als andere seiner Brüder, von Gott auch mehr
Fett bekommen, um schwimmen zu können. Daher brau-
chen ihn die Einwohner zur Lampe. Sie ziehen nemlich
einen Tocht durch seinen Leib, und brennen diesen Tochr an,
der alsdann von dem Fett des Thiers lange brennend erhal-
ten wird.
g. Der Albatros.
Ein Vogel der wärmern Länder. Er ist zwar klein
von Körper, seine beyden ausgespannten Flügel aber mes-
sen 11 Fuß. So große Flügel muß er haben, weil er sehr
hoch fliegt. Er nährt sich von fliegenden Fischen.
G 4
h.
104
Naturgeschichte.
h. Der Pelikan, (Kropfgans, Nimmersatt, Viel-
fraö)
Eine sehr große Gänseart, die in Europa, Asia und
Africa zu Hause ist. In Ungarn und Siebenbürgen finr
det man sie häufig, und auch in Deutschland wird sie zur
weilen gesehen. Sie hat ihren zweyten Namen von einem
gewaltig großen Beutel am Halse, der wohl 30 Pfund
Wasser halten kann, und der sich zusammen ziehen und ausi
dehnen läßt. In diesen Sack steckt der Pelican die
Fische, die er gefangen hat, um für feinen Appetit, woran
es nie fehlt, immer Nahrung zu haben; denn er kann so
starke Mahlzeiten rhun, daß er Karpfen von 2 Pfund, und
darüber auf einmal verschlingt. Um an Fischen nie Manr
gel zu haben, verstehen diese Thiere das Fischerhandwerk
sehr gut. Höret einmal zu, wie listig sie die Fische fangen:
Ihrer zehn bis zwölf Kropfgänse machen auf dem Wasser
einen Kreis, und treiben die im Kreise eingeschlossenen Fit
sche sich einander zu. Nach und nach machen sie den Kreis
immer enger, und sich selbst jagen sie also die Fische näher.
Bey diesem Fange fressen sie sich satt, und füllen zugleich
ihren Freßsack mit Vorrats) an. — Diesem Pelican, Kinr
der, dichtet man ein Märchen an: man sagt nemlich, er
schlitze sich, wenn er für seine Jungen nichts zu fressen habe,
die Brust auf, und füttere sie mit seinem Blute. Dies ist
nrcht wahr; sondern der alte Fischer öffnet seinen Jungen,
die noch nicht fischen können, und doch den guten Appetit
von ihren Eltern geerbt haben, den an fernem Halse hänr
genden Sack, und diese hohlen dann die darin befindlichen
todgebissenen und noch blutenden Fische heraus. Nicht
wahr, das klingt natürlicher, als wenn der Vater den
Sohn mit'väterlichem Blute füttert? S. Taf. 1, Fig. 4.
Das Thierreich
ros
i. Die Fregatte,
fast eine Figur wie der Alsatros, aber mit noch größer»
Flügeln, womit dieser Vogel so schnell und io leicht, alseine
Fregatte, das ist ein leicht segelndes Schiff, stiegen kann.
k. Die Wöven,
leben an den Meeren und Flüssen der nördlichen Erde.
Sie haben kurze Füße und lange Flügel. Auf der Weser,
Elbe, Hunte, Leine und andern Flüssen im hiesigen Lande,
kann man fast beständig eine Art derselben, die weiße sehen.
5) Sumpfvögel mit walzenförmigem Schnabel
und Stelzen fußen.
Diese Geschöpfe nähren sich auch von Wasserthieren
und Wasserpflanzen, brauchen aber nicht zu schwimmen,
sondern haben, um am Ufer auf den Boden reichen zukönr
neu statt der Fasse, Stelzen, und dabey gemeiniglich eit
neu langen Schnabel dazu bekommen; desto unbedeutender
aber ist ihr Schwanz. Das Fleisch, so wie die Eyer aller
dieser Thiere werden sehr geschätzt. Es gehören dahin:
a. Der Flamingo, (Flamant)
ein herrlicher, hochrorher Vogel, von der Größe einer
Gans, d-.r aber so hohe Stelzen und einen so langen Hals
hat, daß er sich in seiner Höhe mit manchem unter Euch mest
sen kann. Sein Fleisch schmeckt sehr gut, Ihr werdet aber
keines zu kosten bekommen, denn er wohnt in Africa und
America.
b. Der Kranich,
ein ziemlich großer hellgrauer, mit einigen langen Fer
dern am Vorderkopf gezierter Vogel, der im südlichen
Deutschland zu finden ist. Er hat die sonderbare Laune,
daß er gern auf einem Beine steht; aber einen Stein in
G 5 die
10(5
Naturgeschichte.
die andere Kralle zu nehmen, wie man ihm nachsagt, ist
ihm noch nicht eingefallen.
c. Der Storch.
Diesen hübschen Vogel kennet Ihr. Im Winter geht
er auf Reisen, weils ihm alsdann bey uns nicht gefällt.
Seine Tour nimmt er nach Africa, von wannen er so heim-
lich zurückkehrt, als wenn er bey Nacht und Nebel ausge-
zogen wäre.
, d. Der Trappe,
ein sehr ansehnlicher, aber langsamer und schwerfälli-
ger Vogel, der in Ostindien, aber auch in vielen Ländern
von Europa, und selbst in Deutschland wohnt. Seines
langsamen und niedrigen Fluges wegen, jagt man ihn mit
Windhunden: denn sein Fleisch ist ungemein schmackhaft.
Gleichwohl dürfet Ihr, wenn Ihr etwa lüstern darnach
seyn solltet, keinen fangen oder schiesien: denn dies Wild-
pret gehört, wie der Hirsch, das Reh, das Schwein :c.
zur hohen Jagd. Indessen wird Euch auch schon sein An-
blick Vergnügen machen; denn der Hahn prasentirt seinen
Schwanz eben so, wie der Pfau.
6. Der grüne Reiher,
ein großer Liebhaber von Fischen- Sein Fleisch ist un-
gemein schmackhaft. Er, so wie alle übrigen Reiher, wer-
den von Falken gejagt.
f Die Rohrdommel,
ein einsamer Vogel von der Größe des Storchs, und
von Farbe braun und gelb. Er ist sehr langsam, träge und
melancholisch, und seine Stimme, die Ihr wahrscheinlich
schon gehört habet, ist auch nicht sehr angenehm, denn sie
hat einen rauhen, finstern, aber sehr starken Ton, fast so
stark, als das Gebrüll des Ochsen.
g-
Das Thierreich
107
g. Der Ibis,
ein Afrikaner. Er ist den Einwohnern in Aegypten
ein sehr schätzbarer Vogel; denn er verzehrt in Gesellschaft
seines Bruders, des Storchs, Millionen Frösche, Kröten,
Eydechsen rc. die nach der Ueberschwemmung des Nils zur
rückgeblieben sind. Aus eben dem Grunde verehrten die
alten heidnischen Aegypter den Vogel, so wie auch den
fen und andere nützliche Thiere, göttlich.
h. Die Waldschnepfe,
ein sehr schmackhafter, aber sehr dummer Vogel. Am
Tage über wohnt er in Wäldern, und des Nachts in Sümr
pfen. Er wird daher gemeiniglich des Morgens und zwar
im Fluge geschossen, wenn er nach dem Gehölze zurückkehr
ren will.
i. Die Becassine, (Heerschnepfe, Haberlammchen)
nährt sich vom Haber, das Männchen fliegt sehr hoch in
die Luft, und meckert dabey wie eine kleine Ziege.
k. Der Kibiß.
Den Vogel kennet Ihr besser, als ich, denn Ihr pfleget
©ft ihm seine wohlschmeckenden Eyer wegzunehmen, und sie
zu essen.
1. Das Wasserhuhn;
ein Thierchen, daß Ihr oft in dem Schilf stehender
Wasser und Teiche findet. Sein Fleisch wird eben nicht
sehr geschätzt.
ni. Der Schnerz, (Wachtelkönig)
auch noch ein Sumpfvogel, von der Farbe und Figur
riner Wachtel.
6)
i o8
Naturgeschichte.
6) Große, zum Fliegen ungeschickte Vögel,
u. Der Strauß.
Dieses Thier ist der größte unter allen Vögeln, denn
er ist so groß als ein Mensch zu Pferde', und wiegt über
iSo Pfund. Dieser Schwere wegen, und weil er nur sehr
kleine Flügel hat, kann er sich nicht in die Luft erheben;
laufen aber kann er so schnell, daß er das geschwindeste
Pferd müde macht; denn beym Laufen braucht er die kleü
nen Flügel als Ruder. Dabey besitzt er eine ungewöhnliche
Stärkein den Beinen, einen Jagdhund, sagt man, könne
er damit in die Höhe schleudern, und einem Menschen mir
einem Schlage den Bauch aufritzen. Er hat graue, weiße
und schwarze Federn, einen kleinen Kopf, und einen langen
Kameelhals. Sein Vaterland ist Africa und Arabien, wo
er sich von der Frucht des Dattelbaums nährt. Im Zahr
legt er 50 bis 60 Eyer, die er in den Sand verscharrt, und
dann von der Sonnenhitze ausbrüten läßt. Ein solches Ey
hat die Größe eines Kinderkopfs, und die Schaale ist so
hart, rein und glänzend, daß man sie zu niedlichen Gefäst
sen braucht. Auch die Haut des Vogels wird genützt, denn
die Mohren überziehen ihre Harnische damit, und seine
schönen Federn tragen unsere Damen als Putz. Man
sagt, daß Mohrenknaben den jungen Strauß gleich einem
Reitpferd gebrauchen können; das mag aber vielleicht ein
kleiner muthwilliger Patron mit einem einzelnen Thier einr
mal aus Spaß versucht haben. S. Taf. z, Fig. 3.
b, Der Kasuar,
in Africa und in Ostindien. Er hat beynahe die Figur
und-Größe des Straußen, trägt aber; statt der Federn,
Pferdehaare.
7)
/
Das Thierreich. 109
7) Vögel mit kurzen Flügeln und erhabenem
Schnabel; oder die Huner.
Dies Geschlecht lebt vom Getreide und von andern
Pflanzen-Saamen, die es vorher im Kropfe einweicht»
Fast alle seine Arten sind ungemein nützlich, ihres Flei;
sches und ihrer sehr zahlreichen Eyer wegen- Machet Euch
fertig Kinder, da kömmt
a. der Pfau.
Sehet, er präsentirt schon seinen prächtigen Schwanz,
Ln welchem Ihr die vielen schön gemahlten Augen sehet,
die fast die Farben des Regenbogens haben. Auf seinem
kleinen zierlichen Kopfe bewegt sich das niedliche Federbüsch;
chen, und an seinem blauen Halse, den er stolz aufzublä;
hen weiß, strahlt das reinste Gold. Jetzt schüttelt er sich,
und der Schweif, der die Form eines Rades hatte, ver;
wandelt sich in einen langen Schwanz, den er stolz zu tra;
gen weiß. Dies schöne, aber äußerst eitele Geschöpfstammt
aus Asien. Er wird bey uns nicht so sehr des Nutzens, als
vielmehr des Vergnügens wegen gehalten. Doch werden
seine Eyer und sein Fleisch gegessen, und die langen Schwanz;
federn gebrauchen die Sattler und Niemer zu schöner Arbeit.
b. Der Truthahn. (Welsche Hahn, Puter, Ka-
lecuter)
Auch ein asiatischer Vogel, der aber jetzt so gut a!L
unser Landsmann ist. Wer unter Euch ein roches Kleid
hat, dem rathe ich, daß er dem Hahn nicht zu nahe komme,
denn diese Farbe kann er nicht vertragen; auch will er nicht
haben, daß Ihr pfeiffen sollet. Die Henne bringt sehr viel
Junge, sie können aber die Trasse nicht vertragen. Wer
sie
I
no Naturgeschichte.
sie davor bewahrt, und sie dann mit Wallnüssen und Milch
füttert, der kann sich einen artigen Thaler machen.
c. Der Haushahn.
Dies ungemein nützliche Thier kennet Ihr hinlänglich;
auch esset Ihr alle gar zu gern Eyer und Eyerkuchen; esset
aber nur nicht zu viel davon. Die 'Art Hünereyer durch
Ofenwärme auszubrüten, ist, wie ihr nun wisset, in Aegyp-
ten allgemein bekannt, und wird auch hie und da in Europa
nachgemacht.
6. Der Fasan.
Ein sehr schöner Vogel aus Asien. Seine Federn
sind ausnehmend sauber gezeichnet, und spielen zugleich
durch alle dunkeln Goldfarben, und sein Fleisch ist sehr
zart und schmackhaft.
6. Das Perlhuhn.
Auch ein schönes, mit regelmäßigen Flecken, die wie
Perlen aussehen, geschmücktes Thier. Er ist zwar in Africa
zu Hause, kann aber doch auch bey uns als Hausgeflügel
aufgezogen werden.
f. Der Auerhahn.
Ein schöner, glänzend-schwarzer auf den Flügeln mit
weißen Federn gesprenkelter Vogel, mit einigen langen Fe-
dern am Halse, von der Größe eines Puters. Ersieht
und hört sehr scharf, daher wird er nicht leicht anders ge-
schossen, als wenn er mit seinem Weibchen spielt, oder — wie
maus nennt — kollert: denn in diesem seinen Vergnügen
macht er die Augen zu. Er schluckt, wenn ihn das Ge-
schoß des Jägers trist, seine Zunge ein: warum, das weiß
ich
III
Das Thierreich»
ich nicht. Seinen Schwanz richtet er eben so stolz in die
Höhe, wie der Pfau.
g. Der Birkhahn,
ist fast so groß und auch so gebildet wie der Auerhahn,
sein Fleisch schmeckt aber besser.
h. Das Schneehuhn,
im nördlichen Europa. Es ist im Sommer grau, im
Winter aber weiß, und wohnt in Schneehöhlen.
i. Das Haselhuhn,
lebt in Haselbüschen und gleicht
k. Dem Rebhuhn,
das ihr kennet. Ihr könnet das niedliche Rebhuhn
zahm machen, wenn Ihr wollet.
1. Die Wachtel
kennet Ihr auch, und Ihr möget ihr drolligtes N?eck>
perweck gern hören. Daß Ihr mir aber ja dem gefange-
nen Thier die Augen nicht ausbrennet, denn Gott hat sie
ihm gegeben, und es schlägt sehend eben so gut, als blind.
in. Die Taube.
Auch dies unschuldige, sanfte Thier kennet Ihr alle,
wisset auch, daß wir mancherley Gattungen davon haben,
,z. B. die ernsthafte Trommeltaube, mit dem dicken Fer
derkranz an den Füßen; die Bmopftaube, mit dem unge-
heuren großen Kropf; die Schleyertaube, (Peruckentaube)
mit vorwärts gebogenem Federbusch auf dem Kopf; die
Mohntaube; den Pfauenschwanz, (Hünerschwanz) mit
aufgerichtetem, ausgebreitetem Schwanz; die pofttaube,
IIS
Naturgeschichte/
die man ehemals in Asien als Briefträger gebrauchte, indem
man sie mit auf Reisen nahm, und ihr alsdann einen Zet-
tel anband, und sie fliegen ließ. Sobald sie nach Hause
kam, wurde ihr der Zettel abgenommen. Ihr sehet, daß
man auch unsere Tauben, ja auch Schwalben und andere
Vögel auf diese Art gebrauchen könnte. Die RLngtaube
(große Holztaube) und die Turteltaube, die kleinste wilde
Taube, ein niedliches Thierchen, das leicht kirre wird, und
das Ihr auch wahrscheinlich in den Stuben der Landleute
oft gesehen habt, das Ihr aber nicht mit der drolligten
Lachetaube verwechseln müßt; denn beyde sind sich
sehr ähnlich.
8) Vögel mit kurzen Füßen, rrnd ziemlich erha-
benem Schnabel.
Diese Thiere leben theils vom Getreide, und anderen
Pflanzensaamen, theils von Insekten und vom Aas, und
haben mehrentheils ein unschmackhaftes zähes Flersch.
u. Der Rabe. (Kolkrabe)
Dies bekannte Thier hat den stärksten Geruch unter
allen Vögeln: denn es wittert sogleich Ln einer erstaunlichen
Entfernung ein Aas, wenn dies auch im stärksten Dickigt
verborgen läge. Der Nabe läßt sich zähmen, und lernt
Worte nacksprechen; besitzt aber einen gewissen Muchwib
len, der ihm nicht abzugewöhnen ist, und stiehlt gern glän-
zende Sachen.
b. Die Krähe,
etwas kleiner als der Nabe. Sie ist ein unschädliches
oder vielmehr nützliches Thier: denn sie verzehrt Millionen
Insekten.
c.
Das Tbierreich.
i i 3
c. Die Dohle,
nistet auf Thürmen, so wie der Nabe und die Krähe
auf Tannen.
d. Der Häher, (Holzhäher)
ein gefräßiger, aber schöner Vogel, dessen Gänsestimme
Zhr sehr oft im Walde hören werdet. Ervergräbt denUeberr
rest seiner gesammelten Nüsse, die dann keimen und zu Nuß-
bäumen werden.
e. Die Aelster. (Heister, plattdeutsch Hackster)
Dies geschwätzige Thier kennet Ihr. Nehmet Eure
jungen Hünerchen und Gänschen vor ihm in Acht, denn
die mag er Euch gern mausen.
f. Die Mandetkrahe,
ein sehr schönes Geschöpf, von der Größe einer Tur-
teltaube. Auf dem Rücken ist sie fahl, am Leibe grünlich-
blau, an den Flügeln violet und blau, am Schwanz dun-
kelblau. Sie nistet auf Birken, kömmt aber zur Erndte-
zeit, wenn das Getreide in Mandeln steht, Schaarenweise
auf die Felder, um daselbst Mahlzeit zu halten. Ihre Mu-
sik, die sie sich dabey macht, klingt wie das Geschrey de§
Laubfrosches.
g. Der Paradiesvogel;
ein ungemein schöner, aber sonderbar gebauter Vogel;
Penner hat einen doppelten Schwanz, wovon der eine weit
über den andern hinaus ragt, und an beiden Seiten schweben
noch zwey längere seidenartige, am Ende gekrümmte Laden.
Man hat diesem Vogel nachgesagt, daß er keine Füße habe,
und daß er deswegen ewig fliegen, und also seine Nahrung
in der Luft fangen müsse. Dies ist eine Unwahrheit : denn
(Bürgerfch. ix Bd.) H der
114 Naturgeschichte.
der Paradiesvogel hat sehr große Füße, die jeder sehen kann,
ohne eine Brille aufzusetzen; dagegen aber hat er einen kleir
nen Kopf. Man findet diesen schön-geschmückten Vogel in
großen Schaaren in Asien, besondersauf den Inseln dieses
Welttheils, die die Moluckischen heißen. Er wird ge-
gessen, nur bleibt vom Vogel, der mehrentheils aus Fer
dern besteht, nicht viel zu essen übrig. Dagegen Han«
delt man stark mit seinen Federn, die zum Kopfputz ger
braucht werden. S. Taf. 4. Fig. 6.
h. Der Kukuk.
Auch dieser Vogel muß mancherlei) Lästerungen über sich
ergehen lassen, die er doch nicht verdient. Kommet deswe-
gen alle her, daß Ihr ihn recht genau sehet. Horchet, da
ruft er seinen Nahmen: er weiß wohl, daß Ihr ihn gerne
rufen hören möget: fünf und zwanzigmal in einem <!)dem
hat er jetzt sein Rttkuk gerufen. Seher, er ist nicht ganz
klein, just wie eine Taube; auch sieht er nicht häßlich aus:
am Kopf und Rücken aschgrau, unten weiß mit braunen
Wellen, die Flügel weiß mit grauen Flecken, und gegen
die Spitze röthlich; der Schwanz schwärzlich und am Ende
weiß; die Füße und Krallen gelb. Sehet ihn noch einmal
genau an, und saget mir dann, ob er das, was man ihm
Schuld giebt, nemlich einTkaubvogel, wepden kann; dazu
ist er nicht ausgerüstet, hat auch nicht die Miene dazu. Aber
etwas sehr merkwürdiges geht doch mit dem Vogel vor: er
brütet seine Eyer nicht selber aus. Rather einmal,
wen er dazu gebraucht: die Grasmücke und die Bachstelze;
denn in der Legezeit, legt er ein Ey in dieses, ein anderes
in jenes Vogelnest, und geht dann seiner Wege, ohne seine
künftigen Kinder kennen zu lernen. Warum mag er das
thun? Gott hat ihn so eingerichtet, daß er nicht selbst br'üi
Das Thierreich.
ii*
ten kann, und den Grasmücken und Bachstelzen dagegen
har dieser allgemeine Vater befohlen, die Eyer des Kukuks
zu brüten, und die Jungen groß zu füttern. Und diesstief-
mütterliche Geschäfte verrichtet dann auch die kleine Gras-
mücke mit der größten Sorgfalt und Treue. Wären doch
alle menschliche Stiefmütter so zärtlich gegen ihre Stief-
kinder, als d»e kleine Grasmücke oder Bachstelze gegen die
Kinder der Kukuke.
i. Der Honigweiser, (Honigkukuk)
ein Vogel in Asrica, der ein besonderes Geschäfte treibt;
er zeigt nemlich den dasigen Einwohnern durch sein Geschrey
an, wo wilde Vienennester sind. Man folgt ihm nacht
nimmt das Honig aus, und giebl ihm etwas für seine Mühe,
doch läßt man ihn keine volle Mahlzeit thun. Daher flieg,
er, weil er nicht satt geworden ist, weiter, und sucht andere
Nester auf, um sie den Menschen zu zeigen; und so bekömmt
er denn aufs neue ein kleines Geschenk.
k. Der Vogel Bülow, (die Golddrossel, derPsingst-
vogel, Kirschvogel rc.)
ein sehr schönes Geschöpf, von der Größe und dem
Bau einer Amsel. Er ist am ganze«; Le-br goldgelb, und
die Flügel und Schwanzfedern sind schwarz eingefaßt, sein
Schnabel aber ist roth. D<n Namen Bülow hat er in
unserm Lande : ahrscheinlich von seinem Geschrey, das Ihr
der großen Stärke und Anmuth wegen so gern hören möget;
in andern Ländern aber hat er andere Nahmen, und es
giebt keinen Vogel, der mehrere Namen hätte, als er.
Ehemals erzählte man vom Bülow das einfältige Märchen,
er bringe seine Jungen Stückweise zur Welt, und setze sie
durch ein gewisses Kraut zusammen; eine Ungereimtheit,
H j wor<
ii 6 Naturgeschichte.
worüber selbst die Kleinsten unter Euch lachen werden. Das
aber ist zuverlässiger, daß er in der Kunst, sein Nest zu
Lauen, seines gleichen sucht. Er befestigt nemlich diese
Wohnung seiner Zungen zwischen berGabel einesAestchens,
so künstlich, daß es frey schwebt, ohne loszureißen. Der
Bülorv frißt Insekten und Würmer, am liebsten aber
Kirschen. Zhr könnet ihn zahm machen, aber dann vw
liehet er seine schöne Farbe.
9) Kleine Vögel mit kurzen, schlanken Füßen
und kegelförmigem, scharfzugespttzten Schnabel.
Diese Vögel nähren sich von Insekten und Pflanzen?
Saamen, haben ein zartes wohlschmeckendes Fleisch, und
die meisten von ihnen singen.
u. Die Feldlerche.
Dieser Vogel ist beliebt wegen seines Gesanges und
wegen seines herrlichen Fleisches. In Sachsen wird ein
förmlicher Handel mit gerupften Lerchen getrieben. — Die
Wiesenlerche; waldlcrche; Brachlerche; Aiplerche
und die Haubenlerche (Heidelerche) sind lauter Gattun,
gen der ersten.
b. Der Skaar, (die Sprehe)
ein lebhaftes und possierliches Geschöpf, gleichsam der
Affe unter den Vögeln. Er lebt gern in Gesellschaft, und
eine solche Staarengesellschaft während ihrer lustigen Scherze
zu belauschen und ihren drolligten sehr mannigfaltigen Ger
sang anzuhören, ist ein großes Vergnügen. Sie sind sehr
nützliche Thiere, indem sie viel schädliche Insekten vertilgen,
auch sind siegelxhrig, und lernen mancheWortenachsprechen.
C.
Das Thierreich
rx?
c. Die Misieldroßel, (der Brachvogel)
singt sehr angenehm und wird bald zahm.
6. Der Krametövogel,
ist wegen seines lecke n Fleisches bekannt genug-
e. Die Weindroße!, (Singdroßel)
schlägt beynahe wie die Nachtigall.
f. Die ZLpdroßch (Rothdroßel)
ist eine große Freundin der Weintrauben.
g. Die Amsel (Schwarzdroßet)
ist ganz schwarz und har euren gelben Schnabel und
gelbe Füße. Sie behält, was sie einmal pseiffen gelernt
hat, lebenslang.
h. Die Bruchdroßel,
nistet im Schilf. So lange das Weibchen brütet, macht
ihr das Männchen fast ohne Aufhören Musik.
i. Die amerikanische Nachtigall
ein unansehnlicher Vogel in America, dessen Gesang
«brr noch angenehmer seyn soll, als der Gesang unserer
Nachtigal.
k. Der Krummschnabet, (Kreuzvogel, Krüniß)
ein sonderbares Thier, dessen Schnabelspitzen übers
Kreuz gehen. Die Natur gab sie ihm deswegen in dieser
Gestalt, daß er den Saamen aus den Tannzapfen, den er
sehr gern frißt, ausklauben kann; auch dient ihm der
Schnabel zum klettern. Es ist der einzige europäische Vor
gel, der im Januar brütet. Um sein Nest vor Feuchtigkeit
und Schnee zu bewahren, überzieht ers mit Harz. In
Sachsen und einigen andern Ländern hat man ihn gerne in
Hz . den
118 Naturgeschichte.
den Stuben, weil man irriger Weise glaubt, er ziehe viele
Krankheiten der Menschen , besonders das Fieber, an sich.
1. Der Dompfaffs (Gimpel)
ein drolligres und sehr vertrauliches Geschöpfchen. Er
hat eine röche Brust, eine schwarze Kappe auf dem Kopf
und einen bleifarbigen Rücken. Sein Ton ist voll und rein,
und sein Gesang zärtlich und sehr angenehm. Er lernt sehr
bald ein Lied kunstmäßig pfeifen, und wenn er nur ein klein
wenig mit seinem Wohlthäter bekannt ist, singt er allemal
aufseinen Befehl, und macht beständig Reverenze dazu.
m. Der Kernbeißer. (Kirschfink)
Er kann mit seinem starken Schnabel Kirschkerne auft
beißen, und ist so muthig, daß er sich gegen Katzen wehrt.
n. Der Grünling, (Grünschwanz)
lernt den Gesang anderer Vögel, und singt im ganzen
Jahr.
o. Der Ortolan, (Kernfink)
ein schöner, goldgelber Vogel. Er nährt sich besonders
von Hirsen, wovon er sehr fett und ungemein schmackhaft
wird.
p. Die Golddamer, (Emmerling)
ein Vögelchen, daß Ihr alle kennet. Es vertilgt die
Kohlraupen, brütet im Jahr vtermal, und singt sehr lange.
<1- Der Rohrsperling, (Rohrammer)
hält sich im Schilf auf. Sein geschwätziger Gesang ist
angenehm, und seine Einfälle, die er vorträgt, sind immer neu.
Das Thierreich. 119
r. Der Buchfinke, (Rothfi'nk)
ein schlaues und thätiges Thierchen. Ihr wöget ihn
gerne schlagen hören, und einige von Euch pflegen dem
dienstfertigen Musicanten die Augen auszubrennen, web
ches unmenschlich ist.
8. Der Stieglitz, (Distelfink)
ein buntes, niedliches und artiges Ding, und der
schönste unter den hiesigen Singevögeln. Ihr könnet ihn
mit dem Kanarienweibchen paaren, und dann entstehen um
gemein schöne Bastarde, die den schlanken Wuchs der Muti
ter, und die bunten Farben des Vaters, aber nicht seine
kurzen Beine haben. Auch lernt der Stieglitz Wasser zier
hen, und auf einem kleinen Karren sein Futter herbeyr
schleppen.
t. Der Kanarienvogel,
ist auf Inseln zu Hause, die die Kanarischen Inseln
heissen; seit einigen Jahrhunderten aber wird er bey uns in
erstaunlicher Menge gezogen. Es grebt graue, grünlir
che, hochgelbe und LsabeUenfarbene Kanarienvögel.
Sein Gesang hat eine bewundernswürdige Starke, und
eben sc viel Anmuth und Abwechselung dabey lernt
er die Nachtigall nachahmen, auch könnet Ihr ihn Melor
dien lehren. Es ist zugleich einsehr zärtliches Geschöpfchen,
das Euch sogleich, lieb gewinnt, so bald es Euch nur kennen
lernt. Den kleinen Krankheiten, die dies Thierchen bei
kömmt, könnet Ihr Vorbeugen, wenn Ihr ihm abwechselnd
Sallatsaamen, Aepfel und Zucker unters Futter mischet, und
zu Zeiten etwas Safran, Süsholz, und besonders Ersen«
rost unter das Saufen thut.
H 4 V.
J
I 20
Naturgeschichte,
u. Das Zeischen;
auch ein sehr gelehriges und nettes Vögelchen. Es
lernt bald Liederchen pfeifen, die es mit seiner kleinen Kehle
zwar etwas schwach, aber doch richtig verträgt; auch köm
net Ihr dies Geschöpfchen zum Wasserziehen gewöhnen.
Manche von Euren erwachsenen Bekannten behaupten, daß
man das Nest des Zeisigs nie finden könne. Man kannS
wohl finden, wenn man mit Lebensgefahr klettern will:
denn das kleine Geschöpf nistet in den Gipfeln der höchsten
Tannen.
V. Der Hansimg, (plattdeutsch die Artsche)
gleichfalls ein artiges, geselliges und dankbares Thien
chen, mit einer sehr künstlichen Kehle und reiner Stimme.
Ihr könnet ihm ebenfalls Melodieri beybringen, die es Euch,
so vf Jhrs befehlet, mir freudiger Willigkeit hersingt. Das
sogenannte Trompererstückchen lernt es in drey Wochen.
W. Der Earminhänfling, (das Zitrinchen)
ein schönes Vögelchen, dessen Brust und Hals carmins
roth gesprenkelt sind. Es hat einen gefälligen, sanften Ton,
wird so zahm und dienstbar wie der Zeisig, und Männchen
und Weibchen lieben sich ungeniein zärtlich, und schnäbeln
sich wie die Taube.
x. Der Sperlings (Späh)
ein ungemein fruchtbarer Vogel, der, wie oben gesagt,
seinen großen Nutzen hat, indem er Millionen Insekten
ve> rügt. Vermehrt er sich jedoch zu Eurem Schaden: so
tödtet die Jungen, ohne sie zu quälen; Ihr könnet dann
Zhr Fiesich, das sehr gut schmeckt, gemessen.
Das Thierreich
121
y. Die Nachtigall (in der Sprache der Dichter
Philomele)
Die größte Künstlerin unter den Sängern der Lüfte.
Die Bildung dieses Vogels kennet Ihr ebensowohl, als
ihren herrlichen kunstvollen (besang, mir dem starken, vollen,
reinen, silberhellen Ton. Sehet, jetzt eben bläht sich ihr
Kehlchen; sie will singen : horchet, da lockt sie mit zärtlichem
Verlangen im langgedehnten, schmachtenden, leisen Ton
ihr Weibchen; jetzt wird der Ton stärker, immer stärker,
immer voller, und nun ertönt der künstliche, mannigfaltige,
anmuthige Gesang. Man sollte glauben, ihr Kehlchen
wäre vom reinsten Silber, so klingend, so rein, so hell ist
ihr Ton. Horchet, jetzt schlägt sie den vollständigen, mäch-
tigen, langen, bewundernswürdigen Triller. Wie viele
Kraft und Stärke, Kinder, wie viele Kunst und welche An-
muth in einem kleinen Körperchen. Bewundert hier die
Macht des Herrn, der dies Thierchen baute, und erfrechet
Euch ja nie, diese für Euch so geschäftige Meisterin zu miß-
handeln. Ihr könnet die niedliche Sängerinn wohl fangen
und im Dauer halten; aber Ihr müsset sie nicht hungern
lassen. Wie Ihr ihr liebstes Futter, die sogenannten Amen
seneyer, bekommen könnet, das will ich Euch, wenn wir
zur Ameise kommen, erzählen.
Die Grasmücke, (Baumnachtigal)
auch ein artiges, geschäftiges und sehr musikalisches
Vögelchen. Ihr Gesang ist dem Gesänge der Nachtigal
ähnlich, hat aber nicht die Stärke des Tons, und das Me-
tall der Kehle, auch nicht die Kunst des Gesangs.
Hs
\i
J 22
Naturgeschichte.
aa. Dev Fliegenschnäpper; das Ackermännchen;
(weiße und blaue Bachstelze, die gelbe Bachstelze)
Diese Thierchen kennet Ihr.
bb. Das Blaukehlchen. (Wassernachtigal)
Ein schöner Vogel mit einem himmelblauen Brust-
schild, der in der Mitte einen weißen Fleck hat. Auch die-
ser Vogel singt schön; aber schwach.
cc. Das Rothkehlchen,
ein dreistes Thierchen, das Ihr bald zahm machen
könnet. Es setzt sich dann auf Euren gedeckten Tisch, singt
Euch sein anmuthiges Liedchen, und hohlt zur Bezahlung
einen Schnabel voll von Eurem Teller.
dd. Der Zaunkönig,
ein sehr kleines, aber munteres Vögelchen, das in al-
ten Mauren nistet, im Winter aber an Zäunen sein Fut-
ter sucht. Es hat einen lebhaften, aber leisen Gesang.
ee. Das Goldhähnchen.
Der allerkleinste europäische Vogel, der lebendig
kaum ein Quentchen wiegt. Er ist mit einem goldgelben
Federbüschchen geschmückt, das er, wie der Cacadu und
Wiedehopf, aufrrchten und zurückschlagen kann. Sein
kleines Nestchen sieht aus wie ein Beutelchen, das er an
hohen Tannenbäumen zu befestigen weiß. Er hüpft, wie
der Zaunkönig, im Winter an den Zäunen herum.
ff. Die Meise,
ein sehr fruchtbares Vögelgeschlecht: denn sie legt ge-
meiniglich zwölf Eyer. Alle Meisearten sind lebhaft in ih-
ren Bewegungen, und poßierlich in ihren Launen. Sie
klet<
123
Das Thierreich.
klettern, wie die Spechte, sind geschwätzig wie die Staaren,
und neugierig wie die Nachtigal. Fast alle sind sie schön ger
zeichnet, und nett geformt. Sie bleiben im Winter bey
uns, und sind nebst dem Kreuzvogel, dem Zaunkönig, und
einigen andern Vögeln die einzigen Singevögel, die unsere
Wälder beleben. Es giebt mancherley Arten, die ich Euch
nur nennen will: die -Dauben- die Bohl die Blau die
Platten- die Schwanz die Beutelmeise, und das Bart»
Männchen. Alle Meisen sind von sehr schmackhaftem
Fleische.
gg. Die Schwalben.
Dieser merkwürdige Vogel soll den Beschluß machen.
Von seiner Figur brauch ich Euch nichts zu sagen, wohl
aber werdet Zhr von mir wissen wollen, wo die ungeheure
Menge Schwalben gegen den Winter auf einmal hinkömmt.
Unsere Vorfahren haben sich über diese Frage sehr gestrit-
ten. Jetzt ist es ausser allem Zweifel, daß zwey Arten derc
selben, und zwar die eigentliche /^ausschwalbe, und die
Rauchschwalbe im Winter, gle;ch den Störchen und
Kramtsvögeln auf Reisen gehen und warme Länder suchen,
und daß dagegen die Uferschwalbe sich, sobald es kalt
wird, ins Schilf, oder unter das Ufer der Flüsse verkriecht,
und da den Winter verschlaft. Alle Schwalben brinr
gen hr Leben fast beständ'g ñiegend zu; auch jagen und
fressen sie im Fluge, denn sie können, wie Ihr wisset, ihren
Fraß, der in Insekten besteht, mit ungemeiner Geschickt
lichkeit in der Luft wegschnappen. Die Rauchschwalbe
baut innerhalb der Häuser, auf der Fluhr, (Diele) unter
den Nauchfängen :c. und wählt sich allemal einen hölzernen
Brandnagel zur Unterlage beym Neste. Die Haus,
schwalbe baut ausserhalb der Häuser unterm Dache, an
Fenr
124
Naturgeschichte.
Fenstern rc. — Die Uferschwalbe baut in Leimengruben,
Sandhügeln rc. Die Stemschwalbe (Mauerschwalbe)
nistet auf Thürmen, Böden und Mauren. Die tTachU
schwalbe, (Hexe, der Ziegenmelker, Nachtrabe, Tagschlä-
fcr) ein schöner, grau und weiß marmorirter Vogel. Er
treibt seine Handthierung blos des Nachts, und schnurrt
beständig im Fluge. Beym Landmann steht er in bösem
Credit, denn man beschuldigt ihn, daß er den Ziegen die
Milch aussauge, hat aber in seinem Leben mit keinem Ge-
danken an diesen Diebstahl gedacht. Er weiß auch gar
nicht, was er mit Milch anfangen soll; denn seine Nah-
rung besteht in Schmetterlingen, die man Nachtfalter
nen«t. Die G'stindische Schwalbe. Dies Thier macht
ans gewürzhaften, gallertartigen Seegewächsen ein sehr
schönes, festes und dichtes Nest, das gerade so aussieht, als
die Hälfte einer Zitrone. Ein solches Nest wird in Indien
von den dasigen Königen und andern Großen gegessen.
Sollte einer unter Euch Appetit nach einem solchen Neste
bekommen, der muß einem englischen, oder holländischen
Jndienfahrer Commißion auftragen, und ihm dann fürs
Stück einen Ducaten geben. Würklrch sollen ehemals man-
che holländische Leckermäuler diese indianischen Vogelnester
Stück für Stück mit einem Ducaten bezahlt haben. Jetzt
werden sie wohl ihre Ducaten besser brauchen können.
Die Amphibien. (Knorpelthiere)
Ein Amphibium, Kinder, bedeutet ein Thier, das
im Wasser und auf der Erde zugleich leben kann; und
knorpelthiere nennt man alle diese Thiere, weil sie statt
der festen Knochen im Leibe nur Rnorpel haben.
Das Thierreich.
I2s
Diese Thiere haben alle, wie die Fische, rothes kaltes
Blut, und ein Herz mit einer einzelnen Herzkammer, aber
sie unterscheiden sich dadurch von den Fischen, daß sie durch
die Lunge Odem hohlen, und also auch eine Stimme von
sich geben können, statt daß die Fische bloß durch Kiefern
athmen, und niemals Lungen haben, und also, wie die Im
sekten und Würmer, stumm sind.
Die äußere Bildung der Knorpelthiere ist erstaunlich
verschieden, die meisten aber haben etwas Abschreckendes.
Daher kömmt es eben, daß Ihr Euch vor vielen derselben
fürchtet, und daß Ihr sie verfolget. Ihr sollet aber bald
hören, daß auch diese Thiere uns mancherley Nutzen brin-
gen. — Manche von ihnen, wie die Schildkröte, der
Frosch und die Kröte haben einen breiten, flachen Körper,
und gehen auf4Füßen. D-ie Krokodille aber und andere
Eydechsen, gehen zwar auch auf 4 Füßen, haben aber ei-
nen länger«, rändern, schlanker« und dabey geschwänzten
Körper. Die Schlangen sind völlig ohne Füße, und hm
ben einen langgestreckten dünnen Körper. — Endlich sehen
einige von den Knorpel-Hieren ganz wie die Fische aus, und
haben, wie diese, Floßfedern weswegen sie auch von un-
fern Großvätern zu den Fischen gerechnet worden sind.
Auch an der Bekleidung dieser Geschöpfe werdet Ihr.
vieles ganz anders finden, als bey den Säugethieren und
Vögeln. Einige sind mir einem knöchernen Schild überzo,
gen, in welchen sie Kopf un.d Gliedmaßen ganz zurückzie-
hen können. Andere sind mit beinernen Reifen, wieder an-
dere mit zahlreichen kleinen Schrldchen, noch andere sind
mir Schuppen bedeckt, und viele von ihnen haben eine
ganz glatte, mit Schleim überzogene Haut.
12 6
Naturgeschichte.
Das Gift, welches den Knorpelthieren fast allein eigen
ist, dient zu ihrer Vertheidigung, oder zum Angriff,
so wie Zähne, Klauen und Hörner der übrigen Threre,
auch ist es bey einigen ein Verdauungsmittel. Viele
Arten, denen unsere Väter Gift zugeschrieben haben, sind
gar nicht giftig, wie die Kröte, die gewiß noch keinem von
Euch geschadet haben wird; und unter den vielen Schlaue
genarten, grebt es nur sehr wenige, die Gift führen.
Damit sich jedoch auch diese große Schaar von Ge-
schöpfen erhalten möge, hat ihnen der Schöpfer ausser den
schon genannten Waffen noch mancherley andere Mittel ge-
geben, sich zu vertheidigen. Den großen darunter, wie
zum Deyspiel den (trokodillen und wafferschlangen,
kömmt schon ihre körperliche Größe zu statten; andere
kleinere aber helfen sich durch ihre Geschwindigkeit und
durch ihren Muth. Viele vertheidigen sich mit ihren zahl,
reichen spitzigen Fahnen, andere mir Stacheln, und die
wenigen giftigen mit ihrem Gift, das bey ihnen auch das
einzige Wehrnrittel ist; andere aber, wie der Zitterrochen,
schützen sich durch eine erschütternde Kraft. Ausser diesen
Vertherdigungsmitteln sind alle Amphibien mit einem un,
gemein zähen Leben versehen, wodurch sie sich gleichfalls
gegen die Anfälle anderer Thiere schützen können. Man
hat Schildkröten gesehen, Kinder, die viele Stunden
ohne Kopf gelebt haben, und Zröschc, denen man das
Herz aus dem Leibe gerissen har, haben noch lange herum
gehüpft. Ja, Kinder, was im höchsten Grade bewun-
dernswürdig ist, die mehrsten Amphibien können sich ein
verlohrnes Glied wieder anschaffen. Man hat z. E. neu-
lich in Gaffel einer Eydechse beyde Augen ausgestochen, und
sie sind dem Thierchen wieder gewachsen.
Man-
127
Das Thierreich.
Manche Amphibien gebären lebendige Zungen,
z. S. verschiedene Schlangen, Hayfische, Krampffische rc.
Andere legen Eyer, die sie aber nicht selbst bebrüten, sonr
dern durch die Sonne, oder durchs Wasser beleben lassen.
Einige von diesen aus den Eyern gebohrne Thierchen sind
in der Zugend anders gebildet, als im Alter. Denn der
junge Frosch tragt einen Schwanz, den Vater und Mutter,
wie Zhr wisset, nicht haben; auch hat er keinen einzigen
Fuß, weswegen er, wie die Fische, schwimmen muß. Erst
nach einiger Zeit vertauscht er seinen Schwanz mit Füßen,
und hüpft dann mit seinen Eltern aufs Land. Andere von
diesen Thieren ziehen jährlich ihr Oberkleid aus, und be,
kommen ein anders. Dies thun unter andern die Schlangen.
Die Nahrung der Amphibien ist äußerst verschieden,
oder vielmehr, diese Thiere sind an gar keine gewisse Nähr
rungsmittel gebunden: dabey können sie sehr lange fasten;
denn man hat Laubfrösche einen ganzen Winter, und die
Schildkröte wohl anderthalb Zahr ohne Speise hinbringen
gesehen. Einige Amphibien verzehren Säugethiere, auch
wohl Menschen, desgleichen Znsekten und Fischeyer; anr
dere leben vom Aase, und dem Unrath anderer Thiere,
und verschiedene nähren sich von den Wurzeln der Pflanzen.
Der Aufenthalt dieser Thiere ist verschieden. Einige
wohnen im Wasser eben so bequem, wie auf dem Lande;
die schwimmenden sind ganz allein ans Wasser, und andere
blos ans Land gebunden. Einige verkriechen sich im Herbst,
und bringen den Winter in Gebüschen oder in Sümpfen zu.
Der Nutzen dieser Thiere für die Menschen ist sehr
beträchtlich. Viele Arten von ihnen dienen mit ihren
ern und mit ihrem Fleische dem Menschen zur Speise,
besonders vermehrt sich die leckere und gesunde Schildkröte
bis
128
Naturgeschichte
bis zum Erstaunen. Andere liefern unS mancherlei) nütz-
liche Gerät!)e Einige von ihnen vermehren unsere 2tvi
zeneyen, und alle sind vom Schöpfer dazu angesetzt, demVer-
mehren der Insekten, Schnecken rc. Einhalt zu thun. Frey-
lich richten viele von ihnen auch Schaden an. Allein,
Kinder, tue Freuden dieser Welt sind ja nicht allein für
den Menschen, sondern auch für die Thiere. Sie haben
also ebenfalls einen Antheil an dem Recht, Bürger der
Erde zu seyn.
Die EmLheilung der Amphibien ist sehr leicht zu
merken. Einige bewegen sich durch ihre 4 Füße; andere
kriechen auf dem Bauche und bewegen sich wellenförmig,
und andere sind Schwimmer, wozu ihnen ihre Floßfe,
dern dienen. Ihr bekommt also zu sehen
i) Kriechende Knorpelthiere.
Diese haben 4 Füße, hohlen durchs Maul und durch
die Nasenlöcher <!)dem, legen sämmtlich Eyer, uu£> sind
größtentheils sehr fruchtbar. Man kennt bis jetzt nur
vier Geschlechter derselben.
a. Die Schildkröte,
ein sonderbares Thier, das Ihr genau ansehen müsset.
Sehet, sie steckt fast über und über in einer dicken hornarr
Ligen Schaale, und nur der kleine Kopf, und der Schwanz
sind zu sehen, die sie aber beyde gleichfalls unter ihren
Schild zurückziehen kann. Dieser Schild ist ein gedop-
pelter; der eine bedeckt den Rücken, und der andere den
Bauch. Der Rückenschild ist mit dem Rückgrade und den
Nippen des Thiers verwachsen, und auswärts mit schönen,
hornigten Schuppen bedeckt, die das sogenannte Schild-
xatt geben, woraus man, wie Ihr wisset, sehr nette und
artige
129
Das Thierreich.
artige Nunstsachen, als Dosen, Schmuckkästchen rc. veri
fertigt. Der kleine Drustschild ist mit dem obern zusammen-
gewachsen, und macht also mit ihm ein Futteral aus, das
vorn und hinten offen ist. Aus der vordern Oefnung steckt
Las Thier den Kopf und die Vorderbeine, aus der hintern,
die Hinterbeine und den Schwanz; sobald aber Gefahr vor-
handen ist, sieht man vom ganzen Thier nichts als den
Schild. Es giebt mancherley Arten Schildkröten; einige
leben in Flüssen, andere im Meere, noch andere auf dem
Lande. Die Meerschildkröten haben Flossen an den Füßen,
womit sie schwimmen; die Flußschildkröten haben Füße, de-
ren Zehen mit einer Schwimmhaut verbunden sind, und
die Landschildkröten haben ganz freye Zehen. Auch in dev
Größe sind sie sehr verschieden; denn einige sind nur eine
Viertelspanne, andere dagegen 8 bis 9 Fußlang. DieRie-
senschtldkröte wiegt 9 Zentner, und kann 6 und noch meh-
rere starke Männer auf ihrem Schild forttragen, auch
macht sie sich nicht viel daraus, wenn ein Lastwagen über
sie weggeht. Eben dieses Thier ist bis zum Erstaunen
fruchtbar, denn es legt jährlich iqoo bis 1200 Et)er. Diese,
so wie das Fleisch der meisten sind ungemein wohlschmeckend,
auch soll beydeS eine gute Arzeney für die gewöhnliche Krank-
heit der Seefahrer, für den Scharbock seyn. So sorgfältig
ist der Vater im Himmelssür die Menschen bedacht, Kinder:
da, wo ihnen die so gefährliche Seekrankheit, der Scorbut,
drohet, ist auf seinem Befehl auch ein Heilmittel in der
Nähe. Die großen Schildkröten kann man nicht anders
zwingen, als daß man sie mit starken Stangen, oder He-
bebäumen auf den Rückenschild wälzt.
Ä
(Dürgersch. ir Bd.)
b.
130
Naturgeschichte.
b. Das Froschgeschlecht.
Alle diese Thiere haben einen nackten, vierfüßigen, und
ungeschwänzten Körper, nur eine einzige Art ausgenommen,
die einen wirklicken Sckwanz hat. Die merkwürdigsten
Arten sind: die surinamische Rröte, auch die Pipa ge-
nannt; ein Thier, das auf eine seltsame Art entsteht.
Wenn nemlich das Weibchen gelaicht, d. i. seine Eyer ger
legt hat, so nimmt das Männchen diese Eyer weg, klettert
damit dem Weibchen auf den Rücken , schmiert ihm da die
Euer in die Haut, und befruchtet sie alsdann mit seinem
Saamen. Nun wachsen die Eyerchen in die Haut deS
Weibckens fest, und nach z Monathen entstehen Junge
auf dem Rücken, die denn nach einiger Zeit herunter sprin-
gen, und ihr eigenes Geschäft treiben. Dies Thier ist in
Südamerica zu Hause.
Der geschwänzte Frosch. Es haben zwar, wie ge-
sagt, alle Frösche, wenn sie aus den Eyern kommen, einen
Schwanz, und keine Beine. Ihr pfleget diese abentheuer-
lichen Geschöpfe Kaulquappen, oder auch Roßköpfe
zunennen. Dies, Kinder sind jungeFröschgen. Nachund
nach aber setzen sich die Hinterbeine, dann die Vorderbeine
an, und der Schwanz verliehrt sich allmählig, bis endlich
aus dem fischartigen Geschöpf ein Frosch geworden ist, der
nun das Wasser verlassen, und auf dem Lande herumhüpfen
kann. Allein das Thier, wovon hier die Rede ist, behält
seinen Schwanz neben seinen 4 Füßen lebenslang, dabey
hat es eine aniehnliche Größe; denn es ist einen Fuß lang.
Auch dies Thier lebt in Südamerica. — Die gemeine
Ihr wollet weglaufen! bleibet nur alle da; sie
thut Euch nichts zu leide: sehet, sie ist ein langsames, licht-
scheues Thier, das eigentlich vor Euch sich fürchtet. Gif-
lig,
Das Thierreich. 131
tig, wie Ihr sonst wohl geglaubt habet, ist sie gar nicht,
denn Ihr, und Eure Eltern kennen ja noch keinen Menr
schen, den eine Kröte vergiftet hätte, und auch ich kenne
noch niemanden, der auch nur im geringsten von diesem um
schuldigen Thiere beleidigt worden wäre, einen einzigen
Dauer ausgenommen, der aber eine kleine Züchtigung mit
Recht verdiente, weil er unbesonnen handelte. Höret nur,
was er that, und wie es ihm gieng. Er saß mit andern
Bauren an einem Sommerabend vor der Thür; da kamen
einige Kröten gekrochen. Alle Bauren liefen weg, nur mu
ser Gast allein blieb, haschte eine davon, und bot den am
dern die Wette an, er wolle die Kröte lebendig essen. Die
Cameraden giengen die Wette ein, und unser Tölpel steckte
die Kröte in den Mund, kaute eine artige Weile daran —
denn sie mag ihm zwischen den Zähnen ziemlich gezappelt
haben — und schluckte sie endlich hinunter, machte aber dar
bey ein gewaltig bitteres Gesicht. Die Bauren riefen ihm
Prosit die Mahlzeit zu; aber ihr Wunsch half nichts: denn
der Unbesonnene bekam eine steife Zunge, und viele Blasen
daran, die ihn sehr brenneten. Nachdem jedoch ein Wund«
arzt ihm einige Einschnittein die Zunge gemacht hatte, verr
ging das Nebel. Er will nun in seinem Leben keine Kröte
wieder lebendig essen, und überhaupt nie wieder unbesonnen
handeln, welches ihm auch zu rathen steht. Aus dieser
Geschichte, Kinder, folgt also nur so viel, daß Euch die
Kröte nicht anders beschädigt, als bis Ihr sie lebendig aufeft
set; und ein solcher Appetit, denk ich, wird Euch nicht leicht
anwandeln. — Die Feuerkröte, ein kleines, munteres
Geschöpf, am Bauche schön blau und gelb gestreift. Sie
hüpft wie ein Frosch, und ihr Geschrey klingt, als ob sie
lachte. — Der braune Graofrosch, lebt im Sommer
auf dem Lande, und im Winter im Wasser. Dies Thier
I * ist
iz2 Naturgeschichte.
ist sehr nützlich- denn es rast unzählige Schnecken, In-
sekten rc. weg. — Der grüne Wasserfrosch, lebt blos in
Teichen und Sümpfen. Die Männchen von diesem Frosch
sind die Musicanten, die Ihr anden Sommerabenden Con,
cert machen höret. Wenn sie dies Geschrey machen, trei-
ben sie zwey große Blasen aus den Maulwinkeln auf. Sie
sind sehr schlau und muthig, und springen zuweilen dem
Hecht, der sie verschlingen will, auf den Kopf, und beißen
ihm die Augen aus. Dieser Frosch wird gegessen, und sein
Fleisch schmeckt sehr gut. — Der Laubfrosch; ein artiges,
lebhaftes, und in ein hübsches Grün gekleidetes Thierchen,
das Ihr alle gerne leiden möget. Denn Ihr pfleget es zu
fangen, und in ein großes, zur Hälfte mit Wasser ange-
fülltes Zuckerglas einzusperren, und dann mit gefangenen
Fliegen zu füttern. Habet Ihr aber noch kein solches Thier-
chen, so schasset Euch eins an; Ihr werdet manche Lust
daran haben können. Unter andern werdet ihr folgende
bewundernswürdige Eigenschaften an dem Thiere finden: es
ist nemlich ein Wetterprophet. Denn badet sich der Laub,
frösch im Wasser, sowirds regnen, und verweilter im Wasser,
fo hält der Regen an. Steigt er wieder auf die Leiter, die
Ihr ihm ins Glas gesetzt habet, oder klebt er sich ans Glas
fest, so wirds gut Wetter. Auch ist der Laubfrosch ein un-
gemein fertiger und geschickter Fliegenjäger. Die Fliege,
die Ihr ins Glas werfet, mag noch so schnell, so listig und
groß seyn, unser Jager hat sie in einem Augenblick wegger
schnappt. Endlich hat dies Thier auch die sonderbare Ge-
schicklichkeit, daß es sich mit dem ganzen Leibe ans Glas,
so wie auch an andere glatte Körper, als Blätter, Rinden rc«
ankleben kann, ohne herunterzu fallen. Er verrichtet
dies vermittelst kleiner Knötchen an den Beinen, aus denen
er einen klebrichten Saft drücken kann. — Sehet, da
kriecht
*33
Das Thjemich.
kriecht ihm eine Fliege auf dem Leibe herum, und der Frosch
regt sich nicht. Jetzt kömmt sie ihm vors Maul: schnapp!
da hat er sie. Da kömmt eine andere hergeflogen. Sehet,
was er für einen langen Hals macht: husch! da ist sie ger
sangen. — Einen Laubfrosch Anstalten zum Schreyen mar
chen zu sehen, ist gleichfalls ein großes Vergnügen. Er
bläst die Kehle zu einer so großen Kugel, als sein Leib ist,
und nun fängt er sein Lied an. Die Weibchen sind nicht
musicalisch, das Männchen selbst aber muß erst drey Jahre
alt sevn, eher singt es Euch nichts vor.
c. Die Eydechse.
Diese Thiere haben einen bedeckten, geschwänzten Körr
per, und vier Füße. Der Kopf ist dünner, als der Kopf
der Frösche, der Leib aber länger. Zu diesem Geschlecht ger
hören folgende Arten: Der Crocodill, ein sehr fürchter-
liches Thier in Ostindien und in Africa, besonders im ägypti-
sehen Flusse Nil, das nemliche Thier, welches Hiob Le-
viathan nennt. Es wird oft 25 Fuß lang, hat einen
schrecklichen, mit vielen scharfen Zähnen bewafneten Rachen,
eine sehr harte, schuppigte Haut, durch welche, die Haut
am Bauche ausgenommen, keine Flintenkugel dringen kann,
und einen fürchterlich langen, mit doppelten Reihen schupr
pichter Zacken besetzten Schwanz. Dabey ist es sehr schnell
und hat einen unersättlichen Appetit. Es tödtet und frißt
Menschen, und wagt sich sogar an den Löwen; auch macht
es die Fahrt auf Flüssen gefährlich; weil cs mit seinem un-
geheuren Schwänze nicht selten kleine Fahrzeuge umschmeißt.
Dies Thier legt gemeiniglich hundert Eher, die so groß wie
Ganseeyer sind. Wie schrecklich zahlreich müßten also die
Heere der Crvcodille seyn, Kinder, wenn Gott nicht dafür
I 3 g"
134
Naturgeschichte.
gesorgt hätte, daß die Eyer größtentheils zum Besten einer
Säugethiers gelegt würden. Wisset Ihr noch, wie die-
Thier heißt? die pharaonsratte: die säuft von den hun-
dert Evern immer die besten aus. Wenn der Crocodill ein
Wildpret wittert, brüllt er wie ein zweyjähriger Stier; daß
er aber, wie nian ihm sonst nachgesagt hat, weinen, oder
wohl gar Thränen vergießen sollte, ist dem fühllosen Mörder
gar nicht gegeben. Man fängt ihn mit starken Angeln,
woran ein todtes Kalb, Schaf rc. als Köder steckt. Auch
lassen sich manche Mohren, die untertauchen können, ge-
brauchen, ihn mit freyer Faust zu tödten. Sie bewickeln
nemlich den linken Arm mit dickem Ochsenleder, fahren
dem Thier damit in den offenen Nachen bis auf den Schlund
hinein, und versetzen ihm mit einem Dolch verschiedene
Stiche ins Herz. Es läuft aber ein Kampf solcher Artsehr
oft nicht zum Bestendes Mohren ab. S. Taft i. Fig. 2..—
Der Baimann, oder Alligator, eine Eydechsenart in
America. Er macht die nemliche Figur, wie der Crocodill,
ist aber kleiner, denn er wird nicht über zehn Fuß lang, und
wagt sich nicht anders an den Menschen, als bis er sich weh,
ren muß. Sein Fleisch wird von den Wilden gegessen. —
Die grüne Eidechse, ein ungemein lebhaftes, und sehr
schönes Geschopfchen, das auch bey uns zuweilen gesehen
wird. Am Kopf, Rücken und Schwanz hat sie das herr-
lichste grün; und am Bauch ist sie kupferfarben. Sie lebt
in Felsenritzen, sonnt sich gern, und thut keinem Menschen
das geringste Leid, im Gegentheil ist sie, so wie alle deutsche
Eydechsen, ein fleißiger Insektenjäger. — Das Chamae,
Ie‘on, eine Eydechse, von der mancherlei) Fabeln erzählt
worden sind. Das Chamaeleon ist in Asien, Africa, aber
auch in Europa, und zwar in Spanien zu finden, wo man
es nicht selten sieht. Es hat einen kurzen und dicken Körper,
einen
Das Thierreich.
iZs
einen eckkgten Kopf, sehr schöne, große, goldfarbene Augen,
eine klebrichte Zunge, mit der es, fast wie der Ameisenbär,
Fliegen fängt, und einen gekrümmten Schwanz, womit es
bepm Klettern auf Bäume sich helfen kann. Die Lungen
dieses Thiers sind entsetzlich groß, daher es sich ungeheuer
dick, aber auch nach Belieben wieder ganz dünn machen
kann. Das, was am Chamaekeon ehemals das größte Idäthr
sel war, ist seine Farbe. Die natürliche istftahlgrau;
zuweilen aber wird es gelb, schwarz, fgefleckt rc. Man
hat daher geglaubt, es könne alle yur mögliche Farben am
nehmen, so daß es auf Baumblättern grün, auf Stroh
gelb rc. werde. Dies ist aber nicht wahr; sondern die Ven
Änderung der Farben rührt voü andern Umständen her, bn
sonders vom Zorn. Uebrigens ist das Chamaeleon ein
schuldloses Thier, das uns, weil es von Insekten lebt, eben
dadurch Dienste leistet. — Der Gecko, eine desto geführt
kichere Eydechse. Sie lebt gleichfalls in Asien, Africa und
im südlichen Europa, besonders in Neapolis. Dies Thier
ist wirklich giftig. Es har nemlich zwischen den Zehen einen
scharfen Saft, der, wenn es zwischen Eßwaaren läuft, sich
den Speisen mittheilt. Die Würkung dieses Giftes besteht
in gefährlichen und zuweilen tödlichen Coliken. — Der Le-
guan , ein Americaner, mit dem Ihr bald Bekanntschaft
machen werdet, weil er einsehr nützliches und zugleich
schönes Thier ist. Es hat nemlich diese Eydechse ein um
gemein schmackhaftes Fleisch, und wird deswegen lebendig
nach Europa für die Tafeln unserer vornehmen Landsleute
verführt. Sie ist ziemlich groß, wohl vier bis fünf Schuh
lang, und dabey in ihrer Art ein scharmantes Thier. Ihr
kleiner, oben platter Kopf, ist mit lauter Perlen besetzt;
die großen, feurigen Augen sind mit rothen Ringen einger
faßt; im Maule sind kleine niedliche Zähne, und der lange
136 Naturgeschichte.
Hals blitzt von lauter Diamanten. Unter demselben sitzt
ein Sack, in welchen das Thier seinen Vorrath von Insekr
ten sammelt, wovon es ein großer Liebhaber ist. Der
ganze Leib ist silbergrau, und vom Kopf bis zum Schwanz
läuft ein pergamentner Kamm. Gemeiniglich wohnt der
Leguan auf Bäumen, weil er von Insekten lebt. Er beleir
digt kein Kind , so fromm ist er; wenn aber jemand nach
ihm schlägt, dann beißt und kratzt er gewaltig. Er legt 12
Euer, so groß, wie Taubeneyer, die er, wie der Crocodill,
verscharrt. Sie schmecken unvergleichlich, so wie auch das
Fleisch des Thiers selbst. — Die gemeine Eydechse, unr
ser Landsmann. Dies niedliche, lebhafte und unschuldige
Thierchen rst, wenn es aus dem Ey kömmt, ein fischartkt
ges Geschöpfchen, ohne Beine, und lebt alsdann rm Wasr
ser, sobald es sich aber verwandelt hat, begiebt es sich in
Felsen, altes Gemäuer rc. und jagt Mücken. Ihr müsset es
also nicht tödten, Kinder, sondern ihm die kurze Lebenszeit
gönnen, die ihm der Schöpfer angewiesen hat. — Der
Basilisk, auch eine gutmüthige und zugleich sehr schöne
C'ydschse, mit einem holen Kamm auf dem Kopfe, den das
Thier aufblasen kann. Einen andern, den Floßfedern
ähnlichen Kamm, trägt er auf dem Schwänze. Von btci
sem Thierchen, das in Aegypten und Südamerica lebt, har
ben uns unsere Vorfahren mancher ley seltsame Fabeln vorr
zubringen gewußt, die ich Euch unten erzählen werde. —
Der Salamander, ><Molch) eine gelb und schwarz ger
fleckte Epdechse, die auch in unsern Gegenden gefunden und
unschuldiger Weise wegen ihres Gifts verlästert wird. Man
sagt dem Salamander zugleich nach, daß er in keinem Feuer
verbrenne. Etwas Wahres ist an dieser Sage: denn in
einem mäßigen Kohlenfeuer sprüht das Thier theils aus dem
Munde, theils aus den kleinen, am Leibe befindlichen
137
Das Thierreich.
Warzen einen Saft von sich, der die Glut vermindert; aber
in einem heftigen Feuer verbrennt er eben so gut, wie anr
dere Thiere. Man kann ihm, wenn er noch jung ist, die
schönen, Hellen, rothen Augen ausstechen, und sein Schöi
pfer läßt ihm andere, eben so schöne, dafür wachsen. —
Der Drache, (die fliegende Eidechse) gleichfalls ein Thier,
das wider seinen Willen Anlaß zu Fabeln gegeben hat. Es
hat an beyden Seiten des Rumpfes Flughäute, wie die
Fledermaus, oder wie das fliegende Eichhorn und kann also
auf gewisse Arr fliegen. Uebrigens gleicht es der Eydechse,
nährt sich auch, wie diese, und ist völlig unschädlich.
2) Schleichende Knorpelthiere, oder die
Schlangen.
Diese Thiere haben einen runden, langgestreckten Körr
per, ohne Füße und ohne Floßsedern. Dagegen ist ihr Leib
mit Ringen, oder doch mit einer runzlichten Haut ber
deckt. Die Schuppen liegen wie Ziegeln den ganzen RÜA
ken bis zur Schwanzspitze hinunter; die Schilder aber,
breite, halbmondförmige Zirkel, bedecken den Unterleib,
und die Ringe umgeben den ganzen Körper. Die Brust
und der Bauch sind mit Rippen umgeben, und das Thier ist
mit unzähligen Muskeln versehen, wodurch es sich sehr ver-
kürzen, aber auch erstaunlich ausdehnen kann. Einige
Schlangen können sich durch das Zusammenziehen ganz steif
machen und darauf durch den Gebrauch ihrer Schnellkraft
mit fürchterlicher Geschwindigkeit auf ihre Beute hinschiest
sen. Durch diese Einrichtung des Körpers wird auch ihre
rvellenformrge Bewegung hervorgebracht, so, daß sie sich
in Krümmungen, rechts und links fort bewegen. Es sind
nemlich die Schilde, Schuppen und Ringe blos auf der Haut
I 5 befer
IZ8
Naturgeschichte.
befestigt, und man kann ste übereinander hin und her schie,
ben. Mit diesen Schilden und Ringen, die einen scharfen
Rand haben, stemmt sich das Thier an den ungleichen Bo-
den fest, zieht den Hinterleib des Körpers nach sich, dehnt
den Vordertheil wieder aus und marschiert also immer
weiter.
Der Aopf der Schlangen ist verschiedentlich gebildet,
gewöhnlich aber doch länglicht. Die Kinnladen lassen
sich so weit aus einander ziehen, daß eine Schlange ein dicke-
res Thier verschlingen kann, als sie selbst ist. Ihre Zähne
sind meistens spitzig und scharf. Einige Arten haben außer
diesen Zähnen noch zu beyden Seiten des obern Kiefers zwey
hohle Giftzähne. In diesen Zähnen liegt ein Bläschen
mit einem Saft, den sie ausgießen und in die, mit dem
Zahn gemachte Wunde sprühen können: und dies, Kinder,
ist das Schlangengift. Nur von wenigen Schlangen ist
dieser Saft schädlich, und der schädliche selbst ist nur alsdann
giftig, d. i. tödtlich, wenn die Schlange ein Thier oder
einen Menschen in eine Blutader gebissen und fein Gift in
die Wunde gesprützt hat. Daher kann man Schlangengift
trinken, und es thut keinen Schaden; auch ißt man die
allergiftigsten Schlangen, nachdem man vorher den Kops
abgehauen hat.
Die Schlangen werden gemeiniglich aus Eyern durch
die Sonne ausgebrütet, einige Arten aber gebähren leben,
dige Junge. Der Aufenthalt dieser Thiere ist theils im
Wasser, theils auf dem Lande, und einige wechseln mit ih-
rer Wohnung in beyden Elementen ab. — Viele nähren
sich blos von Gras und Kräutern, andere von Insekten,
Fröschen, Eydechsen, Mäusen, Vögeln und Fischen; noch
andere von größeren Säugethieren. Die europäischen Schlam
Das Thierreich. izs
gen schlafen im Winter, und sind, wenn sie erwachen, ger
meiniglich neu gekleidet: denn sie legen ihre alte Haut ab. —
Der Nutzen der Schlangen ist freylich nicht viel größer,
als der Schaden, den sie thun; aber sie geben doch manche
Vortheile. Viele Arten werden gegessen; andere Arten
hält man, wie bey uns die Katzen, Ln den Häusern als
Ratten, und Mäusejäger; einige dienen statt Arzeneyen
und von manchen wird die Haut genützt; — alle aber sind
dazu da, um zwischen schädlichen Thieren aufzuräumen.
Man theilt die sämmtlichen Schlangen in sechs verschiedene
Geschlechter. Gebet Acht, jetzt sollen einige derselben
die Parade machen: die Riesenschlange, (Boa, auch
Abgottsschlange genannt), in Ost-und Westindien, ein
fürchterlich großes Geschöpf, das wohl 24 bis zo Fuß lang,
und so dick, wie ein Mensch werden kann. Giftig ist dies
entsetzliche Thier nicht, aber gleichwohl gefährlich genug.
Pa schlingt es sich mit dem Schwanz und dem halben Leibe
um einen Ast; was gilt«, sie wittert eine Beute. Sehet,
da kömmt ein Stier ganz ruhig her, um zu grasen. Bei
trachtet einmal die Schlange, was sie für Augen macht
wie sie die Zunge spitzt, md den Kopf dreht: husch, da
sitzt sie dem Stier auf dem Leibe, und schmeißt ihn zu Bo-
den. Er will sich wehren, aber sie hat ihn mit den Schlin-
gen ihres Körpers ganz zusammen gedrückt. Wie basarme
Thier brüllt, wie ihm der heiße Dampf'aus dem Maule
geht. Sehet, jetzt zerschmettert sie ihm mildem Schwänze
die Knochen, daß er wie ein Waschlappen zusammenfällt.
Nun wollen wir ganz.nahe hinzutreren, denn sie bemerkt
uns nicht. „Was ihr jetzt aus dem Rachen geht," das
wollet Ihr wissen. Es ist ihr Geifer, damit umzieht sie
den ganzen Stier, daß er recht geschmeidig wird- und nun
— sehet — nun schluckt sie ihn mit Haut und Haar hinun,
ter.
Me
Naturgeschichte.
ter, wie Ihr eine Kirsche hinunter schlucket. Da kömmt
ein Mohr mit einer Keule her: was der wohl will? Die
Schlange merkt was, sie will fort, aber ihr dicker Bauch
läßt sie nicht von der Stelle. Sehet, da giebt ihr der Mohr
einige Schläge auf den ungeheuren Kopf, und der Fresser
kann sich nicht wehren: — er hält die Schläge aus, und
nun ist das furchtbare Geschöpf gar tod. Der Mohrschneir
det es auf, nimmt ihm den Stier, legt ihn auf einen Wat
gen, und die Haut und das Fleisch des Schlächters dazu,
und fährt heim. So unbehülflich ist also diese mächtige
Creatur, wenn sie den Magen voll hat. Ueberhaupt thut
sie selten einem Menschen was zu Leide, aber hudeln läßt
sie sich nicht. So schön marmorirt als diese Riesenschlange
war, sind sie alle. Manche Völker, die wenig Gehirn im
Kopfe haben, beten diese Bestie an; oft aber schlägt mm
cher Andächtiger, wenn er nusgeknieet hat, seinen Götzen
vor den Kopf, um ihn zu braten und zu essen: ein solcher
Götzenbraten soll, wie die Reisenden sagen, recht gut
schmecken. — Aber was klappert denn da? Geschwind
klettert mit mir auf diesen Baum, denn es kömmt eine^lapr
perschlange. Sehet, sie hat am Schwänze ein paar
Dutzend kleine, durchsichtige Blasen, womit sie ein solches
Geräusch macht, als Ihr, wie Ihr klein wäret, mit Eurer
Erbsenklapper machtet. Was sie wohl mit dem Klappern
sagen will: sie lauret auf Raub. Da hüpft ein Paar Km
ninchen her; sie machen Männchen und spielen. Arme
Thierchen, wie wirds euch gehen. Jetzt erblicken sie den
giftigen Räuber; sie wollen laufen und können nicht: denn
der Schrecken der fürchterlichen Schlange ergreift sie. Da
kömmt der scheusliche Mörder, giebt ihnen den Fang und
verzehrt die niedlichen Thierchen. Jetzt wollen wir wieder
herunter steigen, denn sie ist nun satt, und thut Euch nichts
mehr.
Das Thierreich» 141
mehr, Ihr müsset nur nicht nach ihr schlagen» Sehet, sie
ist sechs Fuß lang, und so dick wie mein Arm. Das Gift, das
ihr unter den beydrn Backenzähnen sitzt, wirkt so schnell,
daß in fünf Minuten der Tod erfolgt, wenn nicht ein schnell
les Mittel gebraucht wird. Kein einziges Thier bleibt von
ihren Bissen verschont, als blos — ------- stille, da kömmt
ein Schwein her: sehet, wie ihm die Augen blitzen, wie
es grunzt. Der Kaninchenmörder will die Flucht nehmen,
aber der Eber ist geschwinder. Da hat er die fürchterliche
Schlange schon erhascht, und beißt ihr das Genick enrzwey;
da macht er sich über sie her und verzehrt sie, ohne sich lange
zu besinnen. Wie sonderbar, Kinder: für ein Geschöpf,
daß mit seinem Gifte alles Lebendige tödtet, hat gleichwol der
Schöpfer ein Thier geschaffen, dem das Gift dieser Schlange
nicht schadet; das Schwein. Dies verfolgt die Klapper-
schlänge allenthalben, und frißt sie mit solchem Appetit, als
Ihr Euren köstlichsten Braten. Aber auch Menschen essen
das Fleisch der Klapperschlange, nur ihren Kopf nicht; und
aus der Haut derselben machen sich die Wilden Gürtel. S.
Taf. 4. Fig. 3- — Nun sollen noch einige andere Schlanr
gen aufmarschieren, und dann gehen wir weiter. Die
Viper. Diese Schlange bringt lebendige Junge. Sie
ist in Aegypten und Arabien zu Hause, hat über ioo Schilde,
und wird drey Fuß lang. Ihr Fleisch wird zur Arzeney
gebraucht. — Die gehörnte Schlange, auch eine Arar
berin. Sie hat an den obern Augenliedern einen hörnernen
Auswuchs, der zwey Hörnern gleicht. Dies Thier ist wahre
scheinlich das nemliche, was in der arabischen Wüste viele
ungehorsame Israeliten wegraffte, wovon Ihr die Geschichte
4 Mos. 2\, 6. schon manchmal gelesen habet. — Dir Natt
ter hat zu beyden Seiten des Halses einen weißen Fleck;
der Leib aber ist braun. Sie ist zwar giftig, aber ihr Gift
tödtet
142 Naturgeschichte.
tödtet nicht; dagegen wird ihr Fleisch zu Arzeneyen gebraucht.
Sie hält sich gern in Viehställen auf, und legt ihre Eyer in
Mistgruben. — Die Brillenschlange, eine Ostindiane,
rin. Am Halse hat die Haut dieses Thiers die Figur eines
Kragens, und hinten auf dem Rücken ist die Gestalt einer
Brille gezeichnet. Sie ist unter den Schlangen die aller,
giftigste; gleichwohl wird sie von der pharaonsratte ver,
folgt und mit großem Appetit gespeist. — Die Blind,
schleiche, unsere Landsmännin. Ihr haltet sie für blind;
aber sie kann mit dem Scharfsehendsten unter Euch in die
Wette sehen. Giftig ist sie auch nicht, wie Ihr glaubet;
dagegen hat sie einen andern Fehler: sie bricht leicht auS
einander, wenigstens könnet Ihr sie mit einer Haselruthe
sogleich entzwey schlagen. Die abgeschlagenen Stücke bewe,
gen sich noch stundenlang. — Die Schoosschlange, ein
schön gewähltes, schuldloses Geschöpfchen, das bey den ost,
indischen Damen, wo es zu Hause ist, das nemliche Amt
bekleidet, was in Europa die Schooshündchen haben.
3) Schwimmende Knorpelthiere.
Diese Amphibien sind in der Bildung den Fischen ähn,
lich, weswegen man sie auch gemeiniglich zu den Fischen
rechnet. Allein sie sind noch sehr von ihnen verschieden:
denn sie haben Lungen, wodurch sie Odem holen; auch
pflanzen sie sich nicht wie die Fische durch Laich, sondern wie
die Schlangen durch Eyer fort. Zn der Bildung sind sie
sehr verschieden: denn bald sind sie rundlich, bald von bey,
den Seiten, und bald oben platt gedrückt; bald sind sie läng:
lichtrund, walzenförmig und kantig, bald in Gelenke abge:
theilt. Einige haben ungeheure Zähne, andere schreckliche
Stacheln. Ich will Euch einige davon zeigen:
' a.
H
Das Thierreich.
143
ñ. Die Lamprete,
hat die Bildung, aber auch den Geschmack des Aals,
trägt sieben Löcher am Halse, wird drey Fuß lang und hält
sich in Meeren, aber auch an den Mündungen, der Strös
me auf.
b. Die Pricke, (Neunauge)
ist halb so groß, als die Lamprete, und lebt in großen
Flüssen. Zn unserer Lüneburgischen Ilmenau ist sie in
großer Menge, so daß ein beträchtlicher Handel nnt einger
machten Neunaugen getrieben wird. Wenn Ihr diese wohl-
schmeckende Speise esset, müsset Zhr den Muskel heraus
nehmen, der dem Thier den Rücken hinunter läuft; denn
der ist schwer zu verdauen: er eben ist es, der das unange-
nehme Ausstößen nach dem Genuß dieser Speise verursacht.
c. Der Zitterfisch, (Krampffisch)
eine Creatur von höchst wunderbarer Eigenschaft: denn
wenn Zhr sie berührt, so fährt Euch eine solche Empfin-
dung durch den Leib, als die ist, wenn Zhr Euch stark an
den Ellenbogen stoßet. Diesen schmerzlichen Krampf erfah-
ren alle Thiere, die dem Geschöpf auf den Leib kommen, so
daß also der Zitrerfisch fast gar nicht angefallen werden kann.
Nur beym Schwänze könnet Zhr den Patron anfassen; denn
da empfindet Zhr keinen Schlag. Das Thier hält sich im
mittelländischen Meere auf, ist drey Spannen lang und
zwey breit, und wird, seiner Gefährlichkeit im Leben ohnr
geachtet, mit großem Appetit gegessen.
6. Der Giftroche,
hat an seinem langen, hornartigen Schwanz einen
giftigen Stachel.
144
Naturgeschichte,
e. Der Haysisch-
Lies Geschlecht hat mancherlei) 2trten, die zwar alle
eine verschiedene Bildung haben, sämmtlich aber die gierig-
sien und gefräßigsten Würger sind. Einen Menschen zu
verschlingen, ist ihnen eine Kleinigkeit. Sie bringen sämt-
lich ihre Jungen lebendig zur Welt. Folgende drey Arten
sind die merkwürdigsten: der gemeine Hay; er ist in allen
europäischen Meeren, hat drei) Reihen Zähne im Maule
und gicbt ein sehr delicates Fleisch, auch wird aus seiner
Haut Lhagrin gemacht. — Der Hundshay, (Menschen-
fresser) ein ungeheures Thier mit einem fürchterlich großen
Nachen, in welchem nichtmehr, als sechsReihen Zähne fitzen.
Cr wird 20 Fuß lang und auf iooos Pfund schwer. Man
hat ganze Pferde im Magen dieses Seethiers gefunden,
und ein ausgewachsener Mensch ist einem solchen Fresser ein
bloßes Morgenbrod. Gleichwohl wagen es zuweilen Men-
schen, mit diesem Ungeheuer anzubinden. Da Ihr mir bis-
her so aufmerksam zugehört habet, so will ich Euch zur
Dankbarkeit die Geschichte eines solchen Gefechts zwischen
einem Menschen und einem Hay erzählen, die Euch gewiß
gefallen wird. Sie hat sich unter der Negierung der engli-
schen Königin Anna zugetragen, und soll, wie ein engli-
scher Gelehrter, Namens Hughes, schreibt, völlig zuver-
läßig seyn, so sehr sie auch allen Glauben zu übersteigen
scheint. Ein englischer Capitain, Namens IohnBeanis,
kam mit seinem Schiffe an der westindischen, den Englän-
dern zugehörigen Insel Bardados an. Seine Ladung be-
stand in Steinkohlen. Als diese ausgeladen waren, so
warfen sich diejenigen vom Schifsvolke, die diese schmutzige
Arbeit verrichtet hatten, ins Meer, um sich zu waschen.
Sie waren nicht lange darin gewesen, als jemand vom
Schiffe
Das Thierreich. 14s
Schiffe aus einen großen Hay auf sie zukommen sah. Er
gab ihnen ein Zeichen, und eiligst schwammen sie zurück und
erreichten das Schiff glücklich, bis auf einen einzigen.
Nur noch fünf Fuß war der Unglückliche vom Schiffe ent-
fernt, als ihn der schreckliche Fresser erwischte. Er ergriff
ihn bey den Schultern, riß ihn mit seinen zackigten Kinnla-
den sogleich auseinander, und fraß die eine Halste auf, die
andere aber wurde von den Matrosen aufgesischt und ans
Schiff gebracht. Der Getödtete hatte unter den Boots«
knechten einen Cameraden, mit dem er viele Jahre in vere
trauter Freundschaft gelebt hatte. Dieser gerieth beym An-
blick des Ueberrestes seines Freundes in ein solches Entsetzen,
daß ihn alle Schiffleute mit Wehmuth betrachteten. Indem er
so jammerte und seinen Freund beklagte, erschien der uner-
sättliche Würger auf der blutigen Oberfläche, um dasUebrige
seiner Beute zu suchen. Die andern Matrosen schätzten es
für ein Glück, am Schiffs zu seyn. Nur der verwaiste
Freund hielt sich für unglücklich, daß er den Mörder seines
Cameraden nicht erreichen konnte. Auf einmal ergrif er ein
scharfes Messer und stieß wütend das Gelübde aus, daß er
entweder das Ungeheuer erwürgen, oder von ihm in das
Grab seines Freundes verschlungen seyn wolle; und so sprang
er ins Meer. Was der Fresser für Augen gemacht hat, als
er eine so nahe Beute sah, das könnet Ihr leicht denken:
denn er war ebenso heißhungrig auf Raub, als dieser auf
Rache. Jetzt sperrte die Bestie den großen Rachen auf, seine
Deute aufzunehmen; aber der Matrose machte eine gespickte
Wendung, tauchte mit Schnelligkeit unter, faßte den Würger
mit der linken Hand bey den untern Floßfedern und gab ihm
mit dem Messer, das er in der rechten Hand hielt, einen Stich
nach dem andern in den Bauch. Der Hay gerieth in Grimm,
und machte die fürchterlichsten Bewegungen; gleichwohl ver-
(Bürgersch. ir Bd.) K setzte
146 Naturgeschichte.
setzte ihm der tapfere Matrose Stich über Stich. Endlich
sah sich das Ungeheuer in seinem eigenen Elemente besiegt
und suchte sich los zu machen. Bald fuhr es auf den Grund
hinab, bald hob es, von Schmerzen entkräftet, seinen blu-
renden Körper über die Wellen empor. Auf den Böten um-
her sahen die Matrosen mit zitternder Neugierde dem un-
gleichen Kampfe zu, und wußten nicht, welcher von beyr
den Streitern, der Mensch, oder das Thier, die Ströme
von Blut vergoß. Endlich eilte der entkräftete Hay sehr
nach dem Ufer zu, und der muthige Sieger folgte ihm.
Dieser, dem die Gewißheit seines Sieges nun noch mehr
Kräfte gab, stürmte mit verdoppelter Hitze auf seinen Feind
los, zog ihn mit Hülfe der Ebbe ans Ufer, riß ihm die Ein-
geweide auf, nahm die abgebissene Hälfte seines verunglück-
ten Freundes heraus, setzte sie mit der andern zusammen,
und begrub ihn in einem natürlicheren Grabe. Was saget
Ihr zu diesem Muthe, nicht wahr, Ihr bewundert ihn,
und zwar um desto mehr, da ihn die Freundschaft erzeugte.
Es giebt also auch unter den Bootsknechten, die man doch
sonst als rohe Menschen verschrept, edle Herzen. — Nun
wollen wir wieder zurück zu unserer Compagnie Knorpel-
thiere. Ehe mir weiter gehen, merket Euch erst noch, daß
das Thier, was den Propheten Jonas verschlang, auch ein
solcher Hayfisch gewesen ist, nicht aber ein Walisisch. Ohne
Nutzen ist dieser Würger bey aller seiner Gefährlichkeit nicht,
denn seine mächtig große Leber giebt eine ansehnliche Menge
Thran. S. Taf. 2. Fig. 2. — Der Sagehay (Sägefisch)
hat an seinem Kopfe ein breites, oft fünf Fuß langes,
schwerdförmiges Gewehr, das an beuden Seiten 24 Zacken
hat. Wenn er damit dem großen Walisisch an den Bauch
kömmt, dann ifts aus mit diesem Riesen des Meers.
/
t
147
Das Thr'erreich;
f. Der Seeteufel/
ein Geschöpf mit einem ungeheuer großen Kopf, der
die größere Hälfte des ganzen Thiers auömacht und ihm eiri
fürchterliches Ansehen giebt. Ueber dem Nasenbein sitzt
eine knöcherne Harpune, nebst einigen langen, fleischigten
Faden, womit er Fische angeln kann,
g. Der Stör/
ein sehr gefräßiges Thier mit einem langgestreckten,
fünfkantigen Körper und einer rüsselförmigen Schnauze. Er
wird von drey bis 18 Fuß lang, und sein Rogen (Eyerstock)
wiegt zuweilen alleine 200 Pfund. Dieser Rogen gekocht,
und in Eßig eingemacht, heißt Caviar, und ist ein sehr
leckeres Essen. Aber auch das Fleisch des Störs ist wohl-
schmeckend, nur will ichs Euch nicht anrathen, denn es ge-
hört ein starker Magen dazu; auch ist es ein theures Essen:
denn das Pfund kostet in Hannover gemeiniglich 6 Ggr^
Der Stör ist Ln allen europäischen Meeren; er geht aber
auch in die Mündungen der Flüsse und verliehrt sich zuwei-
len weit hinauf. Zu diesen Reisen zwingt ihn gemeiniglich
die Noth: denn der arme Schelm ist mit so vielen Kopfläu-
sen geplagt, daß er diese Gäste nicht anders los werden kann,
als wenn er schnell gegen den Strom schwimmt, Eben da-
her kömmts, daß er sich zuweilen in kleine Nebenflüsse ver-
geht, wo ihm aber seine Gesundheitsreise übe! belohnt wird:
denn die Fischer pflegen ihm den Rückweg abzuschneiden.
Vor einigen Jahren jagten die Läuse einen solchen Stör in
die Leine. Er kam bis nahe vor Hannover, und gerieth
einem Fischer in die Senke. Was der für einen langen
Hals gemacht haben mag, als er die ungeheure Creatur in
seinem Netze zappeln sah, das könnet ihr leicht denken.
348
Naturgeschichte.
h. Der Sterlet,
eine kleinere, in den schwedischen und rußischen Gewäfi
fern befindliche Störart. Er ist leckerer als der Slör, so
wie auch der Caviar davon wohlschmeckender ist.
i. Der Hausen,
gleichfalls eine Art des Störs, die ungemein häufig in
der Donau gefangen wird. Der Hausen wird zehn Fuß
lang und zwölf Zentner schwer. Sein Fleisch ist sehr zart
und lecker. Gekocht schmeckt es wie Rindfleisch, gebraten
wie Kalbsbraten; daher es rn catholischen Ländern zur Zeit
der Fasten, wo man kein Fleisch essen darf, allgewöhnlich
gegessen wird, weil man Hausenbraten für kein Fleisch hält.
Er wird sowol frisch, als gesalzen und in Fässer geschlagen,
weit ausgeführt. Aus seiner Haut bereitet man das beste
Leder zu Wagenriemen, und aus seiner Schwimmblase,
so wie aus seinem Schwanz und aus einigen andern Their
len, macht man einen festen Tischlerleim, den Ihr unter
dem Namen Hausenblase (nicht Hausblase) kennet; aus
seinem Eyerstock aber wird Caviar verfertigt.
k. Der siachelichte Horn fisch,
ein Zwerg unter den Fischen, denn das Geschöpfchen
ist kaum einen Zoll lang.
1. Der Giftfisch,
ein Geschöpf, dessen Hinterleib wie abgeschnitten scheint.
Die Japaner, ein Volk in Asien, kochen den Fisch mit
Sternanies, und verfertigen sich auf diese Art ein Gift,
welches die Leute daselbst trinken, wenn sie früher sterben
wollen, ehe der Herr des Lebens sie ruft.
fn.
Das Thierreich. 149
111. Der Nadelfisch, (Meernadel)
ein langes, dünnes, über und über gepanzertes Thier,
dessen Kopf sich in einen röhrenförmigen Schnabel endigt.
Es ist gemeiniglich über anderthalb Fuß lang und doch nur
Fingersdick. Alle Arten des Nadelfisches, deren man sieben
kennt, bringen lebendige Junge.
n. Der JgelfisH,
eine Person wie der Igel, am ganzen Körper mit Sta-
cheln besetzt. Er ist auch von der Größe des Igels und
lebt in Ttfvica und America.
0. Das Seepferdchen,
ein poßierliches Thierchen, mit einem gepanzerten Kör,
per, dessen Vordertheil dem Kopf und Hals eines Pferdes,
der Hintertheil aber einer Raupe ähnlich sieht; oder besser,
es sieht just so aus, wie der Springer im Schachspiel, und
ist auch nicht viel größer.
D. Die Fische.
Gemeiniglich nennt man alle.Wasserbewohner, diesich
mit Floßfedern in demselben bewegen, Fische. Ihr wisset
aber nun schon, d<^ die Wallfischarten keine Fische sind, inr
dem sie durch Lungen athmen, und weil sie lebendige Junge
gebähren und an ihren Brüsten säugen. Auch habet Ihr
so eben einige andere Fischgesialten gesehen, die zu den Amr
phibien, nicht aber zu den Fischen gehören. Es bielden
uns also blos die eigentlichen Fische übrig. Sie leben durchr
gängig im Wasser; bewegen sich vermittelst der Zloßfe,
dern; hohlen bloß durch die Kiemen (Kiefern oder Fischt
ohren) nie aber durch die Lunge Odem; sind, nur einige
wenige ausgenommen, mit Schuppen überzogen, und
K 1 pflam
IsQ
Naturgeschichte.
pflanzen sich fast alle durch Eyer fort, wovon das Weibchen
den Rogen an der Brust liegen hat, das Männchen aber
die Beftuchtungsmaterie, die man die Milch nennt, am
nemlichen Orte trägt.
Wenn Zhr einen Fisch recht aufmerksam betrachtet,
Kinder, so werdet Zhr sehen, wie künstlich ihn der Allweise
gebaut hat, damit das Thier in dem Elemente des Wassers
rech! geschickt und schnell sich bewegen, bequem wohnen
und seine ihm angewiesene Nahrung mit leichter Mühe
finden, Haschen und genießen könne. Sehet einmal seine
ZLgur an; sie ist vollkommen so eingerichtet, daß das Thier
leicht und geschwind durchs Wasser durchschießen kann: vorn
spitzig, an der Seite flach gewölbt und die ganze Figur
langlicht geformt. Der Kopf sitzt unmittelbar am Rumpf,
damit das Thier mit feiner ganzen Kraft das Wasser durchs
bohren kann. Um ihm Geschwindigkeit zu geben, schuf ihm
die Natur die Zloßfedern, mit denen es rudert. Damit
das Thier ein Mittel hätte, seinen Lauf zu lenken, err
hielts ein Steuerruder, den festen, nervigten Schwanz;
und zum Vermögen, im Wasser nach eigenem Willen fall
len, oder steigen zu können, gab ihm Gott die Blase, die
das Thier mit Luft füllen, wenn es hoF), und wieder aus.'
lassen kann, wenn es niedergehen will. Und um endr
lich dem Wassergeschöpf das beständige Schwimmen voll-
kommen leicht zu machen, überzog der zärtliche Schöpfer
die Haut des ganzen Thiers mit (Del, wodurch das Ger
schöpf beständig Geschmeidigkeit genug bekömmt, alle seine
Gliedmaßen zu bewegen, auch gab er ihm Schuppen, die
den Fisch so glatt machen, daß er mit Leichtigkeit durch die
Fluchen schlüpfen kann. Und so ist er denn nun vom großen
Baumeister so gebaut, daß er mit eben der Schnelligkeit
und
Das Thierreich. is:
und Bequemlichkeit in dem, uns und vielen anderen Threren
so furchtbaren Elemente des Wassers wandeln kann, als
der Vogel in dem Elemente der Luft. Gleichwohl find die
einzelnen Artender Fische in ihrer besondern Bildung, in
der Größe, in der Farbe, in der Bekleidung, in den Waft
fen, in der Lebensart eben so verschieden, als die Landtbiere,
als die Vögel, als die Amphibien, damit wir sehen sollten,
wie unbeschreiblich groß die Macht und Weisheit unsers
Schöpfers ist.
Was den Fisch von allen andern Geschöpfen unterschei-
det, ist sein besonderes Kleid, die Schuppen. Sie beste-
hen aus einem hornartigen Wesen, und find aus mehreren
Blättern zusammengesetzt. Wenn man fie durchs Vergrös,
serungsglas betrachtet, findet man, daß sie schön gezeich-
net sind; aber auch den bloßen Augen machen sie Vergnü-
gen. Einige haben einen matten Gold.' oder Silberglanz,
und viele spielen wieder mit andern Farben. Verschiedene
Arten Fische haben gar keine Schuppen; dafür aber gab
ihnen der Schöpfer eine fchleimigte Haut, die ihren Körper
schlüpfrig macht.
Eben so merkwürdig am Fische sind die Kiemen. Diese
Werkzeuge dienen dem Thier statt der Lunge, und bestehen
aus vielen tausend knorpelichten Fäden, die mit unzähligen
Adern und Nerven verwebt sind. Das Odemhohlen selbst
geht so zu: sie schlucken die Luft durch den Mund ein, und
geben sie durch dse Kiemen wieder von sich. Eben deswe-
gen aber, weil den Fischen die Lunge fehlt, sind sie stumm,
und können keinen andern Laut von sich geben, als das
Schmatzen, das mit ihrer Schnauze geschieht.
Der Aufenthalt der Fische ist blos das Wasser; dazu
sind sie, wie Zhr eben gehört habet, vollkommen eingerichr
K 4 "t.
M2 Naturgeschichte.
tet. Nur einige von ihnen, unter andern der Aal, geht
zuweilen ans Land, aber nur auf sehr kurze Zeit. Die
meisten Arten leben im Meer, die übrigen in Flüssen und
Teichen.
Die Nahrungsmittel dieser Thiere sind so verschie-
den, wie bey den übrigen Thierklassen. Die mehrsten spei/
sen Wasserinsekten, auch Wasserpflanzen, Meerlinsen rc.
Die Raubfische fressen Seevögel, Frösche, Eydechsen und
kleine Fische.
Die Sinne dieser Geschöpfe scheinen nicht sehr scharf
zu seyn; sie sehen und hören jedoch in ihrem Elemente so
Viel, als sie bedürfen.
Die Vermehrung der Fischeist sehr groß, und bey
solchen, die Gott zu unserm Gebrauch bestimmt hat, bis
zum Erstaunen häufig. Bey manchen ist der Eyerstock grös-
ser, als der ganze übrige Körper; bey einem einzigen Her
ring hat man ioooo, und bey einem Stockfisch — welches
fast unglaublich ist — eine Million Eyer gezählt. Von
diesen und andern wohlschmeckenden Fischen wimmeln die
Küsten zu manchen Zeiten des Jahrs in so unzähliger Menge,
als ob sie sich dem Menschen, ihrem König, von selbst zum
Fang anbieten wollten.
Die Fische wachsen geschwinde, und vielleicht ihr gan,
zes Leben hindurch; auch erreichen manche Arten ein sehr
hohes Alter: denn man hat Hechte und Karpfen gesehen,
die anderthalbhundert Jahr alt geworden sind; ihr Kopf
war über und über mit Moos bewachsen. Kleinere Fische
dagegen, wie die Stichlinge, leben nur einige Jahre.
Der Nutzen der Fische ist ungemein beträchtlich. Fast
alle dienen sie dem Menschen zu einer wohlschmeckenden
und gesunden Speise, und geben ihm obendrein noch an-
dere Vortheile. Vom Zange der Heringe, Stockfischeund
Schell/
Das Thiemich. 153
Schellfische leben allein in Europa Millionen Fischer und
nähren sich viele tausend Kaufleute und Krämer. Auf der
Insel Island sind gedcrrete Fische das, was bey uns da»
Geld ist, und in America und Asien leben gleichfalls ganze
Nationen vom Fischfang.
Nun, Kinder, sollet Ihr die merkwürdigsten Fische
selbst sehen. Damit Ihr sie von einander unterscheiden und
Eurem Gedächtniß besser einprägen könnet, wollen wir sie
in vier Classen eintheilen.
Erste Elaste: Fische ohne Bauchfloßfedern.
a. Die Muräne. Ein sehr gefräßiger Raubfisch,
der aber in wärmeren Meeren wohnt. Die alten Römer
schätzten ihn als eine sehr leckere Speise, und hielten ihn in
besonderen Behältern. Manche grausame Leckermäuler um
ter ihnen waren so unmenschlich, daß sie ihre Muränen mit
geschlachteten Sclaven mästeten.
b. Der Aal. Dies schlangenähnliche Geschöpf kenr
net Ihr alle, aber das wisset Ihr wohl noch nicht, wie
mans macht, daß der sonst äußerst unruhige und tobende
Patron so stille liegen muß, als wäre er tob: Ihr müsset ihm
einen Leuerftahl auf die Schnauze legen; dann könnet
Ihr mit ihm machen, was Ihr wollet, er regt sich nicht.
Aus seinem süßen Fleisch macht nian wancherley leckere Gei
richte, die Euch aber nicht dienen, und aus seiner Haut ver-
fertigt man gute Dreschflegelriemen.
c. Der Zitteraal, ein Americancr. Dies Thier
hat, wie der Rrampfflsch, den Ihr unter den Amphibien
gesehen habet, die merkwürdige Eigenschaft, daß er dem,
der ihn berührt, eine solche betäubende Empfindung mit-
K 5 theilt,
jf4 Naturgeschichte.
theilt, die man hat, wenn man sich an die Wirbelknochen
des Ellenbogens stößt.
ci. Der Sckwerdfifch, hat auf seinem Rücken eine
vier Fuß lange Anne Er ist ein fürchterliches Thier, daß
wohl 18 Fuß lang und bev zwey Zentner schwer wird. Er
weiß es auch recht gut, daß er groß ist, denn er hat selbst
vor Walisischen keinen Nespect.
Zweyte Elaste: Fische mit Floßfedern vor der
Brust.
3. Der Schellfisch, ein schönes Thier mit silbernem
Kleide, in den nö-dttchen Meeren, wo es ungemein häufig
gefangen wird. Man salzt den Schellfisch ein und verführt
ihn in fremde Länder.
b. Der Dorsch, (in Preußen Pomnchel genannt)
kleiner, als der vorige, und schön blau marmorirt. Er ist
gleichfalls sehr fruchtbar, und wird sowohl eingesalzen, als
gedörrt verfahren.
c. Der Rabeljau, wahrscheinlich das fruchtbarste
Thier in der Welt: denn in seinem Rogen hat man, wie
Ihr wisset, eine Million Eyer gezählt. Aus Norwegen bringt
man jährlich 16 Schiffe voll Rogen nach Frankreich, da
braucht man sie beym Fange derSardrllen znmKöder. Der
Kabeljau heißt eingesalzen Labderdan und getrocknet
Stockfisch. Von diesem Stockfisch hohlen die Engländer
alleine, andere Nationen nicht gerechnet, aus America jähe,
lich über 420,000 Zentner.
cl. Die ckckuappe, (Aalraupe) ein sehr muthwilliges
und lustiges Thier, das gern mit andern Fischen Händel an-
fängt. Es ist schlüpfrig, wie der Aal, aber kürzer vom
Leibe,
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i s 6 Naturgeschichte.
schießt er einen Wassertropfen nach dem Wildpret, wovon
dies herunter fallen muß. Zuweilen ist ein ganzes Regi;
men: Sprützfische bepsammen; nicht wahr, die mögtet Ihr
wohl kanoniren sehen?
a. Der Meerjunkee; (der Regenbogenfisch) der schön;
ste europäische Fisch, von vielfachen Farben; denn derRük;
ken ist grün, und die Seiten pomeranzengelb gezackt; auf
dem Kopf hat er schwarze und gelbe Flecken, und die Rücken;
stoße ist hochroth mit schwarzen Flecken. Seiner Schönheit
ohngeachlet find ihm doch manche Menschen, besonders die
Taucher, spinnefeind. Rathet einmal, warum: er beißt
sich den Tauchern, wenn ste ins Meer gehen, in die Füße,
und läßt ihnen zur Ader, ohne deswegen gebeten zu sepn.
e. Der Barsch, ein Flußfisch; sieht dem Karpfen
beynahe gleich und hat wohlschmeckendes Fleisch.
f. Der Kaulbarsch, ist kleiner als der vorige, und
ist im Winrer am wohlschmeckendsten.
g. Der Zander, (Sandbars) ein Raubfisch von sehr-
gutem Geschmack.
h. Der Stichling, ein sehr kleiner Flußfisch mit
drey Stacheln auf dem Rücken, der, so klein er auch ist,
andere Fische angreift. Zum Essen taugt er nicht, wohl
aber zur Schweinsmast; auch giebt er guten Thran.
i. Der Thunsisch, ein Raubthier, das wohl zwey
Zentner wiegt. Er braucht ein sehrsonderbares Kunststück,
um kleinere Fische zu sagen: denn er macht aus seinem
Körper einen Zirkel, dreht sich so herum, und verursacht
einen Wasserwirbel, in welchem die Fische mit fortgerissen
werden. Sein Fleisch ist ein Leckerbissen.
k.
Das Thierreich. 157
k. Die Meerbarbe, ein sehr schönes Thier, roth
mit Goldstreifen. Die ehemaligen üppigen Römer schätz-
ten es sehr.
l. Der fliegende Seehahn, ein seltsamer Fisch: denn
dies Thier, das unter den Fischen sowohl, als unter den
Vögeln, seine großen Feinde hat, ist vom Schöpfer mit so
großen Floßfedern versehen, daß es sich aus dem Wasser er-
heben, und, so lange sie noch naß sind, damit fliegen kann.
Er schwimmt also, wenn er von Vögeln, und fliegt, wenn
er von Fischen verfolgt wird.
Vierte Clafse: Fische mit Bauchfloßfedern hinter
den Brustflossen.
a. Der Schmerling, ein kleiner, niedlicher und sehr
leckerer Fisch, der sich in Bächen mit kiesigtem Grunde
aufhält.
b. Der PeLtzker (Wetterfisch) wohnt dagegen im
Schlamm. Er giebt, wie der Knurrhahn, ein Gemur-
mel von sich. Seinen Namen, Wetterfisch, verdient er, denn
er ist ein lebendiges Wetterglas. Ihr könnet ihn nemlich
eben so, wie den Laubfrosch, in einem Glase mit Sand und
Wasser halten. Wenns regnen will, macht er das Wasser
trübe.
c. Der wels, der größte Flußfisch; denn er wird
16 Fuß lang, und 150 Pfund schwer. Sein unförmlicher
großer und breiter Kopf mit dem langen Knebelbarte giebt
ihm ein fürchterliches Ansehen. Er nährt sich von andern
Fischen und von Wasservögeln, und geht selbst der Fischotter
zu Leibe. Zuweilen soll er sogar Menschen brvm Baden
anfallen.
<1,
J)'S
Naturgeschichte
cl. Der (Salm) ist zwar ein Seefisch- geht
aber im Frühling häufig in die Flüsse, besonders in den
Rhein, die Elbe und Weser. Die Ursache seiner Wam
derungen sind Läuse, die ihn eben so plagen, wie den
Stör. Er braucht auch mit diesem seinen Bruder einer,
ley Cur; denn um sie loszuwerden, schwimmt er schnell
gegen den Strom. Bey diesen Reisen beobachten die
Lächse eine förmliche Proceßion, doch so, das; im ersten
Glied zwey, im zwepten drey, im dritten vier u. s. w. ne-
ben einander erscheinen. Der ganze Trupp wird von einem
alten erfahrnen Kerl angeführt. Kommen sie an einen
Wasserfall, so halten sie stille, nicht um umzukehren, son-
dern um auszuruhn; dann macht der Anführer einen Sprung:
husch ist er oben im höhern Wasser, und seine Kameraden
folgen nach. Der Lachs wird frisch, eingesalzen und geräu-
chert gegessen. In der letztem Gestalt schmeckt er zu grünen
Erbsen sehr gut. Er kann bis 50 Pfund schwer werden-
Unsere Eibe und Weser geben uns jährlich eine sehr beträcht-
liche Anzahl dieser delicaten Thiere.
e. Die Lachsforelle, ein Flußfisch, ist dem Lachs
ähnlich- aber kleiner.
k. Die Forelle, ein schöner und zugleich sehr leckerer
Flußfisch. Sie har an ihrer grauen Haut schöne rothe Puncte,
lebt in schattigten Waldbächen, die einen kresigten Grund
haben, und wird wol 50 Pfund schwer. Am wohlschmekr
kendsten sind die kleinen. Wer in Hannover Forellen essen
will, muß fürs Pfund einen Gulden, wenigstens 12 ggr.
geben, dagegen sind sie in den Bächen des Harz, und Sol-
linger- Waldes desto häufiger, von wannen sie auch nach
Hannover gebracht werden.
g. Der Stint, ein Seefisch, eines großen Fingers
lang. Er wird im Februar und März in ungeheurer
Menge
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Fisch, daß man sir mit Gefäßen schöpfen kann. Man fängt
sie mit grüßen Netzen, deren ;edes über 1222 Fuß lang ist,
und aus 42 bis 52 Wanden besteht. Des Abends wird
das Netz auögeworfen, und den Morgen ists voll. Alsdann
schneit
i 60 Naturgeschichte.
schneidet man ihnen den Bauch auf, nimmt die Eingeweide
heraus, wirst sie einige Stunden in süßes Wasser und läßt
sie dann 15 Stunden in Salzwasser liegen; und daraufwerr
den sie entweder in Tonnen geschlagen und unter dem Nar
men der Heringe fast in die ganze Welt verführt; oder
man trocknet sie ab, und räuchert sie, und dann heißen sie
Böklinge (Bücklinge). Beydes, das Einsalzen und das
Böckeln erfand im I. 1416. Wilhelm Beukels - Zoon,
von Bierstoet in Flandern. Eben von diesem Manne
Beukel hat alles Bökelfleisch von Schweinen, Rindern
und Fischen den Namen bekommen. Diejenigen Schiffe,
die sich mit einem geringen Fang Heringe begnügen, und
sodann gleich wieder nach Hause segeln, um den noch feite#
iteri Fisch theuer zu verkaufen, heißen Heringsjäger. Die
Hamburger Heringsjäger machen von ihrem ersten Fang ger
meiniglich dem römischen Kapser ein Geschenk.
Daß dieser Fisch unter die größten Wohlthaten Gottes
gehört, brauche ich Euch wohl nicht erst zu sagen: denn wie
viel tausend Tagelöhner, Landleute, Soldaten und andere
Menschen, würden sich täglich blos mit Brod und Käse be,
gnügen müssen, wenn der Hering nicht wäre. So aber
finden sie an ihm eine wohlfeile, sehr wohlschmeckende, gei
sunde und gleich zubereitete Speise. Aber auch auf den
Tischen reicher und vornehmer Menschen ist er vom Iunius
bis wieder zum Frühling ein sehr willkommenes Gericht.
l. Die Sardelle (der Goldstsch) ein kleiner Bruder
des Herings, im mittelländischen Meere, von der Länge ei#
nes Fingers. Die Franzosen fangen ihrer jährlich- viele
Millionen, salzen sie ein, und verkaufen sie für die Tische
der Reichen, auf welchen man sie mit Eßig, Baumöl und
Pfeffer als einen für den verdorbenen Magen sehr gedeylrchen
Sallat
>
Das Thr'emich. 161
Sallat ißt. Man hackt auch unter den Herkngssallat, wenn
dieser recht gut schmecken soll, Sardellen.
m. Der Silberfisch hat seinen Namen von der schö,
nen Schwimmblase, die wie Silber glänzt. Eben diese
Blase, Kinder, ist die Materie, womit man die wachs-
perlen überzieht.
n. Der Aarpfe, ein leckerer Fisch. Die schönste Art,
die auch am liebsten gegessen wird, sind die Spiegelkarpfen.
Sie zeichnen sich durch ihre schönen Farben und einige von
Schuppen entblößte Stellen am Körper aus.
o. Die Schleihe, auch ein beliebter Flußfisch, dee-
in sacht fließenden Wassern lebt.
p. Die Aarau sch e, (platt: Karutsche) ein dem Kar-
pfen gefährlicher Raubfisch, den Ihr also, wenn Ihr ein,
mal Fischteiche bekommt, nicht in Gesellschaft der Karpfen
bringen dürfet.
q. Das Goldsischcheu, ein mit vergüteten Schup,
^en versehenes, lebhaftes und sehr niedliches Thierchen. Es
ist in China und Japan, also sehr weit von hier zu Hause,
wird aber doch zu uns gebracht: denn unsere reichen Herren
halten das prächtige Thierchen in Fontainen zum Staate»
Zn China sieht man es auf allen Zimmern der Vornehmen,^
wo man es in porzellainenen Gefäßen hält.
r. Die Elritze, auch ein schönes Fischchen, dasIhr
wahrscheinlich alle kennet- Auf dem Rücken glänzt es wie
Gold, am Bauche hat es Silber und an den Seiten spielt
es ins Purpurrothe. Es hält sich häufig in solchen Bächen
auf, wo der Schmerling wohnt. Sein Fleisch schmeckt
zwar bitter, aber doch nicht unangenehm, Den bitteren
Geschmack hat das Thierchen von den Cllernwurzeln, an
(Bürgersch. rr Dd.) 8 denen
j62 Naturgeschichte.
denen es saugt: denn unter den an Bachen stehenden Ellern
oder Erlen hält sich das Fischchen sehr gerne auf.
8. Der Brachse; auch ein bekannter, wohlschmeckend
der Fisch, der sich bis zum Erstaunen stark vermehrt. Wenn
er vom Hecht verfolgt wird, versteckt er sich in den Schlamm.
r. Der Spierling; der kleineste unter allen Fischen.
E. Die Insekten.
Diese Thiere, lieben Kinder, erkennet Ihr an folgen-
den Zeichen: Kopf, Brust und Hinterleib sind wie durch
Einschnitte von einander abgesondert, und bey den meisten
sind diese Theile nur blos wie mit einem Faden verbunden;
der Hintertheil steckt gemeiniglich in Ringen, die sich schie-
ben lassen; sie tragen an der Stirn niedliche gegliederte Fä-
den, oder Fühlhörner; haben an beyden Seiten Luft-
löcher; gehen wenigstens auf sechs Füßen, einige aber
haben ihrer wohl 150, und statt des rothen Blutes der
übrigen Thiere haben sie blos einen weißen Saft. Außer
diesen allgemeinen Kennzeichen unterscheiden sich viele Arten
durch ihren Körperbau, durch ihre Waffen und Bekleidung,
durch ihre Lebensart :c.
Schon ihre Figur ist mannigfaltiger, als bey den übri-
gen Thieren: einige haben die Form einer Halbkugel, an-
dere die Gestalt eines Eys, andere sind langlichtrund,
andere schmal und lang rc.
Eben so mannigfaltig ist ihre Bekleidung. Sehr
viele tragen einen festen Panzer von Horn. Manche sind
mit feinen, steifen -Haaren besetzt, und andere haben, be-
sonders an den Flügeln glanzende Schuppen. Ueberhaupt
hat der Schöpfer an diesen kleinen Thieren seine Macht und
Weis-
Das Thierreich. 16$
Weisheit in einem so hohen Grade gezeigt, daß man bey
dem Einblick der mehrsten Insekten erstaunen muß. Einige,
besonders die Flügel der mehrsten Schmetterlinge sind so
schön gezeichnet, so prächtig gewählt, und so künstlich schatr
tirt, daß man glauben sollte, der schaffende Vater habe erst
Reißnadeln, Pinsel und künstliche Farben gebraucht. An,
dere, vorzüglich die Rafer> tragen die kostbarsten Kleider
von Gold, Silber und Perlen, und über die Pracht des
Diamantkäfers geht keine Pracht irgend eines Geschöpfs
in der ganzen Welt: denn er scheint aus lauter blitzenden
Juwelen zusammengesetzt zu seyn.
Auch in ihren Sinnwerkzeugen unterscheiden sich die
Insekten von allen übrigen Thieren. Das merkwürdigste
unter diesen ist das Werkzeug des Gesichts: denn fast jedes
Insekt hat zweyerley Arten von Augen, einfache und zu-
sammengesetzte. Die letztern sehen aus wie ein förmliches
Gitterwerk. Die beyden großen, glänzenden Hügel am Kopf
der Fliege sind solche Augen; wohl 8000 Stück dergleichen
Augen hat man an einer Fliege gezählt. Die Keller- und
Gartenspinne hat sechs bis zwölf solcher Augen; die Raupe
hat ihrer zwölf, und die Käfer haben nie unter tausend, ja
man hat an einem Schmetterling 17Z25 solcher Augen ger
zählt. Was sie wohl damit machen mögen, nicht wahr,
das mögtet Ihr gern wissen. Sie sind für diese schnellen
Thiere gleichsam Vergrößerungs- und Dervielfaltü
gungsgläfer, mit welchen sie in jeder Lage einen Gegen»
stand Helle und deutlich betrachten können. Wenn Ihr eine
Fliege von hinten zu berühren wollet, so merkt sies; vonder
Seite zu auch, desgleichen von oben herunter: ihre vielen
Augen sagen's ihr. Hat die Spinne in ihrem Gespinst Euch
auch den Rucken zugekehrt, so sieht sie doch die Fliege, die
L 2 Ihr
Ié4
Naturgeschichte.
Ihr hinein werft: denn sie macht ja gleich rechts um, und
marschirt herbey. Die kleine Biene würde unmöglich den
langen, oft meilenweiten Rückweg finden können, wenn sie
uichc so viele Augen hätte, die ihr jeden Gegenstand vergrö-
ßerten. — Eben so merkwürdig an den Insekten sind die
Fühlhörner, durch deren Verlängerung und Verkürzung
das Thierchen die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit des na-
hen Gegenstandes befühlt. — Daß die Insekten den Sinn
des Gehörs haben, ist ohne Zweifel; wenigstens weiß mans
von den Bienen, die man an einigen Orten durch Pfeifen
lockt, zuverläßig. — Auch der Geruch ist diesen kleinen
Thierchen entweder sämmtlich oder doch zum Theile eigen;
denn die Schmeisfliege wird blos durch den Geruch herbey
gelockt, ihre Eyer in faulendes Fleisch zu legen. Zuweilen
irrt sie sich: denn es giebt Pflanzen, die einen aashaften
Geruch haben, und von einem solchen Blumengeruch ver-
führt, setzen sie zuweilen ihre Eyer in dergleichen Blüten,
die auskriechenden Maden müssen aber den Irrthum der
Mutter, weil sie in der Blume nichts zu fressen finden, mit
dem Tode bezahlen.
Die Insekten haben ein Herz, aber keine Lunge, son-
dern sie holen Odem aus Löchern, die ihnen an den Seiten
des Körpers stehen. Eben dieser Mangel der Lunge macht,
daß sie keinen Laut von sich geben können. Keinen Laut ? —
werdet Ihr fragen: die Heuschrecke zirpt, das Bienchen
summt, das Heimchen pfeift, die Fliege brummt. Ganz
recht, Kinder; das steht auch in mancher Eurer Fibeln.
Aber dieser Laut geschieht nicht durch die Lunge, sondern
durch die Bewegung der Flügeldecken.
Die Gliedmaßen der Insekten sind: die Fuße, deren,
wie gesagt, einige über hundert, keine aber uyter sechs
haben,
Das Thierreich. 16?
haben, und die Zlügel, wovon einige mit zweyen, andere
aber mit vieren versehen sind.
Der Aufenthalt dieser Thierchen ist nicht so einger
schränkt, wie der Wohnort anderer Thiere; sie sind gleich»
sam in allen Elementen zu Hause: denn, Kinder, man fin-
det keine Spannebreit Erdreich, kein Blatt, keine Blume,
kein Thier, auf dem nicht Insekten wohnen, oderdochSpur
reu von ihnen zu finden sind. Sie machen gleichsam eine
große Nebenwelt aus, die allenthalben zwischen die übrige
Schöpfung wie eingeschoben ist: und eben deswegen ist ihre
Anzahl unaussprechlich gros, und ihre Arten sind bis zum
Erstaunen zahlreich. Gleichwohl, Kinder, stehts nicht in
der Macht einer einzelnen Art, daß sich das Thier aufhal,
ten kann, wo es will, sondern die Natur hat ebenfalls je-
dem Insekt angewiesen, wie lange und wie weit es wohnen
soll, wie Euch dies schon Paulus gesagt hat: daher hat
jede Art ihren bestimmten Wohnplatz auf einem Thiere, auf
einem Baum, auf Moosen, auf Schimmel, im Sande,
im Wasser rc.
Ihr pfleget gewöhnlich zu glauben, Kinder, daß in klei-
nen Köpfen wenig Verstand zu suchen sey: Wenn Ihr aber
die Geschicklichkeit der mehrsten Insekten sehen solltet, so
würdet ihr erstaunen. Nur wenige von ihnen ausgenom-
men, geben sie wenigstens in ihrem Leben einmal zu erken-
nen, daß sie große Künstler sind, sollten sie auch ihre Kunst
blos an ihrem Grabe zeigen. Ihr selbst Haber schon, aber
gemeiniglich ohne weiteres Nachdenken, die mildem Scharf-
sinn eines Meßkünstlers angelegten Gebäude der Biene,
und die künstlichen Netze der Spinne gesehen; ich werde
Euch aber zu seiner Zeit noch mehr von der Geschicklichkeit
dieser kleinen Thiere erzählen. Die Natur fand dies zur
g 3 Cr-
i66
Naturgeschichte.
Erhaltung der Arten nöthig: denn die Insekten haben nicht,
wie die Säugethiere, oder wie die Vögel, das Glück, von
ihren Eltern beschützt zu werden; auch leidet ihr zarter Kör-
per sehr durch die Witterung. Daher gab ihnen Gott den
Trieb, sich mit besonderer Kunst ein Gebäude zum Schutz
anzulegen.
Die Nahrung der Insekten ist so mannigfaltig, als
ihre Arten; alle aber sind sie vom Schöpfer dazu angestellt,
gleichsam die Natur rein ZU erhalten. Daher verzehren
sie den Unrath der Thiere und rotten zugleich daS unter den
Gewächsen entstandene Unkraut aus. Damit es an diesen
Dienern und Knechten der Natur nicht fehlen möge, müs-
sen sie sich nicht nur in unbeschreiblicher Menge vermehren,
sondern sie haben auch einen im Verhältniß ihrer Größe er-
staunlich starken Appetit erhalten. Eine Raupe z. E. ver-
zehrt täglich dreymal so viel am Gewicht, als sie schwer ist.
Was meynet Ihr, wenn die Pferde, Kühe, Schafe k. solchen
Appetit hätten, und wenn also z. V. eine tausendpfündige Kuh
täglich ZOOO Pfund, d. i. 300 Zentner Heu fressen wollte:
wo würden da Eure Eltern das Futter herbekommen? Ob
das wohl ein Ohngesähr ist, daß die Kuh keinen solchen Hun-
ger hat, als die die Raupe?
Auch die Waffen, womit sich die Insekten vertheidi-
gen, und ihre Schutzmittel gegen Gewalt und Witterung
sind bewundernswürdig. Einige haben Hörner, andere
sangen, andere Gcheeren, andere Stacheln, und noch
andere bewafnen sich mit Gift. Manche sind mit stechen-
den Haaren besetzt, die, wenn man sie angreifen will, gleich
den Nesseln brennen. Viele wehren sich durch den Gestank,
den sie von sich geben können, und andere sprühen einen
beißenden Saft um sich her. Ja, ein Insekt, Bruder
Bern-
Das Thierreich. 1^7
Bernhard der Einsiedler genannt, das von der Natur
keine Waffen und Schutzmittel erhalten hat, sucht auSger
storbene Schneckenhäuser auf, und wohnt darin. Wird
seine Person für die Wohnung zu groß, so sucht er sich eine
andere.
Unter einigen dieser Thkere ist auch noch der Umstand
merkwürdig, daß man außer dem männlichen und weiblichen
Geschlecht noch ein drittes zählt, das weder Männchen
noch Weibchen ist, und das also gebobren wird und stirbt,
ohne seines Gleichen hervorgebracht zu haben.
Die Fortpflanzung dieser Thiere geschieht größten/
theils durch Eyer, die die Mutter aus einem unwidersteh-
lichen Triebe an den Ort hinlegt, wo die künftige Familie
sogleich Nahrung finden kann. Einige Insekten gebühren
aber auch lebendige Junge, und die Blattlaus hat, so
klein sie auch ist, den Vorzug, daß sie Eyer legen, oder
auch lebendige Blattläuse bringen kann. Ihr habet Euch
bisher die Köpfe über die Frage zerbrochen, wo manche In-
sekten auf einmal Herkommen. Sie entstehen, wie gesagt,
aus vielen kleinen, Eurem Auge oft unsichtbaren Eyern,
und diese Eyerchen werden nicht selten durch den Wind ver-
weht, oder durch Kleider, Meublen, Thiere rc. an Oerter
verschleppt, wo ganz wider alles'Erwarten die junge Brut
hervortritt, und manchen unwissenden Menschen den Wahn
in den Kopf bringt, sie wären herbeygehext worden.
Das wunderbarste in der ganzen Geschichte der In-
sekten ist ihre Verwandlung: denn Kinder, aus dem Ey,
was die Mutter legt, wird noch kein Insekt; sondern ein an
Figur, Gliedmaßen und Lebensart ganz vom Insekt verschie-
denes Thier entsteht aus dem Ey. Erst, so zu sagen, aus
der Asche dieses Thier geht das Insekt hervor. Die ganze
L 4 höchst-
i68 Naturgeschichte.
höchstbeivundernswürdige Geschichte der Geburt eines In-
sekts ist folgende. Aus dem Ey, was ein Käfer oder ein
Schmetterling gelegt hat, entsteht
3. eine Raupe, oder Larve, Kaum ist die Raupe
ausgekrochen, so verlangt sie Speise, die sie auch gemeinig-
lich stader, weil die Mutter die Euer gerade dahin zu legen
pflegt, wo ihre Kinder Nahrung finden müssen. Die
Raupe hat nie Flügel, auch giebts Raupen ohne Füße.
Zhre Gestalt, Größe, Farbe, Zeichnung ist erstaunlich ver-
sch eden. Da sie ungemein viel fressen, wachsen sie sehr
schnell, dabey verändern sie ihre Haut einigemal in ihrem
Leben; aber die Kunst, ihres Gleichen hervor zu bringen,
ist ihnen nicht gegeben. Denn wenn sie sich in ihren Lebens-
lagen genug gefreut haben, werden sie
b. Puppen oder Nymphen. Es zieht sich nemlich
die Raupe zusammen, sie wird trocken, klein, hart und be-
kömmt einen festen Ueberzug von unterschiedlichen Farben.
Zn diesem Kerker liegt das Thier einige Zeit starr und tod
da und bereitet sich zum wichtigen Tage seiner Auferstehung;
endlich öfnet sich das Grab, und es erscheint
c. das Insekt in seiner wahren Gestalt, als
Schmetterling, Käfer u. s. w. Es ist rührend, Kinder, den
Augenblick anzusehen, da der Schmetterling aus seinem
Grabe hervorgeht und das Licht der Welt zum zweyrenmal
begrüßt. Zn den ersten Minuten scheint das neugebohrne
Thier noch schlaftrunken zu seyn, bald aber erhohlt es sich
von seinem Taumel, versucht seine vorher nicht gekannten
Werkzeuge, seine prächtigen Flügel und eilt in seiner neuen
Pracht davon, gaukelt auf Lüften, schwebt von Blume zn
Blume, begattet sich, legt seine Eher und -— stirbt. Denn,
Kinder, so prächtig, so munter, so schön das aus der Asche
entstandene Insekt ist, so hat eö doch fein Leben nur dazu
bekomm
bekommen, um bald darauf zu sterben. Manche bringen
nicht einmal einen Mund mit auf die Welt: denn sie brau-
chen keinen, weil das Thier als Insekt gemeiniglich nicht
mehr frißt. Denn daß es sich auf Blumen, aufBlätter rc.
setzt, geschieht nicht, um Nahrung, sondern um einen be;
quemen Ort für seine Eyer zu suchen, die es legen will. Hak
es dies letzte Geschäfte verrichtet, so stirbt es. — Wie fon;
derbar, Kinder, ist also das Leben des Insekts: als Wurm
kroch es; als Puppe schlief es und als vollkommenes In,
sekt fliegt es. Lernet übrigens aus dem wenigen, was ich
Euch eben von der Verwandelung der Raupen gesagt habe,
daß der Allmächtige, der aus der Asche eines Wurms einen
Schmetterling schaft, auch einst Eure Asche wird beleben
können, und betet die Majestät des Allererhabenen an, der
selbst kleine, in den Augen mancher Menschen verächtliche
Geschöpfe der hohen Ehre würdigt, ihnen ein zweyteö Ler
ben zu schenken.
Der Nutze, den die Insekten haben, ist zwar nicht
mannigfaltig, aber doch sehr wichtig. Sie alle sind, wir
ich schon gesagt habe, die Diener der Natur; sie räumen
auf, und setzen in Ordnung; denn sie rotten unbeschreiblich
viel Unkraut aus, und diejenigen, die vom Aase leben, oder
im Miste wohnen, beugen theils der Verunreinigung
der Luft vor, theils aber zerstreuen und durchwirken
sie den vielen Koth und bereiten ihn zum nützlichen Dün;
ger. Sehr viele Insekten dienen auch dem Menschen
unmittelbar: der Hummer, der Krebs, die orientalischen
Heuschrecken sind eine angenehme Speise, die fleißige Biene
bereitet uns das süße Honig und sammelt für uns das nütz,
liche wachs; der Seidenwurm spinnt für uns das künst;
liche, feine, prächtige Gewebe, die Seide, und ernährt
damit zugleich viele Millionen Menschen; die Cochenille,
L 5 eine
f
170 Naturgeschichte.
eine Art Wanze, giebt uns den prächtigen Scharlach, und
der Kermes das herrliche Carmoism. Die Galläpfel, auch
ein Werk eines ZnsektS, werden zu Dinte und zu andern
nützlichen Dingen gebraucht; die spanische Fliege, der Kel-
lerwurm, die Ameise rc. bieten sich uns als Arzeneyen an,
und kürzlich hat man auch angefangen, denMaywurmals ein
wirksames Mittel gegen den Biß des tollen Hundes zu ge-
brauchen; und endlich dienen dieZnsekten alle zugleich Mil-
lionen andere nützlichem Thieren zum Futter.
Freylich, Kinder, unternehmen die Insekten auch man-
ches, was dem unangenehm ist, der sich einbilder, das ein-
zige Geschöpf Gottes und der einzige Bewohner der Welt zu
seyn. Das vornehmste Geschöpf in der Welt sind wir
freylich, aber nicht das einzige. Ohnehin, Kinder, ist zu
erwarten, daß viele Insekten ihren großen Nutzen haben,
den wir nur noch nicht kennen. Ist es doch erst einige Jahre
her, daß wir den Maznvurm als Arzeney nützen, und
wer weiß, welche Entdeckungen von dem Nutzen der In-
sekten wir und unsere Nachkommen noch machen werden.
Damit Ihr auch diese Thiere von einander unterschei-
den lernen möget, so sollen sie gleichfalls in gewissen Hau-
fen nach und nach auftreten. Wenn ich jedoch viele darun-
ter neben weg marschieren lasse, so geschichts deswegen, um
Euer Gedächtniß nicht zu sehr anzugreifen.
Erste Claffe: Insekten mit harten Flügeldecken.
Hieher gehören alle Raser. Die Larve (Raupe) —
Ihr wisset nun, was das ist — entspringt aus dem Ey,
hat Freßzangen, und gemeiniglich sechs Füße, die unter
der Brust sitzen. Nur die Larve des Holzbocks hat keine
Füße. Alle, diesen Holzbock ausgenommen, verpuppen
sich
sich in der Erde. Das Insekt ist zwar, wenn es aus sei-
ner Puppe kömmt, weich, wird aber gar bald hart, und
trägt hornartige Flügel. Ihr könnet Euch unter den Kä-
fern folgende merken:
a. Der Herculeskäfer, eines der größten Insekten.
Als Raupe ist es einen starken Daumen dick, und eine Vier-
telelle lang, und als Käfer hat es auf der Brust und auf
dem Rüffel ein Horn, das erste auf- das andere unterwärts
gebogen, so daß es damit kneipen kann. Es ist in America
zu Hause.
b. Der Nashornkäfer. Er hat ein krummes Horn
auf dem Kopf. Man findet ihn in Gerberlohe und in Ei-
chenbäumen. Er ist einer der größten europäischen Käfer.
c. Der Heiligenkäfer, eine Afrikaner. Er hilft
in Aegypten den Unrath verzehren, den der Nil zurück läßt.
d. Der Feuerschröter, (fliegende Hirsch) nächst dem
Krebs das größte deutsche Insekt, denn er wird, die Hör-
ner des Thiers mitgerechnet, fünf Zoll lang. Ihr kennet
ihn alle, und bewundert seine artigen, dem Hirschgeweih
ähnlichen Kneipzangen. Der Schöpfer gab ihm dieses
Werkzeug, damit er vermittelst desselben die Rinde der Ei-
chen durchbohren und den Saft des Baums, der ihm ein
Leckerbissen ist, geniessen kann. Die Larve des Thiers lebt
wol fünf Jahre in der Erde, ehe sie ihr Käferleben antritt.
e. Der Speckkäfer, ein schwarzes Insekt, das Ihr
oft in Euren Speisekammern und Küchen findet: denn es
lebt von den weichen Theilen todter Thiere. Er versteht die
Kunst den Kopf unters Brustschild zu ziehen.
f. Der Holzwurm, wohnt unter der Rinde der
Bäume, wo er das Holz wurmstichig macht.
372 Naturgeschichte.
g. Der Goldkäfer. Dies prächtige Geschöpf mit
dem goldgrünen Panzer kennet Ihr. Die Larve wohnt in
Ameisenhaufen, das Insekt aber an Nosenstöcken, Lilien rc»
h. Der alm r üsse lkäfer, lebt im Marke der Palt
men und wird von den Indianern als eine große Delikatesse
gespeist.
i. Der Roßkäfer, ein glattes, schwarzes Thier. Es
lebt im Pferdemist, und ist auf allen Fahrwegen zu finden.
Wenn er an heiteren Sommertagen herum fliegt, so bleibts
gemeiniglich auch am andern Tage gutes Wetter.
k. Der Mistkäfer, ein schönes Thier in einer schmu-
tzigen Wohnung: denn es lebt im Schafmist, und ist gleich-
wohl ein sehr nettes Geschövfchen mit einem schönen violet-
ten Kleide. Dieser Käfer wird, so wie sein Vorgänger, sehr
vom Ungeziefer geplagt.
l. Der Maykäfer. Seine Gestalt kennet Ihr best
ser, als ich. Aber das wisset Ihr noch nicht, daß dieRau-
pen der Maykäfer (Engerlinge) fünf Jahre lang unter
der Erde leben, sich von Gctreidewurzeln nähren, und oft
großen Schaden thun. Im sechsten Jahre kommt endlich der
Engerling als Maykäfer zum Vorschein.
m. Der Imnuokäfer, eine Figur, wie der vorige,
aber viel kleiner. Er fliegt im Iunius. Ihr haltet ihn ge-
meiniglich für einen kleinen Maykäfer, das ist er aber nicht.
n. Der Maywurm. Dies Thier müsset Ihr nicht
mit dem Maykäfer verwechseln. Es ist violet, und giebt
bcy jeder Berührung einen stinkenden Saft von sich. Man
braucht ihn, wie ich vor hin gesagt habe, gegen den Hundsbiß.
o. Der Holzbock, ein artiger, schön gezeichneter
Käfer mit länglichr rundem Körper. Es giebt sehr viele
Arr
*73
Das Thierreich.
Arten, alle aber wohnen im Holze. Sie geben einen knurr
renden Laut von sich, indem sie die Flügeldecken ans Brustr
schild reiben.
p. Der Hirfchbock, ein Americaner, von ansehnr
licher Größe und Schönheit. Die Larve wird von denWilr
den sehr gern gegessen.
q. Der Glanzkäfer, gleichfalls ein Americaner, von
unbeschreiblicher Pracht. Er wird von dem indianischen
Frauenzimmer als Ohrengehäng getragen.
r. Das Iohanneowürmchen hat zwey Helle Punkte
am Bauche, mit denen es einen so Hellen Schein von sich
giebt, als ein wirkliches Feuerklümpchen.
8. Der große Springkäfer. Er ist über einen Zoll
lang, kastanienbraun, und hat gelbe Flecken auf der Brust,
die so stark leuchten, daß man das Thier statt einer Laterne
brauchen kann.
t. Der Bombardierkäfer, ein rostfarbiger, mit
schwarzblauen Flügeln versehener Erdkäfer, eines halben
Zolls groß. Diesen Patron müsset Ihr einmal näher ber
trachten. Sehet, er glaubt, wir wollten ihn beleidigen,
und deswegen giebt er einen stinkenden blauen Dunst mit
großem Knalle aus dem Hintern. Diese Kanonade macht
er allemal, so oft ihn ein größerer Käfer, oder ein andere-
Thier verfolgt, und gemeiniglich erschrickt sein Feind so sehr
vor dem Knall, daß er vor Angst die Flucht nimmt.
u. Der Todtengräber ist so groß, als ein Maykär
fer, und die Flügel sind schwarz und orangegekb gestreift.
Warum er seinen Namen hat, das mögtet Ihr gerne wist
sen: Ihr sollet es gleich erfahren. Gebet acht, dort liegt
ein todtes Mäuschen: sehet, da marschiren sechs Todten-
gräber her, denn sie witterten das kleine rodte Aas in der
Ferne.
i74 Naturgeschichte.
Ferne. Jetzt stellen sie sich um die Maus herum, und
fangen an zu scharren, und es dauert keine zwey Stunden,
so haben sie ein fußtiefes Grab gemacht, wohinein sie die
Maus scharren. Was soll denn aber die Maus in der Erde?
Der Todtengräber braucht sie zum Bette für seine Eyer.
Er macht sich auch an größere Thiere, z. B. an Maul,
würfe. Nach einigen Tagen kommen die Larven aus und
ihre Wiege ist zugleich ihr Tisch, worauf sie einen leckeren
Fräs vorfinden. So wunderbar, Kinder, regiert Gott die
Triebe eines kleinen Thiers.
v. Der Iuwelenkäfer, nächst dem Vogel Colibri,
dessen Landsmann er ist, das prächtigste Geschöpf in der
ganzen Natur. Auf den Flügeldecken sind in regelmäßigen
Reihen unzählige kleine Grübchen eingegraben, die, nach
dem die Sonnenstralen darauf fallen, entweder wie pures,
reines Gold, oder wie die Hellesten Diamanten glänzen.
Er ist so groß, wie ein Maykäfer.
w. Der Springkäfer, ein Deutscher von Geburt,
den Ihr also kennet. Wir wollen ihn einmal auf den Rükr
ken legen: sehet, da hüpft er hoch in die Luft und steht auf
seinen Füßen. Womit mag er dies Kunststück machen?
Vorn an der Brust sitzt ein Stachel, der in eine Rinne
paßt. Wenn nun das Thier den Stachel aus der Rinne
mit Gewalt heraus stößt, so schnellt es dadurch seinen Körr
per in die Höhe. Es ist ein großes Vergnügen, diesem Luftr
springer zuzusehen, besonders, weil es dem Künstler kein
Bein, Euch aber kein Geld kostet, wie das zuweilen bey
menschlichen Luftspringern der Fall ist.
x. Die Spanische Fliege, ein ungemein nützliches
Geschöpf, das schon manchen Menschen vom Tode geret,
m hat.
Das Thierreich
m
y. Der Ohrwurm. Dies Thier kennen wir am
meisten als Larve, und Ihr fürchtet Euch davor, weil Ihr
meynet, es krieche Euch ins Ohr, und fresse Euch das
Trommelfell entzwey. Diese Furcht habet Ihr aber nicht
nöthig: vorsätzlicher Weise wenigstens thut Euch der Ohu
wurm nichts. Sollte aber einmal ein solches, oder auch
ein anderes Insekt Euch ins Ohr kriechen, so feuchtet etwas
Baumwolle mit Mandelöl an und stecket ste ins Ohr: die
wird den fremden Gast tödten. Wenn stch der Ohrwurm
viermal gehäutet hat, bekömmt er Flügel, wird also Käfer
und fliegt weg.
Zweyte Claffe: Insekten mit halben Flügeldecken.
Die meisten dieser Thiere haben einen Säugerüssel.
Als Larve sehen sie gemeiniglich schon dem Insekt ähnlich,
nur daß sie noch keine Flügel haben.
a. Die Hausgrille. (das Heimchen) Diesen unr
angenehmen Musicanren werdet Ihr alle kennen. Sie ist
einen Zoll lang, hat einen gelblichen oder gelbgrauen Körr
per, haarförmige Fühlhörner, die so lang sind, als der
ganze Körper, und zwey große und drey kleine Augen. Dies
Insekt hält sich am liebsten in warmen Dorfstuben, desglei,'
chen in Brau r und Backhäusern auf: denn es liebt die
Wärme und dabey ein Stück Brod, oder ein Klümpchen
Mehl. Seine unangenehme Musik macht es dadurch, daß
es die Flügeldecken ans Brustschild reibt.
b. Die Maulwurfsgrille, (Reutwurm, Ackerwer,
bel, Untergräber, Moldwolf, Erdwolfrc.) ein großes, schädr
liches Insekt von seltsamer Bildung: denn Gebiß und Flür
ge/ hat es mit den Grillen, die Vorderfüße aber mit dem
Maulwurf gemein. Die Füße, die wohl Pfoten heißen
körn
i?6 Naturgeschichte.
können, geben dem Thier ein furchtbares Ansehen; denn
sie sind wahrhaftige -Hände, mit vier großen sägeförmigen
Krallen. Diese Klauen braucht cs beym Graben: denn
eö minirt, wie der Maulwurf, und thut auf Gartenbeeten
und Aeckern großen Schaden. Seine Eyerlegt es, 500cm
derZahl, in Nesier, die wie eine Douteille aussehen. Wenn
Ihr solche Bouteillen in der Erde findet, die könnet Ihr nur
immer zerstören, denn Ihr zerstöret dadurch ein künftiges
Regiment Maulwurfsgrillen. Wenn sich dies Insekt in
Euren Gärten alzusehr vermehrt, so grabet im September
hie und da zwey bis drey Fuß tief und einen Fuß breite
Gruben, füllet diese mit frischem Pferdemist an, bedecket den
Mist mit Erde und machet das Ganze wieder eben. Nach
dem ersten Thauwetter sind alle Neutwürmer, welche die
Wärme lieben, in diesen Mist gekrochen, wo Ihr sie alle
beysammen findet.
c. Die Gottesanbeterin; (das wandelnde Blatt)
die Oberflügel des Thiers sehen einem Weidenblatt ähnlich,
daher es auch seinen zweiten Namen hat. Es geht nur auf
den vier Hinterfüßen, die beyden vordern aber hält es in die
Höhe, um Mücken damit zu fangen. Weil dies aussieht,
als faltete es seine Füße, so ist dies Thier zu dem schönen
Namen gekommen.
6. Die Heuschrecke, ein großes furchtbares Ger
schlecht. Die merkwürdigsten sind: die arabische Heur
schrecke, die man auf mancherlei) Art in der Küche zuber
reitet, um sie zur Speise zu gebrauchen. Diese Thiere,
die auch Johannes der Läufer as, kommen in Arar
bien, Syrien und Aegypten viel häufiger auf den Tisch, als
bey uns die Krebse. Die Zugheuschrecke; ein fürchteri
liches Geschöpf, das, so klein es auch ist, schreckliche Verr
Heer
Das Thierreich
177
Heerungen auf den Wiesen und Kornfeldern anrichtet. Ihre
Schwärme verdunkeln oft das Tageslicht und ihre Gefräst
sigkeit kann in einem halben Tage das schönste A-chrenfeld
so kahl fressen, daß keine Spur mehr davon da bleibt. Um
diesen Feind zu erlegen, gehen zuweilen ganze Regimenter
Türken gegen sie. Statt der Kugeln braucht man Dunst,
(Staubschrot) und von einem Schuß fallen oft tausend
Feinde. Zuweilen lockt sie ihr Hunger gar nach Deutsch,
land; seit dem Jahre 1748. aber, wo ste in unserm Vater,
lande viel Schaden thaten, hat sich kein Hause von ihnen
wieder sehen lassen.
e. Der Laternenträger, hat eine Blase vor der
Stirne, die größer ist, als das ganze Thier, und sie scheint
so helle, daß die Wilden das Thier statt der Laterne gebrau,
chen,wenn sie im Finstern reisen. Die größten Arten findet
man in America, wo sie gemeiniglich fünf Zoll lang sind.
Wenn man zwey dieser Thiere des Nachts auf seinem
Schreibtisch hat, so kann man lesen und schreiben, ohne ein
Licht nöthig zu haben. Nicht wahr, so eine wohlfeile La,
lerne mögtet Ihr auch besitzen? In Kupfer kann ich Euch
damit dienen, da findet Ihr das seltsame Geschöpf Taf. 4.
Fig. 6.; wenn Ihr aber diese Personage selbst haben wollet,
müsset Ihr einmal mit einem holländischen Schiff nach
Surinam in America reisen.
5. Der Schaumwurm. Dies Thierchen wohnt am
liebsten auf den Weiden, denen es im Frühjahr den Saft
aussaugt und ihn dann in Gestalt eines Schaums wieder von
sich giebt. Ihr haltet diesen Schaum für ganz was besonders ;
Ihr meynet, es sey Suckuksspeichel. Besehet aber die,
sen Schaum genau, so werdet Ihr das Thier selbst in der
Mitre des Schaumkiüinpchens finden.
(Bürgersch. ir Bd.) M g.
]?S Naturgeschichte.
g. Die Bettwanze, ein, wegen seines häßlichem
Geruchs allgemein verabscheutes Thier, das zugleich em-
pfindlich stickt. Zum Glück kömmt es bey uns nur in den
Sommermonaten, und auch da nur des Nachts zum Vor-
schein. Noch ist kein Mittel dagegen völlig zuveriäßig befun-
den worden, so zuversichtlich auch manches derselben in den
Zeitungen angepriesen wird. Nur allein beständige Vorsicht
und Reinlichkeit scheinen noch immer am kräftigsten gegen
diese beschwerlichen Gäste zu wirken.
h. Die Gartenwanze. Sie hält sich an Johannis-
beeren auf, und eben sie ists, von der der häßliche Geschmack
kömmt, den manche Beeren haben.
I. Die Blattlaus, ein schwaches, kleines, aber uri;
fern Gewächsen sehr schädliches Thier. Denn es saugt den
Saft aus den Zweigen, und macht, daß sie vertrocknen.
Es sprüht eine klebrichte Materie auf die Blätter, die Ihr
Mehlchau, oder Honigthau nen.net, wovon ich Euch bald
mehr sagen will. So klein das Thier ist, so bringts doch
lebendige Junge«
fr. Der Nermes, eins Art Schildläufe. Man be-
sprengt das Thier mit Eßig, und verfertigt dann die schöne
Carmoisinfarbe daraus.
fr Die Cochenille, (Scharlach) ebenfalls ein zum Fär-
ben sehr nützliches Tyierchen im südlichen America, das sich
daselbst auf wilden Feigenbäumen aufhält. Man bereitet
nemlich aus dem gebörreten Thierchen die herrliche roche
Farbe, die wir Scharlach nennen. Zu einem Pfunde
Farbe braucht man wenigstens 70000 Thiere. Ihr könnet
also denken, wie viele dieser Geschöpfe jährlich sterben müs-
sen, um unsere Tücher roth zu färben.
Dritte
179
Das Thierreich.
Dritte Classe: Insekten mit vier bestäubten Flü-
geln,, oder die Schmetterlinge.
Diese Thiere haben einen behaarten Körper und einest
gewundenen Rüssel, zwey lange Fühlhörner und zwey Klum-
pen- Augen, die in vielen tausend kleineren Augen beftehem
Sie enthalten Geschöpfe von ungemeiner Pracht und Schön-
heit, und einige darunter, besonders die in wärmeren Län-
dern, tragen einen so köstlichen Schmuck, als ihn kein Mah-
ler nachmahlen kann. Die berühmte Mahlerin, Maricr
SibyUa Gräfin, machte im Jahr 1699. die weite Reise
nach Surinam, und blieb zwey Jahre da, blos, um die
dasigen Insekten zu mahlen. Die Larve desJnsekts nennen
wir eine Raupe. In diesem Raupenzustand hat das Thier
einen langgestreckten Körper von zwölf Abschnitten und nenn
Luftlöchern an jeder Seite, drey paar Füße an der Brust-
und meist fünf paar am Hinterleibe. Nachdem sich die
Raupe einigemal gehäutet hat, verpuppt sie sich und kömmt
nach Ihrem Tode als Schmetterling zum Vorschein. Man
theilt die sämtlichen Schmetterlinge ein:
1) In TagvZgel, Ihr könnet dieses Geschlecht
sämmtlich an den Fühlhörnern erkennen. Wenn ncmlich
diese nach der Spitze zu dicker werden und keulsörmig ausse-
hen, so habet Ihr einen Tagvogel (Tagfalter) vor Euch.
Sie alle haben die seltsame Gewohnheit, baß sie nach ihrer
Verwandlung einen rvthen Saft von sich sprühen. Trägt
fichs nun zu, daß auf einem Orte viele Tagvögel zu gleicher
Zeit ausgekommen sind, so glaubt mancher Unwissende, es
habe Blut geregnet. Ihr wisset also nun, was dieser
Blutregen ist. Die merkwürdigsten Tagvögel sind: der
priamus, in Ostindien, ein großes, unbeschreiblich präch-
tiges Thier, dessen Flügel von grünem Atlas zu seyn schci-
M 2 nen;
i8o Naturgeschichte.
nctr, der Schwalbenschwanz, ein artiger Schmetterling,
den Ihr auch bey uns findet; das Pfauenauge, ein schön
gewähltes Geschöpf; der Admiral, einer der schönsten
deutschen Schmetterlinge. Er hac besondersauf der Unter-
seite die herrlichsten Farben.
2) In Abe n dv ö g el. Diese Schmetterlinge flie-
gen blos des Abends und Morgens, und ihr Flug ist nicht
so leicht, als der Flug der Tagvögel, auch haben sie keine
Bnopfcheuan den Fühlhörnern. Ihre Raupen sind durch-
gängig schön, und Ihr könnet sie an dem hakenförmigen
Horn am Ende des Rückens erkennen. Der berühmteste
unter diesem Geschlechts ist der 'Todtcnkopf. Er hat auf
den Schultern eine dem Todtenkopf ähnliche Figur. Ihr
könnet ihn fangen, denn er ist jetzt in Deutschland nicht
selten.
z) In Nachtvögel. Dies Geschlecht hat die
meisten Arten. Ihr könnet es gleichfalls an den Fühlhör-
nern kennen, denn diese sehen aus wie eine Bürste. Fast
alle Raupen desselben sind haarigt, und die meisten von
ihnen verpuppen sich auf eine sehr künstliche Art in ein seide-
nes Gespinnst. Die merkwürdigsten sind: der 2lt!ao, ein
Geschöpf in beyden Indien, das als Schmetterling so groß
ist, als eine deutsche Fledermaus. — Die Seidenraupe.
Dieses edle Thier kennen die meisten von Euch, denn viele
deutsche Kinder geben sich mit der angenehmen und nützlichen
Zucht desselben ab. Es stammt aus dem warmen Indien,
kömmt aber jetzt allenthalben in geheizten Stuben fort, wenn
es nur sein Futter, die Maulbeerblärter in Menge hat:
denn dies ist die einzige Nahrung der Raupe. Wenn dies
Geschöpf sein Naupenleben geendigt hat, spinnt es sich mit
ungemeiner Kunst und bewundernswürdigem Eifer das herr-
liche, weiche, seidene Grab, welches schon so mancher Mil-
lion
Das Thierreich. i s i
lion Seidenweber Brod, so unzählig vielen Kaufleuten Naht
rung und Gewinn, und der Kleiderkammer des Menschen
das prächtige Gewand gegeben hat. Ein Coccon (so heißt
die Hülse, die die Raupe zu ihrem Sarge spinnt) von drittt
halb Gran am Gewichte, enthält einen Faden von 900 Fuß,
und zu einem Pfund reiner Seide rechnet man 2020 Seiden/
Würmer. Ich merke, Kinder, Ihr habet Lust, selbst eine
Zucht Seidenraupen anzulegen; ich will Euch also am Ende
dieses Buchs eine kurze Anweisung geben, wie Ihr bey die/
sem nützlichen und leichten Geschäfte verfahren müsset. Jetzt
wollen wir uns nicht unterbrechen, sondern weiter gehen.
Vierte Classe: Insekten mit nehförmiggeaderten
Flügeln.
Diese Classe ist nur klein. Die merkwürdigsten sind:
3. Die Wasserjungfer, (Demoiselle) ein sehr nettes,
-artiges Thierchen, von schlanker Taille und mit allerliebsten
Flügeln. Ihr kennet das lebhafte, muntere Geschöpf alle,
und ergötzet Euch an seinem Fluge. Die Larve des Thiers
lebt im Wasser.
b. Das Ufcraas (Tagethierchen) Die Larve von
diesem Insekt wohnt gleichfalls im Wasser, wo sie einige
Jahrein diesem Zustande lebt, wenn nicht die Fischer, die
sie häufig an ihren Angeln als Lockspeise gebrauchen, sie um
ihr Leben bringen. Nach einigen Jahren kommen sie mit/
ten im Sommer in Millionen als geflügelte Insekten aus
dem Wasser, paaren sich in'Zeit von einigen Stunden, legen
Eyer und sterben. Manches dieser Insekten sieht in seinem
Leben die Sonne nicht auf/ und untergehen: denn ihr höch/
stes Leben dauert nur vom Morgen bis zum Abend, und
viele genießen ihr ganzes Leben nur sechs Stunden.
M 3
Ci
iga
Naturgeschichte.
c. Der 2lrneisenlöwe, ein sehr merkwürdiges Ge-
schöpf, denn die Larve dieses Insekts ist der LTimrod unter
den Raupen: und also ein erstaunlich künstlicher Jager. Da
die ganze Person des Thiers ohngefahr die Figur und Größe
eines Kellerwurms hat, so soltet Ihr wohl nicht denken, daß
der kleine Mann viel Aufsehens machte. Aber höret einmal
zu. Der Ameisenlöwe mag gar zu gern Ameisen; die sind
ihm so lieb, als Euch Kuchen, Torten und Marcipan.
Um nun die Ameisen zu sangen, macht er folgende künstliche
Anstalten: Er gräbt sich im Sande eine trichterförmige
Grube. Um sie recht kunstmäßig zu verfertigen, zieht er
erst mit seinen Füßen eine Zirkellinie in den Sand, und
schafft dann allen Sand, der innerhalb der Linie ist, über
die Gränze. Sein Handwerkszeug sind seine Füße und sein
Platter Kopf, womit er gewaltig schaufeln kann. Nach
und nach entsteht ein trichterförmiges Loch, das einer Ameise,
die sich dahin verirrt, zur Fallgrube dienen soll. Findet er
ein großes Sandkorn, oder ein Steinchen, so schleudert
er's entweder heraus, oder wenns ihm zu schwer ist, nimmt
er's auf den Rücken und trägts heraus. Sobald er mit sei:
iler Grube fertig ist, begiebt er sich auf den Boden derselben,
gräbt sich bis an den Kopf ein und lauert nun begierig auf
Beute. Läßt sich nun oben am Rande eine Ameise, oder
ein anderes kleines Thierchen sehen, so mußles herunter
schurren. Der Jäger springt hervor, giebt dem Thier mit
seinen Zangen den Fang, verzehrtes, bessert seine Grube
aus und begiebt sich wieder auf den Stand. Zuweilen ge,
lingts der herunterschurrenden Ameise, die Flucht zu ergreir
fen; dann solltet Ihr einmal unfern Jäger sehen: er steckt
den platten Kopf in den Sand, fängt an zu arbeiten und
überschüttet den Flüchtling mit einem solchen Sandregen,
daß der arme Deserteur wieder zurückglitschen muß, Solltet
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1
i84 Naturgeschichte.
d. Die Wespe. Dies Thier lebt mit seinen Brüdern
und Schwestern in sehr großer Eintracht, und baut in ge,
sellschaftlicber Verbindung aus Holzzasern sehr künstliche
Nester und Wohnungen, die aus mehreren Stockwerken
bestehen.
e. Die Hornisse, lebt so wie ihre Schwester, die
Wespe, vom Honigraube, und sticht so entsetzlich, daß ihr
Stich tödklich werden kann.
5. Die Honigbiene. Dies wunderbare, künstliche,
fleißige, wohlthätige Geschöpschen verdient es, daß ich Euch
etwas davon erzähle, sollte ich auch ihrentwegen andere
Thiere desto geschwinder vorbey gehen lassen.
Es giebt bey den Bienen, so wie auch bey den Hornist
sen, Wespen und Ameisen dreyerley Geschlechter: das mänm
liche, das weibliche und das sogenannte owitterge,
schlecht. Von dem weiblichen Geschlechte findet man in je,
dem Stocke, und überhaupt in jedem Vienenhaufen nur
eine einzige Person: das ist die Königin, Mutter des ganr
zen Volks und Monarchin zugleich, beydes im eigentlichen
Verstände. Sie ist in allen Stücken viel größer, als alle
andere Bienen, denn sie hat einen längeren Körper und hör
Here Beine, und führt einen längeren Stachel, als die Ar,
beitsluenen. Nichts auf der Welt gleicht der Ehrerbietung,
womit alle Bienen im Stocke dieser gemeinschaftlichen Herr,
scheriu und Mutter ihres Volks begegnen. Da, wo sie geht,
wird ihr gleich Platz gemacht; man ist geschäftig, sie zu putzen,
zu reinigen und ihr Bequemlichkeit zu verschaffen, und wo
sie sich nur hinwendet, da zieht auch ihr ganzes Volk willig
mit ihr. Stirbt sie, so stirbt auch die ganze Schaar von
zwanzig bis fünfzig tausend Uuterthauen; denn sie hören
mit einmal auf Honig und Wachs einzusammlen, derKum,
wer
T
Das Thierreich. jg*
mer treibt sie in Einöden und sie kommen entweder vor Hum
ger, oder durch Naubthiere, oder auf andere Art um.
Diese Königin ist, wie ich Euch schon gesagt habe, das ein»
zige Weib unter vielen tausend Bienen. Und wenn sich ei»
neues junges Bienenvolk ansetzt, d. i. wenn es schwärmt,
und es finden sich mehrere Weibchen im Haufen, so werden
sie alle, bis auf eine, todt gemacht, der übriggebliebenen
aber huldigt das ganze junge Volk und unterwirft sich ihr
völlig.
Das männliche Geschlecht besteht ans den sogenanm
ten Drohnen. Sie sind etwas kleiner, als die Königin,
und ihre Anzahl in einem Stocke beträgt zoo bis 1000/ ja
zuweilen 1500 Stück. Diese sind die Männer des einzü
gen Weibes, denn sie befruchten die Eyerder Königin, ster»
ben aber sehr häufig während dieses Geschäfts. Und hat
die Königin von allen tausend Männern die Befruchtung
empfangen, so hält man das Daseyn der Mannspersonen
im Staate nicht mehr für nöthig, und es erfolgt die ber
rühmte Drohnenschlacht: denn die übrige Zahl der Bie-
nen, die Arbeiter, greifen diese Männer an, und tödten
sie entweder, oder jagen sie weg. Warum wohl, Kinder?
Weil der Stock sonst zu viel müßige Männer füttern müßte;
denn die Drohnen wollen, nachdem sie die Königin befruch-
tet haben, nichts mehr zum allgemeinen Besten thun; und
arbeiten muß doch in einem Dienensiaate alles, was nur
gesunde Glieder hat. Dies Lob der Arbeitsamkeit haben
nur die sogenannten Zwitter; und dies ist denn nun die
dritte Klasse der Bienen. Sie sind die kleinsten im Stocke,
aber dagegen die nützlichsten: denn eben sie sind die künstli-
chen und wohlthätigen Arbeiter, die Euch das süße Hoyig,
pnd das herrliche Wachs machen. Eben deswegen gab ih»
M 5 nen
ig¿ Naturgeschichte?
nen der Schöpfer größere Backen, als die Männer haben-
und hervorsiehende Zähne, welche sie bey ihrem berühmten
Zellenbau, und bey anderen Arbeiten gebrauchen. Ihre An-
zahl steigt auf 20000 bis 30000; ja oft auf 50000.
Alle Gliedmaßen, die Gott der Biene gegeben hat, zie-
len zu den merkwürdigen Geschäften ab, die dies künstliche
Volkverrichtet; mit dem Rüssel saugt das Thier densüßen
Saft aus den Blumen, und mit den beyden Zangen am
Kopfe verrichtet es seine mannigfaltigen Bauarbeiten. An
jedem der sechs Beine befinden sich zwey große und drey
kleine Haken, und zwischen diesen Haken ein fieischigter
Hügel oder Ballen. Mir den Haken können sie nach Be-
lieben etwas festhatten, kratzen, kneifen rc.; in ihrer wei-
chen und zarten Wohnung aber ziehen sie die Haken ein und
gehen auf den Dallen. 2U dem andern und dritten Paar
der Beine hat das Thierchen eine Bürste, und an den bey-
Len Hinterfüßen eine Schaufel. Was ein kleines Insekt
mit Bürsten und Schaufeln soll: nicht wahr, das mögtes
Ihr gern wissen ? Mit der Bürste bürstet die Künstlerin
den Staub aus den Blumen, den sie zur Verfertigung
des Wachses braucht, macht Kügelchen daraus, undpackt
diese Kügelchen auf die breiten Schaufeln, um die Last
bequem nach Hause tragen zu können. Diese Last, die oft
bis zur Bewunderung groß ist, streift sich die Arbeiterin zu
Hause mit der Bürste wieder ab, oder bekömmt, wenn sie
Müde ist, Hülfe von ihren Cameraden.
Auch in dem Bauche der Biene ist die Allmacht des
Schöpfers sichtbar. Man findet darin erstlich den Honig,
wagen, wohin der süße Saft oder Nektar der Blumen,
Blüchen rc. geführt, und von wo er zum labenden Honig
verfertigt wird; den Wachsmagen, den das Thierchen
dazu
J 87
Das Thierreich.
dazu hat, um den Dlumenstaub in wahres Wachs zu ver-
wandeln, und hinter diesem Wachsmagen lieg: der Stachel,
neben welchen zwey weiße Bläschen sitzen. Wenn das
Thier den Stachel braucht, welches in seinem Leben nur ein-
mal geschieht, öfnen sich zugleich die Bläschen und ergießen
einen giftigen Saft in die Wunde; der Stachel selbst bricht
ab, und das Bienchen muß sterben»
Außer diesen Gliedmaßen und Werkzeugen gab dev
Schöpfer dem kleinen Thier auch alle fünf Sinne, die dev
Mensch hat: denn diese Vorzüge bedarf die Künstlerin bey
ihren wichtigen Geschäften. Die vornehmsten dieser Ger
schäfte sind erstlich das Einsammlen und die gute Anwen-
dung ihres Unterhalts. Honig ist die süße Nahrung de-
kleinen Thiers, und diesen holt es oft Meilenweit ausBlur
men und Baumblüthen, auch nützt es die ausgesprützten
Safte der Blattläuse. Es saugt uemlich diese Säfte mit dem
Rüssel--n seinen ersten Magen, und läßt sie durch Gährung
zu Honig werden. Neben dem Honig hat das Thier Wachs
nöthlg. Der Stoff dazu ist der Saamenftaub der Blumen,
hen es, wie gesagt, ausbürstet und auf seine Schaufeln
bringt. Oft hat das emsige, fleißige Thierchen für allen
Vorrath auf seinen Schaufeln nicht Platz genug: dann über-
streut es seine Haare damit, und schüttelt ihn, wenn es nach
Hause kömmt, Wiederaus. Zu seinen Geschäften, beson-
ders zum Zellenbau, braucht die kleine Daumeisterin auch
Rütt< oder Vorwachs. Dies ist ein zähes Harz, wel-
ches die Künstlerin mit ihren am Kopfe befindlichen Beiß-
zangen von den Knospen der Tannen, Fichten, Pappeln
und anderer Bäume sammlet, und auf ihren Schaufeln
yach Haufe trägt, wo es ihr von Handlangern abgenom-
ryen wird. Sie braucht es zur Verkleisterung der Fugerz
im
188 Naturgeschichte.
im Stocke und zur Befestigung der Wachstafeln. Dies
Vorwachs hat einen vorzüglich angenehmen Geruch, und
kann daher zum Räuchern, aber auch als Zugpflaster bey
verrenkten Gliedern und bey Baumwunden gebraucht wer-
den. Endlich, Kinder, haben die Dienen zu ihrem Ger
schäfte auch Nlaßer und Salz nöthig. Beides saugen sie
mit ihrem Rüssel aus Mistpfützen, destilliren und reinigen
es in ihrem Magen aufs Beste und verwenden eS dann zu
ihrem Bau. Dies Meisterstück, Kinder, was das kleine
Geschöpf aufführt, mögre ich Euch gern beschreiben; wenn
ich nicht fürchten müßte, mein Buch allzugroß zu mar
<hen. Es legt dies Gebäude mit solcher Klugheit an,
daß man meynen sollte, das Thierchen verstehe die
Rechen r und Baukunst aus dem Grunde; denn jedes
Räumchen im ganzen Gebäude hat seinen besonder»
Nutzen. Der wichtigste Theil desselben sind die sechseckig,
ten, aus Wachs angelegten, und mit erstaunlicher Kunst
und Nettigkeit gebauten Zimmerchen, oder Zellen, deren
sie dreyerley Arten verfertigen, nemlich große, worin die
künftigen Königinnen ausgebrütet werden; kleine für die
künftigen Drohnen, und noch kleinere für die Zwitter.
Außer diesen Brutzellen werden noch eine große Menge zu
Vorrathszellen gebaut, in welchen das Honig aufbewahrt
wird. Diese Arbeit wird so fein ausgedacht, mit solcher
Genauigkeit und Blughcit angelegt, so schnell, fleißig
und emsig betrieben, in einer so strengen Ordnung ausge-
führt, und steht dann in einer solchen Fettigkeit da, daß
man sich nie satt daran sehen kann. Eine Wachstafel von
15 Zoll Länge und io Zoll Breite enthält über 9000 3e(;
len; und eine solche Lage mit diesen 9000 nett und rein
ausgearbeiteten Zimmerchen baut ein guter Stock in zrvey
Tagen. Zwischen den Tafeln werden breite Gänge gehal-
ten,
Das Thierreich.
189
reo, damit kein Arbeiter den andern hindere; denn sie har
ben allemal so viel Raum, daß zwey Bienen bequem einan,
der vorbeygehen können. Während der ganzen Arbeit
führt die Königin die Hauptaufsicht und belebt die ganze
Gesellschaft mit ihrer Gegenwart: und ist diese geliebteund
geehrte Person vorhanden, so arbeitet jeder Unterthan mit
Freuden, und das ganze Gebäude, daS gemeiniglich aus
sieben Tafeln besteht, worin zoooo Zellen zu Honig- und
2OOO zu Brutzellen bestimmt sind, dies ganze, große, er/
staunliche Werk ist in wenig Wochen völlig fertig. Das
Wachs in einem solchen Stock wiegt zwey bis dritthalb
Pfund; das Honig aber 20 bis 25 Pfund. Die Bienen
wohnen nicht in den Zellen, wie ihr glaubet; sondern sie
halten sich zwischen den Tafeln auf: da hängen sie, eine an
der andern, so wie sie thun, wenn sie schwärmen. Zn ei/
ner solchen Lage ruhen sie aus, und so schlafen sie auch im
Winter. Nicht wahr, lieben Leser und Leserinnen, das
fleißige Bienchen beschämt manchen unter Euch in der Liebe
zur Arbeitsamkeit und im Gehorsam gegen die Eltern. Und
doch ist sie nur ein Thier, ein Insekt, ein kleines unanr
sehnliches Insekt.
Ein anderes Hauptgeschäft der Biene ist die Sorge
für ihre Jungen. Ich habe Euch schon gesagt, Kinder,
die Königin ist zugleich Mutter des Volks. Sie hat in ihr
rem Leibe so viel Eyer, daß sie derselben in Zeit von sieben
bis acht Wochen 10 bis 12000 legt; ordentlicher Werse aber
erstreckt sich ihre Anzahl im Zahr auf 40000. Wenn das
wichtige Geschäfte des Eyerlegens eintritt, erscheint sie, von
zehn bis zwölf ihrer Bedienten umgeben. Ihr ernsthafter,
gravitätischer Gang giebt zu erkennen, daß sie eine wichtige
Handlung vorhabe, und alles erweist ihr Ehrfurcht. In
jede
190
Naturgeschichte.
jede Zelle gehr sie zuerst mit dem Kopfe, besieht sie und steckt
bann, wenn sie nichts zu erinnern findet, den Hintern hin-
ein, legt ein Ey auf den Winkel des Bodens, und fünf bis
sechs hinterher. Dies ist zwar in wenig Augenblicken ge-
schehen, verursacht ihr aber viel Schmerzen. Sie macht
daher eine kleine Pause, und wird während derselben von
ihren Begleitern abgeleckt, sachte gerieben und gesäubert:
dann gehts wieder rasch weiter. Die ersten Eyer, die sie
legt, enthalten die künftigen Arbeitsbienen; dann folgen
die z bis 1500 Eyer zu Drohnen und endlich drey bis 20
Eyer, woraus Königinnen werden. Jede Zelle ist nach dem
Geschlecht und der Größe der künftigen Bienen von den
Baumeistern vorher eingerichtet, und die Königin verwech-
selt sie niemals.
Ein drittes Hauptgeschäft der Bienenist die Ordnung,
Ärmlichkeit und Sicherheit. Es ist mit Erstaunen an-
zusehen, Kinder, mit welcher Genauigkeit alle Geschäfte
unter diesem Volke vor sich gehen. Kein Müßiggänger
wird geduldet; wer hier essen will, muß auch arbeiten. Eben
deswegen geschieht denn auch alle Jahr die Hinrichtung der
Männer. — Mit gleichem Eifer sorgt dies Völkchen auch
für Aeinlichkeit. Es scheint, als wüßten sies, daß in ei-
nem so engen Behältnisse, als ein Stock ist, worin oft 42000
Personen leben, die Unreinlichkeit der Gesundheit schäd-
lich ist. Daher geben sie ihren Unrath nie in eine Zelle,
sondern gemeiniglich außer dem Stocke von sich. Jeder
Abfall der Larven, und alles, was die Wohnung nur im-
mer verunreinigen kann, wird sogleich weggeschafft, und
keine Leiche bleibt über eine Stunde im Stocke. — Wie
sehr endlich die Bienen gegen ihre Feinde, deren sie eine
erstaunliche Menge haben, auf der Hut sind, daö kann
Das Thierreich. 191
ich Euch nicht beschreiben. Das beständige Mittel dagegen
sind Schildwachten, deren immer eine Schaar am Ein,
gange steht. Alles, was Feind heißt: Wespen, Hornissen»
Hummeln, Spinnen, 'Ameisen, Ohrwürmer, Kröten, Frösche,
Sperlinge, Schwalben und viele andere Vögel, desgleichen
Mäuse, Natten, Wiesel, Marder und Bären: — alles
wird nach Möglichkeit von ihnen weggebissen. Und wehe
dem, der ihren Zorn erfährt. Man hat Beyspiele, daß
ein einziger Schwarm zwey Pferde todtgestochen hat, und
in einem Ehr schönen Buche, das den Titel führt: nütz-
liches AUerley. für allerlei Leser, erzählt der Herr
Verfasserim ersten Bande, S. 136. eine schreckliche Ge,
schichte, nach welcher ein alter Schullehrer in der Grafschaft
Mansfeld von seinen eigenen Vienen, die ihn wahrschein-
lich nicht gekannt haben, jämmerlich todtgestochen worden
ist- — Ihr habet Euch also künftig vorzusehen, Kinder, wenn
Ihr in Vienengärten kommet: denn diese fleißigen Thier-
chen halten einen jeden für ihren Feind, und für denStötzr
rer ihrer Ruhe, den sie nicht kennen. Höret einmal zu,
wies vor einigen Jahren einem Haufen Türken gieng. Diese
Türken, oder eigentlich Algierer, landeten in einem Raub-
schiffe an der Küste von Calabrien, in Italien, um Men-
schen und Vieh zu stehlen. In der Nähe stand ein Wacht-
thnrm, worauf gewöhnlich ein Wächter ist, der in solchen
Fällen eine Lärmkanone losbrcnnen muß. Der Wächter lud
seine Kanone scharf, feuerte unter die kecken Räuber und
erschoß den Anführer. Statt durch diesen Verlust den Muth
zu verliehren, wurden die übrigen Räuber desto wüthen-
der. Sie rannten herbey, erstiegen den Thurm, der
statt des Eingangs oben eine Oefnung mit einer Stricklei-
ter hatte, und waren nicht weit mehr von der Oefnung
desselben, als der halbrodte Wächter den Einfall bekam,
seine
I
192 Naturgeschichte.
seine Bienen, deren er einige Stöcke hatte, auszuschütten.
Auf einmal saßen die Gesichter und Hände der Räuber von
ihnen voll, sie siürzten über Hals und Kopf vom Thurm
und nahmen die Flucht.
Nun, Kinder, habe ich Euch von der künstlichen Biene
fast zu viel erzählt, und es ist Zeit, weiter zu gehen. Wol-
let Ihr Euch einmal mit der Bienenzucht abgeben, so könr
net Ihr rechnen, daß Ihr Euer darauf gewandtes Capital
in fünf Jahren wieder gewinnet, das heißt, die Biene
bringt Euch jährlich zwanzig Procent, wenn Ihr anders
geschickte, und aufmerksame Bienenwärter seyd.
g. Die Hummel baut sich ihre Zellen aus Pflanzen,
fäserchen unter der Erde.
h. Die Ameise. Auch dies kleine Thierchen, Kinder,
ist ein merkwürdiges Geschöpf: denn es besteht eben so,
wie die Biene, aus einer Königin, aus Männern und aus
Zwittern, und es baut sich gleichfalls, zwar nicht mit der
Kunst der Biene, aber doch mit vieler Emsigkeit eine Stadt,
die es aber unter der Erde anlegt. Ihr nennet diese Stadt
einen Ameisenhaufen, der, wenn man ihn mit dem Verr
größerungsglase betrachtet, förmliche, sehr reinliche Straf--
sen und Wohnungen enthält. Was die Ameisen beson-
ders merkwürdig macht, ist die unbeschreiblich große Liebe
der Zwitter gegen die Puppen. Ihr habet schon manchen
Ameisenhaufen aufgescharrt: was entdecktet Ihr da? Nicht
wahr, Ihr sähet, baß jede Ameise mit der größten Sorg-
fältigkeit ein, auch wohl mehrere Eyer (so nanntet Ihr
diese kleinen weißen Säckchen) anpackte, sie aufs eilfertigste
in Sicherheit schleppte, dann mit eben der geschäftigen
Schnelligkeit wieder kam, und eine gleiche Last auflud, bis
dann in wenig Augenblicken alle Eyer weg - und an einen
sichern
193
Das Thierreich.
sichern Ort gebracht waren: nicht wahr, das habet Ihr ge-
sehen? Dies, Kinder, sind nicht die Eyer der Ameise, son-
dern die Puppen, worin die ehemalige Larve zum künfti-
gen Insekt, zur Ameise wird. Unaussprechlich groß ist die
Liebe des Thiers gegen diese ihre noch im Grabe liegenden
Brüder, so groß, daß sie sie auch im Tode nicht verliehrt:
denn, Kinder, man hat gesehen, daß eine Ameise, welcher
der Leib ausgeschnitten war, doch während ihres schmerzli-
chen Sterbens noch zehn solcher Puppen weggetragen hat.
Wenn das nicht Liebe heißt, Kinder, so giebts keine Liebe.
Wollet Ihr selbst Zeugen seyn, so beobachtet einen Ameisen-
Haufen im Frühling, da werdet Ihr sehen, daß die Zwitter —
denn eben sie sind gerade die zärtlichen Freunde — des Mor-
gens, wenns gut Wetter ist, anmarschirt kommen, jede
mit einer Puppe, um sie in die Sonne zu legen: wenns
regnen will, oder wenn der Abend kömmt, sind sie alle rich-
tig wieder da, und tragen die süße Last nach Hause. Eben
diese Arbeitsameisen haben auch eine bewundernswürdige
Stärke: denn sie können eine Last tragen, die noch viermal
so schwer ist, als der ganze Träger.
Die Ameisen können in ihrer Menge schaden; aber es
ist leicht, sie von dem, wornach sie trachten, abzuhalten.
Von Bäumen könnet Ihr sie entfernen, wenn Ihr einen
breiten Strich mit Theer um den Stamm machet, und
von andern Wegen lassen sie sich dadurch abhalten, daß man
2lsche streut, oder Wermut!) legt-
Dagegen sind dieseThierchen auch wieder nützlich: denn
sie geben uns Weyrauch zum räuchern, und aus ihren
sogenannten Eyern verfertigt man Bäder gegen manche
Krankheiten, sowie auch Spiritus; auch sind eben diese
Eyer, oder — wie Ihr nun wisset — Puppen, ein gutes
(Bürgersch. ir Bd.) N Fut-
194
I
Naturgeschichte.
Futter für Fasanen, Amseln, Nachtigallen, Wachsein, Canar
rlenvögel rc. Da ich Euch oben die Art versprochen habe,
wie Ihr diese Puppen am leichtesten bekommen könnet, so
merket Euch folgendes:
Breitet in der Gegend, wo ein Ameisenhaufen ist, ein
Tischtuch auf die Erde, schlaget es an allen vier Ecken einer
Handbreit um, und leget unter den Umschlag kleine Weit
denreiser. Alsdann öfnet den Ameisenhaufen mit denHänr
den, und zwar da, wo die Sonne dagegen scheint. Sobald
Ihr die Eyer findet, die gemeiniglich beysammen liegen,
raffet sie, nebst den Ameisen und allem, was Ihr mit ber
greifet — denn Ihr müsset eilfertig seyn — in eine große
Schachtel, und setzet sie mitten auf daS Tuch. Die Ameir
sen, die sonst gleich geschäftig sind, ihre Eyer fortzuschleppen,
laufen jetzt erst leer auf dem Tuche herum, um zu sehen>
wie weit, und wohin sie ihre Last zu tragen haben. Nacht
dem sie sich der Gegend kundig gemacht haben, kommende
in der größten Eilfertigkeit zurück. Ein jedes Thierchen
nimmt seine Last und eilt nun mit einem Eifer, den Ihr
mit Vergnügen bewundern werdet, nach dem Neiswerk zu-
wo es seine Bürde ablegt, und auf ein Mittel studirt, um
mit der Last über diese Mauer und dann nach Hause zu komr
inen. Zn dieser Absicht gehen sie sämtlich leer um den Umr
schlag hinüber, sich umzusehen, kommen aber bald wieder,
ihre Familie zu hohlen. Nun ist es Zeit, ihnen zuvor zu
kommen. In dieser Absicht müsset Ihr die datiegenden
Eyer so behende, als möglich mit einem Löffel in eine andere
Schachtel sammlen. Die wenigen Ameisen, die noch darr
unter sind, laufen heraus- und Ihr habet die Eyer völt
lig rein.
i. Die indische Ameise, ein bis zum Erstaunen ger
fräßiges Thier in Ost rund Westindien. Es verzehrt bey
sei;
l
Das Thierreich.
-9s
seiner Menge alles, was ihm auf seinem Zug in den Weg
kömmt. Damit es jedoch sich nicht allzustark vermehre, er-
schuf der allweise Gebieter der Natur für jene Gegenden
den Euch schon bekannten Ameisenbär, der sie zu taufen-
den auffrißt.
Sechste Classe: Insekten mit zwey Klügeln und
zwey kolbenförmigen Knöpfen, oder sogenannten
Balancierstangen unter den Flügeln.
Die Larven dieser Thiere sind mehrentheils Maden,
die bey der Verpuppung zusammenschrutnpfen.
3. Die Bremsen. Die Weibchen dieser Thiere ler
gen ihre Eher in die Haut lebendiger Thiere, worauf Ge-
schwulst und Geschwüre erfolgen, von denen die Larve ihre
Nahrung zieht. Es giebt Aferdcbremsen, die dem Pferde
in den Mastdarm kriechen, und ihre Eyer dahineinlegen.
Die Larven gehen sodann dem armen Thier bis in den Ma-
gen und verursachen ihm erstaunliche Schmerzen, ja gar
den Tod. Schaafbremsen, in den Stirnhöhlen der Hir-
sche, Rehe, Ziegen und Schaafe; RemM-icrbrcmsen rc.
d. Die Fliegen. Ihre Arten kennet Ihr alle; die
berüchtigte Scbmeissiiege wirft, oder schmeißt auf 20000
Eyer, woraus in sehr kurzer Zeit Maden werden.
c. Die Mücke. (Schnake) Wenn Euch eine gestor
chen hat, müsset Ihr frische Erde auf die Wunde legen.
Noch empfindlicher und gefährlicher als unsere Mücken,
stechen die amerikanischen Mücken, Mookrtoo genannt,
die können einen Menschen in Zeit von einer Stunde so zur
richten, daß er sich nicht mehr ähnlich sieht.
196 Naturgeschichte.
d. Die Stechfliege, eine große Quaal der Pferde,
die von dem Insekt in die Deine gestochen werden.
e. Die Schaaflaus, ist zwar Insekt, hat aber keine
Flügel; sie wohnt in der Wolle der Schaase.
Siebente Clafse: Insekten ohne Flügel.
Es gehören dazu eine große Menge von Geschlechtern,
die alle durch Figur, Größe, Waffen, Lebensart unterschie-
den sind; ich will Euch aber nur einige nennen.
a. Die Termite (weise Ameise) ein sehr furchtbares
Insekt in beyden Indien. Es durchfrißt Kleider, Haus-
rath, Papier, Leinwand, Möbeln und Speise mit uner-
sättlicher Begierde. Bey dieser Freßsucht hat gleichwohl
diese kleine und unbedeutende Figur eine erstaunliche Ge-
schicklichkeit: denn sie baut sich groU, ungeheure Festungen
aus Thon, die oft zehn Fuß hoch und so dauerhaft angelegt
sind, daß Kühe darauf gehen können, ohne daß das Ge-
bäude einsiürzt.
b. Die Todtenuhr, lebt in Papiertapeten, Holz
und Büchern, wo sie einen Laut, wie eine schlagende Ta-
schenuhr von sich giebt. 'Abergläubige Menschen fürchten
sich vor diesen Bewegungen des Thierchens, weil sie mey-
nen, es bedeute dies ihren nahen Tod; und ob sie gleich
die Todtenuhr noch Jahre lang forthören, so bleibt sie doch
in ihren Ohren eine furchtbare Sterbeglocke.
c. Die Laus. Dies Thier ist wahrscheinlich das
iveitläuftigste Geschlecht unter allen lebendigen Geschöpfen:
denn die mehrsten Säugethiere und Vögel, ja so gar Fische,
und selbst Insekten haben Läuse. Leider plagen zwey Ar-
ten derselben, die und Kleiderlaus auch den Men-
schen, und sie vermehren sich so schnell, daß eine Laus in
einem
Das Thierreich,
197
einem Tage Mutter und Großmutter zugleich werden kann.
Reinlichkeit, saubere Wäsche, Baden: diese Dinge, die
dem Menschen ohnehin so gedeylich sind, vertreiben diese
unangenehmen und der Gesundheit schädlichen Gäste.
d. Der Floh. Auch dieses blutgierige Insekt ist da,
wo der Mensch ist, und mit einem einzigen Sprung sitzt er
uns am Leibe: denn er kann achtzigmal so weit springen,
als er lang ist. Was er wohl bey uns sucht? Leider unser
Blut, oder doch Wärme. Auch diese höchst beschwerlichen
Geschöpfe vermehren sich bis zum Erstaunen: denn im
Sommer giebt es alle vier Wochen junge Flöhe. Vestam
dige Reinlichkeit, fleißiges Ausscheuren der Zimmer und ösi
teres Umwechseln des Bettstrohs befreyt unS von ihrer höchst
lästigen Einquartirung. Ein Räthsel, Kinder! wennIhr's
anders nicht schon aus dem schönen Leipziger Wochenblatt
für Kinder kennet:
Warum sind die Flöhe schwarz?
darüber denket einmal nach und besinnet Euch, was täglich
in jeder Flohfamilie für Todesfälle Vorgehen: dann werdet
Zhrs errathen. Könnet Ihrs aber nicht, so leset folgende
Wörter rückwärts:
lieW eis ella egaT neilimaFr reuarT nebah.
e. Der Nleberknecht, (Grasmäher) ein sonderbar-
gebildetes Thier, das seine Augen auf dem Rücken auf zwey
Stielchen trägt und erstaunlich lange Beine hat, die sich,
wenn man sie dem Insekt ausgerissen hat, noch sehr lange
bewegen.
f. Die Spinne. Dies scheue und einsame Thierchen
verfolget Ihr alle, weil Ihr meynet, es sey giftig; und doch
habet Ihr in Eurem Leben nie gesehen, daß je ein Mensch
von einer Spinne beschädigt ist, welches ja wohl bey der um
N z geheur
198
Naturgeschichte.
geheuren Menge von Spinnen, die immer um und neben
uns sind, je einmal geschehen müßte. Freylich duldet sie
ein reinlicher Mensch nicht im Zimmer, weil sie ihre Gei
svinnste allenthalben ansetzen; aber giftig find sie nicht.
Ihr Gewebe, wozu sie die Fäden aus fünf Spinnwärzchen
ziehen, ist ein bewundernswürdiges Werk von Kunst.
g. Die Kreuzspinne, auf Böden, Gartenhäusern rc.
macht ein sehr künstliches, radförmiges Gewebe. Daß sich
die Kreuzspinne, wenn man sie verschließt, in einen Stein
verwandelt, ist ein Märchen; gewisser aber ist, daß sie so
zahm wird, wie ein Vögelchen. Zn Paris fütterte ein
Seidenweber eine große Menge solcher Thiere. Sobald er
sich mit dem Teller sehen ließ, worauf Fliegen waren, da
spannen sie an ihren Fäden herunter, und kamen auf seit
nen Teller. Von ihrem Gewebe verfertigte er ein paarköst,
liche seidene Strümpfe. — Wisset Ihr wohl, warum die
Spinnen, besonders die Kreuzspinnen, so poßierlich und
schnell zittern, wenn man sie anhaucht? Ihr wisset es
nicht; ich aber kann Euch gleichfalls keine andere Antwort
geben, als daß das sanfte Anhauchen dem Thierchen wahrt
scheinlich Entzücken ist. Eine Lust ist es, anzusehen, wie
schnell es mit dem Netz flimmert, so daß man oft weder
Spinne noch Gewebe erkennen kann.
h. Die Buschspinne, eine fürchterlich große, amer
ricanische Spinne, so groß, als eine Bindcrfaust. Sie
tödtet den schönen Colibri und saugt seine Eyer aus. Die
hornartigen Krallen an ihren Füßen fasset man in Gold ein
und braucht sie zu Zahnstochern.
i. Die Tarantel. Von dieser Spinne hat man seit
undenklichen Jahren erzählt, daß der von ihm gebissene
Mensch eine ganz besondere Sucht zum Tanzen bekomme;
da
Das Thierreich. 199
da, wo er gehe und stehe, müsse er tanzen, und eben dies Tan?
zen curire endlich den Patienten. Viele gelehrte und recht,
schaffene Männer, die im Vaterland der Tarantelsvinnen in
Unreritalien gewesen sind, haben sich genau nach den Um»
ständen der Sache erkundigt, und da hat sichs gefunden, daß
die TaranLati, — so nennt man diejenigen, die von dex
Tarantel gebissen sind — entweder unter diejenigen Pa?
tienten gehören, die eine Art von Nervenkrankheit, den
Sankt Veits-Tanz genannt, haben, oder aber — wel,
eher Fall noch häufiger ist, betrügerische Bettler sind, die
durch diese erdichtete Tanzsucht Geld gewinnen. Freylich
soll es gemeiniglich sehr fürchterlich aussehen, wenn die Ta»
rantati tanzen, denn sie sollen so schnelle Sprünge machen
und den Tanz so ungewöhnlich lange fo-rtsetzen, daß man
glaubt, sie würden tobt niedersinken. Allein, von den Ein»
wohnern in Unteritalten ist es bekannt, daß sie ungemein
gern tanzen, und also in der Kunst, schnell und anhaltend
zu springen, Uebung und Fertigkeit haben.
k. Der Scorpion. Dies Insekt sieht beynahe aus,
wie der Krebs, wirst auch, wie er, alle Zahr seine Schalk
ab. Auch diesem Thiere sagt man nach, daß es mit dem, in
seinem Schwänze befindlichen Stachel eine giftige Wunde
mache. Um dies zu erfahren, haben sich manche Naturfor-
scher von den europäischen Scorpionen stechen lassen, sinh
aber allemal mit einer bloßen Geschwulst davon gekommen.
Wenn also der Scorpion giftig ist, so ists die größere Art
in Africa.
l. Der Nrebs. Dies Insekt kennet Ihr alle, auch
wisset Ihr, daß ihm der Schöpfer, wie mancher, Eidechse,
den Vorzug mitgetheilt hat, verlyhrue Glieder wieder zu
erhalten: denn wenn der Krebs in einer Bataille auch Arm
N 4 und
200
Naturgeschichte.
und Beine eingebüßt hat, so giebt ihm die Natur sie wieder.
Daß er mit seinen Scheeren tüchtig kneifen kann, wisset
Ihr auch. In seinem Magen hat er einige kalkigte, stein-
artige Verhärtungen, die unsere in der Naturgeschichte nicht
erfahrne Grosväter, Brebsaugen nannten. Man hielt
sie sonst für sehr nützlich in der Arzneykunst, jetzt aber nicht
mehr.
m. Bruder Bernhard der Einsiedler (Diogenes)
ein seltsamer Krebs: denn sein Vorderleib hat zwar einen
Panzer, aber der Schwanz ist nackt. Da das arme Thier
dicserwegen den schutzlosen Schwanz sehr leicht durch einen
Feind einbüßen kann, so ist er auf die List gefallen, ihn in
ein unbewohntes Schneckenhaus zu stecken. Wird dies
Häuschen mit der Zeit für ihn zu klein, so sucht er ein an-
deres auf. Daß er seine Einsiedelei) nicht gern verläßt, wer-
det Ihr Euch vorstellen können: denn sein Schwanz ist ihm
viel zu lieb. Eben deswegen nun, weil das sonderbare
Thier einsam wohnt, hat man ihm den Namen Berhard
der Einsiedler gegeben; weil ein gewisser niederländischer
Mönch, Namens Bernhard, das Einsiedlerleben sehr em-
pfahl. Warum er aber wohl Diogenes heißt? Weil ein
gewisser griechischer Philosoph, Namens Diogenes, den
manche von Euch gar wohl kennen, beständig in einem Zasie
gewohnt haben soll.
o. Der Hummer, (Seekrebs) ein sehr gefräßiges
Thier in den nordischen Meeren und das größte unter den
europäischen Insekten. Die Engländer, Hamburger und
Bremer fangen dies Thier häufig, und gewinnen viel Geld
damit. Von Bremen bis nach Hannover können sie leben-
dig gebracht werden, und sie kosten hier 12 bis 20 ggr., je
nachdem sie groß sind. Die größten sind wohl zwey Fuß
lang.
201
Das Thierreich.
lang. Zhk Fleisch — Zhr wisset doch, daß man sie isset —
schmeckt zwar gut, aber Kindermagen wollen es gar nicht
vertragen.
p. Der moluckische Rrebs. Der Niese unter allen
Insekten, denn er wird vier Fuß lang. Er wird in Asien
und America gefunden.
q. Die Rrabbe, (der Kurzschwanz —Taschenkrebs)
eine poßierliche Figur, die einer Geldtasche mit dem Schlosse
gleicht, dergleichen man sonst wo! führte. Das Thier wohnt
im Meere, geht aber auch ans Land. Es giebt Krabben
von zehn Pfund, und wieder andere von der Größe einer
Erbse. Diejenigen unter Euch, die nicht weit von Bremen,
Hamburg ober Lübeck wohnen, kennen dies Thier sehr gut,
und wissen auch, daß der Patron mit seinen fürchterlichen
Scheeren einen Finger wegschneiden kann, ohne viel Conu
plimente zu machen.
r. Die Garnäle (plattdeutsch Granade) ein kleines
Krebschen, eines kleinen Fingerslang, ohne Scheeren, daß zu
vielen tausenden in der Nordsee gefangen wird. Man ißt
es mit Eßig und Pfeffer, und die kleinsten streut man auf
Vutterbrod.
5. Die electrische Assel. (der Feuerwurm). Dies
Thierchen mit 140 Füßen kennet Ihr wahrscheinlich: es leuch-
tet wie Feuer.
r. Der Vielfuß, ist dadurch merkwürdig, daß er
nicht weniger als 200 Füße hat. Er lebt in der Erde und
im Miste.
u. Der Relleresel (Kellerwurm) soll unser siebentes
Insekten-Regiment beschließen. Ihr kennet ihn schon, denn
er sitzt unter Blumentöpfe^, auf nassen Brettern rc., und
manche unter Euch sammlen die Kelleresel, um sie in dieApor
theke zu liefern, wo sie als Arzeney bereitet werden.
N 5
F.
202 Naturgeschichte.
F. Die Würmer.
Diese Geschöpfe, lieben Kinder, machen nun die letzte
Classe der Thckre aus. Sie sind, was Ihr wohl nicht meyr
neu solltet, in erstaunlicher Menge, und in mannigfaltigen
Arten vorhanden, und machen, nächst den Insekten, die
zahlreichste Thierclasse aus: denn man kennt jetzt schon
fünftausend Arten.
Alle Würmer haben einen weichen, oft schleimigten
und matschigen, mehrentheilö nackten Körper. Nur we«
-nige sind mit Haaren bedeckt. Einige tragen eine knorplichte
Schale und einige wohnen in einem kalkarrigen Hause,
daß ihnen der Herr der Natur in erstaunlich mannigfaltigen
Formen aufgebaut, und oft mit ungemeiner Schönheit ber
mahlt hat.
Kein einziger Wurm hat Flügel; auch gehen sie nicht
auf Füßen; sondern alle ihre Muskeln ruhen auf einem
einzigen Punkt; und durch das Erweitern dieser Muskeln
bewegt sich das Thier in lauter Krümmungen von der Stelle^
Statt der Fühlhörner der Insekten haben die Würmer
bloße Fühlfaden, die das Thier auf vielfache Weise braucht.
Geruchs- und Horwerkzeuge haben sie nicht; ob
sie aber glöichwohl vom Geruch und vom Schalle Empsim
düng haben, das weiß man nicht. Einigen fehlen auch so-
gar die Augen, sie besitzen aber dagegen das feinste Gefühl
von Licht und Schatten.
Ihre Größe ist bis zum Erstaunen verschieden, Es
giebt Würmer, die in steinernen Häusern wohnen (Conchyr
lien) die sechs Zentner schwer sind, und wiederum Würmer,
deren Millionen in einem Fingerhute voll Wasser beisammen
seyn können.
> Die
Düs Thierreich
203
Die Würmer können zwar ohne Lust nicht leben; aber
Lungen zum Odernholen haben sie nicht; denn der Schöpfer
kann einerlei) Zweck durch gar vielerlei) Mittel erreichen.
Der 'Aufenthalt dieser Thiere ist größtentheils im
Wasser; einige wohnen jedoch auch in der Erde, und noch
einige halten sich im Körper anderer Thiere auf.
Zhre Nahrung ist sehr einfach, die meisten nähren
sich durch Einsaugen mancherlei) Säfte; andere aber spei,'
sen Erde.
Die Waffen und Schutzmittel der Würmer sindven
schi-dcn. Einige brauchen Gift gegen ihre Feinde; einige
beschützen sich durck Stacheln; viele von ihnen können eit
neu verlohrnen Theil ihres Körpers wieder ersetzen, und
einige leben sogar im Tode wieder auf.
Auch die Art, sich fortzupflanzen, ist an diesen Ges
schöpfen höchst bewundernswürdig. Einige legen Eyer,
andre gebühren lebendige Junge; noch andere zerspringen
in mefyme Stücke, und jedes Stück wird ein Thier.
Verschiedene treiben sogar ihre Jungen durch knospen wie
die Pflanze.
Der Nutzen, den die Würmer dem Menschen brirn
gen, ist bei) vielen dieser Thiere, und bey den mehrsten Thier
ren überhaupt deswegen noch nicht entschieden, weil es noch
nicht lange her ist, daß sich Gelehrte mit der Naturgeschichte
gründlich beschäftigt haben: doch leistet ein großer Theil der,
selben dem Menschen wirkliche Dienste. Einige, wie der
Blutigel, sind ein herrliches Genesemittel; andere, wie
die Regcnwünner, machen die Erde locker. Den größten
Nutzen unter den Würmern aber haben die Schaalthiere,
oder Conchylien. Viele von ihnen sind eßbar. Einige
geben rms einen kostbaren Schmuck, wie die Perlenmuschel;
andere
204 Naturgeschichte.
andere verschaffen uns, wiewol jetzt nicht mehr so häufig
als sonst, eine herrliche'Farbe, den Purpur. Manche
Schneckenhäuser vertreten bey vielen Völkern die Stelle des
baaren Geldes, und ein großer Theil der Muscheln wird
von Künstlern zu köstlichen Arbeiten gefertigt.
Dagegen aber sind auch viele dieser Geschöpfe schädlich,
und Ihr, lieben Kinder, erfahret vorzüglich den Schaden
einiger derselben. Denn wie mancher Eurer Brüder und
Schwestern ist schon an den häßlichen Würmern gestorben,
und wie viele von Euch leiden nicht an ihren Bissen.
Da wir noch gar viele nützliche Dinge in diesem Buche
zu lernen haben, so will ich Euch von den Wärmen nur die
allermerkwürdigsten nennen.
Erste Ordnung: Nackte Würmer.
Dahin gehören: der Regenwurm. (Erdwurm) Ihr
könnet ihn in mehrere Stücke schneiden, und er stirbt doch
nicht. --7 Der Fadenwurm, so dünne, als ein Zwirns-
faden. Eine Art dieses Thieres, der Nervenwurm, der
zum Glück für uns, nur in Asien wohnt, kriecht den Men-
schen unter die Haut, wächst darin bis zu einer Länge von
drey bis vier Ellen, und verursacht ihm schmerzhafte Beu-
len. — Der Spulwurm, ist dicker als der Fadenwurm,
und gemeiniglich spannenlang. -Eben er ist es, der sich
so häufig in den Gedärmen der Kinder, und zwar oft zu
hunderten aufhält, und schon manches Kind getödtet
hat. Woher diese Würmer kommen, mögtet Ihr wohl
gerne wissen. Genau kann ich's Euch nicht sagen; aber,
das weiß ich desto gewisser, daß Ihr, wie Ihr klein wäret,
durch den Genuß des BreyS, des Eyerkuchens, (Pfann-
kuchens) und anderer Mehlspeisen, und durch die vielen Kar-
toffeln
Das Thierreich. 225
löffeln den Würmern Nahrung gäbet. — Das Bändchen
sieht aus wie ein schmales Streifchen Band, und wohnt
in Fischen, wo es oft, nachdem diese schon gesotten sind, noch
lebendig gefunden wird. — Der Bandwurm. Von vier
sem fürchterlichen Thiere giebts verschiedene Arten. Alle
sind weiß, platt und sehen beynahe wie ein Bändchen aus.
Leider Hausen auch diese Geschöpfe im Leibe des Menschen.
Da hängen sie einer an dem andern, und die schreckliche
Reihe ist zuweilen 400, ja wol gar 802 Ellen lang. —-
Der Madenwurm, (Aökaride) sieht aus, wie eine Käser
made, und lebt gleichfalls im Mastdarm der Menschen. —
Der Blutige!, ein schwärzlicher, in Sümpfen wohnender
Wurm. Man legt ihn in vielen Krankheiten den Menschen
an die Haut, damit er mit dem Blute böse Säfte wegsauge.
— Die Schnecken kennet Ihr alle. Das wisset Ihr aber
wohl noch nicht, was die bevden Knöpfchen sind, die auf
den beyden größeren Fühlfaden stecken. Es sind die Aur
gen des Thiers, die kann es auf seinen langen Stangen
nach allen Seiten zu hinwenden. Was ihr aber vielleicht
von den Schnecken noch gar nicht gehört habet, ist dies,
daß Ihr dem Thier den Kopf abhauen könnet, und es ber
kömmt nach einiger Zeit einen ganz neuen. Eben so setzt
ihm auch die Natur einen neuen Schwanz an; wenn Ihr
ihn abgeschnirten habet. Ihr könnet den Versuch selbst mar
chen, müsset aber beym Kopf nicht zu hoch und niedrig
schneiden. Nach geschehener Enthauptung müsset Ihr das
Thier in einen schattigten Ort bringen, und es da in frisches
Laub legen. Zuweilen mißräth der Versuch, besonders wenn
Ihr zu tief in den Rücken schneidet. — Die Seeraupy,-
ein unbeschreiblich prächtiges Geschöpfchen. Denn seine
Stacheln und Haare, womit es besetz! ist, scheinen von mas-
sivem Golde zu seyn. — Die Nereide hält sich im Meere
auf.
206
Naturgeschichte
auf, und giebt einen Feuerglanz von sich. Wenn sehr viele
Leysammen sind, sieht es aus, als ob das Wasser feurig
wäre. — Die Meernesiel, (Seeanemone) ein langlichtr
rundes Thier mit einem stachlichten Kranz von Fühlhörnern.
Diesem Geschöpfe hat Gott ein — wenn ich so sagen könnte,
eisernes Leben gegeben: denn Ihr könnet es einfrieren
lassen, könnet es in siedendes Wasser werfen, könnet ihm
die Luft nehmen, könnet es Jahre lang ohne Nahrung
lassen; und doch erfrierts, verbrennts, erftickrs, ver;
hungerts nicht. Ihr könnet auch das Thier auseinander
schneiden: und das halbe Geschöpf wächst wieder zu einem
ganzen. — Der Dintenfisch (Blackfisch) ein seltsames
Geschöpf mit acht warzigen Armen und zwey Fühlsaden»
Es giebt, wenn es von Feinden angegriffen wird, eine
große Menge schwarzer Dinte von sich, so daß es der Feind
nicht sieht. Dieser Saft kann auch zu unserer Schreibdinte
gebraucht werden.
Zweyte Ordnung: Die Conchytien oder Schaat-
(hiere-
Die Geschöpfe dieser Art sind lauter Weiche, blutlose
Thiere, ohne sichtbare Gelenke. Damit sie bey dieser ihrer
Nacktheit uttd Wehrlosigkeit nicht gleich dem Angriff ihrer
Feinde ausgesetzt seyn sollten, gab ihnen der Schövfer ein
festes, kalkartiges Haus, wozu das Thier den ersten Stoff
gleich mit auf die Welt bringt, und das mit dem Thiere
wächst. Sie sind, wie ich Euch schon gesagt habe, von sehr
verschiedener Größe: manche wiegen viele Zentnerschwer,
und manche sind nur so groß, wie eine Linse. Man rheilt
sie ein: in Muscheln und in Schnecken. Diemerkwür,
digsten Muscheln sind: die Meevtulpe. (Seeeichel) Sie
sitzt
L07
Das Tierreich.
sitzt unbeweglich an Ufern, am Kiel der Schiffe, und oft
auch auf andern Muscheln. — Der Bohrer (Bohrmuschel)
bohrt sich in Klippen, Felsen, und in den härtesten Marmor.
Dies Geschäfte verrichtet das Thier, wenn es noch ganz
klein, etwa so groß, als ein Hirsenkorn ist» Das Mittel,
womit die kleine Creatur gräbt, ist eine scharfe Feuchtigkeit.
Zm Felsen wächst dann das seltsame Thier bis zur Länge und
Dicke eines Fingers. Man findet in zerschlagenen Felsen oft
viele Hundert solcher Bohrmuscheln beysammen. — Die
Mahlermuschel, worin die Mahler ihre Farben thun,
wohnt in Flüssen-. — Die Sonne, nur so groß wie eine
Linse; das Geschöpfchen ist unser Landsmann, denn es
wohnt in der Leine. — Die Hohlziegel, (der Niese) die
größte unter allen Conchylien, die man kennt: denn sie
wiegt über 602 Pfund. Zhre Klappen hält das Thier be-
ständig offen, um junge Fische zu fangen. Man sagt, daß
es die stärksten Taue, die zwischen sein» Schaalen kommen,
abkneifen könne. Aus den Schaalen dieser ungeheuren
Muscheln, deren es 14 Arten giebt, macht man Wasch-
becken, ja sogar Tröge. — Die^erlenmuschel. (Mies-
muschel) Dies ist das merkwürdige Geschöpf, in dessen
Schaalen matt die perlen findet. Es lebt in allen Theilen
der Welt, in Meeren und Flüssen; die schönsten und kost-
barsten Perlenmuscheln aber wohnen im jogenannren per-
fischen Meerbusen. Das Thier saugt sich am Boden
des Meers fest, und muß also von Leuten, die sich gut aufs
Tauchen verstehen, mit Lebensgefahr aus dem Meere her-
auf gehöhlt werden. Um dies gefährliche Handwerk, wozu
man mehrencheils Sclaven braucht, gehörig treiben zu kön-
nen, müssen sich die Perlenfischer üben, lange den Oderff
zurückhalten zu können. Der Taucher ist schon sehr geschickt,
der neun Minuten aushalren kann, ohne zu alhmen, und
der
208
Naturgeschichte.
der geschickteste Taucher kann nicht länger, als allerhöchstens
ir Minuten ohne Odem seyn. In dieser Zeit nun lassen
sich die Perlenfischer mit einem langen Strick am Leibe auf
den Boden des Meeres, sammlen da einen gewissen Vor-
rath Muscheln, und geben, wenn sie merken, daß ihnen
der Odem entgehen will, am Stricke ein Zeichen, damit
man sie geschwind wieder heraufziehe. Mancher von die-
sen seltsamen Fischern stirbt aber im Heraufsteigen: andere
werden von Hansischen verschlungen, oder doch um Arm und
Bein gebracht, und manche davon, die glücklich im Sanum
len gewesen sind, werden wol gar von ihren neidischen Cm
meraden, die nichts gesammlet haben, des Perlenvorraths
und des Lebens zugleich beraubt: denn diese abscheulichen
Räuber und Mörder haben auf der Welt keinen Zeugen ih-
rer Greuelthat, und von dem Allgegenwärtigen, dessen
Auge auch ins Verborgene des Meers dringt, wissen sie nicht
viel. Die gefangenen Perlenmuscheln werden an die Sonne
gelegt, wo das Thier nach kurzer Zeit verschmachtet. Die
Perlen selbst werden sortirt und gebohrt, und die Muschel
giebt die vortreflichen Arbeiten, die man perlenmutter
nennt. Man weiß noch nicht gewiß, was die Perle in der
Muschel eigentlich soll. Die mehrsten Gelehrten glauben,
dies köstliche Gewächs sey im Leibe das, was bey Menschen
der Stein, und bey Krebsen das Auge ist. — Die Steck-
musiche!, ein Geschöpf mit einem kostbaren Bart, der aus
sehr feiner Seide besteht, von welcher herrliche Arbeiten,
als Strümpfe, Handschuhe, Beutel rc. gemacht werden. —
Die Blammmuschel, eine Amerikanerin, wo diese Con-
chylie auf vielfache Art gebraucht wird; denn das Thier
wird gegessen, und die Muschel selbst schleift man auf eine
zierliche Art: dann paßiert sie völlig statt des baaren Gel-
des. Die schönsten und größten darunter werden durchbohrt
2O9
Das Thierreich.
und auf Niemen gezogen. Eine solche Muschelschnur ist
das bey den Nordamericanischen Wilden berühmte warn,
pum, ein Gerüche, womit sich die Wilden, die nicht schrei»
ben können, durch die verschiedene Lage, Größe, Figur
und Farbe der Muscheln allerhand Thaten ihrer Nation
aufs genaueste ins Gedächtniß prägen. Auch zuOhrem und
Halsschmuck wird diese ins Violette und Purpurfarbige spie»
lende, sehr schöne Muschel gebraucht.—- Die Auster: dies
Ist daS berühmte Geschöpf, was jetzt allgemein als ein Lek»
kerbissen gegessen wird. Die Engländer, Holländer, Schwer
den und Dänen fangen jährlich viele hunderttausend, und
machen damit einen großen Handelsgewinn.
Die merkwürdigsten Schnecken sind: Das Ottern»
köpfchen. (die Muschelmünze) Dies kleine Schneckchen
haltet Zhr für Schlangenköpfe; eö ist aber eine wirkliche
Schnecke. Sie werden von vielen schwatzen Völkern als baa,
res Geld gebraucht; und bey manchen unserer Husarenregi»
menter sind sie am Zügel des Pferdes ein niedlicher Schmuck.
— Die pürpurschnecke, aus deren Safte die phöni»
Zier, ein bekanntes cananitisches Volk, die berühmte Pur»
purfarbe verfertigten. Jetzt, da man mit der Cochenille
sehr schön roth färbt, ist die Purpurfarbe verdrängt wor»
den.— Das Ammonshorn; (Widderhorn) diese Muschel
findet man in erstaunlicher Menge versteinert. — Die
ächte windeltreppe, ein wunderbar gebautes Geschöpf:
denn das Häuschen der Schnecke hat die auffallendste Aehn»
lichkeit mit einer Windeltreppe. Die Windungen schlängeln
sich, wie ein Pfropfzieher in die Höhe, und das kunstvolle
Gebäude ist außen mit einem sehr netten weißen Email über»
zogen. Man bezahlt diese Schnecke, die in Asien zu Hause
ist, ihrer Seltenheit wegen, mit hundert, und mehr Ducaten.
(Dürgersch. ir Vd)
Dritte
o
210
Naturgeschichte.
Dritte Ordnung: Würmer mit knorplichtem
Körper.
Diese Thiere haben eine hatte Schaale, die mit be*
weglichen Stachelrr besetzt ist. Es gehören dahin: der
Seeigel, ein seltsames Geschöpfen der Form eines Rnopfs,
auf welchem kleine Hügelchen sind. Gemeiniglich zählt man
an einem Seeigel an 2000 Stacheln, und 1400 Füße. Mit
den Stacheln kann das Thierchen stechen, festhalten und
sich vertheidigen. Die größten Seeigel sind von der Größe
einer Mannsfaust. Einige Arten werden gegessen. — Der
Seestern; gleichfalls wunderbare Thiere. Sie haben ei,
nen platten mit einer ledernen Haut überzogenen Körper,
der sich gemeiniglich in fünf Stralen theilt. Wenn man en
nen dieser Stralen abschneidet, wird ein neues Thier davon.
— Der Medusenkopf, auch eine Art Seesterne, deren
Bau aber sehr seltsam und künstlich ist. An einem jeden
der fünf Strahlen sind nemlich eine große Menge Aestchen,
oder Spitzen gewachsen, die sich einander durchkreuzen,
und weil sie aus Gelenken bestehen, sich strecken und auch
zusammenlegen können. Es giebt Medusenköpfe, an der
nen man an die 82000 solcher Gelenke zählen kann, und
die an zehn Fuß im Durchmesser breit sind.
Vierte Ordnung: Die Pflanzenthiere.
Diese höchstwunderbaren Geschöpfe, lieben Kinder,
sind halb Thier, halb Pflanze. Thiere sind sie, weil sie
sich willkührlich bewegen, nnd wie Thiere LTahrnng zu
sich nehmen, und auch empfinden; pflanzen sind diese
Geschöpfe, weil sie wie Pflanzen aus sehen, wie Pflanzen
wachsen und sich durch knospen vermehren. Es gehör
ren hierher: 1) die AoraÜengewachse, Thiere, die mit
einer
211
Das Thierreich.
einer stein t Horn/ oder schwammartigen Hülle versehen sind.
Es giebt sehr vielerlei Arten Corallen; alle aber wachsen
im Meere, wie Pflanzen, machen eine Figur wie ein ästi-
gcv Baum, ohne Blätter, haben einen stetnartigen
Stamm, dessen Wurzel gemeiniglich an einer Muschel, oder
auch an Felsen fest sitzt, und schließen kleine Threrchen in
sich, mit denen das steinerne Gehäuse wächst. Außer dem
Wasser kann man das Thier nicht genau sehen; im Wasser
aber zeigt es sich in Menge an den Aesten in der Gestalt
sechs - oder achteckigter Sterne. Damit Ihr Euch einen
Begriff von diesem seltsamen Geschöpf machen könnet, habe
ick Euch Taf. 2, Fig. 5. ein Corallenbäumchen aözeichnen
lassen. Bey b sehet Ihr fünf Stück Corallenthiere; denn
der Ast, woran Ihr sie erblicket, ist im Wasser; außer dem
Wasser aber steht jeder Corallenzweig wie bey 2 aus; und
bey c sehet Ihr, daß der Corallenbaum auf einer Muschel
fest gewachsen ist. Die nützlichste und merkwürdigste Art ist
die rotbe CoraUc. Sie wird anderthalb Fuß hoch, und
wird häufig im mittelländischen Meere gefunden. Dies,
Kinder, ist die Coralle, von deren Knospen man kleine Hu/
geloben drechselt, und sie als Frauenzimmerschmuck am
Halse oder an den Armen trägt. Auch noch viele andere
Putzsachen und Geräthschaften, als Ohrgehänge, Hut,
Nock - und Westenknöpfe, Stockknöpfe, Paternoster rc. wer«
den daraus verfertigt. In der französischen Stadt IHatv
scille ist eine solche Corallenfabrik. Der König schickt alle
Jahr 82 Schiffe zur Corallenfischerey. Der Ort, wo sie
gefischt werden, ist an der Küste von Africa, in der Gegend
der durch ihre Seeraubereyen berüchtigten Stadt Algier.'.
Die Art, die Corallen von den Felsen, woran sie wachsen»
loszumachen, oder zu fischen, ist sonderbar. Man ver,
fertigt nemlich einen großen Dalken, der völlig wie ein Kreuz
O 2 suS/ -
212
Naturgeschichte.
aussieht, über und über mit hänfenen Stricken bewickelt
ist, und woran ein netzförmiger Beutel hängt. Dieser
Balken wird mit zwey vom Schiff befestigten Tauen ins
Meer gelassen, und das Schiff fährt am Ufer hin. Der
Balken schlägt die Corallenäste los, und diese verwickeln sich
entweder in die Stricke, oder sie fallen in den Beutel. Zur
weilen giebt es ungemein große und schöne Knospen darun-
ter. Eine solche polierte Knospe, oder Perle, von unge-
meiner Schönheit und Größe verkaufte die Fabrik vor eini-
gen Zähren an einen chinesischen Mandarin (Fürsten) für
20000 Thaler. — Es giebt in dem Meere oft ganze In-
seln, die von Corallengewächsen zusammengesetzt sind. —
2) Der Schwamm. (Saugeschwamm) Dies Geschöpf,
Kinder, kennet Ihr alle, als ein Werkzeug, womit man
allerhand Gerüche wäscht; das aber habet Ihr noch nicht
gewußt, daß in den Hölungen dieses lockeren Wesens eben
so wohl lebendige Geschöpfe wohnen, wie im Corallenbaum.
Das Thier befestigt diese seine fiockigte Wohnung an Felsen
und Steine im Meere. Sobald der Schwamm trocken ge-
worden ist, vertrocknet auch das Thier, von dem man über-
haupt nur noch wenig weiß.
Fünfte Ordnung: Nackte Thierpflanzen; oder
die Polypen.
Bey diesen Thkeren, Kinder, ist der genaue Uebergang
vom lebendigen Geschöpf zur Pflanze sichtbar: denn diese
selrsamen Creaturen sind völlig lebendige Pflanzen. Es
giebt sehr vielerlei) Polypen, von denen Ihr manche Ar-
ien in unseren Tüchen und Stadtgräben findet, wo sie an
Schnecken, Meerlinsen und anderen Körpern zu sitzen pfle-
gen. Ihr dürfet nur solche Meerlinsen ausschöpfen, und
in
2IZ
Das Thierreich.
in ein Glas mit reinem Wasser thun, dann werdet Ihr,
wenn anders der Ort, wo Ihr schöpftet, Polypen hat, das
Thierchen am Blatte kleben sehen. Die schönsten sind die
Lederbuschpolfpen, denn ihre Glieder sehen aus wie
Federbüsche, wovon einige wie glattes Elfenbein, andere
wie geschliffener Stahl aussehen. Ihr mögtet gern wissen,
wie sich diese Thiere vermehren: dies geht recht sonderbar zu.
Die Jungen wachsen aus den Alten, wie ein Blatt aus ei-
nem Aste. Der junge Polype sieht anfänglich wie eine kleine
Knospe aus, wird aber sehr geschwind größer, springt vom
Leibe seiner Mutter ab , und wird sein eigener Herr; doch
giebts auch Polypen, die aus Eyern entstehen. — Die
Nahrung dieser Thiere •— denn diese lebendigen Blumen
mögen eben so wohl ihr Futter, als andere Thiere — sind
Wasserinsekten und Würmer, die sie mit ihren ästigen Ar-
men so schnell fangen und so geschwinde zum Munde brin-
gen können, als der Habicht ein Täubchen fängt. Kurz-
weilig sieht es aus, wenn ein alter Polype, an dem schon
Enkel und Urenkel sitzen, ein Käferchen fangen will, und
die liebe junge Familie gleichfalls alle ihre Hände darnach
ausstreckt: denn bey den Polypen ist es Gebrauch, daß die
Kinder dem Vater das Vrod vor dem Munde wegnehmen.
— Das Allermerkwürdigste bey diesen Thierenist, daß Ihr
sie der Länge nach spalten, oder in Stücke zerschneiden kön-
net, ohne daß sie sterben; auch könnet Ihr sie umstreifen,
wie man eine Blase umstreifet, könnet einen Polypen in
den andern stecken; und sie leben doch fort.
Die Infusronsthierchen, oder die Saamenthierchen.
Diese Geschöpfe, lieben Leser, sollen denn nun in unserer
Geschichte der Thiere den Beschluß machen. Wenn Ihr auf
den Saamen von Blumen, oder anderer Pflanzen Wasser
O z gießet,
214
Naturgeschichte.
fließet, und den Aufguß einige Tage stehen lasset, dann ein
Tröpfchen dieses Wassers einer Linse groß unter ein Vergrö-
ßerungsglas bringst, so bekommet Ihr in diesem Tropfen,
der unter dem Glase einem Teiche ähnlich stehr, eine Menge
kleiner durchsichtiger, wie Glocken geformter, sehrmun-
terer und lebhafter Thierchen zusehen, die in der größten
Schnelligkeit sich im Tropfen hin und her bewegen, sich einan-
der ausweichen, bald geradezu, bald in Kreisen schwimmen,
und also eine willkührtiche Bewegung haben. So wie das
kleine Tröpfchen vertrocknen will, drängen sie sich nach
dem Ueberreste des Wassers hin, bekommen endlich Zuckun-
gen und sterben. Dies, Kinder, sind denn also die Saar
menthierchen : eine ganz neue zahllose Menge von Geschöpf-
chen, die unserm natürlichen Auge größtentheils verborgen
sind. Wie ihr kleines Herz, ihr Magen, ihre DewegungS-
werkzeuge beschaffen, und wie sie überhaupt gebaut sind:
das, Kinder, hat noch kein sterbliches Auge sehen können.
Auch weiß der menschliche Verstand noch nicht genau, wie
sie zur Welt kommen: ob durch E^erchen, wie die Insek-
ten, oder durch Theile, wie die Polypen — wir Wissens
nicht. So viel aber haben wir schon erfahren, daß ihrer
eine unbeschreiblich große Menge, eine ganze zweyre Welt
voll ist. Eine größere Art solcher Geschöpfchen wird taur
sendweise lebendig von den Menschen gegessen. Ihr lachet?
Im vollen Ernste, Kinder; denn im kanigten Eßig wrmr
melts von kleinen Thierchen. Sie sehen aus wie ein Fäd-
chen, und sind an beiden Enden zugespitzt, also kleine
Schlangen. Ihrer sind in jedem Eßig, den Ihr am Sal-
lat esset, viele tausend. Eben diese Aelchen, so heißen sie,
findet Ihr auch im Sauerteige, im Buchbinderkleisier und
in der Stärke. — Eine andere Art der Saamenthierchen
trinken wir mit dem Raffte, und zwar lebendig und mit
Haut
Haut und Haar. Denn diese Geschöpfchen können bey al-
ler ihrer Kleinheit Las siedendsieMasser vertragen, ohne zu
sterben.
Eine größere Art der Saamenthkerchen ist das Kugeln
thicv, welches man in Wassergräben antriff. Ihr könnets
oft, wenn Ihr recht gute Augen habet, ohne Vergrößerungs-
glas sehen. Schöpfet nur ein Glas voll solchen Wassers,
dann werdet Ihr grüne, oder auch blaue Kügelchen im Glase
sich immer um sich selbst herumdrehen sehen. Habet Ihr
-nun gar ein Vergrößerungsglas, so könnet Ihr io, 20, ja
wohl 40 kleinere Kügelchen im Thiere sehen. Das alte
Thier spaltet sich, die Jungen wälzen sich heraus, und i«
jed§m dieser Jungen zählet Ihr wieder Kind und Kindes,
find bis ins vierte Glied. Diese Kugelthierchen lieben das
Licht: denn immer versammlen sie sich in einem Glase an der
Seite desselben, die gegen das Licht gekehrt ist.
Nun, lieben Kinder, Ihr habet jetzt so viel aus der
Naturgeschichte der Thiere gelernt, als Eurem Verstände
und Gedächtniß dienlich ist. Freylich nur wenig, sehr
wenig, gegen die erstaunlich vielen Thierarten in der Welt
gerechnet, Haber ihr gesehen; denn es giebt von den Särp
gethicren über 400; von den Vögeln über 2000; von
den Amphibien 700; von den Fischen 2000; von den
Insekten 16000, und von den Würmern 6000, also ge-
gen 30000 Arten Thiere, die vielen tausend Arten noch gar
nicht gerechnet, die auf anderen Thieren wohnen. Und von
diesen 30000 Arten habe ich Euch nur die wenigsten, nur
einige merkwürdige genannt. Aber auch aus dem Weni-
gen, was Ihr gesehen habet, könnet Ihr doch viel, ach sehr
viel Gutes lernen, wenn Ihr nur wollet. Denn, Kinder,
die Werke Gottes sind ein großes, und bis zum Erstaunen
O 4 erbau-
216
Naturgeschichte.
erbauliches Buch: wer dieser Werke Gottes achtet, der hat
eitel Lust daran. 2ch hoffe daher, daß auch Ihr darauf
achtet, und also über das Gesagte Nachdenken werdet, um recht
demüthige, dankbare und gehorsame Verehrer des Herrn
zu werden, der die Thiere erschaffen hat. Bewundern und
ehren wir doch schon einen Künstler, wenn er Werke verferi
tigt, deren Einrichtung mit Klugheit angelegt, und deren
Zweck nützlich ist. Aber was ist ein menschlicher Künstler
gegen den Schöpfer! Was mepnet Ihr, wenn ein mensch,
licher Werkmeister auch so viel Geschicklichkeit hätte, die
Thiere, wovon 2hr einige Arten gesehen habet, zu bilden:
wie viele Millionen Hände wären da nöthig; wie unbe-
schreiblich viel und mancherley große und kleine Werkzeuge
wären erforderlich, wer könnte alle diefe Werkzeuge, wer
könnte die Zirkel, Messer, Scheeren, Zangen, Hobel, Beile,
Sägen, Nadeln, Pfriemen, Meisel verfertigen, so fein
verfertigen, als sie nörhig sind; wer könnte die tausender-
ley Figuren der Thiere erfinden; wer die Farben dazu
mischen, wer die feinen Pinsel dazu machen; woher
nähme man die Materialien; wer könnte diese Materia-
lien zum rechten Stoff zubereiten; wie viel Zeit müßte
ein Künstler zur Hervorbringung eines einzigen Colibrì ha-
ben, deren Zahl doch auf Millionen steigt: wie vieleJahr,
tausende würden alle Millionen Menschen — nehmet die
Engel dazu — zur Hervorbringung aller Millionen Eler
phanten und aller Millionen — Mäuse----------aller Millio-
nen Walisische — und aller Millionen Kugelthierchen zu,
bringen. Und sehet, der Allmächtige schafft sie alle durch
sein bloßes wollen: er gebeut, so stehts da. —- Aber ge,
seht, Kinder, der Mensch hätte die Macht, einige, auch
wol viele solcher Geschöpfe hervorzubringen: hätte Wohlsein
Verstand gewußt, einem jeden solchen Thier das rechtel^lcid
für
217
Das Thierreich.
für fernen Wohnort, die rechten Waffen für seinen Leind,
den rechten Schutz für seinen Körper, die rechten Nah.
rungswerkzeuge für seine Speise, das rechte Lutter
für seine Natur zu geben: hätte er nicht vielleicht dem
Schwan statt der Schwimmfüße die Rlaue des Adlers;
dem Stier vielleicht den Zahn des Clephanten; dem KaNtnr
chen etwa das Geweih des Hirsches gegeben; hätte vielr
leicht dem Landthier ein Steuerruder und dem Wasserthier
den Schweif der Landthiere angesetzt; dem Vogel Haare,
oder Schuppen, und dem Säugethier Ledern gegeben,
und so wäre denn das so eben geschaffene Geschöpf in wenü
gen Augenblicken wieder gestorben. Aber Ihr habet gesehen,
Kinder, daß der Allmächtige zugleich Allweife ist; Ihr
habet es gesehen, welch einen Reichthum der Weisheit er
dadurch gezeigt hat, indem er jedem Thier das rechte Ge-
wand, das schicklichste Vertheidigungsmittel, die nö-
thigen Langwerkzeuge, die passendsten Gliedmaßen,
die gehörige Ligur, die dienlichste Nahrung, den vor,
theilhaftesten Wohnort mittheilte. — Und nun bedenket
zugleich, Kinder, wie unnennbar und wie sehr anbetensr
würdig die Güte ist, mit welcher dieser Allmächtige und
Allweise die Thiere zum Nutzen des Menschen erschaffen har,
und erhält. Nicht wahr, Ihr findet es bestätigt, wenn cs
in der Bibel heißt: Gott ist die Liebe? Ihr kennet jetzt
einigermaßen die tausendfachen Vortheile des SchaafS, des
Stiers, des Pferdes; wisset manchen Nutzen, den unsdie
zahmen und wilden Thiere verschaffen; sehet es mir Euren
Augen, in welcher erstaunlichen Menge sich die Rinder, die
Schaafe, die Pferde, die Hirsche, die Hasen, die Hüner,
Gänse, Enten, Tauben, die Karpfen, Heeringe und Stocks
fische vermehren müssen. Was meynet Ihr, wenn es Gott
nun einmal verfügte, daß das Schaaf keine Wolle mehr
O 5 trüge;
2 I S
Naturgeschichte.
trüge; oder daß es den Trieb, sich zu begatten, nur alle
fünf Jahre empfände; oder daß die Henne im Jahre nur
ein Ey legte. Was meynet Ihr, wenn das zahme und
folgsame Rind nun auf einmal die Grausamkeit des Tyi
gers, das getreue Roß die Unbändigkeir u^d 'MuLh des
Panthers erhielt? Was würde geschehen, wenn der Adler,
der Habicht, der Geyer so viel Eyer legren, alk die Taube;
wenn die Frösche, Kröten, Evdechsen nun auf einmal mit
dem Stachel der Klapperschlange versehen würden? Oder,
wenn auch das nicht geschähe: was saget Ihr dazu, wenn
das gewaltige Roß seine Starke, der Hund sein Gebiß,
die Katze ihre Rrallen gegen den Menschen gebrauchen;
wenn alw unsere Hausrhiere, die vielen Pferde, Rinder,
Schweine, Hunde, Katzen das Joch abschütteln, und uns
den Krieg erklären wollten ? Sie könnens alle, wenn sie nur
wollen; aber sie dürfens nicht. Welche Güte, welche aNl
betungswürdige Güte Gorros gegen den Menschen, lieben
Kinder, predigt uns also die Naturgeschichte der Thierej
wie laut sagt sie uns: Gott ist die Liebe. O, Kinder,
hebet jetzt Eure Hände empor, zum Vater im Himmel, der
deswegen allmächtig und weise ist, um gütig zu seyn, um
gütig für den Menschen, gütig für Euch zu seyn. Hebet
sie empor, die Hände, kniet nieder und betet an den unber
schrerblich gütigen, freundlichen, zärtlichen, sorgfältigen Var
rer der Menschen: denn Er, der die Schicksale der Thiere
so weisheitsvoll ordnet, und ein jedes derselben durch so
wundervolle Mittel erhielt, thut dies alles zu Eurem Besten:
ft' ist die Liebe. — Zugleich wisset, lieben Kinder, daß
er, der alle diese Wunder für Euch verrichtet, es Euch auch
an andern Gütern nicht fehlen lassen wird. Und endlich,
Kinder, trachtet darnach, diesen majestätischen Herrn ber
ständig zu Eurem gnädigen Vater zu haben, damit Ihr
einst
219
Das Thierreich.
einst Ln andern Welten alle seine übrigen zahllosen Werke
sehen und ihn in alle Ewigkeit bewundern und anderen
wöget.
Ehe wir nun zu der Beschreibung der beyden übrigen
Reiche der Natur gehen, werdet Ihr mir wahrscheinlich ei,
nige Vorwürfe machen: Ihr werdet mich fragen, warum
ich Euch denn nichts vom Einhorn, vom Vogel Greif,
vom Phönix, vom Basilisken, und vom Meerungeheuer,
yemAraken, erzählt habe. Ich habe es deswegen un»
terlassen , Kinder, weil ich nichts von diesen Thieren weiß;
denn sie sind nicht in der Natur da, und nur abergläubige
Menschen wissen Euch viel von diesen genannten Thieren
zu sagen. Denn das Einhorn mahlt man Euch so natür»
lich, als obs würklich lebte; wie ein Pferd und mit einem
gewundenen Horn an der Stirn. Ja man verkaufte eher
mals mit erstaunlichem gewinn das Horn desNarwhalS,
den Ihr nun kennet, unter dem Namen des Horns vom
Einhorn. Man findet nemlich solche Narwhalshörner hin
und wieder in der Erde, wohin sie durch die S"ndfluth,
oder durch frühere Ueberschwcmmungen geführt worden sind;
ja in dem großen Berg Laukasus in Asien gräbt man ganze
Skelette solcher Seethiere aus. Aber, werden mir Eure
Eltern sagen: was steht denn Hiob zy, 9 —12. hier wird
ja ausdrücklich vom Einhorn gesprochen, und auch noch in
den Psalmen wird dies Thier genannt'. — Das Thier, Kim
der, was Luther, der damals von der Naturgeschichte sehr
wenig wissen konnte, Einhorn nennt, ist weiter nichts, als
der große afrikanische Büffel.
Vom Vogel Greif erzählt man, er habe einen Leib,
wie der Löwe, einen Kopf, wie der Adler, ungeheure
Llügel und hinten einen sangen Schwanz. Es hat aber
kein
220
Naturgeschichte.
kein Mensch ein solches Ungeheuer gesehen, und wirdsanch
nie sehen. Wahrscheinlich hat einmal ein Reisender, der
den Contur gesehen, aber nicht genau betrachtet hat, die,
sem — wie Ihr nun wisset — ungeheuer großen Vogel eine
noch ungeheurere Gestalt angcdichret, und ihm den Namen
Greif gegeben.
Nom rechten Basilisken habe ich Euch schon bey Gele,
genheit S. iz6 etwas gesagt. Hier muß ich Euch doch erzäh,
len, wie der Aberglaube den Basilisken, oder, wie ihn man-
che Leute nennen, die Hausunke, abmahlt: er sey, sagt man,
die Figur eines großen Vogels mit zwey starken Füßen und ei-
nem langen Halse. Auf dem Kopfe habe er drey Hörner,
die einer Crone ähnlich sähen; statt des Schnabels einen
langen, spitzigen Nachen mit schrecklichen Zähnen; und da-
her) fürchterlich drohende Augen. Am Hinterkopfe, Halse,
Rücken und Schwanz habe er große Stacheln. Der Schwanz
sey lang und wie ein Pfeil mit Widerhaken versehen, und
auf dem ganzen Leibe sey das Thier mit Schuppen besetzt.
Dabey sey dies Ungeheuer so giftig, daß sein bloßer Blick
schon vergifte. Es entstehe aus einem Hahneney, und
wohne in Kellern. Diese Beschreibung ist fürchterlich, nicht
wahr? Aber ich denke, jeder von Euch, Kinder, wird
gleichwohl in den Keller gehen, ohne sich vor dem Basilis-
ken zu fürchten.
Der Phönix, sagt man, wohne in Arabien; nur
da allein, und sonst nirgends, sey er zu finden, auch gebe
es nur eine einzige Person des Thiers. Wenn er nun alt
und schwach werde, so trage er sich einen Holzstoß zusammen
und verbrenne sich darauf. Aus der Asche des alten komme
dann ein junger Phönix hervor, der für seine Person auch
so lange lebe, bis er des Lebens müde sey. Wie er aussehe,
könne
221
Das Thierreich.
könne man nicht so recht sagen, weil dieser melancholische
Vogel sich selten sehen lasse.
Nun endlich ein paar Worte vom Rraken. Von die-
sem Thiere erzählen uns nicht bloß unwissende, sondern
manche gelehrte und rechtschaffene Männer, und unter am
dern ein verstorbener, sehr gelehrter Bischof in Norwegen,
Pontoppidan hieß er, folgendes:
„Er wohne im Meer, sey so gross als die Stadt Ham
nover; habe Fühlhörner, wie Mastbäume; gleiche der
Gestalt nach einer Spinne; komme alle Jahr einmal auf
die Oberfläche des Meers, um sich seines Unraths zu entlei
digen; fresse alle Jahr auch nur einmal; wenn er sich
herauf» oder hinunter bewege, könne sich ihm kein Schiff
auf eine Vierrelmcile nähern, ohne von dem Wirbel, den
das Thier mache, ergriffen und ins Meer gezogen zu wer§
den; er sey gleichwohl von vielen Menschen gesehen, und
das Daseyn des Thiers von eben diesen Menschen mir einem
feyerlichen, gerichtlichen Eyde bestätigt worden.^ Das,
und noch mehr erzählt man vorn Kraken. Aber, Kinder,
wenn man vomKraken immer bis auf eine Viertelmeile ent-
fernt bleiben muß: wie kann man ihn denn so genau sehen,
daß man sagen darf, er gebe seinen Unrath von sich? —
Wie kann man wohl erzählen, er fresse alle Jahr nur ein»
mal; da man ja ein ganzes Jahr lang bey ihm müßte ger
wohnt haben? Wenn man ein Thier beschreiben, und von
seinem Daseyn einen Eyd ablegen will, muß man es so nar
turhistorisch schildern können, wie Ihr jetzt, z. V. den Wall-
fisch, den Elephanten, den Strauß, die Biene, schildern könr
— Aber die Leute, die es sahen, haben's doch be-
schworen; sie müssen doch was gesehen haben. Fre-lig,
Kinder, haben sie etwas gesehen; aber was sie sahen, war
kein
was sie sahen, selbst für ein Thier hielten.
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Das Pflanzenreich.
Raupen einen Baum oder einen Stachelbeerbusch kahl ab-
gefressen haben. — Diese Blätter der Gewächse nnterscheir
den sich auf die bewundernswürdigste Art durch ihre Größe,
Figur, Farbe, Lage und Menge. Wie sehr sticht z. E. das
Blatt der Tanne vom Blatt der Klette ab.
Auch in den Säften der Pflanzen ist erstaunlich viel
Verschiedenheit. Einige haben einen milchigten Saft;
andere geben ein Gummi; verschiedene enthalten Harz;
manche bestehen aus (tampher; viele haben Honig; noch
andere Zucker; wieder andere wache u. s. w.
Die Fortpflanzung der Gewächse geschieht auf man-
cherlei) Arten. Viele vermehrt man durch Ableger (Absen-
ker) wie die Melken, Goldlak:c. Dies Mittel bra cht
bey manchen Gewächsen selbst die Natur: denn in Asten
gieöt es einen Baum, die bengalische Feige, deren Aesie
so tief auf die Erde hängen, daß diese Wurzel schlagen und
zuletzt einen ganzen Wald machen. Auch durch sogenannte
Stecker könnet Ihr Eure Gewächse vermehren, indem
Ihr nemlich einAestchen abschneidet und in frische, schatiigre
Erde stecket. Dies rhui man besonders mit Weiden, Nos-
marien, Myrthen, Goldlack, der weißen Viole (Viola
matronalis) der Paßionsblume, und vielen andern. Fer-
ner könnet Ihr die Augen (Knospen) der Bäume säen,
und es wird ein Baum daraus; oder Ihr könnet sie tnocu-
liren, d. i. ein solches Auge eines Baums in die Rinde ei-
nes andern bringen; oder Ihr könnet pfropfen, d. h. den
Zweig eines Baums in den Ast eines andern stecken. Sehr
viele Pflanzen, besonders die Zwiebelgewächse, vermehren
sich durch Junge. Und endlich, Kinder, geschieht die all-
gewöhnliche Fortpflanzung durch den Saamen. Dieser
Saame liegt in der Frucht des Gewächses und ist von er-
(Bürgersch. ir Bd.) P staun-
226
Naturgeschichte.
staunlich mannigfaltiger Bildung, Farbe und Größe. Ist
dieser Saamevon außen mit einem saftigen Fleische überzo-
gen, so beißt er eine Frucht, und zwar wird diese, wenn
sie ein Kernhaus (Kröbs) in sich faßt, Obst oder Kern-
frucht; wenn sie eine Nuß enthält, Steinfrucht, und
wenn bloße Saamenkörner in ihr besindlich sind, eine Beere
genannt.
Die Vermehrung der Pflanzen ist erstaunlich groß:
eine Tabackspflanze kann 40020 Saamenkörner geben. Wenn
nun alle die Körner aufgehen, so hat man also im zweyten
Jahre 1622,220.220 Körner. Auch der Mohn vermehrt
sich unglaublich; denn es giebt Köpfe, in denen man z622o
Körner zählt.
Das Alter der Gewächse ist höchst ungleich. Es giebt
Pflanzen, die ihr ganzes Leben nur auf einige Stunden
bringen, wie der Schimmel, dahingegen dir sogenannten
heiligen Eichen, unter welchen unsre heidnischen Vorfahren
den Göttern opferten, und manche Ceder auf dem Libanon
schon Jahrtausende gelebt haben. In Absicht der Dauer
theilt man überhaupt die Pflanzen ein: in perennirende,
(durch einen und mehrere Winter daurende) und in Som-
mergewächse, welche letzteren im Frühling aus dem Säu-
men entstehn, und im Herbste ihr ganzes Leben geendigt
haben.
Der Nutzen, den uns die Pflanzen bringen, Kinder,
ist unbeschreiblich, wenigstens müßte ich viele Bogen füllen,
wenn ich Euch nur etwas von den Vortheilen sagen wollte,
die uns die Gewächse geben. Denket nur einmal selbst über
die Worte der Schrift nach: Du lassest Gras wachsen
fürs Vieh, und Saat zu Nutz dem Menschen. Be-
denket, was würde geschehen, wenn Gott diese seine Ver,
heift
227
Das Pflanzenreich.
heiffung nur ein einzigsmal zurücknähme, wenn also in eü
nem einzigen Jahre kein Getreide für Menschen, und kein
Gras fürs Vieh wüchse: nicht wahr, Menschen und Thiere
würden Hungers sterben? Ihr kennet ja schon den Jammer,
der alsdann eintrift, wenn die Erndte in einem Jahre nicht
so gesegnet ist, wie gewöhnlich. •— Wie erstaunlich groß,
lieben Kinder, ist der Nutzen des Flachses: dies kleine
Hälmchen ernährt Millionen Spinnerinnen, Weber
und Handelsleute, giebt uns allen das sanfte, kühle und
bequeme Gewebe, die Leinwand, und schenkt in den
abgenutzten Lumpen dieser Leinwand das, so vielen Seegen
verbreitende Papier. — Wie bis zur Bewunderung man,
nigfaltig sind die eßbaren Baumfrüchte, und wie unaus-
sprechlich groß ist die Güte, mit welcher Gott bey einer je-
den in Hervorbringung ihres Geschmacks abwechselte. Alle
sind sie labend, stärkend, erquickend; aber eine jede schmeckt
anders, als die andere: die saftige Traube; diesüßeniedr
liche Kirsche; die klapperndeNuß; der rothwangigte, küh-
lende Apfel; die leckere, sanfte pfirfche; diebrauneBa«
stanie; die erfrischende Aprikose; die lockende Johannis-
beere, die fieischigte Zwetfche; die mürbe Birn; die lai
bende Erdbeere; die goldene Pomeranze; die mit Ho/
nigsaft sprudelnde Stachelbeere — doch, Kinder, wie
wäre ich wol im Stande, Euch den Geschmack aller der tau-
send Früchte zu beschreiben! Nicht wahr, man sollte den-
ken, Gott habe durch die allmächtige Bereitung derselben
einen vornehmen, mächtigen Gast bewirthen wollen? Aber,
was haben wir ihm zuvorgegeben, das uns könnte wieder
vergolten werden! Was ist der Mensch, daß Gott sein so
gedenkt, und was seyd Ihr, Kinder, daß er sich Eurer so
annimmt? — Zählet nun einmal wieder die vielen Gemü-
searten, und versuchet es, ob Ihr mir den angenehmen
P 2 Ge-
228
Naturgeschichte.
Geschmack einer j-eden beschreiben könnet. Sie alle sind uns
ein Labsal; aber keine Art derselben schmeckt wie die andere.
Wie anbetenswürdig ist also der freygebige Urheber dersel»
ben, deralles / was da lebt, mit Wohlgefallen sättigt. —
Dies, Kinder, ist nur noch wenig von dem, was ich Euch
über den Nutzen der Gewächse zu sagen hätte: alle unsere
künstlichen Getränke, den Thee, Kaffee, wein, Bier<
Brantwein, Chokolade geben die Pflanzen, und ernäh»
ren zugleich viele Millionen Menschen durch den Handel mit
ihnen. Die Gewürze erheben unsere Speisen und machen
ganze Völker reich; — die Baumwolle schenkt uns eine
mannigfaltige, nette und zierliche Kleidung; — der (Del;
bäum und viele andere Pflanzen träufeln das nützliche
(Del; — das Zuckerrohr schenkt uns denköstlichen, süßen
Saft und giebt vielen tausend Menschen Vortheil und Ge»
winn; — der Taback setzt unzählige Familien in Nah»
rung; — das Bauholz giebt uns Wohnungen, und vor»
trefliche Geräthe; das Brennholz erwärmt unsere Zimmer,
bäckt unser Brod, kocht unsre Speisen, braut unsere Ge»
tränke, dürrt unser Porzellan, unsere Ziegeln, und unser
Töpfergerathe; schmelzt unsere Metalle; giebt uns unserGlas.
Sehr viele Pflanzen mischen uns herrliche Farben: den blauen
Waid, den violetten Indig, den dunkelblauen Lakmus,
und der l^rapp giebt uns das herrliche Roth, und derSaf,
lor das schöne Hochgelb. — Viele tausend Pflanzen be»
fördern unsere Gesundheit, heilen unsere Wunden und
retten uns vom Tode, und noch mehrere tausend machen
unsere Hausthiere und unser Wildpret fett. Und nun,
Kinder, die tausendfachen Freuden, die uns die Blumen
darbieten: ihr künstlicher, die Allmacht des Schöpfers verr
kündigender Bau; ihre zur Anbetung Gottes hinreißende,
mannigfaltige Figur; ihre reizende Schönheit; ihre mar
jestä»
Das Pflanzenreich. 229
jestätische Pracht; ihre köstlichen Farben; ihr über alle
Beschreibung vielfacher , reizender und erquickender Duft;
die sanften, belohnenden Freuden des Gartenbaues: Kim
der, welche millionenfache Wonne in den Gewächsen; welch
ein anbetenswürdkger Gott, der sie schuf!
Und was meynet Ihr wohl, wie viel Arten dieser so
nützlichen Geschöpfe es giebt: man zählt 30000 bekannte
Arten, und da fast täglich neue Arten entdeckt werden, so
mags der unbekannten leicht auch auf 20 bis 30000 geben.
Freylich giebt es unter ihnen auch verschiedene schädr
liche: z. E. das Unkraut und die Giftkräuter; aber
auch diese haben unter gewissen Umstanden in der Arzneyr
kunst, im Viehfutter rc. ihren Nutzen, und dem Schaden
der letzteren könnet Ihr alle entgehen, wenn Ihr nie eine
Beere, eine Wurzel, ein 'Kraut, ein Körnchen esset,
was Ihr nicht genau kennet.
Uebrigens merket noch eine gewöhnliche Eintheilung
der Pflanzen, die nicht ohne Nutzen ist: Man theilt nenn
lich die Gewächse ein:
1) in Bäume, welches feststämmige, hohe, lange daur
rende, prächtige und schön in die Augen fallende Gewächse
sind. In Absicht der Figur ihrer Blätter theilt man sie
wieder ab in Laubhölzer, deren Blätter mehr oder wer
Niger die Gestalt eines Herzens haben; und Nadelhölzer,
die statt der Blätter aus spitzigem, steifen, den Nadeln ähnr
lichem Laube bestehen, wie Ihr z. B. an den Tannen, Ficht
ten rc. sehet.
2) In Straucher, deren Stamm zwar auch fest ist,
sich aber gleich über der Erde in Zweige vertheilt, und nur
eine geringe Höhe erreicht.
2ZO Naturgeschichte.
3) In Rräuter, deren Stamm, oder vielmehr Sten<
gel, jährlich aus der Erde hervorgeht, und am Ende des
Herbstes verdorrt.
4) In Palmengewächse. Diese Pflanzenarten über-
treffen zwar die Baume gemeiniglich an Höhe; haben aber
keine Aeste und Zweige, sondern Rnoten, die an dem präch-
tig-schlanken Stamm in besonderer Ordnung sitzen, und aus
ehemaligen, abgefallenen Blättern entstehen. Diese Blät,
ter fangen sich erst am Gipfel des Baums an, geben ihm
die prächtige Gestalt einer Krone, sind gemeiniglich von er-
staunlicher Länge und Breite, bleiben immer grün und trei,
ben zwischen sich die^ büschelförmigen Blüthen hervor, die
oft zu ungewöhnlich großen Früchten wachsen.
5) In Gräser; strohartige Gewächse, welche lange,
einfache, knotigte Fasern haben, aus welchen die Blatter
zusammengesetzt sind. Es gehören dahin alle Getreide-
und Schilfarten, auch der Flachs, Hanf rc.
6) In Farrenkräuter; Pflanzen, aus deren Wur-
zeln unmittelbar der Blätterstiel in Gestalt eines Strunks
hervorgeht, und an dessen beyden Seiten die Blätter wie
Zweige sitzen.
7) In Moose; Pflanzen mit sehr kleinen, aber doch
deutlichen Stielen, und eben so kleinen, krausen, immer
grünen Blättern.
8) In Pilze; weiche, saftige Körper, ohne Blätter.
Auf dem Strunk der meisten sitzt ein Hut oder Deckel; ei-
nige aber machen krause, den Hirschhörnern ähnliche Figuren.
Sre wachsen theils auf oder in der Erde: dann heißen diese
Gewächse eigentlich Pilze; oder an Bäumen, [barm nennt
man sie Schwämme. Unter den Pilzen sind die Mor-
cheln, die Trüffeln und die wohlriechenden Champignons
eßbar,
Das Pflanzenreich. 231
eßbar, den übrigen dürfet Ihr nicht trauen, und die stin/
kenden müsset Ihr durchgängig ungenossen lassen.
Nun, -Kinder, will ich Euch einige von den vielen tau,'
send Gewächsen nennen, von denen ich glaube, daß sie
für Euch merkwürdig sind. Ich will sie in alphabetischer
Ordnung hersetzen.
Die Acacia. Die ägyptische Art dieses nützlichen
Baums, der ägyptische Schlehenbaum, giebt das arabi/
sche Gummi, und der gemeine Acacienbaum (Scholens
dorn) kömmt auch bey uns fort. Seine weißen, wohlrie/
chenden Blumensträuße, die braunen, platten Schoten und
das lebhafte Grün der Blauer geben dem Baum ein schö/
nes Ansehen. Die Frucht dient zur Speise; die Blätter
und Schößlings zum Futter für Rindvieh rc. und das Holz
zu Tischlerarbeit.
Die Aloe. Dies Blumengeschlecht hat sehr viele Ar/
ten. Die berühmteste ist die americanische Aloe, ein un/
gemein prächtiges Gewächs, an dem kein menschliches Auge
sich je satt sehen kann. Sonst giaubte man, es blühe nur
alle hundert Jahre; man kann es aber in 25 Jahren zur
Blüthe bringen. Der Stamm wächst, so zu sagen, zusehends
bis zu einer Höhe von zo Fuß; die prächtigen Blätter stehen
wie die Arme an Kronleuchtern, und die herrliche gelbgrüne
Blüthe giebt einen köstlichen Duft. Dieser Baum ist für
die Americaner von unbeschreiblichem Nutzen: die Blätter
dienen ihnen statt Dachschindeln, auch machen sie aus den
Fasern derselben Schuhe, Gürtel, Mäntel, Stricke, Netze rc.,
aus dem Safte der Blume entsteht Honig, Zucker und
wein; aus dem schwammigen Wesen der Stengel macht
macht man Zunder, und die Stacheln des Baums brau/
«hen die Wilden zu Nadeln und Nägeln.
P 4 Die
I
2Z2 Naturgeschichte.
Die 2liiñnas, auch eine americanische Flucht auf einer
niedrigen Pflanze. Die Frucht, die ein schuppigter, gelber
mit einer Krone versehener Aapfen ist, har an Geschmack
ihres gleichen nicht, und übe n ist an Labung und Kühle,
und an Reichrhum des Saftes die köstlichsten Apricosen, Mer
lonen und Pirschen.
Asa foetidcr, (gemeiniglich Teufelsdreck) ein stinken»
des Harz, das zu Arzeneyen gebraucht wird. Man zieht
es aus einem persischen Kraut, Férula genannt.
Der Balsam von tltocc«, oder von Gilead, ist ein
flüßiges, feines, durchsichtiges, weißes Harz, von sehr anger
nehmen: Geruch. Es wird als Arzneymittel, und auch zur
Erhaltung der Schönheit gebraucht. Das Gewächs, aus
welchem dieses Harz kömmt, wird von den Türken, die mit
diesem Balsam handeln, als ein Geheimniß verschwiegen.
Das Baumöl ist der ausgepreßte Saft von einer
Frucht, die <I>live genannt. Der Olivenbaum, oder
der Oelbaum, wächst in Portugal, Spanien, Frankreich
und Italien sehr häufig: ganze iDlivenwalder giebts
da, und vielen tausend Menschen verschafft der Bau der
Bäume, und das Pressen des Oels große Nahrung. Der
Saft, der bey dem Pressen zuerst erscheint, giebt das weiße,
und also das beste Oei, das man an den Speisen gebraucht.
Zu den gequetschten Oliven giebt man Wasser, und macht
nun die zweyte Presse. Dies Oel ist schlechter, und noch
schlechtem fällt das Oel der dritten Presse aus. Man
brauchts zum Brennen, auch dients vielen Handwerkern.
In einem französischen Lande, das Provence heißt, wird
sehr viel gutes Oel gebaut: daher fordert man, wenn man
gute Maare haben will, provenceröl.
Der
Das Pflanzenreich. 233
Der BcrumwollensLrcruch ist ein Sommergewächs,
das in Griechenland, in Sicilien und anderen warmen eu-
ropäischen Ländern gezogen wird. Die Stande wird nur
zwey Fuß hoch, treibt aber eine große Menge purpurfärüi-
ger Glockenblumen, aus welchen eine eyförmige Fruchtend
steht, die die Größe einer Haselnuß hat. Ist diese Frucht reif,
so platzt sie auf; denn die darin befindliche Wolle, die sich
von der Wärme zu einem Ballen von der Größe eines Apfels
aufbläht, dehnt sie aus. Dies, Kinder, ist nun die nütz-
liche Baumwolle. Innerhalb der Wolle liegen sieben
schwarzgraue, wolligte Körner, von der Größe einer kleinen
Erbse. Diese werden gesäet, und in vier Monaten bringen
sie schon Baumwolle.
Das Brasilienhol; ist ein dunkelrothes, sehr schwer
res Färbeholz. Das schönste und beste wächst bey der Stadt
Lernambuek, in Brasilien; daher es auch Fernamvuckr
Holz heißt. In manchen Zuchthäusern werden die Züchtlinge
gebraucht, dies feste Holz zu Spänen zu raspeln. Wie
diese sehr saure Arbeit, die der strenge Gewaltiger oft mit
schmerzlichen Peitschenhieben begleitet, solchen Leuten schmekr
ken mag, die in der Jugend gefaulenzt haben, das, lieben
Kinder, möge doch ja keiner von Euch erfahren.
Der Brodbaum. Denket, Kinder, in einem Lande
® des fünften Welttheils kann man alle Tage sein Brod fin-
den, ohne das Korn dazu erst zu säen, zu erudten, zu dre,
schen, zu mahlen, zu backen: man darfs nur pflücken,
Gott selbst hats vorher gebacken. Dieses wunderbare Brod
wächst in der Gestalt eines großen Apfels an einem Baume,
der übrigens auch dem Apfelbaum gleicht. Die Frucht hat
vollkommen den Geschmack des frisch gebackenen Brodts;
behagtjedem, der davon genießt; hat ebenso, wie dasBrodt,
P 5 die
234
Naturgeschichte.
die nährende Kraft; läßt sich wie dasselbe zu mancherlei)
Gebrauch anwenden und hat überdem eine so liebliche Fri<
sche, als sie kein Becker seinem Brodle geben kann. Am
besten ist dies Himmelbrodt zu essen, wenn die Frucht nock-
grün ist. Man zieht dann die rohe Schaale ab, und schneir
det die Frucht in Stücken. Will man sie aufbewahren, so
dürre man die Stücken im Ösen, ober an der Sonne. Alsr
dann behalten sie die Eigenschaft des DrodtS einige Jahre
lang, so gut und noch besser, ais der Schiffszwieback der
Seefahrer. Achc Moirate im Jahr bietet dieser wohlthatige
Baum sein gesundes Brod; und in den übrigen vier Mo-
naren sammlet er neue Kräfte, um seinen Pflegern Speise
zu kochen.
Die Betelpflanze, eine Art Pfefferbaums in Asien,
dessen Blätter einen bitteren Geschmack und einen räthlrchen
Saft haben. Sie gleichen den Pomeranzenblattern, die
Frucht aber sieht aus wie ein Eydechsenschwanz. Es wird
in Asien mit diesen Blättern ein bis zum Erstaunen starker
Handel getrieben: denn, Kinder, eine Dose mit Betel,
Cardamommen, Gewürznelken und gebrannten Austerschaa-
len, eins ins andere vermischt, führt da jedermann, der
nur irgend Figur machen will, so wie man in Europa die
Schnupftabacködose führt. Ihr wollet wissen, was der Be-
tel in der Dose soll: man kaut ihn. Er färbt die Lippen
roch und giebt einen wohlriechenden Odem. Man reicht
sich in Gesellschaften die Veteldose eben so dienstfertig zu, als
unsre Schnupfer ihre Tabacködose.
Das Bambusrohr, eine Art Schilf in Indien, das
erstaunlich wuchert: denn man hat daselbst große, dichte
Wälder davon. Es wird 20 Fuß hoch, oft wie ein Manns-
schenkel dick, läuft aber immer dünner zu, und hat knotige
und
2Z5
Das Pflanzenreich.
und zugleich eingetiefte , sehr zierliche Absätze. Die India-
ner verfertigen sehr künstliche Sachen daraus, und aus
dem Mark machen sie Zucker, auch braucht man die zier-
lichsten Stücke darunter zu Spatzierstöcken. Seit eini-
gen Jahren werden sie zum letztern Gebrauch auch zu uns
gebracht, und schon manche deutsche junge Herren haben ihr
spanisches Rohr mit einem Bambusrohr vertauscht.
Die Birke, besonders die weiße Birke, ist ein ungemein
nützlicher europäischer Baum, den Ihr alle kennet. Wenn
Ihr groß werdet, müsset Ihr ihn ja häufig pfianzen: denn
er nimmt mit jedem Erdreich vorlieb. Sein weiches, dich-
tes, zähes und biegsames Holz ist sehr gut zu Leitern,
Hammerstielen und zu Drechsler- und Tischlerarbeit;
die Reiser braucht man zu Besen; die jungen Knospen ge-
ben ein (Del; die Blätter gewähren ein gutes Futter für
Ziegen und Schaafe und die äußere Rinde dient zu Schach-
teln, Börden und Schuhen. In Rußland zieht man
aus dieser Rinde ein Oel, Birkentheer genannt. Dies,
Kinder, ist das Oel, was dem Juchtenleder (Jufte) den an-
genehmen Geruch giebt. Aus dem geritzten Stamm der
Aeste gewinnt man im Frühling, ehe die Blätter auöschla-
gen, einen angenehmen, süßen und zugleich etwas säuerli-
chen Saft, den BLrkeuwein. Wenn Ihr diesen Wein
einst gewinnen wollet, müssetJhr die Oefnung an der Son-
nenseite des Baums machen. Ihr könnet in 24 Stunden
an vier bis fünf Kannen sammlen. Länger als 48 Stunden
dürfet Ihr den Baum nicht fließen lassen, sonst stirbt er.
Die Wunde muß mit einem von Werg umwundenen Pflock
verstopft werden. Der Wein läßt sich sogleich genießen;
Ihr könnet ihn aber mit Honig oder Zucker vermischen, und
gähren lassen.
Der
2Z6
Naturgeschichte.
Der Raffet. Dieser merkwürdige Baum, dessen Frucht
so manche Million Menschengaumen beherrscht, wächst in
Arabien, und zwar in einer Provinz dieses großen Landes,
die Jemen heißt. Der Baum ist nicht ansehnlich, denn
er wird höchstens zwölf Fuß hoch. Die berühmte Frucht
hängt in der Gestalt einer Vogelkirsche in den Winkeln der
Blätter, und diese Blätter gleichen den Lorbeerblättern, sind
aber etwas länger. Zn jeder Kirsche liegen zwey Kerne;
und dies sind eben die verführerischen Bohnen. Wenn diese
völlig reif sind, so wird die Kirsche, die vorher roth mar-
morirt war, dunkelbraun, und fällt von selbst ab, wie reife
Eicheln. Diese werden, wie bey unS die Knoten des Flach-
ses, auf einem Laken ausgebreitet, damit die äußere Schaale
aufspringe. Alsdann fallen die Bohnen heraus, und diese
werden dann auf einer Windmühle, oder auf einer Hand-
mühle von der innern Schaale gereinigt, und von aller Un-
reinigkeit gesäubert. Dann bringt man sie auf den Markt,
wo sie, wie bey uns die Erbsen, Scheffelweise verkauft wer-
den. Die Kaffeebäumchen sitzen über und übervoll Zweige.
Sie tragen das ganze Jahr, und so wie ein Zweig abgeleert
ist, kommen schon wieder Blüthen hervor. In Arabien
braucht man nicht die Bohnen, sondern die beyden äußeren
Schaalen zum Getränk, und dieser Kaffee heißt: Raffee
des Sultans.
Unsere besten Bohnen sind die 2lrabischen, oder —
in der Schiffersprache gesprochen — die Levantischen: sie
kosten auf der Stelle z ggr. und hier 16 ggr. das Pfund.
Der meiste Kaffee kömmt aus America, besonders aus West,
indien, wo er in unbeschreiblicher Menge gebaut wird, und
doch immer seine Abnehmer findet: denn, Kinder, so un-
nütz, gefährlich, kostbar und Zeitverderbend dies Getränk
ist, so strebt doch fast jeder Mensch nach diesem Wasser.
Neh,
2Z7
Das Pflanzenreich.
Nehmet einmal Eure Rechentafel; Ihr könnetS ausrechnen,
wie viel in Deutschland jährlich ohngefehr für Caffee ausgr-
geben wird. In Deutschland sind 30 Millionen Menschen.
Lasset von diesen 30,000,000 nur den vierten Theil, nemlich
7,zoo, 000, und zwar täglich nur einmal Kaffee trinken,
und gebet jedem nur ein Loth zumDreyer; sind 7Z Millio-
nen Dreyer; mit 96 dividirt, macht täglich viel über eine
halbeTcnne Goldes. Wir wollen aber nur diesehalbeTonne
Goldes, also zooooRthlr. annehmen. Dieft Sumnre schif-
ten wir Deutschen täglich nach Frankreich für Kaffee: was
machts nun jährlich?
Die Leder, (Leder auf Libanon) ein prächtiger, pyra-
midenförmiger, sehr hoher Baum, dessen Blätter wie kleine
Tannennadeln ausselM. Sein Holz ist wohlriechend und
giebt gute Tischlerarbeit.
Das Lampeschcholz, ein Färbeholz, daS beyC^m-
peche, in der amerikanischen Provinz -Honduras sehr häu-
fig wächst. Es ist wohlfeil und giebt durch Hinzusetzung
verschiedener Salze vielerley Farben, besonders aber eine
blaue Farbe.
Die Capern sind die mit Eßig oder Salz eingemachten
Blumenknospen einer niedrigen Staude, welche gemei-
niglich in den Fugen alter Mauern, in den Ritzen der Fel-
sen und auf lange gelegenem Schutte wächst. Man findet
sie in Frankreich, Spanien und anderen warmen Ländern
von Europa. Sie hat einen dornigten Stengel, und runde
glatte Blätter. Zwischen diesen wächst an einem langen
Stiele die Blume, die aus fünf großen, weißen, runden
Blättern besteht, und die Gestalt einer einfachen Rose hat.
Einige Stauden tragen auch bunte Blumen. Eine Ca-
pernstaude in Blüthe zu sehen, ist ein herrlicher Anblick, be-
sonders, wenn sie bunte Blumen hat. Aber sehr selten ge-
nießt
2Z8 Naturgeschichte.
nießt das Auge dies Entzücken, weil die menschliche Wollust
die Blume nur für den Gaumen gebraucht, und für
diesen Sinn ist die aufgeblühte Blume nicht mehr tauglich.
Will man daher dies reizende Geschöpf verspeisen, so darf
es das Alter seiner Schönheit nicht erleben; es wird schon
als Rnospe abgepstückt. Diese Knospen trocknet man im
Schatten, thut sie in ein Gefäß, schüttet Eßig darauf, und
läßt das Gefäß zugedeckt acht Tage stehen. Hierauf werden
die Knospen ausgedrückt, aufs neue mit Eßig begossen und
gleichfalls acht Tage hingesetzt. Dies Verfahren wird verr
schiedenemale wiederhohlt, und alsdann packt man diese mit
Eßig eingemachten Nosenknospen in Fässer, und verschickt sie
als Waare.
In-einigen Ländern salzt man die Kapern auch nur
trocken ein, und bringt sie in dieser Gestalt zum Handel.
Diejenigen Kapern, die eine lebhafte grüne Farbe
haben, sind die besten; denn diese sind noch frisch. Allein
so wie die Gewinnsucht den Wein durch Gift zu erhöhen
weiß, so hat sie auch die Kunst erfunden, alte verdorbene
Kapern schön grün zu machen; und dies geschieht durch
Rupfer: ein Handgrif, den sich freylich nur nichtswürdige
Menschen erlauben werden.
Einige französische Leckermäuler lassen sich auch die
Frucht der Blume einmachen. Diese besieht in nierenförr
migen Körnern. Man nennt sie in Frankreich, diesem
Lande der Ueppigkeit, Comidióte de Câprier.
Wenn wir Deutschen es uns nickt schon längst zur Pflicht
gemacht hätten, den französischen Beuteln Tribut zu bei
zahlen, so könnten wir unsre Heringssallate mit deutschen
Kapern garniren. Denn die in vielen Gegenden von
Deutschland sehr häufig wachsende Dotterblume leistet die
nenn
2Z9
Das Pflanzenreich.
nemlichen Dienste. Auch die Knospe der gleichfalls bey uns
wild wachsenden pfriemenftaude wird in Frankreich mit
Eßg eingemacht, und statt der Kapern verbraucht.
Die Chinarinde, (Fieberrinde) kömmt von einem
Baume im Königreich Petu, in America. Sie wird seit der
Mitte des vorigen Jahrhunderts von den Aerzten mit w
staunlich heilsamer Wirkung gegen das Fieber gebraucht.
Die Dattel, ist die Frucht einer Palme, die in Sy.'
kien, Persien und in Africa wächst. Die Frucht gleicht einer
Pflaume, und hat einen fieischizten Umschlag. Man ißt
sie roh, kann sie trocknen, ein Oel daraus pressen, kann Wein
von der Frucht machen, und aus den Körnern Mehl wahr
len. Die Blätter werden zu Dachschindeln, Matten,
Stricken rc. gebraucht.
Das Drachenblut, ist ein dunkelrother, harziger,
hartgetrockneter Saft, den man aus dem Drachenblutbanme,
oder auch aus anderen Pflanzen zieht. Es wird zu Arzer
neyen, zu Pflastern, zu Zahnpulver und zum Lackiren
gebraucht.
Die Zärberröthe, (der Krapp) eine nützliche Pflanze,
deren Wurzel ächt roth färbt.
Die Gewürznelke, ist die noch unvollkommene Blü-
the eines sehr schönen und seltenen Baums, der dem Lvrr
beerbaum ähnlich ist. Man findet ihn bloß auf der ostindir
schen Insel Amboina. Die reife Frucht heißt die Mutr
ternelke, die aber nicht so würzhaft ist, als die Blüche.
Das Zederharz, (Gummi elasticum) kömmt von einem
Baume in America. Dies sonderbare Harz läßt sich, wenn
es frisch ist, in allerhand Gestalten formen; und raubt man
ihm diese Gestalt durch den Druck, so nimmt es dieselbe sor
gleich wieder an, sobald der Druck aufhört. Dies Feder-
Harz
240 Naturgeschichte.
harz ist das beste Mittel, Eure pergamentenen Schreibtafeln
rein zu machen; auch könnet Ihr damit radiren, wenn Ihr
Euch verschrieben habet.
Gummi Guttä, ist der gelbrothe, trockene Saft ei«
neö Baums in Asien. Es wird zu Wasserfarben gebraucht;
Ihr müsset Euch aber hüten, etwas zn verschlucken: denn
es macht heftige Coliken.
Gummi Lack, ist ein Gemenge aus einem feinen Harz
und aus einem Wachs, das von den rochen oftindischen
Ameisen zusammengerragen wird. Es wird zu Siegellack,
Firniß und zur Bereitung des türkischen Leders gebraucht.
Harz ist ein fetter, öligter Saft, der aus verschiedenen
Pflanzen fließt, oder doch durch die Kunst daraus gezogen
wird. Das gemeine Harz kömmt aus den Tannen, Fichten
und Kiefern, wo es meist zwischen der Rinde und dem Holze
steckt und theils von selbst, theils durch gemachte Einschnitte
hervor quillt.
Die Ialappe, ist ein gutes Purgiermittel aus einer
rettigähnlichen Pflanze.
Die Indigopflanze, ein Gewächs in Ost/ und West,
indien, das den Färbern ein schönes B l a u verschafft; auch
die Mahler brauchen es, und unsere Wäscherinnen geben der
Wäsche damit eine bläuliche Farbe.
Der Ingwer, ist die Wurzel einer ostindischen Pflanze.
Der Dampfer wird aus den zerschnittenen Theilen des
Kampferbaums durchs Destilliren gezogen, und, wie Ihr
wisset, zu Arzeneymitteln, aber auch zur Feuerwerkerey
und zum Vertreiben schädlicher Insekten gebraucht. Man
findet den Baum sehr häufig in Asien.
Der
Das Pflanzenreich. 241
Der T^acáS, ein amsricanischer Baum. Die Frucht
desselben hat eine doppelte Schaale. In einer derselben lier
gen gegen 30 Saamenkörner, die man Kacaonüsse nennt.
Man preßt aus diesen Nüssen ein sehr wohlschmeckendes Oel,
und eben diese Nüsse sind es, die den wesentlichsten Theil
bep der Chocolade ausmachrn.
DerRalmus, ein Schilfgswachs, dessen eingemachte
Wurzel Ihr so gerne essen möget; sie wird auch zur Arzer
ney gebraucht.
Die Rartoffel. (Tartossel, Erdbirn) Dies ungemeiw
nützliche Gewächs, Kinder, kennet und liebet Ihr alle, wisset
aber noch nicht, was es für ein Landsmann ist. Es gehört irr
America zu Hause, von dannen im Jahr 1585 der hollänr
dische Admiral Franz Drake die erste Pflanze zu uns ger
bracht hat. Im Jahr 1616 wurden die Kartoffeln noch als
eine große Seltenheit blvs auf königlichen Tafeln verspeiste
und jetzt sind sie, wie Ihr wisset, so allgemein, daß man
sogar Drod daraus bäckt und weiße Stärke davon macht.
Wenn die Kartoffeln inwendig braune Flecken haben, welche
sie in allzufeuchtem Lande, oder bep einem allzunassen Som-
mer wohl bekommen können: dann sind sie schädlich zu essen;
denn sie verursachen die rothe Ruhr.
Der Rohlbaum, oder, wie er auch sonst heißt, der
königliche Malmeto, einer der prächtigsten Und höchstem
Bäume in der Welt. Er ist im südlichen America zu Hause.
Auf einem graven, schlanken, 200 Fuß hohen Stamms
wächst oben ein Dusch glänzender Blätter, die ihrer Längs
wegen zu Dachschindeln gebraucht werden, so wie man auch
Matten, Körbe und Sacke daraus verfertigt. Die Spitze
dieses Büschels endigt sich in einen aus vielen kleinen Blättern
bestehenden Kopf; und dies ist der sogenannte Rohl, der«
(Bürgersch. ir Bd.) & it*
242 Naturgeschichte.
in Suppen gekocht, nicht nur ein leckeres Gericht abgiebt,
sondern auch ein vortrefliches Mittel gegen den Scorbut ist.
Um einen so köstlichen Kohl zu bekommen, muß jedesmal
ein ganzer Baum abgehauen werden. Das Holz ist schwärz-
lich marmorirt und läßt sich gut poliren.
Der X\oi*oöbaiim, ist ein prächtiges Geschöpf und
ohne allen Zweifel der nützlichste Baum in der Welt; denn
alles an ihm, Schaale, Blätter, Saft und Frucht, so gap
das doppelte Gehäuse der letzteren giebt entweder Speise, oder
^".Trank, oder bequeme Geschirre, oderein anderes nützliches
Geräthe. Er wächst am schönsten in Asien, besonders in
Ostindien. Zwar ist er nicht so hoch, als der Kohlbaum,
har aber doch, wie dieser, einen nackten Stamm, der oben die
mit seiner köstlichen Frucht besetzte Krone trägt. Diese Frucht
besteht in einer Nuß, eines Menschenkopfs groß. Sie hängt
Gebündweise oben zwischen den Aesten des Baums heraus,
und liegt in doppelten Schaalen, wovon die äußere aus lau-
ter Fasern besteht, aus denen man Seile, die stärksten
Taue, Segeltuch und andere Gewebe spinnen kann. Die
innere Rinde ist schwarz und so hart, wie Stein. Man
drechselt sie und macht die niedlichsten Geschirre, Salzfäßer,
Dosen, Näpfe, Löffel :c. daraus. An dieser Schaale wächst
ein Kern fest, in dessen Höhlung eine süße, wohlschineckende
Milch eingeschlossen ist. Den Kern sowohl als die Milch
genieß: man roh, doch ist jener für Fremde schwer zu verdauen.
Desto besser aber gedeyhet dieser Kern, wenn er auf einem
Nelbeisen gerieben, gekocht wird. Eine solche Kokosnuß-
suppe sieht wie Milch aus und hat einen vortreflichen Ge-
schmack. Den größten Nutzen giebt diese Nuß, wenn sie
ganz trocken ist, denn alsdann liefert sie ein herrliches (Oel.
Man schneidet nemlich die trockene Nuß in kleine Stücke,
weicht
Das Pflanzenreich. 24z
weicht sie in Wasser und kocht sie. Während dem Kochen
steigt ein Schaum in die Höhe, den man abnimmt. Die,
ser ist das vortrefliche Oel, das zum Backen und Brennen
gebraucht wird. Allein diesen Nutzen gewährt bloß die Nuß.
Aber auch der Stamm selbst enthält ein sehr wohlthätiges
Nahrungsmittel. Wenn man nemlich die Spitze eines trag»
baren Zweiges abschneidet und eine Flasche daran hängt, so
träufelt ein köstlicher Saft hinein, der ein sehr labendes Ge/
tränk abgiebt. In zwölf Stunden läuft eine Flasche von
zwey bis drry Quartiren voll. Mit diesem Bokoswein
handelt man in vielen ostindischen Städten. Man kann die/
sen Saft auch zu einer Art Brandtewein, oder Arack de/
stilliren. Und dieser Arack, mit kochendem Thee, und etwas
Zucker und Zitronensaft vermischt, giebt einen sehr wohl/
schmeckenden Punsch.
So kann also der Indianer unter einem Dache mitKö,
kosblättern gedeckt, von einer Serviette aus Kokosbast
geflochten, mit Löffeln, aus der Kokosschaale geschnitzt,
aus einem Napfe von der Kokosnuß gernacht, Kokosi
suppe essen, die mit dem Holze des Kokosstammes gekocht
ist; kann aus einem Becher der Kokosnuß, Kokoswein
trinken, kann auf Matten dieses Daums schlafen, und sich
in einem tlíántel, von Kokosbast gewebt, cinhüllen. Oft
besteht auch ein ganzes Schiff, die Mannschaft ausgenomr
men, aus nichts anders als aus Bokos. Die Ladung ist
Kokoswein, das Holz des Schiffes ist Kckosholz, die Seeget
und die Taue sind von Kokosbast und die Victualien ebenfalls
Geschenke dieses wohlrhätigen Baums.
Der Lerchenbaum, ein Gewächs aus der Familie
der Nadelhölzer. Er trägt seine Nadeln in Büscheln, wird
50 bis 60 Fuß hoch, und hat ein dauerhaftes, mit Balsam
O. 2 durch/
244
Naturgeschichte
durchzogenes, unverwesliches Holz, weswegen es zuni
Schiffbau sehr nützlich ist. Aus eben diesem Holze wird der
venetianische Terpentin gezogen, so wie unser gewöhnli-
cher Terpentin aus Fichten und Tannen erhalten wird.
Das Manna, ist der harzigte Saft, der in Arabien,
Persien, aber auch in Italien aus einer Esche gezapft wird.
Man braucht es als ein beliebtes Purgiermittel, das Ihr
nicht ungern zu nehmen pfleget, weil es süß schmeckt. Es
kann aber auch ein Honig daraus bereitet werden. Wahr-
scheinlich war das Manna, was die Israeliten in der ara-
bischen Wüste sammelten, eine Art dieses süßen Harzes.
Der Mayo, (türkischer Weizen) eine ungemein nütz-
liche Frucht in America, die aber auch jetzt an vielen Orten
in Deutschland gebaut wird, und zu Brod und verschiedenen
andern Speisen gebraucht werden kann.
Der Muskatbaum, ein Ostindianer, so hoch, als ein
Birnbaum. Seine Blüthen sehen aus wie Kirschenblüthen,
die Frucht aber sieht einer Aprikose ähnlich, nur hat sie eine
dickere Schaale, fast wie die äußere Schaale der Wallnuß.
Wenn sie reif ist, platzt diese Schaale auf, und zeigt die
Nuß, die in ein Häutchen eingehüllt ist. Dies Häutchen
ist die sogenannte Muokatblüthe, (Muskatblume) welche
abgelöst, und zum Gebrauch an der Sonne gedürrt wird,
so wie man die Nuß gleichfalls sechs Wochen lang an einem
mäßigen Feuer trocknet. Hierauf wirft man sie in Kalk-
wasser, um zu verhindern, daß keine Würmer hineinkom-
men, und dann wirb beydes, die sogenannte Blume und
iTuß aus dem weiten Indien zu uns gebracht.
Die Myrrhe ist eins der ältesten und köstlichsten Arze-
veymittel, das wir aber fast immer verfälscht bekommen. Die
ächte
m
Das Pflanzenreich.
ächte Myrrhe ist ein getrockneter, harzigter, gummiartiger
Saft von einer Pflanze in Arabien, die wir noch nicht ge?
nau kennen.
Das Opium, ein schlafmachendes, aber auch oft
auf ewig einschläferndes und also, bey genommener Ueberr
maaße giftiges Arzeueymittel, was aus den größten, säst«
reichsten Köpfen des weißen Mohns durch Einschnitte ger
zogen wird. Die Perser pflegen das Opium sehr häufig
zu nehinen, um sich auf einige Stunden am Tage eine lm
füge Laune zu machen; sind aber diese entzückenden Minur
rcn vorüber, so erfolgt Iähnen, Grämlichkeit und Trübsinn,
und am Ende ein kurzes, höchstens fünfzigjähriges, mit man»
cherley Krankheiten verbundenes Alter.
Pech, ist das gekochte Harz der Nadelhölzer.
Der Pfeffer, wächst in Ostindien an einem Strauch,
der, wie unser HopHn, an Stangen gezogen wird, und
beynahe den Weinreben gleicht. Die Frucht zeigt sich in
kleinen Trauben, wie unsere Iohannrsbeertrauben, zwan,
zig bis dreyßig Beeren an einander. Diese Beeren sind
anfänglich grün, dann roth und endlich dunkelbraun und
runzlicht; und dies ist denn unser gewöhnlicher Pfeffer.
Wenn man diesem in heißem Wasser die braune Schaale
nimmt, so bekömmt man den weißen, glatten Pfeffer.
Der Pifangbaum, (Adamsftigenbaum) in Asien, ei,
nes der schönsten und vortreflichsten Gewächse auf der gan,
zen Erde. Es wird 24 Fuß hoch, und hat Blätter wie eine
Hausthür groß und eine Elle breit, die aber sehr dünne sind.
Man brauch: flezu Servietten und Tischtüchern, und hat also
nicht nöthig, sie zu waschen; denn man kann alle Tage eine
reine Serviette pflücken. Die Frucht ist sechs Zoll lang, von
der Dicke eines Hünereys, dreyeckigt, gclbgrün nnd über»
z trist
246 Naturgeschichte.
trist an Geschmack die leckersten italiänischen Feigen. Man
ißt sie roh: dann schmelzen sie im Munde; sie schmecken
aber auch gekocht, gebraten, oder eingemacht sehr lecker.
Wahrscheinlich ist der Pisang der Baum, von dessen Blätr
tern sich Adam und Eva die ersten Kleider machten.
Die Rhabarber. Dies sehr nützliche Arzeneymittel
besteht aus der Wurzel einer Pflanze, die in Siberien
und China sehr häufig wächst. Sie ist innerlich schön gelb,
mit rothen Streifen durchwachsen und mit einem rothgelben
Schleimsaft angefüllt«
Der Saflor, eine ägyptische Sommerpflanze, die
aber jetzt auch in Deutschland gebaut wird. Ihre Blume
enthält zweyerley herrliche Färbest, die von den Färbern ge-
braucht werden, nemlich gelb und schönroth.
Senega, eine americanische Pflanze, deren Wurzel
sehr kräftige Arzeneyen giebt. Vorzüglich wirksam ist sie ge-
gen den Stich der Klapperschlange.
Der Sago (die Mehlpalme) ein ungemein nützliches
Gewächs in Ostindien. Fast der ganze Baum, die einzige,
nur sehr dünne Ninde ausgenommen, ist Mark. Man
hauet daher den Baum um, knetet sein Mark, wäscht es,
und treibt es durch Siebe zu Körnern. Diese Körner wer-
den nach Europa gebracht, wo man die herrlichsten Sup^-
/^en daraus kocht. Drey Sagopalmen können einen
Mann ein ganzes Jahr lang ernähren.
Das Süßholz, ist die Wurzel eines Baums, der
^häufig in Deutschland, besonders in Franken wächst. Es
wird daraus der Lakritzensaft bereitet, den Ihr so gerne
essen möget.
247
Das Pflanzenreich.
Der Theestrauch, wächst in China, Japan und
andern Ländern von Asten. Man sammle! die Blätter im
Frühjahre einigemal; und die erste Sammlung, die die
zartesten Blätter enthält, giebt den besten Thee. Man
nennt ihn Rayserthee, und er darf nicht ausgeführt wer»
den. Das, was man uns Leuten als Kayserthee verkauft,
sind Blätter von der zweyten Sammlung. Wir könnten
diese fremde, und im Grunde schädliche Waare ohnehin
entbehren.
Der Topfbaum, (Kalbaschbaum) ein Americaner.
Dies sonderbare Gewächs bringt Früchte so groß, als der
größte Kopf unter Euch, mit einer harten Schaale, worin
vier große Nüsse liegen. Diese Nüsse werden entweder ger
gessen, oder man macht ein Getränk aus ihrem Safte, oder
man preßt Oel daraus; die Schaale aber braucht man zu
Trinkgefäßen und Töpfen, wovon wahrscheinlich der Baum
den Namen hat. Es giebt auch länglichte Früchte des
Baums, aus welchen man Flaschen macht.
Der Tulpenbaum, ein prächtiges Geschöpf, besonr
ders wenn es in Blüihe steht; denn diese gleicht der Tulpe.
Der Stamm hat zuweilen 30 Fuß im Umfang; man macht
daher ganze Hauser und Fahrzeuge aus einem einzigen
Stamm. Er ist auch in America zu Hause.
Die wachsmyrrthe, ein kleiner americanischer
Baum, der Beeren trägt, die ein förmliches Wachs ge/
ben. Man vermischt dies Wachs mit Talg und erhält dar
durch Lichter, die sehr sparsam brennen, und vortreñ'ck rie,
chen. Das Holz brauchen die Americaner zum Feuerzeug:
denn sie reiben zwey Stücke zusammen, und bringen dar
durch die Hölzer zum Brennen.
248 Naturgeschichte.
Der wein stock. Dieses wohlthätige Gewächs kein
net Ihr alle. Es stammt aus Indien, woher es ein im
Alterthum sehr bekannter Grieche, Namens Bachus, ge/
hohle und nach Griechenland verpflanzt haben soll. Man
that ihm dieses vortrcflichen Geschenks wegen göttliche Ehre
an. Von Griechenland aus ist der Weinstock in viele andere
Länder verpflanzt worden. Auch in den südlichen Gegenden
unsers deutschen Vaterlandes, wird Wein, und zwar ein
sehr guter, gesunder Wein gebaut, der nach den Flüssen,-
an welchen er wächst, Rhein- Mosler, Neckarwem
genannt wird, so wie der beste Frankenwein von einem
Berge Stein, Steinwein heißt. Wenn die Trauben in
den Weinbergen reif sind, werden sie gebrochen, Diese m
freuliche Erndte heißt die Weinlese. Die Trauben werden
dann mit bloßen Füßen zerquetscht, d. i. gekeltert, und
hierauf in einer Presse stärker ausgepreßt. Diesen Most
füllt man auf Fässer und läßt ihn gähren; dann wird er
getrunken. Die Weine, besonders aber die deutschen
Weine, schniecken am besten und sind am gesündesten, je
älter ste sind. Die getrockneten Beeren von süßen Traur
den heißen Rosinen. Die kleinste Art dieser Rosinen
wächst am besten bey der ehemals weltberühmten griechir
schen Handelsstadt Corinth; daher heißen sie auch Cor
r'inthen.
Der Zimmet kömmt von einem Baume auf der ostkn-r
dischen Insel Zeilon. Man kann dies herrliche Gewürz
nicht anders erhalten, der Baum muß denn geschunden
werden: denn es besteht in der mittleren Haut eines ger
wissen Lorbeerbaums. Obgleich dieser Baum durch Schär
len abstirbt, so wächst er doch so häufig, daß die Holländer,
heuen ein Theil der Insel zuyehört, oft lieber den Ueberfluß
des
§49
Das Pflanzenreich.
deS Zimmets verbrennen, ehe sie ihn wohlfeiler geben soll-
ten. — Der weiße Zimmer, oder Aanehl, kömmt von
einem amerikanischen Baum und ist das allerstärkste Ger
würz
Der Zucker. Dieses für Euren Gaumen so reizende
Salz ist daö Mark eines Schilfs, das in America in unbe,
schreiblich er Menge wächst. Man schneidet das Schilf,
säubert es von den Blättern, bindet es in Bündel, und
bringts in eine Mühle, wo der Saft herausgepreßt wird.
Dies ist schon Zucker, und Ihr könnet diesen Saft, der vor
einigen Stunden noch im Schilfe saß, sogleich in Eurem
Kaffee gebrauchen. Man darf jedoch diesen Saft nicht
lange stehen lassen, weil er sonst leicht gährt und sauer wird»
Er kömmt also in einen großen Bottkg, wo man ihn mehrt
mals kocht, bis er eine gewisse Dichtigkeit bekömmt. Um
dies zu befördern, thut man Kalk dazu, und giebt ihn dann
in Formen, wo er kalt wird. Dieser Zucker ist noch immer
nicht weiß, auch nicht fest genug, sondern krümlicht, schmie-
rig und grau: Ihr nennet ihn Puderzucker, die Kausieute
aber geben ihm den Namen Moscovade. Beym Kochen
bleibt noch immer manches Flüßige zurück, was gar nicht
gerinnen will. Aus dieser Flüßigkeit bereitet man einen
sehr guten Brandtewein, der Aum oder auch Taffra heißt.
•— Will man nun die Moscovade recht schön weiß haben,
so bringt man sie in die Zuckerraffineuren. (Zuckerfabri-
ken) Hier wird sie aufs neue in Kessel gebracht; man thut
etwas Eyweiß und Blut dazu, und laßt sie nun unter bestän-
digem Sieden und Umrühren tüchtig schäumen und ihre Un-
reinigkeiten von sich stoßen. Ist auf diese Art die Zucker-
masse völlig geläutert, so gießt man sie in Formen, die wie
spitzige Tiegel aussehen, läßt sie trocknen und fest werden,
und bewickelt sie alsdann mit blauem Papier. Auch nach
Q. 5 dem
2so Naturgeschichte. Das Pflanzenreich.
dem letzten Sott bleibt noch immer etwas Flüßiges und
Schmieriges übrig, was nicht fest werden will: und dies,
Kinder, ist dann der Syrup. Will man Aandelzucker
(Zuckerkandis) haben, so wird der noch flüßige Saft mir
Wasser gesotten, bis er dick wird. Dann giebt man ihn
in ein rrrdenes Geschirr, das mit Fäden durchzogen ist.
An diesen Fäden kandirt die Materie, das heißt, sie
schießt in lauter Krystallen an; und so ist denn der Kandelr
zucker daraus entstanden.
Das Mineralreich
^j^ie Mineralien, Kinder, machen, wie Ihr nun wisset,
rdie dritte und letzte Hauptklasse der Körper aus, und
bestehen aus solchen Körpern, die nicht freywillig sich bewei
gen, wie die Thiere, nicht durch innereNahrungssäste leben,
wie die Pflanzen, sondern nur wachsen, und zwar so, daß
sie ihre Masse durch neue Theile vermehren, die sich von
außen ansetzen. Die Materialien, woraus die Natur
diese Körper baut, nimmt sie aus dem Stoff verfaulter
Thiere und Pflanzen, und selbst aus dem Stoff zur Erde
gewordener Mineralien, wie sie aber baut, wie sie arr
beitet, wie lange sie arbeitet, ehe z. E. ein Klümpchen Erde
zu Gold wird: das, Kinder, wissen wir nicht, weil es um
möglich ist, daß ein menschliches Auge der in ihren Werkstätt
ten arbeitenden Natur zusehen kann.
Auch diese Körper, die wir Mineralien nennen, leisten
dem Menschen sehr mannigfaltigen Nutzen; und einige,
z. V. das Eisen, können wir Menschen in unserer jetzigen
Verfassung fast gar nicht entbehren. Ich will Euch daher
den Nutzen eines jeden einzelnen nennen, wenn ich Euch
von Ihren Arten erzähle. Da jedoch auch diese Körper bis
zum Erstaunen zahlreich sind, so kann ich Euch nur die
merkwürdigsten derselben nennen. Damit Ihr aber auch
diese wenigen gründlich kennen lernet, so müsset Ihr Euch
die Eintheilung der Mineralien merken. Man theilt sie
nem<
2s2
Naturgeschichte«
nemlich in fünf Hauptklassen ein, und zwar r) in Er-
den, 2) in Salze, z) in Steine, 4) in Erdharze,
.5O in Metalle.
1) Die Erden.
Die Körper, die wir Erden nennen, unterscheiden sich
von andern Körpern durch folgende Merkmale: Ihre Theile
hängen nur sehr leicht zusammen; man kann sie leicht zer.'
reiben, aber nicht ausdehnen, wie man etwa Metalle aus,
dehnen kann; auch könnet Ihr sie nicht im Wasser ausiö-
sen, so wie Ihr manche Salze aufiöset, und Ihr könnet sie
nicht im Fruer verbrennen, wie die Harze. Es giebt
vlererlev Hauptarten, nemlich:
3. Staub-Erden, oder solche Erden, die nur sehr leicht
Zusammenhängen, und die im Feuer nicht verhärten. Die
merkwürdigsten unter diesen Erden sind die Farbenerden.
Sie werden, wenn ste von ihren fremden Theilen gereinigt
sind, von den Mahlern als Farben gebraucht. Wenn diese
Farben trocken aufgetraqen werden, heißen sie Pastellfar-
den, mit Firniß vermischt aber <1>elfarben.
b. 'Ralkartige Erden, oder solche Erden, die im
Feuer zu Kalk werden. Es gehören dahin: die Kreide. Sie
wird, wie Ihr wisset, zuin Schreiben und Malen gebraucht.
— Die Mondmrlch, eine feine, weiße Erde, die man
in Felsenklüften und Steinritzen findet. Da sie wie Mehl
aussieht und deswegen auch den Namen Himmelsmehl
führt, so müsset Ihr Euch ;a hüten, sie für würkliches Mehl
zu halten, oder wohl gar, sie zu essen, denn sie ist giftartig,
und manche Menschen, die sie aus Irrthum zum Brode ge-
gacken haben, sind davon krank geworden. — Die Mer-
gelerdss wird von allen Farben angetrossen, und in Deutsch-
land
Das Mineralreich.
LsZ
kand auf Aeckern, Wiesen, bey Quellen und anSgetrockne-
teu Morästen gefunden. Man braucht sie als Dünger. —
Die Gipoerde wird im Feuer zu einem Pulver, bas, wenn
man es mit Wasser vermischt, in einigen Stunden so hart
wird, wie Stein, und dann heißt es Sips. Man formt
aus dieser Gipserde die mancherley weißen Köpfe, Bildsäru
len und andere Figuren, welche die Italiäner auf unfern
Jahrmärkten herumtragen.
c. Die thonartigen Erden. Diese werden im
Feuer hart. Dir vornehmsten sind: der Leim, eine zum
Häuserbau, zum Ziegelbrennen :c. sehr nöthige Erde. —
Die Thonerde. Man findet diese Erde von allen Farben,
weiß, schwarz, gelb, roch, grün und blau. Sie ist zäher
und reiner, als der Leim, läßt sich auf der Scherbe drehen,
und nimmt jede Gestalt an, die man ihr geben will, behält
sie auch, wenn sie gebrannt wird, und ist daher, wie Ihr
nun selbst denken könnet, eine sehr nützliche Erde. Ohne sie
würden wir die mancherley irdenen Küchengeschirre, als
Töpfe, Schüsseln, Tiegel, Näpfe, Krüge ic. nicht haben, die
uns der Töpfer macht und uns so sehr wohlfeil verkauft, und
so viel tausend Töpfer selbst wären nicht in der Welk. Ohne
diese Erde hätten wir auch das herrliche Porzellan nicht,
das ein gewisser Apothekergeselle, Namens Ioh Friedrich
Böttcher im Jahr 1702 zu Meißen erfand. Er wurde
zum Lohn für seine sehr nützliche Erfindung in den FreyherrUr
stand erhoben. Lange war dies Meißnische, oder Dresde-
ner Porzellan das einzige in Europa und das beste in der
ganzen Welt: nachher aber hat man zu Berlin, zu Für-
stenberg im Herzogthum Draunschweig, zu Wien, Ru-
dolstadt, Ilmenau im Herzogthum Weimar und an an-
»^rn Orten Porzrllanfabriken errichtet, worunter jedoch die
Arber-
2s4
Naturgeschichte.
Arbeiten aus Meißen und Berlin den Vorzug haben. Auch
die Fayance ist aus Thonerde, und ohne sie würde also
die Fayancefabrik zu Münden ihrDaseun nicht haben, und
wir würden so manches nette Geräthe entbehren müssen.
Das englische weiße und strohgelbe Steingut, was Ihr
auch wohl, aber mit Unrecht, englisches Porzellan zu nen-
nen pfleget, wird gleichfalls aus Thonerde gemacht, so wie
auch die eigentlichen weißen Tabackspfeifen alle aus Thon
verfertigt sind. Es würden also ohne Thon viele tausend
Künstler und Handwerker mit ihren Familien eine andere
Lebensart ergreifen, viele Kaufleute würden mancherlei
Nahrungszweige missen und Millionen Menschen so vieler,
lev höchst bequeme, nothwendige und schöne Geräthschafien
entbehren müssen. — Der Bolus, eine fette, zähe und
klebrigte Thonerde, die gemeiniglich roth- aber auch weiß
gefunden wird, dient zu Pfeifenköpfen , Theegeschirren rc.
Eine verhärtete Art des Bolus ist der Röthel, den Ihr
zum Zeichnen und Schreiben gebrauchet. — Die Seifen,
erde, (Walkererde) eine sehr zähe Erde, die im Wasser
schäumt. Man macht Fleckkugeln daraus, und braucht sie
beym Walken der Tücher. — Der Tripel wird zum Poli,
ren des Glases, des Metalls :c. gebraucht. Er hat seinen
Namen von der Stadt Tripolis in Africa, wo man ihn
zuerst gefunden hat. — Der Schiefer, eine graue, blaue,
auch wohl schwarze Thonart. Er läßt sich in dünne Plat,
ten spalten und wird dann zur Bedeckung der Thürme und
Dächer, zu Tischen, Rechentafeln, Fußboden in Zimmern rc.
gebraucht. Man findet zuweilen Abdrücke von Fischen
und Mahlcreycn von Blumen darinn. Woher das wol
kommen mag? Wenn der Schiefer in der Erde, oder im
Wasser noch weicher Thon ist, und eine Welle wirft einen
Fisch,
Das Mineralreich.
Fisch, oder sin Bäumchen mit Gewalt an Len weichen
Schiefer: nicht wahr, so drückt sich die Figur ein?
d. Die kieselartigen Erden. Diese Erden wer den
im Wasser nicht weich, und im Feuer nicht zu Kalk; dage-
gen werden sie mit Potasche zu Glas. Es gehören dahin
der Steinsand. Er besteht aus lauter kleinen weißen oder
gelblichten Körnern, und wird zum Streuen undbeyMauer-
arbeilen gebraucht. Sind diese Körner groß, so heißen sie
Kiesel. Vendes Kiesel und Steinsand wird zum Verferti-
gen des Emails, des Steinguts und des Glases ge-
braucht. Ihr wolltet gern wissen, wie das Glas gemacht
wird: nicht wahr? Man nimmt dazu, wie gesagt, Sand,
Kiesel, Feuersteine und noch andere Srernarten; und diese
werden in einem Ofen geschmolzen. Damit das Schmel-
zen leichter geschehe, mischt man Salz und Asche dazu.
Der Ofen, worin diese Masse geschmolzen wird, sieht bey-
nahe aus, wie ein Backofen. Einige Tage muß das Ger
mengsel in den SchMolzüegeln, oder wie es die Glasmeister
nennen, Hafen stießen; dann wird die flüßige Masse von
allen fremden Körpern, die nicht durchs Schäumen Wegge-
hen wollen, gereinigt: geschreckt nennt man es in der
Kunstsprache. Dies geschieht dadurch, daß man die flüßige
Masse mit Löffeln ausschöpft und in kaltes Wasser gießt.
Hier erhärtet es zu Stücken, und diese Stücke werden wie-
der in den Häi'en gebracht und aufs neue geschmolzen. Nun
ist die Masse so weit, daß ihr der Arbeiter die Gestalt einer
Douteille, eines Bierglases, einer Scheibe rc. geben kann.
Dies geschieht vornemlich mit einem eisernen Dlaserohr.
(kunstmäßig: Pfeife) Der Arbeiter taucht nemlich das eine
Ende des Rohrs in die Glasmasse, und giebt dieser daran
hängenden Materie durch Blasen mir dem Munde und durch
bestan-
2s6
Naturgeschichte.
beständiges Schwingen des Rohrs eine Gestalt, welche er
will, wobey er, um die Form heraus zu bringen, noch ein
anderes Instrument, die Scheere, gebraucht. Wird die
Glasmüterie wahrend des Vlasens hart, so halt sie der Ar«
beiter wieder ins Feuer. Das Blasen geht erstaunlich ge«
schwinde, und ein Mann kann in einem Tage einige hundert
Bouteillen blasen. Was eine Scheibe werden soll, wird
vorher zur Gestalt einer Dute geblasen, und dann durch
Kunstgriffe zu einer Platte geformt. Zum grünen Glase
nimmt man blos Sand, Asche und Kochsalz ; zum weißen
Glase wird geschlemmter Sand, Quarzkiesel, Kreide, Braun«
stein und Arsenik genommen. Und werden diese Dingt
recht sorgfältig ausgelesen, so entsteht das schöne Nryftall«
glas. Will man blaues, rothes-c. Glas haben, so wird
die Glasmaterie vorher mir solcher blauer, rother rc. Farbe
vermischt, die im Feuer besteht. Die Kunst, solche schöne,
Helle, durchsichtige, bequeme und doch zugleich wohlfeile Ge«
schirre zu bilden, als das Glas ist, verdanken wir dem nem«
lichen Volke, das den Purpur erfand. Wisset Ihrs noch
zu nennen? die Phönizier waren es. Schon zu Hiobs
Zeiten übten sie diese Kunst, hielten sie aber auch sehr ge«
heim, so daß das Glas eben so geachtet wurde, als Gold;
und wenn man in jenen Zeiten eine Mahlzeit als sehr prachr
tig beschreiben wollte, so hieß es: man hat aus Glas
geirünken. Wie unaussprechlich groß der Nutzen dieser
Erfindung ist, das sehet Ihr schon, wenn Ihr in eine Stube
tretet: denn Ihr findet da das Tageslicht völlig hell und
rein, und seyd doch zugleich vor der Strenge der Luft sicher.
Beyöes verdanket Ihr dem Fensierglase. Hätten wir kein
Glas, so kennten wir die vielen Welten Gottes über uns>
die Sonnen und Erben, nur noch sehr wenig, auch wüßten
wir gar nichts von den Millionen Thieren im faulen Wasser,
im
Das Mineralreich. 257
im Eßig re.: denn wir hätten ja keine Fernröhre und keine
Mikroscope. Rechnet nun noch den vielfachen häuslichen
Nutzen und die große Bequemlichkeit der gläsernen Ge-
schirre, als der Spiegel, der Brillen, der Boukeillen, Fläsch-
chen, Trinkgläser, Arzneygläser rc. und ihre erstaunliche Vor-
theile für so viele Glasarbeiter und Handelsleute: so könnet
Ihr Euch einigermaßen einen Begriff vom Nutzen einer
Materie machen, die wir, wie Ihr nun wisset, aus Kiesel,
fand, Asche und Salz schmelzen, und die das Blaserohr des
Arbeiters formt. — Zu den kieselartigen Erden gehören auch
die Basalte. (Säulensteine) Diese bis zum Erstaunen
merkwürdigen Geschöpfe sehen gerade so aus, wie Säulen;
man sollte glauben, der Steinmetz habe ste nach Winkel
und Maasstab gehauen und gerichtet: so künstlich sehen sie
aus. Völlig gewiß weiß man noch nickt, wie ste entstanden
sind; wahrscheinlich aber sind sie bey großen Erdbrä?-den in
der Erde aus verschiedenen Steinen, Harzen und andern
Mineralien zusammengeschmolzen, und dann bey plötzlicher
Erkältung in die sonderbare Gestalt gesprungen, die sie ha,
ben. Der merkwürdigste Ort, wo diese Ba'alre gefunden
werden, ist die Fingalshöle auf der schorrländifchen Znsel
Staffa, wo man viel tausend solcher Säulen auf einer
Stelle sieht. In der Ferne lassen sie wie Säulen eines un-
vollendeten ungeheuer großen und prächtigen Pallastes; in der
Nähe aber kömmts einem vor, als habe der Arbeiter der Na,
tur sie mit gewaltiger Macht aus der Erde herausgesprützt.
Unvollkommene, aber doch inrmer sehr merkwürdige Säulen,
steine finden sich auch im hannöverischen Lande, und zwar
bey der Stadt Dransfeld auf dem Dransberge. Zch mögte
Euch gern mehr von diesen seltsamen Geschöpfen sagen, aber
Ihr könnet es noch nicht recht begreifen.
R
(Bürgersch. ir Bd.)
2)
2s8
Naturgeschichte»
2) Die Satze.
Die Salze sind solche mineralische Körper, die sich
nicht nur im Wasser auflösen lassen, sondern die auch auf
der Zunge einen starken Geschmack geben. Werden sie
im Wasser aufgelöst, und verdunstet hernach das Wasser
wieder, was zu ihrer Auflösung nöthig war, so schießen sie
in Ecken zusammen, und werden wieder fest, wie Ihr das
an unserm Küchensalze sehet. Diese Eigenschaften haben
alle Salze; einige aber unterscheiden sich noch durch folgende:
manche schmelzen im Feuer; manche bleiben darin unver-
ändert, und manche gehen im Feuer davon, oder sind
-fluchtig Als mineralische Körper betrachtet, findet man
die Salze in der Erde; man kann aber auch aus Pflanzen
und Thieren durch die Kunst Salze ziehen; so enthalt z. B.
jede Holzasche SaI, und daß das Zuckerrohr ein Salz ent-
halt, wisset Ihr auch. Wie man die Salze eintheilt, das
müsset Ihr Euch merken, Kinder; man hat nemlich: 1)
saure Salze, 2) Lauge;;salze, (auch alcalische
genannt) z) HT i 11 c I sa lz e.
Die sauren Salze haben den Namen von ihrem
Geschmack: denn sie ziehen auf der Zunge zusammen. Es
gehören dahin; Der Vitriol, wovon es verschiedene Ar/
ten giebt. Er wild von den Färbern gebraucht. — Der
VÜcinftein, der sich au dem Beden der Weinfässer anzusetzen
pflegt. — Der Alaun, wächst theils gediegen, theils wird
er aus Erzen, Steinkohlen ;c. gesotten. Die Mahler,
Zuckersieder, Paprei macher und viele andere Künstler brau-
chen ihn.
Die Laugensalze, (alcalischen Salze) haben auch
einen scharfen und zugle-ch beißenden Geschmack und schmelr
-eu im Feuer. Es gehören hjeher, um Euch wenigstens
einige-
Das Mineralreich. 2^9
einige Arten zu nennen, das SeLtersalz und die Pot*
asche.
Die Mittelsalze haben diesen Namen, weil sie
aus Vermischung eines sauren und eines Laugensalzes
entstehen. Es gehören dahin:
i) DaS Rüchensalz. (Kochsalz) Ihr kennet es alle,
weil es unter allen Salzen seines großen Nutzens wegen das
bekannteste ist. Wie aber dieser heilsame mineralische Korr
per gewonnen wird, das wisset Ihr nicht, und das muß
ich Euch kürzlich sagen. Das Küchensalz kömmt entweder
aus Salzquellen, oder aus Salzstem, oder aus dem
Meerwasser. Das Salz aus den Quellen heißt Brunnen-
salz, und wird auf folgende Art bereitet. Man siedet das
aus der Salzquelle geschöpfte Wasser, oder die Sole, in
bleiernen Pfannen, solange, bis das Salz zusammen-
schießt, sich körnt und in der Form kleiner Arpstalle zu
Doden fällt. Diese Krystalle werden mit hölzernen Instrur
menten Ln kegelförmige Körbe geschaufelt, aus denen das
wilde Wasser vollends abläuft. Nun bringt man das Salz;
in die Darrstube, trocknet es und schlägt es in Fässer; und
so wird denn nun dies höchst heilsame und unentbehrliche
Gewürz verfahren. Zuweilen hat eine Salzquelle zwar viel
Wasser, aber nicht viele Salzt heile. In diesem Falle würde
man Lange kochen, und also viel Frurung verbrauchen müs-
sen, um das darin befindliche Salz zu gewinnen, Ist nun
die Gegend arm anHolz oder anKohlen—- denn zum Salz-
sieden wird gar viel Feuruug erfordert — so gebraucht man.
Um das viele wilde Wasser von den Salztheilen zu scheiden,
folgendes Mittel. Man baut große Wände von Reiswerk
auf: über den Wänden liegen Kasten mir Löchern. In diese
Kasten wird das Salzwasser durch Pumpen geleitet, und nun
tröpfelt es aus den Löchern der Kasten herunter auf die vier
J
L6s
Naturgeschichte.
len Reiser. Durch das Tröpfeln nimmt die Lust, der Wind
und die Sonne einen großen Theil deS wilden Wassers weg,
das übrige aber fällt in Pfannen, die unter dem Neiswerke
liegen; aus diesen Pfannen wirds in die Salzsiederei) (Salz»
kothe) geleitet, gekocht, gedürrt und verpackt. Man nennt
solche Reiswände, an denen das Salz von dem übrigen
Wasser geschieden wird, Gradierwände, oder Gradiert
Häuser. — Ich habe Euch gesagt, daß es auch Steinsalz
giebt. Dies Salz befindet sich in Steinen, die von Berg«
leuten aus Bergwerken gegraben werden, daher es auch wol
Bergsalz heißt. Wenn es ganz rein ist, so wird es in Stücke
geschlagen und sogleich verbraucht; ist es aber mir fremden
Körpern vermischt, so giebt man Wasser dazu und siedet eS
mit Quellsalz. Die dritte Art des Kochsalzes bereitet die
Sonne aus dem Meerwasser; denn das Meer- oder Seer
wasser hat sehr viele Salztheile. Man gräbt nemlich am
Ufer des Meers Gruben und läßt Meerwasser hinein lau«
fen. Die Sonne zieht nach und nach die Wassertheile auS,
und das Salz bleibt zurück. Dies Meer - oder Boysalz
ist aber nicht so rein und weiß, als jene beyden Arten. Es
ist übrigens kein Land in der Welt, was so reich an Salz
ist, als unser liebes Deutschland; selbst unser hannöverischeS
Land har sehr viele Salzwerke. Daß der Regierer der Nar
tur dies so sehr heilsame Gewürz täglich in immer nölhiger
Menge zu unserm Besten entstehen läßt, erfahren wir; aber
wenige Menschen erkennen diese Wohlrhat — 2) das Bit,
tersalz, auch ein Mittelsalz; hat seinen Namen vom bittr
ren Geschmack. Es wird in verschiedenen Gesundbrunnen
und Bädern gefunden, und aus solchem Wasser gesotten.
Man braucht es als Ourgiermittel, das Ihr aber nicht
gern nehmen möget. Hieher gehört das Englische, das
Egeesche und das ScidschützerSalz; dasSlcrubersche
Salj
Das Mineralreich.
261
Galz aber wird durch Kunst bereitet. — z) Der Salpeter.
Dies so merkwürdige und nützliche Salz macht sechseckigte,
lange Krystallen, kühlt auf der Zunge und verbrennt, wenn
man es an glüende Kohlen bringt, mit Zischen und einer
Hellen, weißblauen Flamme. Der gute Salpeter ist rein,
weiß und durchsichtig. Allein in dieser Gestalt wird er nicht
unmittelbar gefunden, sondern die Hand des Menschen be;
reitet ihn aus Mist, Urin und faulenden Körpern; auch an
steinernen und leimernen Wänden, an welche keine Sonne
scheint, sitzt er sich an. Der Nutzen des Salpeters ist unr
gemein beträchtlich: er ist beym Einsalzen und Räuchern des
Fleisches ein sihr nöthiges Gewürz; viele Handwerker und
Künstler können ihn nicht entbehren; die Aerzte bereiten
aus ihm Arzeneyen, und endlich macht er auch den wesentlichen
Theil bep einem gewissen Pulver aus, das schon viele Millio-
nen Menschen ums Leben gebracht, unzählige ärgere in
Krüppel verwandelt, uizd manche blühende Stadt in einen
Aschenhaufen verkehrt hat. Ihr fraget mich, was das für
ein Pulver sey: das Schießpulver-' ist es; denn es besteht
aus Salpeter, Schwefel und Holzkohlen; und ein gewisser
Mönch, Barthold Schwarz, erfand es im vierzehenden
Jahrhundert. Zhr möget gern mit dieser furchtbaren Ma-
terie spielen: wenn Ihr aber allemal vorher bedächtet, wie
kurz und unbedeutend das Vergnügen ist, welches es Euch
giebt, und wie schrecklich, wie groß und wie unersetzlich oft
der Jammer ist, den es anrichten kann, so würdet Ihr ge-
wiß vor dem Schießpulver fliehen. Selbst erfahrne Jäger,
die doch wissen, was Pulver heißt, erfahren zuweilen seine
Tücke; wie vielmehr müssen also Kinder sich davor fürchten.
— Merket Euch noch, daß aus Salpeter und Vitriol das
sogenannte Scheidewafser gezogen wird, das manche
Künstler, besonders die Kupferstecher, gebrauchen. —
R 3 4)
262
Naturgeschichte.
4) Der Salmiak, wird in Asien aus Kameelmist und in
Aegypten durch die Kunst bereitet, in Persien aber als ein
wirkliches Salz gefunden. Aerzte und Apotheker geben ihn
uns als Arzeney, und Goldschmiede, Färber und andere
Künstler nützen ihn bey ihren Arbeiten. — 5) Der Borax,
(alexandrinisches Niter) kömmt aus Ostindien und China.
Er sieht fast wie Alaun aus, und hat erst einen süßlichen,
hintennach aber einen herben Geschmack. Er wird von den
Feuerwerkern gebraucht, wenn sie ein grünes Feuer Hervor-
bringen wollen; auch nützen ihn die Kupferschmiede zum
Löthen, und die Glasmacher, Emailemahler und Gold-
schmiede brauchen ihn gleichfalls. — 6) Der Arsenik, auch
ein Salz, das aus Metallen gezogen wird. Daher laßt
sichs im Wasser aufiösen, und wieder krystalliren. Von al-
len übrigen Salzen kann man es dadurch unterscheiden, daß
es, a^sv Feuer geworfen, einen starken Knoblauchsgeruch
von sich giebt. Dies Salz entsteht, wie gesagt, aus Erzen
oder Metallen, besonders aus dem Kobolt; weswegen der
Arsenik selbst zu den Halbmstallsn gerechnet wird. Man
röstet nemlich den Kobolt ln besonders dazu erbamnr Hüt-
ten, die man Gifthütten nennt, in welchen der Arsenik als
ein Rauch in die Höhe steigt und sich in der Gestalt eines
weißgrauen Mehls am Rauchfange ansetzt. Dieser Arsenik
nun, den man deswegen auch Hüttenrauch (Giftmehl)
nennt, ist eins der allerstärksten und fürchterlichsten Gifte,
wovon schon ein kleiner Theil alles das unter schrecklichen
Quaalen tödten kann, was Leben hat. Gleichwohl hat
dieses höchst schädliche Salz wiederum seinen Nutzen; denn
es wird zum Schmelzen der Metalle gebraucht und von Ar-
Hern und andern Handwerkern genützt»
Das Mineralreich. ^6z
z) Die Steine.
Die Steine, lieben Kinder, unterscheiden sich von af?
len andern Mineralien dadurch. Laß ihre Theile fester Zu-
sammenhängen, als die Erden und Salze; daß sie sich —
wie Ihr hernach an den Metallen sehen werdet — durch
den Hammer nicht auSdehnen lassen, daß sie sich im Wasser
nicht auflösen, im Feuer nicht verbrennen^ wohl aber in
Kalk, oder Glas verwandeln lassen.
Auch die Steine machen verschiedene Arten aus; ich
will sie Euch nennen.
a. Die talkartigen. Diese werden im Feuer all«
weich, d. i. zu Kalk, mir Wasser vermischt aber wieder hart.
Es gehören dahin: der Kalkstein, ein sonderbarer und
doch sehr nützlicher Stein. Wenn er zn Kalk gebrannt ist,
und Ihr werfet ihn dann ins Wasser, oder —- wie's die
Maurer nennen — löschet lhn^ was für einen gewaltigen
Lärm macht er nicht alsdann: er zischt und braust, geräth
ins Kochen und wirbelt große Dampfwolken in die Höhe.
Vermischet Ihr ihn hernach mit Sand, so könnet Ihr die
höchsten Thürine mir ihm bauen, und er wird so hart, wie
Stein. Aber auch noch andere Dienste leister dieser nützliche
Stein: die Landleure brauchen ihn zum Dünger, dieAerzke
zu Arzeneycn, die Seiftnsieder zur Verfertigung de- Seife
und die Gerber, Pergamentmacher und Färber haben ihn
auch nöthig. — Der Marmor, ein Kalkstein, fast von allen
Far ben: denn es giebl weißen, schwarzen, rochen, grauen,
gelben, grünen, bunten, gesprenkelten, geaderten Marmor.
Den schönsten weißen findet man auf der Insel ^aros; aber
auch in unserm Harze wird dieser nette Stein in vorzüglicher
Güte gebrochen. Man kann den Marmor sehr schön polü
ren, und verfertigt daraus Altäre, Bildsäulen, Trschblätr
264 Naturgeschichte.
ter und andere schöne Geräthschaften. — Der Tropfstein
ist glänzend und hat oft ganz wunderbare Gestalten: denn ec
entsteht durch den Fall tröpfelnden Wassers. In dem Braun;
schwedischen Fürstenrhume Blankenburg, das am Harze
liegt, giebts eine wunderbare Höle, die Baumannshöle
ge- annt, worin Ihr allerhand seltsame Gestalten finden
könnet die der Tropfstein gebildet hat: z. B. eine <!>rgel,
einen Mönch, eine Nonne, ein Taufbecken und viele
sonderbare Figuren mehr; desgleichen eine große Menge
hoble und glänzende Gäulen, die den Schall einer pauke
von sich geben. Man findet auch noch andere Hölen, wo
der Tropfstein so mahlerisch spielt. — Der Mergel, auch
ein Kalkstein, der aber nur unreinen und grauen Kalk giebt.
— Der Stinkstein; diesen wunderlichen Kalkstein müsset
Ihr ja nicht reiben, denn er giebt Euch sonst einen häßlichen
Geruch, gerade, wie Kahenurin. Dahingegen riecht ein
anderer Stein, der Violenstein, desto schöner; denn wenn
Ihr den reibet, riechts wie lauter Violen.
b. Die Gipsartigen. Diese lassen sich in Pulver
verwandeln, und werden dann mit Wasser vermischt, wie
der Kalk, jedoch ohne H'tze, wieder zu Stern. Es gehören
dahin: der Gipsstein. Er ist gemeiniglich weiß, auch
grau, und man braucht ihn, wenn er gebrannt ist, zu aller;
Hand Bildern, vorzüglich aber macht man daraus erhabene
Arbeiten an den Wänden und Decken der Kirchen und Säle,
die man mit einem italränischen Namen Stuckaturarbeit
nennt. — Der Alabaster, ist schön weiß, zuweilen auch
grau. Er dient vornemlich den Bildhauern, die allerhand
Bildsäulen daraus schaffen; auch wird er in den Apotheken
zur Arzeney gebraucht.
Das Mineralreich. 26s
c. Die Glasartigen. Diese Steine werden im
Wasser nicht weich, wie die vorhergehenden Arcen; dagegen
werden sie im Feuer, mit Laugensalz vermischt, schnell zu
Glas, auch geben sie am Stahl Feuer. Es gehören dahin:
«) Der Kieselstein. Er unterscheide: sich von der
Kieselerde durch seine Größe. Ausserdem, daß der Kiesel
zum Pflastern der Straßen gebraucht wird, kann man die
feineren Arten schleifen, und zu Steinschnallen, Ringen
und andern Putzsachen verarbeiten; auch wird er, wie die
Kieselerde, zum Glasmachen geputzt. Ausser diesem gemeir
neu Kieselstein, den Ihr alle kennet, werden auch folgende
Arten zum Kiesel gerechnet: Der O.uarz; dieser Kiesel
wohnt in großer Menge in den Klüften der Berge. Er ist
gemeiniglich durchsichtig und giebt besseres Glas als der ge*
meine Kiesel. Der Aeuerstein. Ihr findet ihn häufig auf
den Feldern, im Sande und zwischen der Kreide. — Der
Chalcedon sieht beynahe aus, wie der Feuerstein, läßt sich
aber schöner poliren und ist durchsichtiger. — Der Carneol,
ist bald roth, bald fleischfarben, auch wohl braun, und läßt
viel Licht durch sich. Weil er sich gut schneiden und poliren
läßt, braucht man ihn zu pcttschaften. — Der Onyx,
ein harter und etwas durchsichtiger Stein, mit vielen niedr
lichen Adern von mancherlei) Farben. — Der Opal, der
schönste und kostbarste unter allen Kieseln. Er spielt, sowie
sich die Lichtstralen an ihm brechen und zurückprallen, in al,
lerhand Farben, als in Roth, Grün, Blau, Gelb rc. Der
Achat, ein harter, durchsichtiger Kiesel, der bald gestreift,
bald gefleckt, und bald mit Figuren versehen ist. Bey diesen
Figuren hat die Natur so allerliebst gespielt, daß man die
Bilder von Häusern, Bäumen, Thierenrc. zu sehen glaubt.
Sie werden daher von Steinschneidern zu Dosen, Aahnsto«
cherbüchsen, Knöpfen rc. verarbeitet.
R 5 fr.
I
266 Naturgeschichte.
6) Der Hornstein. Er ist gelb, grau, auch wohl
schwärzlich, und wird zum Feuerschlagen, aber auch, geschljfi
fen, zu Dosen gebraucht.
c) Der Porphyr wird kn allen Farben gefunden und
in der Baukunst zu allerhand Zierathen, aber auch zu Tisch-
blättern, Mörsern und Neibesteinen gebraucht.
d) Der Granit, ein röthlicher, mit schwarzen Punk«
Len getüpfelter, sehr harter Stein. Die mehrsten hohen
Berge ruhen auf Granit, und der bekannte Sinai besteht
fast aus lauter Granit. Auch die berühmten ägyptischen
Pyramiden sind meist aus diesem Stein gebaut. Vor
einten Jahren ließ die rußische Kayserinn einen Granit«
stein aus dem finnischen Meerbusen nach Petersburg fah-
ren, der wog nicht weniger als z,000,000 Pfund. Er wurde
zum Fußgestell einer Bildsäule geb aucht, die den weltbe-
rühmten Kayser Peter den Großen vor stellt. Wie man
den ungeheuer großen Stein, den größten in der ganzen
Welt, wohl fortgebracht hat? Auf einem entsetzlich großen
Schlitten. Während des Fahrens wurde er schon bear-
bettet; denn es befanden sich auf dem Schlitten 40 Stein-
metzen, eine nöthige Zahl Handlanger und zwey Tambours,
die das Zeichen gaben, wenn die daran gespannten unge-
heuer vielen Pferde von ihren Fuhrleuten zum Fortgehen, oder
Stillstehen angehalten werden sollten. Wer von Euch ein-
mal nach Petersburg kömmt, der kann diesen Riesen unter
allen Steinen, nebst der kostbaren Statue selbst besehen.
0 Der Lasurstein; er ist schön blau, mit goldenen
Punkten. Dieser herrliche Stein giebt nicht nur vortreft
liche Stockknöpfe, Dosen und dgl., sondern man macht
auch daraus die ungemein schöne blaue Farbe, die man Ul-
tramarin nennt, und die dem Golde am Werthe gleich
kömmt.
26y
Das Mineralreich.
/) Die Sandstein e, woraus man MÜH! i Schleift
und Mauersteine macht, kennet Ihr alle. Endlich, Klm-
der, rechnet man zu den glasartigen Steinen auch
g) die Edelsteine. Sie sind hart, durchsichtig, und
lassen sich schleifen und poliren. Es gehören dazu: der
Diamant, der König unter den Edelsteinen, denn er ist
unter allen seinen Brüdern der härteste, glänzt von einem
lebhaften Feuer und ist durchsichtig. Wenn er roh ist, solltet
Jhrs ihm nicht ansehen, daß er einen so hohen Werth hat,
denn man würde ihn für einen Kieselstein halten. Aber sieht
man's doch auch manchem Menschen nicht immer an, was
für ein großer Geist in ihm wohnt. DaS Vaterland dieser
theuresten unter allen Waaren ist Ostindien und das Land
Brasilien in America. In Europa, besonders in Böhmen
und Sachsen, giebts zwar auch Diamanten, sie kommen
aber den orientalischen und amerikanischen bey weitem nicht
am Werthe gleich. Ehedem hielt man in Brasilien dieDiae
maulen nicht einmal des Auflesens werth. Wie aber die
Portugiesen dies reiche Land eroberten, ließ der König eine
in der Gegend der Diamantgruben befindliche Stadt zerstö-
ren, nöthigte die Einwohner in eine andere Gegend zu zier
hen, und verpachtete die Diamantgruben an eine Gesell,
schaft, die aber bey sehr hoher Strafe nicht mehr als soo
Sklaven zum Suchen gebrauchen darf. Diejenigen Künstr
ler, die dem rohen Diamantseine Hülle nehmen und ihm
die nöthige Gestalt gebe», heißen Diamantschleifer.
Der Diamant hat keine Zarbe; Ihr müßtet denn seinen
Hellen Feuerglanz zu einer Farbe machen wollen. Sein
Werth richtet sich nach diesem seinen Glanze, nach seiner
Größe, nach seiner Figur u. s. f. Ein Diamant von der
Größe einer Linse kostet 5 bis 8 Thaler. Im Jahr 1772.
kaufte die rußische Kayserin einen sehr schönen und großen
Diar
268
Naturgeschichte.
Diamant über |$ Loch schwer (nach der eigentlichen Schäz-
zung der Juwelierer 789 Gran) von einem griechischen
Herrn für zwölf Tonnen Goldes; und dabey giebt sie
ihm noch, so lange er lebt, jährlich 7000 Gulden. Der
Beherrscher von Hindoftan, den man gemeiniglich Gros/
mogul nennt, hat einen Diamant, der 4,000,000 Nthlr.
werth ist; der Grosherzog von Toskana, Bruder unsers
geliebten Kaisers, einen von acht Tonnen Goldes an
Werth, und im Schatze der Königin von Portugal! soll sich
ein roher Diamant befinden, der 25 Loth wiegt, und die
ungeheure Summe von 1344 Millionen Thaler werth seyn
soll. Die Diamanten, die oben und unten spitzig geschlif-
fen sind, heißen Brillianten. Daß man sie als Schmuck,
in der Krone, im Ordenskreuz, als Hutknöpfe, ferner zu
Ringen, Schnallen, Armbändern, Ohrgehängen, Haarna-
deln gebraucht, werdet Ihr wissen. Zuweilen nennt man
die Diamanten auch Juwelen; aber auch andere Edelsteine
führen diesen Namen, und diejenigen Künstler, die sie in
Gold, Silber rc. fassen, heißen Iuwelirer. Den Abfall
beym Diamantschleifen brauchen die Glaser, um Fenster-
scheiben damit zu schneiden. — Von den übrigen, aber ge-
ringern Schwestern der Diamanten, oder von den Edelger
steinen, will ich Euch nur noch die Vornehmsten nennen.
Siesind: der schöne, purpurfarbige Rubin, einLandsmann
des Diamanten, den man, wiewohl irrig, zuweilen Kar-
funkel nennt; der reizende, hellblaue, durchsichtige Sa-
phrr; der goldgelbe Topas; der goldgrüne, durchsichtige
Thryfopras; der grüngelbe Chrysolith; der rothgelbe
Hyacinth; der grüne Smaragd; der rothbraune Tur-
malin; der violetfarbige Amethyst; der dunkelblaue
Granat und der grünblaue Berill.
Das Mineralreich. 26-
6. Die Thonartigen, oder Feuerfesten Steine.
Diese Steine werden im Feuer härter; eben daher heißen
sie feuerfest. Folgende Arten sind für Euch merkwürdig:
Der Serpentinstein. Man kann diesen Stein schneiden,
sägen und hobeln. Er findet sich von allen Farben und wird
auch in unserm Harze gewonnen. Man macht Mörser,
Tintenfässer, Tassen rc. daraus; — Der Speckstein. Er ist
so schlüpfrig, wie Speck, und sehr weich, wird aber im Feuer
so hart, daß er am Stahle Funken giebt; — Das Wasser,
bley, welches einige Gelehrte auch zu den Halbmetallen
zählen. Es besteht aus feinen, unordentlich zusammenge,
legten Schuppen, die man leicht zerreiben kann. Ihr müst
set es deswegen merken, weil man die Bleystifte darau-
verfertigt. Die besten ausländischen werden in England,
die guten deutschen aber in Nürnberg, Berlin und Schwan
bach gemacht. Wisset Ihr wohl, woran Ihr die Englischen
erkennen könnet? Sie müssen sehr hart und fein seyn, und
dürfen am Lichte nicht brennen. Das wohlriechende Holz,
was die englischen haben, und von der rothen americanischen
Zeder kömmt, wissen unsere Landsleute auch den deutschen
Bleystiften zu geben. Die Art selbst, wie die Bleystifte
gemacht werden, ist noch nicht völlig bekannt. Aus dem
Wasserbley wird auch die glänzende schwarze Farbe gemacht,
womit der Töpfer die Ofen anstreichl; — Der Asbest.
(Amiant.) Dieser höchst wunderbare Srein besteht aus Fasern,
die man spinnen kann. Man verfertigt deswegen wirk,
liche Mützen, Strumpfbänder, Geldbeutel daraus. Wenn
man diese steinernen Mützen waschen will, wirft man sie ins
Feuer. Auch Tochte zu Lampen werden daraus gedreht, die
recht gut brennen und gleichwohl daö Putzen nur selten nö,
thig haben. Manche alte Könige liessen ihren Leichnam in
rirr Gewand von. Asbest wickeln, um in diesem steinernen
Hemde
27 Q
Naturgeschichte.
Hemde der Verwesung zu trotzen; sie sind jedoch bey aller
ihrer seltsamen Eitelkeit, längst zu 2lsche geworden. Man
findet den Asbest unter andern auf der Insel Corsica, ws
man auch wirklich allerhand Kleidungsstücke daraus spinnt;
— Der Talk. Er ist weiß, auch grünlich, und wird zu
Papiertapeten und zur Schminke gebraucht. Zum letzter»
Bedürfnis; habet Ihr, Ihr jungen Leserinnen, ihn nicht
nöthig, denn ich weiß eine bessere Schminke für Euch, die
besteht in — rächet einmal worin: in der Enthaltsamkeit
vom langen Schlaf, in der 'Arbeitsamkeit, im Genuß der
reinen Luft und im Gebrauch des kalten Wassers: das zu-
sammen giebt eine herrliche Schminke; — Das rußische
Marienglas; es besteht aus dünnen, biegsamen und durchs
sichtigen Blättern, und wird in Rußland zu Fensterscheiben,
aber auch, weil es biegsam ist, und also nicht springt, auf
den Schiffen zu Fenstern gebraucht; denn unser, gewöhnli-
ches Fensterglas würde da in einem Sturme gar bald zer-
brechen.
e. Die gebildeten Stein arten, d. h. solche Steine,
die theils durch ihre ganze äußere Bildung, theiis durch die
darauf befindlichen Figuren die Gestalt eines Thiers oder ei-
ner Pflanze vorsrellen. Es gehören dahin:
i) Die Naturspiele oder Steinspiele. Hiedurch
versteht man alle solche Steine, die durch einen ohngefäh-
ren Zufall eine große Aehnlichkeit mit der Bildung eines sol-
chen Körpers erhalten haben, der nicht ins Mineralreich ge-
hört. Ihr findet z. E. zuweilen Kiesel und Feldsteine, die
aussehen wie ein Ly, oder wie ein Rase. 'Auch giebt es
einen Stein, der Wurst stein genannt, der ist mit rokhem
Jaspis und weißen Quarz zusammen gesetzt. Schleift man
ihn nun, so fleht die geschliffene, roch und weiß gesteckte
Fläche
Das Mineralreich. 271
Fläche eben so aus, wie ein ausgeschnittenes Stück geräu-
cherter Aothwurft. — Die Bckappersternc gehören auch
hieher. Ihr wisset nicht, warum sie klappern. Das geht
so zu: inwendig sind sie hohl und in der Hölung liegt ein
kleiner Stein. Man glaubte ehedem, daß sie nur im Neste
des Adlers gefunden würden, und nannte sie deswegen 2idr
lerstcine. Aber Ihr könnet sie auch an den Ufern der Elbe
und an andern Orten finden.
2) Die Abdrücke. Dies sind solche Steine, auf de-
nen das Bild eines Thiers, oder einer Pflanze zu sehen ist.
Wer die wohl drauf gezeichnet haben mag? Ich habe es
Euch schon beym Schiefer gesagt. Jeder Stern, Kinder, ist
vorherC'rde. Wenn nun in der nassen Erde ein Fisch, oder
eine Muschel Liegt, so drückt der Fisch, oder die Muschef,
sein Bild in die Erde ein. Diese verhärtet nun, und dar
Bild bleibt, das Thier selbst aber geht beym Ausgraben ver-
lohren. Die vollkommensten Albdrücke solcher Thiere findet
man, wie gesagt, auf dem Schiefer. Es giebt aber auch
zuweilen Steine, auf welchen der Abdruck kleiner XXi’aUi
rer Mid Bäumchen zu sehen ist. Diese Steine, die matt
Dendriten nennt, werden zuweilen Ln ungemeiner Schön-
heit gefunden. Die meisten stellen Farrenkräuler vor, und
find entweder auf die ebengenannte Art entstanden; oder
es hat sie eine metallische Feuchtigkeit gebildet, die zu der
Zeit, als der Stein noch weich war, hineindrang und die
Figur hervorbrachte.
3) Die Versteinerungen. Diese sonderbaren Ar-
beiten der Natur bestehen in Bhieren, oder auch in pflan-
zen, die zu der Zeit, als die Steinmaterie noch ein nasser
Teig war, von dieser Materie durchdrungen, nachher aber,
«ls das Wässerigte abgedunstet ist, mit der Zeit in Srein
ven
v
272 Naturgeschichte.
verwandelt worden sind. Die versteinerten Thiere, diemau
bisher gefunden hat, sind Schädel, Knochen, Hörner, Zähr
ne rc. von großen Säugethieren, als vom Elephanten,
Nasehorn, Büffel, Löwen, Bär, -Hirsch, Wallroß; ferner
Schilder, Zähne u. s. w. von Amphibien; desgleichen
ganze Fische und krebse; und von den Conchylien sind
Versteinerungen in erstaunlicher Menge. Die Wohnung
dieser wunderbaren Geschöpfe sind gemeiniglich die höchsten
Berge, wo man sie schichtenweise, und also in ordentlichen
Reihen über einander findet. Was aber diese Geschöpfe am
allermerkwürdigsten macht, ist der Umstand, daß man verr
steinerte Thiere an solchen Orten findet, wo doch das Thier
in seinem Leben nicht gewohnt haben kann. Auf unserm
Harze z. E. findet man Elephantenknochen, Rhinozoroshör,
ner, Löwengerippe, und gleichwohl hats nie Elephanten,
Rhinozerosse und Löwen auf dem Harze gegeben. Man
entdeckt sogar verschiedene versteinerte Thiere, die bey ihrem
ehemaligen Leben sich nur im Meere aufhalten konnten, z.B.
Wallroßzähne und Conchylien in unbeschreiblicher Menge
im Bauche der höchsten Berge. Ja, was das wunderbarste
bey diesen Erscheinungen ist, es giebt versteinerte Thiere,
die in der Natur sonst gar nicht entdeckt werden. Wie find
also Elephanten auf dem Harz, und wie sind Meerthiere
auf hohe Berge gekommen, und warum findet man viele
von diesen Geschöpfen gar nicht mehr in der Natur? Wahrr
scheinlich, Kinder, sind dies Thiere aus derjenigen Welt, die
vor der unsrigen war. Denn daß Gott unsre jetzige Erde aus
einem vorigen im Feuer untergegangenen Erdball gebaut
hat, das sagt uns Moses mit den Worren: die Erde wau
wüste und leer; und daß unsere jetzige Erde, wenn sie alt
genug geworden ist, wieder durch Feuer in eine neue umger
schaffen werden wird, das läßt uns gleichfalls die Bibel veri
MUt
Das Mineralreich.
27 z
muthen. In jenem allgemeinen unterirrdischen Brande
also, der das Wasser hoch über die Erde trieb, kamen alle
lebendigen Geschöpfe unserer Vor; Erde um, und viele da»
von geriethen in den heißen Schlamm und wurden nach und
nach versteinert. Und so waren denn also diese versteinerten
Körper, lieben Kinder, die merkwürdigsten Erscheinungen
auf der ganzen Erde; denn sie sind Bewohner von der
Mutter unserer jetzigen Welt, von der Vor - Erde gewesen.
Außer den eigentlichen Versteinerungen giebt es auch
Körper, die mit einer Gteinrrnde überzogen sind: man
nennt sie inkrustirte Körper. Wenn Ihr in ein warmes
Bad, oder in die Baumannshöle reisen wollet, könnet
Ihr solche Körper finden. Auch in den Gradierhäusern —
kennet Ihr diese Gebäude noch? —4 sind inkrustirte Sachen
in Menge zu finden.
Endlich, Kinder, werdet Ihr mich fragen, was das für
Steine sind, die man Donnersteme odO Donnerkeile
nennt? Das sind keine natürlichen Steine, sondern unsere
Vorfahren, die alten Deutschen, schliffen sich aus verschier
denen Steinarten eine solche keilförmige Figur, und braucht
ten sie, weil sie kein Eisen hatten, zu Streitäxten im
Kriege. Daher werdet Ihr auch an diesen sogenannten
Donnerkeilen gemeiniglich ein Loch finden. Daß aber der
Blitz keinen solchen Keil nörhig habe, um zu tödten, oder
zu zerschmettern, das werdet Ihr begreifen lernen, wenn
ich Euch in der LTaturlehre das nöthigste vom Gewitter
erzählt habe.
4) Die Erdharze.
Diese Körper unterscheiden sich von den Erden, Sab
zen und Steinen dadurch, daß sie im Feuer brennen und
zum Theil ganz verbrennen können. Man nennt sie deSr
wegen auch brennbare Mineralien; und den Namen
(Bürgrrsch. ,p Bd.) S Erd/
274
Erdharze führen sie, um sie von den Harzen aus dem
Pflanzenreiche, z. E. vom Pech, Gummi rc. zu unterscheid
den. Man theilr diese Mineralien in siüßige und feste, die
Ihr also bald kennen lernen rönnet. Zu den flüßigen gehören:
3. Der Naphtha, auch Bergöalsam genannt. Er ist
eine zarte, leichte, durchsichtige, Sligte Materie, die an Klar«
heit und Farbe dem Wasser gleich kömmt, stark und ange-
nehm riecht, und schon zu brennen anfängt, wenn sie sich
dem Feuer nähert, aber nicht mit Wasser gelöscht werden
kann. Man kann daher mit Naphtha unter dem Wasser
schießen, und die griechischen Römer hatten wirklich eine
Art Feuermaschienen, vermittelst welcher sie Naphtha-Flam-
men durchs Wasser hindurch auf feindliche Schiffe schossen.
Man findet den Naphtha in Persien, wo er auf Brunnen
schwimmen soll.
d. Das Bergöl (Steinöl) ist dicker, als Naphtha,
und von brauMcher Farbe. Es wird in Italien und Frank-
reich, aber auch in Deutschland, besonders in Elsaß und
Bayern gefunden, wo es aus Felsenquillt. Weites zu stark
riecht, kann es nicht zum Brennen in den Lampen gebraucht
werden; dagegen nutzen es Feuerwerker und Wundärzte auf
vielfache An.
c. Der Bergtheer, noch dicker und schwärzer, als
das Bergöl, und fast so beschaffen, wie der gemeine Theer.
Er giebt, wenn er brennt, einen unangenehmen Geruch
von sich. Man braucht ihn, eben so, wie jenen, zumKalfa»
Lern der Schiffe und als Wagenschmiere. Er wird in Asien,
aber auch in Europa gefunden, und selbst in unserm Lande,
und zwar bey dem ceüischen Dorfe Hänigsen giebts eine
Bergtheerquelle. — Zu den festen Erdharzen gehören:
i) Das Indenpech, (Bergpech, auch Asphalt) ein
schwarzes, ziemlich hartes Erdharz, das fast wie Pech aus-
sieht.
275
Das Mineralreich.
sieht. Man findet es häufig auf demjenigen Meere, das
Gott damals entstehen ließ, als er die wollüstigen Städte,
Sodom und Gomorra, durch Erdbeben und Gewitter zer,
störte, und welches das todte Meer genannt wird. Die
alten Aegyptier, die die Kunst verstanden, ihre Leichen zw
Mumien zu machen, d. i. durch Einbalsamiren viele hun-
dert Jahre unverweslich zu erhalten, sollen sich dieses Jur
denpechs vorzüglich bey diesem Geschäfte bedient haben.
Man braucht es auch statt des Kalkes bey Mauren und
Thürmen.
2) Der Gagñt; noch härter, als Judenpech, der aber
am Feuer sich entzündet und einen Gestank von sich giebt.
Er wird in England, Frankreich, Rußland und in Deutsch,
land gefunden. Man kann ihn poliren; weswegen man
Knöpfe, Dosen rc. daraus drechselt.
z) Die Steinkohlen, ein mit Erdharz durchdrunr
genes, schwarzes Gestein. Man findet die Steinkohlen in
Sachsen und Böhmen; in unbeschreiblicher Menge aber in
England, wo die Gruben sich oft weit unters Meer hin er,
strecken, so das; also Kriegsschiffe über den Köpfen der in
den Kohlenwerken sich befindenden Arbeiter wegsegeln. Sie
stinken sehr, wenn man sie brennt, auch haben sie Schwe,
selrheile; daher müsset Ihr, wenn Ihr einmal groß wer-
det, beyleibe keine solche Kohlen in Euren Wohn- oder
Schlafzimmern brennen: schon manche Menschen haben
durch diesen Leichtsinn ihren Tod davon getragen.
4) Der Bernstein, (Achtstein) ein fettes glattes, et«
was sprödes, durchsichtiges Harz, das bald gelb, bald weiß
ist. Es brennt und fließt im Feuer und giebt einen sehr an-
genehmen Geruch von sich. Man gräbt es hier und da aus der
Erde; häufiger aberfindet man es anden Ufern der Meere,
S % und
2?6
Naturgeschichte.
und in der größten Menge an der Ostsee, und zwar an der
pommerschen undpreußischen Küste. Schon vor vierthalb tau«
send Jahren machten die Phönizier den weiten weg an diese
Küste, um Bernstein zu hohlen. Dies Harz wird dadurch
merkwürdig, daß es zuweilen Moos, Fliegen, Mücken,
Spinnen, Motten rc. in sich schließt. Wie die wohl in das
harte Harz hineingekommen seyn mögen? Wohl auf keine
andere Art, als zu einer Zeit, wo dies Harz fiüßig gewesen
ist, und öep seinem Flusse das Moos oder Thierchen einge,
schlossen hat. Wie dies sonderbare Harz entsteht, darüber
zerbrechen sich die Gelehrten ihre Köpfe gewaltig. Man
glaubt, Ameisen hätten es gemacht. Daß die kleine Ameise
die Kunst versteht, aus den Tannen und Wacholdern ein
Harz zu verfertigen, wisset Ihr schon. Eine Art solches
Ameisenharzes nun, sagt man, sey der Bernstein auch.
Aber wie kömmt er denn ins Meer? Ich weiß es nicht;
vielleicht lösen die Naturforscher, die täglich neue Geheim,
nisse aufdecken, auf dies Rathsel bald. — Man braucht den
Bernstein, um daraus niedliche Büchschen, Stock, und
Hemdknöpfe, u. d. gl. zu drechseln. Ein recht durchsichtiger
Stockknopf von Bernstein, worin eine Fliege ihre Residenz
hat, ist eine Waare von Werth. Was beym Drechseln
abfällt, desgleichen unreine und nicht durchsichtige Stücke,
werden unter Räucherpulver gemischt. Wenn Ihr den
Bernstein reibet, und haltet ein Stückchen Papier daran,
so zieht er dies Papier an sich; und wenn Ihr dies Reiben
im Dunkeln verrichtet, so leuchtet er. Weil nun der Bern,
stein auf Griechisch Electrum heißt, so nennt man alle solr
che Körper, die beym Reiben leuchten, Funken von sich ge,
ben und andere Körper an sich ziehen, electrisch. Von
dieser Sache sollet Ihr bald mehr hören.
Das Mineralreich.
277
5) Der Ambra, ein schwärzliches, oder auch grauer
Erdharz, fast so zähe, wie Wachs, aber doch zerbrechlich.
Er giebt, wenn er brennt, einen sehr angenehmen Geruch
von sich und wird deswegen als ein köstliches Näucherpulver
gebraucht. Man findet zuweilen Fischgräten, Federn, Vor
gelschnäbel und andere kleine Körper im Ambra; er muß
also eben so, wie der Bernstein, vorher fiüßig gewesen seyn.
In Europa ist dies Harz nicht zu finden, sondern es wird
uns aus Ostindien geschickt. Ehedem hielten die Aerzte den
Ambra für ein Mittel, lange zu leben; ein besseres Mittel
aber ist Mäßigkeit, Arbeitsamkeit, Keuschheit und Bändi-
gung der Affekten.
6) Der Schwefel. Dieses Harz kennet Ihr alle.
Man findet den Schwefel gediegen; man zieht ihn aber
auch aus Metallen. Er ist eins der nützlichsten Mineralien:
denn die Aerzte verfertigen allerley kräftige Arzneymittel dm
von. Mit Salpeter und Holzkohlen vermischt, giebt er,
wie Ihr wisset, das Schießpulver. Die Färber haben ihn
auch sehr nöthig, um der Seide und Wolle eine weiße Farbe
zu geben. Aus Schwefel und Quecksilber wird der künst-
liche ZLnober gemacht, und die Goldschmiede und andere
Künstler können ihn gleichfalls nicht gut entbehren.
7) Der Torf. Dieses Harz soll, als unser Landsmann,
den Schluß machen. Unsere meisten niedersächsischen Leser
kennen ihn. Sie würden im Winter gewaltig frieren müssen,
wenn sie ihn nicht hätten: denn in der großen Lüneburger
Heide, so wie in den Hoyaischen, Bremischen und Diepholr
zischen Heidegegenden wächst nicht viel Holz; Torf dagegen
in Menge, weil der Schöpfer immer für uns Menschen
Nach weiß. Der Torf ist so gut ein Harz, wie der Ambra;
aber er hat viele Wurzeln und Erde bey sich, die der Ambra
nicht hat; auch will ich Euch eben nicht rathen, mit Torf
S 3 zu
278
Naturgeschichte.
zu räuchern: denn er riecht eben nicht lieblich. ES giebt
braunen und schwarzen; und der letztere ist, wie Ihr wisset,
der beste; man hat auch graugelben, der leichter wegbrennt.
Diejenigen unter Euch, die einmal Landwirthe werden woll
len, müssen ja die Torfasche nicht wegwerfen; denn damit
könnet Ihr Eure Felder sehr gut verbessern.
5) Die Metalle.'
Metalle, lieben Kinder, sind solche Mineralien, die
alle übrigen Körper an Schwere übertreffen, einen besonr
dern Glanz haben, im Feuer fließen und sich durch den
Hammer ausdehnen lassen. Da jedoch die letzte Eigenr
fchaft bey vielen Metallen nur in einem geringen Grade ger
funden wird, so theilt man diese Körper — welches Ihr
Euch wohl merken müsset — in vollkommene und unvolll
kommene Metalle. Die vollkommenen, oder eigentlichen
Metalle sind solche, die sehr biegsame Theile haben und sich
durch den Hammer in eine Gestalt treiben lassen, die ihnen
der Arbeiter geben will. Die unvollkommenen, oder Halb,
Metalle stießen zwar auch im Feuer, glänzen auch, sind aber
so spröde, daß sie sich unter dem Hammer fast gar nicht aus,'
dehnen lassen.
Man findet die Metalle entweder gediegen, d.h. rein,
und nicht mit fremden Körpern vermischt; oder aber ver-
erzt, d. i. mit anderen Mineralien verbunden, und in die-
fern Fall nennt rnan sie Erz. Der Wohnort der Metalle
sind gemeiniglich die innersten Gegenden der Gebirge, und
die nützlichen Männer, die sie uns mit großer Kunst, vieler
Mühe und mancher Lebensgefahr suchen und verarbeiten,
heißen Bergleute, oder Bergknappen, die, weil in Deutsche
land der Bergbau am ersten vervollkommt worden ist, ihre
alte
Ueberguldsn und zu Münzen, und derjenige Mensch in Eu»
ropa, und fast in der ganzen Welt, soll noch geboren wert
den, der nicht nach dem Besitze dieses Metalls strebt. Es
wird nie ganz rem verarbeitet, sondern gemeiniglich mit
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282
Naturgeschichte.
Silber, oder Kupfer vermischt. — Es giebt Menschen, die
sich einbilden, Gold machenzu können. Dies ist eine schreck«
liche Krankheit, noch schrecklicher als die Pest: denn siebringt
um den Verstand und um das gute Gewissen dazu.
Das Silber ist hart, klingend, glänzend und — wie
Ihr wisset — weiß. Es verliehrt gleichfalls durchs Feuer
nichts. Man findet es gediegen, aber auch sehr häufig in
Erzen. Auch das Silber wird beym Verarbeiten mit Kupfer
versetzt, und nur bey manchen Münzen ist es ganz rein.
Ihr werdet vermuthlich von zwölf- dreizehn.' vierzehn«
lölhigem Silber gehört haben, wisset aber nickt, was das
heißt; jetztsolletIhrs lernen. Mangieht nemlich die Menge
des reinen Silbers, die in einer Mark enthalten ist, durch
Lothe zu erkennen. Sechzehn Lothe machen eine Mark
oder ein halbes Pfund. Wenn also die Rede von zwölf,
löthigem Silber ist, so enthält eine Mark solchen Silbers
12 Loth Silber und 4 Loth Kupfer; im vierzehnlöchigen
sind also 14 Loth Silber und 2 Loth Kupfer, und sechzehn,
löthiges ist mithin ganz feines Silber. Jeder Goidfchmidt
muß den Gehalt seines Silbers aufseine Arbeit setzen: da,
her findet Ihr denn auch auf Schnallen, Löffeln rc. das Zei,
chen zwölfiöthig, vierzehnlöthig u. s. w.
Die platina del pinto, ein weißes, dem Golde an
Schwere gleichkommendes Metall, das erst seit 40 Jahren
in der Welt bekannt ist. Es wird im spanischen America,
und zwar gediegen gefunden.
Das Tupfer ist ein rothgelbes, hellklingendes und
sehr geschmeidiges Metall, das an der Luft und im Wasser
grün beschlägt. Dieser grüne Rost heißt Grünspan und
ist giftig. Da man ihn zedoch als Farbe nöthig hat, so wird
er sehr häufig durch Salze und Säuren aus dem Kupfer ge,
lockt. Es ist daher sehr gefährlich, Speisen in kupfernen
Ge-
Das Mineralreich
2lU
Geschirren zu kochen, und schon mancher Mensch har aus
diesem sonst so nützlichen Metall den Tod gegessen. Es wird
gediegen und auch in Erzen gefunden. Daß man es zu
Scheidemünze, zu großen und kleinen Kesseln und zu an,
derm Geschirr gebraucht, wisset Ihr. Auch der Tupfer,
stecher kann es nicht entbehren; denn das Bild, was er
verfertigt, gräbt er in eine kupferne, glatt geschliffene Ta,
fel ein. Diese Tafel kann man alsdann so oft, als man
will, auf Papier abdrucken, und es entsteht jedesmal ein
sogenannter Kupferstich. — Aus Kupfer und Gallmey
(Zink) wird Meßing und Tombach gemacht; aus Kupfer
und Arsenik entsteht das Prinzmetal!, das man auch weis,
seo Rupfer nennt, und aus Kupfer, Zinn und etwas
Meßing kömmt eine Masse zum Vorschein, die Glockengut
(Glockenspeise) Ranonengut und Bronze heißt. Man
gießt aus dieser schönen Masse große und kleine Glocken, al,
lerhand Kanonen und Mörser und mancherley Bildsäulen.
(Statüen) Diese Composition ist sehr alt; denn man fin,
der schon im Alterthum Bildsäulen, Köpfe, Geschirre rc. aus
Bronze.
Das Eisen. Dies Metall ist unter allen das nütz,
lichfte, weil es an Härte und Schnellkraft alle andere über,
trist. Wäre kein Eisen in der Welt, Kinder, so könnten
wir nicht in Häusern wohnen, hätten keine Hemden, keine
Kleider, keine Schuhe und Strümpfe; wir könnten nicht
auf Betten ruhen, müßten viele hundert gekochte, gebratene
und gebackene Speisen, und selbst das Brod entbehren und
hätten kein einziges gedrucktes Buch, kein Papier, und also
auch keine Gelehrte, keine Prediger, keine Aerzte w.i kurz,
Kinder, ohne Eisen wären wir ein rohes, wildes Volk.
Denket einmal selbst nach, ob Ihr wol irgend ein nützliches
Gerüche finden könnet, das ohne Eisen zu Stande gekom-
S 5 men
282 Naturgeschichte.
men wäre: Ihr werdet gewiß keines finden. Um destomehr
müssen wir die Güte des Schöpfers anbeten, der dieses so
unentbehrliche Metall mit der größten Freygebigkeit erschaft
fen hat: denn fast überall auf der ganzen Welt hat es seine
Hand in Menge verbreitet. Man findet es zuweilen gedier
gen, am häufigsten aber in Erzen. Unter diesen Erzen ist
eines überaus merkwürdig, es heißt der Maguetstem:
denn dieses Erz hat die wunderbare Eigenschaft, daß, wenn
es frey hängt, es sich immer mit der einen Spitze gegen die
Weltgegend, die wir Süden nennen, und mit der andern
gegen Norden dreht. Hiedurch leistet der Magnet den
Seefahrenden einen unaussprechlich großen Nutzen; denn
sie haben eben durch ihn ihren Compaß erhalten, der ihnen
rm großen, weiten Meere, auch bey der schwärzesten Finster,'
niß, immer sagt, wo Norden und Süden ist, und wo.'
hin sie also ihren Lauf richten müssen. Eine andere Eigen-
schaft des Magnets ist eben so wundervoll: er zieht das
Eisen an sich. Kurzweilig sieht es aus, wenn Zhr eine
Nehnadel auf den Tisch leget und den Magnet darüber hal-
tet: da richtet sich die Nehnadel auf und bleibt am Magnet
kleben, als wäre sie dran gekleistert. Ist der Magnet groß,
so könnet Ihr ihn unter den Tisch halten, die Nadel aber
auf den Tisch legen: dann siehrs drollige aus, wie die Na-
del auf dem Tifcheherum marschiert, so wie Ihr unterdem-
selben mir dem Magnet hin und her fahret. — Man kann
diese beyden Kräfte auch dem Eisen mittheilen, wenn man
es mit Magnetstein bestreicht. Woher diese wundervollen
Eigenschaften kommen, das ist bis jetzt den Gelehrten nicht
völlig deutlich, und Ihr hättet mithin an diesemErze ein natür-
liches Geheimniß. — Ein gewisser Doctor Mesmer sieug
vor einigen Jahren an, zu behaupten, daß er mit Hülsedes
Magnets große Euren verrichten könne, und versicherte, daß
auch
28Z
Das Mineralreich.
auch Papier, Seide, Glas, Leder und selbst der Mensch
magnetisch gemacht oder magnetistrt werden könne. Er
machte sehr großes Aussehen mit seiner Kunst, rühmte sich
vieler glücklichen Curen, setzte sich vorzüglich in Frankreich
in unerhörten Credit, und hat hieraus tu Deutschland veri
schiedene Nachahmer gefunden, die jetzt hie und da gefährlü
che Patienten nicht anders heilen, als daß sie sie magnetisiren.
Wenn wir erst einmal zehn Jahre weiter sind, werden wir
ini Stande seyn daö.Wahre und Unwahre bey dieser Curr
Art zu unterscheiden; jetzt aber wollen wir wieder zu unserm
Eisen gehen. Ausserdem, daß man dies Metall zu einer
unbeschreiblichen Menge unentbehrlicher Werkzeuge nützt,
bereitet man auch vielerley kräftige Arzeneyen daraus. —
Durch wiederhehlres Ausglühen und Ablöschen des Eisens
entsteht der Stahl, der also nur der Benennung nach und
wegen seiner erhaltenen Härte und Elasticttät vom Eisen
unterschieden ist. In unserm lieben deutschen Vaterlande
giebts sehr vieles Eisenerz ; das beste und meiste aber kömmt
aus Steyermark; und unter den übrigen europäischen
Neichen hat Schweden das beste und mehrste Eisen.
Das Zinn, ein sehr weiches Metall, und, wie Ihr
wisset, weiß und etwas ins Bläuliche gehend. Daß es zu
sehr vielerley Küchen - und anderem Gerüche gebraucht wird,
ist Euch auch bekannt. Gediegen findet mans nie, sondern
in Erzen. Unter den deutschen Ländern hat Sachsen das
meiste Zinn ; das beste aber kömmt aus England, von wan-
nen es schon in uralten Zeiten von den Phöniziern geholt
wurde.
Das Bley ist nächst der Platina das weichste und
schwerste Metall. Es ist giftig; Ihr müsset Euch also ja
hüten, etwas davon zu verschlucken. Gleichwohl ist es
auch
284
Naturgeschichte.
auch sehr nützlich, und wir können eS fast so wenig entbehr
von, als das Eisen. Man nützt es bey Mauren; die Zinn-
großer versehen das Zinn damit; man gießt Kugeln, Schroor,
(Hagel) und Fensterbley daraus; mir Kupfer, Meßing und
Sptesglas verseht, macht man die Buchstaben daraus,
womit der Buchdrucker Bücher setzt, und wenn man eS
durch Eßigdampf zerfressen läßt, so erhält man einen weißen
Rost, welchen man Bleyweiß nennt.
Endlich, Kinder, müsset Ihr noch die Halbmetalle
kennen lernen. Sie unterscheiden sich, wie Ihr nun schon
wisset, von den vollkommenen Metallen dadurch, daß sie
sich nicht, wie diese, mit dem Hammer ausdehnen lassen,
und daß sie bey starkem Feuer im Rauch aufgehen. Es ge»
hören dazu:
Der wißmuth; ein blaßgelbes, oder auch weißblaues,
blätterigtes, würfelichtes, sehr brüchiges Halbmetall, das
im Feuer sehr bald fließt und dann im Rauch verfliegt. Es
wird meistentheils gediegen, aber auch in Erzen gefunden.
Der Zinngießer braucht den Wißmuth, das Zinn damit zu
versetzen; auch wird eine Schminke daraus verfertigt.
Der Zink sieht beynahe aus, als Bley; ist aber fase.-
rigt, wenn man ihn bricht. Er kann mit allen Metallen,
nur nicht mit Wißmuth, vermischt werden. Mit Kupfer
mehr oder weniger versetzt, giebt er Tombach, Meßing,
Prinzmetall, Pinschback u. s. w. Auch die Glockengießer
brauchen ihn, um ihren Metallen einen bessern Klang zu
geben. Das Erz, worin der Zink steckt, heißt Salmey.
Das Spiesglas, hat eine weißgraue Silberfarbe.
Es gehört unter die nützlichsten Halbmetalle: denn dieAerzte
KNd Wundärzte brauchen es zum Besten vieler Patienten;
man
Das Mineralreich
man bedient sich desselben, um das Gold von andern Mer
lallen zu scheiden, und die Feuerwerker, Zinngießer und
andere Künstler können eS nicht entbehren.
Der 'Lobolt sieht fast aus, wie Stahl. Wenn man
ihn mir Sand und Potasche schmelzt, entsteht ein blaues
Glas. Dieses Glas wird auf besonderen Mühlen zu Pub
ver gerieben und giebt alsdann eine schöne blaue Farbe, die
Eure Mütter gar nicht entbehren können: die blaue
Schmälte. (Stärke)
Das (Quecksilber (Mercurius) sieht, wenn ich so sa.'
gen dürfte, wie silbernes Wasser aus, macht jedoch nicht
naß, läuft in kleinen Kügelchen hin und her, und verfliegt
in: Feuer. Es Läßt sich fast mit allen Metallen und Halb,
metallen vermischen. Die weiche Masse, die aus einer soli
chen Vermischung des Quecksilbers mit einem andern Me,
tall entsteht, heißt— dies Wort müsset Ihr Euch merken,
weil es jetzt oft in Zeitungen und andern Schriften vor,
kömmt — ein Amalgama, und amalgamiren heißt mit,
hin so viel: Metalle vermittelst des Quecksilbers zu einem
Teige machen. Einen solchen goldenen Teig muß der Gold,
schmidt zu machen wissen, wenn er vergulden will. Bey einer
großen Kälte friert das Quecksilber so hart, daß es sich wie an,
dereS Metall hämmern läßt. Man findet dies Halbmetall
theils gediegen, theils in Erzen. Gediegen kömmt es in den
Bergwerken oft in solcher Menge zum Vorschein, daß man
es wie Wasser, mit Gefäßen schöpfen kann, Ihr sehet hier
wieder die Spur des Güte Gottes; denn er ließ es um
deswillen so häufig entstehen, weil es uns großen Nutzen
leistet: die Aerzte vertreiben damit manche Krankheitsehr
schleunig, wogegen andere Arzneymittel nicht anschlagen
wollen; die Gold, und Silberschmiede gebrauchen es, wenn
sie
[—
286 Naturgeschichte.
sie Metalle im Feuer vergulden, oder versilbern wollen;
aus Quecksilber und Schwefel entsteht die schöne rothe
Farbe, der Zinober, und aus dem Zinober und dem Harz
macht man rothes Siegellack; überdem aber wird das
Quecksilber zum Spiegelmachen, zu Barometern, Th er/
mometeru und anderen nützlichen Werkzeugen gebraucht.
!
s
Zwey-
Zweyter Abschnitt.
D i e
Naturlehre oder Physik
- •
289
Zwey ter Abschnitt.
Die Naturlehre oder Physik.
^Z^isher, lieben Kinder, habet Ihr eine große Anzahl
der Körper in der Natur gesehen. Abdr es grebt
ausser diesen doch noch viele andere, die Ihr entweder noch
gar nicht, oder doch nicht genau kennet. Ihr wisset z. B.
noch nicht, was das Feuer, was die Luft, was das Was-
ser ist; Ihr kennet die Eigenschaften mancher Körper,
z. E. die Schwere, die Electrtcitat :c. noch nicht. Es
beschreibt nemlich die Naturgeschichte, wovon ich Euch bis-
her mancherlei) erzählt habe, nur die sogenannten zusam-
mengesetzten Körper, oder — wie ich oben sagte — die
Körper, die man zu den drey Neichen der Natur rechnet-
Ausser diesen zusammengesetzten giebt es aber auch noch ein-
fache Körper, deren Beschaffenheit, Kräfte und Wirkun-
gen gar bewundernswürdig sind, und deren Kennrniß Euch
gleichfalls großes Vergnügen machen wird. Diejenige Wis-
senschaft nun, die uns eine hinlängliche Kenntniß von der
Beschaffenheit, den Kräften und den Wirkungen dieser Kör-
per giebt, Hecht die ^»aturlchre, oder — mir einem
griechischen Namen — p í; y si k°
Auch diese Wissenschaft, lieben Kinder, hat ungemein
viel reizendes, und ist dabey von sehr großem Nutzen: sie
(Bürgersch. ir Bd.) T lehrt
I
29© Naturlehre.
lehrt uns ebenso, wie ihreSchwester, die Naturgeschichte,
die majestätische Größe des Schöpfers und seine herablast
sende Vaterliebe kennen; sie ist für den Arzt, für den Prer
diger, für den Richter und für jeden Gelehrten eine recht
kluge, gütige und mütterliche Gehülfin; sie vertritt bey jei
dem andern Menschen, der sie liebgewinnt, die Stelle einer
treuen Rathgeberin in Krankheiten, bey der Schiffarth,
bey Künsten und Handwerkern, in der Landwirthschaft und
in so vielen andern Umständen unserer Lebensart, und sie
befördert endlich die Ruhe und Zufriedenheit der Menschen
in einem sehr hohen Grade dadurch, daß sie großentheils
gegen eine gewisse Pest bewahrt, die schon Jahrtausende
im Finstern schlich und schreckliche Verwüstungen angerichtet
hat. Was das für eine Pest ist, fraget Ihr: der Aber-
glaube ist's. Gegen diesen Würger giebt die Naturlehre
herrliche Waffen; oder besser zu sagen, sie raubt ihm sein
eigenes Gift.
Ich kann Euch freylich nicht alles das gründlich scu
gen, was die Naturlehre vorträgt. Dazu seyd Ihr noch
nicht genug vorbereitet; auch müßte ich ein besonderes grost
ses Buch davon voll schreiben, und müßte ohnehin, wenn
Euch alles deutlich werden sollte, viele Kupfer verfertigen
lassen. Aber manches Angenehme und Nützliche, das Ihr
bisher noch nicht gewußt habet, sollet Ihr dennoch erfahren,
wenn Ihr anders — denn das ist bey dieser Wissenschaft
vorzüglich nöthig — genau aufmerken wollet.
I. Von den Eigenschaften der Körper
übeestaupt.
Wenn Ihr in der Naturlehre alles richtig verstehen
wollet, so müsset Ihr Euch vorher manche allgemeine Ei-
gen,
I
291
Eigen sch. d. Körp. überh.
gcnschaften und Kräfte erklären lassen, die die Körper har
den. Zch will sehen, daß ich Euch die wichtigsten dieser Ei-
genschaften kürzlich deutlich machen kann. Zwar wird diesr
mal meine Erzählung etwas trocken ausfallen; ich kann
aber nicht dafür. Zuweilen werdet Ihr auch nicht gleich
wissen- was für eine Absicht ich eigentlich bey dem Erzählten
habe. Kehret Euch aber nicht daran, Hörer mir dagegen
immer aufmerksam zu: am Ende werbet Ihr finden, daß
ich nichts umsonst gesagt habe.
0 Von der Theilbarkeit der Körper.
Betrachtet einmal ein Stückchen Holz, Kinder, so
werdet Ihr sehen, daß es aus lauter Theilen zusammenge-
setzt ist: denn Ihr könnet ja ein Spänchen nach dem an-
dern davon schneiden; die Spane selbst könnet Ihr in klei-
nere Stückchen theilen, diese in noch kleinere, und so weiter.
Diese Eigenschaft nun heißt die Theilbarkeit, und jeder
Körper, er heiße, wie er wolle, hat diese Eigenschaft. „Aber
doch die kleinen Staubpünktchen nicht, die, wenn ein Son-
nenstrahl in Eure Stube scheint, im Lichre desselben schwim-
men?" — 0 ja, Kinder; in einem solchen kleinen, beynahe
unsichtbaren Körperchen, sind noch immer so viele Theile,
als Pflastersteine in allen hannöverischen Städten sind.
Ihr lachet; ich kann's Euch nicht verdenken. Hätte ich
aber ein gutes Vergrößerungsglas, und wäret Ihr dann
alle bey mir, so würdet Ihr nicht mehr lachen, sondern er-
staunen. Denn, Kinder, wenn man auf Pfefferkörner
Wasser gießt, und diesen Aufguß einige Tage stehen läßt,
so kann man mit Verwunderung sehen, was Theilbarkeit
heißt. Wenn man nemlich — gebet wohl Acht, was ich
jetzt sage — ein kleines Tröpfchen dieses Wassers unter ein
gutes Vergrößerungsglas bringt, so findet man eine Menge
T 2 Thier-
f
292 Nalmlehre.
Thierchen darin, die tausenLmrlüorrcnmal kleiner sinh,
als ein Sandkorn. Das bedenkst einmal, Kinder; es
giebt Thiere, 1002002000 mal Kleiner, als ein Sandkorn.
Wenn also in einem Raum eines Sandkorns tausend Mil-
lionen Thiere Platz haben; wie viel tausendmal mag also
ein Sonnenstäubchen, so klein es auch ist, getheilt wer,
den können. Wenn Ihr Euer Taschengeld einmal einige
Monate gesammlet habet, so kaufet Euch ein Vsrgröße,
rungsglas (Mikroscop) dafür: da wird Euch dann ein Sand,
körn Vorkommen, wie ein Steinhaufen; ein wenig Schim,
mel, wie ein Mald, und da werdet Ihr also selbst sehen,
was es heißt: Körper sind theilbar. Ein großer Natur,
forscher, Herr von Reaumür heißt er, hat beobachtet, daß
der Faden, woran sich eine Spinne herunter zu lassen pflegt,
aus scchzigtausend anderen Fäden bestehe.. Also auch ein
so dünnes Fädchen kann noch in 62222 dünnere Fädchen
gespalten oder getheilt werden. Aus einem Loth Gold
kann man einen Faden spinnen, der ein hundert sechs
und dreißig deutsche Meilen lang ist. WievielTheile
stecken also in dem kleinen Goldklümpchen. — Doch, ich muß
aufhören; ich hoffe, Ihr verstehet nun, was es heiße:
Körper sind rheilbar. Gleichwohl hat es die menschliche
Kunst noch nicht so weit gebracht, die Theilung an einem
Sonnenstäubchen zu versuchen: wisset Ihr, warum?
Unser schwaches Auge laßt uns im Stich.
2) Was sind harte, weiche, feste, siüßige, zähe,
spröde ic. Körper?
Wenn Ihr Euer Stückchen Holz in kleinere Theile thei,
len wollet, wie sauget Ihr das an: nichtwahr, Ihr müsserein
Messer, oder einen Hobel, oder eine Säge re. nehmen?
Wenn
I
293
Eigensch. d. Körp. überh.
Wenn man also die Theile eines Körpers von einander
trennen will, so empfindet man, daß dazu eine gewisse
Gewalt nöthig ist: es müssen folglich alle Theile eine ber
sondere Rraft haben, womit sie unter sich Zusammenhängen.
Diese Kraft nun ist bey einigen Körpern größer, bey an,
dern dagegen kleiner. Ihr könnet z.B. eher einen chönerr
mn Pfeifenstiel, als einen Stab Eisen von gleicher Dicke
von einander trennen. Je nachdem nun die Theile eines
Körpers schwer, oder leicht Zusammenhängen, oder, mit
andern Worten, nachdem die Kraft, die die Theile des Kör-
pers verbindet, groß oder klein ist, nachdem bekömmt auch
die Eigenschaft des Körpers ihren Namen, und wir nennen
ihn hart — weich — fiüßig —- spröde rc. Was mag nun
also wohl ein harter Körper seyn: nicht wahr, ein solcher,
dessen Theile schwer Zn trennen sind? — ein weicher:
nicht wahr, ein solcher, dessen Theile durch eine geringere
Gewalt getrennt werden können? — ein Zäher: nicht wahr,
ein solcher, dessen Theilen man allerhand Lagen gegen ein-
ander geben kann, ohne daß sie ihren Zusammenhang verr
liehren? — ein flüssiger: nicht wahr, ein solcher, dessen
Theile mit der allerleichtesien Kraft zusammen hängen. —
So sind also Stein und Holz harte, Butter und Talg wer,
che, Pech und nasser Thon zähe, Wasser und Luft flüsi
sige Körper.
Nun leset das noch einmal, was ich Euch gesagt habe,
und dann wisset Ihr gewiß, was hart — weich — zähe —
fiüßig ist.
Diese Eigenschaften der Körper nun, liebenKinder, ha-
ben ihre Grade. Wir nennen z. B. jedes Holz hart; aber
Eichenholz ist doch harter, als Tannenholz. Jedes Metall ist
hart; aber Eisen ist doch harter, als Bley. Eben dies ist der
Fall bey der Weichheit, Zähheit und Flüßigkeit der Körper:
T 3 denn
I
29^ Nñturlehre-
denn auch diese Eigenschaften haben ihre Grade. Wasser,
z. B. ist flüßiger, als Oel. So können sogar einerley Kör-
per heute flüßig, morgen zähe und übermorgen hart oder
fest seyn, und wiederum umgekehrt. Ihr könnet Wasser zu
einem harten Körper, zu Eis, und Gold, Silbers, zu einem
stüßigen Körper machen. Zm Winter muß der Grönlätt,
der seine Butter mit einem Beil auseinander hauen,
und im Sommer fließt sie ihm weg.
Außer diesen Eigenschaften der Körper müsset Ihr Euch
noch einige andere merken. Schlaget mit einem eisernen
Stabe auf eine Scherbe; was wird entstehen? Nicht wahr,
Ihr trenntet die Scherbe nicht blos da, wo Ihr den Schlag
hinrichtetet, sondern es sprangen auch mehrere Theile zu-
gleich mit weg; das macht, die Scherbe ist spröde. Ein
Körper ist also spröde, wenn alsdann, da man einige
Theile von ihm trennen will, sich zugleich noch andere
trennen , auf die man nicht unmittelbar wirkt.
Verschiedene Körper lassen sich nach einigen Richtungen
schwer, nach andern Richtungen leicht trennen. Nicht
wahr, es wird Euch saurer, einen Klotz mit der Arr die
Ltueere zu theilen; leichter aber wirds Euch, ihn der
Lange nach zu spalten. Woher kömmt das? Manche
Körper, als Holz und einige Steine, bestehen aus Blat-
tern, oder Fasern, die unter, oder neben sich nicht so stark
verbunden sind, als ihre einzelnen Theile mit einander Zu-
sammenhängen. Daher könnet Ihr also die Lage der
Blätter oder Fasern leichter verändern, als die Theile selbst.
Fischbein, z. E- könnet Ihr der Länge nach sogar leicht aus-
einander reißen, aber seine Theile nicht so leicht, Diese in-
nere Kraft, welche die Körper zusammenhält, können die
Gelehrten bis auf diese Stunde nicht entdecken; sie ist also
ein
Eigensch. d. Körp. überh. 29 s
-in natürliches Geheimniß. Und gleichwohl, ohne dies
Gcheimniß zu ergründen, hat man doch die Kunst erfunden,
viele Körper durch Zusatz ihrer Theile, oder auch durch Bey<
Mischung fremder Theile, fester, härter, spröder rc. zu mar
chen. Ein Strick z. E. ist fester, als ein Bindfaden; und
doch besteht ein Strick aus nichts, als aus Bindfaden. Das
dickste, holländische Ankerthcm hat 21 Zoll im Umfange und
wird aus 2250 Schnüren zusammengedreht, wovon jede
Schnur 100 Pfund wiegt. N.cht wahr, eine solche einzelne
Schnur ist leichter zu trennen, als alle 2250 zusammen?
Gold kann man durch Kupfer härter, Eisen durch Zinn
und Wismurh spröder, Silber durch Kupfer stärker rticu
chen. Tücher werden durchs Walken noch einmal so stark,
als vorher. Also, wie gesagt, man kann Körper härter,
fester, spröder:c, machen,
3) Von der Elastizität der Körper.
Wenn ich Euch einen Sprenkel, womit Ihr Drost
sein und Nothkehlgen fanget, wegnehw.e, und das Stellband
entzwey schneide: was entsteht da? Nicht wahr, diese Nur
the, die Ihr vermittelst des Stellbandes krumm gebogen
und aufgespanm hattet, fahrt nun auseinander und nimmt
die vorige Lage wieder ein? Oder, wenn ich ein Stück-
chen Fischbein mit beyden Händen krumm biege; was ge-
schieht, wenn ichs mit einer Hand loslasse? nicht wahr, es
setzt sich wieder in seine alte Lage? Wie mag wohl diese sonr
derbare Kraft heißen? Man nennt sie Elastizität, oder
Schnellkraft, auch wohl Federkraft. Sie besteht darinn,
daß, wenn man einen Körper in eine andere Gestalt gebo-
gen, oder gedrückt hat, als er vorher besaß, er für sich selbst
seine vorige Gestalt wieder annimmt, sobald das aufhört zu
wirken, was vorher seine Gestalt änderte. Sind diese Kör-
T 4 per
;
I
29.6 Naturlehre.
per weiche Massen, so nennt man sie elastisch; sind es
aber feste Körper, dann nennt man sie federhart; wiewohl
Ihr mit dem Wort elastisch in allen Fällen durchkommen
könnet. Ein jeder von Euch, der in einem Federbette schläft,
empfindet diese Kraft durch das sanfte Heben der Federn,
beym Niederlegen: denn die Eider t Schwanen - und Ganser
federn sind sehr elastisch. Ueberhaupt hat der Schöpfer allen
Körpern diese Kraft mitgetheilt, doch so, daß mancher Kör-
per elastischer ist, als der andere; auch werden manche Kör-
per um desto elastischer, je mehr die Theile desselben zusamr
mcngedrückt, oder sonst in ihrer Lage geändert werden.
Spanner Ihr z. B. Euren Armbrust recht scharf auf, so ist
seine Elasticirät desto größer; bieget Ihr ein spanisches
Rohr recht sehr zusammen, so fährt es mit desto heftigerer
Gewalt wieder auseinander.
Ehe Ihr ausruhet, Kinder, müsset Ihr Euch noch eine
sehr merkwürdige Eigenschaft der elastischen Körper bekannt
machen. Wenn Ihr nemlich eine Kugel aus Eisen (Eisen
ist sehr elastisch) an einen unbeweglichen Körper, z. B° an
eine Wauer, oder an eine Wand werfet; was geschieht da:
nicht wahr, sie prallt zurück, und bewegt sich durch eigene
Kraft rückwärts? Nun aber machet Euch eine solche Kugel
aus nassem Thon, und werfet die einmal an die Wand:
ob die auch wohl zurückläuft? Nein; sie bleibt entweder gar
kleben, oder sie fällt doch wenigstens herunter und bleibt lie-
gen. Die Ursache ist, Metall ist ungleich elastischer, als
nasser Thon. Merket Euch also diese sonderbare Erfahrung,
denn Ihr werdet keinen Schaden davon haben. — Jetzt
sollet Ihr ein wenig ausruhen, damit Ihr mir hernach desto
aufmerksamer zuhören könnet.
4)
V
297
Eigensch. d. Körp. überh.
4) Was ist bey den Körpern Ausdehnung —
Dichtheit — Lockerheit — Masse und Inbegriff.
Noch einige Augenblicke, Kinder, müsset Ihr ven
schiedene trockene Dinge anhören. Zum Lohn für Eure Auf-
merksamkeit wei det Ihr dann auch von Euren Eltern das
Lob bekommen, daß Ihr recht gelehrte Kinder seyd. Ich
habe Euch eben gesagt, daß sich Körper zusammendrücken
lassen, und daß sie, wenn der Druck aufhört, sich wieder
ansdehnen; kurz, daß sie elastisch sind. Auch habe ich
Euch gesagt, daß einige Körper insehr hohem, andere aber
in einem fast unmerklichem Grade elastisch sind. Nun
muß ich Euch dagegen wieder eine Eigenschaft nennen, die
jedem Körper ohne Unterschied, er sey klein oder groß, fest
oder flüßig, zukömmr; und die besteht in seiner körperlichen,
oder eigenthümlichen Ausdehnung. Was das wohl
heißen mag? Es heißt so viel: jeder Körper füllt in die
Länge, Breite und Höhe einen Aaum. Diese Eigenschaft
haben, wie gesagt, alle Körper: es nimmt also eine Menge
Luft eben sowohl einen Raum ein, als eine Menge Wasser.
— Nun weiter: nicht jeder Körper füllt den Raum ganz,
den er zu füllen scheint. Nehmet in die eine Hand ein
Stück Pumpernickel, und in die andere ein Stück frische
Semmel von gleicher Größe, schließet beyde Hände zu, und
drücket diese Körper. Welchen von beyden werdet Ihr nun
mehr zusammendrücken können: nicht wahr, das Stück
Semmel? Es befinden sich nemlich in jedem Körper noch
leere Amftchenräume, in dem einen mehr, in dem an-
dern weniger. Und eben das isis, was ich Euch gesagt
habe: kein Körper füllt seinen Raum ganz. — Ein Körper,
der viel Zwischenräume hat, heißt locker, und ein anderer, der
ihrer wenig hat, heißt dicht. Da es nun keinen Körper giebt,
T 5 der
298
Natursehre.
der seinen Raum ganz füllt, so giebt eS auch kernen volh
kommen dichten Körper. Der dichteste, den wir kennen,
ist die platina del pinto, und nächst ihr das Gold.
Alw, noch emmal, Kinder; warum drücktet Ihr die Sem«
mel mehr zusammen, als den Pumpernickel? Weil dieser
ein dichter, und jener ein lockerer Körper ist. Wenn ich
Euch nun fragte: welches von beyden füllt seinen Raum
mehr, ein Stück Eisen, oder ein Schwamm, von gleir
cher Größe; dann würdet ihr nie sagen: der Schwamm. —
Nun noch ein paar andere Begriffe, Kinder ; und dann gehen
wir wieder weiter. Ein dichter Körper muß ganz natürlich
mehr Materie (Grundstoff, oderBestandtheile) haben, als
ein lockerer. Diese Menge der Materie, die ein Körper
hat, nennt man seine Masse. Wahrscheinlich habet Ihr
bisher Masse und Große für einerlei) gehalten; Ihr Haber
Euch aber geirrt. Ein Würfel aus Holz und ein Würfel
«us Elfenbein können bepde gleiche Größe haben; aber sie
sind n cht von einerlei) Masse. — Endlich, Kinder, nennt
man die Größe des Raums, den ein Körper einnimmt, sei,
neu Inbegriff. Wenn Ihr also einen Klumpen Metall
geschenkt bekommen hättet, das einen Fuß lang, breit und
hoch wäre, dessen Materie Ihr aber nicht kennetet; so würr
der Ihr sagen: der Inbegriff des Klumpens trägt einen
Kubikfuß, die Masse desselben aber kenne ich nicht.
Nun sepd Ihr also schon wieder gelehrter: Ihr wisset
was körperliche Ausdehnung — Dichtheit und Locker,
heit, Masse und Inbegriff ist.
5) Von der Bewegung und Schwere der
Körper.
In dem Raume, Ln welchem sich ein Körper jeht be-
findet, bleibt er nicht immer, sondern er verändert ihn.
Ihr
299
Eigensch, d. Körp. übech,
Ihr habet Euer Stückchen Holz vor Euch auf dem Tisch
liegen. Stoßet es einmal an; was geschieht: es verändert
seinen Raum, das heißt, es wird bewegt. Daß das
Stückchen Holz nicht durch sich selbst wegfiog, wisset Ihr;
Eure Hand bewegte es ja. Es muß also eine gewisse Kraft
vorhanden seyn, die auf den Körper wirkt, wenn eine Be,
wegung erfolgen soll. Was Bvaft heißt, wisset Ihr auch
noch nicht: man versteht darunter alles dasjenige, was ent,
weder eine Bewegung wirklich hervorbringt, oder doch her,
Vorbringen kann. Erfolgt die Bewegung wirklich, so heißt
die Kraft lebendig; wirkt aber eine Kraft auf einen Kör,
per, ohne daß eine Bewegung erfolgt, so nennt man sie
todt. So ist also, z. B. Eure Hand, womit Ihr den Ball
werfet, oder ihn, vermittelst des Ballholzes, in die Luft
schlaget, eine lebendige Kraft; hingegen der Druck Eures
Stückchens Holz, wenn Ihrs auf Eure Hand legt, eine
todte Kraft: denn es drückt ja Eure Hand nicht nieder. —-
Also noch einmal, Kinder: keine Bewegung eines Körpers
kann erfolgen, ohne bewegende Kraft.------Nun weiter:
der Ort, oder der Punkt, nach welchem sich ein Körper her,
bewegt, heißt seine Richtung, und dieZeit, die er auf sei,
nem Wege zubringt, heißt seine Geschwindigkeit. Man
schreibt jedem Körper Geschwindigkeit zu, er bewege sich nun
schnell, oder langsam. Die Kanonenkugel z. B., wenn
sie abgeschessen wird, bewegt sich ungleich schneller, als der
Feiger an einer Uhr; aber beyde durchlaufen gleichwohl
einen Raum, und in sofern schreibt man beyden Geschwirr,
digkeit zu. Bep dieser Sache muß ich Euch schlechterdings
noch einige an sich magere Begriffe sagen, wenn Ihr auch
böse werden solltet. Habet aber nur Geduld, Ihr werdet
dann desto leichter und vergnügter mit mir fortgehen können.
— Die Geschwindigkeit, mit welcher sich ein Körper ber
3oo Naturlehre.
wegt, richtet sich nach der Rraft, die ihn in Bewegung
seht. Die Ladung, z. B., die die Kugel aus einer Pistole
treibt, ist bey weitem nicht hinreichend, eine Kanonenkugel
eben so schnell zu treiben, als sie die Pistolenkugel trieb.
Dies ist Euch also begreiflich. — Ferner: die Geschwlndigr
keit ist zuweilen eine gleichförmige, bald aber eine unr
gleichförmige. Jene hat Statt, wenn ein Körper in
gleichen Zeiten auch immer gleiche Raume durchlauft; und
diese dagegen tritt ein, wenn der Körper nicht immer in glei-
chen Zeitpunkten gleiche Raume durchliefe. Wie wollet
Ihr also die Geschwindigkeit folgender beyden Körper nen-
nen, wovon der erste in einer Secunde ioo, in der zwei-
ten Sekunde wieder 100 Ellen u. s. f., der andere aber in
der ersten Secunde 50, in der zweyten 100, u. s. w..liefe:
nicht wahr, der erste habe eine gleichförmige, der andere
eine ungleichförmige Geschwindigkeit. — Nimmt die Ge-
schwindigkeit beständig zu, so heißt sie eine beschleunigte,
nimmt sie ab, eine verzögerte Geschwindigkeit.
Diese Lehre von der Bewegung der Körper, lieben
Kinder, ist zwar bis zum Erstaunen wichtig: denn ohne sie
würde der Baumeister, oder der Zimmermann seinen Fla-
schenzug, womit er gewaltig schwere Lasten mit wenig
Mühe in die Höhe ziehen kann; der Tagelöhner nicht die
Kraft seines Hebels, (Hcbebaums) womit er ungeheuer
große Lasten von der Stelle bewegt; der Fuhrmann nicht die
Natur seiner winde erfahren, womit er seinen schwer be-
ladenen Wagen blos durch seine zwey Hände von der Seite
schafft. Allein, wenn ich Euch auch nur die faßlichsten
Regeln davon in der Kürze vortragen wollte, so würde ich
Euch undeutlich und langweilig werden; und wollte ich weit-
lauftiger erzählen, dann müßte ich Euch erst mit manchen
Din-
30i
Eigensch. d. Körp. überh.
Dingen aus einer ganz anderen Wissenschaft, aus der Ma-
thematik bekannt machen; welche Wissenschaft aber man«
chem unter Euch gleichfalls gewaltiges Kopfbrechen machen
würde. Also nur noch immer einige Schritte weiter, dann
sind wir auf der rechten Stelle.
Nehmet jetzt Euer Stückchen Holz, und thut nun die
Finger auseinander: was geschieht? Es fällt. Diese Kraft,
nach welcher sich dies Hölzchen nach der Erde zu bewegt,
heißt die Schwere. Jeder Körper hat diese Kraft, und
selbst der allerleichteste Körper ist schwer, so wie der aller-
langsamste geschwind ist. Ihr lachet: „geht denn der
Rauch, der Dampf nach der Erde zu, geht er nicht vielt
mehr in die Huft?" werdet Ihr mir sagen. Ganz recht,
Kinder; aber gebet jetzt einmal Acht. Jeder Körper ist
schwer; aber einer ist immer schwerer, als der andere.
Nehmet die Kugel von einer Kegelbahn in die eine, und
eine gleich große Kugel von Bley in die andere: was werdet
Ihr empfinden; nicht wahr, von der bleyernen einen um
gleich schwerer» Druck, als von der hölzernen? Es giebt
daher in der Natnrlehre eine Beobachtung, die Ihr jetzt
lernen müsset; sie ist diese: ein jeder Körper hat eine eigene
Ihümlrche größere, oder geringere Schwere, als ein an-
derer. Bley z. B. ist eigenthümlich schwerer, als Holz.
Wenn Ihr Euch also zwey gleichgroße Würfel machen lasset;
den einen von Bley, den andern von Holz, so ist jener schwerer,
nicht wahr? Wenn nun im Rauche, oder lm Dampfe,
Theilchen von Körpern sind, die eigenthümlich leichter sind,
als die Luft, so werden sie in der Luft eben so gehoben, als
das Wasser Euer Stückchen Holz heben würde, wenn Ihr
es bis an den Boden den Wassers eintauchen und dann die
Hand loslassen wolltet. Im Heben aber vermischen sich diese
Rauch-
ZO2
Naturlehre.
Rauchtheilchen mit andern Körpern, z. E. mit Wasser, mit
Salz , mit Oel rc. Nun werden sie schwerer als die Luft,
und fallen in der Gestalt des Regens, des Thaus, des
Schnees rc. herunter. — Dichte Körper sind eigenthümlich
schwerer, als lockere. Wenn Ihr daher zwey gleich große
Kugeln, die eine von Eisen, die andere von Korkholz zu
gleicher Zeit vom obern Stockeines Hauses fallen lasset, wel,
che wird zuerst auf den Boden kommen?
Wenn Ihr eine Blcykugel zwey Zoll hoch über eine
Tasse, oder über ein anderes irdenes Geschirr haltet und sie
dann fallen lasset, so wird die Tasse, das Geschirr, nicht
beschädigt werden. Aber haltet nun die nemlrche Bleykugel
drey und mehrere Fuß drüber, und lasset sie dann fallen;
was wird da geschehen: nicht wahr, die Kugel wird Scha,
den anrichten? Die Ursache dieser Wirkung liegt in der bc¡
schleumgten Bewegung der Kugel. Denn die Kraft der
Schwere, die diese Kugel, und jeden andern Körper fallen
macht, wirkt jeden Augenblick, so lange er fällt, auf ihn,
und giebt ihm also in jedem Augenblick auch einen neuen
Grad der Geschwindigkeit. Aus eben dieser Ursache ist
denn auch die Gewalt eines Körpers größer, je mehr die
Höhe beträgt, von welcher er herabfällt. Die Gelehrten
haben ausgerechnet, daß eine Flintenkugel, wenn sie aus eu
ner Höhe von 6000 Fuß herabfiel, eben die Gewalt ausr
üben würde, die sie ausübt, wenn sie mit der gewöhnlichen
Ladung Pulver aus einer Flinte geschossen würde.
Diese Kraft der Körper, die wir Schwere nennen,
lieben Kinder, ist die Probe von einer bis zur Anbetung
großen Weisheit und Haushaltungskunst des Schöpfers.
Denn hätten die Körper diese Kraft nicht alle, oder nicht
immer, so würden sich beständig Theile der Körper von der
Erde
‘603
Eigensch. d. Körp. überh.
Erde entfernen, und die Erde würde also einen fortdauren-
den Verlust erleiden. Allein der allmächtige Herr der Na-
rur schuf diese Kraft jedem Körper an, und eben dadurch
bleibt alles, was zur Erde gehört, auf seinem Vaterlande,
auf der Erde. Und wenn auch mein Körper nach einiger
Zeit in Staub, dieser Staub in Blumen, die Blumen in
Asche, dieAsche in Salz, das Salz in Wasser u. s. f. verr
wandelt wird, so bleibt doch mein Körper hier. Und eben
dieser beständige, allmächtige Kreislauf der Körper, dies
erstaunende Wunder des Schöpfers ist so groß, als die Hand-
lung der Schöpfung, oder vielmehr, es ist gleichsam eine
tägliche Schöpfung: alles, was er dieser Erde vor 6000
Jahren gab, ist noch jetzt in dieser Minute da.
Aber, Kinder, woher kömmts, daß die Körper diese
Eigenschaft haben; woher kömmts, daß sie sich nach der
Erde zu bewegen müssen? Die Gelehrten antworten:
die Erde hat eine anziehende Ruaft; vermittelst dieser
Kraft zieht sie die Körper so an sich, wre der Magnet daS
Eisen an sich zieht. So, wie dies die Erde mit den Kör-
pern thut, so wird hinwiederum die Erde vom größeren Kör»
per an sich gezogen. Ihr wollet wissen, was dies für ein
größerer Körper sey: die Sonne ist es; diese zieht dagegen
unsere Erde, den Mond und viele andere Weltkörper, die
Planeten und Cometen so an sich, daß diese sich nie von ihr
weg entfernen können. Und diese Sonne nun, mit ihren
Weltkörpern, wird mit viel tausend anderen Sonnen und
Welten wahrscheinlich gleichfalls von einem noch größeren
Körper gezogen, und im Gleichgewicht gehalten, wie Ihr
nun ba!d hören werdet.
So ist also, lieben Kinder, in der ganzen Welt alles
in beständiger Bewegung: von der Sonne an, bis zum
Sraub-
3°4
Naiurlehre
Staubkörnchen sind Millionen Kräfte, wovon immer eine
die andere treibt, drängt, belebt, in Thätigkert setzt. Allent,
halben, wo nur die allmächtige Hand des Schöpfers ruht,
da lebt alles; nirgends ist Unthätigkeit, nirgends Tod.
Selbst der Tod ist Leben: in unserm Staube, in unserm
Moder arbeiten unzählige Kräfte und schaffen ihn zu neuen
Körpern um.
Ehe wir weiter gehen, lieben Kinder, erhebet mit mir
Eure Hände zum Himmel und betet die Majestät dessen an,
der der Sonne und dem Staube, dem Wasserrropsen und
dem Meere gebietet, und dessen allmächtiger Wink so viele
Millionen lebloser, todter Wesen zu lauter dienenden, ge-
horsamen, willigen Vollziehern seines Befehls machen kann.
II. Von den Körpern insbesondere.
Man nennt diejenigen Körper, mit denen sich dieNar
turlehre beschäftigt, wie ich Euch schon gesagt habe, einfache
Körper, oder Elemente. Zu diesen Elementen rechnen jetzt
die Gelehrten manche Körper, die ehemals nicht dazu gehö-
ren sollten, und manches Element, wie z. B. die Luft,
wird jetzt für kein Element mehr gehalten. Ohne uns an
diesen Zwist zu kehren, wollen wir jetzt einige solcher Ele-
mente, nemlich die Erde, das Wasser, die Luft, den
Aether und das Feuer, jedoch nur ganz kürzlich kennen
lernen.
0 Die Erde.
In der Naturgeschichte Haber Ihr Euch schon bey den
Mineralien mit allerhand Erden bekannt gemacht; hier ler-
net Ihr die Mutter jener Erden, die einfache, oder elenren-
tarische Erde, die man auch Jungfern i Erde nennt, ken-
nen
Die Erde.
ZOs
nen. Sie befindet sich in allen festen Körpern, und dient
ihnen zur Grundlage; auch wohnt sie sogar im Wasser und
in der Luft. Völlig rein ist sie nirgends, vermischt aber
allenthalben zu finden. Will man also solche reine Erde
haben, so muß man sie aus andern Körpern scheiden und
diese Kunst lehrt uns eine Wissenschaft, welche die Chemie
heißt. Es ist jedoch den geschicktesten Scheidekünstlern (Cher
misten) noch nicht gelungen, völlig reine Erde zu bekommen ;
weil unser Auge nicht fein genug ist, die darin befindlichen
fremden Körper von der reinen Erde zu unterscheiden. Sor
gar aus dem Wasser kann man durchs Destilliren reme Erde
erhalten. Eine solche reine Erde ist weißlich, undurchsich-
tiq, eigenthümlrch schwerer, als alle übrigen el-mentarischen
Materien, ohne Geschmack und Geruch , und ihre Thrile
hängen so schwach zusammen, daß man sie leicht mir den
Fingern zerreiben kann. Sie brennt nicht, und im größten
Feuer glüht sie nur, ohne zu schmelzen. Daher verfertigt
man solche Gefäße daraus, die ein sehr heftiges Feuer ver-
tragen können.
2) Das Wasser.
Das Wasser ist ein flüßiger, durchsichtiger und nicht
sehr elastischer Körper, der weder Geschmack, noch Geruch,
noch Farbe hat, in der Kalte seine Flüssigkeit verliehrt, in
der Warme aber sie wieder annimmt, ohne auch das ge-
ringste von seinem Wesen verloren zu haben. Einige Gelehrte
nennen das Wasser einen festen Körper; und die haben
auch Recht: denn wenn die Feuertheilchen, die im Wasser
befindlich sind, weggenommen werden, so wird eö ein steinr
harter Körper, es wird Ei§. Daher giebt es ungeheuer
große und prächtige Gebirge von Wasser, (die Ei-sgebirge in
der Schweiz) und man kann aus Wasser große Häuser bauen,
(Bürgrrsch. ir Dd.) U Ich
3o6 Naturlehre.
— Ich habe Euch gesagt, Kinder, daß das Wasser keine
Farbe, keinen Geruch uno keinen Geschmack habe; das wird
wahrscheinlich Euch und Euren Eltern lächerlich Vorkommen.
Es ist aber völlig richtig: denn wenn vieles Wasser wirklich
Farbe, Geruch und Geschmack hat, so kömmt dies von den
fremden Körpern, die darin schwimmen. Das Wasser in
dem neuentdeckren Brunnen bey Limmer, nicht weit von
Hannover, schmeckt wie faule Eher und riecht wie Schwe,
fel, weil es über Schwefelminen wegläuft, und also viele
Schwefeltheilchen in sich hat. So giebt es auch Brun»
nen, die eben so berauschen, wie der stärkste Wein; und
wieder andere, die sich sogleich entzünden, wie Weingeist,
wsnn man die Flamme eines Lichtes daran halt. Aber wie
gesagt, Kinder, das alles kömmt von den fremden Dörr
pern im Wasser; das ganz reine Wasser aber, das ist, sol-
ches Wasser, aus weichem durchs Kochen und Deftilliren alle
fremde Theile abgesondert sind, ist ohne Geschmack, Gei
ruch und Farbe.
Das Wasser ist ein ziemlich dichter und schwererKörr
per. Die letzte Eigenschaft könnet Ihr an der ersten der
besten Wassermühle bemerken: da sehet Ihr, daß eine kleine
Menge Wassers ein ungeheuer großes Rad und mit demsel-
ben so viele andere Maschinen in Bewegung setzt. Diese
Schwere des Wassers ist so beträchtlich, daß ein Kubikfuß
— das heißt, eine solche Menge Wassers, die in einem
viereckigten Gefäß Raum hat, das einen Fuß lang, breit
und hoch ist — daß also ein Kubikschuh Wasser 46 Pfund
wiegt. — Ausserdem, daß das Wasser dickte und schwer ist,
besteht es auch zugleich aus sehr feinen Theilen, welches
Ihr daraus sehen könnet, daß es durch Leder und durch das
härteste Holz gepreßt werden kann. Diese große Feinheit
und
307
Das Wasser.
und Dichtigkeit der Wassertheilchen ist auch die Ursache,
warum es sich sogleich an andere Körper fügen, und in die
leeren Zwischenräume dringen kann. Eben diese beyden
Eigenschaften hat ihnen der Schöpfer zugleich zum großen
Nutzen der Menschen gegeben, denn wir nützen sie zu wich-
tigen Vortheilen. Wenn uns z. B hänfene Stricke nicht
fest und stark genug dünken: was thun wir da? Nicht wahr,
wir befeuchten sie mit VDaffiT: dies dringt in die leeren
Stämme des Hanfs, und dehnt die Stricke in die Breite
Und Dicke aus, wodurch sie verkürzt und also geschickter
werden, fester zu halten und eine ansehnliche Last in die
Höhe zu heben.
Vom Wasser müsset Ihr Euch noch zwey Eigenschaften
merken, nemlich, daß die Wassertheilchen sehr genau zur
sammenhängen, und daß sie sehr hart sind. Daher köm
net Ihr eine Nehnadel, wenn diese nur trocken und glatt
ist, auf kaltes Wasser legen, und sie schwimmt. Hier ha-
bet Ihr also schwimmendes Eisen. Da die eigemhüm-
liche — nicht wahr, eö ist nun gut, daß Ihr diesen Begrif
oben gelernt habet— die eigenthümliche Schwere des Ei-
sens siebenmal mehr beträgt, als die eigenthümliche Schwere
des Wassers: so müßte die Nadel sinken: aber blos der ge-
naue Zusammenhang der Wassertheilchen laßt sie nicht sin-
ken. Ihr könnet sogar aus Goldblech kleine platte Fahr-
zeuge machen, und kleine Persönchen ans Holz daraufsetzen:
und diese goldenen Schisse werden schwimmen. — Dieser
genaue Zusammenhang der Wassertheilchen macht auch, daß
der Regen in Tropfen, und zwar oft in großen Tropfen
herunter fällt: denn ohne diesen starken Zusammenhang wür-
den aus einer Menge derselben eben so wenig Tropfen ent-
stehen, als aus einer Menge Staub oder Sand.
308
Naturlehre.
Ich habe Euch gesagt, daß die Wassertheilchen auch
eine besondere Härte haben. Wenn Ihr ein breites Stück
Holz nehmet und mit der flachen Seite auf die Oberfläche
eines Teiches, oder Flusses schlaget, so wird sich das Stück-
chen Holz eben so spalten, als wenn Ihr damit gegen einen
sehr festen Körper geschlagen hättet. Von dieser Härte des
Wassers wissen Euch auch die Jäger viel zu erzählen: denn
wenn sie nach den kleinen Tauch-Enten im Wasser schießen,
so treffen sie sehr oft fehl: die Ursache ist, der Schrvotoder
die Bleikugeln prallen auf dem Wasser eben so ab, wie auf
einem Breie, wenn der Schuß unter einem schiefen Winkei
abgeschossen wird. Ich habe einmal von einem Jager gele-
sen. der gieng im Walde vor einermFischteiche vochey uni)
sähe sehr große Karpfen darin. Da ihn darnach lüftete,
schoß er auf einige; allein, was geschah, der Schrvot flog
zurück und ihm ins Gesicht. Er sähe dies für eine Strafe
Gottes an. Ich habe gegen dies Geständniß seines
Gewissens nichts zu sagen, wiewohl man alsdann in g«r
vielen Menschengesichtern Schrootkörner und Bleykugeln
dazu finden würde, wenn Gott jeden Diebstahl, bey dem
die Flinte das Werkzeug ist, so strafen wollte. Ihr selbst
werdet mir nun die Ursache sagen können: er schoß zu schief,
und so prallten die Körner auf den Wassertheilen ab. Dies
geht so weit, daß sogar, welches man bey Seeschlachten be-
obachtet hat, Kanonenkugeln abprallen, und Bleykugeln
noch überdem breit werden.
Also, Kinder, nun noch einmal gesagt: das Wasser ist
ein ziemlich schwerer, dichter, dabey aus sehr feinen,
genau zusammenhängenden und harten Theilen beste-
hender Körper. Eben diese Eigenschaften machen uns dies
Element sehr nützlich, ja völlig unentbehrlich: denn ohne
dass
Das Wasser. 309
dasselbe würden Menschen, Thtere, Pflanzen und Minsrar
lien nicht bestehen können. Ohne Wasser könnten wir keine
einzige Speise kochen; ohne Wasser hättet Ihr keinen Apfel,
keine Zwetsche, keine Traube, gar keine Frucht; ohneWast
ser wüßtet Ihr nicht, was Braten wäre: denn wir hätten
ja alsdann gar kerne Thiers, weil das Blut und alle Safte
ihre Flüßigkeit blos vom Wasser haben; ohne Wasser hät-
tet Ihr auch keine Milch, kein Bier, Zein einziges Getränk:
ja, Kinder, ohne Wasser gabs keine Ducaten und Louisd'ors,
gabs keinen Heller Geld in der Welt. Ihr lachet? Alle
Metalle brauchen im Schooö der Erde das Wasser so noth-
wendig zu ihrer Erzeugung, als Ihr zum Odemholen die
Luft brauchet. Kurz, ohne Wasser wäre die ganze Welt
ein pures Nichts. Dazu kömmt, lieben Kinder, daß der
Genuß des Wassers, als Getränk, das allergesündeste ist,
was Ihr nur trinken könnet: denn dies Getränk hat Euch
der Schöpfer selbst gebraut. Trinket es also ja recht fleißig;
trinket schon des Morgens beym Aufstehen ein Glas dieses
kühlen und wohlthätigen Getränks. — Doch dies ist der
Nutzen des Wassers noch lange nicht alle: es verschaft uns
jene unbeschreibliche Menge von Fischen, von denen Ihr
jetzt einige Arten kennet; es nützt uns zur Reinlichkeit, und
eben damit zur Gesundkeit unsers Körpers und zum Waschen
so vieler tausend Gerüche und Kleidungsstücke; es ist das
beste Mittel, den Ausbruch einer Feuersbrunst zu dämpfen;
es trägt erstaunlich große Lasten und hat deswegen der Schisi
sarth und den damit verbundenen Vortheilen — denket ein-
mal über diese Vortheile nach —- das Daseyn gegeben, und,
um nur noch einen Nutzen zu nennen — es setzt die größten
Maschinen in Bewegung. Wenn ich Euch den letzten
Nutzen nur ein wenig erklären, wenn ich Euch sagen wollte,
wie vielerlei Wassermühlen, z. B. Mehl-Graupen-
U 3 0ili
z IO Naturlehre.
öei* Loh- Schneider oder Bret-Walk-Papier- Pulvermühlen
cs giebt; welche entsetzlich große Maschinen das Wasser
in den Bergwerken, in den Eisenhütten, in den Dratmüh-
len, in den Ankerschmieden rc. treibt; wie wunderbar es in
den Feuersprützen, Stadlbrunnen, Fontainen (Springbrun-
neu) wirkt: dann, Kinder, müßt ich Euch ein ganz neues,
großes Buch schreiben, aber Euch auch zugleich in verschiede-
nen andern Wissenschaften unterrichten, ehe Ihr mich verste-
hen würdet. Aber denket nur blos ein klein wenig über die
letzten Zeilen nach, bedenket allenfalls nur: wie bald bckomr
men wir Mehl; wie bald entsteht ein Bret auf der Schnei-
demühle; wie bald kann der Papiermüller mit dem so wohl-
tätigen Papier fertig werden; wie geschwinde gehts mit
dem Schmelzen des nützlichsten unter allen Metallen, des
Eisens zu; das alles thut das Wasser; ohne dasselbe müß-
ten viele tausend Hände in Bewegung ftnn, und doch würden
sie sich einander hindern, und bey vielen Anstalten würden
Menschenhände gar nichts helfen können.
Ich habe Euch vorhin gesagt, lieben Kinder, daß das
Wasser schwer ist, daß es eben deswegen zu den letztgenannt
tcn und zu vielen andern Anstalten ungeheuer große Maschi-
nen treibt, und daß es aus eben der Ursache mächtig große
Lasten, Schiffe, wie eine Stadtkicche lang, tragen kann.
Aber wie geht denn nun das zu: wenn Ihr eine Dleykugel
von einem Schiffe ins Wasser werfet, sogehr sie unter, und
eben dies große Schiff mit so vielem Eisen beladen, mit so
vielen Menschen und Thieren, mit so vielen Lebensmitteln,
mit so vielen Kanonen und Flinten, mit so vielen Kanonen-
und Bleykugeln : dies mächtig große Schiff schwimmt? Ihr
wisset doch was Schwimmen heißt: man versteht unter dem
Schwimmen eines Körpers so viel, daß er weder zu Boden
sinkt, noch sich ganz eintaucht, sondern einem Theil nach
aus
Das Wasser. 3 r i
«ms dem Wasser hervorragt. Hierüber muß ich Euch noch ei/
nige Worte sagen. Ihr wisset nun waS cigenthümlich
schwer ist; gebet also mm Kinder, ich will mir Mühe
geben, Euch dies deutlich zu machen; und solltet Ihr mich
bcmn ersten Durchlesen nicht verstehen, so leset zweyr dreymal,
bis Ihrs fasset. Ein Körper kann im Wasser oder in einer an,
dern stößigen Materie nur alsdann unterstnkeu, wenn er ei-
genthümlich schwerer ist, als ein eben so großer Theil
Wasser, d. i. als der Theil der Masse des Wassers, die so
viel Raum einnimmt, als der Körper. Wenn Ihr also ein
Stück Bley, das einen Cnbikzoll (ein Zoll laug, breit und
hoch) tragt, ins Wasser werfet, fo geht es unter; warum?
Weil ein Cnbikzoll Wasser leichter ist, als ein eben fo großer
Theil, d. i. als ein Cnbikzoll Bley. Nun aber nehmet einen
Cnbikzoll Rorkholz und werfet den ins Wasser: was ge-
schieht? es schwimmt. Warum? Korkholz ist ctgenthümr
lich leichter als Wasser. Soll folglich ein fester Körper im
Wasser nicht untergehen, und also schwimmen, so muß er
kigcnthümlich leichter feyn, als das Wasser, das heißt,
die Schwere feiner Masse muß geringer feyn, als ein mit ihm
gleich großer Theil der Masse des Wassers, auf welches er
drückt. Die Ursache des Schwimmens liegt darin, daß seine
Schwere nicht hinreichend ist, so viel Wasser aus der Stelle
zu treiben, als mit ihm gleiche Ausdehnung hat. Ich will
Euch noch ein Beyfpiel geben. Ein Cubikfuß Holz muß des-
wegen schwimmen, weil es nicht fo viel Schwere hat, daß es
einen Cubikfuß Wasser ano der Stelle bewegen kann. —
Zwar senken sich viele Körper, die leichter sind als das Was-
ser, wenn sie hinelnfallen, aber sie kommen sogleich zum
Schwimmen wieder herauf. Es senkt sich nemlich ein jeder
Körper, der eigenthümlich leichter ist als das Wasser, so tief
ein, bis er fo viel Wasser aus der Stelle getrieben hat, als
tl 4 fcii
Naturlehre
seiner Schwere möglich gewesen. Folglich senkt er sich nur
um die Hälfte ein, wenn er halb so schwer ist als das Wasser;
um ein Drittel, wenn er um ein Drittel so schwer ist rc. Kör:
per aber, die gerade so schwer sind, als das Wasserdrücken an»
fänglich eine gleiche Mass: Wasser weg, und dann bleiben sie,
wo sie sind. Stößt man sie tiefer, so bleiben sie tiefer.
Nun aber, Kinder, kömmt etwas Neues: ein Mensch,
der das Schwimmen nicht gelernt hat — denn die Masse ei,
nes Menschenkörpers ist schwerer als die Masse des Wassers,
die mit ihm gleiche Ausdehnung hat; der Mensch muß also im
Wasser untergehen, wenn er das Schwimmen nicht versteht —
also ein Mensch stürzt ins Wasser und geht unter. Nach ei:
nigen Tagen aber kömmt seine Leiche wieder herauf und
schwimmt. Wie ist das zu verstehen: sollte der Geist, der in
ihm wohnte, ihn vorher schwerer gemacht haben: das wird
wohl keiner von Euch glauben wollen, denn ein Geist ist ja
nichts körperliches. Es soll Euch gleich deutlich werden: ein
todter Körper, Kinder, geht in Verwesung, seine Theile
fangen also an zu gahren, mithin dehnen sic sich aus, und
werden folglich größer. Dieser ausgedehnte, größer gewor-
dene Mensch nimmt also jetzt mehr Aaum ein, als vorher,
wie er noch lebendig war. Er ist demnach nur durch seine ver,
mehrte Ausdehnung eigcnthümlich leichter geworden, als
das Wasser: folglich muß er schwimmen. Wenn also ein
an sich schwererer Körper, als das Wasser ist, so zubereitet
wird, daß er einen größeren Raum eiunimmt, als eine Menge
Wasser, die eben so viel wiegt, so muß er schwimmso. Zch
will Euch noch ein anderes Beyspiel geben. Ein Pfund,
stück von Meßing sinkt unter; denn die Wasser« Masse unter
ihm, die gleichen Raum mir ihm hat, ist leicliter. Aber lasset
Euch nun das nemliche Pfundstück Meßing in eine hohle Kugel
von der Größe machen, daß sie einen halben Cubikfuß Raum
313
Das Wasser.
einnimmt, so wird sie schwimmen: weil sie jetzt weit mehr
Raum einnimmt, als ein Pfund Wasser, denn das beträgt
nur den vier und sechzigsten Theil eines Cubikschuhes.
Also, Kinder, ein Körper, der zwar schweren ist, als das
Wasser, der aber so zubereitet wird, daß er mehr Aaum
einnimmt, der muß schwimmen. Dies ist der Fall bey den
Fischen. Diese sind eigentlich schwerer, als das Wasser; sie
könnten also eigentlich nicht schwimmen. Aber der Schöpfer
gab ihnen eine Blase; wenn sie die ausdehnen, nehmen sie
mehr Raum ein; folglich schwimmen sie. Sobald sie sie aber
zusammenziehen, gehen sie tiefer. Wenn einer non Euch,
der nicht schwimmen kann, sich vier bis sechs aufgeblasene
Rindsblasen anbiuden läßt, dann kann er auch schwimmen:
denn er nimmt nwhr Raum ein, als die mit ihm gleichschwere
Masse des Wassers. Ihr werdet vielleicht von Schwimm-
gürteln Norkhemdern :c. gelesen haben, oder noch lesen:
eben die machen, daß der Mensch leichter wird, und daß er
also schwimmen kann. — Zuweilen schafft aber auch die Natur
selbst Menschen, die leichter sind, als die mit ihnen gleich
große Wassermasse. Dahin gehören die sehr fetten und
schwammigten Menschen; deren eigenthümliche Schwere
betragt nicht so viel, als die Schwere des Wassers, und die
tauchen also im Wasser nicht unter, ob sie gleich das Schwim-
men nicht gelernt haben. Ein solcher Mensch ist der vor ei-
nigen Jahren dieserwegen berühmte und vielleicht noch lebende
Priester Paolo Moccia, zu Neapel, in Italien. Die Masse
seines Körpers soll 300 neapolitanische Pfund wiegen, und
also um 30 Pfund leichter seyn, als eine eben so große Masse
Wassers. Dieser merkwürdige Mensch taucht daher im Was-
ser nicht anders ein, als bis an die Brust, und er kann in
Meeren und Strömen, wenn anders kein Sturm ist, förm-
lich stehen, und darin essen, lesen, schreiben und sich ohne
U 5 große
3H Naturlehre.
große Mühe darin fortbewegen. Er hat Taucher, d. i.
Leute, die im Wasser untertauchen können, an seinen Füßen
ziehen lassen. So wie sie aber losgelassen haben, ist der dicke,
fette Wassermann wieder in die Höhe gekommen. Nicht
wahr, so wie dieser Msceia möchtet Ihr wohl auch schwimr
men können; aber wolltetJhr auch wohl seinen dicken Schmeer;
bauch haben?
Beynahe, lieben Kinder, habe ich Euch vom Wasser zu
viel gesagt; und doch habe ich Euch, ehe wir weiter gehen,
noch etwas davon zu erzählen, das Ihr gerne hören werdet.
Eo erscheint nemlich dieses sonderbare Element bey uns Deutr
schen, noch mehr aber bey den nördlichern Völkern jährlich in
einer zwiefachen Gestalt. So lange es einen gewissen Grad
der Sonnenwärme genießt, kann man es trinken, versprühen,
kann man ln chm schwimmen, sich in demselben baden, kurz,
so lange ist es fiüßig Wenn aber bey einem gewissen Grade
der Kalte die in ihm befindlichen Feurrtheilchen verschwinden,
dann zieht es sich zusammen, seine Theilchen werden hart, sezr
zen sich an einander fest, dehnen sich nun wieder auseinander,
und werden so hart, daß große schwere beladene Lastwagen
darüber gehen können: kurz, es wird zu Eis. Daß das
Wasser sich, wie alle erkaltende Körper, beyrn Ansang des Ge<
frierens in einen engen Raum zusammenzieht, das werdet Ihr
des Winrers an jedem Eimer voll Wasser beobachten können;
denn Ihr findet am Rande desselben eine ErSrinde, und einige
Zoll darunter scher Ihr erst das Wasser. Sobald es aber in
den würklichen Grad des Gefrierens kömmt, dehnt cs sich
wieder aus. Daher bersten Eure Blumentöpfe, wenn Ihr
sie den Winter über mit vorhin naß gewesener Erde im Gar-
ten habet stehen lassen; und daher zerspringen bey großer Kalte
Gefäße, worin Wasser» Bier:c. befindlich ist. Die Kraft
dieser Ausdehnung ist so groß, das; zolldicke metallene Gefäße
da;
Das Wasser. zls
davon auseinander getrieben werden. Eben so wunderbar ist
auch die Festigkeit dieses vorher flüssig gewesenen Elements,
denn man findet in dem sogenannten Eismeere das Wasser so
hart, als Stein. Ihr werdet wahrscheinlich von dem Heft»
gen Winter des Jahrs 1740. gehört haben. Damals regierte
in Rußland eine Kayserin, Nahmens Annñ, die wollte ver»
suchen, wie weit man wohl das gcfrorneWasser verarbeiten könne.
Sie ließ also zu St. Petersburg, derjetzigenResidenzderrußir
schen Regenten, ein großesHaus aufbauen, das bestand aus purem
Wasser: Fundament, Balken, Säulen, Dachschindeln, Fenr
sterscheiben, Nagel, Schlösser und Schlüssel, ja sogar Tische,
Stühle, und alles übrige Hausgerathe: alles war Wasser.
Um dies Haus her waren Kanonen und Feuermörser gepflanzt;
die waren auch von Wasser, ja es wurde sogar aus diesen selt-
samen Kanonen und Mörsern gefeuert. Dies sonderbare
und äußerst merkwürdige Gebäude stand einige Monate, da
floß es denn bey der ankommenden Frühlingswärme nach und
nach weg, und die Kanonen mit: weg war der vergängliche
Pallast.
z) Die Luft.
Auch dieses Element, lieben Schüler, ist ein feiner,
flüßiger und durchsichtiger Körper. Er umgicbt uns
allenthalben und wir alhmen ihn beständig ein. Zwar könnet
Jhc ihn nicht sehen, aber Ihr fühlet ihn doch, so oft Ihr
mit der flachen Hand, oder mit einem Facher nach Eurem Ge»
sichte zu wedelt.
Einige von Euch wundern sich, daß ich gesagt habe, die
Luft sey ein flüßiger Körper. Aber könntet Ihr wohl bey
Eurem Vallschlagen oder beym Schlittschuhlaufen, so schnell
durch sie dringen, wenn sie ein fester, oder ein zäher, oder
ein weicher Körper wäre. Also, Kinder, sie ist ein flüßiger
Kör»
Körper, noch weit stufiger, als das Wasser: denn wenn Ihr
in die Luft schlaget, findet Ihr Widerstand, wenn Ihr aber
durchs Wasser schlaget, findet Ihr noch größern Widerstand.
Die Luft umgiebt uns und überhaupt den ganzen Erd-
körper, wie das Weisse im Ey den Dotter. Je naher sie der
Erde ist, desto mehr fremde Körper schwimmen in ihr: denn
die Sonnenwärme löst von allen Körpern beständig eine Menge
Theile ab, und diese erheben sich, und schwimmen in der Luft.
Ist von diesen fremden Theilen ein gewisser Vorrath beysam-
men, so erscheinen sie uns in der Gestalt der Wolken. Man
nennt diese Gegend der Luft, in welcher sich die abgesonderten,
und in die Höhe gestiegenen Theile der irdischen Körper, d. i.
die Dünste befinden, den Dunstkreis, oder auf griechisch,
die Atmosphäre. Dieser Dunstkreis mag sich etwa eine
Meile hoch über die Oberfläche der Erde erstrecken, über dem-
selben aber ist die Luft völlig rein.
Ihr wisset also nun, Kinder, daß die Lust flüßig ist. —
Eine andere Eigenschaft, die sie hat, ist ihre Elastizität oder
Federkraft, das Heist, wie Euch auch nun schon bekannt ist,
sie kann durch den Druck irgend einer Kraft in einen kleinen
Raum getrieben werden, dehnt sich aber auch, sobald dieser
Druck aufhort, mir desto größerer Gewalt wieder aus. Ihr
erfahret diese Eigenschaft der Lust, wenn Ihr mit Eurer
Änallbüchse spielet. Ihr machet nemlich einen Hollunder-
stab hohl, verfertiget ein Stöckchen, stecket einen Stöpsel von
Werg (Heede) unten in die Röhre, und einen andern Stöpsel
oben hinein, und Ihr sorget dafür, daß diese Stöpsel groß ge-
nug sind, damit sie den Raum völlig füllen. Wenn Ihr nun
mit dem Stöckchen den obern Stöpsel hinein treiben wollet:
was geschieht da? Nicht wahr, Ihr findet einen Widerstand,
und Ihr müsset sehr stark drücken? Je näher der oberste Pfropf
dem untersten kömmt, desto stärker müsset Ihr drücken. Wo:
317
Die Lust.
von kömmt dieser Widerstand? Von berLuft, die zwischen bem
den Stöpseln, und also in einem engen Raum eingesperrt ist;
eben diese drückt so stark, und treibt endlich, wenn Eure Kraft
für sie zu heftig ist, den Stöpsel unter einem Rnall, den Ihr
so gerne hören wöget, zur Büchse hinaus. Versuchers nun
einmal, und stecket nur einen Stöpsel hinein, den werdet
Ihr leicht durchtreiben können, denn Ihr findet wenig Wider-
stand, weil Ihr jetzt keine Luft eingesperrt habet. Fast auf
eben die Art verhalt es sich mit den sogenannten LVindbüch-
sen; die werden mit Luft geladen, so wie man eine andere
Büchse mit Pulver lädt. Wenn sich nun die in der Büchse
eingesperrte Luft wieder aus dehnt, so ist die Gewalt dieser Aus-
Lehnung so heftig, daß sie eben so, wie das Zcuerycwehr,
eine Kugel treiben kann; nur rst der Knall der Windbüchse
nicht so stark, als der beym Feuergewehr.
So wie Ihr nun die Luft zusammendrücken, und gleich-
sam einsperren könnet, so laßt sie sich hinwiederum sehr weit
ausdehnen. Vorzüglich hat das Feuer die Kraft, die Luft
auszudehnen. Ihr erfahret dieses beym Losschießcn eines
Feu erg e weh es: denn der Knall, der beym Abfeuern geschieht,
ist nichts anders, als der Schall, den die vom Feuer des ent-
zündeten Pulvers plötzlich und gewaltig ausgedehnte Luft
macht. Wie heftig diese schnell ausgedehnte Luft weiche, und
also auf die ihr im Wege stehenden Ding- drucke, das wer-
det Ihr alsdann gewahr werden, wenn Ihr Euch gegen eine
mit bloßem Pulver geladene Kanone über, etwa in eine Ent-
fernung von zwey Schritten stellen wolltet, denn Ihr würdet
umgeworfen werden, wenn Euch auch der Pfropf der Kanone
nicht traft. Werthut das Umwerfen? Das Pulver nickt,
denn das hat sich bey der Entzündung verzehrt: die ¿Lnfe
thut cs, die von der großen Hitze des Feuers schnell ausge-
dehnt wurde, und gerade nach Euch zudrückeu mußte. Aus
eben
318 Naturlehre.
eben dem Gründe öffnen auch, wie einige von Euch gesehen
haben, die Bewohner der Gartenhäuser, die unserer hiesigen
Königlichen Batterie überstehen, ihre Fenster, wenn kanonirt
wird: die schnell ausgedehnte und stark drückende Lust würde
sie ihnen zerschmettern. Einen ziemlich starken Grad des
Drucks der Luft könnet Ihr erfahren, wenn Ihr Euch vor die
Röhre eines großen Blasebalgs stellet, dergleichen Ihr in
den Schmelzhütten sinder.
Außer der Flüßigkeit und der Elastizität hat die Luft
noch eine andere wichtige Eigenschaft, die Schwere. Ihr
wundert Euch, Kinder, daß ich die Luft schwer nenne.
Wenn Ihr in diesem Augenblick eine Luftpumpe hattet, so
würdet Ihr Euch nicht mehr wundern, denn mit diesem hockst
nützlichen Instrument kann man die Luft wirklich wagen,
so wie man feste Körper wagen kann. Eine hohle glalerne
Kugel, worin ein Eubikschuh Luft Platz har, wiegt ohne das
Glas, zwcy Loth, oder eine Unze. Freylich betragt diese
Schwere nicht viel; denn ein Eubikschuh Wasser wiegt 1024.
Unzen, oder 64 Pfund; mithin ist die Luft etwa 100 mal
leichter, als das Wasser. Aber der Schöpfer hat nun einmal
der Lust diesen Grad der Schwere aus großer Weisheit und
Güte zugemessen: denn ein stärkerer Grad der Schwere würde
sie dichter und für alle Geschöpfe schädlicher, und ein minderer
Grad dagegen würde sie unbrauchbar für die Creaturcn machen.
Eben deswegen, lieben Kinder, weil die Luft nur eine geringe
Schwere besitzt, hat sich die ganze Welt über die Erfindung der
Luftschiffe gewundert, und wir erstaunen noch immer über
ein solches Werkzeug, das einen und mehrere Menschen einige
Meilen hoch in die Luft heben, in derselben tragen und mit
ihnen in diesem Elemente herumschwimmen kann, wie da-
Wassirschiff im Elemente des Wassers. Denn, Kinder, wenn
Ihr auf einen Thurm gehet, und von demselben auch nur das
kleinste
Die Lust. Z iA
kleinste Stückchen Holz, eines Stccknadelknopfs groß herunter
werfet, so schwimmt es nicht, sondern es fällt. Unö dennoch
schwimmt ein Luftschiff, so groß wie ein Haus! Wie geht das
zu? Gebet Acht, ich will es Euch kurz erzählen. Wenn Ihr
von einem Arzeneyglaschen den Fuß abschneidet, und ihn ins
Wasser werfet: waö geschicht da? das Glas geht unter.
Wenn Ihr aber nun ein anderes solches ganzes Gläschen ins
Wasser werfet, da schwimmts. Denketeinmal über dieU«
fache nach, ich habe sie Euch vorhin gesagt, nicht wahr der Fuß
des Gläschens muß deswegen untergehen, weil seine Masse cii
genrhümlich schwerer ist, als die unter ihm befindliche Waft
sermasse. Die Masse des ganzen hohlen Gläschens hingegen
ist leichter, als der Raum Wasser unter ihm. Man hat
daher lange auf ein Mittel gesonnen, wie es anzufangen fty,
einen Körper eigenthümlich leichter z» machen, als die
Luft ist. Daß das Feuer die Luft dünner und also auch leicht
ter mache, wußte man schon lange. Aber eine Maschine
zu erfinden, !in welcher eine solche verdünnete Luft aufoemahrt
werden könne: dies schien ein unmögliches Werk zu seyn. End,
lich traten zwey geschickte Franzosen, die Gebrüder Stephan
und Robert von Montgolfier mit einer solchen Maschine
auf, welche die ganze Welt in Erstaunen setzte. Sie halte
eine kugelförmige Gestalt und war von Leinewand verfertigt
und mit Papier gefüttert. An der Seite gegen die Erde zu
war eine Oefnung, in welche man den Dampf von angezün-
detem, trocknen Stroh leitete. Die Hitze des Dampfs verr
dünnete also diein der Maschine befindliche Luft sosehr, daß sie
noch einmahl so leicht ward. Dieser Ballon hatte HO
Schuh im Uinfange und nahm einen Raum von 2156 Pfund
Luft ein. Diein ihm eingeschlosscne leichtere Luft wog nur 107s
Pfund, und die Kugel selbst 500 Pfund, Folglich war,die
Maschine nun 578 Pfund leichter, als der Raum Luft,
der
3 2a
Naturlehre.
der mit ihm gleiche Größe hatte: mithin ftieg sie nun. Diese
merkwürdige Erscheinung geschähe am zten Iun. 178;.Zu Am
nonay, m Frankreich. Die Maschine stieg etwa icoo Klaf-
tern, und senkte sich iioo Klaftern von dem Orte, wo sie auft
yesiiegen war, wieder herrnuer. Wer in Aunonay nur ge-
sunde Finger hatte, der meldete diese auß-rordeutlicheBegebeu-
heit seinen auswärtigen Freunden und Bekannten. Als die
Nachricht auch nach der großen und mit vielen gelehrten Män-
nern ttngesüilken Stadt Paris kam, wollte man den Versuch
mit den aerosiatischen Maschinen (so nannte man diese Werk-
zeuge, und nennt sie noch so) geschwind nachmachen. Es hat-
ten aber die Erfinder eben so wenig, als jemand anders, das
Mittel genannt, wodurch die Luft war verdünnt worden,
und so kratzten sich die Herren Gelehrten in Paris eine lange
Zeit hinter den Ohren und zerbrachen sich die Köpfe. Nach
vielem Hin- und Hersinneu hatte jedoch ein dasiger Professor
der Naturlehre, Nahmens Charles den Einfall, daß eine sol-
che Maschine, wenn sie mit brennbarer Luft gefüllt würde,
steigen müßte, wenn sie auch nicht wollte. Durch Hülfe zweyer
anderer Gelehrten, der Herren Aobert, brachte er auch wirk-
lich eine Maschine zu Stande, die aber von dem Ballon der
Herren Montgolsier sehr verschieden war. Sie hatte die Gestalt
einer Rugel, und war von Tastet, an der äußern Seite aber
war sie mit einem Firniß von Federharz, wovon ich Euch
Seite 2ZY etwas gesagt habe, überzogen. Warum das wohl,
Kinder? Nicht wahr, um die Luft im Ballon einzusperren:
denn die würde sonst durch die Löcher des Taffents gar bald ent-
wischt scyn. Warum aber der Firniß gerade von elastischem
Gummi ftyn mußte, das überleget einmal selbst. Nun drückte
man die in ihr befindliche natürliche Luft heraus, da fiel sie zu-
sammen, in einen Sack. Jetzt aber wurde durch einen, an
der Maschine angebrachten Hahn brennbare Luft hin einge-
lassen.
321
Die Lust.
lassen, und der vorher schlaffe Sack ward nun zu einem ku,
gelförmigen Wesen. Die ganze Maschine, deren innerer
Raum 94Z Kubikschuh enthielt, wog gleichwohl mir dem
Hahn nur 25 Pfund, denn die brennbare Luft ist achtmal
leichter, als die gemeine Luft. Der erste Versuch mit derl
selben wurde am rasten August 1783. in Gegenwart einer
unbeschreiblichen Menge Menschen gemacht. Sie stieg mit
einer großen Leichtigkeit in die Höhe, blieb î Stunden in
der Luft, und durchlief in dieser Zeit 2§ deutsche Meilen.
Nachdem dieser Versuch so glücklich abgelaufen war, verfem
tigte man größere Maschinen, und versah sie mit einem
hängenden Boote, oder Luftwagen, um sie dadurch zu ei,
gentlichen Luftreifen geschickt zu machen. Die erste Reise
machte Herr Charles selbst am isten Decbr. 1783. Sr
stieg in io Minuten 1500 Klaftern hoch. Nachher unter/
nahmen auch andere Neugierige ähnliche Luftreifen, und
Ihr werdet gehört haben, daß ein großer junger Gelehrter,
der überdem ein Mann von vortreflichem Herzen war, Nah,
mens pilatre de Rozier, eines durch den äußeren Druck
der Luft in der Maschine entstandenen Hisses wegen herab,
stürzte und zerschmettert wurde; auch werden Euch Eure
Eltern aus den Zeitungen gesagt haben, daß ein Franzose,
Rahmens Blanchard, der erste Mensch ist, der in der
L.uft übers Meer und zwar von England nach Frankreich
herüber gefahren ist, und der nachher auch in verschiedenen
großen Städten Deutschlands solche Luftfarthen angeftcllt
hat. Ein solches großes Gebäude mit einem oder mehreren
Menschen zu den Wolken hinauf, und meilenweit über sie
weg steigen zu sehen, dies, lieben Kinder, gewährt dem Zu,
schauer ein ganz eigenes, mit einem ehrfurchtsvollen Schau,
der verbundenes Entzücken. Alle Menschen wenigstens,
die dies Schauspiel gesehen haben, sprechen davon mit der
(Bürgersch. ir Bd.) 2i leb.
Z2L
Naturlehre.
lebhaftesten Verwunderung, und es ist bis jetzt von Hohen
und Niedern, Kennern und Unerfahrnen noch nicht anders,
als mit innigster Theilnehmung angesehen worden. Die
Großen haben ihren Beyfall durch königliche Belohnungen,
die mittleren Stände durch Lobsprüche, Denkmähler, Gel
dichte und Münzen, das gemeine Volk durch Zujauchzen
und durch Einführung im Triumph und Unwissende n'.cht
selten durch eine fast abgöttische Verehrung der Luftschiffer
an den Tag gelegt. Diesen Lustfahrern selbst fehlt es an
Worten, ihre Empfindungen auszudrücken, die sich ihrer
bemeisiern, wenn sie die Welt unter ihren Füßen sehen;
alle aber gestehen, daß vorzüglich die Herrlichkeit der
Aussicht und die in der Atmosphäre herrschende majeftai
tische Stille ein unbeschreiblich mächtiges und angenehmes
Gefühl errege, das auch selbst rohe und fühllose Leute dräni
gen müsse, den Herrn der Schöpfung in tiefer Ehrfurcht
anzubeten.
Obgleich die Herren von Montgolsier die eigentlichen
Erfinder der Luftschiffe sind, so hat es doch mit Ballons iht
rer Art noch kein Mensch wagen wollen, »n die Luft zu ger
Heu: nur ein Schaaf, ein Hahn und eine Ente haben damit
auffliegen müssen.
Ich merke es Euch an, Kinder, Zhr habet mich schon
einigemal fragen wollen, was brennbare Luft sey: ichwill
Euch also jetzt kürzlich einige Arten der Luft nennen. Das,
was ich Euch jetzt sage, ist etwas ganz vollkommen Neues für
Euch, das mir, wie ich in Eurem Alter war, nicht erzählt
wurde: denn da wußte man noch nichts davon. Ihr müs-
set zwar einige fremde Wörter lernen; es ist Eucb aber gut:
besser, als wenn Ihr sie im gemeinen Leben und in den Zeit
tangen immer hörtet und laset, ohne zu wissen, Ms Zhr
höret und leset.
3.
323
Die Lust.
a. Die dephlogisticirte lust.
Alle Körper, lieben Kinder, können zwar zu einem ge-
wissen Grade von Hitze gebracht, nicht alle aber können
wirklich entzündet werden. Asche, z. B. könnet Ihr heiß
machen, nicht wahr, aber anzünden könnet Ihr sie nicht,
so wie Ihr Papier, Holz, Zunder rc. anzünden könnet.
Diese letzteren Körper pflegt man daher entzündbare oder
brennbare Körper zu nennen, und dasjenige Wesen in ih-
nen, durch dessen Kraft sie die Entzündbarkeit erhallen,
heißt das phlogiston, oder Brennbare. Dieses Brenn-
bare läßt sich einem gewissen Körper nehmen und einem
dritten geben. Hat man's einem Körper genommen, si>
heißt der Körper dephlogtsticirt; har man's aber einem
Körper gegeben, so heißt dieser Körper phlogisticirt.
Nun, Kinder, wisset Ihr also, was dephlogisttUrte Luft
heißt: eine solche Luftgatrung, welcher man ihr brennbares
Wesen (Phlogiston) genommen hat. Sie heißt deswegen
auch zuweilen künstlich-reine Luft. Bis jetzt hat
man auf der Welt noch keinen Ort entdeckt, wo man diese
Luft in einiger Menge anträfe; nur durch Bunst kann man
diese sonderbare Flüßigkeit verfertigen, besonders aber zieht
man sie aus deu Kalken der Metalle. Diese dephlogisticirte
Lust nun, Kinder, hat eine ganz besondere Heilsamkeit:
wer in einer solchen Lust athmet, dem ift's, als würde er
neu geboren, und der ißt mit einem so entzückenden Appetit
und schläft so herrlich, als kein König. Daher fangen jetzt
die Aerzte an, sie in manchen Umständen, besonders bey
Lungenkrankheiten als Arzeney zu verschreiben. Wenn als»
einmal einer von Euch ein Glas dephlogisticirte Luft einneh-
men soll, der weiß doch nun, was das für eine Arzeney ist.
— Wäre es möglich, daß Menschen und Thiere sich immer
£ 2 mit
324 Naturlehre.
mit solcher Luft umgeben könnten, so würden sie noch sieben;
mal länger leben. „So haben vielleicht Adam, Methu-
salem und alle jene ehrwürdigen Greise solche Luft einger
athmet!" — Dieser Einfall, Kinder, würde sich hören las-
sen, wenn nicht diese Luft bey aller ihrer Heilsamkeit für
Menschen und Thiere, gleichwohl ein wahres Gift für
Pflanzen wäre; ich wüßte Euch also nicht zu sagen, wie
jene herrlichen Bäume, mit ihren leckeren Früchten, die
Abraham, Methusalem, und alle jene fast tausendjährigen
Greise gegessen haben, in dieser Luft hätten bestehen kön-
nen. — Ich könnte Euch von der dephlogisticirten Luft
noch viel Artiges erzählen: z. E. daß ein Licht in einer sol-
chen Luft zu einem großen mächtigen Flammenklumpen,
ein Stückchen angezündeten Zunders zur Fackel, ein Fünk-
chen zum Lichte wird; daß die Körper in derselben mit dem
lebhaftesten Knistern und sehr leicht verbrennen :c.; aber
Ihr wollet auch noch von anderen Dingen Unterricht haben.
Merket Euch also nur noch den Umstand, daß diese Luft
noch nicht älter ist, als die ältesten unter Euch: erst seit
vierzehn Jahren kennt man sie; denn da wurde sie von ei-
nem Gelehrten in England, Namens Priestley entdeckt.
b. Die fixe Luft.
Die fixe Luft (auch mephitische Luft genannt) ist eine
sehr unkenntliche Schwester der vorigen: denn sie taugt we-
der zum Odemholen, noch zum Verbrennen der Körper.
Sie hat ihren sehr großen Schaden, aber auch eben so
großen Nutzen. Thiere, die Odem hohlen, tödtet sie so-
gleich; Fische sterben augenblicklich in solchem Wasser, das
mit ihr vermischt ist; Blumen verwelken in ihr in einigen
Minuten; Lichter werden in ihr so schnell ausgelöscht, als
wäre
Z2s
Die Lust.
wäre Wasser drüber gegossen; kein Schießgewehr kann darin
losgebrannt werden, wenn auch Pulver und Lunte noch so
gut wären. Dagegen aber ist sie, wenn wir sie mit Was-
ser, Vier rc. genießen, von großer Heilsamkeit: denn eben
die Gesundheitswasser, alsPyrmonterr Spaar Selterbrun-
nen, sind sehr häufig damit versehen und erhalten von ihr die
größte Kraft. Man kann daher solche Wasser durch die
Kunst nachmachen und macht sie auch wirklich nach. Ausser
der Heilsamkeit, die sie dem Sauerbrunnen mittheilt, hat
sie noch andere, mannigfaltige Vortheile, worunter ich
nur den einzigen nennen will, daß sie Körper lange vor der
Zäulung bewahrt. Daher verschreiben die Aerzte jetzt ge-
gen Faulfieber und ähnliche Krankheit einige Portionen
fixer Luft.
Ihr wollet gern wissen, wo denn diese Luft eigentlich
zu suchen sey? Ihr findet sie allenthalben, wo Körper aus
dem Pflanzenreiche in Gahrung gerathen. Gehet also
nur in ein Brauhaus, da findet Ihr sie in dem Dotrig, in
welchem das Vier im Kochen begriffen ist, als ein Dampf
schweben. Daher eben hat ein Brauhaus allenthalben
Fensteröfnungen, damit den Brauleuten diese Luft nicht
schade. Diejenigen von Euch, deren Eltern ein starkes
Bier brauen, werden aus dem Munde derselben oft gehört
haben, daß man zur Zeit des Gahrens, oder, wie man
sich in Sachsen ausdrückt, wenn das Bier tobt, nicht
in den Keller gehen dürfe. Die Ursache ist nichts anders,
als die vom Malze jetzt häufig entbundene Luft. Ich habe
den Fall erlebt, daß der Knecht eines meiner Verwandten,
so wie die Magd, bepde in einem solchen Bierkeller von der
fixen Luft starben. Wer demnach an solche Orte gehen
muß, der muß vorher die Luft reinigen. Dies geschieht
dadurch, daß man mit einem Feuergewehr von außen zu hin-
I 3 »ein
J
I
Z26 Naturgeschichte.
ein schießt. Wenn Zhr eine Boureille mit Bier durch einen
guten Pfropf verwahrt habet und Ihr ziehet den Pfropf
heraus, waö höret, sehet und riechet Zhr da: Nicht wahr,
Zhr vernehmet einen Knall, sehet einen Dampf, und rie-
chet etwas Saures? das ist die fixe Luft im Bier. Da-
her giebt in den nemlichen Umständen auch eine Bouteille
Selterwasser einen Knall; denn ich habe Euch ja gesagt,
daß solcherley Wasser viele fixe Luft hat.
c. Die brennbare Lust.
Die brennbare Luft (entzündbare, oder inflammable
Luft) ist zwar den Gelehrten schon längst bekannt gewesen;
sie hat sich aber seit der Erfindung der aerostarischen Ma^
schinen auch andern Menschen bekannt gemacht. Diese Luft
unterscheidet sich von andern Luftarten durch ihre sehr ge-
ringe Schwere und durch die besondere Eigenschaft, daß
sie Feuer fängt, wenn man sie mir einem brennenden Kör-
per berührt. Sie wird, so wie die vorhergehenden Lust-
arten, durch die Kunst sowohl, als durch die Natur hervor-
gebracht, und Ihr könnet sie gar bald finden, wenn Zhr
nur an stehende Sümpfe gehen wollet. Rühret einen
solchen Sumpf etwas mit einem Stabe: was sehet Zhr da?
Aufstergende Blasen. Diese Blasen enthalten brennbare
Luft- Haltet Zhr ein brennendes Licht daran, so werden
sie sogleich Feuer fangen und der ganze Sumpf geräth all-
mählich in Flammen und giebk Euch ein herrliches Schau-
spiel. Zch will Euch aber nicht rachen, die Probe zu ma-
chen. E. en so häufig findet man sie in Bergwerken, in Stein-
kohlengruben, auf Begräbnißplätzen, Schindangern und in
heimlichen Gemächern. Man weiß, daß ein Mann, der
mit der brennenden Tabackspfeife auf ein in verschiedenen
Zähren nicht ausgebrachtes Gemach gieng, und einen Fun-
ken
(
Die Lust. 327
fett hineinfallen ließ, eS auf einmal in Brand steckte, so
daß er sich mit genauer Noth retten konnte.
Die brennbare Luft ist dem menschlichen Körper eben so
gefährlich, als die fixe. Ihr müsset daher alle Oerter vm
meiden, die mir solcher Luft angefüklt sind. Dagegen hak
diese Luft wiederum mannigfaltigen Nutzen; denn erstlich
geoeyhen sehr viele Gewächse darinn am besten. Es saugen
neml-ch die Gewächse das Brennbare ein, und die um die
Moräste herum wachsenden Pflanzen scheint der Allgütige
gerade deswegen dahin gepflanzt zu haben, damit sie die
Luft reinigen sollen. Einen andern Nutzen der brennbaren
Luft kennet Ihr nun schon in der Entdeckung der Luftma,
schinen. Ferner gewährt sie jetzt den Feuerwerkern einen
großen Vortheil: denn man kann Mörser, Kanonen:c. mit
brennbarer Luft laden. Auch hat im I. 1786 ein Gelehrt
ter in Prag, Namens Renner, ein Feuerzeug erfunden,
das bloß aus brennbarer Luft besteht. Wenn man die darr
an befindliche Schraube nur einmal umdreht, so hat man
augenblicklich Feuer. — Ich könnte Euch noch verschiedene
andere Luftarten nennen; wir Habenaber noch viele nützliche
Dinge zu lernen, auch muß ich Euch, ehe wir werter gehen,
noch etwas weniges vom Nutzen der Luft überhaupt sagen.
Kein lebendiges Geschöpf kann sein Leben forrsetzen, ohne
Luft: denn dies Element ist uns so nöthlg, als das Wasser
dem Fisch. Daher, lieben Kinder, ist es gar nicht gleich
viel, was für Lust und wie viel derselben wir genießen:
wir müssen sie sorein, als möglich, und so oft, als
nur immer geschehen kann, zu genießen suchen. Enge,
kleine, niedrige, mit unbedeutenden, wohl gar das ganze
Jahr durch verschlossenen Fenstern versehene Zimmer auf
dem Lande, worin sich oft sämmtliche Hausgenossen, auch
7£ 4 wohl
Z28
Naturlehre.
wohl einige Hunde und Katzen befinden; worinn Wäscht
getrocknet und geplättet, Flachs gedörrt wird, und nasse
Kleidungsstücke am Ofen hängen; worinn fast alle Bewoh«
ner zu.'gleicher Zeit Taback rauchen; worinn vielleicht noch
andere Dämpfe und Ausdünstungen von Kohlen, vom rau»
chenden Ofen, von der frisch, getünchten Wand, von den
übriggebliebenen Speisen befindlich sind; worinn wohl einige
Personen des Hauses schlafen: in einer solchen Stube,
Kinder, was mag da wohl für eine Luft wohnen; ganz ge«
wiß keine reine, sondern fixe und brennbare zugleich, und
also wahres Gift. Selbst in der Natur würden wir beyde
Luftarten sehr häufig haben, wenn nicht Gott dem Wasser,
und besonders dem wohlthätigen Gewitterregen, befohlen
hätte, ne in erstaunlicher Menge zu verschlucken; den Mil«
lionen Pflanzen geboten, sie durch ihre feinen Kanälchen
einzusaugen; dem Blitze und überhaupt dem Gewitter auf«
getragen, sie zu verdünnen, und dem Sturmwinde die
Pflicht aufgelegt hätte, sie zu verjagen. Durch diese all«
mächtige Anstalt bekommen wir fast immer reine Luft, und
wem unter Euch, lieben Kinder, seine Gesundheit lieb ist,
der suche sich diese reine Luft, durch öftere Bewegung im
Freyen, durch tägliche Oefnung der Fenster in den Wohn, und
Schiafziinmern und durch beständige Entfernung aller stark
ausdünstenden und Dampf machenden Dinge zu ve schaffen.
Wie rödtlich unreine, eingesperrte und aus einer Menschen«
lunge in die andere gegangene, wieder verschluckte und aufs
neue ausgeathmete Luft sey, will ich Euch nur kürzlich mit
einem wahrhaftigen Deyspiel beweisen. Im Jahr «754
ließ ein grausamer Regent irt Ostindien, Namens Suva«
jah Dowlah ganz unoermuthet 146 englische Soldaten in
ein enges Zimmer sperren, das nur 20 Fuß ins Gevierte,
und zwey kleine Fensteröfnungen hatte. Dies Zimmer hieß
329
Die Luft.
bas schwarze Loch. Es war an einem Sommertage des
Nachmittags gegen 6 Uhr, als die Unglücklichen hinein ge,
schloffen wurden. Nach .einigen Minuten geriethen sie schon
in den heftigsten Schweiß, sie bekamen Kopfweh , Schmer,
zen in den Gliedern und einen unausstehlichen Durst. Von
Viertelstunde zu Viertelstunde stieg das Elend dieser Leute so
sehr, daß ichs Euch nicht beschreiben kann. Einige sogen
den Schweiß aus ihren Hemden, andererranken ihren Urin.
Zn der ersten Stunde starben schon einige zwanzig, und die
übrigen raseten im Fieber. Umfallen konnten die Gestor,
denen nicht; denn alle waren wie eingemauert: nur an
den Zuckungen im Tode konnten die Lebendigen merken, daß
Sterbende, und am Gestanks, das Leichen neben ihnen wa-
ren. Endlich am Morgen ließ der Barbar das Zimmer öf,
nen, und von den 146 Eingesperrten lebten noch 25; oder
vielmehr sie bewegten sich noch: denn ihre Körper waren
schon verfaulten Leichnamen ähnlich. — Nun werdet Ihr
mir ja wohl glauben, daß frische Luft den Menschen, und
überhaupt den Thieren unentbehrlich sey. — Eben so nöthig
ist sie den Gewächsen, daher haben diese eine Menge klei,
ner Kanäle, wodurch die Luft in alle ihre Theile geführt
wird. — Ohne Luft, lieben Kinder, gäbe es auch keine tili,
neralien: denn diese macht, daß die mineralischen Dünste
in der Erde herumziehen, sich ansetzen, und sich zu Metal,
len, Salzen u. s. w., kurz, zu mineralischen Körpern bil-
den. — Ohne Luft gäbe es ferner kein Fetter, oder würde
doch zum wenigsten nirgends hervorgebracht und unterhal-
ten werden können. Denn ein angezündetes Licht erlischt,
wenn man ihm die Luft nimmt, ja es erlischt schon, wenn
es in einen engen Raum gesetzt und ihm der Zugang der fri,
scheu Luft versperrt wird. — Ohne Luft wäre auch kein
Schall: da könnten Menschen nicht mit Menschen reden;
3£ 5 da
33°
Nakurlehre.
da hörten wir nicht das Leben der Schöpfung, da wüßten
wir nichts von der göttlichen Musik: Kurz, Kinder, ohne
Luft gäbs keine Mineralien, keine Pflanzen, keine Thiere,
allo auch keine Menschen: da wäre eine sde Stille. — Wo
folglich dieses heilsame Element, die Lust, der Natur der
Geschöpfe nicht angemessen ist, da werden schlechte Mine,
ralien erzeugt, da kränkeln Pflanzen, da siechen Thiere
und Menschen. — Wäre die Luft dichter, oder dünner, so
würde die Menschenstimme entweder dem Gebrüll des Lö,
wen, oder dem Gezisch der Schlange gleichen; sie würde
entweder die zarten Aederchen des Körpers der Thiere und
des Baues der Pflanzen zerreißen, oder sie würde ohne
Wirkung seyn.
Vom Schalle.
Wo keine Luft ist, da ist, wie gesagt, auch kein Schall.
Dieser besteht in einer zitternden Bewegung der Luft,
theilchen, die sich bis an die Werkzeuge unsers Gehörs
fortpsianzt und sie erschüttert. Nicht alle Körper sind
zur Erregung des Schalles geschickt, sondern nur solche, de,
ren Oberflächen in eine zitternde Bewegung gesetzt werden
können: denn eben diese zitternde Bewegung wird auch den
Lufttheilchen mttgetheilt, welche den Körper berühren. Da,
her kann man den Schall auch um so lange hören, als die
zitternde Bewegung dauert. Ihr könnet dies aus folgender
Probe erfahren. Hänget eine kleine Glocke an einem Bind,
faden an, und streuet dann feinen Sand darauf. Schla,
get nun mit einem Schlüssel an die Glocke, dann werdet
Ihr finden, daß der Sand auf der Glocke so lange in die
Höhe hüpfen wird, als der Schall dauert. Woher kömmt
das? Die Oberfläche der Glocke zitterte so lange; also zit-
terte der Sand mit.
Nur
33 í
Nur elastische Körper können einen Schall von M
geben; und ihr Schall »der Klang ist desto stärker, je gröft
ser ihre Elastizität ist. Reines Gold und Dley sind nur
wenig elastisch ; daher klingen sieauch nur sehr wenig. Wenn
Ihr also einen Ducaten habet, der nicht so schön klingt, als
ein feiner Gulden, so lasset Euch dies nicht kümmern: denn
Silber, so wie auch Stahl, Eisen und Glas sind viel elar
stischer als Gold; daher klingen ja auch Glocken aus diesen
Körpern so schön.
Stark nennt man einen Schall, wenn sich viele Luft-
theilchen in der Sckwingung befinden, und schwach heißt
der Schall, wenn nur wenige zitternd gemacht werden.
Eine Kanone kracht starker, als eine Pistole, weil die
letztere nicht so viel Luft in Bewegung setzt, als die erste.
Der Schall pstanzt sich nur nach und nach fort;
denn ein schallender Körper setzt die nächsten Lusktheilchen
in Schwingungen, oder ins Zittern; diese wieder die näch,
sten und so weiter, bis endlich die Lufttheilchen um uns her
auch an die Reihe kommen, und unseren Gehörwerkzeugen
die Schwingung mittheilen. Wenn Ihr dem Feuern der
Soldaten in der Ferne zusehet, werdet Ihr dies am besten
begreifen können: denn je weiter Ihr vom Exerzierplätze
seyd, desto länger ist der Zeitraum zwischen Blitz und Knall,
je näher Ihr aber kommet, desto früher höret Ihr den Knall,
und sichet Ihr dicht an der Kanone, oder dem kleinen Feuer-
gewehr, so empfindet Ihr Blitz und Knall zugleich.
Ein schwacher Schall pflanzt sich nicht langsamer fort,
als ein starker. Ueberhaupt ist die Bewegung des Schal-
les immer gleichförmig, es sey Tag oder Nacht, kalt oder
warm, feucht oder trockenes Wetter, Nur der mit dem
Schalle
ZZ2
♦
Naturlehre.
Schalle gehenden Wind macht ihn schneller, und der con-
trarre Wind langsamer. Die Geschwindigkeit, mit wel-
cher der Schall sich fortbreitet, ist erstaunlich. Im Iahe
1778- hat man deswegen in Göttingen Versuche angestellt;
und da hat sichs gefunden, daß der Schall in einer Sekunde
107z Rheinländische Fuß durchläuft. Nach anderen Beob-
achtungen ist zwar die Zahl etwas abgewichen, im Ganzen
aber beträgt dieser Unterschied nicht viel. Ihr könnet da-
her ausrechnen, wie fern oder wie nahe Euch ein Gewitter
ist, nur müsset Ihr freylich eine gute Sekundenuhr haben.
Ihr dürfet nemlich die Sekunden zählen, die zwischen dem
Blitz und dem Donner verfließen, und dann die herausge-
kommene Zahl durch 1073 multipliciren, so habet Ihr die
Entfernung des Gewitters in Rheinländischen Schuhen,
von denen 24000 eine deutsche Meile ausmachen. Da je-
doch gewiß nur wenige von Euch eine gute Secundenuhr
haben, so kann auch Euer Puls ihre Stelle recht gut ersezr
zen: denn vier Pulsschläge geben ohngefähr drey Sekunden.
Wenn Ihr also zwischen dem Augenblicke des Blitzes und
dem Anfang des Donners 32 Pulsschläge gezählt hättet, so
müßtet Ihr diese Zeit für 24 Sekunden rechnen. Nun
nehmet einmal Eure Rechentafel und multipliciret 1073 durch
24: was kömmt heraus? 25752; also über eine deutsche
Meile.
Wenn der Schall an einen unbeweglichen Körper
z. B. an eine Wand, an eine Tafel, an einen Stein rc.
fährt, so prallt er zurück. Wisset Ihr noch die Ursache;
ich habe es Euch oben gesagt; weil dieLufttheilchen elastisch
sind. Ist der schallende Körper dem unbeweglichen Körper
sehr nahe, so hört man das Abprallen nicht anders, als daß
der Schall verstärkt wird, und dies nennt man die Neso-
nanz. Ist aber der unbewegliche Körper so weit, daß zwi-
schen
Der Schal!.
333
sch en dem Schall und der Resonanz einige Zeit verstreicht,
so nennt man die Resonanz — -— rächet einmal — ein
Echo. Der zurückwerfende Körper muß wenigstens 60
Schuh vom schallenden Körper entfernt seyn, sonst kömmt
Schall und Rückschall zu gleicher Zeit in unser Ohr. Dar
her findet Ihr in den gewöhnlichen Stuben und Kammern
nie ein Echo, wohl aber in großen Sälen und Kirchen.
In einer Entfernung von mehr als 60 Fuß giebt natürlir
cherweise das Echo auch mehr als eine Sylbe wieder, wenn
anders der Schall so stark ist, daß er dahin dringen kann.
Wenn es mehrere unbewegliche Körper in verschiedenen Enn
fernungen giebt, so wird einerley Schall mehr als einmal
und zwar von den nahen mehr, als von den entfernten zu«
rückgeworfen: und so entsteht dann das vielfache Echo.
Ein solches Echo könnet Ihr hören, wenn Ihr nach der
Stadt Mailand in Italien reisen wolltet: denn vor dieser
Stadt steht ein Pallast, Simonetti genannt, der hat ein
dreyßigfaches Echo. — Diese Erfahrung hat man stch
zu Nutze gemacht, und das Sprachrohr erfunden. Dies
ist eine blecherne, auch wohl pappene Röhre, die oben enge
zugeht, unten aber eine weite Oeffnung hat. Setzt man
die enge Oeffnung an den Mund und schreyt durch, so prallt
der Schall in den Flächen der Röhre ab, und verstärkt stch.
Ihr könnet Euch eine kleine Vorstellung von der Wirkung
des Sprachrohrs machen, wenn Ihr durch einen Trichter
sprechet. Man bedienet stch des Sprachrohrs zur See, wo
ein Schiff mit dem andern in einer großen Entfernung spre,
chen kann; auch! wohl auf hohen Thürmen rc. Nun werr
der Ihr auch erklären können, warum eine Trommel, Pauke,
Trompete, Posaune, ein Waldhorn rc. einen so starken
Schall macht: es ist ein vervielfachter Schall, der durch
das Abprallen entstanden ist. — Aber, warum klingen
Glocken
334
Naturlehre
Glocken nicht so star k, wenn tiefer Schnee liegt, und war,
um tönen Trommeln, Trompeten u. s. w. in eben diesem
Fall nrcht so laut, als sonst? Bedenket, daß Schnee ein
lockerer Körper ist, in welchem sich die Sckallstralen zum
Theil verlieren; das Steinpflaster aber ist ein harter Kör,
per, also ein solcher, der eine Resonanz giebt.
Der Wind.
Ohne Luft, lieben Kinder, giebt es keinen Schall;
ohne Lust giebt es aber auch keinen wind: denn dieser ist
nichts anders, als eine heftige Bewegung der Lustmasse.
Eine solche heftige Bewegung der Lust, oder ein Wind
kann aus sehr vielen uns bekannten und unbekannten Ursachen
entstehen: die plötzliche Veränderung der Wärme und Härte
in der Lust, wodurch diese aus dem Gleichgewichte gebracht
wird; die von der Oberfläche der Erde, aus dem Meere und
aus unterirrdischen Klüften aufsteigenden Dünste; die Be»
wegung der Erde um sich selbst und um die Sonne; die am
ziehende Kraft der Sonne und des Mondes und viele
andere Ursachen bringen den Wind hervor.
Daß die Winde nicht immer aus cinerley Gegend komr
men, wisset ihr selbst. Weil nun in vielen Fällen z. E. bey
der Schiffahrt sehr viel drauf ankömmt, zu wissen, woher
der Wind wehe, — oder wie man im gemeinen Leben
spricht — welchen wind man habe, so hat man den
ganzen Bezirk der Erde in zr Theile oder Weltgegenden ab,
getheilt, und von dem Namen einer solchen Gegend, den
von ihr herwehenden Wind benannt. Ihr wisset, Kinder,
daß man di? Gegend, wo die Sonne des Mittags steht,
Mittag (Süden) und die gerade gegenüber stehende Mit,
temacht (Norden) nennt, Eine gerade Linie, die man in
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ZZ6 Naturlehre.
Vortheise nützen auch die Schaafe und Kameele, die gleicht
falls zur Erde fallen, und Kopf gegen Kopf zusammenkrie-
chen. Dies thun diese Thiere nicht, als ob sie Klugheit be-
säßen ; sondern der gütige Herr der Natur, der, wie Ihr
wisset, gar sorgfältig für das Leben der Thiere bedacht ist,
giebt Ihnen diesen Trieb.eit?. Auf der Insel Sicilien weht
dieser Wind auch. Er heißt da Sirocco, ist aber nicht so
gefährlich, wie dieser sein asiatischer Bruder.
Wenn zwey heftige Winde fast neben einander in ent-
gegengesetzter Richtung wehen, so entsteht ein Wirbel-
wind. Ein solcher Wirbelwind ergreift zuweilen eine
Wolke und dreht sie eben so herum, wie Ihr sehet, daß der
Wirbelwind auf dem Lande das Auskehrigt im Kreise her-
umdreht. In der herumgedrehten Wolke entsteht inwen-
dig ein leerer Raum. Schwebt sie nun über dem Meere,
oder über einem Flusse, so wird das Wasser in diesen leeren
Raum hinauf getrieben, und es entsteht dann eine Wasser-
säule, die sich auf der Oberfläche des Meers oder des Stroms
so schnell herumdreht, wie Euer Brummkräusel. Man nennt
eine solche sonderbare Erscheinung eine Wasserhose oder
Trombe. Wehe dem Schiffe, das von einer solchen Was-
serhose ergriffen wird: es wird mit der Säule im Kreise
herumgeschleudert, nach einigen Minuten zerschmettert und
mit allem was darauf ist, zu Grunde gerichtet. Zuweilen
sind auch Blitze in solchen Wasserhosen.
Wenn sich zwey entgegengesetzte, gleich starke Winde
geradezu begegnen, so entsteht eine windstille. Den
Seefahrern ist eine solche Erscheinung gar nicht willkommen,
denn es erfolgt gemeiniglich ein Sturm d. i. ein sehr hefti-
ger Wind darauf. Erreicht ein Sturm den höchsten Grad,
so heißt er ein <l)rcan. Ein solcher Orcan kann hundert-
jäh-
337
jährige Eichen umreißen, Häuser fortblasen, wie Ihr Eure
Kartenhäuserchen fortblasst, und Menschen und Threre in
die Luft führen. Zum Glück dauere ein Orcan gemeiniglich
nur wenige Stunden; sein Bruder dagegen, der Sturm
kann oft drey bis acht Tage wüten, und die Seefahrer in
Angst, Schrecken, ja in den Tod setzen.
Gleichwohl, Kinder, sind die Winde eine unschätzbare
göttliche Wohlthat: sie reinigen die Luft von schädlichen
Dünsten; sie kühlen die Hitze ab; sie mäßigen die Kalte;
sie führen Wolken und Dünste von einem Thei! der Erde
zum andern und befördern dadurch den wohlthätigen Her
gen; sie verhindern, daß Meere, Seen und Flüsse durch
Stillstehen nicht faul werden. Ohne den Wind würden
wir eine große Menge Mühlen, die Windmühlen entbehr
reu müssen, und ohne ihn kennten wir den größten Theil
der Vortheile nicht, die uns die Schiffahrt gewährt.
Düs licht.
Der unermeßliche Weltraum ist mir einem flüßigen
Wesen angefüllr, welches die Gelehrten Himmelsluft
oder Acther nennen. Dieser Aerher ist so sein, noch milr
lionenmal ferner, als die reinste Lust. Zn ihm schwimmt
die Erde, schwimmt die Sonne, schwimmen alle Welrkörver,
und wandeln die Bahn, die ihnen der Finger des Schöpfers
anwies. Dieser Aerher nun, lieben Kinder, womit jedes
kleinste Theilchen Luft angefüllt ist, enthält die Materie
des Wesens in sich, was wir das .Sicht nennen. So wie
nemlich der Schall die Lusttheilchen um sich her erschüttert;
diese wieder die nächsten Theilchen in Schwingung setzt u.
s. w., so erschüttert auch ein leuchtender Körper die näch-
sten Theilchen des Äethers um sich her, diese wiederum
ihre Nachbarn, und endlich auch die Theilcheu, die sich um
(Dürgersch. iv Dd.) 2) unser
338 Naturlchtt.
unser Auge befinden. Die Bewegung dieser Theilchen ist
aus einem doppelten Grunde bewundernswürdig: denn
erstlich verweilen sie sich nach allen Seiten zu, und
breiten sich also aus. Daher fallen also auf eine Flache, die
dem leuchtenden Körper nahe ist mehr, auf eine entfernte
aber wenigere Lichtstrahlen; mit andern Worten: Man
kann in der Nahe besser als in der Ferne sehen. Zweytens
ist auch die Schnelligkeit der Lichtstrahlen erstaunlich groß.
Ihr wisset jetzt, daß der Schall in einer Sekunde eben so
geschwinde läuft, als eine abgeschossene Kanonenkugel, nemr
lich über tausend Fuß; aber diese Geschwindigkeit ist ein
langsames Kriechen gegen die Schnelligkeit des Lichts; denn
dies ist 802202 mal geschwinder, als der Schall. Ich will
Euch davon ein Beyspie! geben: die Sonne ist von unserer
Erde über 22222222 (zwanzig Millionen) Merlen entfernt.
Wenn es nun möglich wäre, daß eine Kanonenkugel in die
Sonne gehen könnte, so müßte sie, ob sie gleich in jeder Ser
künde 1222, und also in jeder Minute 62222 Meilen liefe,
gleichwohl fünf und zwanzig Jahre brauchen, ehe sie die
Reise in die Sonne machte; ein Lichtstrahl aus der Sonne
aber kömmt in acht Xtlinutcn auf unsere Erde. Folglich
ist die Schnelligkeit des Lichts noch zooooomal größer, als
eine abgeschossene Kanonenkugel, oder auch als der Schall.
Ihr pfleget eine große Schnelligkeit mit der Schnelligkeit
des Blitzeo zu vergleichen; aber diese Geschwindigkeit des
Blitzes ist wahrer Schneckengang gegen dieSchnelligkeit des
Lichts. Eden durch diese schnelle und beständige Bewegung
der Theile des Aethers wird unaufhörlich die herrliche Illrrr
mination im Weltraum erhalten, ohne welche die Welt in
einer grausenvollen Finsterniß vergraben liegen würde.
Der Gang, den ein Lichtstrahl macht, ist drepfach: entr
weder gehr er geradezu in einer Linie fort, oder er weicht
von
339
Das Licht.
von seiner Bahn ab, oder er prallt zurück. Das Gerade«
zugehen geschieht alsdann, wenn er seinen Weg immer durch
eincrley durchsichtige Massen macht, z. E. immer durch
Luft, immer durch Wasser ic. Je länger ein solcher Licht,
strahl geht, desto mehr wird er geschwächt: denn die Lust,
theilchen, durch die er geht, jagen immer einige Lichtstralen
zurück. Je niedriger daher die Sonne oder der Mond
am Himmel stehn, einen desto größer» Weg haben ihre
Stralen bis zu uns zu machen, und durch desto mehrere
Dünste müssen sie gehen, wodurch sie also sehr geschwächt
in unser Auge fallen. Daher kömmts eben, daß wir des
Morgens und des Abends in die Sonne sehen können, ohne
davon Schmerzen zu empfinden. Das können wir aber bey
höheren Stellungen nicht.
Ich habe Euch gesagt, daß der Lichtstrahl auch vonseir
ner Bahn abweicht. Dies thut er alsdann, wenn er
durch Materien von ungleicher Dichtigkeit geht, z. E. von
der Lust ins Wasser, vom Wasser in die Lust rc. Man nennt
dies die Stralcnbrech:mg, lateinisch die Refraction.
Dies ist dir Ursache, warum Euch ein Stab, den Ihr in
einem halb mit Wasser angefüllten Glase stehen habt, ge,
brochen scheint: Die Stralen der Sonne kommen aus der
Luft, einer dimnern Materie, ins Wasser, eine dickere
Materie und brechen sich darin, folglich scheint der Gegen«
stand, den sie berühren, der Stab, auch gebrochen. Ihr kön-
net noch eine andere Probe dieser Art machen, die Euch ge«
fallen wird: Leget in einen leeren Spülnapf eine Münzt
und lasset einen von Euren Spielcameraden sich so an den
Napf stellen, daß gerade der Rand ihm den Gegenstand im
Gefäß verbirgt. Nun lasset ihn in der Stellung bleiben,
und gießet klares Wasser hinein. Was wird jezt geschehen?
Er bekömmt das Geld zu sehen, das er vorher des Randes
P 3 wegen
340
Naturlehre.
wegen nicht sehen konnte. Ein anderer, der nicht so gelehrt
ist, wie Ihr, wird dies für Hexerey halten; er wird glau-
ben —- wie es denn wirklich so scheint — der Boden des
Napfs habe sich mit der Münze gehoben. Ihr aber
verstehet das Ding besser, denn Ihr werdet dem Zuschauer,
der die großen Augen machte, sagen: jeder Lichtstrahl wird
gebrochen, wenn er aus einer dichtern Masse in eine dün-
nere, oder auch umgekehrt, übergeht; und ebenso ist es hier:
denn die Lichtstrahlen giengen vom Boden des Napfs, als
einem dichten Körper, ins Wasser, als einen dünneren über,
sie wichen also nun von ihrer Richtung ab, und nahmen
einen solchen Weg, daß sie ins Auge fielen. — Eben aus
dieser Stralenbrcchung lassen sich auch die Wirkungen der
Brenngläser, Vergrcssserrmgegläser, Ferngläser,
Brillengläser erklären.
Endlich prallen die Lichtstrahlen auch zurück, so wie
der Schall zuweilen zurückprallt. Es ist nemlich das Licht
eben sowohl, als die Luft elastisch, oder eigentlich es ist tau-
sendmal elastischer, als die Luft. Kömmt nun ein Lichtstrahl
auf eine glatte Fläche, z. E. auf ein ebnes Wasser, auf
einen Spiegel :c. so prallen sie wieder ab. Dies ist die Ur-
sache, warum Ihr auf jeder ganz platten Fläche: auf dem
Spiegel, auf dem Wasser, auf polirlem Metall Euer Bild
sehet. Durch Hülfe des 'Abprallens (lateinisch Reflexion)
der L-chtstralen kann man die Sonnenstrahlen, in einem so-
genannten Hohlspiegel auffangen und mit demselben Metalle,
ja selbst Diamanten in einigen Augenblicken schmelzen.
Aus dem Lichte entstehen auch die Farben. Es be-
steht nemlich jeder Sonnenstrahl, der zu uns herab kömmt
und überhaupt jeder Lichtstrahl, aus einem Bündel von
sieben anderen dünneren Lichtstrahlen, wovon jeder eine ver-
schick
341
Das Licht.
schiedsne bunte Farbe hat. Wollet Ihr dies mit eigenen
Augen sehen, so machet im Sommer einmal die Fensterla-
den Eurer Wohnstube an einer Stunde des Tages zu. In
einem der Fensterladen jedoch müsset Ihr ein kleines Loch,
oder eine Ritze besorgt haben. Durch diese kleine Oefnung
dringt ein Sonnenstrahl. Lasset diesen Sonnenstrahl durch
ein reines Glas mit Hellem Wasser gehen und leger unter das
Glas einen weißen Bogen Papier. Was werdet Ihr als,
dann auf dem Papier zu sehen bekommen? Alle sieben Far,
ben des Negenbogens. Hieraus haben die Gelehrten den
Schluß gezogen, daß die Farben aus gebrochenen Licht,
stralen entstehen. Diese Farben der Lichtstralen sind Roth.
Orange, Gelb, Grün, Himmelblau, Indigblau und Vio,
let. Wir nennen daher einen Körper Grün, wenn
die übrigen sechs Lichtstralen durch ihn gedrungen sind, der
grüne Lichtstrahl aber gebrochen ist; — wir nennen ihn
roth, wenn sechs Stralen aus dem Bündel durchgegangen
und der siebente, der rothe, sich gebrochen hat. Gehen
alle sieben Farben durch den Körper durch: wie mag ein sol-
cher Körper wohl alsdann aussehen? schwarz: denn
schwarzistja eben nichts anders, als der Mangel aller Farben.
Eben deswegen sieht auch der Schlund einer tiefen Höhle
schwarz aus, weil aus ihm kein Lichtstrahl in unser
Auge kömmt. — Nun aber noch eine Frage, Kinder: wenn
kein einziger der sieben Stralen durch einen Körper dringt,
sondern alle gebrochen werden: welche Farbe mag da der
Körper wohl haben? weiß. Jetzt, Kinder, werdet Ihr
erklären können, warum die weißen Kleider, im Ganzen
genommen, kühler sind, als alle übrigen farbigten: denn
Ihr habet ja jetzt eben gehört: weiß ist ein solcher Körper,
durch welchen keine Sonnenstrahlen gehen. Aus eben dem
Grunde schwitzt man unter einem schwarzen Kleide viel
Y z ' heß
34î
Nakurlchre.
heftiger, als unter allen übrigen : denn schwarz ist ja gerade
ein solcher Körper, durch welchen alle, oder doch die meisten
Stralen durchgehen. Jetzt, Kinder, beantwortet mir
einmal die Frage: warum müsset Ihr blrnzen, wenn
Schnee liegt, und die Sonne drauf scheint? Nicht wahr,
weil der Schnee weiß ist, und nicht schwarz, und weil folg:
lich die Sonnenstralen mehr durchgehen, sondern abprallen.
Eben dies ist der Fall, wenn Ihr einen weißen Dogen Pa<
pier Ln die Sonne leger und dann darauf sehet. Ihr müsset
dann blinzen. Das werdet Ihr nicht nöthig haben, wenn
Ihr schwarzes Papier nehmet; denn dadurch gehen die
Sonenstralen durch..
Ich habe Euch schon gesagt, Kinder, auf der Lehre der
Brechung (Réfraction) der Lichtstralen, beruhen alle Fern«
und Vergrößerungsgläser, oder, wie es die Gelehrten nenr
um, alle optischen Instrumente. Das künstlichste und bei
wundernswürdigste optische Instrument, das in der Welt
nur gefunden werden mag, habet Ihr alle selbst; wenigstens
hoffe ich, daß keiner von Euch desselben beraubt seyn wöge.
Es ist das Auge. Dies Werkzeug ist vom Schöpfer mit
solcher Kunst gebaut, aus so fein geschliffenen Gläsern —
wenn ich so sagen dürfte — zusammengesetzt, und alle eiiu
zelne Theile desselben sind mit solcher Weisheit geordnet,
daß Ihr — wenn ich im Stande wäre, Euch dres göttliche
Meisterstück in der Kürze zu beschreiben — auf Eure Kniee
fallen würdet, den Herrn anzubeten, der das Auge ger
macht hat.
4) Das Feuer und die Warme.
Vollkommen einig sind die Gelehrten in der Lehre vom
Feuer noch nicht; ein Beweis, daß unser menschliches Wist
sen
Ftucr und Wärme
Z4Z
sen Stückwerk ist. Einige Gelehrte meynen nemlich, das
Feuer sey weiter nichts, als der starköcwegte 2lether; anr
dere dagegen machen es zu einer eigenen Materie. Wir
wollen thun, Kinder, als ob uns dieser Streit nichts an-
gehe, und dagegen einiges von den Eigenschaften und Wir-
kungen dieser gewaltigen Materie kennen lernen.
Das Feuer ist ein ungemein feiner, flüßiger, elastischer
Körper, dessen Wesen, wie ich Euch eben gesagt habe, zwar
noch nicht völlig bekannt ist, der sich uns aber, unter ge-
wissen Umständen, durch Licht und Wärme zu erkennen giebt.
Es ist ein feiner (subtiler) Körper: denn seine Theilchen
können ja selbst durch die dichtesten Körper, z. E. durch Gold
und platina dringen, und diese Metalle schmelzen; —
es ist ein flüßiger Körper, oder eigentlicher, esistdieflüs-
stgste unter allen Materien: denn wenn Ihr durch Luft
schlaget, bemerket Ihr doch noch einen Widerstand; schlaget
Ihr aber durch eine Flamme, so merket Ihr ganz und gar
keinen Druck, sondern Ihr könnet die Theile der Flamme
sehr leicht trennen; es ist ein elastischer Körper: denn es
breitst sich ja gegen alle Seiten zu von selbst aus, und end-
lich ist auch das Feuer eine sehr leichte Materie: denn es
hat fast gar keine Schwere und ein glüend gemachtes Stück
Eisen ist nichts, oder doch nur sehr wenig schwerer, als es
im Zustand seiner Kälte war.
Das Feuer ist in der ganzen Natur ausgegossen, und
Lurchdringtalle Körper, dir härtesten, die dichtesten, die
flüßigsten, die lockersten, selbst den kältesten Eisklumpen.
Es ist in der Luft, die wir athmen, in den Nahrungsmit-
teln, die wir genießen, undisisogar in uns selbst: denn
kein Schwamm kann so sehr mit Wassertheilchen angefüllt
seun, als der menschliche Körper mit Feuer angefüllt ist.
Y 4 Es
344
Naturlehre.
Es ist so zu sagen die Seele der ganzen Welt. Es veri
dünnt und erwärmt die Luft; es giebt allen Feuchrigr
keilen ihre Zlüßigkcit und schafft auch die feuchten Theile
aller Körper durch Ausdünstung fort. Es ist das vori
nehmste Auflösungsmittel der Jiatur; es befördert die
Bildung der Metalle, giebt ihnen ihre merkwürdigsten
Eigenschaften und inacht sie zu unsermGebrauch flüßig;
es belebt durch eine sanfte Bewegung die Pflanzen und
Thicre und bringt sie zum Wachsthum; es durchbringt
die Zwischenräume aller Körper, vereinigt sich sogar mit
ihren Bestandtheilen und wird ihnen dadurch so nöthig und
heilsam, wie daS Wasser und die Luft; — es vermischt sich
endlich mit einem andern Wesen, das wirphlogiston (das
brennbareWesen) nennen und schafft durch diese Vereins,
gung die brennbaren Materien. Alle Wärme verdanr
ken wir chm allein. Es bringt, wenn es in seiner Ruhe gestört
wird, erstaunliche Wirkungen hervor. — Doch, Kinder;
was ich Euch jetzt in kurzen hingeworfenen Ausdrücken sage,
ist zu wenig; wir wollen also wieder Halt machen, und et,
was näher zu diesem wundervollen Körper treten, um seine
Wirkungen in der Nähe zu betrachten. Wenn ich Euch
gleich nicht alles Merkwürdige von ihm sagen kann; so wer,
det Ihr doch manches hören, was Euch angenehm ist.
Die erste Merkwürdigkeit, die Ihr am Feuer beobacht
tet, ist seine ausdehnende Rraft; das ist, jeder Körper
nimmt, wenn er warm wird, einen größer» Raum ein;
und je größer der Grad seiner Hitze wird, desto mehr wird
er ausgedehnt. Heiße metallene Kugeln fallen nicht durch
ein Loch, durch welches sie noch fallen konnten, als sie kalt
waren: denn sie sind durch die Wärme ausgedehnt worden.
Hier habet Ihr auch die Ursache, warum der Stahl (Bol,
ten) im Bügeleisen den Raum desselben nicht ganz füllen
darf:
34T
Feuer und Wärme.
darf: er würde ja, wenn er glühend und also ausgedehnt
würde, nicht mehr Hineinpassen. Noch eins: Machet Euch
Kugeln aus Wachs, und werfet diese Wachskugeln auf
talles Wasser: da werden sie schwimmen. Aber werfet
sie nun in warmes Wasser, was wird da geschehen: sie ge«
hen unter. Das ist doch seltsam, werdetJhrsagen. Ich wrllS
Euch erklären: das Wasser ist durch die Wärme ausgedehnt,
mithin eigenthümlich leichter geworden, als das Wachs;
folglich muß nun das Wachs untergehen. Amallerdeutlichr
sten wird Euch die ausdehnende Kraft des Feuers, wenn
Ihr Metalle aufs Feuer setzet; was bemerkt Ihr da? nicht
wahr, sie werden nach und nach weich, und endlich so aus»
gedehnt, daß sie wie Wasser wegfließen.
Diejenigen Körper, die durch die Wärme am stärksten
ausgedehnt werden, sind die flüssigen. Setzet einen Kes»
stl mit Wasser aufs Feuer, was wird geschehen: nicht wahr,
das Wasser sängt, je heißer es wird, an zu steigen und stürzt
zuletzt aus dem Kessel heraus? — Ihr wisset jetzt, daß auch
die Luft ein siüßiger Körper iss. Damit Zhr nun sehet,
wie stark auch diese von der Wärme ausgedehnt werden kann,
so nehmet einmal eine Schweins» oder Kalbsblase, drücket
sie so zusammen, daß weiter keine Luft mehr darin bleibt,
als die sich in den Falten befindet, und nun bindet die Oeft
nung mit einem Faden recht fest zu. Jetzt haltet diese zu»
samw.engefalleue Blase über ein Kühlfeuer. Gebet Acht,
jetzt wird sie etwas warm, jetzt bewegt sie sich — da dehnt
sie sich aus und wird immer größer; sehet, jetzt ist sie völlig
aufgeschwollen. Woher kömmt das? Ich hab's Euch
eben gesagt: die Wärme dehnt aus; die wenigen in den Fal,
len noch vorhandenen Lufttheilchen wurdenalso durchsKohlr
feuer so auseinander getrieben, oder ausgedehnt, daß die
Blase aufschwoll.
Y 5
Dieser
Z46
Naturlehre.'
Dieser Erfahrung, daß die Wärme ausdehnt, hat man
ein gewisses nützliches Instrument zu verdanken, nemlich
das 'Thermometer (Wärmemesser.) Dies Werkzeug besteht
in einer gläsernen Kugel, mit einer daran befindlichen Röhre.
In die Kugel giebr man eine flüßige Materie, die nicht
leicht gefriert, z. E. Quecksilber. Aus dem Grade des
Steigens und Fallens dieses Quecksilbers kann man den
Grad der Luftwärme erkennen.
Wenn sich die Wärme in einemsehr beträchtlichen Grade
vermindert, so nennt man diese verminderte Wärme Rälte.
Ein Körper der sich in einem solchen Zustande befindet, d. i.
der kalt ist, kann also nicht so ausgedehnt seyn, alsein war,
mer, mit andern Worten: die Balte zieht zusammen.
Ein hoher Grad der Wärme heißt Hitze. Diese dehnt
nicht nur aus, sondern löst auch dieBörper auf. Wer,
den nun die Theile eines Körpers durchs Feuer so fein auft
gelöst, daß diese Theile nach Art einer stüßigen Materie
mit einem Leuchten sich bewegen und in die Höhe steigen,
so nennt man die aufgelösten Theilchen — rächet einmal
------Flamme nennt man sie. Das Wesen dagegen in
einem Körper, was sich in Flamme verwandeln laßt, heißt
das Brennbare. (Phlogiston) Solches Brennbare ist in
allen Körpern in größerer und kleinerer Menge vorhanden,
am häufigsten aber wohnt es im Del, Schwefel, Pech,
Weingeist u. s. w.
Wenn die von der Warme aufgelösten Theilchen eines
Körpers nur sichtbar in die Höhe steigen, aber nicht leuch,
ten, so nennt man sie nicht Flamme, sondern — wie denn
wohl? — Ranch oder Dampf.
Wenn die aufgelösten Theilchen eines Körpers entwe,
der den höchsten Grad der Hitze noch nicht erreicht, oder
aber
347
Feuer und Wärme-
aber ihn schon wieder verlohnen haben, so leuchten sie bloß,
sondern sich aber nicht ab. In solchen Fällen nennt man
diese Theilchen nicht Flamme, auch nicht Rauch, sondern sie
heißen glühend. Sind diese Theilchen ganz klein und ein»
zeln, so heißen sie Funken.
Diejenigen kleinen festen Theilchen, die nach der
Auflösung, welche das Feuer in einem Körper verursacht
hat, in Gestalt eines Pulvers Zurückbleiben, und weiter
keine Flamme mehr ernähren können, heißen Asche.
Ein Körper, der sich durchs Feuer in eine Flamme auf,
lösen läßt, heißt verbrennlich, oder brennbar, und wird
dadurch, daß die Flamme seine Theile absondert, nach und
nach verzehrt. Wenn also ein solches Feuer, welches sowohl
seinen Körper verzehrt, als auch selbst zerstreut wird, fort,
dauren soll, so muß ihm immer neues Brennbares zu,
geführt werden, das den Platz der verschwundenen Feuer,
theilchen ersetzt. Dies nennt man die Nahrung des
Zeuers. Ihr könnet davon ein Beyspiel an einer Kerze,
oder an einer Lampe sehen. In der Wachskerze, im Talg,
licht, in der Pechfackel, in der Lampe findet Ihr einen Dacht.
Dieser besieht aus einzelnen Fäden, in welchen, wie in Röh,
ren, das geschmolzene wachs, Talg, Pech, Oe! bis zur
Flamme herauf steigt, d. i. sich ihr als Nahrung anbietet.
Wenn der Dacht entweder durch die Flamme selbst verzehrt
wird, oder auch, wenn unreine Therlchcn des Wachses,
Talgs, Pechs, Ocls die Röhrchen des Dachls verstopfen,
so wird er unbrauchbar, und kann der Flamme keine, oder
doch nur wenige Nahrung zuführen. Wie'fangetIhrs an,
ihn wieder brauchbar zu machen? . Ihr putzet die Kerze, die
Fackel, und die Lampe stöhret Ihr aus,
Zch
34$
Natursehre.
Ich habe Euch gesagt, daß alle Körper und also auch
die Luft Feuertheilchen enthalten. Daher kann kein Kör,
per in einem Raume brennen, worin kerne Luft ist: denn sie
führt dem brennenden Körper nicht nur neue Nahrung zu,
sondern jagt auch andere Theile, die zur Erzeugung und Er-
haltung der Flamme nichts beytragen, fort. Wie müsset
Ihrs also anfangen, wenn Ihr einem brennenden Körper
mehr Feuertheilchen zuführen wollet: Ihr müsset ihm Luft
geben, d. i. Ihr müsset entweder mit einem Blasebälge,
oder mit einem Blaserohr, (plattdeutsch Püster) oder mit
Eurem bloßen Munde hineinblafen. Blaset aber nicht zu
stark; denn in diesem Falle zerstreuet Ihr die im bren-
nenden Körper noch vorhandenen Feuertheilchen, und —
die Flamme zerstreut sich mit, d. i. sie geht aus. Wenn
Ihr daher ein verlöschtes, aber noch glimmendes Licht wie-
der anzünden wollet, so blaset sanft in die Glut; dann theilet
Ihr mit der ausgeblasenen Luft der kleinen Glut neue Feuer-
theilchen mit, und sie entzündet sich wieder. Aber wenn
Ihr durchs starke Blasen diese Theilchen zerstreuet, so ha-
bet Ihr vergeblich geblasen.
Wenn man machen will, daß ein Körper nicht fortbren-
nen soll, so muß man ihm den höchsten Grad der Hitze und
zugleich den Zufluß der Luft benehmen, man muß also Was-
ser darauf gießen: denn dies kühlt den brennenden Kör-
per ab, und raubt ihm also den höchsten Grad der Hitze,
auch verhindert es den Zufluß der Luft.
Wenn Ihr einen Körper auf der einen Seite heiß
machet, auf der andern aber kalt lasset, so dehnet Ihr ihn
dort aus, und hier ziehet Ihr ihn zusammen: was mag
wohl die Folge dieses Streites im Körper seyn: er zerspringt.
Dies ist der Fall, wenn Ihr heißes Wasser in ein ganz
kaltes Glas, Porzellan rc. gießet; oder, wenn Ihr ein ganz
heißes
349
Feuer und Wärme.
heißes Glas in dir kalte Luft, oder in kaltes Wasser brinr
get; oder wenn Ihr ein kaltes Glas in den heißen Ofen
setzet rc.
Wenn sich zwey Körper berühren, wovon der eine eine
größere Wärme besitzt, als der andere, so pflanzt der erstere
seine Wärme auf den letzten fort; mit andern Worten: das
Feuer gehr aus dem wärmern Körper in den kalkern
über. Wenn dies nicht wäre, so würde Eure Stube
vom heißen Ofen nie warm werden, sondern ihr würdet nur
den Ofen selbst heiß finden.
Dichtere Körper werden heißer, als lockere, weil
sie mehr Masse haben, auch behalten sie ihre Wärme län,
ger, als die lockerem aus eben dem Grunde aber werden
sie langsamer warm. Metall bleibt also länger warm, als
ein Stein, dieser länger als Holz, Holz länger als Wasser,
und Wasser länger als Luft.
Wenn das Feuer durch einen Körper so schnell durch«
geht, daß es sich in demselben nicht sammle» kann, so per«
zehrt es ihn nicht. Wickelt um eine Bleykugel ein Stückr
chen Papier so fest, daß die Kugel allenthalben vom Papier
berührt wird. Haltet dann die umwickelte Kugel überS
Licht. Ihr meynet, das Papier werde zuerst verbrennen;
aber Ihr irret Euch. Erst wird das Bley im Papier schwel«
zen, und dann erst brennt das Papier. Ihr wundert Euch
darüber? Denket nur etwas nach.' Bley ist ein festerer
Körper, als Papier. Die Flamme geht also schnell durch den
lockeren Körper, durchs Papier, in den festeren, ins Bley,
wo sie sich sammlet, und ihn also erhitzt. Hat das Bley
Hitze genug angenommen, so daß es schmelzen muß, so kömmt
auch die Reihe ans Papier. — So könnet Ihr auch eine
gläserne Douteille, oder ein Stück Metall mit einem Zwirns«
faden
zso Naturlehre.
faderr umwinden und in die Flamme halten. Der Faden
wird nicht eher brennen, bis die Bvuteille, oder das Metall
erst in einem sehr hohen Grade heiß geworden ist.
Ihr wollet mm gerne wissen, wie denn eigentlich das
in den Körpern befindliche Brennbare gelockt und gehascht
werde, d. i. wie das Feucranmachen zugehe. Nach allen
bisher gemachten Erfahrungen geschieht cs durchs Reiben der
Körper. Wenn Ihr mit Stahl und Stein Feuer hervor-
bringen wollet, wie fanget Ihrs an? Ihr leger ein Stückchen
lockeren Zunder auf den Feuerstein, und fahret mit dem Stahl
an der scharfen Seite des Steins herunter. Durch dies Rei-
ben lösen sich kleine Theilchen vom Stahle ab, werden glüend,
fallen auf den Zunder und zünden ihn an. Durch ein Ver-
größerungsglas kann nlan recht augenscheinlich sehen, daß die
Funken geschmolzene Theilchen des Stahls find: denn man
erblickt sie als kleine eiserne Kügelchen. Nicht alle Nationen
sind mit dieser Art, Feuer anzumachen, bekannt. Viele Amc-
ricancr nehmen ein durchlöchertes Stück Holz, stecken ein an-
dres Holz ins Loch, und reiben so lange, bis eine Flamme
kömmt. Da diese Art, Feuer anzumachen, langweiliger ist,
als die unsrige, so hat man oft gesehen, daß ein americanir
scher Wilderl einen einzigen Feuersiahl nicht etwa mit Geide,
sondern mit einem Menschen, mit einem Sclaven bezahlt
hat. Auch die alten Araber, Juden und andere morgenläni
dische Völker haschten die Flamme durch Reiben zweyer Höl-
zer. Wenn Ihr diese Art Feuer zu fangen, lebhaft sehen
wollet, so gehet zu einem Drechsler, und bittet ihn, daß er
Holz auf Holz drehen möge: da werdet Ihr erfahren, wie
bald das Holz schwarz wird — wie es raucht, und wie
endlich die Flamme herauskömmt. Auch die Räder am
Wagen können sich entzünden, wenn sehr stark gefahren wird,
und eben so entzündet sich dirstRolle, auf welcher der Strick
lauft.
Feuer und Wärme.
Zsr
läuft, an welchrm vermittelst der Harpune ein Wallfisch fest
gemacht ist. — Daß das Feuer auch dadurch entsteht, wenir
ein von außen sich befindendes Zeucr auf brennbare
Körper wirket, wisset Ihr gleichfalls. So zündet der Mitz;
so zünden Sonnenstrahlen, wenn man sie durch Brennglaser
auffangt. — Endlich, Kinder, entsteht auch zuweilen dadurch
Feuer, wenn gewisse siüßige Körper mit andern siüßigen,
oder auch wohl festen vermischt werden. 'Ihr sehet dies,
wenn der Kalk gelöscht wird. Auch gährende und faulende
Körper erhitzen sich. In einem faulenden Misthaufen z. B.
könnet Ihr Wasser kochen, und wenn diejenigen unter Euch,
die einmal den Ackerbau treiben werden, ihr Heu feucht einr
fahren und es nicht fleißig umstechen lassen, so laufen sie Ge»
fahr, daß ihnen das ganze Hen in Brand geräkh, so wie im
lehtern Kriege ein großes Heumagazin zu Vegesack, einem
Hafen an der Weser auf diese Art verbrannte. — Noch giebi
es Nationen, Kinder, die gar nicht wissen, wie man Feuer
anmacht; die also auch kein Nüchenfeuer besitzen, mithin
keinen Ofen, keinen Kamin haben; keine Suppe, kein &ct
müse essen; keinen Braten und Kuchen verzehren; keinen
Kaffee und kein Bier trinken können. Erst noch vor ein paar
Jahren sah ein Einwohner des fünften Welttheils auf einem
europäischen Schiffe das Wasser in einem Theekessel sprudeln.
Er wollte es betasten, und verbrannte sich die Hand. Da er
nicht wußte, was Feuer und was Brennen heißt, so machte er
dem kochenden Wasser ein seltsames Gesicht zn, und hielts für
einen bösen Beist. — Unter den schottlandischen Inseln hals
noch vor kurzem eine Intel gegeben, auf welcher nur ein cinr
ziger Einwohner das Mittel verstand, Feuer anzumachen, d. i.
er allein hatte Stahl, Stein rmd Schwamm. Was der für
Geld verdiente, könnet Ihr Euch vorstellen, da alle Ernwohi
ner von ihm allein das Feuer holen mußten. —- Unter den al,
tcn
«*-
Naturlehre.
Zs2
ten Griechen war ein Mann, Rahmens Prometheus; der
wußte auch unter dem ganzen Volke alleine die Kunst, Feuer
hervorzubringen. Rächet einmal, was man dem für eine
Ehre anthat: man hielt ihn für einen Sott. Da Ihr Euch
dicfc Kunst mit einem Grofchen auf lange Zeit verschaffen
könnet, fo schätzet sie, haltet dies heilsame Gerüche beständig
in guter Ordnung, und bedenket, welche große Wohlchat es
sey, zur Zeit eines nächtlichen Schreckens oft mir einem ein-
zigen Schlage das wohlthatige Licht hervorzubringen.
Uebcrhaupt, Kinder, gehört das Feuer unter die allergröß-
ten Wohllhaten Gottes, womit er selbst in der Natur die erstaun-
lichsten Wirkungen hervorbringt und womit auch wir in der
Oeconomie tausendfachen Nutzen erreichen. Freylich kann
es auch fürchterlichen Schaden Hervorbringen: denn dies mäch-
tige Element widersteht allen Körpern, und kein einziger wi-
dersteht ihm völlig; ein Wink für Euch, daß Ihr Kinder nicht
leichtsinnig mit ihm spielen, am wenigsten aber unbesonnen
mit irgend einer Art Schießgewehr, es heiße wie es wolle,
umgehen sollet. Das Vergnügen mit der Flamme zu rändeln,
ist im höchsten Grade klein, gegen den unbeschreiblichen Jam-
mer, den eine dadurch erregte Feuersbrunst erregen kann.
Eine einzige sogenannre Schlüsselbüchse in der Hand eines
Knaben, versetzte vor einiger Zeit die Sachsen-Eisenachische
Stadt Rreutzburg in Asche, und einige tausend ruhige und
schuldlose Einwohner in Armnth.
Es giebt verschiedene Mittel, wodurch man sich in den
Stand setzen kann, das Feuer unbeschädigt mit bloßen
Händen zu berühren. Ich will Euch hier eines lehr« n:
vermischet Sebwefelgeist, Salmiak, Rbsmarien - Essenz und
Zwiebelsaft zu gleichen Tb ei len mit einander, und be-
schmieret Euch damit die Hände öfters: dann könnet Ihr ei-
nen
Feuer und Wärme» 3 5 3
MN glü enden Stab angreifen. Dies Mittel brauchen die
Feuerftesscr, und andere HocuspocuSmacher dieser Art. Eher
mals bedienten sich manche solcher Unglücklichen, die zur
Feuerprobe verdammet waren, dieses Mittels ebenfalls.
Ihr wisset nicht, was die Feuerprobe ist, ich muß es Euch also san-
gen. In den Zeiten, wo der Aberglaube noch mit aller seiner Ge,'
Walt herrschte, und wo man also noch an Hexen und Zauberer
glaubte, saßen oft alle Gefängnisse von Angeklagten dieser Art
voll. Statt daß unsere jetzigen Richter ein Verbrechen mitLiebe,
Vorsicht und Klugheit untersuchen, wählten die Richter jener
Zeiten ein ganz verkehrtes Mittel, nemlich entweder die Was-
serprobe oder die Feuerprobe. Bey der Wasserprobe wurde der
Jnquisit gebunden ins Wasser geworfen: wenn er schwamm,
war er unschuldig. Bey der Feuerprobe mußte der Angeklagte
baarfuß aufglüeuden Eisen gehen, oder er mußte glüende Ku«
geln in den Händen tragen. Wer diese Kunst verstand, der
war unschuldig. Damit man nun nicht ein solches Brand-
mittel brauchen möge, als ich Euch genannt habe, werden
dem Juguisiten dis Hände oder Füße acht Tage vorher mit ei-
nem Beutel verbunden und versiegelt. Was saget Ihr zn
solchen Richtern, Kinder? Nicht wahr, unsere liebe Obrigkeit
behandelt uns besser!
Von der Elektricitat.
Nachdem ich Euch etwas vom Feuer erzählt habe, bin
ich Euch noch die Nachricht von einer ganz besonderen Erschei-
nung in der Natur schuldig geworden, die zwar von unseren
Vorfahren schon beobachtet, aber in der Mitte des jetzigen
Jahrhunderts erst genauer verfolgt und ergründet worden ist.
Sie heißt die Elektricität, und besteht in demjenigen Zu-
stand eines Körpers, da er leichte Körperchen, die ihm genä-
hert werden, anziebt und darauf wieder zurüiEftößt; ge,
(Bürgersch. ir Vd.) Z gen
Naturlehre.
3H
gen gewisse, ihm nahe gebrachte Körper, z. E. gegen einen
Finger, einen leuchtenden und stechenden Funken mir
einem knisternden Schall giebt; einen besondern urinarr
tigen Geruch verbreitet und auch andere Körper, die man
mit ihm verbindet, in den Stand setzt, die nemlichen Wirr
kungen hervorzubringen. — Wenn Ihr diese Erklärung
noch einmal überleset, und ich frage Euch dann, was ist
Elektricität, so werdet Ihr mir kurz zur Antwort geben:
Der Zustand eines Körpers, in welchem er andere
Körper, die sich ihm nähern, wechselsweise an sich
zieht und wieder von sich stößt; und mit dieser Antr
wort bin ich auch zufrieden.
Körper, die in diesem Zustande sind, heißen elektri,
sirt, und Erscheinungen der Art heißen, elektrische Er-
scheinungen.
Wenn Ihr eine reine und trockene Glasröhre mit
der einen Hand haltet und mit der andern Hand, die auch
rein und trocken sepn muß, durch abwechselndes Auf- und
Niederstreichen reibet ; und nun nach dem Reiben die Röhre
einem Stückchen Papier, oder einem Faden, odereinem
Metallblättchen nähert: so wird die Röhre den leichten
Körper erst an sich ziehen, dann von sich stoßen; wieder ay
sich ziehen, aufs neue von sich stoßen rc. — Wenn Ihr Euch
ferner dieser elektrischen Glasröhre mit dem Finger etwa
bis auf einen halben Zoll nähert: so sehet Ihr zwischen
beyden einen leuchtenden Funken, der mit einem Knistern
hervorbricht; dabey empfindet Ihr im Finger etwas, wie
das Stechen einer Nadelspitze. Ist die Glasröhre sehr lange
gerieben, und also stark elektrisirt worden, so werdet Ihr
einen süßlichen-Geruch spüren, und wenn Ihr derselben
Mit dem Gesicht nahe kommet, etwas fühlen, gleichsam, als
ob
Die Elektricität.
Zss
ob ein feines Spinnengewebe gegen Eure Haut flöge. Eben
diese Wartungen erfolgen auch, jedoch in schwachem Grade,
wenn man ein Stück Bernstein reibt. Weil nun die Al-
ren diese Eigenschaft am Bernstein zuerst beobachtet haben,
und Bernstein im Griechischen Elektrum heißt, so nennt
man also jeden Körper, der die Eigenschaft dieses Harzes
hat, elektrisch; die Eigenschaft selbst aber Elektricität.
Ausser dem Bernstein sind auch Porzellan, Glas, Pech,
Gummi, Siegellack, Schwefel, ein hölzerner, wohl ausge-
trocknetet' und gewärmter Stock, und seidenes Band elek-
trisch. Wenn Ihr aber ein Stück Metall nehmen und es
reiben wollet, so werdet Ihr vergeblich auf das Anziehen
und Zurückstoßen, oderaufeinen Funken, mit einemWorte:
auf Elektricität warten: denn Metalle, desgleichen auch
alle feuchte Körper, sind nicht elektrisch. Dagegen aber
haben nun diese nicht elektrischen Körper die Eigenschaft,
daß sie die Elektricität andern Körpern mittheilen, oder nach
ihnen hinleiten: man giebt diesen nicht - elektrischen Körpern
deswegen einen ganz besondern Namen, den Ihr Euch ja-
merken müsset; leitende Körper, oder schlechtweg Leiter,
nennt man sie. Die vornehmsten Leiter in der Natur sind
alle Metalle, Wasser, feuchte Luft und der menschliche und
thierische Körper. Es kann aber auch selbst jeder elektrische
Körper ein Leiter werden, wenn er naß, oder feucht ge-
macht, und jeder Leiter dagegen elektrisch gemacht wer-
den, wenn er mit einem oder mehrern elektrischen Körpern
verbunden wird.
Diese Beobachtungen, Kinder, nach welchen man wahr-
nahm, daß gewisse Körper, z. E. das Glas, durchs Reiben
andere Körperchen an sich ziehen und von sich stoßen — ei-
nen Funken und ein Knistern von sich geben, einen Geruch
Z r verr
Zs6
Natittlehre.,
verbreiten rc., und daß man dagegen andern Körpern, z. E.
dem Metall diese Kraft mittheilen könne, haben Gelegen,
heit zu dem Gedanken gegeben, daß in solchen Körpern eine
besondere Materie vorhanden seyn müsse, die alle diese
Wirkungen äußere und aus einem Körper in den andern
übergehe; und diese Materie nannte man die elektrische
Materie.
Um nun die Versuche, die ich Euch jetzt genannt habe,
ins Große zu bringen, erfand man die seit 40 Jahren allge,
mein bekannte Elektrisirmaschme, die Ihr entweder
schon gesehen, oder von der Ihr doch gewiß gehört habet.
Ich will sehen, ob ich Euch eine deutliche Beschreibung da,
von machen kann; ehe ichs jedoch thue, müssetJhrerst alles,
was ick jetzt gesagt habe, noch einmal überlesen.
Der vornehmste Theil an der Elektrisirmaschine ist eine
hole gläserne Mugel, die oben und unten zwischen leder,
neu, mir Haaren ausgestopften Müssen fest liegt. Ander
Seite wird sie mit einer Kurbel herumgedreht, und so zw ir
schen den beyden Küssen gerieben. Vor der gläsernen Kugel
steht sine lange meßingene Röhre auf zwey gläsernen
Füßen. Diese wie eine Halbkugel rund gewölbte Röhre ist
an beyden Enden verschlossen, berührt aber mir dem einen
Ende, vermittelst einiger daran befestigten Slückchew-Mrs,
singdratheö die Glaskugel.
Wenn man nun dieGlaskugel vermittelst der Kurbel
umdreht, und also auf dem Küssen reibt, so wird sie elek,
trisch. Die daran stoßende metallene Röhre ist, wie Ihr
nun wisset, ein Leiter, d. i. sie fängt die elektrische Ma,
tene auf. In diesem Zustande könnet Ihr tausenderley
Spaß an der Elektristrmaschine haben: haltet Ihr z. E- Gold»
blättchen, oder Korkkügelchen an die Röhre, so zieht sie diese
Kön
Die Elektricitat.
Zs7
Körperchen an und stößt sie wieder von sich; — berühret Ihr
sie mit Eurem Finger, oder vermittelst eines eisernen Sta/
bes, so sprudeln Funken aus ihr hervor, die Euch kützeln
und siechen.
Man hat in den neuern Zeiten diese merkwürdige Mail
schine dadurch vollkommener gemacht, daß man eine sehr
große Menge elektrischer Materie aus der Kugel leiten und
in einem engen Raum einsperren kann. Wie das wol zur
geht? man läßt die Materie in eine Flasche marschieren, die
die leidensche, auch (von ihrem Erfinder, dem Baron von
Rietst) die Rlcistifchc Flasche heißt. Dies sind gläserne
Flaschen, die auswendig und inwendig zur Hälfte mit Gold,
blättcrchen überklebt, und dann mit Pech ausgegossen
sind. Man steckt danit einen meßingenen Stab hinein, der
sich oben in einen runden Knopf endigt. Bringt man nun
den Knopf dieser Flasche an die metallene Röhre der Elektrir
sirmaschine, so geht, wenn diese herumgedreht wird, alle
elektrische Materie in die Flasche hinein, und Häuft sich darinn;
das heißt, die Flasche wird mitElektricität geladen. Eine
solche geladene Flasche thut halbe Wunder; denn wenn einer
von Euch ssie in die Hand nimmt, mit der andern Hand aber
den Knopf berührt, so springt ein Feuerklumpen mit starkem
Knittern heraus, der den ganzen Körper dessen, der die
Flasche'halt, erschüttert. Wenn ein paar Dutzend von Euch
einen Kreis um die Maschine schließen, sich die Hände geben,
und einer unter Euch die Flasche hält, der nächste aber mit
der Hand den Knopf berührt, so erfahret Ihr diese Erschüti
kerung sämmtlich.
Wenn die Flaschen sehr groß, und stark geladen sind,
dann würde ich mich bedanken, sie in die Hand zu nehmen:
denn in dem Falle könnten sie mich tödtey. Wirklich hat
Z ; man
zs8 Naturlehre.
man auf diese Art große und starke Thiere durch diesen künst-
lichen Blitz erschlagen.
Sollte sich an Eurem Orte jemand befinden, der eine
Elektrisirmaschine hätte, so bittet ihn ja, daß er sie Euch
zeige. Ihr werdet nicht nur die Art, wie der Blitz ZÜN-
den kann, genau beobachten, sondern auch gar manche ar<
tige und unterhaltende Kunststücke sehen.
Nun, Kinder, nachdem Ihr mir so aufmerksam zuge-
hört habet, hoffe ich, es wird Euch das, was ich Euch bis-
her aus der Naturlehre gesagt habe, immer deutlich gewe-
sen seyn. Solltet Ihr mich aber nicht immer verstanden
haben, so leset noch einmal von vorn: dann werdet Ihr
nicht nur das Erzählte gefaßt haben, sondern Ihr werdet
auch noch mancherley angenehme Dinge, die ich Euch auf-
gehoben habe, mit Vergnügen anhören.
Ich habe Euch nemlich von gewissen Erscheinungen in
den sogenannten Elementen, die Ihr oft tagtäglich beob-
achtet, noch keine Sylbe gesagt, und also noch nichts vom
Regen, Thau und Schnee, vom Donner und Blitz, von
Sternschnuppen und Irrwischen, vom Nordlicht und Erd-
beben erzählt. Das durfte ich deswegen nicht thun, Kinder,
weil ich wußte, Ihr würdet mich nicht immer verstanden
haben. Jetzt, da Ihr so gelehrte Kinder geworden seyd,
sollet Ihr diese Dinge sogleich kennen lernen. Mach et Euch
also fertig; ich denke, es soll Euch am Ende nicht gereuen,
aufmerksam gewesen zu seyn.
Von den Lusterscheinungen und anderen großen Be-
gebenheiten in der Natur.
Durch die Sonnenwärme und durch das in der ganzen
Natur verbreitete Feuer lösen sich von den Körpern bey der
vor
Lufterscheinungen. 3S9
vor sich gehenden Ausdehnung beständig Dheilrcheu ab; am
meisten aber gehl dies Geschäfte bey den weichen und fiüßjr
gen Körpern vor. Diese von der Wärme abgelöften Theile
nennt man Dünste. Sie steigen in Gestatt ganz kleiner
Rügelchen in die Luft, und sind von mannigfaltiger Art;
wässerigte, schwefeligte, öligte, salzigte rc. So lange diese
Dünste eigenlbümlich leichter sind, als die Luft; was
thun sie da: sie steigen. Recht, Kinder; aber oben in ei-
ner höhern Gegend wird die Lust dünner; da stehen sie stille,
vereinigen sich auch wohl und schweben in Gestalt des He«
bels oder der Wolken über uns: so wie Ihr in einem
Wasch r oder auch in einem Schlachthause die durch die Wärr
me von der Wäsche, oder vom geschlachteten Vieh abgelösten
Theile in Gestalt eines Nebels, oder einer Wolke schweben
sehet. Es bleiben aber diese Dünste nicht in der Luft, son-
dern es gehen mancherley Veränderungen mit ihnen vor,
die durch die Natur der Dünste selbst, und durch gewisse
hinzugekommene Ursachen hervorgebracht werden. Damit
Ihr mich besser verstehen könnet, wollen wir die Dünste ih-
rer Natur nach in zweyerley Arten abtheilen, in Wasser
rigte und feurige.
i) Veränderungen, die mit wässerigten
Dünsten Vorgehen. Dahin gehören
a. Der Nebel.
Dieser ist nichts anders, als ein großer Haufen wäsr
serigter, salzigrer und anderer Ausdünstungen aus den
Körpern, zu einer Zeit, wenn es auf dem Boden der Erde
und in einer gewissen Höhe kalt ist. Ebendie Kälte macht,
daß sich die Dünste schon nahe au der Erde zusammen zie-
hen, daß sie also dicker und mithin unserm Auge sichtbarer
Z 4 wer,
tz6o Naturlchre,
werden. Daher finden wir die mchrsten Nebel im -gerbst
und Winter, die wenigsten im Frühling und Sommer.
Im Sommer werdet Ihr sie finden, wenn nach der-H-tze
ein plötzlich entstandener kalter Regen die obere Luft kühl
gemacht hat, die Flüsse und der Erdboden aber noch warm
sind. Dann sehet Ihr, daß bi<> Flüsse dampfen, als koch-
ten sie. Ihr habet bisher Eure Eltern voller Verwunderung
nach der Ursache dieser Erscheinung gefragt; jetzt send Ihr
gelehrter, denn Ihr wisset nun: dieser Nebel sind die aus
der noch warmen Erde, aus dem noch warmen Flusse auft
steigenden Dünste. Die oben kalt gewordene Luft zieht sie
zusammen, verdickt sie also, und macht sie mithin sichtbar.
Wäre dagegen die obere Lust noch warm, so würden sie
auch nicht zusammen gezogen, sondern — denn das thut ja
die Wärme — noch mehr ausgedehnt, und blieben folglich
unsichtbar.'. — Wenn ein entstandener Nebel wieder fallt,
so wird es gemeiniglich heiteres Wetter; steigt er aber, so
erfolgt gewöhnlich Regen. Ein schöner und herrlicher An-
blick ist es, Kinder, aus dem Nebel nach und nach an ei-
nen hohen Berg hinan in die reine, blaue Luft zu steigen,
über sich den heiteren Himmel, mit der prächtigen Sonne,
und unter sich den Nebel wie ein mit Wellen bedecktes Meer
zu sehen.
b. Der Thau.
Auch dieser besteht aus Dünsten, die des Abends von
der warmen Erde in die kalte Luft steigen, daselbst von der
Kälte zusammen gezogen werden, sich also verdicken und in
der Nacht in Tropfen herunter fallen. Sehr oft steigen die
aus den Pflanzen ausgeschwitzten Dünste gar nicht in die
Lust, sondern bleiben sogleich darauf sitzen. Daher findet
Ihr an einer Pflanze, die Ihr mit einer gläsernen Glocke
be-
361
Lufterfcheinungen,
bedeckt habet, gleichwohl Thautropfen. Die Natur hat
diese Dünste in der Luft so verarbeitet, daß sie den, von der
Tageshitze welk gewordenen Gewächsen, eine sehr schnelle,
erquickende Nahrung zuführen; und in warmen Ländern,
wo die Nächte kalt sind, fängt man ihn mit aufgespannten
Tüchern aufund braucht ihn als Trinkwasser. Da die Rede
vomThauist, so werdet Ihr Mick bey Gelegenheit dieses
Wons fragen, was denn wohl der HonigLhau ist. Die/
ser Honigrhau, Kinder, kömmt nicht aus der Luft, sondern
hat ganz andere Ursachen. Ihr werdet nemlich im Iunius
und Julius auf den Blättern der Linden, der Rosen und
anderer Gewächse eine Menge kleiner Thierchen finden;
Blattläuse heißen diese Thierchen, die machen den söge/
nannten Honigthau. Zwar werden manche von Euren
Eltern, wenn sie dies lesen, herzlich lachen; andere werden
wo! gar sagen, ich müßte kein solches Zeug in mein Buch
hinein schreiben, der Honigthau komme aus der Luft, nicht
aber von Thieren: so was verstünden sie besser, als ich.
Wenn aber der Sommer wieder kömmt, so bittet Eure
Eltern, daß sie einmal mit Euch an die Rosenstöcke hintre,
ten. Sehet dann die kleinen Honigthaumacher, die zu rau/
senden an den Stielen und Blättern der Rosen sitzen, genau
an, dann werdet Ihr finden, daß sie sich hinten in die Höhe
richten, und kleine, helle, funkelnde Kügelchen von sich
geben, ordentlich, als wenn sie kanonirten. Jedes Thier,
chen giebt wenigstens jede Mlnute einmal einen solchen
Schuß. Sehet dann den Kügelchen genau zu, da werdet
Ihr bemerken, daß diese kleinen Klümpchen aufdem Blatte
auseinander fließen, und durch ihre Menge, in welcher
sie nach und nach geschossen werden, das Blatt wie mit ei,
nem Firniß überziehen. Kostet diesen Firniß; er wird wie
Honig schmecken: daher nennt man diesen Saft Honig,
Z 5 thau.
Naturlehre.
Z62
than. Eine andere Art dieses klebrichten Wesens findet
sich gleichfalls auf den Blättern der Gewächse; er ist dichter
und feiner als jener Honigthau, und man nennt ihn
Mehlthau. Auch dieses schädliche Wesen, sagt man,
komme aus der Luft; ich will Euch aber gleich erklären, wo«
her es entsteht. Wenn Ihr einmal an einem kühlen Herbst-
abend eine halbe Meile sehr schnell laufen, dann im vollen
Schweiße plötzlich stille stehn, und Euch aufkaöpfen woll-
tet, so würde Such dieser Leichtsinn sehr tlmuer zu stehen
kommen: denn die durch die Hitze weitgewordenen Schweiß-
löcher würden plötzlich sich verschließen, die 'Ausdünstung
würde gehemmt werden, und Ihr würdet eine Krankheit
bekommen. Nun gebt Acht, Kinder, auf das, was ich
sage. So wie der Mensch kleine Löcher (Lori) in derHant
zum Ausdünsten hat, so hat auch die Pflanze solche Löcher in
dem Häutchen der Blätter. So wie ferner die offenen Schweis-
löcher am Menschen durch plötzliche Kälte schnell verschlosi
sen werden, eben so werden die Ausdünstungslöcher an
den Blättern im gleichen Falle verschlossen: denn Ihr wis-
set es ja, die Hitze dehnt alles, folglich auch die Schweis-
löcher aus, und die Kälte zieht zusammen. Es sind nem-
lich bey einer trockenen Hitze diese Löcher an den Pflanzen
offen, und die Ausdünstung ist stark. Erfolgt nun bey
etwa eintretendem Lskordostwind eine kalte Nacht, so
schließen sich die Löcher, der ausgeschwitzte Saft kann aus
Mangel an Hitze nicht verdünsten, er füllt vielmehr das
Blatt an, und bleibt als ein dickes, klebrichtes, mehligtes
Wesen sitzen. Erfolgt nun kein Regen, der ihn abspült,
und das Blatt reinigt, so bleibt er auf dem Blatt sitzen,
verstopft die Löcher und es verdorrt. Solchen sogennnn,
ten Mehlthau sinder Ihr auch wohl am Weizen. Die Blät-
ter sehen alsdann aus, als wären sie verbrannt; und sie
Z6;
Lufterscheinungen.
verdorren auch würklich, wenn kein Negen dazu kömmt.
Wenn der Sommer wieder kömmt, und Ihr findet Mehlr
thau, so versuchets einmal, und begießet die mit Mehlthau
überstrichenen Gewächse brav: dann wirds ihnen nicht viel
schaden. Sollten dann Eure Eltern noch immer über mich
lacken, so setzet einmal einen Spiegel, oder eine gescheuerte
blanke zinnerne Schaale in Euren Garten, oder ins Feld : da
werdet Ihr keinen Mehlthau dran finden. Käme er aber
ans der Luft, so müßte er doch wohl auch auf den Spiegel,
oder die Schaale fallen. — Daß der Mehlthau auch wohl
von Insekten kommen kann, will ich auch nicht leugnen:
denn es giebt maucherley solcher Thiere, die ein mehligtes We-
sen von sich geben, aber aus der Luft kömmt er nicht.
c. Der Reif.
Wenn der aus der Luft heruntergefallene oder auch aus
den Gewachsen ausgeschwitzte Thau von einer plötzlichen Aalte
überfallen wird, so gefriert ec in allerhand niedlichen, krau-
sen Formen, und heißt der Acif. Bey starker Kalke zeigt
sich der Reif auch an den Haaren der Menschen und ,Thiere:
denn der aus dem Munde und der Nase gehende Odem ge-
friert. Eben so verwandeln sich in kalten Landern die aus den
Fenstern der warmen Stube herausströmenden Dünste in Reif
oder Schnee.
d. Der Regen.
Wenn der Nebel zu einer gewissen Höhe gestiegen ist,
bildet er tVolken. Sammlen sich die Dünste dieser Wolr
ken zu Tropfen, so können sie sich nicht mehr schwebend er-
halten, sondern müssen fallen; alsdann sagen wir: es regnet.
Geschieht das Aneinandcrstoßen der Dünste in einer niedrigen
Gegend der Luft, so sind die Tropfen noch klein, und der Ne-
gen
ZS4
Nalurlehre.
gen heißt Staubregen; geschieht aber das Zusammenfließen
der Dünste in einer höheren Gegend, so vermischen sich die
Tröpfchen im Fallen mit anderen Tröpfchen und werden zu
Tropfen, diese auch wohl mit noch mehreren: dann nennt man
den Regen Platzregen. Sind der wasserigten Dünste
sehr viele über uns versammlet, und stehen die Wolken hoch:
so ergießt sich der Platzregen in dichten Tropfen, als würden
sie ausgeschüttet: das heißt ein TVolkenbruch. Ist cs nur
eine Wolke, die in Tropfen herunter fallt, so heißts ein
Strichregen; ist aber der ganze Himmel bezogen, so heißts
ein Landregen. Oft erzählt man Euch, es habe Schwe-
fel geregnet. Würklrch sieht man zuweilen, aber doch nur
äußerst selten nach einem Gewitterregen Schwefelblu-
men. Diese sind aus der in der Luft befindlichen Schwer
felmaterie vom Blitze erzeugt worden, und sind also
wirklicher Schwefel. In den meisten Fallen aber ist das,
was nach dem Regen, als wäre es Schwefel auf Teichen und
Seen schwimmt, kein Schwefel, sondern der Staub von
Blumen, besonders der Fichten- und Tannenbäume. Die'
sen Staub treibt der Wind zusammen, und jagt ihn in die
Luft, wo er mit derr Regentropfen herunterfallen muß. Also
Kinder, Schwefel regnet es nie; sondern er wird, wie gesagt,
entweder vom Blitz erzeugt, oder es ist gar kein Schwefel,
sondern gelber Vlumenstaub. Wenn Ihr die Blumen ge-
itau cmsehet, so findet Ihr ja Staub von allen Farben in die-
sen schönen Gewächsen. — Aber Blut regnet's doch zuwei-
len , wie dieser oder jener unter Euren erwachsenen Brüdern
sagt. Nein, Kinder, Blut regnet's so wenig, als Schwe-
fel. Freylich sehet Ihr zuweilen nach dem Regen etwas Ro-
thes auf den Teichen und Flüssen; aber Kinder, ist denn al-
les Blut, was roth ist? Blut kann es nicht regnen; denn
die Blutstropfen von geschlachteten Thieren sind zu schwer,
als
Lufterscheinungen. 3 6?
als daß sie in die Höhe steigen könnten, und in der Luft selbst
giebts kein Dlut. ?lber wo käme denn in aller Welt das
blutrothe Wesen her, das nach dem Regen zuweilen gesehen
wird? Das will ich Euch gleich sagen; gebet nur recht Acht.
ES giebt in diesem Falle zweyerley verschiedene Ursachen, Entr
weder kommt würklich eine rvthe Materie aus der Luft, die
das Wasser blutrot!) färbt, und das habe auch ich oft gese«
hen. Zn diesem Falle ist es Eisenerde. Wenn diese Erde,
die roth ist, von der Sonnenhitze in Staub verwandelt, und
dieser Staub durch den Wind hoch in die Luft geführt wird,
so macht sie alsdann die Regentropfen roth: und bas ist denn
Blulregen von einer Art. Ein anderer Fall ist der: Man-
che Insekten haben einen blutrothen Saft; wenn nun solcher
Insekten viele zur Zeit eines Regens auf einem Baum sitzen,
unter dem Ihr etwa gegen den Regen Schutz suchet, so vers
mischt sich dieser Saft, den die Thierchen, wie Ihr ja wisset,
oft von sich geben, mit den Wassertropfen; und Ihr werdet
dann ftcylich von rothen Tropfen befprützt; aber Blutregen
ist cs nicht. Es kann auch wohl gar das Blut geschlachteter
Thiere durch einen Platzregen weit weggeschwemmt werden,
oder es können, außer den genannten Ursachen noch andere
Falle seyn, wo das Wasser roth wird: da müsset Ihr denn
Euren Verstand gebrauchen, und alles prüfen, und Ihr wer-
der dann finden, daß es nie Blut regnet. — Zuweilen sehen
bey einem Regen viele Tropfen feurig und wie förmliche
Funken aus. Manche Eurer Eltern sagen in diesem Fall,
der aber sehr selten ist, es regne Feuer und sie wevßagen
sich ein großes Unglück. Aber, Kinder, wir sind es vom ern-
stesten und erhabensten aller Wesen, von Gott nicht gewohnt,
daß er uns zukünftige Begebenheiten auf eine dunkele, viel-
deutige und höchst unvollkommene Art weyßage; son-
dern wenn er uns zukünftige Begebenheiten sagt, so geschieht-
durch
I
Z66 Naturlehre.
durch die Sprache, und zwar so deutlich und bestimmt,
das; wir (Ort, Zeit und Sache genau wissen. Leset die
Bibel, so werdet Ihr das finden. Ohnehin, Kinder, sind
die Zeiten langst vorbey, da Gott uns weyssagt, und diejenb
gen unter unsern Mitmenschen, die sich den Namen,
pheten geben, haben einen Fehler am Gehirn. Ihr brauchet
Euch also vor keinem menschlichen Propheten, — aber auch vor
keinen anderen Weyssagungen in der Natur, also auch nicht
vor dem Feuerregen zu fürchten. Im Gegentheil ist ein
solcher Regen ein ganz vortrefliches Schauspiel. Es sind
nemlich Regentropfen solcher Akt elektrisch, die, wenn sie
niederfallen, oder an andere Körper anschlagen, sich reiben
und Lunken geben, wie ja das die elektrischen Körper thun.
— — Nun wieder zum Regen selbst: Je höher eine Ge-
gend liegt, destoweniger regnet cs daselbst; je tiefer aber die
Gegend, desto feuchter ist die Luft. — Daß Gott der Warme
die Arbeit aufgetragen hat, wasserigte Dünste aufzuziehen,
und daß nun diese Dünste in Tropfen herunterfallen — kurz,
lieben Kinder, daß es regnen muß, das ist eine unbeschreibr
lich große Wohlthat seines Vaterherzens. Ihr wisset es ja
selbst, wie sehnlich an dürren Sommerragen Eure Eitern oft
auf Regen hoffen, damit die lechzenden Pflanzen befeuchtet,
erfrischt und ernährt werden: denn Eure Eltern haben zwar
viele Gaben von Gott erhalten; sie haben Vernunft, Geschick-
lichkeit, Starke — aber Regentropfen, war es auch nur einer,
können sie nicht Hervorbringen: das kann der Herr der Natur
allein. Außerdem, daß der Regen den Gewachsen Nahrung
und Wachsthum giebt, füllt er auch die (Quellen, Brunnen
und Flüsse, trankt die Threre, und reinigt die Luft. In
den dürren Gegenden von Asien und Afrika, wo Brunnen
seiten sind, dient der Regen, den man in Gruben (Cisternen)
ausiaugt, zum Getränk für Menschen. — Wenn die Sonne
gegen
I
Z6?
Lusterscheinungen.
gegen einer regnenden Wolke über steht, dann gehen ihre
Srrahlen aus einem dünnen Körper in einen dichtern; sie
müssen sieb also, wie Ihr noch aus meiner Erzählung vom
Liebte wisset, brechen. Dieje Brechung der Sonnenstrah-
len nun giebt Euch eh ganz vortrefliches Schauspiel, an dem
Ihr Euch nie satt sehen könnet den prächtigen, siebenfarbi-
g , Regenbogen. Es ist also diese herrliche Erscheinung
an, Himmel, so wenig, wie der sogenannte Hof um Sonne
und Mond, ein für sich bestehendes Wesen, jondern es sind
gebrochene Lichtstrahlen. — Manche von Euren erwachsenen
Bekannten finden auch in diesem Regenbogen elne Wirkung,
di.- er doch gar nicht hat, auch — weil er ja kein besonderes
Wesen ist — nicht haben kann: sie meynen nemlich „wenn
sich dies schön geschmückte Bild zeige, müsse es sieben Tage
nach einander weg regnen. " Und warum gerade sie-
ben Tage? Antwort: weil der Regenbogen sieben Farben
habe. Wenn Ihr Feuersprühen an einer solchen Tageszeit
probiren sehet, daß die Sonne gerade der Sprühe gegenüber
steht: dann sehet ihr im Strahl des Wassers auch einen Re-
genbogen, und unsere hannöversche Jugend beobachtet diesen
Regenbogen in gleichen Umstanden an der berühmten Fon-
taine zu Herrenhausen. Der Knabe, oder das Mädchen
würde aber schrecklich ausgelacht werden, das da sagte: es ist
ein Regenbogen im Wasserstrahl: die Sprühe, oder die Fon-
taine wird also sreben Tage in eins weg Wasser sprudeln. —
Wenn Ihr eine hohle gläserne Kugel habet, so füllet sie mit
Wasser und haltet sie gegen die Sonne, dann werden sich
Euch alle sieben Farben des RegenbogenS hinter einander zeigen.
e. Der Schnee.
Wenn im Winter die Dünste einer Regenwolke gefrie-
ren, so fall.-- sie alsdann in den niedlichen sechseckigteu Figu-
ren
Z68
Naturlehre.
ren herab, die wir den Schnee nennen. Je kalter die Luft
ist, desto kleiner sind die Flocken. Bey sehr starker Kalte
flattern fie in der Luft herum, und blitzen, wenn die Sonne
durchscheint. Sie sind in diesem Fall zu spröde, und könr
men sich also nicht mit einander vereinigen, oder, in der
Sprache Eurer Eltern zu reden, es kann vor Aalte
nicht schneyen. Auch der Schnee gehört unter die großen
Wohlthaten Gottes: denn er ist, weil er verschiedene Salze
nüt sich führt, für unsere Felder ein sehr guter Dünger.
Diesen Salzen ist es auch zuzuschreiben, daß Schneewasser,
wenn man etwas damit wäscht, die Unreinigkeiten besser
wegnimmt, als Fluß- oder Brunnenwasser.
E Die Schlossen.
Wenn im Sommer die Tropfen einer hochstehenden
Regenwolke durch eine kältere Luftgegend fallen, so gefrier
vm sie während dem Fallen. Wenn diese Schlossen durch
den Wind aus einer kalten in eine wärmere Gegend, und
von dieser wieder in eine kältere getrieben werden, so ent-
steht der Hagel, eine durchsichtige Eisrrnde mit einem un-
durchsichtigen weißen Kern. Im Sommer hagelt es selten
anders, als beim Gewitter. ■— Wenn im Winter die Tro-
pfen einer medr-gen Regenwolke gefrieren, so nennen wir
die gefrornen Tropfen Graupen.
Bey diesen Erscheinungen, lieben Kinder, habe ich
Euch noch einen Umstand zu erklären, nemlich das Gefrie-
ren der Fenster. Dies geht so zu: die vielen in einem ge-
heizten Zimmer befindlichen Dünste ziehen sich — wie Ihr
dies noch aus der Lehre vom Feuer wisset — beständig nack-
ter kältesten Gegend zu. Dies sind natürlich die Fenster,
scheiben. Da nun jede Kälte zusammen zieht, so chun
auch
/
Lusterscheinungen. 369
auch die von der äußeren Witterung kalt gemachten Fenstern
scheiben die nemlrche Wirkung: sie ziehen die angeschossenen
Dünste zusammen, d. i. sie vereinigen sie naher, und mai
chen, daß sie zusammen fließen. Hört die Stubenwärme
auf, oder ist die äußere Kälte sehr groß, so gefrieren die
zusammengeflossenen Dünste. Die seltsamen Figuren, die
zuweilen erscheinen, rühren von den in den Dünsten befinde
Lichen Salzen her. Nun könnet Ihr Euch erklären, wart
um Ihr im Winter, und überhaupt in der Kälte Euren
Odem sehet. Ich habe Euch eben gesagt: Die Kälte ziehe
zusammen, und die Hitze dagegen dehnt aus. Im Som:
mer also, oder besser zu sagen, in der Wärme werden die
aus dem Munde der Thiere ausgehenden Dünste sogleich aus/
gedehnt, und so verdünnt, daß Ihr sie nicht sehen könnet;
in der Kälte dagegen werden sie zusammengezogen, und also
verdichtet, und Ihr könnet sie sehen: je größer die Kälte,
desto dichter bleiben die aus dem Munde ausgehenden Dünr
sie beysammen, und desto sichtbarer sind sie. Eben dies ist der
Fall, wenn Ihr kaltes Glas, Metall k. in die warme
Stube bringet: es beschlägt sogleich. Die Dünste der Stube
ziehen sich nemlich nach dem kalten Körper hin, werden durch
ihn, eben weil er kalt ist, zusammen gezogen, und Ihr sehet^
wie sie in Tropfen zusammen laufen. Bringet ein Glas mit
warmen Wasser herein, so wird diese Erscheinung wegfalr
len. Noch eins: wenn es im Winter nach einem starken
Froste wieder Thauwetter wird, so sehet Ihr die Mauren
an Kirchen und Thürmen und an den Gebäuden befchla/
gen. Woher kömmt das? Die äußere Luft ist warm, die
Steine aber sind noch kalt. Es fliegen also die Dünste aus
der Luft dran und werden von der in den Steinen befind/
lichen Kälte in Tropfen zusammen gezogen und endlich zu EiS
verhärtet.
(Vürgersch. ir Vd.) Aa 2)
370 Naturlehre.
2) Zeurige Lufterscheinungen,
u. Der Blitz.
Diese majestätische Begebenheit, Kinder, pflegt Euch
gemeiniglich in Angst und Schrecken zu sehen; wahrscheinr
lich deswegen, weil selbst manche erwachsene und vernünf,
tige Menschen von dem Gewitter einen verkehrten Begriff
haben. Viele Menschen sind nemlich der Meynung, die
Gewitter seyn eine Strafe Gottes, oder, wie sich wohl gar
dieser oder jener, der Gott für einen Tyrannen hält, aus»
drückt, eine Landplage. Wenn Ihr selbst ein klein wer
nig Nachdenken wollet, Kinder, so werdet Ihr finden, daß
das Gewitter eben so wenig eine Strafe sey, als der Regen,
Schnee, Thau u. s. w. Denn so wie diese Wirkungen er,
folgen müssen, wenn gewisse Ursachen in der Natur vor,
hergegangen sind, so muß auch ein Gewitter erfolgen, wenn
die Natur die Materie dazu vorher verarbeitet und an den
rechten Ort gestellt hat. Ohnehin, wenn das Gewitter eine
Strafe wäre, so müßten in den Ländern, wo es wenig, oder
gar keine Gewitter giebt, auch nur wenig, oder gar keine
Gottlose leben. In der Gegend der Stadt Lima, der
Hauptstadt des großen americanischen Landes Peru, auch
auf der Insel Helena, giebts gar keine Gewitter, und in
Aegypten sind die Gewitter, überhaupt der Regen äußerst
selten. Daher erschraken auch die Israeliten so sehr, als sie
in Arabien bey der Gesetzgebung das erste Gewitter sahen,
und das Krachen des Donners am kahlen Felsenberg Sinai
mit fürchterlichem Schall zurückprallen hörten. Auchmüß,
ten die Menschen nur im Sommer gottlos seyn, denn im
Winter giebts nur äußerst selten Gewitter. Und endlich,
Kinder, müßten gerade diejenigen Menschen gottlos seyn,
die durch rin Gewitter Schaden leiden: das aber hieße doch
wohl
371
Lufterscheinungen.
wohl äußerst lieblos urtheilen. Wenn Ihr erst gehöret habet,
was das Gewitter ist, und worinn seine Wirkung besteht,
so werdet Zhr mir auch sagen können, ob es ein Strafge.
richt Gottes, oder aber eine Wohlthat sey. — Da ich Euch
schon etwas von der Elektricität erzählt habe, so werdet
Ihr mich nun verstehen, wenn ich Euch das Nörhige aus
der Lehre vom Gewitter sage. Was nemiich bey einer
Elektrisirmaschine die Runst im Kleinen thut, das thut die
Natur bey einem Gewitter im Großen. In der Luft ist allem,
halben elektrische Materie. Ihr wisset auch schon, daßöestäm
big sehr viele Dünste, wäfscrigte und brennbare, in die
Luft steigen und Wolken bilden. In einigen solcher Wolken
ist viel, in andern wenig, und in manchen gar keine elek,
trische Materie. Wenn stchs nun fügt, daß eine Wolke,
worinn viele elektrische Materie ist, sich einer andern
Wolke nähert, die nicht elektrisch ist, so fährt die elektrische
Materie wie ein Feuerklumpen heraus. Dieser Feuer,
klumpen heißt Blitz, und der durch seine Ausdehnung
entstandene Schall, heißt Donner. — Findet dieser elek,
trische Blitz nichts neben oder bey sich, was ihm Nahrung
geben kann, so verpfuscht er plötzlich, wie ein einzelnes
Pulverkörnchen; stößt er aber auf seinem Wege noch auf
andere in der Luft sehr häufig befindliche, schweflrgte, sab
petrigre und andere brennbare Dünste, so entzündet er auch
diese. Sind diese Dünste sehr weit ausgedehnt, so wird
auch diese ganze Gegend entzündet, und so entsteht dann
ein langer, feuriger Strahl, der oft wie ein Lauffeuer
aussteht. Liegen aber diese Dünste nicht in einer geraden
Linie, sondern unordentlich zerstreut, so macht der Strahl
Wendungen, Winkelrc.; daher sieht der Blitz alsdann wie
ein Zikzak aus. Zuweilen erstrecken sich die Dünste von
der Wolke an, worrnn der elektrische Blitz ist, bis zur Erde,
Aar j.Gf.
37*
Nakurlehre.
z. E. bis zu einem Baume, Hause, Thurm, Menschen, Thiere
:c. Alsdann lauft auch der Strahl bis zu einem von diesen
Gegenständen, und seht den Baum im Brand, zündet das
Haus an, beschädigt den Thurm, verletzt oder tödtet den
Menschen, und wirkt eben so auf das Thier. Es ist also
der erste Blitz, oder der elektrische Strahl von dem oft sehr
langen Strahl, den wir als eine brennende Schnur, oder
als ein Lauffeuer, oder als einen Zikzak sehen, sehr unr
terschieden, und dieser letztere heißt der fortgeleitete Blitz,
weil er durch lauter Körper gieng, die Ihr als Leiter kennet.
Der mit dem Blitz gemeiniglich verbundene Schall ist, wie
gesagt, der Donner. Wenn es mehrmal hintereinander blitzt
und donnert, so sagt man: es ist ein Gewitter. Da, wie
Zhr auch wisset, ein Lichtstrahl ungleich schneller lauft, als der
Schall, so höret Ihr den Donner alsdann um desto später,
als Zhr den Blitz sehet, je weiter das Gewitter entfernt ist.
Zch habe Euch eben gesagt, daß in dem Falle, wenn
eine Gegend mit der elektrischen Materie allzustark, die nächste
dagegen nur wenig damit angeladen ist, ein Gewitter entsteht^
Nun werdet Zhr aber gefunden haben, Kinder, daß Euch ge«
meiniglich vor einem Gewitter ein besonderes Misbehagen an«
wandelt; Zhr klagtet über Mattigkeit und Trägheit, die -
Beine waren Euch schwer, und Zhr wußtet selbst nicht, waS
Euch fehlte. Die Ursache ist, die elektrische Materie, womit
jeder Körper angefüllt ist, war dem Eurigen durch die Hitze
entzogen: je schwüler der Tag, desto übler befandet Ihr Euch.
Aber was geschieht nun bey und nach dem Gewitter, wenn
Zhr in Euren Garten oder überhaupt in die fteye Luft gehet? j
Nicht wahr, Zhr athmet leichter, ein stärkender Duft füllt
Eure Lunge, und Zhr pfleget zu sagen: Ihr wäret wie
neu geboren. Woher kömmt'das? Das Gewitter gab Euch
diesen Vortheil: der Regen bring! nemlich diese elektrischeMa«
373
Lusterscheinungen.
Serie, womit die Luft angefüllt war, in großer Menge herum
trr, und Eure Lunge fängt sie auf. Dies, Kinder, ist einNuzr
zcn, den die Gewitter haben. Aber wir Menschen sind es
nicht allein, die wir uns bey und nach einem Gewitter wohl
befinden, sondern vorzüglich den Pflanzen ist ein Gewitter sehr
gedeylich. Denn das in der Lust befindliche elektrische Wesen,
rnd die mancherlcy salzigte, salpelrigte und andere Dünste,
)ie ein Gewitterregen mit sich herunterbringt, sind den Pflanr
xn eine wahre Gesundheiks^ und Lebenskraft. Daher wer«
dct Ihr finden, daß die Gewachst nach einem Gewitterregen
immer stärker wachsen, als nach einem andern Regen. Dazu
k-mmt noch, Kinder, daß der Blitz an sich schon zum Wachs:
t)um der Pflanzen vieles beytragt, und daß der Donner die
Lrde locker, und also zum Empfang des Regens tüchtig macht.
Nun, Kinder, saget mir, ist das Gewitter wohl ein göttliches
Strafgericht? Freu!ich erreicht der fortgeleilete Strahl zur
veilen ein Haus, und seht cs in den Brand; oder er trist auf
vnen Menschen, und verwundet oder tobtet ihn. Dieser
Schade aber ist gegen die großen Vorthcile, die ein einziges
bewittcr einem ganzen nach Erquickung lechzenden Lande giebk,
g>r nicht beträchtlich. Und Kinder, was pfleget Ihr wohl zu
tlun, wenn es stark regnet: nicht wahr, Ihr nehmet einen
Schirm, oder ziehet einen Oberrock an? Wie, wenn man
mn auch ein Mittel wüßte, sich gegen den Blitz zu verwahr
nt? Wir haben eins: die sogenannten Blitzableiter.
Zlus dem, was ich Euch von der Elektricitat gesagt habe, wist
fet Ihr nun, daß Metall nicht elektrisch, sondern ein Leiter
ist. Aus eben dem Grunde hat man diese Maschinen, die aus
Eisen bestehen, erfunden, damit sie die elektrische Materie des
Blitzes aufnehmen, und an einen andern Ort wegleiten sollen.
Wirklich sind sie auch gegen den Blitz weit kräftiger, als der
Regenschirm gegen deu Regen, denn diese Blitzableiter laden
Aa z nicht
574 Naturlehre.
nicht nur die von der elektrischen Materie, angefülllcns Wolken
schon von ferne und stillschweigend aus, und verhindern also
den wirklichen Ausbruch des Blitzes, sondern, wenn auch
ein Blitz erfolgen sollte, so ist er schon geschwächt, und geht
ohnehin gemeiniglich an den Gewitterableiter herab an einen
Ort, wo er nicht schaden kann. Diese Instrumente sind noch
nicht alt; erst im Jahr 1749. hat sie ein gewisser, noch leben-
der Gelehrter in America, Nahmens Franklin erfunden.
Es sind hochaufgerichtete, eiserne, oben spitz zugehende Stan-
gen, die entweder an Kirchen, Thürmen, Hausern, Pulver
Magazinen, Schiffen, Mühlen rc. oder an besonders dazu er
richteten Gerüsten, mit eisernen Krampen befestigt, und meh-
renrheils unten in ein Wasser, oder doch in die Erde geleite!
werden. In unserm hannoverischen Lande sind solche Ge-
witterstangen an verschiedenen Orten angelegt worden, und in
andern Landern hat man sie noch früher gebraucht. Wenn sie
mit der gehörigen Geschicklichkeit und am rechten Orte angelegt
werden, leisten sie ihren Nutzen allemal. Wahrscheinlich wer-
den manche unter Euch von erwachsenen Personen gehört ha
ben: der Gebrauch solcher Wetterstangen sey ein Eingriff il
die göttlichem Rechte; und hierüber muß ich noch ein Won
mit Euch reden. Wenn Gott Gewitter dazu schickte, un
uns zu strafen: so müßten wir freylich stille halten; denn we
könnte und wollte sich dem Allmächtigen widersehen. Da Ist
aber nun gehört habet, daß das Gewitter für die Gefundhet
der Menschen und Thiere, und für das Gedeyen der Pflanzer
unbeschreiblich großen Nutzen habe, und daß nur dann
und wann der Fall einmal eintrete, daß der fortgeleitete
Blitz auf feiner Bahn auf ein Haus, einen Thurm, einen
Menschen, ein Thier stößt: so ist es der göttliche Wille, durch
den Gebrauch unfers Verstandes der Gefahr auszuweichen, wo-
mit ein solcher Blitz verbunden ist. Ich will Euch das in ei-
nigen
375
Lusterscheinungen.
nigen Beyspielen erläutern. Das Wasser ist, wie Ihr wisset,
ein unbeschreiblich nützliches Element: es füllt unsere Quel-
len, und giebt uns also Brunnen, Bache, Flüsse, Seen und
Meere; es ernährt Millionen Thiere; cs befruchtet unsere
Wiesen; es treibt unsere Mühlen, tragt unsere Schiffe: nicht
wahr, ein unbeschreiblich nützliches Element. Aber, wenn
nun dies so heilsame Wasser einmal über die Ufer tritt: was
thun wir dann: nicht wahr, wir legen Teiche an. Hieße
das nun nicht auch, in Gottes Rechte greifen? Zst nicht
der Gott des Blitzes auch der Gott des Wassers? Ferner:
wenn dies Wasser aus der Luft fallt, wenn es regnet: brauchen
wir nicht Mäntel und Schirme? Noch mehr; was thun eben
diejenigen Leute, die diese Sprache im Munde führen, man
müsse Gott nicht in seine Rechte greifen, was thun sie, wenn
der Blitz ein Gebäude angezündet hat: nicht wahr, sie braur
chen Zeuersprützen dagegen. Bey diesem letzten Beyspiel
könnet Ihr recht sehen, Kinder, wie sonderbar diese Sprache
ist- Ich soll keine Wetterstangen gegen den Blitz gebrauchen,
sondern ihn erst zünden lassen: dann aber, wenn er gezündet
hat, soll ich Sprützen gebrauchen. Ist der Blitz ein Recht,
das sich Gott Vorbehalten hat, Menschen zu strafen: so wöget
Ihr alle Feucrsprützen der ganzen Welt gegen ein vom Blitz
angezündetes Gebäude aufführen lassen: sie werden nicht hel«
sen. Ist aber der Schade, den der Blitz stiftet, nicht von
Gott beschlossen, sondern nur zufällig: 'so müssen wir nicht
nur Feuersprühen gebrauchen, sondern wir müssen sogar dasr
jenige Mittel ergreifen, was den Gebrauch der Feuersprützen
in diesem Stücke uunöthig macht; wir müssen die Blitzableiter
anlegen. So lauge jedoch diese noch nicht allgemein einge,
führt sind, ist es nöthig, daß Ihr Euch einige Regeln mer-
ket, wodurch Ihr Eure Person so viel als möglich gegen den
Blitz schützen könnet. Ich will Euch hier einige nennen.- Ich
Aa 4 habe
;76 Nakurlehre.
habe Euch schsn gesagt, das Feuer des Blitzes ist elektrische
Materie. Wenn Ihr nun bedenket, daß die elektrische Ma-
terie durch nicht-elektrische Körper, d. i. durch Leiter gelockt
und geleitet wird, und wenn Iyr ferner Euch erinnert, daß
alle Metalle alle feuchten Dünste, alle Flüßigkeiten und
alle thierrsche Körper Leiter sind, fo werdet Ihr folgende
Regeln verstehen und aijo auch befolgen: l) Alle Zugluft
in einem Zimmer ist zur Zeit eines Gewitters gefährlich: man
verschließe also die Fenster, und lasse dagegen die Srubenthür
offen. 2) Eben fo gefährlich sind Dünste von Kohlen,
Naucktaback, Wasche rc.: daher muß man beyHerannäherung
eines Gewitters das Zimmer lüften. 3) Aus eben dem
Grunde müssen zurZeit eines Gewitters nur wenig Menschen
in einem Zimmer beysammen feyn; 4) auch müsset Ihr Euch
alsdann nicht in der Küche beym Schornstein, oder am
Feuerheerd aufhalten. 5) Ihr müsset Euch so viel als
möglich von Metallen, als von Oefen, Thürschlössern, Thür/
angeln, vergoldeten Leisten k. entfernen, und wenn cs thum
lich ist, alles Metall, als Schnallen, Geld, Nadeln, Uhr,
Schlüssel so lange von Euch thun, als das Gewitter dauert.
6) Da Katzen- und Hundehaare den Blitz sehr gerne leiten,
so dürfet Ihr solche Thiere. alsdann nicht bey Euch dulden.
?) Vermeidet die Nahe des Spiegels. 8) Send Ihr stark
im Schweiße, so ziehet vor der Ankunft des Gewitters ein
reines, trockenes Hemd an; denn der Schweiß, so wie
jede Feuchtigkeit, dienet dem Blitz zum Leiter. 9) Kömmt
das Gewitter desNachts, so müsset Ihr aus eben dem Grunde
nicht im Bette liegen bleiben, weil Ihr da schwitzet, und
weil Ihr ohnehin ja fertig seyn müsset, um der Gefahr zu
entfliehen, wenn der Blitz zünden sollte, 10) Befindet Ihr
Euch zur Zeit eines Gewitters im Lreyen, so stellet Euch ja
nicht unter ein Thor, eine Einfarth re. n) Tretet auch
nicht
377
Lufterschemurigen.
nicht unter einen hohen Baum, am wenigsten unter eine
Eiche. 12) Laufet auch nicht, damit Ihr nicht in Schweiß
gerarhet, und schwitzet Ihr bey der Herannäherung des Ger
witters, so suchet Euch durch Langsamgehen abzukühlen, iz)
Tretet nicht an einen Teich, Fluß, oder ein anderes Wasser.
14) Seyd Ihr zu Pferde, so steiget ab, bindet das Pferd
an den ersten Baum, und stellet Euch wenigstens 2OSchritr
davon, oder setzet Euch hin. 15) Befindet Ihr Euch auf
einem Wagen, so steiget gleichfalls ab. 16) Seyd Ihr
überhaupt auf erhabenen Oertern, so machet, daß Ihr
tiefer kommt: oder Ihr würdet sonst, eben wie eine Wetter«
frange, oder wie ein Thurm den Blitz an Euch locken. 17)
Hat der Blitz an einem Orte eingeschlagen, so wartet noch z
bis 4 Minuten, ehe Ihr hingehet: denn gemeiniglich folgt
noch ein anderer Schlag hinterher. 18) Sehet des Nachts,
wenn es stockfinster ist, nicht zu oft in den Blitz: Ihr
könntet sonst blind werden, oder doch Euer Gesicht schwa«
chen. — Diese Regeln, Kinder, find nicht von mir erson-
nen; sie find vielmehr in derNatur der elektrischen Materie,
woraus der Blitz besteht, und zugleich in der Erfahrung ge-
gründet. Weil Ihr nun Wesen seyd, denen Gott die Ver-
nunft deswegen gab, um Gefahren abzuwenden, so hoffe
ich, Ihr werdet diese Regeln beobachten. Und dann kön-
net Ihr ohne Furcht das Gewitter heranziehen sehen: denn
es erscheint ja als Euer Wohlthäter; könnet ohne banges,
kleinmüthiges Zagen den gewaltigen Blitz sich schlängeln se-
hen, den mächtigen Donner krachen, und alle Berge und
Felsen von seinem Schalle wiederhallen hören: denn der
Allerhöchste, der Vater der Menschen donnert; könnet
ohne Angst den Sturmwind heulen, den Platzregen rau-
schen hören: denn Gott, Euer Herr ist eS, der auf den
Fittigrn des Windes daher fährt.
Aa< Ehe
378
Naturlehre.
Ehe wir weiter gehen, habe ich Euch noch einige Um,
stände zu sagen, die in die Lehre vom Gewitter gehören. —
Ihr werdet Euch jetzt wieder an den sogenannten Donner,
keil erinnern, und mich noch einmal im Ernst fragen, ob's
denn ganz gewiß keinen Donnerkeil giebt? Nein, Kinder,
sondern der Blitz, ein zwar höchst feines, aber gewaltiges
Feuer wirkt durch sich selbst, ohne einen Keil zu bedürfen.
Aber, was sind denn nun die keilförmigen Steine, die
man Euch als Donnerkeile nennt? Es sind entweder polirte
Feuersteine, welche unsere Vorfahren, die noch kein Eisen
halten, statt des Hammers, oder der Streitaxt brauchten,
dergleichen man nebst andern Alterthümern zuweilen in den
Gräbern der alten Deutschen findet; oder es sind sogenannte
Blemniten, eine Act versteinerter Muscheln. — Zuweilen
wird man Euch von einem kalten Schlage sagen', den der
Blitz gethan habe. Dies heißt eigentlich so viel als nichts
gesagt, oder ist doch wenigstens das nemliche, als wenn ich
Euch von kalten und heißen Bomben, die der Bombardier
aus dem Mörser geschossen hatte, erzählen wollte. Es zün,
der nemlich der Blitz nicht allemal, besonders, wenn er in
steinerne Gebäude fährt, und auf seiner Bahn kein Holz,
werk findet: dies nennen Unwissende einen kalten Schlag.
Zuweilen fahren auch zwey Blitze unmittelbar, und so
schnell hintereinander her, daß der letztere durch plötzliche
Ausdehnung und Verdünnung der Luft, die durch den er,
stcn Blitz entstandene Flamme wieder auslöscht, sowie ein
Pistolen, oder Flintenschuß, oder auch angezündeter Schwer
fel die Luft in einem brennenden Schornstein verdünnt, und
den Brand löscht.
b.
Lufterscheinungen. 379
b. Das Erdbeben.
In der Erde, lieben Kinder, giebt es große Hölen;
in diesen Hölen Dünste, und unter diesen Dünsten vorzüg-
lich salpetrige, schwefliche :c. Diese brennbaren Dünste ge-
rächen, wenn sie gähren, in Entzündung, und werden
also schnell ausgedehnt. Wenn nun keine Oefnung da ist,
so sprengt das Feuer unter einem fürchterlichen Zucken, oft
auch, wenn die Ausdehnung sehr plötzlich geschieht, unter
Vlil; und Donner sich selbst eine Oefnung: dies heißt ein
Erdbeben. Ist aber von Natur schon eine Oefnung da,
aus welcher die Flamme, der Nauch und geschmolzene Sa-
chen steigen können, so nennt man diese Oefnung einen
Vulcan, oder feuerspeycnden Vcrg. Beyde Na-
turerscheinungen, die Erdbeben, so wie die feuerspeyenden
Berge sind zwar fürchterlich und richten großen Schaden
an, wie denn das Erdbeben in der Stadt Lima in Ame-
rica, in der Stadt Lissabon in Portugals, und im Jahr
r/8z. in Calabrien und SLcilien viele tausend Menschen
ums Leben gebracht hat; blos bey diesem letzten Erdbeben
kamen 50000 Menschen um. Allein dieser Schaden ist
erstlich selten; auch finden sich Erdbeben und feuerspeyende
Berge nur ansehr wenig Oertern und — dies merket Euch
Kinder — Gott verbindet dies natürliche Nebel mit ungleich
größeren Vorrheilen: denn da, wo Erdbeben und Vulcane
sind, ist die Erde unbeschreiblich fruchtbar; und diese Frucht-
barkeit wird auf viele benachbarte Gegenden verbreitet.
— Obwohl jemand Erdbeben mit Gewisheit vorhersehen
kann? Ich glaube es nicht: ein solcher Mensch müßte ja
durch die Erde durch schauen — den Ort des Aufent-
halts der feurigen Dünste wissen — Die Zeit ihrer Gähr
rung berechnen — und die Rraft ihrer Ausdehnung wä-
gen
)
38©
Naturlehre.
gen können. Wer das nicht weiß, Kinder, kann auch kein
Erdbeben ankündigen, wenn er nicht bedauert, oder auSge-
lach: seyn will. Man erzählt Euch seit einigen Jahren
sehr viel von Erdbeben, die hie und da geschehen seyn sollen,
yüt einer Mwne, als ob diese fürchterlich-große Namrbe-
gebenhei! sonst in der Welt gar nicht, oder doch nur selten
sich zuaetragen habe. Dies ist falsch. In der Erde sind
vom Anfänge an fchwefeligte, salpetrigte, wösserigte Dünste
vorhanden gewesen; diele Dünste haben von Anfang an, so
wie alle übrige Körper, nach dem Willen des Schöpfers ge-
arbeitet. Wer die Geschichte kennt, der weiß es auch gar
zu wohl, daß ehemals eben so wol Erdbeben gewesen sind,
als jetzt. Besonders aber ist ein Erdbeben merkwürdig, das
im Jahr 79. nach Christi Geburt die italränische Stadt Her-
culanum mir allen ihren Einwohnern in die Erde vergrub.
Seit einigen Jahren hat man diese Stadt wiedergefunden;
ganze Straßen mit Gebäuden hat man entdeckt; hat eine
große Menge Münzen, Sratüen, Schmucksachen, Geräthr
schäften ausgegraben, ja man hat sogar noch Leichname in
der Positur, in welcher der Tod sie überrascht hatte, gesehen,
die aber beym Zuströmen der frischen Luft sogleich in ein
Klümpchen Asche zusammenfielen. — Daß übrigens ein
Erdbeben nicht anders, als durch die Gährung schwefeligter,
salpetrkgter und anderer Dünste entstehe, ist ganz gewiß, weil
die Gelehrten das Erdbeben eben so gut nachmachen können,
als sie an der Elektrisirmaschine den Blitz nachmachen. Ihr
könnet die Probe einmal selbst versuchen. Kaufet Euch vom
Schlösser 10 bis 20, auch wohl 100 Pfund reine Eisenfeil-
späne; (noch einmal gesagt: rein und unverrostet müssen
sie seyn) thut dazu das nemliche Gewicht von klar gestoßenem
Schwefel; vermischet beydeS mit Wasser zu einem Teig;
vergrabet den Teig in einem Topfe in die Erde, etwa vier
Fuß
38i
Lufttrstheinungsn.
Fuß tief, und bedecket den Topf wieder mit Erde: so wird
nun diese Materie in Gührung gerathen und in Zeit von
24 bis zo Gründen unter Rauch und Flammen hervorbre,
chen. 2e mehr Masse Zhr nehmet, desto gewisser ist der
Erfolg.
e. Das Nordlicht»
Am nördlichen Himmel sieht man zuweilen einige
Stunden nach Sonnenuntergang eine dunkle Wolke mit eit
nem hellen Rande. Aus diesem Rande steigen leuchtende
Strahlen, wie Säulen auf, die oberwäns eine gelbe und
röthliche Farbe bekommen, und oben am Himmel klerne
weiße, grüne und purpurfarbene ZLoiken bilden. Drese
Erscheinung heißt das Nordlicht. Zn manchen Zähren
sehen wir das Nordlicht häufiger, in mancher! seltener, in
manchen gar nicht. Dagegen haben die Einwohner irr
Schweden, Norwegen, Island und Grönland last in jeder
Wimeruacht ein Nordlicht, bey dem sie ihre Geschäfte so
gut verrichten können, als am Tage. Diese nemlicke Err
scheinung haben Reisende ander anderen Spitze der Erde,
oder, wie es die Gelehrten nennen, am Südpol gleichfalls
beobachtet; und dieses Leuchten heißt das Südliche. Diele
sehr schöne und oft prächtige Erscheinung ist gleichfalls eine
Wirkung der eingesperrten, sich ausdehnenden, und in anr
dere Dünste übergehenden elektrischen Materie; und dar
Nordlicht ist also im Grunde nichts anders, als ein Gewitr
ter, nur mit dem Unterschiede, daß diese Art von Gewittern
nie so heftig werden kann, als die Donnerwetter, wl das
Nordlicht wenigstens in einer Höhe von 120 Meilen über der
Erde, und also in feinen Dünsten entsteht; unsere Gewitter
dagegen ereignen sich in einer Höhe von höchstens einer halt
den
A82 Naturlehre.
ben Meile über der Erde in lauter dichten Dünsten. Folg,
lich kann das Nordlicht nicht zünden und donnern; doch har
ben einige fieißige Beobachter zurveilen ein Knittern in der
Luft gehört. Einige Unwissende halten das Nordlicht für
eine böse Vorbedeutung; sie irren sich aber sehr, denn sonst
müßten die Einwohner in Schweden und Norwegen, die es,
wie gesagt, fast täglich sehen, auch täglich einem großen
Unglück ausgesetzt seyn. Die sonderbaren Gestalten, die
das Nordlicht zuweilen bildet, bedeuten gleichfalls nichts,
oder doch nichts mehr und nichts weniger, als die Figuren
an den gefrornen Fenstern.
d. Die Sternschnuppen.
Ihr wisset nun schon hinlänglich, Kinder, daß in der
Luft sehr mancherley Dünste schweben. Unter diesen Dünr
sten befindet sich auch brennbare Luft. Wenn etwas von
dieser Luft in anderen zähen Materien eingeschlossen ist, und
sich entzündet, so fällt die entzündete Masse in einer schiefen
Richtung zur Erde. Warum denn aber in einer schiefen
Richtung? Zn die Höhe kann die Masse nicht steigen; denn
sie ist schwerer, als die obere Luft; senkrecht herunter kann
sie auch nicht fallen, weil die untere Luft sehr dick ist; mit-
hin macht sie einen schiefen Weg. Zhr habet bisher ge,
glaubt, diese kleinen, niedlichen Feuerklümpchen wären
Stücke von Sternen. Das macht, Zhr wisset noch nicht,
was Sterne sind, sollet es aber bald erfahren. Kurz, Kin-
der, die sogenannten Sternschnuppen sind nichts, als brenn-
bare Lust mit ölichteu und erdigtcn Theilen verbunden.
Die letztern findet Ihr in Gestalt einer Gallerte da, wo die
Schnuppe niedergefallen ist. Zn Gegenden, wo des Nachrs
Armeen marschiren, oder auch im Lager liegen, sind die
Vey-
Lufterscheinungen. 3S3
Beysptele nicht selten, daß einem Soldaten eine solche
Schnuppe auf den Kopf gefallen ist.
e. Die Feuerkugel.
Ein leibhafter Bruder der Sternschnuppe, nur von
anderm Ansehn; denn er sieht aus, wie eine Rugel, statt
daß jener die Gestalt eines Sterns hat. Es giebt zweyerr
ley Arten von Feuerkugeln, die beyde sehr artig aussehen.
Die eine Art zerplatzt, nachdem sie einige Zeit in der Luft
gespielt hat, mit einem sehr starken Knall, und macht also
völlig die Miene einer zerspringenden Rakete; auch hinter«
läßt sie, wenn sie gesprungen ist, eben so wie diese, einen
langen feurigen Streif, der oft noch eine Minute gesehen
wird. Die andere zerspringt ohne Knall, spielt aber länger,
und versprüht, wenn sie crepirt, einen ganzen Haufen
Sternchen. Es sind also diese beyden Erscheinungen ein
lvahrhaftiges und schönes Feuerwerk der Natur. Wer da,
wo sie niederfallen, aufmerksam seyn will, der wird die
Materialien davon, eine Menge zähen Wesens, finden.
Uebrigens zeigen sich die Feuerkugeln am Tage eben so wohl,
als des Nachts.
s. Der fliegende (feurige) Drache.
Gleichfalls ein Bruder der vorigen: denn auch er ist
nichts anders, als eine Entzündung der brennbaren Luft,
wenn diese in einer Menge erdigter zäher Materien einge«
schlossen ist. Die Entzündung der Sternschnuppe geschieht
in der höhern, und die des Drachen in der niedern Luft;
und da der Drache mehr Feuchtigkeit in sich schließt, als sein
Stiefbrüderchen, so brennt er auch länger, und schwebt in
384
Naturlehre.
der Gestalt eines Balken queer durch die Luft. Es ist ein
artiges Schauspiel, eine solche leuchtende Figur fliegen zu
sehen. Zuweilen steigt der Drache in Schornsteine. Die,
ser Umstand, Kinder, hat Veranlassung gegeben, daß man
diesen todten Feuerklumpen für ein wirklich lebendiges
Wesen, und zwar für den Teufel gehalten hat, der eine
Reise aus der Hölle durch die Luft mache, um seine Came,
raden unter den Menschen zu besuchen, und ihnen Geld,
auch mitunter Speck, Würste, Eyer, Dressenhüte, goldene
Kleider und dergleichen schöne Sachen mehr zu bringen. Diese
lächerliche und wirklich einfältige Grille werdet Ihr noch
dann und wann hören. Aber, wie wollet Ihr sie widerle,
gen? Ich will's Euch gleich sagen: das Feuer auf dem
Heerd, im Ofen, im Kamin dehnt ja die Luft im Schorn,
stein aus, und macht ste also dünner; und die äußere Luft
strömt mithin desto stärker hinein: es entsteht also in der Ger
gend des Schornsteins ein Luftstrom. Befindet stch nun
gerade ein solcher Feuerklumpen, den man den Drachen
nennt, in der Nähe eines rauchenden Schornsteins, so wird
er von dieser Luft herbey und in den Schornstein hineinge,
zogen. Zn einer sehr verdünnten Luft brennt kein Feuer;
also verlischt auch der Drache sogleich, sobald er in den
Schornstein kömmt, und Ihr könnet folglich nichts mehr
von ihm hören und sehen.
g. Der Irrwisch, Irrlicht, (an einigen Orten in Nie,
dersachsen der Tückebore.)
Auch diese lustige, drolligte und sehr oft vorkommende
Gestalt gehört zur Familie der vorigen. Sie istweiter nichts,
als eine in Entzündung übergegangene, brennbare Sumpf,
luft.
Lusterscheinungen. 3g ^
luft. Daher findet man die Irrwische am häufigsten da,
wo tiefe, von der freyen Luft nicht bestrichene Moräste und
Sümpfe find, oder in den Höfen der Lohgerber, wo fich
Lohgruben befinden; auch aufBegräbnißplatzeu und Schind,
angern; überhaupt da, wo viele faulende Körper sind.
Die Irrwische find Klumpen von beträchtlicher Größe, ha,
ben ein blaues Feuer, heben sich selten über zwey Fuß von
der Erde, schweben hüpfend mit dem Winde, und lassen
fich, weil sie sehr leicht find, in jeden Luftzug locken. Da,
her gerathen sie leicht zwischen die Näder eines fahrenden
Wagens. Dieser Umstand hat den unschuldigen Dingern
bey Unwissenden ihren Namen Irrwische und Irrlichter,
desgleichen auch die plattdeutsche Benennung, Tücl'eborhe
zugezogen. Es halten sie nemlich abergläubige und unwisr
sende Leute für lebendige Geschöpfe, die aus Bosheit und
Tücke den Fuhrmann und andere Wanderer in die Irre
führen. Ich habe — das könnet Ihr mir zuglauben, Kin,
der — Irrwische zu Dutzenden auf einmal gesehen, und
habe mir große Mühe gegeben, ihnen nahe zu kommen,
aber jedes Lüftchen warf sie, wie einen Ball, weit weg.
Freilich kann man oft, da sie gemeiniglich über Sümpfen
schweben, in solche Sümpfe gerathen, wenn man ihnen
nachgeht: das muß man aber hübsch bleiben lassen. —
Ich habe Euch oben gesagt, daß Ihr einen tiefliegenden
Sumpf, worin viel brennbare Luft ist, anzünden könnet.
Zuweilen geschiehts, daß sich die brennbare Luft in solchen
Sümpfen selbst entzündet. Diese Erscheinung steht, besonr
ders wenn fich die brennbare Luft nicht erhebt, wie rin
brennendes Stück Erde aus. Der Unwissende nennt dies
das brennende Geld, und glaubt, es liege da ein
> Schatz vergraben. Manche schlaue Betrüger suchen solche
»einfältige Leute auf, nützen dergleichen Umstände, und
(Bürgersch. ir Bd.) B b starr.
statt, daß dtr nach Schätzen lüsterne Thor eine große
Summe Geldes zu finden hofft, wird ihm vom Betrür
ger eine baare Summe abgenommen. Ob Zhr Euch
wohl auch einmal durch sogenannte Schatzgräber woli
let betrügen lassen, Kinder? Ich hoffe es nicht.
Dritter Abs ch n i t t.
V 11
ronomi e.
BV r
—
_
V ir
389
Dritter Abschnitt.
Die Astronomie.
von Euch, lieben Kinder, haben bisher sehr falr
she Begriffe von der Sonne, dem Monde und dm
Sterner gehabt; ja manche haben wohl gar die letzteren
für klene glänzende Lichterchen gehalten. Jetzt sollet Ihr
kürzlich lernen, was alle diese Geschöpfe sind: denn nachr
dem wil nun die Körper auf der Erde etwas kennen gelernt
haben, steiget Ihr gleichsam mit mir in den Himmel, und
betrachtet da die Beschaffenheit, Ordnung, Größe, Bewer
gung urd andere Erscheinungen der im weiten Raume des
Himmels befindlichen Körper: das heißt, Ihr lernet etwas
aus der Astronomie, oder Sternkunde.
Auch diese Wissenschaft, lieben Kinder, ist eine der
edelsten und nützlichsten. Sie führt uns gleichsam Gott när
her, zeigt uns seine größeren Meisterstücke, und läßt uns
einen helleren Blick auf seinen majestätischen Thron hinwerr
fen, von wannen er diese mächtig großen, unzähligen Werke
seiner Hand mit Schöpfer-Weisheit ordnet, und mit Her«
scher-Allmacht regiert: es ist demnach dem Menschen auch
schon die geringste Kenntnis; dieser Werke Gottes eine hohe
Ehre. — Dazu kömmt, lieben Leser, daß, wenn Ihr mir
getreulich folgen wollet, Ihr ganz gewiß um vieles klüger
zurückkehren werdet: wenigstens sollet Ihr, dafür bin ich
B b z gut.
390
Astronomie.
gut, künftig nicht mehr vor einem Cometen erschrecken, und
ihn als den Boten eines großen Unglücks ansiaunen. Denn
diese Wissenschaft, die uns die Sterne als unbeschreiblich
große Welten Gottes kennen lehrt, rottet die niedrigen Bei
griffe des Pöbels, die er sich von einem Sterne macht, gänz-
lich aus, veredelt dagegen unsern Geist, und preßt uns den
sehnlichen Wunsch aus, diese erhabenen Welten völlig in
der Nähe kennen zu lernen; welchen Wunsch aöw unser
gütiger Schöpfer erst alsdann erfüllt, wenn wir eise neue,
himmlische, unsterbliche Hülle haben werden: da werden
wir Gott, d. i. seine Werke sehen von Angesicht zr Ange-
sicht. — Noch müßte id) Euch sagen, Kinder, d«ß diese
Wissenschaft, die Astronomie, uns eigentlich dazu beförder-
lich ist, unsere Erde selbst genauer kennen zu lernen; denn
mit ihrer Hülfe wissen wir die Größe und die Gestalt dieses
unfers Erdballs genau; durch sie wissen wir die Erdkugel
zu umschiffen; durch sie ist der Handel und die SchUahrt
bis zu den entferntesten Ländern ausgebreiret wor-en —-
doch ich nrerke, Ihr seyd neugierig, wir wollen elfo zur
Sache selbst gehen.
Von der Sonne.
Die Sonne ist kein Feuerpfuhl, wie manche urtter
Euch meynen, sondern eine bis zum Erstaunen große,
leuchtende und wärmende Kugel: denn sie ist — das
bedenket einmal — i, 13200c mal größer, als unsere Erde,
und ihre Entfernung von uns beträgt über 20 Millionen
Meilen. Ihr wisset jetzt, daß eine mäßig geladene Kano-
nenkugel über loooo Fuß in einer Secunde stiegt; sie
brauchte also, wie ich Euch gleichfalls gesagt habe, 25 Jahre
Zeit, ehe sie in die Sonne käme, wenn sie immer fortflie;
gen könnte. Das bedenket Einmal, so wird Euch die bis
zum
Von der Sonne. 391
zum Erstaunen große Entfernung der Sonne von der Erde
etwas deutlich werden.
Die Sonne dreht sich, wie Ihr das auch an den übri»
gen Weltkörpern sehen sollet, um ihre Achse: d. i. um sich
selbst, so wie sich ein Wagenrad um seine Achse dreht. Diese
Umdrehung geschieht von Abend nach Morgen, und wird
immer in 25 Tagen und 6 Stunden vollendet. Woher
man das weiß, fraget Ihr. Man sieht es an den Flecken
auf ihrer Oberfläche; die immer um diese Zeit wieder er/
scheinen.
Das Feuer dieser Kugel muß einen entsetzlich hohen
Grad haben; denn wenn man die Strahlen desselben in
einem Brennspiegel auffängt, und sie also in einem engeren
Raum bringt, mithin verstärkt, so kann man — wie Ihr
nun wisset — nicht nur Metalle schmelzen, sondern sogar
Mauersteine, Dachschiefer, Röthel in einer Minute in
Glas verwandeln, Holz unter dem Wasser zu Kohlen brenr
neu, Bäume in einer Entfernung von 200 Fuß anzünden,
und sogar den Diamant zerstören. Man verfertigt solche
Brennspiegel, die dieSonnenstralen bis auf 28964.^1 verr
stärken. Nun denket einmal hin, Kinder, wie sehr die
Sonnenstralcn auf ihrem Wege von 20 Millionen Meilen
geschwächt werden; und wie stark sie dagegen nahe an der
Sonne seyn müssen. Ein großer Gelehrter, Euler heißt
er, hat daher ausgerechnet, daß diese Stralen bey der
Sonne über eine Trillionmal dichter, als auf der Erde
sind. Diese Glut übertrift die Glut eines Brennspiegels
527iZ9i257ii8mal. Woher die Sonne dieses erstaunli/
che Feuer habe, ob sie selbst ein glüender Körper, oder aber
eine elektrisirende Kugel sey, das wissen wir nicht: genug
si.e strömt das wohlthätige Licht auf uns, sie erquickt uns
B b 4 mit
Z92
Astronomie.
init der entzückenden Wärme, und belebt und durchdringt
damit dis ganze Natur. Säe ist überdem gleichsam der
Leuchter für noch viele andere Weltkörper, die ich Euch
Law nennen will, und ertheilt auch ihnen und ihren Be-
wohnern die nöthrge Wärme. — 05 dieser prächtige, mar
jestätische Körper Einwohner habe, wissen wir nicht.
Ihr lachet: „Einwohner Ln einem so starken Feuer;
die würden ja verbrennen!" Habet Ihr schon wieder
vergessen, Kinder, daß es hier auf dieser Erde Thiere,
eine Art Spulwürmer giebr, die man in gesottenen Fi-
schen noch lebendig gesunden hat? Kann nicht der Schö-
pfer die Sonnenbewohner so geschaffen haben, daß ihnen
die Wärme zum Element dient, so wie das Wasser das Ele-
ment der Fische ist?
Um diese Sonne, lieben Kinder, wälzen sich in bestän-
dig gleichen Kreisen eine große Zahl von weltkörpern,
doch so, daß immer einer eine engere Bahn macht, als der
andere. Diese Bahn wieß der Schöpfer einem jeden mit
dem ernsten Befehl an, sie nie zu überschreiten, also weder
eine Linie rechts noch eine links, weder zu hoch noch zu niedrig,
weder zu langsam noch zu geschwind zu gehen; und diese
mächtig großen Weltkugeln gehorchen, gehorchen nun
dev ahe sechstausend Jahre mir der strengsten Genauigkeit.
Ausser dieser Vorschrift befolgen sie noch eine andere: denn
sie drehen sich auch während dieses Laufs beständig um ihre
Achse; und gerade durch diese doppelte Bewegung bekommen
diese Weltkugeln alle Licht und Schatten, und ihreIahrs-
zeiten.
Einige dieser um die Sonne sich drehenden Weltkörpee
nennt man mit einem griechischen Namen Planeten. (Wan-
delsterne, Irrsierne) Wenn Ihr nemlich. den gestirnten
Him-
Himmel mit einiger Aufmerksamkeit betrachtet, so werdet
Ihr finden, daß einige Sterne irümer einen festen piatj
am Himmel zu haben scheinen, andere aber, wie der Mond,
bald am östlichen, bald am westlichen Himmel zu sehen
sind; bald hoch, bald niedrig stehn, bald gar verschwinden.
Ebendie Letzteren sind die planeren; und die ersteren dage-
gen heißen Fixsterne.
Ich will Euch jetzt die Planeten in der Ordnung nen-
nen, wie ihre Kreise, in welchen sie laufen, der Sonne
nah oder ferne sind. Dann wollen wir sehen, ob auch aus»
ser den Planeten noch andere Weltkörver da sind, die von
dieser milden, majestätischen Wohlthäterin erleuchtet und
erwärmt werden. Ihr lernet also jetzt
i) Die Planeten
kennen. Unter diesen ist der erste
Mercur.
Mercurius ist der Sonne am nächsten; aber von ihr
doch immer auf / Millionen Meilen entfernt. Er läuft um
sie in 8/ Tagen, 23 Stunden und 14 Minuten; es wäre
also für die Bewohner dieser Welt eitOJahr nicht vollkom-
men so groß, als'ein Vierteljahr bey uns. Diese Schnel-
ligkeit seines Laufs ist erstaunlich; denn er legt in jeder
Stunde 20402 Meilen zurück. Wie oft seine Bewohner
Tag und Nacht haben, d. i. wie oft er sich um seine Are
drehe, das hat man noch nicht bestimmen können. Die
Sonne wird auf dieser Welt siebenmal größer gesehen, als
auf der unftigrn, und ihre Stralen sind also auch um sieben-
mal stärker. Er erscheint uns in eben den abwechselnden
Gestatten, als der Mond; nemlich bald im Vollichte, bald
Bb 5 im
394
Astronomie.
im ersten, bald im letzten Viertel und bald im Neulichte;
doch können wir ihn zur Zeit seines VollichteS nicht gut se-
hen, weil er alsdann der Sonne so nahe ist, daß er sich in
ihren Stralen verliert. Er ist der kleinste Planet; sreb-
zehnmal kleiner, als unsere Erde. Gleichwohl müssen die
Bewohner dieser kleinen Weltferne andere Natur haben,
als mir, wenn sie das siebenmal stärkere Sonnenfeuer ver-
tragen sollen. In den Lalendern giebt man ihm das Zei-
chen 8.
Die Venus.
Dieser niedliche Planet ist der zwevte von der Sonne,
von der er jedoch auf ig Millionen Meilen entfernt ist. Die
Venus wälzt sich in jeder Stunde 14820 Meilen fort, und
macht ihren Weg um die Sonne in 224 Tagen, 18 Stun-
den, 41 Minuten; um sich selbst aber dreht sie sich in 2 z
Stunden, 20 Minuten. Sie ist nicht viel kleiner, als un-
sere Erde. Verschiedene Gelehrte haben durch gute Ver-
größerungsgläser Berge in der Venus entdeckt; und mit
Hülfe eben dieser Gläser sieht man auch, daß sie ab, und
Zunimmt, wie der Mond. Wenn die Venus westlich von
der Sonne erscheint, so sehet Ihr sie den folgenden Morgen
vor der Sonne aufgehen; und da heißt sie der Morgen-
stern. Erscheint sie aber östlich von derselben, so scheint
sie nach dem Untergang der Sonne, und heißt dann der
Abendstern. Eines oder das andere währt immer 290
Tage. Dieser Planet hat einen Mond, so wie unsere Erde
einen Mond hat, oder, wie die Gelehrten sagen, er hat
einen Trabanten. Das Zeichen der Venus -st ?.
Die
Z9s
Die Planeten.
Die Erde.
Dieser unser vaterländischer Planet ist der Nachbar
der Venus. Die. Erde läuft um die Sonne in 365 Tar
gen, 5 Stunden, 49 Minuten, 4; Secunden. Diese
Zeit nennen wir ein Jahr, und eben durch diese Bewer
gung erhalten wir die vier Jahrszeiten. Sie schießt in
jeder Stunde 12500 Meilen fort, und geht also iromal ge/
schwinder als eine Kanonenkugel. Ihr verwundert Euch:
nicht wahr, Ihr meynet, wir müßten diese Bewegung meri
?en. Nein, Kinder, dazu ist die Erde zu groß, und wir,
ihre Bewohner, zu klein. Wir merken ihre Bewegung
eben so wenig, als eine Fliege auf einem Kriegsschiffe die
Bewegung desselben merkt. Um ihre Achse dreht sich die
Erde in 24 Stunden, und zwar von Abend gegen Morgen
zu; das heißt, wir haben in 24 Stunden Tag und Nacht.
Ihr Zeichen ist L.
Der Mond.
Dieser Weltkörper ist kein Hauptplanet, sondern ein
Begleiter — oder, wie sich die Gelehrten ausdrücken — ein
Trabant der Erde: denn er geht um die Erde in 29 Tagen,
12 Stunden und 44 Minuten, und läuft mit der Erde zu,
gleich um die Sonne. Er ist funfzigmal kleiner, als die
Erde. Freplich erscheint er uns größer, als die Venus,
und überhaupt größer, als alle Planeten. Das kömmt
aber daher, weil er uns so nahe ist: denn er ist nur 52000
Meilen von uns, so daß eine Kanonenkugel in 15 Tagen
die Reise zu ihm machen könnte. In eben der Zeit, da er
um die Erde läuft, dreht er sich auch um seine Achse herum.
Beydes geschieht im Jahr dreyzehnmal; und in diesen drep,
zehnmalen beobachten wir an ihm viererley Hguptveränder
mm
396 Astronomie.
rungen, oder den viermaligen Mondswechsel, der bloS
von dem verschiedenen Stande des Mondes gegen die Sonne
herrührt. Wenn er nemlich der Sonne und der Erde gei
genüber steht, so können wirs sehen, wie seine ganze Hälfte
von der Sonne erleuchtet ist; wir sagen alsdann, es ist
Vollmond. Tritt er naher zwischen die Sonne und die
Erde herein, so können wir nur eine Ecke von ihm erleucht
tet sehen. Diese erleuchtete Ecke verliehrt immer mehr Licht,
und steht er so zwischen der Sonne und Erde, daß er uns
eine dunkele Seite zukehrt, so heißrs, es ist Neumond.
Nach 7 Tagen ist er schon wieder so weit von der Erde seit,
ivarts getreten, daß wir abermals einen Winkel von ihm
Helle sehen. Wir nennen diese Erleuchtung seiner Winkel
das erste und letzte Viertel. Diese Veränderungen des
Mondes könnet Ihr alle wissen, ohne erst nöthig zu haben,
in den Calender zu sehen. Wenn Ihr nemlich mit der lim
ken Hand gleichsam in die Sichel des Mondes greisen köm
net, so ist es das erste Viertel; könnet Ihr mit der recht
ten hineingreifen: so haben wir das letzte Viertel; sehet
Ihr die ganze Scheibe des Mondes erleuchtet; dann ists
Vollmond; was also Neumond ist, wisset Ihr nun selbst.
•— Wenn stchs fügt, daß er zur Zeit des Neulichts völlig
gerade zwischen der Sonne und der Erde steht, so können
die Stralen der Sonne nicht auf unfern Planeten kommen,
im Gegentheil entsteht ein Schatten; und diese Erscheinung
nennt man — rächet einmal — eine Sonnenfinsterniß.
Ob dieser Ausdruck richtig ist, darüber denket einmal nach.
Deckt der Mond die ganze Scheibe der Sonne zu: so nennt
man die Finsterniß total; bedeckt er nur einen Theil derr
selben, dann nennen wir die Verfinsterung partial. —
Fügt sichö im Gegencheil, daß zur Zeit des Vollmondes
die Erde gerade zwischen ihn und die Sonne tritt, so macht
also
397
Die Planeten.'
also unser Planet hinwiederum Schatten aufseine Scheibe;
und dies heißt eine Mondsinsterniß. Wenn wir Erdbe»
wohner also eine Mondfinfterniß haben, so müssen nothwenr
dig die Einwohner des Mondes eine Sonnenfinsterniß har
ben. ^— Eine Sonnenfinsterniß kann nicht anders, als zur
Zeit des Neumondes, und eine Mondfinsterniß nur im Vollr
mond eintreten. Da nun die Juden ihre Ostern allemal zur
Zeit des Vollmondes feyern, so könnet Ihr jetzt Euren Eltern
sagen, ob die Sonnenfinsterniß, dievor i/^Jahren zur Zeit
des Todes Jesu eintrat, eine natürliche, oder aber eine üöernar
türliche Finsterniß war. — Zuweilen tritt auch wohl der Mevt
cur, und mitunter auch die Venus zwischen die Sonne und
die Erde. Dieser Erscheinung aber giebt man nicht den Nar
men Finsterniß, sondern man sagt, Mercur, oder Venus
geht durch die Sonne. Man steht in diesem Falle, mit
Hülfe der Ferngläser, in der Sonne einen schwarzen Fleck.
Mercur macht diesen Gang in einem Jahrhundert dreizehn«
mal, dieVenus aber viel seltener. Das lehtemal geschähe im
1.1769 am z. Junii. — Nun wisset Ihr also, was Sonnr und
Mondfinsternisse sind, und was es heißt: Mercur— Venus
geht durch die Sonne. — Man beobachtet die Sonnenfini
sternisse durch ein am Lichte schwarz angelaufenes Stück
Glas, oder in einem Gefäß mit Wasser, das einen dunkeln
Boden hat, oder in einem Spiegel, der mit Flor bedeckt ist;
am besten aber durch einen Tubus, (Fernrohr) dessen Ocu«
larglas geschwärzt ist.
Unsere Erde leistet den Einwohnern des Mondes den nenn
lichen Dienst, den er uns leistet, d. i. urssere Erde ist ihnen
ein Mond, aber ein weit größerer, als er, dreyzehnmal
größer, mithin giebt er ihnen auch einedreyzehnmal stärkere
Helle. Aus eben dem Grunde muß unsere Erde den Bewoh,
398
Astronomie.
„ern des Mondes, auch noch größer Vorkommen, als die
Sonne: welchen hohen Begriff mögen sich also Mondskna-
brn — wenn anders der Mond menschliche Wesen zu Ein-
wohnern hat — von unserer Erde machen. — Die Jahre
der Mondsbürger sind mit den Jahren der Menschen gleich;
aber die Mondstage sind ungleich größer, als unsere; ich
habe Euch ja gesagt, wie lange er mit der Umdrehung um
seine Achse zubringt: 29 Tage, 12 Stunden, und so lang ist
also auch ein Tag im Monde.
Wenn Ihr den Mond genau ansehet, so findet Jhe
Flecken auf seiner Scheibe; ja manche von Euch denken
sich diese Flecken als Augen, Nase und Mund; und andere
wohl gar als einen Mann mit einem Bündel Holz. Diese
Flecken sind, wie uns die Ferngläser sagen, Seen und
Berge und Thalcr; ja der berühmte Sternkundige ¿)CV;
schcl in England hat sogar einen feuerspeyenden Berg im
Monde beobachtet. Das Zeichen des Mondes ist J>.
Mars.
Dieser, und die folgenden Planeten machen einen grs,
ßernKreis um die Sonne, als Mercur, Venus, die Erde und
der Mond. Der Mars ist 2/ Millionen Meilen von der
Sonne entfernt. Zn einer Stunde läuft er 10000 Meilen
und bringt seine Bahn in 6z 6 Tagen, 2 z Stunden zu Ende:
mithin ist ein Jahr auf diesem Planeten beynahe 23 von un,
fern Monaten lang; und da er sich in 24 Stunden und 40
Minuten um seine Achse schwingt, so ist auch ein Tag im
Mars um 40 Minuten länger, als ein Tag auf der Erde.
Er ist kleiner als die Erde, und zwar etwas über dreymal;
gleichwohl macht er sich durch fein Helles, ftuerrothes Licht
sehr kenntlich. Die Sonne muß seinen Bewohnern nur
halb
399
Die Planeten.
halb so groß dünken, als uns; auch hat er wirklich nur halb
so viel Licht und Wärme! von ihr. Dagegen hat er an uni
serer Erde und an unserm Monde zwezt Monden, einen
größern und einen kleinern. Man bemerkt ihn mit dem
Zeichen d\
Jupiter.
Dies ist der größte unter den Planten, denn er ist
i47ymal größer als die Erde. Seine Bahn ist 92 Mils
lionen Meilen von der Sonne entfernt, und er macht dise
sen erstaunlich großen Weg um sie herum in 11 Jahren,
zi4 Tagen, 12 Stunden, und so lang ist also auch das
Jahr seiner Einwohner. Dagegen sind in dieser mächtig
großen Weltkugel die Tage sehr klein, nur 9 Stunden, 56
Minuten. Die Sonne scheint ihren Einwohnern nur den
28ften Theil so groß, als uns zu seyn; mithin wäre auch
ihr Licht und ihre Wärme sehr gering. Allein die letztere
wird dadurch, daß ihnen die Sonne alle 10 Stunden wier
der aufgeht, völlig erseht, und für das Licht hat der
Schöpfer auf eine ganz besondere Art gesorgt: denn er gab
diesem Planeten 4 Begleiter, oder Monden, statt daß
wir nur einen haben. Einige dieser Monden sind größer,
einige kleiner, als unsere Erde. Da diese Trabanten ber
ständig um ihn herum laufen, so ist fast keine Stelle auf
dem ganzen großen Weltkörper, die nicht in der Nacht von
einem oder dem andern Monde illuminirt wäre. Dieser
merkwürdige Planet zeigt sich uns als einen sehr schönen
Hellen Stern. Sein Zeichen ist 2s..
Saturnus.
Dieser Weltkörper ist 170 Millionen Meilen von der
Sonne entfernt. SeinJahr dauert 29 Erdenjahre und 167
Tage,
4e o Astronomie.
Tags, d. i. er wälzt sich in dieser Zeit um die Sonne. Auch er
ist eine sehr große Welt, 1051 mal größer alsdre unsnge. Dar
gegen genießt er L-chc und Wärme gleichfalls in einem gen
ringern Grade, als seine oben genannte Schwesterwelt.
Zum Ersatz des Lichtes gab ihm daher G-tt noch einen
Mond mehr, denn um ihn her wälzen sich fünf Monden.
Wie ihn aber der Schöpfer,für die schwache Wärme schade
los hält; ob seine Bewohner kälterer Natur sind, als die
Creaturen unserer Erde, oder ob er noch kleinere Tage hat,
als Jupiter: das weiß ich nicht, weil man noch nicht hat
beobachten können, wie viel Stunden er zubringt, um sich
umzuwälzen; einige Gelehrte meynen, es geschehe in 10
Stunden. Dagegen kann ich Euch von diesem Planeten eine
ganz besondere und eigene Merkwürdigkeit melden: cs hat
nemlich Saturrius einen großen, dünnen und breiten
Ring um sich her, der den Bewohnern dieses Planeten als
ein sehr ansehnlicher, leuchtender Vogen scheinen muß. Was
dieser Ring, der etwa 4500 Meilen breit ist, dem Saturr
nus für Nutzen bringt, und woraus er besteht, das weiß
ich auch nicht. Ihm giebt man das Zeichen 1).
Uranus (Caetus).
Dieser Planet ist der siebente, und kann nur bey recht
heiterer Luft mit bloßen Augen gesehen werden. Ueberr
Haupt ist es erst ein halbes Dutzend Jahre her, daß wir ihn
als einen Planeten kennen; vorher wußte kein Mensch, daß
es mehr Planeten gebe, als die bisher genannten. Aber
am izten März des Jahrs 1781- entdeckte ihn Herr wil,
Helm Herschel, ein Hannoveraner, der aber in England
lebt, zuerst als einen Planeten; wiewohl man ihn schon
lange vorher gesehen, aber für keinen Planeten gehalten
hatte. Er ist 398 Millionen Meilen von der Sonne ent«
fernt
Die Planeten. 401
fernst, und schwingt sich um sie herum in Zeit von 8z Jahr
ren. Auch diese Welt ist groß, 8omal größer als die Erde.
Monden hat man noch nicht neben dem Uranus gefunden;
es ist aber sehr wahrscheinlich, daß er solche Begleiter habe.
Das Zeichen, das man ihm gegeben hat, ist £ .
Ihr wollet wissen, warum die Planeten, unsere Erde
und der Mond ausgenommen, alle lauter fremde Nahmen
haben.. Die Griechen und Römer haben sie ihnen gegeben,
und zwar zu Ehren mancher ihrer Gottheiten: denn Mer,
cur, Venus, Mars, Jupiter und Saturnus waren
die Nahmen von Göttern, die von ihnen verehrt wurden.
Und da Uranus, ein ehemaliger König in Afrika war,
der sich sehr mit der Astronomie beschäftigte, auch für den
Vater des Saturnus und Grosvater des Jupiter gehal,
ten wurde, so hat ein großer Gelehrter in Berlin, Herr
Bode gerathen, dem neuentdeckten Planeten den Nahmen
Uranus zu geben, welchen Nahmen er denn auch führt.
Ich habe Euch jetzt gesagt, Kinder, daß sieben Plane,
ten, nemlich Mercur, Venus, unsere Erde, Mars,
Jupiter, Saturnus und Uranus, und außer diesen
Planeten noch n Monden, nemlich der unsrige, der
Mond der Venus, die vier Monde des Jupiter und
fünfe des Saturn in gewissen Kreisen um die Sonne lau,
fen, und während dieses Laufs zugleich sich um sich selbst
drehen, und also dadurch theils ihre Jahrszeiten, theils
aber Tag und Nacht erhalten. Wahrscheinlich werdet Ihr
der Meynung seyn, die Sonne laufe, und die Erde dage,
gen stehe stille, und die übrigen Planeten desgleichen.
Ich kann Euch dieserwegen keinen Vorwurf machen, weil
es Euch und mir und jedem Menschen so vorkömmt. Aber,
Kinder, wenn Ihr auf einem Schiffe den Fluß sehr schnell
(Vürgersch. rr Bd.) C c hin»
402
Astronomie.
hinunter fahret, und die Bäume am Ufer starr anfehet;
oder auch, wenn Ihr auf einem Wagen sehr geschwind auf
der Chaussee wegfahret, und Eure Angen auf die Gegen»
stände heftet: kömmts Euch da nicht auch so vor, als ob
Schiff oder Wagen stille stünde, die Bäume aber und die
andern Gegenstände gtengen? Die nemliche Bewandntß
nun hat es auch mir der Sonne, und den Planeten: die
Sonne, ihre Umwälzung um sich selbst ausgenommen —
steht still, und achtzehn Weltkörper schwingen sich in acht»
zehn Kreisen, von welchen Mercur den engsten, und
Uranus den wertesten macht, um sie herum, wie um eine
gemeinschaftliche Erleuchterin und Erwärmerin. „Aber —
werdet Ihr mir sagen — es steht doch sogar in der Bibel,
daß die Sonne läuft, denn Iosua befiehlt ihr stille ZU fte»
Heu, und sie stand stille!" — Die Verfasser der Bibel,
lieben Kinder, wählten aus großer Weisheit, die allgemeine
Volkssprache. Und nach dieser Sprache sagt man schon,
so lange die Welt steht: die Sonne läuft — sie geht auf —
sie gehr unter. Selbst unsere größten Gelehrten behalten
diese Sprache bey, nicht, als wenn die Sache wahr wäre,
sondern weil man nun einmal so spricht. Denn man würde
lächerlich werden, wenn man lagen wollte; bepm Auf»
gang der Erde — beym Untergang der Erde rc. Es
ist also gewiß, lieben Kinder, daß dre Sonne stille steht,
und daß sich dagegen achtzehn Planeten und darunter
unsere Erde mit, um sie herumwälzen. Diese Umwälzung
geschieht von Westen nach Osten, und ist beynahe cirkelförr
mig. Der Schöpfer wählte diese Ordnung, nach welcher
die Erwärmerin und Erleuchterin, die Sonne im Mittel»
punkte stehen muß, die Planeten aber alle in abgesondert
ten Bahnen um sie herlaufen, aus der weisesten und gütig»
sten Absicht. Die Gelehrten nennen diese Ordnung das
Sen»
Die Planeten. 403
Sonnensystem; und weil ein polnischer Philosoph, Rah-
mens UAcolaus Copcrnicus, der imZahr 147z. gebohren
wurde, uns von dieserOrdnung und dem Lauf der Planeten
überzeugt hat, so nennt man eS das copermcanische
System.
Ich habe vorhin von Bewohnern dieser Planeten ge-
sprochen. Ich kann es Euch fteylich nicht so gewiß beweir
sen, daß diese Wellkörper Einwohner haben, als ichs Euch
beweisen kann, daß Menschen in Amsterdam sind. Aber
eben deswegen, weil der Mond und die übrigen Planeten
unserer Erde so ähnlich sind, als Amsterdam einer andern
Stadt ist, so vermuthe ich mit Recht, Gott der Vater der
Güte habe diese Welten eben sowohl für Bewohner gebaut,
als er die Erde für uns gebaut hat. Daß nun aber gerade
menschliche Wesen in jenen Planeten wohnen, das glaube
ich fteylich auch nicht. Die verschiedene i^atur dieser
Weltkörprr und ihre verschiedenen Entfernungen von der
Sonne erfordern auch andere Geschöpfe, als wir sind.
Wollte uns Gott in den Mercur versetzen, so würden wir
in wenigen Secunden vor Hitze verschmachten, und im Sa-
turn dagegen würden wir in einem Augenblick vor Kälte
erstarren.
Zu unserm Sonnensystem, d. i. zu unserer Sonne und
den 18 Planeten gehören jedoch noch viele Weltkörper.
Rathel einmal, wie sie heißen. Es sind
2) Die Cometen.
Die Cometen sind eben so, wie die Planeten dunkele
Weltkörper, die gleichfalls um die Sonne laufen, um von
ihr Licht und Wärme zu erhalten. Sie unterscheiden sich
jedoch von den Planeten durch zwey Umstände; es ist nem,
lich ihr Schwung, den sie um die Sonne machen, keine Cir-
C c a Minie,
404
Astronomie.
kellinie, sondern sie schweifen in die Länge und Kürze aus,
so daß sie sich der Sonne bald um ein beträchtliches nähern,
bald aber sich wieder von ihr entfernen. Was sie aber noch
mehr von dm Planeten unterscheidet, ist der feurige
Schweif, den sie haben. Dieser Schweif, oder Bart,
der ihnen eben den Nahmen-Haarstern, oder griechisch <lOi
met rieben hat, ist es, weswegen sich bisher die meisten
Mensa-m vor ihren Erscheinungen gefürchtet haben: denn
man sagt, wie Ihr wisset, einem Conreten nichts geringers
nach, als daß er ein großes Unglück auf die Welt bringe.
Ganz gewiß wissen wir freylich nicht, worin das wesen
dieses Hellen Scheins bestehe, den der Comet allemal auf
derjenigen Seite hat, die der Sonne entgegen gesetzt ist.
Das aber wissen wir desto gewisser, daß er nichts Böses
bedeute: denn diese Weltkörper erscheinen ja nicht etwa cinr
zelnen Familien, sondern sie können, da sie sich ja im Gan-
zen wie die Planeten um die Sonne wälzen, oft von allen
Völkern der Erde gesehen werden. Wenn sie also Böses
bedeuteten, so müßte ja das Böse der ganzen Welt, oder
doch allerwenigstens einem ganzen Welttheile bevorstehn.
Der Comet, der im Jahr 1765. fast durch ganz Europa ge-
sehen wurde, müßte auch diesem ganzen Welttheil Un,
glück gebracht haben. Es ereignete sich aber um diese Zeit
kein anderer böser Zufall von Bedeutung, als daß der rö-
mische Kayser Franz mit Tode abgieng. Daß aber ein
Kayser, der alt ist, stirbt, kömmt nicht von der Erscheinung
eines Cometen, sondern weil er ein alter NIensch ist. Und
hätte dieser Stern wirklich den Todesfall hoher Regenten
bedeutet, so hätten alle dreyzehn Thronen in Europa mit
einemmai ihre Besitzer verliehren müssen. Kurz, lieben
Kinder, die Cometen sind, wie ich schon gesagt habe,
eben sowohl Weltkörper, als unsere Erde, und lausen eben
sowohl.
Die Cometeri. 405
sowohl, wie sie, um die Sonne, um von ihr Licht und
Wärme zu hohlen. Einige Gelehrte haben sogar von man»
chen Cometen ihre Bahn berechnet, d. i. sie haben bestimmt,
wie lange sie auf ihrem Kreise um die Sonne zubringen.
Derjenige Comet, der in dem Zahre 1759. erschien, braucht
75 Jahre, ehe er um die Sonne kömmt. Ein anderer Co/
mek, welcher in den Jahren 1532 und 1661. gesehen wurde,
läuft wahrscheinlich 129 Jahre. Wenn das ist, würden
wir ihn gegen das Ende des künftigen, oder im Anfänge
des i79Osten Jahres wieder sehen. Bis jetzt kennen die
Gelehrten schon drey und sechzig Cometen, die zu unse,
rer Sonne gehören : es würde also unser Sonnensystem, die
Sonne mit gerechnet, auözwey und achtzig Weltkörpern
bestehn; wahrscheinlich aber hat diese milde Mutter noch
mehrere Planeten und Cometen zu erwärmen und zu er/
leuchten.
Ob die Cometen von lebendigen Wesen bewohnt sind,
das weiß ich nicht gewiß. Haben sie jedoch Einwohner, so
sind es keine Menschen, sondern Wesen von einer ganz
andern Natur. Denn da die Cometen auf ihrer sonderbaren
Bahn sich der Sonne sehr nähern, und dann wiederum
sich sehr weit von ihr entfernen, so müßten ihre Vewoh/
ner einen hohen Grad der Hitze eben sowohl ertragen kön/
nen, als einen hohen Grad der Kälte. Ich sollte aber
doch denken, lieben Kinder, daß da, wo die Allmacht
Gottes wohnt, auch seine Weisheit und Güte wohnen
müsse. Wären also die Cometen von lebendigen Bewohnern
leer, so wären fteylich diese großen Körper Meisterstücke sei/
ner Allmacht; aber es wäre ja niemand da, der sich ihrer
erfreuen könnte. Ich denke mir diese Sache so: ich meyne,
kein vernünftiger Landesherr, überhaupt kein vernünftiger
Mensch kann ein Haus bauen, ohne Bewohner hiueinzusetzen.
C c z z)
4 c5 Astronomie.
3) Die Fixsterne.
Nun, lieben Kinder, hebet Eure Angenaufund betrach-
tet den nächtlichen heiteren Himmel. Die Sonne, die Ihr
nun kennet, ist verschwunden, um unfern Brüdern auf der
andern Seite der Erdkugel zu leuchten: was sehet Ihr
aber jetzt außer ihr, und außer den Planeten? Nicht
wahr, noch viele — erstaunlich viele — größere und klei,
nereSterne? Zählet sie einmal; Versuchers'. Zhr könnets
nicht? — Nehmet ein Fernrohr und beobachtet nun, zäh»
let nun. — Ihr blinzet — zählet — und erstaunet über
ihrer Menge, und Ihr wollet nun gerne wissen, was diese
vielen tausend schöner, lebhafter, glänzender Punkte wohl
seyn mögen. Erst, lieben Kinder, fallet nieder, hebet Eure
Hände zum Himmel empor und betet an; denn wir nähern
uns jetzt dem Stuhle des Allmächtigen, wir kommen gleicht
[am der Hauptstadt des Schaffenden näher, von wannen
er sein ganzes unabsehliches Gebiet überschaut und regiert.
— Jetzt, Kinder, blicket mit mir hinauf in die blaue
Höhe, und wisset nun, daß alle diese unzähligen Sterne
Sonnen sind; Sonnen, wovon vielleicht manche darunter
um hundert, um tausendmal größer ist, als unsere Sonne.
Ihr erstaunet und wollet wieder zahlen. Ja zahlet nur;
und wenn Ihr richtig gerechnet habet, werdet Ihr mit bloß
sen Augen 5200 zusammengebracht. haben. Aber nun neht
met ein Fernrohr und zahlet wieder. Könnet Ihr den Sand
am Meere zahlen, dann werdet Ihr die Sonnen zählen könt
neu. Und wozu hat der Schöpfer diese Millionen Sonnen
gemacht? fraget Ihr. Dazu, lieben Kinder, wozu er unsere
Sonne gemacht hat: diese aber ist, wie Ihr wisset, da, 80
Weltkörpern, die wir Planeten und Cometen nennen, mit all
len den unzähligen lebendigen und leblosen Wesen auf deusell
ben
Die Fi'Mrne. 407
ben Leben und Wachsthum mitzutheilen. — ,,7llso sollte ein
jeder Srern, eben so wie die Sonne, auch Planeten und Co?
meten um sich her haben?" Za, Kinder: wenigstens zweifle
ich für meine Person nicht im geringsten dran; so wenig als
ich an dem Daseyn einer oder mehreren Personen zweifle, wo
ich ein Licht aufqestcckt, oder ein Feuer angezündet sehe. „Aber
man kann ja keinen einzigen dieser fremden Planeten sehen!"
— Das ist auch nicht möglich, wegen der großen Entfcrr
mm<3 ist es nicht möglich. Schon die Sonnen, die doch
ihr eigenes Licht haben, erscheinen Euch, selbst durch Fern-
röhre, als kleine Punkte: mithin müssen diejenigen Kö per,
die von diesen Sonnen ihr Licht bekommen, noch weniger
sichtbar seyn. Wenn Ihr auf dem Felde in der Entfernung
einer Viertelmeile des Nachts eine Person mit einer brennem
den Laterne sehet, nicht wahr, dann sehet Ihr auch weiter
nichts, als das Licht der Laterne, die Person, die von ihr er,
leuchtet wird, sehet Ihr nicht. — „Wo sollten denn aber diese
Planeten und Conieten Platz herbekommen?" — Zch kann
Euch diese Frage nicht verdenken, Kinder; denn Ihr mcynet,
die Sonnen, oder wie man sie auch sonst nennt, die Fixsterne
sichen sehr enge zusammen. Dies scheint uns aber nur so,
weil sie unaussprechlich — dies Wort unaussprechlich
im rechten Sinn genommen — unaussprechlich weit von
uns stehen. Nickt wahr, die Entfernung unserer Sonne,
nach welcher eine Kanonenkugel 25 Zahre unterwegens seyn
muß, ist eine erstaunlich große Weite? Wenn ich Euch aber
nun sage, daß derjenige Stern, der uns am nächsten steht,
der Sirius (Hundsstern) noch 274000111! weiter von uns ist,
als die Sonne, und also ;00000 Millionen Meilen von uns
entfernt ist: meyntet Ihr dann wohl, daß Planeten, Monde
und Cometen Platz genug hatten, sich um ihn herumzur
schwingen.
C c 4 Zhr
408
Astronomie.
Ihr habet also jetzt!gelernt, lieben Kinder, es giebt
außer unserer Sonne noch mehrere, viele tausend, ja MM
lionen Sonnen; um jede dieser fremden Sonnen schwingen
sich eben sowol, als um die unsrige, Planeten und Comer
len: es giebt also nicht etwa ein Sonnensystem, sondern
es sind Millionen Sonnensysteme. — Jetzt nehmet Euer
Fernrohr wieder, und betrachtet den Hellen Streifen, den
man die Milchstraße nennt: was sehet ihr da? „Gott!
Stern über Stern; einer in den andern, einer über dem
andern."— Nun drehet Euch herum: was beobachtet
Ihr jetzt am Firmament — „Viele kleinere Milchstraßen,
die hie und da wie ein Heller Trebel zu sehen sind." —
Recht, Kinder, diese kleineren Milchstraßen, oder Nebelt
sterne, wie man sie sonst nannte, sind wahrscheinlich das,
was die große Milchstraße ist, sind jede ein Heer von Mili
lionen Sonnen. Nun höret mir einmal zu: Ihr erstaunt
tet schon, da Ihr lerntet, es giebt ausser unserm Sonnen»
system, (um es noch einmal zu wiederholen: ausser unserer
Sonne mit ihren Planeten und Cometen) noch mehrere,
viele tausend, ja Millionen Sonnensysteme. Aber —
jetzt versuchets einmal, Kinder, weiter mit mir fortzuden»
ken — diese Millionen Sonnensysteme sind noch nicht alles,
Kinder, was der Schöpfer geschaffen hat; diese Millionen
Sonnensysteme zusammengenommen machen erst eine Milcht
straße, einen ungeheuer großen Sonnen- und Weltenhaufen,
ein — wieö die Gelehrten nennen — Fixsternensystem aus.
Das uns am nächsten befindliche Fixsternensystem ist die große
Milchstraße, wozu unsere Sonne mit ihren Planeten gehört,
und wozu alle die vielen Sonnen oder Sterne, die ihr sehet,
mit allen ihren unbeschreiblich vielen Planeten und Cometen,
die Ihr nicht sehet, gehören; und jene entfernten weißen
Nebelt
Dic Fixsterne. 409
Nebelflecke sind wiederum andere Milchstraßen, also andere
Fixsternensysteme.
Ihr schwindelt, Kinder, Ihr fanget an zu taumeln,
weil Ihr nicht wisset, wo Ihr auf einmal hingerathen seyd.
Nicht wahr, Ihr meyntet anfänglich, unsere Erde, von
der Ihr gleichwohl nur ein kleines Fleckchen kennet, sey die
ganze Welt; sey ein sehr großer, gewaltiger Weltkörper —
Ihr verwundertet Euch, als ich Euch sagte, auch der Mer-
cur, die Venus, der Mond seyen Welten, und solcherWel-
ten wandelten an die neunzig um unsere Sonne he: um. —
Ihr erstauntet, als ich Euch zeigte, daß es ausser dieser
Sonne noch viele tausend Sonnen gebe, um welche gleich-
falls viele Monden schwebten. — Ihr verlohret Euer Be-
sinnen, als Ihr hörtet, daß Millionen dieser Sonnen mit
vielen andern Millionen ihrer Planeten erst eine Milch-
straße, ein einziges Frxsternensystem ausmachen, und nun
vernehmet Ihr sogar, daß dieser Milchstraßen viele indem
großen weiten Meer des Himmels schweben. — Ihr er-
staunet mit Recht, Kinder, ob ich gleich überzeugt bin, daß
Ihr mich vor allem Erstaunen nicht völlig verstanden habet,
und daß Ihr Euch also die entsetzliche, zahllose Menge der
Welten nicht vollkommen denken könnet. So viel aber wer-
det Ihr nun gewiß sehen können, daß unsere Erde im gan-
zen großen Meere der Welten Gottes nichts weiter ist, als
was ein Tropfen im Ocean, was ein Sandkörnchen am
Ufer des Meers ist. Zugleich hoffe ich, daß Ihrs nun wer-
det erklären können, was es heißt: die Himmel erzählen
die Ehre Gottes, und die Veste verkündigt seiner
Hände werk. Ihr werdet nun verstehen, was David
sagt: Gott zählt die Sterne und nennet sie alle mit
LTamen, Ps. 147, 4 ) und was Iesaias (40,26.) sagt:
Hebet Eure Augen in die Höhe und sehet, wer bat
Cc 5 solche
4io
Astronomie.
solche Dinge geschaffen und führet ihr Heer bey der
Zahl heraus? Der sie alle mit Namen rufet; fein
Vermögen und feine starke Rraft ist so groß, daß
nicht an einem fehlen kann. Ja wohl, groß muß diese
stacke Kraft des Schöpfers seyn, Kinder, der diese tau,
sendmaltausend Millionen unnennbar großer Weltkörper ins
Firmament warf; groß, anbetenswürdig groß die Kraft
seyn, die diese unzähligen Weltkugeln zu ihrem blitzschnellen
Laufanstieß, und sie zugleich bey ihrer enrsetzlichenSchwere
in chrer Bahn erhält. Und ach, Kinder, der Mensch dünkt
sich groß; wie klein ist er gegen dies erstaunliche Ganze,
wie unendlich klein gegen den Schöpfer dieses Ganzen. Und
doch, er, der der Schöpfer und Erhalter dieser Millionen
Welten ist, ist gleichwohl auch unser Schöpfer und Erhalr
irr; er, der Fixsternensysteme zu ordnen, zu lenken und mit
ihren Bewohnern zu beglücken weiß, wird auch mich klei,
nes Stäubchen erhalten und beglücken können. O betet
jetzt mit mir, Kinder, und vergesset dann in Eurem Leben
nie, den Mächtigen in immer ungeheuchelter Ehrfurcht zu
verehren, von dessen majestätischer Größe Ihr jetzt einige
Stralen gesehen habt, betet mit mir:
Gott, gränzenlos.
Undenkbar groß!
Der Urquell aller Kraft ist deine Stärke.
Schon sehn wir hier
So viel von ihr;
Doch sehn wir kaum den Anfang ihrer Werke.
Durchftög ich gleich
Dein weites Reich,
Und sähe deine letzte Sonne glänzen:
So säh ich dort
4*1
Die Fixsterne.
Doch nicht den Ort,
Wo du nicht wärst, dein Reich ist ohne Gränzen.
Was du erschufst,
Was du jetzt rufst,
Und rufen wirst: wer kann das alles zählen?
Doch wolltest du
Noch mehr dazu
Erschaffen, würd es dir an Kraft nicht fehlen.
So lange stießt
Ihr Quell, und ist
Doch nicht erschöpft, und wird es auch nie werden.
Sprich nur ein Wort:
So fließt er fort
In neuen Himmeln und auf neuen Erden.
Doch deine Kraft,
O Gott, erschaft
Nur, was du willst; denn du bist gut und weise.
Das lehre mich,
Damit ich dich
Für alles das auch, was du nicht thust, preise.
Ihr habet also jetzt viel gelernt, Kinder, und ich hoffe,
Ihr werdet nun selbst die Naturlehre für eine sehr edle und
ehrwürdige Wissenschaft erklären. Da ich dies von Euch
vermuthe, will ich Euch nun noch etwas aus der Lehre
von den Sternen erzählen, und dann könnet Ihr etwas
ausruhen.
Die ersten Menschen, welche sich mit Erlernung der
Astronomie beschäftigten, waren Hirten und Ackerleute in
dem berühmten Lande Chaldäa in Asien. In diesem Lande
«emlich giebts fast gar keine Berge; lauter Ebenen fin<
der
412 Astronomie.
det Ihr da, die noch dazu, wegen der großen Dürre,
die da herrscht, mit tiefem Sande bedeckt sind. Wenn
denn da einmal ein starker Wind wehrte, so war auch jede
Spur einer Landstraße weggehaucht. Wie sollten sich denn
nun die armen Hirten, die oft meilenweit von ihren Viehr
ställen entfernt waren, nach Hau"e finden? Sie richteten
sich am Tage über nach der Sonne, und des Nachts nach
diesem oder jenem Stern. Daher kam's denn, daß sie mit
der Lage, Anzahl und Verschiedenheit der Sterne immer
bekannter wurden, und einige von ihnen, die mehr Kopf
und auch mehr Zeit hatten, als andere, erwarben sich nach
und nach eine gelehrte Kenntniß in der Astronomie. Eben
sie waren es, die den meisten Sternen die Nahmen gaben,
die sie größtentheils noch jetzt haben. Zuweilen befasseten
sie auch mehrere Sterne zusammen, die in ihrer Lage ne-
ben einander ein gewisses Bild ausmachen und die man mit
dem allgemeinen Nahmen eines Gestirns belegt, mit einem
einzelnen Nahmen; und so entstand denn der Ursprung der
fr genannten Sternbilder. Die Babylonier, Aegy--
ptier, Phönizier, Griechen, Araber und andere VZl-
ker setzten dann diese Beobachtungen fort, und gaben zu-
gleich mehreren Sternen und Gestirnen, so wie ihr Auge
mehrere eutdeckte, besondere Nahmen. Dieältesien Stern-
bilder sind diejenigen, wodurch die Sonne jährlich zu lau-
fen scheint — daß sie nicht wirklich läuft, wisset Ihr nun
— die Bstder, oder Zeichen des Thierkreises. Es ber
schäfttgten sich nemlich die Chaldäer, wie gesagt, meisten-
theils mit der Viehzucht. Weil nun ihr Jahr sich um die
Zeit anfängt, wenn beym Anfang des Frühlings Tag und
N >cht gleich sind, und um diese Zeit ihre Schaafe, Rühe
und Ziegen nach und nach Junge warfen: so gaben sie den
drep ersten Zeichen des Thierkreises, welche die Sonne im
Früh-
4T 3
Die Fixsterne.
Frühling zu durchlaufen scheint, die Benennung von die-
sen Thieren: nemlich Widder, Stier und ein paar sie-
gen, an deren letzteren Stelle nachher die Griechen die Na-
men Castor und Pollux, gesetzt haben, lim ferner anzu-
zeigen, daß die Sonne beym Anfang des Sommers den
höchsten Punkt erreicht habe, und gleichsam wieder rück-
wärts gehe, nannten sie daö Sternbild, was jetzt die Sonne
zu betreten schien, den Krebs. Die darauffolgende große
Hitze wurde durch das B'.ld eines hitzigen und grimmigen
Löwen angedeutet, und das Gestirn, was nun die Sonne
zu betreten schien, bezeichneten sie mit der Vorstellung einer
Schnitterin, die in ihrer Hand einen BüschelAehren hielt,
oder mit der Jungfrau. Nun stellten sie beym Anfang des
Herbstes die Gleichheit der Tage mit dein Bilde de- wage
vor. Ob sich zu den folgenden Bildern Scorpion, Schütze,
Steinboe'è, Wassermann und Zische auch schickliche
Veranlassungen hören lassen, das wollen wir, um nicht
weitläuftig zu werden, nicht untersuchen. Genug, Ihr
wisset nun, wer die ersten Erfinder der Astronomie wcwen.
Sie brachten es in dieser Wissenschaft sehr weit, und ihre
Kenntnisse darin verdienen mit Recht unser Erstaunen, weil
sie noch nichts von Ferngläsern wußten.
Eben diese Chaldäer, lieben Kinder, waren es aber
auch, die mit dieser edlen Wissenschaft einen höchst schädli-
chen Mißbrauch trieben, den auch bis auf diese Stunde
noch manche Menschen treiben. Sie schrieben nemlich der
Sonne, dem Monde und vorzüglich den Gestirnen aller-
hand nützliche und schädliche Einwirkungen auf einzelne
Menschen und ganze Völker zu. Man nennt diese höchst
thörigte Wissenschaft Astrologie, oder Sterndeutungskunst.
Daher war es in den alten Zeiten emerlev, ob man jeman-
den einen Sterndeuter, oder aber einen Chaldäer nannte.
Sol-
414
Astronomie.
Solcher Chaldäer giebt es nun, wie gesagt, noch jetzt auch
bey uns. In manchen Calendern z. E. liest man die
höchst albernen Prophezeyungen: „Ein Kind, im Monat
May gebohren, wird gesund und stark — schön von lintt
litz — schnell von Gliedern werden — wird ein vornehmes
Amt bekommen, aber unglücklich Heyrathen." -— Auch liest
man: „in diesem Monat ist gut Schröpfen — gut Adern
lassen — gut Kinderentwöhnen -— gut Haarabschneiden —
gut Holzhauen — guter Pferdekauf — gut Schweinever,
schneiden rc." — Ferner liest man: „In diesem Jahre wird
Mars die Herrschaft haben, und — es war nemlich Mars
Ley den Alten der Name des Ariegsgottes — also Krieg
und Blutvergießen erregen." Ihr lachet, und doch glaub.'
ten ehedem gar viele Menschen an solches Zeug, und meyru
ten, dieser oder jener Weltkörper könne diesem oder jenem
Menschen ein schönes Gesicht, oder einen Haufen Geld, oder
eine reiche Braut, oder langes Leben verschaffen; und —
wie gesagt — bis auf diese Stunde erwarten manche Meni
schen vom Monde, von den Cometen, von den Sonnenfim
sternrssen, von Kräutern, die in der JohanniSnacht gesucht
werden, vom Eintritt des Walburgistages allerhand über-
natürliche Wirkungen. Daß dies Aberglaube, und also
ein höchst schimpflicher und zugleich gefährlicher Wahn
sey, sehet Ihr selbst ein. Eben deswegen ließ auch Gott uni
ter den Juden einen Menschen, der eine solche heillose Kunst
lehrte oder trieb, mit dem Tode bestrafen, wie Ihr aus
3 Mose 20, 27. wisset, und zu den Zeiten Christi ließ der
Kayser Tiberius alle Sterndeuter als höchst gefährliche
Menschen aus Rom vertreiben.
Vier-
VierLer AbschniLt.
Die Lhronologie
—
417
Shrcjä t/fX»
“=fcp 3sap—
Vierter Abschnitt.
Die Chronologie.
Hinter Chronologie, oder deutsch, Zeitrechnung, verr
steht man die Wissenschaft von der Ausmessung und
Eintheilung der Zeit; und dasjenige Buch, was uns
die Vorschrift giebt, wie die Zeit eines bestimmten Jahres
in seine Monate, Wochen und Tage eingetheilt werde, heißt
ein Calender oder Almanach. Ich will Euch von der Zeit,
rechnung überhaupt und vom Calender insbesondere so viel
erzählen, als Eure Kräfte fassen können; denn daß auch
eineKenntniß in diesen Dingen Euch nütz und gut sep, dar«
an wird ja wohl keiner unter Euch zweifeln.
Die Eintheilung der Zeit geschieht nach der Bewegung
der Himmelskörper, besonders aber der Sonne und de-
Mondes.
Die Zeit, in welcher sich die Erde einmal um sich selbst
dreht; oder, nach der nun einmal in unsere Sprache aufge«
nommenen Meynung, in welcher die Sonne einmal um die
Erde läuft, heißt ein Tag.
(Vürgersch. ir Bd.) D d Ein
4i8
Chronologie.
Ei lì Taz wird Ln 24 gleiche Theile eingetheilt, welche
man Stunden nennt. Jede Stunde hat wieder 60 gleiche
Theile, welche Minuten genannt werden. Jede Minute
begreift 60 Secunden und jede Secunde macht 60 Ter-
tien. Diese Eintheilung des Tages in Stunden, Minu-
ien n\ wird durch das Fortrücken des Schattens an einer
Sonnenuhr, so auch durch die Sand- Wasser- undAä-
deruhr bestimmt.
Im gemeinen Leben fangen die meisten Europäer den
Tag und die Stunden von der Mitternacht an, von wel-
cher sie bis zum folgenden Mittag 12, und von da bis zur
nächsten Mitternacht wieder 12 gleiche Stunden zählen. —
Die Türken, und überhaupt die Muhamedaner, fan-
gen den Tag eine Viertelstunde nach dem Untergange der
Sonne an. Von da zähleil sie 12 gleiche Stunden, und
wenn diese verflossen sind, wiederum so viel bis zum folgen-
den Abend. — Die alten Babylonier und verschiedene
andere Morgenländer, fiengen den Tag vom Aufgang der
Sonne an und zahlten 24 Stunden bis zum folgenden
Morgen. — Die Juden fangen den Tag vom Unter-
gänge der Sonne an, und zählen von dieser Zeit 12 Stun-
den bis zum Aufgang der Sonne, und eben so viel wieder
bis zum Untergang derselben. Ihre Stunden am Tage müs-
sen also in den Monaten May, Iun. und Jul. sehr lang,
und in den Monaten November, December und Januar
sehr kurz ansfallen.
Eine Zeit von sieben Tagen heißt eine Woche. Dies
Zeitmaaß ist ausser der Bestimmung des Tages und der Nacht
daö älteste, das bey den Menschen im Gebrauch gewesen ist;
zugleich ist es auch das ausgebreitetste: denn es giebt fast kein
Volk auf der Erde, bey dem diese Eintheilung der Zeit nicht
ge-
I
Chronologie. 419
gewöhnlich seyn sollte. Diese bedenkliche Uebereinstimmung
läßt vermuthen, daß eine unter allen Völkern bekannte
Nachricht von den Tagewerken der Schöpfung zu diesem
Zeitmaaß von 7 Tagen die erste Veranlassung gegeben habe.
Die Tage sind:
O L c? £ 4
Sonntag, Montag, Dienstag, Mitwochen, Donnerstag,
? t>
Frey tag und Sonnabend, oder Samstag.
Der Kürze wegen schreibt man sehr oft bloS die eben
angeführten Zeichen, die, wie Ihr wisset, die vornehmsten
Himmelskörper unsers Sonnensystems bezeichnen; weil um
sere Vorfahren glaubten, daß jeder Wochentag von einem
dieser Planeten beherrscht werde.
Die Monate werden in Sonnen f und Mondem
Monate eingetheilt. Ein Sonnenmonat ist die Zeit, in
welcher die Sonne eines von den vorhin erwähnten Zeichen
des Thierkreises durchläuft. Ihre Namen sind:
Januarius (Jenner) hat 31 Tage
Februarius (Hornung) hat 2 8 (beym Schaltjahr 29 Tage)
Martius (Merz) hat 31 Tage
Aprilis (April) hat 30 —*
Majus ( May ) hat 31 —
Junius (Brachmonat) hat 30 --
Julius (Heumonat) hat 31 —■
AuZuttus (Erndtemon.) hat 31 —
September (Herbstm.) hat 30 —
O&ober (Weinmonat) hat 31 —
November (Winterm.) hat 30 —-
l)eccmber(Christmon.) hat 3^ -
Zht
D d r
420
Chronologie.
Ihr könnet auch, ohne erst in den Calender zu sehen-
wissen, ob ein Monat 30, oder 31 Tage habe; ich Wik! Euch
dies Kunststück jetzt lehren. Ihr machet nemlich eine Hand
zu, und leget den Zeigefinger der andern Hand auf den ersten
Knöchel der zugcmachten Hand, und saget: Januar, der
hat 31 Tage. Nun kommet Ihr zwischen die beyden Knö-
chel, gleichsam vom Berg ins Thal; da saget Ihr: Februar,
hat 28 (29) Tage. Nun kömmt der zw erste Knöchel, der ist
der März: 31 Tage, und der folgende Raum macht den
April mit 30 Tagen. So gehts immer fort, bis zum vier-
ten Knöchel; der ist der Julius, und dann gleich wieder von
vorn auf den ersten Knöchel, welcher nun der August ist.
Ein Knöchel hat allemal 31 Tage, und ein Raum? dazwischen
32 Tage, den Februar ausgenommen, der 28 (29) Tage hat.
-— Jetzt versuchet einmal dies Kunststück selbst; cs versteht
sich, daß Ihr die Nahmen der 12 Monate ihrer Reihe nach
richtig im Kopfe habet, dann werdet Jhrs meisterlich treffen
können.
Ein Moudeumonat ist die Zeit von einem Neumonde
bis zum andern, welche 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten,
z Secunden ausmacht.
Die Jahre werden ebenfalls in Sonnen - und MoNr
deujahre eingetheilt. Ein Souneujahr besteht aus 12
Sonnenmonaten, oder in der Zeit, in welcher die Erde um
die Sonne läuft, welche Zeit eigentlich 365 Tage, 5 Stunden,
48 Minuten, 37 Secunden betragt. Eigentlich aber recht
nen wir zu einem Jahre 365 Tage, so daß daö Jahr nach
der i2ten Mitternachtsstunde des letzten Decembers aufangt,
und mit der I2ten Mitternachtsstunde des iletzten Decembers
beschließt. Nun aber bleiben alle Jahr noch 5 Stunden, 48
Minuten, 37 Secunden übrig. Was fangt man nun damit
an?
Chronologie. 421
«n? Da sie itt 4 Jahren fast 7.4 Stunden, und also beynahe
einen Tag ansmachen, so wird dieser Tag alle 4 Jahr nach
dem rzstenFebr. eingeschaltet, so daß alsdann der Monat Febr.
neun und zwanzig Tage hat, Ein solches Jahr heißt ein
Schaltjahr, welches alsdann nothwendig in 366 Tagen 6e;
steht, woran jedoch eigentlich einige Minuten fehlen. Um diese
nun zu ersetzen, wird alle hundert Jahre ein Schaltjahr aus-!
gelassen. Wenn Ihr gern wissen wollet, ob ein gegebenes
Jahr ein gemeines, oder aber ein Schaltjahr sey, so dürfte
Ihr nur die laufende Jahrzahl mit der Zahl 4 dividiren.
Bleibt nichts übrig, so ists ein Schaltjahr. Dividjrt
also unsere jetzige Jahrzahl 1788- mit 4: was bleibt übrig?
nichts; also haben wir ein Schaltjahr. Der Quotient 447
zeigt zugleich an, daß dies das 447ste Schaltjahr nach Christi
Geburt ist.
Ein Mondenjahr ist eine Zeit von 12 N7sndenmsr
paten, und enthalt 354 Tage, 8 Stunden, 48 Minuten,
38 Secunden. Diese Jahre sind besonders Hey den Juden
gebräuchlich. Um jedoch ihre Mondenjahre mit dem bürgen
lichen Jahre wieder gleich zu machen, schalten sie einen- Mor
nat ein. Ein solches jüdisches Schaltjahr hat alsdann iz
Monate, oder 394 Tage. Auch die Muhamedaner rechnen
nach Mondenjahren.
Eine Reihe von Jahren, die nach einer bestimmten Zeit
wieder von vorn gezählt werden, wird ein Zeitzirkel (Cyklus)
genannt. Dahin gehören:
i) Der Römer Zjnozahl, welches eine Zeit von iz
Jahren ist. Die Zahl welche anzcigt, das wievielste Jahr
ein gewisses Jahr in dieser Reihe sey, wird schlechthin der
Römer ^MSZtthl, lateinisch Indi&ioRoinanorum genannt.
Es waren nemlich diese Jndictionen bey den Römern, Lesonr
D d Z ders
4?. 2
Chronologie.
ders zur Zeit Constantino des Großen uud seiner Nach-
folger, gerichtliche Vorladungen zur Abtragung gewisser Zim
sen, oder Steuren. Nachher verursachten sie-, ohne daß man
die Ursache weist in der Zeitrechnung einen Cyklus von lZ
Jahren, dessen man sich noch jetzt bedient.
2) Der Mondeszirkel, welches eine Zeit von ryJahi
ren ist. Die Zahl, welche anzeigt, das wievielste Jahr
ein gewisses Jahr in dieser Reihe sei), wird die güldene
Fahl genannt. Nach Verfließung eines solchen Monden-
zirkels fallt der Anfang des Mondenjahrs wieder mit dem
Sonnenjahr auf einen Tag; es ereignen sich folglich auch
die Mondwechsel wieder an den nemlichen Tagen, an welchen
sie sich vor 19 Jahren ereigneten.
3) Der Sonnenzirkel. Dies ist eine Reihe von 28
Jahren. Nach Verfließung dieses Cyklus fangt das Jahr
wieder mit demselben Wochentage an, folglich fallen auch die
Sonntage wieder auf dieselben Monattage, an welchen sie
vor 28 Jahren gewesen sind.
Eigentlich müßte ich Euch von diesen Dingen mehr sa-
gen, lieben Kinder; weil ich Euch aber nicht gern trockene und
magere Sachen vortragen mag, so wollen wir weiter gehen,
und die vornehmsten Epochen kennen lernen.
Eine Epoche (Anfang einer Jahrsrechnung) ist eine
wichtige Begebenheit, von welcher ein Volk angefangen hat,
die folgenden Jahre in einer Reihe immer fort zu zahlen.
Die vornehmsten Epochen sind:
1) Die jüdische Iahrzahl, welche von Erschaffung
der Welt, oder 3761 Jahre vor Christi Geburt anfangt.
Die Juden bed
Man braucht als
Lenen sich dieser Epoche in ihren Calcndern.
0 nur zur Zahl des laufenden Jahrs der christi
lichen
Chronologie. 423
lichen Zeitrechnung die Zahl 3761 zu addiren, so hat man das
jedesmalige laufende jüdische Jahr. So ist unser jetziges
i/88stes das 5)4^>ste jüdische Jahr. Es ist jedoch die Zeit
der Erschaffung der Welt ungewiß: denn die Juden rechnen,
wie gesagt, 3761 Jahre, gewisse Gelehrte aber zahlen 39s3
Jahre, und noch andere nehmen 4184 vor Christi Geburt.
2) Die Olympiaden. Dies war die Epoche der
Griechen, und jede Olympiade bezeichnet einen Cyklus von
vier Jahren. Sie fangen sich mit dem Jahre 776 vor
Christi Geburt an, allemal im Monat Julius. Jetzt rechnet
man nirgends mehr nach Olympiaden.
3) Die Epoche der Römer. Dies war das Jahr
der Erbauung der in der alten Well und auch noch jetzt so
berühmten Stadt Rom, welches ohngefehr im Iahe nach
Erschaffung der Welt 3200 geschah. Wenn also ein Römer
dem andern hatte die Zeit der Geburt Jesu melden wollen, so
hatte er gesagt: Jesus wurde gebohren 753 Jahre nach Er-
banung der Stadt Rom. Nur solche unter Euch, die die alr
ten römischen Schriftsteller lesen, haben zuweilen Gelegenheit,
nach dieser, und der vorher ermahnten Epoche zu rechnen.
5) Die Hcdschra (Hegyra) oder die Zeitrechnung
der Muhamedaner. Es sehen nemlich die Muhameda-
ner die Flucht ihres Religionsftifters Muhermed, die er von
seinem Geburtsort Mecca nach Medinah nehmen mußte,
um seinen Feinden zu entgehn, um deswillen für eine wichtige
Begebenheit an, weil sich nach dieser Flucht die merkt
würdigsten Schicksale Muhameds anhoben Diese Flucht,
in der arabischen Sprache Hegyra (Hedschra) genannt,
geschah im Jahr 622. den i6ren Julii nach Christi Geburt.
Alle Muhamedaner rechnen nach dieser Flucht, so wie alle
Christen nach der Geburt Jesu. In dem Calender der Tur-
D d 4 ken,
424 Chronologie.
kcn, so wie der übrigen Muhamedaner läuft jetzt die Zahl
1203. Die Jahre bey den Muhamedanern fangen übrigens
nicht auf einerley Tag unftrs Jahrs an, weil sie — wie Ihr
nun wisset — Mondenjahre haben.
Ich habe vorhin des Kalenders Erwähnung gethcm;
auch davon muß ich Euch nun noch etwas fragen:
Ein Calender ist eine Vorschrift der Eintheilung eines
bestimmten Jahrs in seine Monate, Wochen und Tage,
Pen ersten Caiender hat, wie man glaubt, ein berühmter
Gelehrter Johann Müller, auch Regiomyntanus
genannt, ein Franke, ums Jahr 1476. auf 30 Jahre zu
iTtürnbcrg herausgegeben. Dies Buch war in und äußert
halb Deutschland so willkommen, daß man es mit Zwölf
Uttgrischcn Ducaten bezahlte. — Die alten Völker, denen
die Schreibkunst unbekannt war, brauchten statt des Calenr
ders einen Strick mit einer gewissen Anzahl Rnoten; wor
von man täglich einen auflöste. Hatte man keinen Knoten
mehr zu lösen, so war das Jahr um, und dann kaufte man
sich beym Seiler einen neuen Calender.
Die in Europa eingeführten Calender sind:
r) Der alte, oder Julianische. Er ist von einem
berühmten Römer, Julius Caesar vorgeschriebe» und zuerst
bey den Römern gebräuchlich gewesen. Auch die Aussen
bedienen sich desselben noch bis jetzt. Da aber dieser Calender
von dem unsrigen dadurch abgeht, daß er in dem gegenwärtig
gen Jahrhundert u Tage weniger zählt, als wir, so giebt
dies in den Geschäften, welche die Russen mit Völkern treu
ben, die einen andern Calender haben, eine große Verwir-
rung. Daher haben vor einiger Zeit die rußischen Kaufleute
angefangen, in ihren Briefen, Contracten, Urkunden und
andern Schriften den Monatstag nach ihrem, und auch nach
dem
4-Ü
Chronologie.
dem unsrigen Calender zu datiren. So schreiben sie also
z. B. Gegeben, Petersburg, den ZH August 17s 8; das heißt,
den i8. August nach dem alten (Julianischen) und den 29.
August nach dem neuen Calender; oder auch — welches
Ihr zuweilen in den Zeitungen lesen werdet — den iz. Au»
g>lst alten und den 29. August neuen
2) Der Gregorianische. Dieser ist aufBefehl Pabsts
Gregorius 13. von dem Jesuiten Clavius eingerichtet und
im Jahr 158?. Angeführt worden.
3) Der Neuverbcfferte Calender. Diesen hat
Ehrhart Weigel, ein Mathematiker zu Jena, und der
berühmte Bibliothekar zu Hannover, der Baron vonLeibr
Nitz, neu eingerichtet und berechnet, und er ist im Jahr
1700. durch einen Schluß der protestantischen Neichsstände
allgemein in Deutschland eingeführt worden. Der Juliar
Nische weicht besonders dadurch vom zweyten und dritten ab,
daß er, wie eben gesagt worden, in dem gegenwärtigen
Jahrhundert 11 Tage weniger zahlt; und der neuverbesserte,
oder protestantische unterscheidet sich dadurch vom Gregoriar
nischen, daß in demselben das Osterfest auf eine sichere Arr
bestimmt wird.
Ein sehr wichtiger Umstand in unserm Calender ist die
Fcstrechnung. Ihr werdet nemlich schon alle beobachtet har
ben, daß manche Feste nicht alle Jahr auf gleiche Monatstage
fallen. Hievon muß ich Euch also noch etwas sagen. Die
Festrechnung der Christen gründet sich auf folgenden Befehl
der Nicaischen Kirchenversammlung im vierten Jahrhunr
dert: „Ostern soll an dem Sonntage gefeuert werden, der
„zunächst auf den ersten Vollmond nach der Frühlings Nacht,
„gleiche(Aequinoctium)am21 oder22sten März folgt. Fällt
„dieser Vollmond selbst auf einen Sonntag; so soll das Oster»
Dd 5 „fest
426 Chronologie.
„fest auf den nächst folgenden Sonntag verlegt werden.
„Dies letztere soll auch alsdann geschehen, wenn es sichtresi
„fen sollte, daß der Ostersonntag auf den ersten Jüdischen
„Ostertag fiele, damit die Christen niemals mit den Juden
„zugleich Ostern hätten."
Von diesem christlichen Ostertag nun, der allemal zwü
schen den 22sten März und den 2;sten April fällt, hängen alle
diejenigen Sonn - und Festtage ab, die beweglich find, d. i.
die nicht immer auf einen und denselben Tag des Jahres
fallen. Sie sind folgende:
Septuagésima, (d. i. der siebenzigste, nemlich Tag)
Dieser fällt allemal 9 Wochen vor Ostern.
Sexagésima, (der sechzigste Tag.)
(Qumquagesima. (d. i. der fünfzigste Tag, nemlich
vor Ostern) Dieser Sonntag hat seinen Namen mit Recht;
die beyden vorhergehenden aber nicht. Er heißt auch Esto
mihi von einem lateinischen Liede, mit welchem man in der
römischen Kirche den Gottesdienst anfing. Gemeiniglich nennt
man ihn den Fastnachtsscmntag. weil er vor den 4Otägi-
gen großen Fasten vorhergcht, welche die römische Kirche
dazu verordnet hat, daß die Christen sich durch Enthaltung
von gewissen Speisen zu derjenigen Andacht vorbereiten sol-
len, die die Feyer des Andenkens an das Leiden und Ster/
ben Jesu erfordert. Wir Protestanten behalten den LTa-
meu bey, die Sache selbst aber nicht, weil uns Gott, der
Geber der Speisen, nirgends den Genuß des Fleisches un-
tersagt hat. Jetzt fangen auch die cacholischen Christen hie
und da an zu glauben, daß das Fleisch der Andacht eben so
wenig schade, als Mehlspeisen. — Den Dienstag nach Esto
mihi
427
Chronologie.
mihi ist Fastnacht und Mitwochs drauf Aschermitwoch ;
weil die römischen Christen diesen Tag mir strengen Fasten,
und unter andern auch dadurch auszeichneren, daß sie sich
mit 'Asche bestreuten.
Invocavit,ü d. i. er hat angerufen, aus Psalm 91,15.)
auch Quadragestma, d. i. der vierzigste genannt.
Remmistcre (d. i. Gedenke) aus Psalm 2;, 6.
(Dcitü (die Augen) auS Psalm 25,15.
Laetare (Freue dich) aus Zesaia 66,10.
Indica (Richte) aus Psalm 4z, 1.
palmarum, d. i. der Palmsonntag, von den Palm»
zweigen so genannt, mit welchen viele Einwohner Ierusar
lems an diesem Tage Jesu entgegen giengen, um ihm ihre
Freude über seinen Einzug zu erkennen zu geben.
Der Gründonnerstag, welcher immer am Donners»
tag nach Palmarum fällt. Er heißt so, weil man besonders
an diesem und den folgenden Tagen der Andacht wegen nichts
anders genoß, als grüne Kräuter. Es hat jedoch dieser
Gebrauch ganz wider Willen unsers gütigen Schöpfers man»
chem Menschen das Leben gekostet. Denn da man unter den
jungen, erst aufkeimenden Kräutern zuweilen den giftigen
Schierling gelesen hatte, den man in dieser Größe leicht mit
andern Kräutern verwechselt; so hatte man sich mit diesem
fürchterlichen Kraute vergiftet.
Der Charfreytag. Er folgt unmittelbar auf den vor»
hergehenden, und hat seinen Namen vom griechischen Wort
Carene, Fasten.
Der (Dstertag. Vierzig Tage nach Ostern ist allemal
das Fest der Himmelfahrt Iesn, und 50 Tage das
psingst»
42 3 Chronologie.
Pfingstfest. Die sechs Sonntage zwischen Ostern und
Pfingsten hasten:
Drua.simodogenLti. (als die jetzt geöohrnen Kindlein)
i Pet. 2, 2.
Mistricordiao Domini (die Barmherzigkeit des
Herrn) Psalm 89,2.
Jubilate (Jauchzet, Psalm 66,1.)
Cantate (Singet, Psalm 96, i.)
Rogate (Bittet, Matth./, 7.)
Exaudi (Erhöre, Psalm 27,7.)
Zluf den Sonntag nach Psingsten fällt allemal das Fest
der heiligen Dreieinigkeit, (l'cllum DrinisZil!;), und von
diesem Sonntage an werden alle folgenden Sonntage bis
aufs Kirchenjahr mit dem Nahmen der erste, zwcyte rc.
Sonntag belegt. Es können, wenn Ostern früh fallt, die-
ser Trinitatis-Sonntage 27 seyn; fallt es aber spät, so sind
ihrer doch 2z.
Der erste Advent (d. i. der Tag der Ankunft, nemlich
Christi ins Fleisch) fällt jedesmal zwischen den 27. November
und den z. December; und auf diesen folgen noch bis auf
den ersten Weynachtotcrg, der immer mit dem 25. Decem-
ber eintritt, drey Adventsonntage.
Die übrigen Feste der Christen sind die unbewegli-
chen, weil sie immer auf einerlei Monatstage fallen.
Sie sind:
Das neue Jahr, das natürlicher Weise immer mit
dem ersten Tag des ersten Monats eintritt.
Allemal auf den 6. Januar fällt das Fest der Erschei,
nung Christi; (Feftum Epiphanias) auch das Fest der
wer-
429
Chronologie.
weisen (Heil. 3 Könige) genannt. Don diesem Feste zählt
man nun bis zum vorhingenannten Sonntag Septuagesima,
noch einige Sonntage, je nachdem Ostern früh oder spät ein»
tritt, die der erste, zweyte rc. Sonntag nach Epiphania
heißen.
Das Fest der Reinigung Mariä am -ten Februar
(zum Andenken ihres ersten Tempelbesuchö nach ihrer Nie,
derkunfr): auch Lichtmeß genannt, weil man sonst in der
römischen Kirche an diesem Tage Kerzen weyhere.
Das Fest der Verkündigung Mariä am 2;. März,
(zum Andenken der durch den Engel erhaltenen Botschaft
von der Ehre, die Mutter Zesu zu fern.)
Das Fest Johannis des Täufers am 24. Zunii.
Das Fest der Heimsuchung Mariä, am 2. Zulii.
Das Fest Michaelis des Erzengels, am 29. September.
Das schon genannte Fest der Geburt Jesu, (Weyhr
nachten) am 25. December.
Zn den Churbraunschweigischen Landern gehört endlich
noch dahin das Neformationsfest (zum Andenken der
durch D. Martin Luther gestifteten Kirchenverbefferung)
welches allemal am 2osten Sonntag nach Trinitatis gefeyert
wird.
Endlich will ich Euch noch die vornehmsten Festtage der
Juden nennen. Sie sind:
i) das (Dsterfest, welches acht Tage dauert, und
von ihnen zum Andenken des Ausgangs aus Aegypten
gefeyert wird. Es hat jedoch nur der erste und zwcvte, und
der siebente und achte Tag eine strenge Fever.
2)
430
Chronologie.
2) das Pfingstfest, welches zwey Tage zum Anden/
ken der Gesetzgebung auf Sinai gefeyert wird.
3) der Neujahrstag, der gemeiniglich in unserm
September fällt.
4) das Lauberhüttenfest, zum Andenken ihres Auf,
enthalts in der arabischen wüste, wo sie in Hütten
wohnen mußten. Dies Fest, das in unfern Oktober fällt,
dauert acht Tage; es werden jedoch nur die beyden ersten
und die beyden letzten Tage strenge gefeyert.
Anhang.
A ii hang.
Vom Seidenbau.
433
■fl ......»AA..».»* äf)Tp, *** ..—■—.
Anhang.
Vom Seidenbau.
O-d) habe Euch oben, bey der Naturgeschichte der Seiden,
raupe, einen kleinen Unterricht über die Seidenwürr
merzucht versprochen; hier ist er. Leset ihn oft über, und
wenn Ihr ihn verstanden habet, so machet, wenn Ihr anders
Maulbeerblätter bekommen könnet, im künftigen Frühjahr
die Probe fürs erste mit einigen hundertEyern, die man Euch
in der Nachbarschaft gewiß schenken wird. Ist Eure Probe
gut ausgefallen, wie ich hoffe, so werdet Ihr schon selbst Lust
bekommen, ins Größere zu gehen.
Das erste, wofür Ihr als brave Seidenbauer zu sorgen
habet, ist das Futter für die Raupen, also der weiße
Maulbeerbaum. Diesen können diejenigen unter Euch, die in
Niedecsachsen wohnen, mit wenig Kosten aus der Plantage zu
Herrenhausen, die Obcrsachsen aber aus Dresden bekomi
men. Der Daum kömmt allenthalben fort, und Ihr könnet
ihm jede Stelle anweisen, wenn nur der Boden sandig, oder
doch nicht allzufett ist; nur muß der Baum Sonne genug und
Schutz gegen Kälte haben. Ihr thut daher wohl, wenn Ihr
die Baume, so lange sie noch jung sind, im Winter mit Stroh
bewickelt. Zu einem Loch Raupen iCyern, oder, wie man
sie auch wohl nennt, Raupensaamen, habet Ihr 40 kleinere
Bäumchen und große Bäume nöthig; und damit Ihr, wenn
Eure Arbeit angehr, nicht weit nach Futter laufen dürfet,
müsset Ihr Eure Maulbeerpsianzung nahe am Hause anlegen.
(Vürgersch. rr Bd.) Ee So
434*
Anhang.
Sobald Ihr nun diese nöthige Zahl von Bäumen besitzet,
könnet Ihr Euch nach Seidenraupen,Eyern umsehen. Mit
einem halben Loth Eyern könnet Ihr den Anfang machen.
Nun müsset Ihr Euch im Hause eine Stube aussuchen,
die dem Nord, und Ostminde nicht ausgesetzt, und zugleich
nicht feucht, sondern trocken ist. Dies Zimmer muß vorher
genau vom Staube und von Spinnen und ihren Geweben ge,
reinigt werden.
In dies Zimmer bringet ein Gestell von Brettern, mit
Fachern, das Ihr in der Tiefe jedes Fachs mit zarten Reiß,
werk bestecken müsset; denn an diesen, Aesichen spinnt sich die
Raupe fest. Auf den vordersten noch übrigen Raum der Bret.
ter leget kleine Schachteln von Kartenblattern, in welche Ihr
dieiEyer zu vertheilen habet. Sobald sich in, Anfänge
des May die schönen Tage zeigen, bringet die Eyer in diese
zubereitete Stube, und sorget nun dafür, daß in der Stube
beständig eine gemäßigte Wärme sey; daher müsset Ihr, so
bald die Witterung kalt ist, ein mäßiges Ofenfeuer machen.
Aber wohl zu merken. Euer Ofen darf nicht im geringsten
rauchen oder stinken; den müsset Ihr vorher wohl in Ord,
nung gebracht haben. Freylich werdet Ihr wohl den nöthigen
Grad der Wärme ohne Wärmemesser (Thermometer) nicht
treffen können. Daher ivar's gut, wenn Ihr Euch den an,
schasstet; und wollet Ihr Euch im Ernste mit dem Seidenbau
aßgeben, so müsset Ihr ihn haben, und zwar einen Reaumüc
rischen. Nach einem solchen Thermometer nun muß die War,
me von i8 Graden seyu. Wollet Ihr jedoch fürs erste die
wenigen Kosten noch nicht anwenden, so müsset Ihr desto sorg,
faltiger seyn, beybes eine allzugroße Hitze und Kühle im Raupen,
zimmer zu vermeiden. Zischt der Ofen, wenn Ihr dranfpeyet,
dann ist er schon zu heiß; könnet Ihr Euren Odem noch sehn,
wenn Ihr stark aushauchet, dann istv noch zu kühle. Diesen
Grad
Vom Seidenbau.
435
Grad der Wärme müsset Ihr dem Zimmer von dem Tage an
geben, da Ihr die Eyer hineingebracht habet. Und ist ein sol-
cher Grad der Warme getroffen, so sehet am zwölften Tage
einmal genau nach Eurem Gestelle: da werdet Ihr sehen, wie
alles lebendig wird; denn nun fangen die Naupchen an, aus-
zukriechen.
Nun, Ihr jungen Seidenöauer, geht eine neue Arbeit
an, denn Euer kleines Vieh will fressen. Da die kleinen
Kostgänger noch sehr zart sind, so müsset Ihr ihnen zuerst
ganz frische und junge Blatter bringen; auch dürfen diese
Blätter nicht Nttß seyn, noch weniger im Küthe gelegen har
ben: frisch gebrochen vom Baume müsset Ihr sie, wo möglich
bringen. — Hat's gcthaut, oder geregnet, so müssen sie an der
Luft getrocknet werden. Aus diesem Grunde müsset Ihr im-
mer einen Vorrath Blatter bey der Hand haben. Da die jun-
gen Gaste, wenn sie gesund sind, Appetit haben, so müsset
Ihr Ihnen täglich zwcyrnal zu fressen geben, aber, wohl zu
merken, die von Euren Tischgästen übrig gelassenen Blatter
müsset Ihr jedesmal vorher wegnehmen, ehe Ihr das neue
Futter bringet. Solltet Ihr etwa Mangel an Maulbeerblät,
lern haben, welches freylich gar nicht gut ist, so gebet Eurem
Vieh junge, reine und nicht vom Thau oder Regen benaßte
Weißvuchenblätter; aber doch nur im äußersten Nothsall,
und um die kleinen. Gaste nicht hungern zu lassen.
Bey diesem Gastwirthsgeschafte müsset Ihr nun alle
Eure Sorgfalt anwenden; denn darauf kömmtS eben an, ob
Eure Erndte schlecht oder gut ausfällt. Höret also ferner zu:
Ihr müsset nicht zu viel aus - und einlauftn; kein Geräusch
machen; keine Fremde mikbringen; keinen Tabacksdampfoder
andern Rauch dulden; keinen Staub machen; kein Hundeger
bell im Zimmer verstatten: denn obgleich diese Kostgänger nur
armselige Raupen sind, so halten sie in ihrem kleinen Leben
E e 2 doch
436
Anhang.
doch viel auf Reinlichkeit und Stille. Eben deswegen müsset
Ihr jedesmal, so oft Ihr Futter bringet, genau Zusehen, ob
etwa eine Raupe gestorben ist, die muß gleich weggeschaffc werden.
Eben so sorgfältig sehet Euch jedesmal um, ob eine Spinne,
Welpe oder Mücke im Zimmer ist; auch die muß gleich tränst
porlirt werden: und könnet Zhrs verhindern, daß bey einem
Gewitter der Blitz nicht in die Stube scheint, so thutS auch:
denn den Blitz können die Raupen nicht vertragen. Am bet
sten also, Ihr machet die Fensterladen zu, wenn das Zimmer
welche hat. Und endlich, Kinder, müsset Ihr von der Zeit
an, da die Raupen ausgekrochen sind, täglich bey trockener
Witterung ein Fenster öfnen, und den Fußboden mit Weinest
sig, oder doch mit frischem Wasser besprengen.
Habet Ihr alles dies genau beobachtet, so werdet Ihr
sehen, mit welchem Appetit Eure Gäste essen; Ihr werdet es
ordentlich hören, wie sie schmausen, und werdet täglich finden,
wie schnell sie wachsen.
Gegen den siebenden Tag wird Euren Kostgängern der
Balg zu enge: dann sind sie trank, verliehren den Appetit,
und liegen einige Stunden stille, bis sie die Haut abgelegt
haben. Und diese Häutung geht in ihrem Raupenleben vier,
mal vor.
Zehn auch wohl drcyzehn Tage nach der letzten Häutung
tritt nun der für Euch wichtige Zeitpunkt ein, wo Ihr den Lohn
Eurer Mühe bezahlterhalten sollet: denn die Raupe fängt an
zu spinnen. Sie wird nemlich am Hinterleibe gelb, entle,
digt sich von allem Unrathe und behält blos die köstliche Mar
terie bey sich, woraus sie die Seide verfertigen will. Dieser
Saft verursacht ihr Schmerzen, sie kriecht daher mit aufgehor
benem Kopfe ängstlich zwischen den Reisern herum, bis sie
end,
Vom Seidenbau.
437
endlich den ersten Faden angeklebt, und sich befestigt hat. Nun
gehen ihr beständig zwey Fäden aus dem Munde; sie arbci*
tet in eins weg unter beständigen Krümmungen nach allen Sei,
ten zu, bis ihr Gespinnst fertig ist. Und dies, Kinder, ist
denn nun das kostbare Gewebe, das Eure Arbeit belohnen soll.
Zn diesem Gewebe (Kocon) legt die Raupe nach einigen
Tagen die letzte Haut ab, an welcher ihre i6 Füße hängen
bleiben; wird eine Puppe; erhält in diesem ihrem Grabe
Flügel; durchbohrt ihr Gefängniß; sucht sich einen Gatten;
legt einige hundert Eyer — und stirbt.
Daß Ihr nicht alle, sondern nur wenige Puppen werdet
auskommen, d. i. zu Schmetterlingen werden lassen, versteht
sich: denn Ihr wollet ja keine Zucht von Buuervögeln, son,
dem eine Seidenerndte haben; dazu aber könnet Ihr die
Kocons, die der Schmetterling durchbohrt hat, nicht gut brau-
chen, weil sie das Thier in lauter kleine Stücken zerschnitten
hat. Ihr müsset also, einige Tage nachher, nachdem das
Thier aufgehört hat zu spinnen. Eure Kocons in siedendes
Wasser werfen, und die Raupen ersticken; nur so viel, als
Ihr zur fernern Zucht haben wollet, lasset Ihr hängen. Die
spitzigen Kocons sind allemal Männchen, die stumpfen
aber Weibchen. Wenn Ihr von beyderley Sorte 60 Stück,
also 30 spitze und 30 stumpfe behaltet, so bekommet Zh'- ein
Loth Saamen. Um diesen Saamen gehörig zu erndten,
merket Euch folgendes: Sobald der Schmetterling zum Vor-
schein kömmt, so leget in der Spinnstube hie und da Bogen
Papier, und aufs Papier Wallnußblätter. Auf diese sehen
sich die Schmetterlinge, begatten sich und legen ihre Eyer.
Diese kratzet dann mit einem Hölzchen ab, thut sie in ein Glas,
oder in ein anderes reines und verschlossenes Gefast, setzet dies
an einen kühlen Ort bis zum Frühling und bringet dann im
May die Eyer in Eure Raupenstube.
Ee z Die
433
Anhang. Vom Seidenbau.
Die Kokons, die Ihr im heißen Wasser gedampft habet,
werden auf einem Haspel abgehaspelt; die andern aber, aus
denen der Schmetterling ansgcl'rochcn ist, könnet Ihr gleich-
falls brauchen; denn auch diese Seide laßt sich spinnen und
giebt die bekannte Floretseide. —. Da ich Euch den Seiden-
Haspel nicht gut so beschreiben kann, daß Ihr mich verstehet;
so müsset Ihr entweder fürs erste blos mit Euren Kocons Han-
del treiben; oder Ihr müsset Eure Eltern bitten, daß Sie
Euch einen Haspel kaufen und den dabey nöthigen Unterricht
geben lassen.
Ucbrigcns ist dies ganze Geschäfte, Kinder, in 6 Wochen
völlig geschehen. Ihr könnet dabey Eure Scbule besuchen und
gewinnet doch, wenn Ihr nur in allen Stücken Sorgfalt an-
wenden wollet, einen sehr wichtigen Vvrtheil: denn aus einem
Loth Saamen könnet Ihr drcy Pfund Seide gewinnen; das
Pfund zu 5 Rchlr. gerechnet, macht also 15 Nthlr. Ein Einziger
von Euch kann immer 2 Loth Saamen, welche etwa 12200
Raupen geben, bezwingen, und doch dabey die Schule besu-
chen. Nur gegen die 4te Woche müsset Ihr jemanden zu
Hülfe nehmen. Habet Ihr mehr Geschwister, so könnet
Ihr gemeinschaftlich arbeiten und dann den Gewinn theilen.
Zu 150,000 Raupen rechnet man 6 Personen. Aber noch
einmal gesagt, Kinder, Ihr müsset die nöthigeReinlichkeit im
Raupcnzimmer nie versäumen, die gehörige Warme zu geben
suchen, die Raupen täglich zweymal mir gutem, trocknein
Maulbeerlaube füttern und in dieser Absicht immer Futter ge-
nug in der Nahe haben, llnd zu diesem angenehmen Geschäfte,
so wie zu allen Euren übrigen frommen und nützlichen Unter-
nehmungen wünsche ich von Herzen Glück.
Ende des ersten Bandes.
R e g
A. Serle
A cil is?
Aalraupe Is4
Aalmutter iss
Aasgeyer 9?
Abendstern . 39 4
Abgottsschlauge 339
Abprallen der Strale» 34-0
Acacia 231
Achat 265
Achtstein 27s
Acker mannchcn 122
Adamsfeige 24s
Admiral 180
Aelster n;
Affe 79
Alabaster rÜ4
Alaun 2 s 8
Alligator 134
Aloe 2?l
Albatros 103
Amalgama 28s
Ambra 272
Ameise 192
Ameisenlöwe 182
Ameisenfresser 77
Americanis ch e N a ch t i g a l 117
Amethyst 268
Amiant 269
Ammonshorn 209
Amphibien 124
Amsel XI7
Ananas 232
Angorische picge 61
Anta 7s
Anziehende Kraft 303
i st e r.
Seite
Ärbcitswcrkzcuge d.TH'iere 13
Arras. 98
Armadill 76
Arsenik 262
Asa foêtida 2?z
Asbest 269
Asphalt 274
Astronomie 389
Ascaride 205
Atlas 280
Atmosphäre ¡316
Auerhahn 1110
Au er ochs so
Auge 1342
Ausdehnung d. Körper 316
B.
Bachstelze 122
Bändchen 20$
Bar 36
Balsam von Mocca 232
Bambusrohr -34
Bandwurm 20$
Barsch !$6
Basalt '257
Basilisk 136. 219
Baumocl 232
Baumwollenstrauch 233
Beeaßine 107
Bergalstcr 96
Bergbalsam 274
Bergbley 274
Bergöl 274
Bergtheer 274
E e 4 Be
Dette
R e g i st e r.
Celte
Berill
Bernstein
Betelpflanze
Bettwanze
Beutelthier
Bewegung der Korper
Vider
Biene
Bienenvogel
Birke
Birkhnhn
Bisamratte
Bisamthier
Bittertalz
Blackfisch
Blane Schmalte
Blattlaus
Blankehlchen
Bley
Blindschleiche
Blitz
Blitzableiter
Blutiqel
Blutregen
Boa
Bockling
Bohrer
Bologneserhundchen
Bolus
Bombardierkafer
Borax
Brachse
Brachvogel
Brasilienholz
Bremse
Brennbare Lnft
Brillenschlange
Brodbamn
Bronze
BrnchdroHel
Brader Bernhard der Eiru
stedler
Buchstnk
Buckelochse
Budel
Bnffcl
Bülow
Bullenbeiber
Busch,plnue
-68
275
334
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55
298
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262
162
117
233
195
326
142
233
281
117
200
119
59
44
59
115
44
198
C.
Cacadu 94
Cachelot *8
Calus 400
Caffee 236
Calender: julianische, oder
alte 424
— der Gregorianische 425
— der Derbesserte 425
Campescheholz 237
Capern 237
Carfnnkel 268
Caneel 265
Caviar 147
Ceder 237
Chalcedonier ,65
Chamâleon 134
Chenue 305
Chinarinde 239
Chronologie 417
Chrysolith »68
Chrysopras 268
Cochenille 178
Contor 92
D.
Dachs
Dachshund
Dammhirsch
Dampf
Dattel
Delphin
Demoiselle
Dephlogisticirte Luft
Diamant
Dichtheit der Korper
Dintenfisch
Distelfink
Dohle
Dompfaffe
Donnerkeil
Drache
D edenblut ^
Drehl aïs
DuustkreiS
35
44
62
346
239
29
181
323
267
297
206
119
H3
118
-73
137
239
100
316
T.
Register.
Seite
<5.
Echo 4;;
Edclfteine 26^
Eichhorn 54
Eichengallwespe 184
Eidergans 702
Eigenschaften der Korper 290
Ei nHorn 279
Ei sen 287
Eisoogel 700
Elasticitàt 295
Elettri citàt 454
Electrische Affé! 207
Elendthier 62
Elephant 69
Elritze 767
Em merli ng 778
Engerling 772
Ente 705
Epoche 422
— der Romer 42;
Erdbeben 474
Erde 444
Erdhaase 54
Erdharze -74
Erdwolf 775
Escl 68
Enle 95
Eydechse 744. 746
F.
Fadenwurm 204
Fàrberrothe -49
Falk 94
Farben 440
Farben- Erden Fasan 252
770
Faulthier 78
Federblrschpolype -74
Federharz -49
Federkraft 295
Fcldlerche 776
Festheit der Korper 292
Festrechnung 4-5
Fettgans 704
Feuer 442
Feueranmachen 450
Feuerkrote
Fenerkngel
Fenerprobe
Feuerregen
Feuerschroter
Fcuerspeyender Berg
Fenerstein
Feuerwurm
Festnng ans Waster
Fischadler
Fitchbein
Fischthran
Fire Lust
Flaiuant
Flamingo
Fledermans
Fliege
Fliegende Drache
Fliegende Hund
Fliegende Seehahn
Fliegenschnepper
FluHigkeit der Korper
Flutzpferd
Floh
Forelle
Formosanische Teufelchen
Frettchen
Frosch
Frnchtbarkeit der Thiere
Fuchs
Fursorge Gottes f. d. Thiere u
G.
Gabelgeyer 94
Gagath 275
Gallwespe 784
Gangfisch 158
Gans, 102
Garnàle *01
Gartenwanzr 178
Gazelle 61
Gecko -a?s'
Gehornte Schlange 151
Gemse 6r
Gcschwanzte Frosch r;o
Gewitter 472
Gewurznelke 249
Geyer 9;
Ee 5 Him-
Seite
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465
,77
479
265
207
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26
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105
7°5
79
19?
481
79
757
.722
192
75!
797
158
77
45
140
19
45
Regi si e r.
G impel
Gittfisch '
Gestro che
Giraffe
Gipserde
Givsstcin
Glanzkàfer
Glas
Glockcngut
Ge!d
Goldadler
Goldammer
Golddrohel
Goldfischchen
Goldhàhncherr
Goldkafer
Goldkarpfe
Goldwolf
Gottesanbeteri»
Grabthier
Gradicrhaus
Granii
Grasmucke
Graupen
Grcif
Greifgeyer
Gruuer Rei her
G run li ng
Grunschwanz
Gii ni mi Gnttà
Gummi Lack
Gurtelthier
H-
Haase
Haberlàmmchen
Habicht
Hànfling
Hagcl
Hamster
Hartheit der Korper
Harz
Haselhuhn
Hall sen
Hansgrille
Haushahn
Hausmaus
Hay
Srite Seite
H8 Hecht '5?
148 Hedschra (Hegyra) 4- 3
148 Hecrschncpfe 107
64 Heher 11?
252 Heiligenkàfer 171
264 Hering 15*
*73 Hermelin 33
255 Henschrecke 176
281 Hiàne 45
279 Himrnclsmehl 252
93 Hippopotamus 75
TIg Hirsch 61
Hirschbock 173
l6l Hirsch -Eber 57
122 Hohlziegel 207
172 Holzbock 172
155 Holzwurm 171
44 Honigbiene 184
176 Honigthau 178. 361
45 Honiaweiser 107
260 1266 Hormffe Horn stein 18+ 266
121 Huttenrauch 262
368 Hummel 192
219 Hummer 200
92 Hund 43
Hundvhay 144
118 118 Hyacinth 268
240
240 I.
76 Iagdhund 44
Jaguar 43
Iaìappe 240
5? Ibis 107
107 Ichneumon 35-174
94 2§el 56
120 Igelfisch 149
368 Jltis 33
50 Immenwolf 100
292 Inbeqriff an den Korpern 297
240 Incrustirte Korpcr 273
in Indianische Rabe 98
148 Indigo 340
175 Indische Ameisc 194
. no Infusionsthierchcn 213
5i 14+ Ingwer Irrlicht, Irrwisch 240 284
Ir-
R e g
Johanniswürmchen Seite 17;
Iudenpech Indische Iahrzahl 274
422
Iuniuskafer 172
Jupiter 399
Iuwelenkafer 174
K.
Kabeljau *54
Kacao 241
Kamcelziege 61
Kaimann : 134
Kalecutsche Hahn 109
Kalk 269
Kalmus 241
Kamcel 64
Kameelparder 64
Kamcelziege 67
Kampfer 240
Kanarienvogel 119
Kandelzucker 290
Kaninchen 54
Kanonengut 281
Karausche , i6x
Karminhanfling 120
Karmoisinspecht 99
Karpfe 161
Kartoffel 241
Kasuar- 108
Katze 43
Kaulbarsch 196
Kaulquappe 130
Kellerescl 201
Kermes I78
Kernbeißer II8
Kernfink X18
Kibitz 107
Kiesel 269
Kirschfink US
Klammmuschcl 208
Klapperschlange 140
Klapperstein 270
Kleidung der Thiere 12
Kleistische Flasche 357
Knorpclthiere 124
Knurrhahn '55
Kobolt 2S5
Königsadler 93
Kolibri loo
Seile
Kohlbaum 24;
Kokosbaum ^ ! 242
Korallcngcwächse 210
Korkhemd Zi?
Krabbe 201
Krähe 112
Kraken 219
Krampffisch 159
Kramtsvogel 117
Kranich 109
Krapp 299
Krebs 199
Kreide 252
Kreuzspinne 198
Kreuzvogel 117
Kröte 190
Kropfgans 104
Krummschnabel 117
Krüuitz 117
Küchcusalz 159
Kupfer ^280
Klickuck 114
L.
Labberdan 194
Lachs 19z
Lachsforelle 19s
Lämmergeyer 99
Lama 67
Lamprette 149
Landregen 964
Lasurstein ^ 266
Latcrnentragcr 177
Laubfrosch 192
Laus 196
Leguan • 195
Leim , 299
Leiter in der Elektricität 9?;
Lemming 91
Leopard 42
Lerchenbaum 249
Leviathan 199
Licht 497
Lockerheit der Körper 297
Löwe 98
Luchs 49
Luft 919
Lufterscheinungen 998
Luftschiff " 9 is
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Seite Seite
Schaaf Silber 380
Schaafians 196 Silbcrfisch 161
Schakal 44 Singdrossel 117
Schall 33° Skunk 31
Schanrpignon ^ 350 Smaragd 268
Schau mwurm 177 Sonne 390
Scheidewasser 261 Sonne, Muschel 207
Schellfisch 154 Sonnenfinsterniß 396
Schiefer, 250 Sormenjahr 420
Schildkröte 128 Sonnenzirkel 422
Schießpulver 261 Spanische Fliege 174
Schleihe 161 Spatz 120
Schlossen 367 Speckkäfer 171
Schlnpfwespe ! 189 Speckstein 26-
Schmerling 157 Specht 98
Schnake 191 Sperber 91
Schnecke 305 Sperling 120
Schnee 368 Spierling 162
Schneehuhn in Spiesglas 284
Schnellkraft 29? Spinne 197
Schnerz 107 Spitzmaus 14
Scholle 111 Sprachrohr 333
Schoosschlaugc : 142 Sprehe 116
Schuppcnthier 77 Springer 15
Schwalbe Schwalbc»schwa uz 123 Springkafer 179. 174
I80 Sprödheit der Körper 292
Schwam m 212 Sprützfisch 14.111
Schwan 102 Spulwurm 204
Schwa rzdroßc! II7 Stachelichte Hornfisch 148
Schwefel 277 Stachelschwein io
Schwefelregen 364 Stahl 283
Schwein ^ 16 Staubregen 364
Schwerdfisch 154 Stechfliege 196
Schwere sog Steckmuschcl 208
Schwimmen 310 Steinadler 95
êwimmgürlc! 313 Steinbock 61
Scorpion 199 Steinkohlen Steinpicker 2 71
Seehund 31 111
Seeigel 2 10 Steinsand 214
Seekuh 30 Sterlet 148
Seepferdchen H» Sternschnuppen 382
Seeraupe 20$ Stieglitz 119
Seestern 210 Stichling IS6
Seeteufel H7 Stinkthier 94
Seifenerde 213 Stinkstein 264
Seidenbau 493 Stint 118
Seidenraupe I80 Stockfisch 114
Senega 246 Storch 106
Serpentinstcin 269 Stralcnbrechttng 339 Strauß
Register.
Seite
Strauß IO8
Sturm Z;6
Sturmvogel 103
Süßholz r 246
Surinamische Kröte 132
Syrup
T.
Tag; seine verschiedene Be^
rechuung 4! 8
Taffin 24s
Tagcthierchen i8i
Talk 272
Tapir 75
Tarantel 198
Taube i”
Termite 196
Than 460
Theestrauch 247
Theilbarkeit der Körper 291
Thermometer 346
Thunfisch. 156
Todtengrabcr *73
Todtenkopf »8o
Todtenuhr »96
Topas 268
Topfbaum 247
Torf 277
Lrampelthier i8
Trappe »06
Tripel *5?
Troglodyt 82
Trompe 336
Tropfstein 264
Truthahn io9
Trüffel 230
Türkischer Weizen 244
Tulpenbaum 247
Turmalin 268
Thger 4*
U.
Uferaas I?ï
Uranus 4C0
V.
Vampyr
Venus
Versteinerungen
Vielfras
Vielfuß
Violenstein
Viper
Vitriol
Vulcan
W.
Wachsmyrthe
Wachtel
Wärme
Waffen der Thiere
Waldschnepfe
Wallfisch
Wallrath
Wallroß
Wandelndes Blatt
Waffcrbley
Wasserfrosch
Wasserhose
Wasserhuhn
Wasserjungfer
Wasserschwein
Weberknecht
Weindroßel
Weinstein
Weinstock
Wels
Wendehals
Wespe '
Wetterfisch
Wiedehopf
Wiesel
Wind
Windbüchse
Windeltreppe
Windrose
Windspiel
Windstille
Wißmuth
Wolf '
Wolkcnbruch
Würger
Ssitr
79
394
271
37
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264
142
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379
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117
258
248
157
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Seite
Z-
bander 156
Jaunkorrig 122
'Zebra 69
Jeischen 120
Jeitrea nnng 417
Jibetykatze 34
Jiege 60
Aim met -48
Zink Deite 284
Jinn 28;
Zipdrojiel 117
Jitrinchen 120
Zitteraal 18. 15?
Zittersisch 143
Job el 34
Jncker 249
Zwerghaase 54
Innhalt der Kupfertafeln.
Fig. k das Nilpserd Fig. iz Orang-Utang
— 2 — Crocodill — 14 das Stachelschwein
— 3 der Geyer — 15 der Paradiesvogcl
~ 4 — Pelican — 16 —• Biber
' — 5 — Wall inch — 17 das Gnrtelthier
— 6 — Haysisch — 18 die Riesenschlange
~ 7 — Penguin — 19 — die Beutelratte
— 8 — Geehund — 20 der Colibri
— 9 das Corallenbanmchen — 21 — Laternentrager
— 10 der Elephant — 22 — Tapir
— 11 das Rhinoceros — 23 das Faulthier
. — 13 der Straujr — 24 der Pfeffervogel
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