828 Die Zeit der falschen Aufklärung und der gewaltthätlgen Staatskunst. Staatsgebietes gleichmäßig verwirklichte. Wohl wurde manche auf altem Herkommen beruhende Einrichtung, die der Einheit des Staates im Wege stand, zum Nutzen des Ganzen beseitigt, aber noch öfter die freie Regung des in kleinen Kreisen waltenden Lebens erstickt. Auch die Einförmigkeit wurde nicht bloß, wo sie ein erforderliches Mittel war, sie wurde, als ob sie selbst ein Ziel der Staatsweisheit sei, allenthalben gesucht. Dadurch wurde der Staat mehr und mehr einer kunstreichen Maschine ähnlich, und die Thätigkeit des Verwaltens vervielfältigte sich immer mehr, weil man möglichst Vieles unter Regeln zu bringen suchte. Man glaubte Vieles, was, ohne mit dem Willen der Staatslenker in Widerspruch zu stehen, doch Selbstständigkeit verrietst, schon darum in Schranken weisen, in Formen zwängen zu müssen, weil man von jeder Uebung der Selbstständigkeit eine Schmälerung der Gefügigkeit besorgte. Indem so die Negierenden und die Negierten in das mechanische Ver- stältniß zweier gegen einander wirkenden Kräfte oder Gewichte kamen, bereitete sich eine große Gefastr vor für eine Zeit, wo die Regierten, die doch die Quelle der Stärke für den Staat und für die Negierenden ausmachten, sich den Einwirkungen mechanischer Gewalt gegenüber zu Aus¬ übung mechanischer Gewalt aufgefordert füstlten. Auch stier war es zu¬ meist die Kirche, deren Thätigkeit der gebührenden Freiheit beraubt wurde. Die Unabänderlichkeit ihrer Gesetze, die Ausdehnung des Kreises, für welchen dieselben Geltung in Anspruch zu nehmen staben, machte sie zu einer gefürchteten Macht, weil sie sich ein Gebiet, in welches keine Ne¬ gierungskunst sich hineinerstrecken solle, vorzubestalten schien. Zudem man aber durch sie die erstrebte Einförmigkeit gefährdet glaubte, von ihr auch eine Durchbrechung des über den Staat gezogenen Netzwerkes der Vor¬ schriften und Regeln besorgte, gab man sich Mühe, sie nicht bloß an Uebergriffen auf staatliches Gebiet zu hindern, sondern auch innerhalb ihres Bereiches die Negierungskunst zu versuchen und dadurch ihr die Kraft zu benehmen, durch welche sie im Namen ewiger Gesetze sich gegen willkührliche Regeln hätte sträuben können. Auch hier war Frankreich den Staaten vorangegangen, da es in langer Reihe von Versuchen die Kirche seines Landes unter dem Vorgeben, sie frei zu machen, mit Fesseln belastet hatte. 3. War die Richtung, welche die Staatskunst in inneren und äuße¬ ren Angelegenheiten genommen, eine der Kirche ungünstige, zum Theile sogar feindliche, so entsprach ihr eine im Laufe der Zeit entwickelte Denkweise, die mit ihr in Wechselwirkung stand. Der Fortschritt der Wissenschaften, vorzugsweise der rechnenden und messenden, sowie die Herrschaft, welche vermittelst derselben der Mensch über die Natur ge¬ wonnen hatte, steigerte die Meinung von der dem einzelnen Menschen Persönlich eigenen Fähigkeit der Erkenntniß so sehr, daß von Vielen die