11 der linken Seite des Flusses, vielleicht in der Gegend von Stade; die römische Flotte war aus dem Rhein in die Nordsee und aus dieser in die Mündung der Elbe hineingesahren und ankerte dem Landheer gegenüber auf der Mitte des Stromes. Am jenseitigen Ufer war die Macht der Deutschen versammelt, glänzend in Waffen und brennend vor Kampfbegier. Da bestieg Einer von ihnen, ein Greis von hohem Wuchs und durch seine Kleider als vornehm bezeichnet, allein einen Nachen, aus einem einzigen Baumstamm gezimmert, ruderte sich auf die Mitte des Flusses und begehrte freies Geleit an das andere Ufer. Es ward ihm gewährt; der Häuptling landete, begrüßte den römischen Feldherrn und sprach Worte des Friedens und der Versöhnung. Dann kehrte er zu den Seinigen zurück, und Tiberius, der den Uebergang über den mächtigen Fluß nicht wagen wollte, brach sein Lager ab und zog wieder an den Rhein. Das rechte Elbuser blieb ununterworfen. Aber welches Volk bewohnte denn jetzt — zur Zeit Christi — die Länder diesseit der Elbe? — Der römische Schriftsteller Tacitus, der 100 Jahre nach Ehr. Geburt lebte, sagt: „Die Halbinsel von Deutschland besitzen die Cimbern, welche nahe an dem großen Meer (Nordsee) wohnen. Nunmehr ist es nur ein geringes Volk; aber es hat einen großen Namen, denn die alten Heldenthaten sind noch in frischem Andenken." Dann nennt er noch sieben Völker, die er unter dem Namen der Nerthusvölker zusam¬ menfaßt und welche, wie Alterthumskundige (z. B. Dr. v. Maack) behaupten, um die südwestliche Ecke der Ostsee und auf den dänischen Inseln ihren Wohnsitz gehabt haben müssen. Nerthusvölker wurden sie genannt, weil sie sämmtlich die Göttin Nerthus oder Hertha verehrten. Das gemeinsame Hei¬ ligthum der Nerthus lag aus einer Insel, und Dr. v. Maack glaubt — ab¬ weichend von Andern, aber wie es scheint nicht ohne Grund — annehmen zu dürfen, daß diese heilige Insel das vorhin genannte Land-Oldenburg- Fehmarn gewesen. Der heilige See, von welchem Tacitus spricht, meint er, sei der frühere See von Siggen (Segen), der von Tacitus erwähnte Tempel habe in dem vormaligen Dorfe Siggen gestanden, dessen Name einem christlichen Pfaffendors entspricht; von dem Einschisfungsort des heiligen Wagens, der die Göttin trug, zeuge noch heutigen Tages der Name der Stadt Heiligenhafen. Der Geograph Ptolomäus, der etwas später als Tacitus lebte, schreibt: „Auf dem Nacken der cimbrischen Halbinsel wohnen die Sachsen." Nehmen wir nun an, daß nur ein kleiner Theil der ursprünglichen Bevölkerung, der Cimbern, auf der Halbinsel zurückgeblieben ist, so ist höchst wahrscheinlich, daß von Norden und Süden her neue Volksstämme eingedrungen sind, und so erhielt das Land eine gemischte Bevölkerung. An der Westküste der Halb¬ insel hausen Cimbern und Friesen, auf der Ostküste Nerthusvölker, nämlich Jüten, Angeln, Suardonen (vielleicht um die Schwartau), Reudigni, Bewohner ausgerodeter Waldgegenden (um Lütjenburg), Avionen, Bewohner der Nerthusinsel. Die beiden übrigen Nerthusvölker faßen in der Nähe der cimbrischen Halbinsel: Warner an der Warnow, Nuithoncs oder Viten, vielleicht auf Laaland, Falster und Möen. Der Bund Nr Nerthusvölker ward gesprengt durch die Sachsen, von welchen Ptolomäus schreibt, daß sie zu seiner Zeit auf dem Nacken der cimbrischen Halbinsel saßen.