/ — 22 — zwischen dem fränkischen Reich und den Landen des Königs Hemming aner¬ kannt. Jetzt konnte Karl auch in Holstein geordnetere Zustände schaffen und sich dort der Pflanzung des Christenthums ernstlicher annehmen. Hamburg ward neu erbaut und befestigt, erhielt eine Besatzung und eine Kirche. Mel- dorf mochte schon früher ein Gotteshaus erhalten haben. Jetzt wurden auch die nordelbingifchen Sachsen aus ihrer siebenjährigen Verbannung be¬ freit; Karl befahl dem Grafen Egbert, ihnen ihr Land, das zuvor den Wen¬ den überlassen war, wieder einzuräumen. So gehörte nun das Sachsenland und mit ihm Holstein zu dem un¬ geheuren fränkischen Reich, das fast alle christlichen Völker des Abendlandes umfaßte. Karl hatte das ganze Frankenreich in Gaue getheilt, über welche er Grafen d. i. Graue (Greife) bestellte. Sie hießen Gaugrafen; neben diesen werden noch Burg-, Pfalz-, Mark- und Sendgrafen genannt. Die Burggrafen waren über befestigte, die Pfalzgrafen über kaiser¬ liche Paläste und Schlösser (Pfalz heißt Burg, von Pfahl, weil die ersten Burgen der altfränkischen Fürsten Pfahlburgen waren) gesetzt; die Mark¬ grafen hatten die Grenzen des Landes zu schützen, und die Send grafen mußten in Karls Auftrag die Gaugrafen überwachen und von Allem getreuen Bericht erstatten. Wahrscheinlich war Odo in Hamburg Gaugraf und Egbert Burggraf im H o l st e n g a u. 6. Ansgar, der Apostel des Nordens. Ansgar war im Jahre 801 in der Nähe von Amiens geboren und gehörte einem adeligen Geschlechts an. Seine Mutter pflanzte schon frühe die zarten Keime der Frömmigkeit in das Herz des Knaben und entschied so die Richtung seines spätern Lebens. Doch schon in seinem fünften Lebens¬ jahre ward ihm die treue Hüterin feiner Kindheit entrissen. Sein Vater konnte ihm nicht die gleiche unermüdliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmen, und so verlebte er von jetzt an seine Zeit im Kreise seiner Gespielen, und der frühere Ernst schien mehr und mehr aus seinem Gemüthe zu ver¬ schwinden. Aber in stillen Stunden tauchte in der Seele des Knaben das freundliche Bild der Mutter wieder auf, und es war ihm, als warne sie ihn mit bekümmertem Antlitz vor dem leichtsinnigen Leben. Die Sehnsucht nach seiner Mutter beherrschte auch seine Träume, und wenn er in denselben die Pflegerin seiner Jugend sähe und mit ihr redete, so wurden die frommen Eindrücke, die er einst von ihr erhalten hatte, wieder lebendig. Der Vater glaubte für die Erziehung und Ausbildung seines Sohnes nicht besser sorgen zu können, als wenn er ihn dem berühmten Kloster zu Corvey (Korbei, Corbin) anvertraute, wo er von dem Abt Adelhard, einem Neffen Karls des Großen, mit väterlicher Sorgfalt erzogen und von dem gelehrten Radbert gründlich unterrichtet wurde. Die Nachricht von dem Tode Karls des Großen (814) erhöhte hier noch den Ernst seines Ge- müths. Er hatte diesen mächtigen Fürsten in seinem höchsten Glanze gesehen; daß nun alle feine Herrlichkeit so plötzlich dahin war, dieser Gedanke erregte in dem Knaben ein lebendiges Gefühl von der Nichtigkeit aller irdischen Dinge. Er theilte seine Zeit so eifrig zwischen Gebet und Arbeit, daß er