58 Deutschlands klassische Literatur. Möser 1720-94. Schlözer 1735 — 1809. Instinkt; im Menschen sind beide Principien, der Universalwille und der Particularwille, vereinigt aber zertrcnnlich, und auf dieser Zertrennlichkeit beruht die Möglichkeit des Guten und Bösen. ,,Das Gute ist die Unterordnung des Particularwillens unter den Universalwillen, die Verkehrung dieses richtigen Verhältnisses ist das Böse"; in der Möglichkeit beider besteht die menschliche Freiheit. In Christus ist das Princip der Liebe dein Mensch gewordenen Bösen entgegengetreten. „DaS Ende der Geschichte ist die Versöhnung des Eigenwillens und der Liebe, die Herrschaft deS Universalwillens, so daß Gott ist Alles in Allem". Seine Gottesidee ist demnach eine Ver¬ einigung von Naturalismus und Theismus, so daß Gott Grund und Ursache zugleich ist. — Nach der Aufstellung dieses Systems beobachtete Schelling ein langes Schweigen, indem er, einige kleinere Abhandlungen abgerechnet, Nichts im Druck erscheinen ließ. Selbst seine im I.1841 erfolgte Berufung nach Berlin, um durch sein neuestes System „Philosophie der Mytho¬ logie und Offenbarung" der Hegel'schen Begriffslehre entgegen zu wirken, hat dieses Schweigen nicht zu zerreißen vermocht. Die Darstellung dieses letzten Systems der „positiven Philosophie" hat Schelling bis jetzt der Welt vorenthalten und das von Andern darüber Ver¬ öffentlichte kann nicht als authentische Quelle gelten. „Die Schelling'sche Philosophie ist kein geschlossenes, fertiges System, zu dem sich die einzelnen Schriften als Bruchtheile verhielten, sondern sie ist wesentlich, wie die platonische Philosophie, Entwickelungsgeschichte, eine Reihe von Bil¬ dungsstufen, die der Philosoph an sich selbst durchlebt hat. Statt die einzelnen Wissenschaften vom Standpunkt seines Princips aus systematisch zu bearbeiten, hat Schelling immer wieder von Vorn angefangen, immer neue Begründungen, neue Standpunkte versucht, meist twie Plato) unter Anknüpfung an frühere Philosophcme <Fichte, Spinoza, Neuplatonismus, Leibnitz, Jacob Böhme, Gnosticismus), die er der Reihe nach in sein System zu verweben gesucht hat." Schclling's Landsmann und Studicngcnvsse in Tübingen war Georg W. Fr. Hegel, geb. den 27. Aug. 1770 zu Stuttgart. Nach einigen in der Schweiz und in Frankfurt a. M. als Hauslehrer verlebten Jahren habilitirte sich Hegel in Jena, wo er bis zum Jahre 1806 in Schelling'S Geist philosophische Vorträge hielt. „Unter dem Kanonendonner der Schlacht bei Jena vollendete er die,,Phänomenologie des Geistes", sein erstes großes und selbständiges Haupt¬ werk, die Krone seines Jenaer Wirkens, seine „Entdeckungsreisen", wie er sie selbst nannte. Von Jena siedelte er nach Bamberg über, wurde aber schon im Jahre 1808 Rector des Gymnasiums zu Nürnberg, wo er sein großes Werk über „Logik" bearbeitete. Im I. 1816 folgte er einem Rufe als Professor der Philosophie nach Heidelberg und gab dort die „Encyclopädie der philo¬ sophischen Wissenschaften" heraus, worin er zum erstenmal das Ganze seines Systems aufstellte. Seine größte Berühmtheit aber erlangte Hegel erst durch seine 1818 erfolgte Berufung nach Berlin, wo er Pich eine ausgebreitete, wissenschaftlich thätige Schule heranzog, Vorlesungen über alle Zweige der Philosophie hielt und seinem System eine Zeit lang die Geltung einer Staatsphi¬ losophie erwarb. An Schelling sich anlehnend, theilte Hegel seine Philosophie in 3 Thcile: ,,I) Die Erposttion des Jndifferenzpunktes, die Entwickelung der reinen, allem natürlichen und geistigen Leben zu Grunde liegenden Begriffe oder Denkbestiminungen, die logische Entfaltung des Abso¬ luten— d i e W i ssensch a ft d e r L o g i k; 2) die Entwickelung der realen Welt oder der Natur — Naturphilosophie; 3) die Entwickelung der idealen Welt oder des concreten, ,in Recht, Sitte, Staat, Kunst, Religion, Wissenschaft sich bethätigenden Geistes — Philosophie ves Geistes. Diese drei Theile des Systems stellen zugleich die drei Momente der absoluten Me¬ thode: Thesis, AntithesiS und Synthesis dar. Das Absolute ist zuerst reiner, stoffloser Gedanke; zweitens ist es Anderssein des reinen Gedankens, Verzerrung desselben in Raum und Zeit — Natur; drittens kehrt eS auS dieser Selbstentfremdung zu sich selbst zurück, hebt das Anderssein der Natur auf und wird erst dadurch wirklicher, sich wissender Gedanke oder Geist." Diese fortschreitende Entwickelung des Geistes von den niedrigen zu den höhern Bewußtseinsformcn bis zur vollkom¬ menen Selbsterkcnntniß und Selbstgewißheit geschieht durch die Methode der Dialektik. §, G4. Geschichte. Auch die Geschichtschreibung nahm einen mächtigen Umschwung. Justus Möser zeigte in seiner O s n a b rü ck' schen Geschichte, wie man nur durch Er¬ forschung und Würdigung der einheimischen Lebcnsverhältnisse, Sitten und Einrichtungen zu einer wahren Volks- und Landcsgeschichte gelangen könne; Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit gaben den Anstoß zu einer freiern, großartiger» Auffassung der Weltgeschichte, indem sie den Forscher auf die philosophische Höhe führten, von der das Auge die Völkcrmasten vieler Jahrhunderte überschaute; und wenn schon Schlözer gegen diese poetische Auffassung ankämpfte, die klassischen Autoren gcring- schätzte und mit praktischem Sinn blos die bestehenden Verhältnisse erfaßte und zu bessern suchte, die höhere philosophische Anschauung der Geschichte machte sich dennoch geltend.