288 Napoleon's Zug nach Rußland.— Die Schlacht bei Smolensk. — Die Schlacht bei Borodino.— Der Brand von Moskau. 1812. Im Jahre 1812 stand der Kaiser Napoleon auf dem Höhe¬ punkte seines Glanzes und seiner Größe. Obgleich er ein Mann aus dem Volke war, so dachte er doch nur an sich, und wie er den Durst nach Gewalt, der brennend heiß in seiner Seele tobte, noch mehr stillen könne. Dem Gewaltigen war es nicht ge¬ nug, eine halbe Welt zu seinen Füßen liegen zu sehen, er wollte auch die andere Hälfte noch gewinnen. Darum ließ es ihm weder Ruhe noch Rast; er mußte auch mit dem Kaiser Alexan¬ der von Rußland brechen, um besten Macht ebenfalls noch nie¬ derzuwerfen. Denn erst nach dem Untergange Rußlands meinte er, den letzten Widerstand gebrochen zu haben, der sich noch wirksam gegen ihn erheben möchte. Einige fast unbedeutende Er- eigniste, besonders der Umstand, daß sich Rußlands Beherrscher von dem gegen England angeordneten Continentalsystem lossagte, brachten den lange vorausgesehenen Krieg zum Ausbruch. Im Frühjahr des Jahres 1812 wälzte sich Napoleon's unge¬ heure Heeresmacht — nach genauer Berechnung 610,000 Mann mit 1345 Geschützen und 187,000 Pferden — gegen Rußlands Grenze hin. Ein schöneres und bester ausgerüstetes Heer hatte die Welt bisher noch nicht gesehen; für bloß menschliche Kraft schien dastelbe unbesiegbar zu sein. Ungefähr die Hälfte des Heeres be¬ stand aus gebornen Franzosen, Napoleon's besten Kriegern, wel¬ che sich bereits auf den Schlachtfeldern von Marengo, Auster¬ litz, Jena, Fried land, Aspern rc. ausgezeichnet hatten. Ihnen mußten sich Rheinbündner, Portugiesen, Holländer, Spa¬ nier, Italiener, Schweizer und Polen, kurz Krieger,- welche fast in allen Zungen Europa's redeten, anschließen. Der Rheinbund mußte über 100,000 stellen, Oesterreich und Preußen, denen für jetzt keine andere Wahl geblieben war, als ein Bündniß mit Frankreich einzugehen, 50,000 Mann; die Schweiz hatte 12,000 Mann in Sold zu geben. Am eifrigsten waffneten sich 50,000 Polen, weil ihnen Napoleon die Wiederherstellung ihres König¬ reiches versprochen hatte. Sehr groß war die Last, welche dem preußischen Staate