— 140 — mit Fackeln einen sangen gekrümmten Gang voraus, an dessen Ende sich eine rohe Treppe erhob, die durch eine mit Eisen beschlagene Pforte in die große Halle des Gefängnisses führte, und an dem oberen Ende von dieser wieder öffnete man eine kleine Thür, die als Eingang in das für Ludwig bestimmte Schlafgemaeh führte. Nachdem hier Ereveeoeur dem Könige bemerklich gemacht, wie es des Herzoges ausdrücklicher Befehl sey, daß Niemand von seiner Umgebung die Halle verlasse, nahm er mit den übrigen burgundischen Herren seine Beurlaubung und ließ Ludwig unter der schrecklichsten Befürchtung alles dessen, was das zornerfüllte Gemüth seines übermächtigen Vasallen sich versucht fühlen möchte, in diesem geheimen Schlupfwinkel des Despotismus gegen ihn zu verüben, in einer sich selbst gewählten Gesellschaft allein, welche so durchaus originell war, daß deren Mitglieder wohl verdienen, lster näher bezeichnet zu werden. Der erste derselben war der berüchtigte Barbier und Kammerdiener des Monarchen, Oliver Dain, auch Oliver le mauvais (der Böse, Gefährliche) und Oliver le viable (der Teufel) genannt — alles Beiwörter, von der rücksichtlosen Verschmitztheit entlehnt, womit er die Ausführung der Plane von seines Herrn vielfach verschlungener Politik zu unterstützen pflegte. Ferner der damals sehr berühmte Astrolog, Poet und Philosoph, Galeotti Mar¬ tins oder Martivalle aus Narni in Italien, der Gegen¬ stand allgemeiner Verehrung seines Zeitalters. Ec hatte früher lange Zeit gelebt am Hofe Matthias Corvinas, dem er gewisser¬ maßen durch Ludwig war listigerweise abtrünnig gemacht worden, indem er den ungarischen Monarchen um die Gesellschaft und die Nathschläge eines Weifen beneidete, welchem man eine ganz vorzügliche Geschicklichkeit in Enthüllung der Beschlüsse des Him¬ mels zutraute, tlnb dann noch der schon früher genannte Hen¬ kershauptmann Tristan l'Hermit, nebst zwei von dessen Leuten. War die Nacht, welche Ludwig hierauf zubrachte, sorgen¬ voll ängstlich und unruhig, so war es noch mehr die, welche der Herzog von Burgund durchlebte; denn dieser besaß keineöweges dieselbe Herrschaft über seine Leidenschaften und gestattete ihnen fast immer einen freien Einfluß auf feine Handlungen. — Der Sitte an seinem Hofe gemäß, theilten zwei seiner vornehmensten Näthe seine Schlafstätte; allein ihre Gegenwart war nie noth- wendiger, als in dieser Nacht, wo das Gemüth des Herzoges,