< X — 457 — Der Kronprinz von Baiern übersetzte das, was er auf Französisch sagte, in's Deutsche. Er erinnerte die bairischen Offiziere, daß das Haus Oesterreich stets ihr Feind gewesen und die Vernich¬ tung der Unabhängigkeit Baierns sich zur Aufgabe gemacht habe, daß seit mehr als 200 Jahren die bairifchcn Fahnen steis gegen Oesterreich geweht hätten; mit den Würtembcrgern sprach er von den Siegen, die sie gegen Oesterreich erfochten, als sie (1606) bei dem preußischen Heere fochten. Allen sagte er, der Augenblick des Sieges sey gekommen, den Krieg auf das Oestcr- reichische Gebiet zu spielen. „Ich bin nicht als Kaiser von Frankreich, sondern als Beschützer des deutschen Bundes in eurer Mitte. Kein Franzose ist unter euch; ihr allein sollt die Oester- reicher schlagen." Diese Reden, welche den Regimentern von den Obersten mitgctheilt wurden, brachten eine begeisternde Wir¬ kung hervor. Es war dem Erzherzoge nicht gelungen, wieder auf das rechte Ufer überzusetzen. Am 9. Mai, vier Wochen nach Eröff¬ nung des Feldzugs, standen die Franzosen unter den Mauern von Wien. In dieser Stadt lag der Erzherzog Maximilian, Bruder der Kaiserin, mit einem Corps von 10,000 Mann. Seine Gegenwart und der Gedanke, daß der Erzherzog Karl in Eilmärschen vorrücke, erzeugte in den Wienern den Vorsatz, sich zu vertheidigcn. Die Vorstädte wurden von der französischen Vorhut ohne Schwierigkeit in Besitz genommen, sie waren durch kein Festungswerk gedeckt; auf dem freien Platze aber, der die Vorstädte von der eigentlichen Stadt trennt, wurden die Fran¬ zosen von den Wällen aus mit Kartätschen empfangen. Napoleon schrieb an den Erzherzog Maximilian und ließ den Brief durch eine Deputation der angesehensten Bewohner der Vorstädte über- bringen. Statt der Antwort ließ Maximilian das Feuer der Walle von neuem beginnen und zwang auf diese Art seinen Feind zum Sturme. Die Stadt ward von drei Seiten cinge- schloffen; eine Batterie von zwanzig Haubitzen erhob sich auf dem Platze, wo die Türken bei der Belagerung 1683 ihre Lauf¬ gräben eröffnet hatten (s. N. Gesch. B. L „die Belagerung von Wien"), hundert Klaftern von der Festung entfernt. Um 9 Uhr Abends begann das Bombardement. In Kurzem waren 1800 Haubitzenkugcla in die Stadt geworfen, und mehrere Gebäude eingeäschert, Dieser Brand erschreckte die Einwohner, und ihr