170 die Kirche seufze unter dem Drucke der Fürsten, anstatt daß die Fürsten, als Glieder der Kirche, dem Oberhaupte derselben unterworfen sein sollten. Dieß behauptete er sogar zu einer Zeit, als die Geistlichen Ansehen und Reichthum in solchem Maße besaßen, wie nie zuvor. Nach seiner Behaup- ttlng war nun das Kaiserthum nur ein Lehen des römischen Stuhles; er berief sich dabei auf einen erdichteten Schenkungsbrief Constantin's des Großen. Um die Geistlichkeit noch mehr von aller Verbindung mit den weltlichen Fürsten zu trennen, und zu machen, daß sie nur an der Kirche hangen, nur dem Interesse des Priesterthumcs dienen, und hierin auch nicht etwa durch die zarten Bande des Familienlebens gehindert sein sollten, unter¬ sagte er auf's Strengste die Priesterehe, die bisher noch immer ziemlich häufig stattfand, obschon das Mönchthum die Ehe überhaupt als etwas Un¬ reines darzustellen bemüht und für dieses Bemühen mit Erfolg thätig ge¬ wesen war. Um einen beständigen Anlaß zu haben, unter einem frommen Vorwände das Betragen der Könige zu untersuchen, zugleich aber auch, im Falle des Widerspruches, mit dem Kirchenbanne zu belegen, wiederholte er nicht nur das schon oft gegebene Verbot, geistliche Würden zu verkaufen (man nannte dieß Simonie), sondern verordnete auch, daß künftig kein Laie befugt sein solle, einen Geistlichen mit Ring und Stab zu belehnen,*) daß das Kirchliche über dem Weltlichen stehe, folglich auch die kirchliche Gewalt nicht von der weltlichen, sondern diese von jener abhängen müsse. Ja nun galt überhaupt die Belehnung eines Geistlichen von weltlicher Hand für Simonie. Doch schwerlich wäre es dem Papste gelungen, seine Absichten gegen das Kaiserthum durchzusetzen, wenn nicht Heinrich IV. seine Vasallen zu sehr gegen sich aufgebracht, und dadurch die deutschen Großen zu dem gemeinsamen Streben geführt hätte, selbst Alles dazu aufzubieten, das weltliche Oberhaupt des Reiches zu schwächen. Mehre Bischöfe berichteten die Gewaltthätigkeiten ihres Königes an den Papst. Gregor ergriff so¬ gleich die Gelegenheit, sein Ansehen geltend zu machen, ermahnte Heinrichen ernstlich, besser zu regieren, und forderte ihn namentlich dazu auf, die geist¬ lichen Aemter nicht, wie er bisher gethan hatte, nach Willkür zu vertheilen, sondern überhaupt der Verleihung geistlicher Stellen sich gänzlich zu enthalten. Als sich Heinrich nicht im Geringsten an diese Ermahnungen kehrte, rief Gregor ihn sogar nach Rom, um sich wegen der gemachten Beschuldi¬ gungen zu verantworten, oder zu gewärtigen, daß er in den Bann gethan würde. Heinrich berief schnell diejenigen Bischöfe, welche er begünstigt hatte, nach Worms und ließ daselbst den Papst Gregor VII. feierlich seiner Würde entsetzen. Dagegen that Gregor den König in den Bann und sprach alle Deutschen und Welschen von dem Eide der Treue gegen ihn *) Eine solche Belehnung oder Erthcilung einer geistlichen Würde und des damit verbundenen Besitzes nennt man mit einem lateinischen Worte: Investitur.