12 Aegypten. Verstand man auch noch nicht sogleich, Fensterscheiben, Spiegel, Trink¬ gefäße rc. aus Glas zu bereiten, so gewährte diese Erfindung den Phö- niciecn doch einen wichtigen neuen Handelsartikel. Ein Hirt, der am Ufer weidete, bemerkte, daß sein Hund mit Blut befleckt aus dem Schilfrohr zurückkam. Bei näherer Betrachtung aber ergab es sich, daß die rothe Farbe nicht Blut war, sondern daß sie sich durch Zartheit und Schönheit vor allen bekannten Färbestoffen auszeichnete. Der Hirt untersuchte nun, woher sie komme und fand, -aß der Hund am Strande kleine Schnecken zerbissen habe, in denen jener schöne hochrothe Saft enthalten war. Solche Schnecken, Pur¬ purschnecken genannt, wurden nun gesammelt, man lernte auf eine leichte Weise den Saft gewinnen und färbte damit die wollenen Stoffe, welche damals schon von phönicischen Webern in außerordentlicher Güte bereitet wurden. Wegen der großen Kostbarkeit dieser Farbe wurden aber in der Regel nicht ganze Gewänder mit Purpur gefärbt, sondern nur durch Purpurstreifen verziert. Ein Purpur-Gewand zu tragen war ein Zeichen der Wohlhabenheit; deshalb wird auch vom reichen Mann im Evangelium (Luc. 16, 19.) ausdrücklich erwähnt: er kleidete sich mit Purpur und köstlicher Leinwand. II. Die alten Aegypter, das merkwürdigste Volk in Afrika. § 6. Wendet man sich von Phönicien aus südlich an der Küste des mittelländischen Meeres hin, so gelangt man zunächst in das jü¬ dische Land, von welchem in der Folge erzählt werden soll; weiter im Süden ist die schmale Landenge Suez, welche die beiden Erdtheile Asien und Afrika mit einander verbindet. Sie führt zunächst nach Aegypten. Jetzt begreift man mit diesem Namen ein Land von sehr großem Umfang. Das alte Aegypten war weit kleiner, bot aber des Merkwürdigen so viel dar, daß es nicht mit Unrecht das Land der Wunder genannt wurde. Ein großer Strom, der Nil, fließt durch dasselbe. An beiden Seiten des untern Nils befindet sich in einer Aus¬ dehnung von ungefähr 100 Meilen ein schönes fruchtbares Thal, gegen drei bis vier Meilen breit. An dieses hat man zu denken, wenn von. dem alten Aegypten die Rede ist. Der Nil entspringt in den höheren Gebirgszügen des innern Afrika, von denen er auch viele Zuflüsse er¬ hält. Die Länder der heißen Zone, welche er durchströmt, haben keinen Winter mit Schnee und Eis, sondern dafür regelmäßigen starken Re¬ gen, der längere Zeit anhält. In den Regenmonaten schwellen die Flüsse an und treten über ihre Ufer. Gegen Ende des Juni bemerkt man in Aegypten ein allmähliches Steigen des Nil, das bis zum