Da wo sich jetzt die Elbe wie ein breites silbernes Band zwischen wogenden Getreidefeldern und am Fuße von grünen Rebenhügeln durch unser gesegnetes Vaterland langsam dahinschlängelt, da wo wir jetzt die fleißige Hand des Landmanns oder die windschnell dahinbrausende Locomotive erblicken, wo der altehrwürdigc Dom von Meißen und die Albrechtsburg weithinaus in die sonnigen Auen des Elbthals schauen, tobte zu einer Zeit, welche die beglaubigte Geschichte kaum erreicht, ein ungebändigter Strom zwischen unwirthlichen Ufern dahin, undurch¬ dringliche Waldungen bedeckten weithin Thäler und Berge und der warme Strahl der Sonne vermochte die überall in den Niederungen sich bildenden, giftigen Brodem verbreitenden Sümpfe nicht trocken zu legen. Sparsame Zeichen von menschlichem Anbau kündigten an, daß diese Urwälder nicht ganz unbewohnt waren, höchstens, daß auf einigen lichteren Waldebeneil wenige dürftige Hütten itnb weidende Heerden Derriethen, daß ein Nomadenvolk für kurze Zeit hier seinen Sitz aufge¬ schlagen habe und den zahlreichen Raubthieren die Herrschaft in diesem Waldlabyrinth streitig mache. Wie leicht aber die Thätigkeit dieses be¬ lebenden Elements in der Wagschale der Cultur des alten Sachsenlan¬ des gewogen habe, dafür bedarf cs keines bessern Beweises, als daß wir jetzt kaum noch etwas mehr von ihnen als den Namen wissen. Es waren die Hermundurer, ein germanischer Volksstamm und wahrscheinlich ein Theil des großen Thüringer Volkes, welches einst mit den Kalten um den Besitz der Salzquellen an der (fränkischen) Saale gestritten hatte. Tapfer müssen sie gewesen fein, denn selbst die Römer schätzten sie und gestatteten ihnen den Zutritt zu ihren Wohnsitzen, den sie andern deutschen Stämmen verweigerten, allein von dem Augen¬ blicke an, wo sie als Theilnehmer an dem großen Befreiungskämpfe des Markomannenbundes (166 n. CH.) gegen die fremden Unter¬ drücker genannt werden, verschwindet ihr Name aus der Geschichte und es ist wahrscheinlich, daß sie mit ihrem Muttcrvolke, den Thüringern Grüße, Sachsen und seine Regenten. 1