95 Friedrich Wilhelm, genannt der große Churfürst. Das war die erste große Wohlthat, die er dem Lande erzeigte. Doch mußte er sich selbst eingestehen, daß es erst ein geringer Anfang sei, um dem Lande aufzuhelfen. Tag und Nacht grübelte der junge Churfürst darüber, wie er der großen Landesnoth begegne, doch ver¬ mochte ec keinen Ausweg aufzusinden. Einst versammelte er seine Rathe, um mit denselben sich über diese schwere Sache zu besprechen. Die Rathe wußten aber keine Hülfsmittel anzugeben. Friedrich Wil¬ helm sprach: „Ich bin betrübt, aber nicht muchlos. Gott wird uns Helsen. Morgen wollen wir weiter darüber reden." — Als die Raths- Herren sich entfernt hatten, ging der junge Fürst in sein Zimmer, siel auf seine Kniee und betete inbrünstig zu Gott um Beistand. Schon von früher Jugend an erbaute sich Friedrich Wilhelm im Lesen der Psalmen und fand darin vielfach Trost. Auch jetzt hatte ihn sein Gebet gestärkt. Und siehe, kaum kam er aus seinem Zimmer, da wurden ihm Männer vom Adel aus Preußen gemeldet, die um eine Unterredung baten. Der bedrängte Fürst fürchtete schon, daß sie neue Klagen vor ihn bringen wollten, denn dies geschah leider fast täglich. Doch die Männer sprachen: „Die Noth im Lande ist groß. Ord¬ nung und Recht fehlt und Jammer und Elend ist überall. Wir wollen nns aber zusammen thun und unsere Knechte bewaffnen, um Kriegesvolk zu schaffen, damit die Obrigkeit unterstützt werde. Dann wollen wir unsere Güter verpfänden, um Geldsummen zu erhalten; wir wollen Korn, Vieh und Ackergerath kaufen, die armen Bauern unterstützen und sorgen, daß die Felder wieder bebaut werden. Wir haben mehrere Versammlungen gehalten und schon sind unserer viele, die so denken, wie wir. Die verdächtigen Soldaten können wir weg¬ schaffen, die arbeitslosen Menschen beschäftigen und so nach und nach redliches Geschäft in's Land zurückbringen. Nun sind wir hier, um dazu die Erlaubniß einzuholen." — Als dies der Churfürst hörte, ward er sehr gerührt, und erzählte den Abgeordneten, in welcher Noth er sei, wie er so eben Gott im Gebete inbrünstig um seine Hülfe angefleht habe, und wie er in ihrem Anerbieten die Hülfe des Herrn so sichtbar erkenne. Mit Dank nahm er den Vorschlag an. Es bildeten sich im Lande mehr solcher Vereine, die viel Gutes leisteten. Im Jahre 1643 durchreisete Friedrich Wilhelm selbst die ganze Mark und erschrak vor der graulichen Verwüstung, denn in einem solchen Grade hatte er sie sich nicht gedacht. Aber je größer das Unglück, desto eifriger sein Willen, das Elend zu mildern. Ec sendete einsichtsvolle Männer in die Provinzen, die mit Rath und That die Unterthanen unterstützen sollten, die verödeten Felder zu bearbeiten und die Brandstätten zu bebauen. Wer Lust zum Arbeiten hatte, dem wurden Felder angewiesen und Freiheiten und Begünstigungen zum Anbau der Wohnungen ertheilt. Aber es fehlte an Händen zum Arbeiten und Schaffen. Daher suchte Friedrich Wilhelm aus bevöl¬ kerten Gegenden Menschen in sein Land zu ziehen. Oldenländer aus dem Herzogthum Bremen kamen in die Altmark, bauten Damme