VI. Zeitraum. Das heil, römische Reich deutscher Nation rc. 87 siasmus (Begeisterung) stieg immer höher, je länger er redete. Dann rief er mit heftigem Unwillen: „Ihr, die ihr Wittwen und Waisen be¬ raubet, die Unschuldigen unterdrückt, die Kirchen mit Waffengetümmel erfüllt und entehrt und des Ritterthums Gürtel nur tragt, als ein Zei¬ chen, daß ihr gewohnt seid, nicht die Kirche und ihre Diener, wie ihr gelobt, zu schützen, sondern des Erlösers Schafstall zu verwüsten, euch einander selbst zu zerfleischen und wie die Geier den Leichnamen, so den Kriegen und Fehden in entfernte Gegenden nachzuziehen, legt ab den Gürtel eines solchen Ritterthums, welches von Gott fern ist, werdet Ritter Christi und eilt herbei zum Schutz der morgenläudischen Kirche, welche die Milch des göttlichen Wortes in euren Mund träufelte!" Er bat die Alten und Schwachen und Alle, welche außer Stand seien, die Waffen zu führen, nicht mitzuziehen, damit sie nicht der Sache schadeten, sondern lieber durch Geld und auf andere Weise die Streitenden zu unterstützen, wofür er ihnen in gleichem Maße, als denen, welche wirk¬ lich mitzögen, Vergebung ihrer Sünden ankündigte. Den Geistlichen aber verbot er strenge, ohne die Erlaubnis ihrer Bischöfe ihre Kirchen zu ver¬ lassen, denn ohne priesterlichen Segen werde ihr Unternehmen doch keinen glücklichen Fortgang gewinnen. Dann machte er bekannt, wer an der bewaffneten Pilgerfahrt Antheil nehmen wolle, möge nach alter Pilger¬ sitte mit dem Kreuze sich bezeichnen. „Ihr, meine Brüder und Mit¬ bischöfe, Mitpriester und Miterben Christi," redete er am Schluß die Geistlichen besonders an, „predigt in den euch anvertrauten Genieinden das Kreuz, schildert ihnen die Roth der Christenheit und entflammt ihre Herzen, auf daß sie helfen!" Viele der Anwesenden wurden durch diese Rede zu Thränen erweicht; Andere sah man zitlern, als sähen sie die Leiden, welche der heilige Vater beschrieb, mit eigenen Augen; Andere ermahnten ihre noch bedenklichen Nachbarn zum Beitritt zu dem heiligen Unternehmen. Nachdem der Papst seine Rede geendigt, drängte sich zuerst Bischof Ademar von Puh mit heiterem Angesichte zu ihm hin, warf sich vor ihm nieder und bat um die Erlaubniß, in den heiligen Krieg ziehen zu dürfen und um seinen Segen. Als er Beides erhalten, folgte ihm der größte Theil der anwesenden Geistlichen und Laien. Dann legte einer der Cardinäle, welche den Papst begleiteten, im Namen aller Pilgrime, welche zur Erde niederfielen, das Bekcnntniß der Sünden ab und der heilige Vater ertheilte die Absolution. Hierauf näheten Alle auf ihre rechte Schulter ein rothes Kreuz. Bald hernach wurden dem Papste Gesandte des Grafen Raimund von St. Gilles vorgestellt, welche ihm und dem Concil anzeigten, daß ihr Herr das Pilgerkreuz bereits angenommen und eine beträchtliche An¬ zahl Ritter versammelt habe; daß er noch mehr Kriegsvolk aus seiner Grafschaft in Sold nehmen und jeden Ritter, der in seinem Heere strei¬ ten wolle, mit Geld und andern Bedürfnissen unterstützen werde. Der Zutritt eines so mächtigen und tapfern Herrn, die Unterstützung und Belohnung, welche er verhieß, bewog noch Viele, welche durch die Rede des heiligen Vaters noch nicht entflammt waren, zur Annahme des Kreuzes.