570 Dritter Zeitraum. II. Abschnitt. gier Russlands gerettet wird. Gegen Oesterreich hat Russland in den Kämpfen Ungarns den schützenden Freund des Absolutismus gespielt, wodurch Oesterreich zwar noch einmal zusammengcleimt erscheint, aber auch in der Meinung von ganz Europa tief gesunken ist, wie sehr es sich auch in der deutschen Angelegenheit den Anschein der Großmacht giebt, namentlich Preußen gegenüber, dem man schon etwas bieten zu können meint. Dagegen ist das kolossale Russland nicht im Stande, das kleine Bergvölkchcn der Tscherkesse» zu bezwingen und die frechen Lügensiegesberichte über sie oder über ihren AnführerSchamyl sind nur ein Beweis, dass Russlands Macht nicht so drohend ist, als sie scheint. Im Innern herrscht ein furchtbarer Despotismus der Knute, Leib¬ eigenschaft, blinder Aberglaube, bei den Niedrigen vollkommene Bar¬ barei und bei den Höheren nur ein äußerer Anstrich von Cultur, der von wahrer Bildung sehr weit entfernt ist, kurz ein Zustand, wie er sich trauriger kaum gedacht werden kann. Dabei ist es das Streben der russischen Regierung, allen verschiedenen Nationalitäten das Russenthum aufzudrängen, nainentlich die russische Sprache und die russische Hof¬ religion im ganzen Reiche alleinherrschend zu machen. Daraus lässt sich erklären, wie selbst den Juden das Tragen der Bärte, der langen Locken und der üblichen Tracht in einem eigenen Ukas untersagt werden konnte. Alles soll gleichsam russische Uniform tragen und diese Unifor- mirung, verbunden mit soldatischer Subordination und Zucht im bür¬ gerlichen Leben, wie aus Schulen , ist mit der Erweiterung der russischen Macht nach Außen das Ziel der Politik. Ueberall sind russische Emissäre thätig, namentlich unter den noch anderen Mächten unterworfenen Slavenvölkern, bei denen die Ausbreitung der Idee des Panslavismus als Vorbereitung einstiger russischer Oberherrlichkeit anzusehen ist. Bald wird aber der Kaiser Nikolaus volle 25 Jahre regieren und in Kurzem muss sich daher entscheiden, was an der Sache der Erlangung voll¬ ständiger Souveränität des Kaisers nach 25 jähriger Regierungszeit ist. Seit langer Zeit ist es Erfahrungssatz, dass kein russischer Potentat über 25 Jahre regiert hat. Gewiss ist, dass mit dem Abtreter» des Kaisers Nikolaus vom Schauplatz der Weltbühne Russland einer Kata¬ strophe entgegengeht, deren Tragweite sich nicht abschen lässt.*) Oesterreich. Dieser Staat genoss auch im Jahre 1830 seine gewohnte Stille. Die Pariser Unruhen erregten zwar einige Besorgnisse. Ludwig Philipp'öl. Abgesandter aber erhielt bei dem Kaiser Audienz, und Anfangs September wurde die neue Regierung in Frankreich von Sei¬ ten Oesterreichs anerkannt. *1 Gegenwärtiges wurde im Oktober 1830 geschrieben.