— 211 — ging über den St. Bernhard. Seine Gemahlin muffte auf einer Ochsenhaut über das Eis geschleift werden. Er selbst kletterte wie ein Gemsjäger auf allen Vieren über die gefährlichsten Stellen. Eine traurige Römerfahrt! Endlich kam er in der Lombardei an. Eine Menge Fürsten und Bischöfe begrüßten ihn freudig als Geg¬ ner des Papstes und boten ihm ihre Hülfe an; selbst der Papst hatte sich eines Andern vermuthet und sich zu persönlicher Sicher¬ heit in das feste Schloß seiner Freundin, der Gräfin Mathilde, nach Canossa, begeben. Allein Heinrich wollte nur um Gnade bitten. Mathilde musste seine Fürsprecherin werden. Gregor be¬ fahl dem König, allein nach Canossa zu kommen. Heinrich ward in das Schloß gelassen. Hier musste er im Schloßhofe mit blo¬ ßem Haupt, barfuß, in einem wollenen Bußhemde, drei Tage und drei Nächte ohne Speise und Trank in der härtesten Winterkälte zubringen. Dann erst, auf inständiges Bitten der Mathilde, ließ ihn der Papst vor sich kommen, sprach ihn vom Banne los, aber machte die Bedingung, daß er sich zur weiteren Entscheidung in Reichssachen dem Papste stellen solle, wann und wo es dieser ver¬ lange, und daß er bis dahin noch seines Amtes entsetzt sei. Dann hielt Gregor feierlich Messe, brach eine Hostie entzwei und sprach: „Wenn die Beschuldigungen, die du zu Worms gegen mich aus¬ gestoßen, wahr sind, so soll die Hostie, die ich esse, mir jähen Tod bringen." Als er sie gegessen, sprach er wieder: „Nun iß du die zweite Hälfte und gelobe ein Gleiches, wenn meine Klagen gegen dich gegründet sind." Heinrich bebte zurück, und nahm die Hostie nicht. So entließ Gregor den gedemüthigten Fürsten. Der arme Zimmermannssohn von Saone hatte durch den Muth, welchen das Bewusstsein, für die göttliche Ordnung zu streiten Jedem eingiebt, über den im Purpur geborenen Kaiser, dem alle weltliche Macht zu Gebote gestanden hatte, den höchsten Triumph gefeiert. Der Deutsche wendet sich mit Scham und Unwillen über solch einen Kaiser von dieser Scene ab; aber der Mensch preist die Allgewalt des Geistes und der Christ freuet sich über die weltüberwindende Macht der Tugend. Kaum aber war Heinrich losgesprochen, so stachelte die eigene Scham und der Spott der Lombarden.seinen Muth wieder auf. Er schloß Gregor in Canossa ein und sammelte alle Feinde