95 werden, wenn sie verspreche, ohne Winkelzüge zu antworten, und jeder Unter¬ stützung entsage, falls ans der Untersuchung ihre Unschuld sich nicht vollstän¬ dig^ ergebe. Allein Maria fuhr fort, auf Nichts einzugehen, und gab der Elisabeth Parteilichkeit Schuld. Aus dem ganzen Betragen Mariens und den Umständen geht mit ziemlicher Gewißheit hervor, daß die Briefe ächt waren, und daß sie jede genaue Untersuchung scheute. Es konnte nicht fehlen, daß das Schicksal der unglücklichen Maria bei Vielen Theilnahme erweckte. Jener Herzog von Norfolk, der reichste Mann in England, erbot sich heimlich, sie zu heirathen, und dadurch ihre Freiheit zu bewirken. Sie willigte ein; als aber die Sache der Elisabeth bekannt wurde, ließ sie Marien nach Coventry bringen, und hier genauer bewachen. Norfolk wurde eingekerkert, erhielt aber bald seine Freiheit wieder, als er um Verzeihung bat, und das Versprechen ablegte, nichts wieder ohne Elisabeths Wissen zu unternehmen (1569). Drei Jahre später ließ er sich jedoch durch Maria, die ihm heimlich schrieb, verleiten, neue Pläne zu ihrer Befreiung zu entwerfen. Dies Mal konnte ihn nichts retten; erwürbe (1572) hingerichtet. Diese Versuche, Marien zu befreien, setzten Elisabeth in eine ängstliche Span¬ nung, und trugen nur dazu bei, die Lage der Gefangenen zu verschlimmern, die aus der einen Seite Elisabeth durch Klagen zum Mitleid zu bewegen suchte, auf der andern aber mit den Katholiken in England, Schottland, Frankreich und Spanien Einverständnisse unterhielt. Dazu kam, daß nicht lange vorher die Greuel der Bartholomäusnacht sich zugetragen hatten, daß Philipp II. mit Unterdrückung des reformirteu Glaubens in den Niederlanden sich be¬ schäftigte, daß die Jesuiten laut die Verdienstlichkeit der Ermordung evange¬ lischer Fürsten predigten, und daß sie mehrmals Aufstände der Katholiken in England erregten. Zwar wurden die Jesuiten aus England verbannt, aber dennoch war Elisabeth nie sicher, daß sich nicht, durch jene ermuntert, eine Mörderhand gegen sie bewaffnete. Wirklich geschah dies 1586. Einige junge Fanatiker, Schüler der Jesuiten in Rheims, Babington, Ballard u. A., kamen nach England mit dem Vorsatze, Elisabeth zu ermorden, Maria Stuart auf den englischen Thron zu setzen, und den evangelischen Glauben zu unter¬ drücken. Aber der Plan wurde verrathen, und die Verbrecher hingerichtet. Man hatte bei ihnen Briefe der Maria gefunden, aus denen wenigstens ihr Mitwissen, wenn auch nicht ihre Billigung des Mordes hervorging. Elisa¬ beth ließ daraus ihre Schreiber Nau und Curl festnehmen, und diese gestan¬ den, daß Maria jene Briefe selbst dictirt habe. Die Gefahr, in welcher Elisabeth bei dieser Verschwörung gewesen war, brachte den Entschluß, sich Mariens zu entledigen, zur Reife. Graf Leicester (spr. Lester), damals der vornehmste Günstling der Königin (ein jüngerer Bruder des Guilford Dudley), rieth, sie durch Gift aus der Welt zu schaffen; aber rechtschaffenere Räthe setzten sich gegen diesen abscheulichen Anschlag. Indessen ließ die Königin ihre Gefangene nach dem Schlosse Fotheringhay (spr. Foderingheh) bei Peterborough (spr. Piterbro) bringen, und fester als vorher verwahren. Zugleich wurde ein Gericht von 47 Lords niedergesetzt, welches untersuchen sollte, welchen Antheil sie an jener Verschwörung gehabt habe. Daß sie den Plan, sie zu befreien, gekannt, leugnete Maria nicht, wohl aber, von der beschlossenen Ermordung der Königin etwas gewußt zu