226 sie, aber erst im zweiten Feldzuge, nachdem auf seine Bitte ihm Holland, der Kaiser und der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg Ingenieurs und Artilleristen geschickt hatten (1696). Dann gab er gleich Befehl, eine Flotte zu bauen. Aber was halfen die Schiffe, wenn er keine Seeleute hatte, die sie zu regieren verstanden? Auch hier wußte Peter zu helfen. Er sandte eine Anzahl junger Edelleute theils nach Venedig und Livorno, theils nach Holland, den Schiffsbau und die Schiffsführung zu erlernen. So suchte der wackre Mann in jeder Art sein Volk weiter zu bringen. Und dennoch fehlte es nicht an Unzufriedenen, die lieber in ihrer behaglichen Unwissenheit geblieben wären. Besonders konnten ihm die Strjelitzen nicht vergeben, daß er ihnen die Poteschni vorzöge. Als er sich eines Abends (1697) bei Le Fort in Preobraschenskoi befand, wurde er, da man sich eben zur Tafel setzen wollte, herausgerufen. Es waren zwei Strjelitzen, welche sich vor ihm niederwarfen, und ihm erklärten: sie brächten ihm ihre Köpfe dar, die sie verwirkt hätten; ihr Gewissen triebe sie, ihm anzuzeigen, daß sie zu einer großen Verschwörung gehörten. Die Verschworenen wollten in der nächsten Nacht Feuer anlegen, und ihn, wenn er zur Hülfe herbeieilte, im Gedränge ermorden. Bis dahin wären sie im Hause des Staatsraths So- kownin versammelt. Es war jetzt 8 Uhr. Peter befahl, die Beiden fest¬ zunehmen; dann schickte er einen schriftlichen Befehl an den Hauptmanu sei¬ ner Leibgarde, Trubetzkoi, um 11 Uhr in aller Stille Sokownins Haus mit der Compagnie zu besetzen, und Alle, die darin wären, gefangen zu nehmen. Sonst sagte er keinem ein Wort von der Sache. Er begab sich ruhig zur Gesellschaft zurück. Um 10 Uhr stand er von der Tafel auf. „Laßt euch nicht stören," sagte er unbefangen; „ein kleines Geschäft ruft mich aus einen Augenblick ab." Er fuhr, nur von einem Adjutanten begleitet, auf seiner Droschke gerade nach dem Hause Sokownins, und trat, ob er gleich zu seiner Verwunderung die Wache noch nicht fand, hinein; denn er glaubte, daß er den Hauptmann beordert hätte, um 10 Uhr zu erscheinen. Die Verschwore¬ nen sprangen erschrocken auf; er aber rief: „Ei guten Abend! ich fuhr vor¬ bei, und sah helles Licht. Da vermuthete ich muntre Gesellschaft, und komme, mit euch ein Gläschen zu trinken." — „Viel Ehre!" stotterte der Wirth. Man setzte sich, man trank, und der Czar that tapfern Bescheid. Endlich winkte ein Strjelitz dem Sokownin, und flüsterte ihm zu: „Es ist Zeit, Bru¬ der!" — „Noch nicht!" antwortete dieser leise. Peter hörte das; seine Geduld war zu Ende. „Für mich aber ist es Zeit!" rief er mit funkelndem Blicke, indem er den Sokownin mit der Faust ins Gesicht schlug. „Fort! bindet die Hunde!" Zu seinem Glücke trat eben Trubetzkoi mit seinen Soldaten ins Zimmer, und ließ die Verschworenen, die nun vergebens um Gnade baten, festbinden. Dann gab ihm Peter eine tüchtige Ohrfeige, weil er so spät komme. Da sich der Offizier aber durch Vorzeigung des schriftlichen Befehls auswies, bereute Peter seine Uebereilung, küßte ihn freundlich auf die Stirn, und sagte, er sei ein braver Offizier. Darauf fuhr er zu Le Fort zurück, der sich nicht wenig wunderte, als er hörte, was unterdessen geschehen war. Die Verschwörer wurden hingerichtet. Die Schilderungen fremder Länder und Völker, die ihm Le Fort ge¬ macht hatte, erzeugten in ihm eine nicht zu unterdrückende Sehnsucht, sie