144 Das heilige römische Reich deutscher Nation. stürmten ihnen nach, und was Leben hatte vertilgte ihr Schwert; viele tausend Menschen, bewaffnete Männer, wehrlose Weiber und Kinder, hatten sich in die große Moschee geflüchtet, die auf dem Tempelplatze stand. Aber gerade der Anblick der Moschee, ehemals ein Haupttempel der Christenheit, reizte die Wuth der Stürmenden noch mehr, so daß sie alles niederhieben, das Blut über die Tempeltreppen hinunterrieselte und der Blutdampf die Krieger betäubte. Diese grausame Härte gegen die Bevölkerung einer mit Sturm eroberten Stadt steht nicht vereinzelt da, sondern Mohammedaner und Christen wütheten oft in solcher Weise gegen einander. Es ist traurig, daß das menschliche Geschlecht sich so grimmig verfolgt; wer aber die Kreuzfahrer besonders „wegen ihrer frommen Wuth" mit humanem Hasse verfolgt, der lasse sich die Erobe¬ rung Nidwaldens 1798, die Erstürmung Pragas 1795, die Katastrophe von Chios 1822, die Erstürmung von Saadschah 1845 erzählen, und bedenke endlich, wie die Nordamerikaner ihre Kriege gegen die Semi- nolen führen — dann hat er ans neuester Zeit einen Maßstab für die Beurtheilung der alten. Nachdem das Morden vorbei war, legten die Pilger ihre blutigen Kleider ab und beteten barfuß in Prozession an den heiligen Stätten. Hierauf wurde zur Wahl eines Königs von Jerusalem geschritten und einmüthig der tapfere Gottfried erkoren. Er aber sprach: „das sei ferne von mir, daß ich da eine goldene Krone trage, wo das Haupt des Hei¬ landes unter einer Dornenkrone geblutet hat;" er nannte sich nie König von Jerusalem, sondern Beschützer des heiligen Grabes. Er war es in der Thal, so lange er lebte; schon in dem ersten Monate, als bereits die meisten Pilger nach Hause zurückgekehrt waren, griff der Sultan von Aegypten das kleine Königreich mit einem gewaltigen Heere an, wurde aber von Gottfried im August bei Askalon besiegt und nach Aegypten zurückgetrieben. Leider starb Gottfried, den selbst die Mohammedaner bewunderten, nach kaum einjähriger Negierung und wurde in Jerusalem begraben, wo man den christlichen Pilgern noch heut zu Tage sein Grab zeigt. Ihm folgte sein Bruder Balduin, der Fürst von Edessa, der die Türken tapfer zurückschlug, welche das christliche Königreich von allen Seiten beunruhigten. Die Kunde von der Eroberung Jerusalems versetzte das christliche Europa in Jubel. Das Kreuz, das in Asien dem Halbmonde hatte wei¬ chen müssen, hatte triumphiert, die lange Schmach der Christenheit war gesühnt, und welche Aussicht eröffnete sich! Drei christliche Reiche waren gegründet, Edessa, Antiochia, Jerusalem, eben so viele Thore, durch welche das Christenthum in das innere Asien, an den Euphrat und Tigris, nach Damaskus und Bagdad Vordringen sollte. Gab es für die kriegslustigen adeligen Söhne einen schöneren Kampf als mit den Ungläubigen in Asien,