Mittlere Geschichte. Einleitung. Gang und Charakter der mittleren Geschichte. der Erscheinung des Heilandes auf Erden und mit dem Eintritt des Christeuthums in die Weltgeschichte erhält das innere Leben der Völker eine gänzliche Umgestaltung, und als ob die bisherigen Nationen, die in der heidnischen Cultur ihren Lebenszweck hatten, als Träger und Förderer der christlichen Bildung nnd Lebensanschauung nicht mehr fähig wären, treten neue Volksstämme von ursprünglicher Kraft und empfänglicher Natur in den Vordergrund der Geschichte. Während das Alterthum an den geistreichen Hellenen und au den thatenfrohen, rechtskundigen Römern seinen vollkommensten Ausdruck hatte, schließt sich das Mittelalter an die tiefe und bildungsfähige Natur der Germanen an, und während dort mehr das praktische Staatsleben, die Bürgertugend und Vaterlands¬ liebe zur Ausbildung kamen, fand hier mehr die persönliche Freiheit, die Genossenschaft mit ihren abgeschlossenen Sonderintcressen und das religiöse Leben mit seiner Innerlichkeit und Gefühlswelt Pflege und Anerkennung. In der heidnischen Welt des Alterthums ging der Mensch im Bürger auf, und da alle Kräfte und Bestrebungen auf den Staat gerichtet waren und Alle nach der Theilnahme an der Herrschaft trachteten, so wurde die republikanische Staatsform, die allen Bürgern den Zutritt zu der höchsten Macht und Würde öffnet, die vorwiegende. Das Christenthum, die Aus¬ bildung und Veredlung des Menschen nach dem Ebenbilde Gottes als Ziel und Aufgabe des Erdenlebens hinstellend, legte auf Herrschaft und Staats¬ formen weniger Bedeutung und schärfte vielmehr das ruhige Ausharren unter jeder von Gott verordneten Obrigkeit als höchste Pflicht ein, daher im christ¬ lichen Mittelalter die monarchische Staatsordnung die vorherrschende war. In der Alleinherrschaft des Angustus, womit der erste Band schloß, hatte das griechisch-römische Alterthum seinen Höhepunkt erreicht, indem alle Lebensäußerungen, in Religion und Literatur, in Staat und Gesell¬ schaftsleben zur Entfaltung und Erscheinung gekommen waren. Und zu Oeser'.S Weltgeschichte. II. 5. Ausl. 1