12 liegen, denn man kämpft nicht mit Arbeit um die Fruchtbarkeit und Größe des Bodens, daß man Baumgärten anlegte, Wiesen absonderte und Gärten wässerte. Nur Getreide bauen sie; daher theilen sie auch das Jahr nicht in so viele Zeiten. Von dem Winter, Frühlinge und Sommer haben sie Begriffe und Worte, aber den Namen des Herbstes kennen sie so wenig, als seine Güter. „Mit Leichen machen sie kein Gepränge. Nur das ist gebräuchlich, daß sie die Leichname berühmter Männer mit gewissen Holzarten verbren¬ nen. Der Holzstoß wird weder mit Kleidungsstücken, noch mit Specereien überdeckt. Jedem werden die Waffen, Einigen wird auch das Pferd mit iu's Feuer geworfen. Man richtet einen Grabhügel von Rasen auf. Die stolze und mühselige Ehre der Grabmäler verachten sie als den Todten beschwerlich. Klagen und Thränen nehmen bald, Schmerz und Traurig¬ keit spät ein Ende. Leidtragen ist für die Frauen, die Erinnerung für die Männer ehrenvoll. So viel habe ich von dem Ursprünge und den Sitten aller Germanen überhaupt erfahren." Es gab, wie Tacitus weiter berichtet, zwei Stände, Freie und Un¬ freie. Die ersteren theilten sich in edle Freie (Adelinge oder Ede- linge) und gemeine Freie; die zweiten in zins- oder dienstpflich¬ tige Hörige (Liten) und eigentliche Sklaven (Schalke), ur¬ sprünglich Kriegsgefangene. Der Hörige hatte von seinem Herrn ein Grundstück zur Benutzung, wogegen er Abgaben (Feod) entrichtete und gewisse Dienste zu leisten hatte. Auf dieses Verhältniß gründet sich das spätere Lohns- oder Feudalwesen. Der Stand der niederen Freien bildete sich aus den freigegebenen Liten oder Hörigen, wie die freigelassenen Leibeigenen in den Stand der Hörigen ein¬ traten. Ur- oder Sem per freie waren nur die Edlen von Hause, welche sich im Besitze eines Allods, d. h. eines nach dem Recht der männlichen Erstgeburt vererbbaren freien Eigenthums befanden. Der freigeborne Besitzer war der Vormund des ganzen Familienkrei¬ ses, der Sippe oder Sippschaft. Eine Anzahl dieser Allodbesitzer, unter sich vereinigt, bildete einen Gau. Bei wichtigen Veranlassungen traten diese Gaue zusammen und wählten einen Anführer (Heerführer, Herzog), der dem aus Allodbesitzern und ihren Leuten bestehenden Heer¬ banne voran zog. Aus diesen freien Adeligen wurden auch die Ober- priester gewählt. In dringenden, das Wohl des ganzen Landes betref¬ fenden Fällen gab es, wie auch Tacitus erzählt, Volksversammlungen. Die Gesetze waren sehr einfach, und durchgängig aus dem ehrenhaften rit¬ terlichen Sinn des Volkes hervorgegangen. In Ermangelung der Be¬ weise entschied der Eid, oder, war die Wahrheit auf keine Weise zu er¬ mitteln, das Gottesurtheil, das entweder in feierlichem Zweikampf, oder Feuer- und Wasserproben bestand. Leibesstrafe durch Schläge kam