23 Er hatte sich in Böhmen festgesetzt, wo bis dahin die Boj er (daher Bojheim) wohnten, und zog von hier an die Elbe und Donau, überall die deutschen Stämme an sich ziehend, um sie den Römern in Süd- und Ostdeutschland entgegenzustellen. Im Jahre 6 v. Ehr. von Tiberius im Harzwalde besiegt, wurde er zu einem Frieden genöthigt, den er indeß gerne einging, da ihm seine Fürstengewalt, — die damals bei den Deut¬ schen nur so lange dauerte, als der Krieg wahrte, —• durch das Bündniß mit Rom gesichert blieb. Deshalb war er unthätig, als Hermann den Varus vertilgte, und an der Befreiung Deutschlands, die sein Beitritt hätte vollenden können, nahm er keinen Theil. Auch Hermann konnte den großen Sieg, den er über die Römer er¬ rungen hatte, nicht weiter verfolgen; sein Schwiegervater, der alte Römer- sreund S eg estes, der ihm den Raub der Tochter nicht verzeihen konnte, brachte Uneinigkeit unter die Völker, überfiel Hermann's Burg in dessen Abwesenheit und führte Thusnelden gefangen weg. Als darauf Hermann racheglühend gegen ihn auszog, rief Segestes den Germanie ns, der eben die Gegend an der Weser schwer heimsuchte, zu Hülfe. Germanicus folgte dem Rufe, und es gelang ihm, die edle Thusnelda als Gefangene in seine Gewalt zu bekommen, die ihr Loos, nach des Tacitus Schilderung, trug: „nicht mit flehender Stimme, nicht zu Thränen erniedrigt, mehr vom Geiste ihres Gatten als ihres Vaters beseelt." Die Gemahlin des Helden, selbst als Heldin ehrend, bewahrte Germanicus sie vor jedem Uuglimps, doch mußte er sie auf Befehl seines kaiserlichen Oheims nach Rom senden. Später kam sie mit ihrem Sohne nach Ravenna, wo mehrere vornehme Deutsche als Geißeln, nicht eingekerkert, doch strenge überwacht, ein trauriges Gefangenenleben führten. Sie sah ihren Gatten und ihr Vaterland nie wieder. Ueber ihren Tod und das Schicksal ihres Knaben ist uns keine Kunde geblieben. Aus einer dunkeln Andeutung bei Tacitus haben neuere Forscher und Dichter schließen wollen, der letztere sei zu Ravenna als Gladiator erzogen worden. Rach des Augustus Tode ging des Drusus hochherziger Sohn Ger¬ manicus abermals über den Rhein. Auf seinem Zuge gelangte er, sechs Jahre nach der Teutoburger Schlacht, an die Stelle, wo 'Varus mit seinem Heere geschlagen worden war. Noch lagen die Leichengerippe unbeervigt, ein Saatfeld bleichender Gebeine, — den Römern ein schauerlicher An¬ blick! Manche Krieger aus dem Heere des Germanicus, die damals an dem Kampfe Theil genounnen, zeigten die Stellen, wo ihre Freunde gefallen waren, wo die Schlacht am grimmigsten gewüthet. Germanicus hielt hier eine traurige Todtenfeier. Er legte mit eigener Hand den ersten Rasen zur Aufrichtung des Todtenhügels; „ein holdes Weih¬ geschenk den Abgeschiedenen, den Anwesenden ein Zeichen teilnehmenden Schmerzes." Indessen stürmte Hermann, von wilder Rache entflammt, mit einem rasch gesammelten Cheruskerheere heran. Von Natur heftig, ward er